MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz

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MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
MAGAZIN
01/18

WALDEXPERIMENT
Kinder entdecken die Natur und
schaffen sich mit viel Fantasie ihre
eigene Welt

JUGENDRADIO
Jugendliche gestalten eine
Sendung zum Thema Religion
                                       Nach der Flucht:
SMARTPHONE
In einer Studie zur Medien-
                                       Integration durch Bildung
nutzung arbeiten Forschende eng        und Begleitung
mit Jugendlichen zusammen
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
Liebe Leserinnen und Leser
                                                             INHALT
68,5 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor
Konflikten, Gewalt und Verfolgung. 25,4 Millionen von        NACHRICHTEN
ihnen suchen Schutz in anderen Ländern. In der Schweiz       S. 2— 4
leben über 120 000 Personen mit Fluchthintergrund.

                                                             FRAGE AN DIE
Darunter sind mehr als 36 500 Kinder und Jugendliche.
Wir haben Statistiken studiert und blicken im Themen-
schwerpunkt unseres Magazins hinter diese Zahlen
(S. 6–23): Warum sind so viele Menschen auf der Flucht?
Was bedeuten die Fluchtbewegungen für die Schweiz?
                                                             WISSENSCHAFT
                                                             S. 5
Wie kann man geflüchteten Kindern und Jugendlichen gute
Zukunftschancen eröffnen? Fachpersonen geben Ant-
worten. Sie machen deutlich: Geflüchtete brauchen von
Anfang an die Chance, sich einzubringen und ihr Leben        SCHWERPUNKT                           ≥
neu zu definieren. Insbesondere für junge Menschen sind      S. 6 — 61
ein möglichst rascher Zugang zur Schule und zu Bildungs-

                                                             EINBLICKE
angeboten, eine persönliche Begleitung sowie soziale
Kontakte wichtig, um in der Gesellschaft anzukommen.
      In den vergangenen Jahren sind mit Unterstützung       S. 56—79
unserer Stiftung verschiedene Projekte für junge Geflüch-
tete entstanden, die dies berücksichtigen. Wir schauen       EIN WALD VOLLER WUNDER
in unserem Magazin Menschen über die Schulter, die im        S. 56—59
Rahmen von ‹Welcome to School› (S. 24–29) und ‹Inte-
gration Intensiv› (S. 30–34) junge Asylsuchende auf den
                                                             LIVE AUF SENDUNG
Einstieg in die Berufslehre vorbereiten. Wir treffen zwei
                                                             S. 60—63
Jugendliche, die dank des Förderprogramms ChagALL
(S. 35–37) den Sprung aufs Gymnasium geschafft haben.
                                                             AUSFLUG IN DIE WELT DER KINDER
Wir besuchen eine syrische Familie, die in schulischen
                                                             S. 64—67
Fragen von einer ‹Copilotin› (S. 38–42) unterstützt wird.
Jugendorganisationen erklären, wie sie mit Hilfe des
                                                             RAUS AUS DER KOMFORTZONE
Kompetenzzentrums Varietà (S. 43–45) geflüchtete Kinder
                                                             S. 68—72
und Jugendliche in ihre Angebote integrieren. Studie-
rende berichten, wie sie sich mit dem Projekt ‹Perspekti-
                                                             NICHT OHNE MEIN SMARTPHONE
ven – Studium› (S. 46–51) für den Hochschulzugang
                                                             S. 73—75
von Geflüchteten einsetzen. Und ein interkultureller Ver-
mittler (S. 52–55) gibt Einblicke in seine Arbeit. Es sind
                                                             EIN KRITISCHER BLICK IN DEN SPIEGEL
sehr persönliche Erfahrungen von Projektleitenden,
                                                             S. 76—79
Freiwilligen und jungen Geflüchteten, die im Zentrum un-
seres Magazins stehen. Ankommen brauche Zeit, sagen
sie. Ankommen bedeute, das persönliche Potenzial entfal-
ten und Zukunftsperspektiven entwickeln zu können.
                                                             ENGAGIERT
Ankommen heisse, Gemeinschaft zu erfahren. Wir setzen        S. 80
uns dafür ein, dass geflüchtete junge Menschen diese
Möglichkeit erhalten und irgendwann sagen können:
«Ich bin angekommen.»

Andrew Holland
Geschäftsführer

STIFTUNG MERCATOR SCHWEIZ
Die Stiftung Mercator Schweiz setzt sich für
eine engagierte und weltoffene Gesellschaft
ein, die verantwortungsvoll mit der Umwelt
umgeht und allen Kindern und Jugendlichen
in der Schweiz gute Bildungschancen bietet.
Dafür initiiert sie Projekte und fördert Vor-
haben von Organisationen und Institutionen,
die dieselben Ziele verfolgen. Die Stiftung
ermöglicht Wissenschafts- und Praxisprojekte,
stärkt Organisationen in ihrer Entwicklung
und sorgt dafür, dass Erfahrungen und Erkennt-
nisse verbreitet werden. Im Zentrum ihrer
Arbeit steht die Förderung junger Menschen
in der Schweiz. www.stiftung-mercator.ch
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
FLUCHT, INTEGRATION, BILDUNG
                          Warum sind so viele Menschen auf der Flucht?
                          Wie kann Integration gelingen? Welche Rolle spielt das
                          freiwillige Engagement für Geflüchtete? Wie kann
                          man geflüchteten Kindern gute Zukunftschancen eröff-
                          nen? Fachpersonen beantworten Fragen rund um
                          Flucht, Integration und Bildung.
                          S. 6—23

                          EINE AUFGABE IM ALLTAG
                          Sie wollen die Zeit bis zum Asylentscheid sinnvoll nutzen:
                          Junge Asylsuchende lernen Deutsch, Mathematik und
                          allgemeinbildende Fächer, um sich auf eine Berufsbildung
                          vorzubereiten. Unterrichtet werden sie von Freiwilligen.
                          S. 24—29

                          AM ANFANG IST ALLES NEU
                          Das Programm ‹Integration Intensiv› hilft jungen Asyl-
                          suchenden dabei, in der Schweiz Fuss zu fassen.
                          Neben Unterricht prägen ausserschulische Aktivitäten
                          das Angebot. Denn Integration beginnt im Alltag.
                          S. 30—34

                          EIN KLARES ZIEL VOR AUGEN
                          Es ist ein hartes Stück Arbeit, um als begabter junger
                          Flüchtling den Sprung aufs Gymnasium zu schaffen.
                          Die Sprache ist dabei die grösste Herausforderung.
                          Mit einem gezielten Training wird der Traum wahr.
                          S. 35—37

                          ORIENTIERUNG IM SCHULALLTAG
                          Für geflüchtete Familien ist in der Schweiz alles neu.

SCHWERPUNKT               Wie funktioniert das Bildungssystem? Was erwartet
                          die Schule von den Eltern? Wie können sie ihre Kinder

AN(GE)KOMMEN              unterstützen? ‹Copiloten› begleiten Familien in
                          schulischen Fragen.

Viele junge Menschen
                          S. 38—42

sind in den vergangenen
                          GEMEINSCHAFT, KONTAKTE UND ZUSAMMENHALT
                          Vereine und Verbände bieten Kindern und Jugendlichen
                          vielfältige Möglichkeiten, Gleichaltrige zu treffen, sich
Jahren in die Schweiz     zu bilden und zu entfalten. Sie können einen wertvollen
                          Beitrag zur Integration leisten – wenn sie sich inter-

geflüchtet. Wie können    kulturell öffnen.
                          S. 43—45

wir sie dabei unter-      DER TRAUM VOM STUDIUM

stützen, Zukunftspers-
                          Unter den jungen Menschen, die in die Schweiz flüchten,
                          sind auch Studierende. Viele träumen davon, ihr Studium

pektiven zu entwickeln?
                          fortzusetzen. Gasthörerprogramme und eine Website
                          zeigen ihnen ihre Möglichkeiten auf.
                          S. 46—51
S. 6—55

                          BRÜCKENBAUER ZWISCHEN DEN KULTUREN
                          Wenn die richtigen Worte in der neuen Sprache noch fehlen,
                          kann es zu Fragen und Missverständnissen kommen.
                          Personen, die interkulturell vermitteln und dolmetschen,
                          helfen bei der Verständigung.
                          S. 52—55
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
NACHRICHTEN

                       VERNETZUNG FÜR MEHR
                       MITWIRKUNG
                       Der Campus für Demokratie schafft regelmässig Begegnungen
                       für Akteure aus Bildung, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Forschung
                       und Politik, um die Partizipation von Kindern und Jugendlichen
                       zu fördern. Die lokalen Vernetzungsanlässe bieten vielfältige
                       Austauschmöglichkeiten und vermitteln Ideen und Informationen,
                       wie die Partizipation von Kindern und Jugendlichen gelingen
                       kann. «Ziel ist es, dass bis 2020 in jedem Kanton und im Fürsten-
                       tum Liechtenstein ein solcher Anlass stattfindet», erklärt Carol
                       Schafroth, Geschäftsführerin vom Campus für Demokratie.
                            ‹Ohne Partizipation keine Demokratie› war das Schwerpunkt-
                       thema an der ersten Veranstaltung im Oktober 2017 in Bern.
                       In Luzern ging es im März 2018 um das Lernen über, durch und
                       für Menschenrechte. In St. Gallen diskutierten die Teilnehmenden
                       im April 2018 über eine veränderte Gesellschaft und neue Partizi-
                       pationsmöglichkeiten. In Basel stand im Juni 2018 die Partizipation
                       im Zeitalter der Migration im Zentrum. Die Schwerpunktthemen
                       wechseln, ebenso die Partnerorganisationen. Der Campus für Demo-
                       kratie bietet regionalen Akteuren die Möglichkeit, ihre Arbeit im
                       Rahmen der Anlässe vorzustellen und mit den Anwesenden über
                       gute Beispiele zu diskutieren. Nach den ersten Anlässen zeigt sich:
                       «Es ist den Teilnehmenden ein grosses Anliegen, sich mit anderen
                       Akteuren zu vernetzen und voneinander zu lernen», sagt Carol
                       Schafroth. Viele haben im Anschluss weitere Treffen geplant.

2   MERCATOR MAGAZIN
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
MEHR KULTURELLE
TEILHABE
                                            ERNÄHRUNGSFORUM
Kulturelle Teilhabe schafft gesellschaft-
                                            NIMMT ARBEIT AUF
liche Teilhabe. Sie stärkt den positiven
Selbstbezug, ermächtigt zur verantwor-
tungsvollen Mitgestaltung der Umwelt        Woher stammen die Lebensmittel, die wir geniessen? Wurden
und wirkt dem Auseinanderfallen             sie unter fairen Bedingungen hergestellt? Genügen sie hohen
immer komplexer werdender Gesell-           ökologischen und tierethischen Standards? Um diese Fragen zu
schaften entgegen. Entsprechend
                                            diskutieren und Verbesserungen in die Wege zu leiten, haben
befindet sich die kulturelle Teilhabe
mittlerweile ganz oben auf der Agenda       69 Firmen und Organisationen zusammen mit 32 Einzelpersonen
der Kulturpolitik. Kaum eine öffentli-      das Ernährungsforum Zürich gegründet. Viele von ihnen sind als
che Kulturinstitution kommt ohne ent-       Gemüsegärtnerinnen, Landwirte, Lebensmittelverarbeiter, Händler
sprechende Massnahmen aus. Doch             und Gastronomen bereits mit Innovationen im Ernährungssystem
die Umsetzung der hohen Ziele der
                                            Zürich aufgefallen. Mitglieder sind auch Fachmedien, Bildungs-
kulturellen Teilhabe in der täglichen
Praxis ist eine grosse Herausforderung      und Forschungsinstitutionen, Beratungsunternehmen und Interes-
für Kulturinstitutionen, Kulturvermitt-     senorganisationen sowie zahlreiche Einzelpersonen, die sich
lerinnen und -vermittler.                   für gutes Essen und Trinken in Zürich einsetzen.
       Die Publikation ‹Zurücktreten             Das Ernährungsforum Zürich orientiert sich an Vorbildern,
bitte! Mehr kulturelle Teilhabe durch
rationale Kulturvermittlung› von
                                            die in englischsprachigen Ländern ‹Food Policy Council› und
der Kulturwissenschaftlerin Wanda           in Deutschland ‹Ernährungsrat› genannt werden. Es lanciert Pro-
Wieczorek nimmt die Nöte der Praxis         jekte, organisiert Diskussionsrunden und Betriebsbesichtigungen,
ernst und geht den dringendsten             betreibt Bildungsarbeit und erarbeitet Empfehlungen für die
Fragen einer auf Teilhabe und Mitbe-
                                            Stadt. Alles mit dem Ziel, ein nachhaltiges Ernährungssystem im
stimmung ausgerichteten Kulturver-
mittlung auf den Grund. Grundlage           Raum Zürich zu fördern. Das Ernährungsforum Zürich geht auf
sind die Erfahrungen aus dem Praxis-        den Erlebnismonat ‹Zürich isst› zurück: 100 Organisationen hatten
projekt ‹Die Kunstnäher_innen› des          im September 2015 auf Initiative der Stiftung Mercator Schweiz
Institute for Art Education der Zürcher     und der Stadt Zürich über 200 Veranstaltungen – Ausstellungen,
Hochschule der Künste; einem Projekt,
                                            Vorträge, Workshops oder Aktionen in Schulen und im öffent-
das ausdrücklich einer teilhabeorien-
tierten Kunstvermittlung verpflichtet       lichen Raum – auf die Beine gestellt, um die Öffentlichkeit für die
war. In der Publikation werden nicht nur    Bedeutung einer nachhaltigen Ernährung zu sensibilisieren. An
die Herausforderungen der teilhabe-         der Abschlussveranstaltung kam der Wunsch auf, einen Runden
orientierten Kulturvermittlung sichtbar,    Tisch zu organisieren, der Akteure im Bereich Ernährung in der
sondern auch Möglichkeiten disku-
tiert, wie ein Umgang damit gefunden
                                            Stadt Zürich vernetzt. In einem Zukunftslabor und an Vernetzungs-
werden kann. Das Buch ist im kopaed         tagungen wurden Ideen für Aktivitäten entwickelt. Daraus ist am
Verlag erschienen.                          20. März 2018 das Ernährungsforum Zürich entstanden.

                                                                               IMPULSE FÜR
                                                                               PROJEKTIDEEN
                                                                               Die VSUZH Impulsfabrik unterstützt das
                                                                               gesellschaftliche Engagement von
                                                                               Studierenden an der Universität Zürich.
                                                                               Wer eine eigene Projektidee umsetzen
                                                                               oder eine Organisation gründen möchte,
                                                                               erhält von der Impulsfabrik Unterstüt-
                                                                               zung. Wer sich engagieren möchte,
                                                                               aber noch nicht weiss, welche Initiative
                                                                               für ihn interessant ist, findet dort Rat.
                                                                               Auch studentische Organisationen,
                                                                               die neue Mitstreiter suchen, können um
                                                                               Hilfe bitten. Mit der ‹Activity Fair› hat
                                                                               die Impulsfabrik, die von Studierenden
                                                                               geführt wird, eine Messe im Haupt-
                                                                               gebäude der Universität Zürich orga-
                                                                               nisiert, an der sich die vielfältigen
                                                                               studentischen Organisationen der Hoch-
                                                                               schule präsentieren konnten.

                                                                                                                      3
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
NACHRICHTEN

BILDUNG ALS
ALLTAGSERLEBNIS
Im Zentrum des Openki-Festivals vom 2. bis zum 6. Mai 2018 und
zuvor an der Openki-Night vom 16. Februar 2018 stand das kollek-
tive Lernen. Mehr als 40 Kurse haben Zürcherinnen und Zürcher
an verschiedenen Orten in der Stadt Zürich – darunter die Kunst-
halle, Photobastei und der Impact Hub – auf die Beine gestellt.
Die Kurse waren so vielfältig wie das Wissen und die Interessen in
der Bevölkerung: Sticken, Partnerakrobatik, Beatboxen, Deutsch
lernen, Arabisch kochen, Programmieren … Daneben fanden Diskus-
sionsrunden rund um das Thema selbstorganisierte Bildung statt.
«Wir waren überwältigt von den vielen Personen, die sich mit Kurs-
ideen bei uns meldeten und unentgeltlich ihren Kurs am Festival
durchführten», sagt Projektleiterin Flavia Fries zufrieden.
     Das Openki-Festival war der Startschuss für eine selbstorgani-
sierte lokale Lerngemeinschaft in Zürich: Bildung soll ein kollek-       KULTUR BEEINFLUSST
tives Alltagserlebnis werden – selbstorganisiert, partizipatorisch,      KUNSTUNTERRICHT
offen für alle. «Jede und jeder hat Wissen, Erfahrungen und Fähig-       Studierende der Zürcher Hochschule
keiten, die sie oder er mit anderen teilen kann», betont Flavia Fries.   der Künste begegnen angehenden
Damit das selbstorganisierte Lernen funktioniert, hat eine Gruppe        Lehrpersonen für den Kunstunterricht
                                                                         aus dem Südkaukasus: Das Austausch-
Freiwilliger eine Web-Plattform entwickelt: Openki.net macht
                                                                         projekt ‹Art matters› der artasfounda-
Bildung für alle hürdenfrei zugänglich. Menschen können auf der          tion organisiert zweiwöchige Treffen
Plattform selbst vorschlagen, was sie lernen oder was sie anderen        in Abchasien /Georgien und Tawusch /
beibringen möchten. So entstehen selbstorganisierte Lerngruppen.         Armenien mit Gegenbesuchen in Zü-
Diese können sich in ihren eigenen Räumen oder den Räumen, die           rich. Im April 2018 reiste eine Gruppe
                                                                         aus Zürich erstmals nach Suchumi,
ihnen Openki erschliesst, treffen. Von Openki organisierte Work-
                                                                         um Einblicke in die pädagogischen An-
shops und Treffen fördern den Erfahrungsaustausch und die Weiter-        sätze an dortigen Schulen zu gewinnen.
entwicklung des selbstorganisierten Lernens. Veranstaltungen             Sie erkannten, welchen Einfluss das
sollen auch künftig zum kollektiven Lernen motivieren. Dass dies         kulturelle Erbe auf den Kunstunterricht
klappt, zeigen die Erfahrungen des Openki-Festivals im Mai 2018:         hat und machten wertvolle Erfahrun-
                                                                         gen für den Unterricht in einer kulturell
Im Anschluss an das Festival wurden auf der Internetplattform            vielfältigen Schweiz.
verschiedene Kurse angemeldet und durchgeführt.

                                                                         DRAUSSEN
                                                                         UNTERRICHTEN
                                                                         Wie geht Mathematik draussen? Errei-
                                                                         che ich die Lehrplanziele für Deutsch
                                                                         auf dem Waldsofa? Wie argumentiere
                                                                         ich in meinem Team und bei meiner
                                                                         Schulleitung, wenn ich mehr Zeit mit
                                                                         meiner Klasse im Freien verbringen
                                                                         möchte? Damit Lehrpersonen ihren
                                                                         Unterricht in der Natur lehrplangerecht
                                                                         gestalten können, bietet die Stiftung
                                                                         Silviva ihnen neben Kursen, Veranstal-
                                                                         tungen und Beratungen das Praxis-
                                                                         handbuch ‹Draussen unterrichten› mit
                                                                         einer Vielfalt an Ideen, Argumenten und
                                                                         Werkzeugen. Das 280-seitige Hand-
                                                                         buch ist im April 2018 im hep-Verlag
                                                                         erschienen. Über 150 Lehrpersonen
                                                                         haben die darin vorgestellten Aktivi-
                                                                         täten getestet. Weitere Fachpersonen
                                                                         haben zum Inhalt beigetragen.

4   MERCATOR MAGAZIN
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
FRAGE AN DIE
WISSENSCHAFT                                            Tatsächlich verfolgt eine steigende Zahl von Kon-
                                                        sumenten und Produzenten solidarökonomische

SOLIDARÖKONOMIE:                                        Strategien. Dies spiegelt sich in der Zunahme
                                                        neuartiger und altbewährter Formen der solidar-
EINE CHANCE FÜR                                         ökonomischen Zusammenarbeit wider. Unter
                                                        die solidarökonomischen Strategien fallen unter
DEN BIOLANDBAU?                                         anderem die 65 regionalen Vertragslandwirt-
                                                        schaftsinitiativen in der Schweiz. Dank einer ver-
                                                        traglich verbindlichen Abnahme von Produkten
BETTINA SCHARRER                                        zu fairen, garantierten Preisen unterstützen die
UMWELTHISTORIKERIN                                      Initiativen Biobetriebe unabhängig von saisonalen
                                                        Schwankungen in ihrer Existenz. Auch Produ-
                                                        zenten-Konsumentengenossenschaften wie die
Solidarökonomische Strategien sind im Bioland-          Agrico in Basel fördern erfolgreich die Verbreitung
bau kein neues Phänomen. Schon in der frühen            des Biolandbaus. Für etwa 850 aktive Mitglieder
Phase des Biolandbaus spielten Produzenten- und         und ungefähr 2000 Nicht-Mitglieder produzieren
Konsumentengenossenschaften wie die 1972                sie auf 20 Hektar eigener und 75 Hektar gepach-
gegründete ‹Biofarm-Genossenschaft› eine wich-          teter Fläche Biogemüse.
tige Rolle. Seither hat der Biolandbau seine Nische
längst verlassen und eine beeindruckende Ent-           AUSWEGE AUS DER ZWICKMÜHLE

wicklung erfahren: Heute werden 14,4 Prozent der        Ein weiteres Modell der Solidarökonomie sind
landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Schweiz          Produzentengenossenschaften, die dank einer
biologisch bewirtschaftet. Bioprodukte erlangen         eigenen Vermarktung oder auch Verarbeitung die
9 Prozent des Marktanteils an Nahrungsmitteln.          Existenz vieler Biobetriebe sichern. Dazu zählt
Sie gelangen mehrheitlich über die Grossverteiler       die Genossenschaft ‹La Terra e il Cielo› in Italien,
zu den Konsumentinnen und Konsumenten. Doch             die über 100 kleinere und mittlere biologisch
dieser Erfolg schafft auch neue Abhängigkeiten.         produzierende Betriebe vereint und ihnen die Ab-
                                                        nahme ihrer Ernte zu fairen, kostendeckenden
HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE PRODUKTION                    Preisen garantiert. Da die biologische Produktions-
Eine grundsätzliche Herausforderung für die             weise eine Bedingung für den Eintritt in solche
Ausweitung der biologischen Produktion ergibt           Genossenschaften ist, werden Betriebe zur Umstel-
sich aus der dominanten industriellen Produk-           lung motiviert. Diese Beispiele werfen ein Schlag-
tions- und Marktlogik, die ein qualitativ und quanti-   licht auf die Vielschichtigkeit und das Entwick-
tativ gleichförmiges, vorhersehbares Angebot von        lungspotenzial solidarökonomischer Strategien zur
möglichst preiswerten Nahrungsmitteln fordert.          Förderung des Biolandbaus. So unterschiedlich
Diese Anforderungen drängen auch Biolandwirte           die Strategien auch sind, sie alle erhalten und för-
dazu, natürliche Stoffkreisläufe aufzubrechen,          dern das hohe Niveau der Biolandwirtschaft sowie
sich von Standortbedingungen und der Fläche zu          eine hohe Agrobiodiversität, indem sie praktische
entkoppeln, saisonale Zyklen auszublenden und           Auswege aus der Zwickmühle der vorherrschen-
die Beschleunigung der biologischen Reifeprozesse       den Produktions-, Vertriebs- und Vermarktungs-
voranzutreiben. Sie stehen unter ständigem kapital-     logik aufzeigen.
intensivem Innovations- und Wachstumsdruck,
ohne die Sicherheit zu haben, dass die Marktpreise
am Ende die Produktionskosten decken. Solidar-
ökonomische Strategien können Abhilfe leisten:
Produzenten und Konsumenten vereinbaren teil-           BETTINA SCHARRER ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Inter-
weise im direkten Kontakt miteinander Preise,           disziplinären Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt der
                                                        Universität Bern. Sie leitet das Forschungsprojekt ‹Die Bedeutung
Produktionsanforderungen, Vermarktungswege              der Solidarökonomie für die Entwicklung des ökologischen Landbaus
und eine gerechte Abgeltung der geleisteten Arbeit.     in Europa früher und heute›. Die Untersuchung trägt dazu bei, Ent-
                                                        wicklungen, Potenziale und Hindernisse der solidarökonomischen
Solidarökonomische Strategien unterstützen den          Landwirtschaft bekannt zu machen und neue Fördermöglichkeiten zu
Fortbestand und die Ausweitung biologischer             erschliessen. Das Forschungsteam bezieht Schlüsselvertreter des
bäuerlicher Betriebe, indem sie ökonomische             Biolandbaus und der Solidarökonomie aus Praxis, Beratung, Wirtschaft
                                                        und Politik ins Projekt mit ein. Insgesamt sind 30 Organisationen aus
Anreize schaffen und das Verständnis der Konsu-         der Schweiz, Frankreich, Deutschland, Österreich und Italien beteiligt.
mierenden für die Biolandwirtschaft fördern.            www.solidarisch-biologisch.unibe.ch

                                                                                                                              5
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
SCHWERPUNKT
EINE AUFGABE
IM ALLTAG
S. 24—29

AM ANFANG IST
ALLES NEU
S. 30—34

EIN KLARES ZIEL
VOR AUGEN
S. 35—37

ORIENTIERUNG
IM SCHULALLTAG
S. 38—42

GEMEINSCHAFT,
KONTAKTE UND
ZUSAMMENHALT
S. 43—45

DER TRAUM VOM
STUDIUM
S. 46—51

BRÜCKENBAUER
ZWISCHEN
DEN KULTUREN
S. 52—55

                                         Einer von 110
                                         Menschen
                                         weltweit sieht sich gezwungen,
                                         seine Heimat zu verlassen

                  Genügt es, ein Land zu erreichen, um anzukommen?
                  Alles ist neu. Die Kultur ist fremd, die Sprache eine
                  Herausforderung. Viele junge Menschen sind in den
                  vergangenen Jahren in die Schweiz geflohen. Sie
                  wünschen sich eine Zukunft in Sicherheit. Sie wollen
                  zur Schule gehen, lernen, Freunde finden. Irgendwann
                  werden sie angekommen sein. Doch das braucht
                  Zeit, Förderung und Begleitung.
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
Ein Drittel
der Menschen, die in
die Schweiz flüchten, sind
Kinder und Jugendliche
MAGAZIN 01/18 - Stiftung Mercator Schweiz
68,5 Mio. Menschen
sind weltweit auf
der Flucht
0,9% der Weltbevölkerung fliehen
vor Konflikten, Gewalt oder
Verfolgung. Das entspricht über
acht Mal der Bevölkerung
der Schweiz.

                                           52%
                                     sind Kinder und
                                   Jugendliche unter
                                           18 Jahren

Quelle: UNHCR,Global Trends 2017
Davon sind

40 Mio.                                    25,4 Mio.                              3,1 Mio.
Binnenvertriebene                          Flüchtlinge                            Asylsuchende
Diese Menschen haben auf der               Um sich in Sicherheit zu bringen,      Diese Personen haben im Auf-
Suche nach Schutz ihren Wohnort            sind diese Menschen in ein ande-       nahmeland ein Asylgesuch
verlassen, ohne die Staatsgrenze           res Land geflohen.                     gestellt und warten auf den
zu überschreiten.                                                                 Bescheid der Behörden.
                                           19,9 Mio. der weltweiten Flücht-
                                           linge stehen unter dem Mandat des
                                           UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.
                                           Die über 5 Mio. palästinensischen
                                           Flüchtlinge werden vom UNO-Hilfs-
                                           werk UNRWA betreut.

                                                                           57%
                                                                           der Flüchtlinge unter dem
                                                                           Mandat des UNO-Flücht-
                                                                           lingshilfswerks kommen
                                                                           aus nur drei Ländern

                                                                           85%
                                                                           der weltweiten Flücht-
                                                                           linge finden Schutz
                                                                           in Entwicklungsländern

                                                                           10 Länder
                                                                           nehmen fast zwei Drittel
                                                                           der Flüchtlinge auf
                                                                           Türkei         3,5 Mio.
                                                                           Pakistan       1,4 Mio.
                                                                           Uganda         1,4 Mio.
             Syrien                                                        Libanon        998 900
             6,3 Mio.                                                      Iran           979 400
                                        Südsudan
                                                                           Deutschland    970 400
                                        2,4 Mio.
                                                                           Bangladesch    932 200
  Afghanistan
                                                                           Sudan          906 600
  2,6 Mio.
                 Die Angaben beziehen sich auf die 19,9 Mio. Flüchtlinge   Äthiopien      889 400
                 unter dem Mandat des UNHCR.                               Jordanien      691 000
SCHWERPUNKT

Warum sind
                                                                                                                                     «Kriege, gewaltsame Konflikte,
                                                                                                                                     politische Verfolgungen und

so viele Menschen
                                                                                                                                     Missstände sind die häufigsten
                                                                                                                                     Ursachen dafür, dass Menschen
                                                                                                                                     aus ihrer Heimat fliehen»,

auf der Flucht?
                                                                                                                                     erklärt Denise Efionayi-Mäder,
                                                                                                                                     Vizedirektorin des Schweize-
                                                                                                                                     rischen Forums für Migrations-
                                                                                                                                     und Bevölkerungsstudien
TEXT / NADINE FIEKE
                                                                                                                                     der Universität Neuchâtel. Zur-
                                                                                                                                     zeit sind weltweit 68,5 Millionen
                                                                                                                                     Menschen auf der Flucht.
                                                                                                                                     Täglich werden 44 400 Men-
                                                                                                                                     schen vertrieben. Alle zwei
                                                                                                                                     Sekunden muss jemand seine
                                                                                                                                     Heimat verlassen. Das sind
                                                                                                                                     die ernüchternden Zahlen, die
                                                                                                                                     das UNO-Flüchtlingshilfswerk
Menschen auf der Flucht                                                                         UNHCR am 20. Juni 2018 – dem Weltflüchtlingstag – in seinem
70 Mio.
                                                                                                Bericht ‹Global Trends 2017› veröffentlicht hat. Die Zahlen wachsen
60                                                                                              stetig. Wohin zieht es die Vertriebenen? Fast zwei Drittel der
50                                                                                              Menschen bleiben als Binnenflüchtlinge im eigenen Land. Wer auf
40
                                                                                                der Suche nach Schutz das Heimatland verlässt, wird zumeist
30
                                                                                                von einem Nachbarstaat aufgenommen. Vergleichsweise wenige
                                                                                                Flüchtlinge gelangen in den globalen Norden. In Europa leben
     2005
            2006
                   2007
                          2008
                                 2009
                                        2010
                                               2011
                                                      2012
                                                             2013
                                                                    2014
                                                                           2015
                                                                                  2016
                                                                                         2017

                                                                                                6,1 Millionen Flüchtlinge. Davon beherbergt allein die Türkei 3,5 Mil-
                                                                                                lionen – fast ausschliesslich Opfer des Syrien-Kriegs.
                                                                                                      Es ist der blutige Bürgerkrieg in Syrien, der weltweit für die
Syrien                                                                                          grössten Fluchtbewegungen sorgt. Praktisch alle Teile des Landes
Ermutigt vom Arabischen Frühling forderten
                                                                                                sind von Gewalt betroffen. Grossstädte wie Homs oder Aleppo
Syrerinnen und Syrer im Frühjahr 2011 in
friedlichen Demonstrationen mehr Freiheit.                                                      liegen in Schutt und Asche. 12,6 Millionen Syrerinnen und Syrer
Die Regierung reagierte mit Gewalt, Mas-                                                        sind seit Ausbruch des Krieges im Jahr 2012 heimatlos geworden.
senverhaftungen und systematischer Folter.
Aus den Protesten hat sich ein Bürger-
                                                                                                Die Hälfte von ihnen hat das Land verlassen, um in einem von
krieg entwickelt, in dem sich Regierungs-                                                       135 Staaten Schutz zu suchen. Afghanistan ist nach Syrien das
truppen und Rebellengruppen unter Einmi-
                                                                                                Land, aus dem die meisten Menschen fliehen: 2,6 Millionen
schung internationaler Akteure gegen-
überstehen. Der Krieg hat hunderttausende                                                       afghanische Flüchtlinge leben in 93 Ländern. Seit Jahrzehnten
Menschen das Leben gekostet und Millio-                                                         bedrohen bewaffnete Auseinandersetzungen und Anschläge
nen vertrieben.
                                                                                                verschiedener radikal-islamischer Gruppierungen das Leben der
Afghanistan                                                                                     Bevölkerung. Kaum ein Tag vergeht ohne einen Nachrichten-
Seit 2001 herrscht in Afghanistan ein be-                                                       beitrag über das Leid der Menschen in Syrien und Afghanistan.
waffneter Konflikt, in dem die nationalen                                                       Wesentlich unbekannter ist die Situation in Eritrea: «Die Haupt-
Sicherheitskräfte (unterstützt von den inter-
nationalen Streitkräften der Nato) den                                                          ursache für die Flucht ist der faktisch unbefristete National-
Taliban und etwa zwanzig anderen Gruppie-                                                       dienst», erläutert Denise Efionayi-Mäder. Die Menschenrechts-
rungen gegenüberstehen. Die Sicherheits-
lage ist dramatisch, die Zahl ziviler Opfer
                                                                                                organisation Amnesty International spricht von Zwangsarbeit.
hoch. Die Bevölkerung ist Verfolgungen und                                                      Neben militärischen Aufgaben müssen Männer und Frauen
Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.                                                          Arbeiten in der Landwirtschaft, auf dem Bau oder im öffentlichen
                                                                                                Dienst erledigen. «Auch wenn in Eritrea kein offener Konflikt
Eritrea
Eritrea gilt als äusserst repressives Regime.                                                   herrscht, sind die Menschen Verfolgung, Willkür und Misshand-
Der Präsident, wenige Parteikader und Mili-                                                     lungen ausgesetzt», sagt die Migrationsforscherin. 486 200
tärangehörige bestimmen über das Land,
                                                                                                Eritreerinnen und Eritreer haben ihr Land verlassen, 30 900 leben
das keine Verfassung, Gewaltenteilung oder
freie Medien hat. Folter und menschenun-                                                        in der Schweiz. Damit liegt Eritrea auf Platz neun der traurigen
würdige Haftbedingungen sind laut Amnesty                                                       Rangliste der Länder mit den meisten Flüchtlingen. In der Schweiz
International alltäglich. Viele Oppositio-
nelle sind verschwunden. Der Nationaldienst
                                                                                                stammen die meisten Menschen mit Fluchthintergrund aus
ist faktisch unbefristet.                                                                       diesem Land, gefolgt von Syrien und Afghanistan.

10          MERCATOR MAGAZIN
SCHWERPUNKT

                                   385 Konflikte zählte das Heidelberger Institut für Internationale
                                   Konfliktforschung im Jahr 2017. Darunter waren 222 gewalt-
                                   same Konflikte und zwanzig Kriege, die Menschen in die Flucht
                                   trieben. Denise Efionayi-Mäder beobachtet Dominoeffekte:
                                   Konflikte brechen häufig dort aus, wo das Land knapp wird und
                                   Dürre herrscht – wie im Norden Nigerias oder in der Sahelzone.
                                   Umgekehrt verschärfen Gewalt und Unsicherheit die Umweltsitu-
                                   ation. So vermischen sich die Fluchtgründe. «Es gibt auch Per-
                                   sonen, die keine Zukunftsperspektive mehr sehen und einfach ein
                                   besseres Leben suchen», sagt die Forscherin. Schaffen diese
                                   Menschen es bis nach Europa, haben sie allerdings kaum eine
                                   Chance, zu bleiben. Denn als Flüchtlinge gelten sie nicht.

Wie sind Flüchtlinge
                                                                       Genfer Flüchtlingskonvention
                                                                       Bis heute ist die Genfer Flüchtlingskonven-
                                                                       tion aus dem Jahr 1951 das wichtigste

geschützt?
                                                                       internationale Dokument zum Schutz von
                                                                       Flüchtlingen. Die Konvention legt fest,
                                                                       wer ein Flüchtling ist sowie welche Rechte
                                                                       und Pflichten diese Menschen haben.
                                                                       Zu den Rechten gehören die Religions- und
                                                                       Bewegungsfreiheit, das Recht auf Arbeit,
                                                                       auf Bildung und auf Reisedokumente.
                                                                       Ursprünglich schützte die Genfer Flücht-
                                                                       lingskonvention ausschliesslich europäische
                                                                       Flüchtlinge, die aufgrund von Ereignissen,
                                                                       die vor dem 1. Januar 1951 eintraten, zu
                                                                       solchen geworden sind. Das Protokoll von
                                                                       1967 hebt jegliche zeitliche und geografi-
                                                                       sche Einschränkung auf.

                                                                       Asyl
                                                                       Anerkannte Flüchtlinge erhalten in der
148 Länder – darunter die Schweiz – haben die Genfer Flüchtlings-      Regel Asyl – staatlichen Schutz vom Auf-
                                                                       nahmeland. Im Asylverfahren prüfen die
konvention ratifiziert. Damit erklären sie sich bereit, Flüchtlingen   Behörden, ob die asylsuchende Person die
Schutz zu gewähren. Doch wer gilt als Flüchtling? Umgangs-             Flüchtlingseigenschaft gemäss Genfer
                                                                       Flüchtlingskonvention erfüllt. Dafür muss
sprachlich werden alle Menschen, die ihre Heimat unfreiwillig ver-
                                                                       diese glaubhaft darlegen, dass sie in ihrem
lassen mussten, als Flüchtlinge bezeichnet. Die Genfer Flücht-         Heimat- oder Herkunftsstaat verfolgt wird
lingskonvention ist strenger: Flüchtlinge sind demnach Personen,       und keinen Schutz von diesem erwarten
                                                                       kann. Bei jeder asylsuchenden Person wird
die ihr Land verlassen haben, weil sie dort verfolgt werden –          vorab untersucht, ob gemäss dem Dublin-
wegen ihrer Ethnie, Religion oder Nationalität, wegen ihrer Zuge-      Abkommen ein anderer europäischer Staat
                                                                       für die Behandlung des Gesuchs zuständig
hörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen
                                                                       ist. Dies ist der Fall, wenn ein Asylbewer-
ihrer politischen Überzeugung. Ob jemand den Flüchtlingsstatus         ber bereits in einem der 32 Staaten des
erhält, entscheidet das Asylverfahren im Aufnahmeland.                 Dublin-Raums (EU plus Norwegen, Island,
                                                                       Fürstentum Liechtenstein und Schweiz)
      Personen, die Asyl beantragen, gelten potenziell als Flücht-     registriert wurde.
linge und dürfen nicht weggeschickt werden, ohne dass ihre Situa-
tion geprüft wird. Die Unterzeichnerstaaten der Genfer Flücht-
lingskonvention haben unterschiedliche Handhabungen, was den
Aufenthaltsstatus, die Rechte und Pflichten von geflüchteten
Personen angeht. Entspricht ein Asylsuchender der Flüchtlings-
definition gemäss Konvention, erhält er in der Regel Asyl. In der
Schweiz werden manche Menschen trotzdem nur vorläufig aufge-
nommen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Verfolgungs-
gründe erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsstaat entstanden
sind. Schutzbedürftig sind auch Menschen, die vor Krieg und
Gewalt fliehen. Sie erhalten ebenfalls eine vorläufige Aufnahme.
Wie für anerkannte Flüchtlinge gilt für Schutzbedürftige ohne Asyl
das Non-Refoulement-Gebot: Niemand darf in ein Land zurück-
geschickt werden, wo sein Leben gefährdet ist.

                                                                                                                11
121 402 Menschen
mit Fluchthinter-
grund leben in der
Schweiz
Rechtlicher                                                                 2,2
                                                                Asylsuchende
Status                                                           gibt es in der
                                                                 Schweiz pro
Anerkannte Flüchtlinge
Wer im Asylverfahren glaubhaft macht,                         1000 Einwohner
dass er wegen seiner Ethnie, Religion,
Nationali­t ät, Zugehörigkeit zu einer be-
stimmten sozialen Gruppe oder wegen
seiner politischen Anschauung ver-
folgt wird, erhält Asyl. Diese anerkannten
Flüchtlinge erhalten den Ausweis B,
der den Familiennachzug, eine unein-
geschränkte Erwerbstätigkeit und volle                                         24 231
Bewegungsfreiheit ermöglicht. Nach                                      Asylsuchende
fünf bis zehn Jahren können sie eine
Niederlassungsbewilligung beantragen,
den Ausweis C.

Vorläufig Aufgenommene
Wer in der Schweiz vorläufig aufgenom-
men wird, erhält den Ausweis F. Dieser
Aufenthaltsstatus mit eingeschränkten
Rechten wird alle zwölf Monate verlän-
gert. Unterschieden wird zwischen
vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen
und anderen vorläufig aufgenomme-
nen Personen. Ein vorläufig aufgenom-
mener Flüchtling erfüllt die rechtlich
definierte Flüchtlingseigenschaft, erhält
jedoch kein Asyl, weil die Verfolgung
erst wegen oder nach der Ausreise aus
dem Herkunftsstaat eintrat. Auch
Menschen, die vor Krieg und Gewalt flie-                                                4115 Personen
hen, werden als Schutzberechtigte             51 512                                    müssen wieder
häufig vorläufig aufgenommen. Allge-          anerkannte                                    ausreisen
mein gilt: Vorläufig aufgenommen wird,        Flüchtlinge
wer nicht ausgewiesen werden kann,
weil dies nicht möglich (Pass fehlt), nicht
zulässig (Verstoss gegen internatio-
nales Recht) oder nicht zumut­bar (Krieg
oder Krankheit) ist.

Asylsuchende
Wer noch im Asylverfahren steht, ist
                                                              41 544 vorläufig
durch den Ausweis N dazu berechtigt,
sich in der Schweiz aufzuhal­ten.
                                                              Aufgenommene

Quelle: Staatssekretariat für Migration, Asylstatistik 2017
18 088                                 11 Monate
Menschen haben 2017                    dauert durchschnittlich die
in der Schweiz ein Asyl-               Bearbeitung eines Asyl-
gesuch gestellt                        gesuchs bis zum Bescheid
                                       31,6%      0–2 Monate
                                       35,6%      3–18 Monate
                                       20,5%      19–24 Monate
                                       12,1%      25–36 Monate
                                        0,2%      37+ Monate

                                                               7327
                                                               Personen haben
                                                               2017 das Land
                                                               wieder verlassen

  Eritrea
  30 935

               Syrien
               13 639

Zwei                    Afghanistan
                              8151

Drittel                               Sri Lanka
der in der Schweiz aner-                   5581

kannten Flüchtlinge und
vorläufig aufgenommenen                              Somalia
Menschen kommen aus                                    4574
fünf Ländern
SCHWERPUNKT

Was bedeuten die
                                                                                                         «Fluchtbewegungen verlaufen
                                                                                                         häufig zyklisch», erklärt Denise

Fluchtbewegungen
                                                                                                         Efionayi-Mäder, Migrations-
                                                                                                         forscherin an der Universität
                                                                                                         Neuchâtel. Es gebe immer

für die Schweiz?
                                                                                                         wieder Jahre, in denen die
                                                                                                         Fluchtbewegungen anwachsen
                                                                                                         und zurückgehen – abhängig
                                                                                                         von den internationalen Konflikt-
                                                                                                         herden. Mit 1,4 Millionen
                                                                                                         Menschen erreichte im Jahr
                                                                                                         2015 die Zahl derjenigen, die in
                                                                                                         Europa Schutz suchten, ein
                                                                                                         Rekordniveau. 39 523 Menschen
                                                                                                         stellten damals Asylanträge
                                                                                                         in der Schweiz. Seither sinkt die
                                                                                                         Zahl der Gesuchstellungen
                                                                                                         wieder: 2017 haben 18 088 Per-
Asylanträge in der Schweiz                                          sonen Asyl beantragt. «Der Rückgang der Asylgesuche hängt
                                                                    jedoch nicht damit zusammen, dass die Fluchtursachen weniger
                                                                    geworden sind», betont Denise Efionayi-Mäder. Vielmehr seien die
 21 465       23 765    39 523           27 207          18 088
                                                                    Fluchtrouten über die Türkei und den Balkan sowie über das Mit-
                                                                    telmeer durch diplomatische Vorstösse und informelle Abkommen
                                                                    weitgehend unterbunden worden.
     2013

                2014

                            2015

                                             2016

                                                             2017

                                                                          «Die Schweiz kannte immer relativ hohe Zahlen, was Flucht-
                                                                    migration angeht», stellt Denise Efionayi-Mäder fest. 10 000
Zuweisung der Asylsuchenden                                         bis 25 000 Asylgesuche wurden in den vergangenen Jahrzehnten
an die Kantone                                                      regelmässig pro Jahr gestellt – mit drei grossen Ausnahmen:
Die fünf Kantone mit den meisten und
                                                                    Mit dem Ausbruch der Jugoslawienkriege schnellte die Zahl der
die fünf Kantone mit den wenigsten Asyl-
suchenden:                                                          Asylgesuche im Jahr 1991 auf 41 663 hoch. Mit dem Ausbruch
                                                                    des Kosovo-Kriegs 1999 suchten 47 513 Menschen in der Schweiz
                                                                    Schutz. Und dann kam die Flüchtlingskrise von 2015. Von den
                                                                    aktuellen Konflikten und Krisen im Nahen und Mittleren Osten,
                                                                    die international zu grossen Fluchtbewegungen führen, sieht die
                                                                    Wissenschaftlerin die Schweiz weniger betroffen als andere
                                                                    europäische Länder wie Deutschland, Österreich, Schweden
                                                                    oder Frankreich. «Die Menschen gehen vor allem dorthin, wo
                                                                    sie Bekannte und Verwandte haben. In der Schweiz gab es bis-
                                                    AI

                                                                    her keine grossen Exilgemeinden aus Syrien, Irak oder Afgha-
                        AG

                                    ZH

                                                                    nistan», beobachtet die Soziologin. Das war zu Zeiten der Balkan-
                                               GL
                                   NW
                 BE

                                                                    kriege anders. Da in der Schweiz bereits viele Arbeitsmigranten
                            OW

                                        UR
     VD

                                                                    aus dem ehemaligen Jugoslawien lebten, wurde das Land in
GE

                                                                    den 1990er-Jahren zu einem wichtigen Ziel der Kriegsflüchtlinge.
                                                                    Zurzeit wiederholt sich dieses Fluchtverhalten im Fall der Asyl-
ZH     3892            FR    950                     JU       233   suchenden aus Eritrea: Aufgrund einer grossen eritreischen
BE     3474            GR    635                     ZG       219   Diaspora hat die Schweiz im europäischen Vergleich viele Asylsu-
AG     2049            SZ    570                     AR       203
VD     1995            BL    491                     GL       144
                                                                    chende aus diesem ostafrikanischen Land.
GE     1471            NE    486                     UR       141         24 231 Asylsuchende lebten laut der Asylstatistik des Staats-
LU     1448            TI    454                     NW       123   sekretariats für Migration Ende 2017 in der Schweiz. Sie alle
SG     1426            TG    379                     AI       72
VS     1191            BS    345                     OW       48    warten seit ihrer Einreise auf den Bescheid, ob sie im Land bleiben
SO     1093            SH    296                     o. A.    403   dürfen – viele seit Jahren. Nur wer für das Resettlement-Programm
                                                                    des UNO-Flüchtlingshilfswerks für besonders schutzbedürftige
                                                                    Opfer des Syrien-Kriegs ausgewählt wird, hat schon vor der
                                                                    Einreise den Flüchtlingsstatus und die Aufenthaltsbewilligung auf

14          MERCATOR MAGAZIN
SCHWERPUNKT

Schutzquote                                 sicher. Wer selbstständig auf dem Landweg in die Schweiz gelangt,
                                            muss in einem der fünf Empfangs- und Verfahrenszentren des
60%
                                            Bundes in Basel, Chiasso, Kreuzlingen, Vallorbe oder Altstätten
40
                                            sein Asylgesuch stellen. Über einen Verteilschlüssel – dieser richtet
20                                          sich nach dem Anteil der Kantonsbevölkerung an der Gesamt-
         2013

                2014

                              2016
                       2015

                                     2017
0                                           bevölkerung der Schweiz – geschieht schliesslich die Zuweisung
     Anerkennungsquote (Asylgewährung)      der Asylsuchenden an die Kantone. «Viele der Asylsuchenden
     Schutzquote (Asylgewährung und         werden viele Jahre lang oder dauerhaft in der Schweiz bleiben»,
     vorläufige Aufnahme)
                                            prognostiziert Denise Efionayi-Mäder. Der Grund sei die aktuell
                                            hohe Schutzquote: 25 Prozent der Asylgesuche wurden 2017
                                            gemäss Schweizer Asylstatistik positiv entschieden. Zudem erhiel-
                                            ten 30,5 Prozent der Asylsuchenden eine vorläufige Aufnahme.
                                            Konkret heisst das: 6360 Personen wurden als Flüchtlinge aner-
                                            kannt, 8419 wurden vorläufig aufgenommen. «Ein grosser Teil der
                                            Asylsuchenden ist heute schutzbedürftig», sagt die Migrations-
                                            forscherin. «Aufgrund der kritischen Lage in ihrer Heimat können
                                            sie nicht dorthin zurückgeschickt werden, ohne dass gegen das
                                            Völkerrecht verstossen wird.»

Wie kann Integration
gelingen?

«Jeder, der von Integration spricht, hat eine eigene Vorstellung
davon, was das bedeutet», stellt Denise Efionayi-Mäder fest. In der
Soziologie verstehe man unter Integration einen gegenseitigen
Prozess, in dem die Behörden und die Bevölkerung des Aufnahme-
landes ebenso gefordert sind wie die Migrantinnen und Migran-
ten. Dieser Aspekt gehe in der öffentlichen und politischen
Diskussion oft unter, wie die Migrationsforscherin der Universität
Neuchâtel erklärt. Dort stehe vor allem die Bringschuld der
Geflüchteten im Zentrum: Sie sind es, die sich anpassen müssen.
Sie müssen die hiesige Sprache und die gesellschaftlichen Regeln
lernen. Sie müssen eine Arbeit finden. «Doch dafür braucht
es entsprechende Rahmenbedingungen.»
      «Das Ziel muss sein, dass Geflüchtete an der Gesellschaft teil-
haben», sagt Tobias Heiniger, Jurist bei der Schweizerischen
Flüchtlingshilfe. Doch die langen Wartezeiten – oft sind es mehre-
re Jahre – vom Asylantrag bis zum Asylentscheid erschweren
dies. «Während sie auf ihren Bescheid warten, leben die Asylsu-
chenden in einer Art Zwischenraum», sagt Denise Efionayi-Mäder.
Ihre Unterkunft ist häufig abgelegen, sie haben kaum Kontakt
zur Bevölkerung. Ihr Zugang zum Arbeitsmarkt ist begrenzt.

                                                                                                               15
SCHWERPUNKT

Bildungs- und Integrationsprogramme sind vielerorts erst nach           Leben im Provisorium
                                                                        41 544 vorläufig Aufgenommene leben in
dem Asylentscheid vorgesehen. «Die Menschen haben kaum eine
                                                                        der Schweiz. Diesen Status hat die Hälfte
Möglichkeit, in der Gesellschaft anzukommen», erklärt die Sozio-        von ihnen seit vier Jahren und länger inne.
login. Wenn der lang ersehnte Asylbescheid den Status ‹vorläufig
                                                                        1   0–1 Jahr       1186           5   4–5 Jahre   3738
aufgenommen› verleiht, geht die Unsicherheit weiter. Die vor-           2   1–2 Jahre      2479           6   5–6 Jahre   3946
läufig aufgenommenen Personen – in der Schweiz sind es 41 544 –         3   2–3 Jahre      9112           7   6–7 Jahre   2653
führen oft jahrelang ein Leben im Provisorium. Das hat Folgen           4   3–4 Jahre      6825           8   7+ Jahre    11 605

für die Integration: «Die Bezeichnung suggeriert eine baldige Rück-                                   1
                                                                                                              2
kehr. Doch tatsächlich bleiben diese Menschen viele Jahre oder
sogar dauerhaft in der Schweiz», sagt Denise Efionayi-Mäder.                       8

«Mit diesem Status ist es schwierig, eine Wohnung zu mieten und                                                       3

eine Arbeit oder Lehrstelle zu finden.» Um die Integration zu                                  Total
                                                                                              41 544
fördern, sollte aus Sicht der Wissenschaftlerin der Aufenthaltssta-
tus durch einen Status für Schutzbedürftige ersetzt werden,                    7

der dem Flüchtlingsstatus gleichgestellt ist. Entsprechende Vor-                       6                          4
stösse in der Politik sind bisher gescheitert.                                                    5
      Während man lange Zeit Integrationsmassnahmen an den
positiven Asylentscheid knüpfte, beobachtet Denise Efionayi-
Mäder in manchen Kantonen und Gemeinden ein Umdenken.                   Integrationsagenda
Dass dies nötig ist, betont Tobias Heiniger: «Geflüchtete müssen        Bund und Kantone wollen Flüchtlinge und
                                                                        vorläufig aufgenommene Personen künftig
von Anfang an die Chance erhalten, sich einzubringen, zu arbeiten       schneller in die Arbeitswelt integrieren.
und ihr Leben neu zu definieren.» Vor allem bei Jugendlichen            Dafür haben sie sich auf die gemeinsame
                                                                        Integrationsagenda geeinigt. Diese sieht
dürfe man keine Zeit verlieren. Sie brauchten möglichst schnell         deutlich erhöhte Investitionen pro Person,
Zugang zu Bildung und eine gezielte Berufsvorbereitung. Die             konkrete Wirkungsziele und einen ver-
Schweizerische Flüchtlingshilfe sieht deshalb in der Integrations-      bindlichen Integrationsprozess vor, der be-
                                                                        reits kurz nach der Einreise beginnt. Eine
agenda, die im Mai 2018 vom Bund verabschiedet wurde, einen             Sprachförderung, eine Potenzialabklärung
wichtigen Schritt: Ein verkürztes Asylverfahren sowie frühzei-          und im Fall von Jugendlichen und jungen
                                                                        Erwachsenen eine gezielte Vorbereitung auf
tig einsetzende Bildungs- und Integrationsmassnahmen sollen vor
                                                                        die Berufsbildung sind zentral in diesem
allem jungen Menschen dabei helfen, in der Schweiz beruflich            Integrationsprozess. Eine Fachperson soll
Fuss zu fassen. «Vorsichtig abwartend» werde er die Umsetzung           die Geflüchteten individuell begleiten.

der Integrationsagenda beobachten, sagt Tobias Heiniger. Ent-
scheidend sei es nun, zügig ausreichend Bildungs- und Integrati-
onsprogramme aufzubauen. Dabei können nach Meinung des
Juristen die vielen privaten Initiativen, die in den vergangenen Jah-
ren zur Förderung von jungen Flüchtlingen und Asylsuchenden
entstanden sind, als Beispiele dienen. Zudem seien die Arbeitgeber
aufgefordert, genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Ge-
flüchtete zur Verfügung zu stellen.
      «Für eine nachhaltige Integration in die Gesellschaft ist es
wichtig, das Potenzial der Geflüchteten auszuschöpfen», meint
Tobias Heiniger. Entsprechend brauche es nicht nur Fördermass-
nahmen auf dem Weg in die Berufsbildung. Auch gelte es, die
Mittelschule und das Studium als Integrationswege zu fördern.
«Geflüchtete mit akademischem Hintergrund sollte man
schnell und unkompliziert in den universitären Alltag integrieren,
statt sie in unqualifizierte Jobs zu vermitteln», betont Tobias
Heiniger. Auch wenn die Integrationsagenda «nicht revolutionär»
sei, setze sie ein wichtiges Zeichen für Kantone, die bisher
eine sehr zurückhaltende Integrationspolitik verfolgt hätten,
meint Denise Efionayi-Mäder. Damit Geflüchtete in der Schweiz
ankämen, sei auch die Bevölkerung gefragt: «Integration kann
nicht behördlich verordnet werden. Die Gesellschaft muss
die Menschen kennenlernen und sich darum bemühen, dass
sie ihren Platz finden.»

16   MERCATOR MAGAZIN
SCHWERPUNKT

Welche Rolle spielen
                                                                                    Freiwillige begleiten Geflüch-
                                                                                    tete als Mentoren. Sie unterrich-

Freiwillige?
                                                                                    ten junge Asylsuchende, geben
                                                                                    Kindern Nachhilfe und Eltern
                                                                                    Sprachunterricht. Sie organisie-
                                                                                    ren Sportnachmittage und
                                                                                    Kochabende für Geflüchtete
                                                                                    und Einheimische. Auf diese
                                                                                    Weise leisten sie nicht nur
                                                                                    eine wichtige Hilfe im Alltag der
                                                                                    Geflüchteten, sie bilden auch
                                                                                    eine Brücke in die Gesellschaft.
                                                                                    «Das Engagement von Frei-
                                                                                    willigen ist von unschätzbarem
                                                                                    Wert», sagt Tobias Heiniger
Online-Vermittlung                              von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. «Ohne sie gäbe es viele
Die Online-Vermittlung bietet für die Frei-
                                                Bildungs- und Integrationsprojekte nicht.» Als im Sommer 2015
willigenarbeit grosse Chancen: Organi-
sationen, die Freiwillige für ihre Projekte     die Bilder der Flüchtlingskrise die Nachrichten beherrschten, ent-
suchen, können auf entsprechenden Platt-        stand eine grosse Welle der Solidarität. «Viele Menschen wollten
formen ihre Inserate erfassen. Wer sich
engagieren möchte, kann dort nach einer
                                                sich für Geflüchtete engagieren», erinnert sich Jeannine Stauffer,
passenden Möglichkeit suchen. So finden         Fachstellenleiterin von Benevol Winterthur. Viele starteten eigene
Freiwillige und Organisationen unkom-           Projekte, noch mehr meldeten sich bei gemeinnützigen Organi-
pliziert für langfristige und punktuelle Pro-
jekte zusammen. Benevol Schweiz führt           sationen, um dort mitzuarbeiten. «Uns fiel auf, dass grosse Orga-
mit benevol-jobs.ch eine der grössten Ver-      nisationen Wartelisten führten, während kleine Organisationen
mittlungsplattformen für Freiwilligenarbeit.
Es gibt verschiedene weitere Angebote,
                                                Freiwillige suchten», erzählt Andreas Koenig. So gründete er
zum Teil für spezifische Zielgruppen und        zusammen mit einigen Mitstreitern den Verein plattform f, um die
Themen. So konzentriert sich die Plattform      Online-Vermittlungsbörse engagiert.jetzt aufzubauen. Im HEKS
engagiert.jetzt auf das Engagement für
Geflüchtete. Das Angebot ist Teil der Kam-      fanden sie einen Partner, der diese Plattform für Freiwilligenen-
pagne ‹Farbe bekennen›, mit der HEKS            gagement im Flüchtlingsbereich im Rahmen der Kampagne ‹Farbe
zu Solidarität mit Geflüchteten aufruft. Die
                                                bekennen› schweizweit bekannt machte. Inzwischen müssen
Bevölkerung soll ermutigt werden, geflüch-
teten Menschen mit Offenheit zu begeg-          auch grosse Organisationen wieder vermehrt um Freiwillige wer-
nen und sie dabei zu unterstützen, einen        ben. Die Online-Vermittlung spielt dabei eine wichtige Rolle:
Neuanfang zu schaffen.
                                                Auf Plattformen wie engagiert.jetzt oder benevol-jobs.ch inserie-
                                                ren regelmässig grosse wie kleine Organisationen.
                                                      «Das Interesse der Bevölkerung, sich für Geflüchtete zu enga-
                                                gieren, ist wieder zurückgegangen», stellt Andrea Oertli, Koor-
                                                dinatorin der Kampagne ‹Farbe bekennen›, fest. Dabei sei gerade
                                                jetzt Engagement gefragt, wie Jeannine Stauffer von Benevol
                                                zu bedenken gibt: «Die Menschen, die in der Schweiz bleiben,
                                                brauchen Unterstützung bei ihrer sozialen und beruflichen Integra-
                                                tion.» Beim Werben um Freiwillige sollte auch der persönliche
                                                Nutzen des Engagements betont werden, meint Vithyaah Sub-
                                                ramaniam, die bei Caritas Schweiz für die Freiwilligenarbeit verant-
                                                wortlich ist. Einer sinnvollen Aufgabe nachzugehen, sei eine
                                                wichtige Motivation für freiwilliges Engagement. Vithyaah Subra-
                                                maniam sieht die Freiwilligenarbeit als eine wertvolle Ergänzung
                                                zu den staatlichen Aufgaben: «Für die vielfältigen Integrationsauf-
                                                gaben braucht es Profis.» Freiwillige leisten auf der persönlichen
                                                Ebene einen bedeutenden Beitrag zur Integration: Sie geben
                                                den Geflüchteten Orientierung in einer fremden Kultur, schenken
                                                ihnen ein offenes Ohr, sind Vertrauenspersonen. «Durch das
                                                Freiwilligenengagement finden menschliche Begegnungen statt»,
                                                sagt Andrea Oertli. «Das hilft den Geflüchteten dabei, in der
                                                Schweiz anzukommen.»

                                                                                                                   17
36 593 geflüchtete
Kinder und Jugend-
liche wachsen
in der Schweiz auf
  Anerkannte Flüchtlinge
  Asylsuchende
  Vorläufig Aufgenommene

62%
                                      22 694
                                      Kinder

davon sind schulpflichtige
Kinder zwischen 4 und
15 Jahren

 27%
 sind Kinder zwischen
 0 und 3 Jahren

9746
Kleinkinder

                             Quelle: Staatssekretariat für Migration, Asylstatistik 2017;
                             Interpret, Einsatzstatistiken zum interkulturellen Dolmetschen und Vermitteln 2017
739 Mal pro Tag
                    Häufigste Einsätze:   halfen interkulturelle Dolmetscher
                     Tigrinya 56 302
                     Arabisch 37 868
                                          und Vermittler im Jahr 2017
                     Persisch 27 977      bei der Verständigung – das sind
                                          insgesamt 269 744 Einsätze

      11%
      sind Jugendliche                    31 589 Mal
      zwischen 16 und                     leisteten sie Unterstützung
      17 Jahren                           in Bildungsfragen

      4153
      Jugendliche

2116
unbegleitete
Minderjährige                                                             16–17 Jahre
                                                                                 58%

leben in der Schweiz

733                                                                       13–15 Jahre
                                                                                 36%

Kinder und Jugendliche reisten
                                                                           8–12 Jahre
2017 ohne ihre Eltern ein und                                 0–7 Jahre
                                                                                 5,2%
stellten ein Asylgesuch                                            0,8%
SCHWERPUNKT

Wie kann man                                                                        7033 Kinder und Jugendliche
                                                                                    sind 2017 in die Schweiz ge-

geflüchteten Kindern
                                                                                    flüchtet. Die meisten kamen mit
                                                                                    ihrer Familie, 733 machten sich
                                                                                    ganz allein auf den beschwer-

und Jugendlichen                                                                    lichen Weg. Sie alle haben ihr
                                                                                    vertrautes Umfeld verloren.

gute Zukunfts-
                                                                                    Die Flucht und die Erlebnisse
                                                                                    in der Zeit davor waren eine
                                                                                    grosse Belastung und für viele

chancen eröffnen?
                                                                                    traumatisierend. «Die Kinder
                                                                                    und Jugendlichen brauchen
                                                                                    Sicherheit und Struktur», be-
                                                                                    tont Andrea Lanfranchi, Leiter
                                                                                    des Instituts für Professiona-
                                                                                    lisierung und Systementwick-
                                                                                    lung an der Interkantonalen
                                                                                    Hochschule für Heilpädagogik
                                                                                    in Zürich. Die Schule könne
                                                                                    ihnen beides geben: «Der gere-
                                                                                    gelte Alltag und die Beziehung
                                                                                    zur Lehrperson können Wun-
                                                                                    der bewirken. Die Schule ist für
Brückenangebote, Attest-                       die Kinder ein sicherer Ort, eine Insel der Erholung und Weiter-
und Vorlehren                                  entwicklung», sagt der Psychologe.
Brückenangebote sind für Jugendliche be-
                                                    Kantone, Gemeinden und Schulen haben sehr unterschied-
stimmt, die nach der Schule keinen Aus-
bildungsplatz finden. Sie dauern zwischen      liche Lösungen für die schulische Integration geflüchteter Kinder
sechs Monaten und einem Jahr. Während          entwickelt. «Kleine Gemeinden nehmen die Kinder schnell oder
dieser Zeit können die Jugendlichen
schulische Lücken aufarbeiten und beruf-
                                               sofort in die Regelklassen auf», erklärt Beat Zemp, Zentralprä-
liche Pläne entwickeln. Die Attestlehre        sident des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH).
richtet sich hauptsächlich an Personen mit     Grössere Orte führen in den ersten Monaten Integrationsklassen.
schulischen Schwierigkeiten. Die Praxis
wird in einem Lehrbetrieb und die Theorie      Viele Gemeinden ermöglichen einen fliessenden Übergang von
an einem Tag pro Woche an der Berufs-          der Integrationsklasse in den Regelunterricht. So nehmen geflüch-
fachschule vermittelt. Die zweijährige Lehre
führt zu einem eidgenössischen Berufsab-
                                               tete Kinder zunächst zusammen mit den einheimischen Kindern
schluss. In der Vorlehre können junge          an Sport oder Gestalten teil und später auch an sprachlich an-
Menschen die praktische Seite eines Berufs     spruchsvolleren Fächern. Beat Zemp schätzt dieses Vorgehen:
kennenlernen und sich durch ihr Engage-
ment profilieren. An drei Tagen pro Woche      «Die Integration in eine neue Sprache, in eine neue Schrift, in eine
arbeiten sie in einem Betrieb, an zwei         andere Kultur mit anderen Regeln und Verhaltensweisen braucht
Tagen haben sie Unterricht. Das einjährige
                                               Teilhabe. Kinder und Jugendliche müssen möglichst rasch am
Angebot richtet sich an Personen, die schon
wissen, was sie beruflich machen möchten,      regulären Unterricht, aber auch an Freizeitangeboten von Ver-
aber aus verschiedenen Gründen – zum           einen und Jugendverbänden teilnehmen können.»
Beispiel wegen sprachlicher Defizite – noch
nicht bereit sind für eine Lehre.
                                                    Doch die Chance, zur Schule zu gehen, bekommen nicht alle
                                               jungen Geflüchteten nach ihrer Ankunft in der Schweiz. Wer bei
                                               der Einreise über 16 Jahre alt ist, darf die obligatorische Schule
                                               nicht mehr besuchen. Dabei ist für die Zukunft dieser Menschen
                                               eine Schulbildung wichtig: Vielen fehlen neben den Sprach-
                                               kenntnissen auch die schulischen Grundlagen, um eine Ausbildung
                                               machen und auf dem Schweizer Arbeitsmarkt bestehen zu kön-
                                               nen. Auch der Aufenthaltsstatus ist eine Herausforderung für
                                               junge Geflüchtete. In vielen Kantonen stehen Bildungs- und Inte-
                                               grationsprogramme nur denjenigen offen, die bereits ein Blei-
                                               berecht haben. «Während des Asylverfahrens ist die Ausbildung
                                               blockiert», kritisiert Beat Zemp. Brückenangebote, Attest- und
                                               Vorlehren – Instrumente, die sich für die Berufsintegration schul-

20    MERCATOR MAGAZIN
SCHWERPUNKT

Schulvisiten                                    schwacher Jugendlicher bewährt haben – können dabei helfen,
Viele Schulen entwickeln eigene Lösungen,
                                                junge Menschen mit Fluchthintergrund in die Arbeitswelt zu
mit denen sie den täglichen Herausforde-
rungen in der Schul- und Unterrichtspraxis      integrieren. «Doch wichtig sind zunächst Deutschunterricht und
begegnen. Gegenseitige Schulbesuche             eine schulische Grundbildung», betont Beat Zemp.
ermöglichen es, dieses Wissen mit anderen
Schulen zu teilen. Solche ‹Schulvisiten› sind
                                                      Für den LCH-Zentralpräsidenten ist es nicht nachvollziehbar,
ein zentrales Angebot der Initiative profilQ,   dass die Bildungsmöglichkeiten für über 16-Jährige eingeschränkt
die vom Dachverband Lehrerinnen und             sind: «Wenn Jugendliche aus mehrjährigen Bürgerkriegen zu
Lehrer Schweiz (LCH) und vom Verband der
Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz        uns kommen und eine unzureichende Grundbildung mitbringen,
(VSLCH) initiiert wurde. Der Austausch über     haben sie ein Anrecht auf diese Bildung.» Artikel 19 der Bundes-
Kantonsgrenzen hinweg und das Verbreiten
von Wissen und Erfahrungen stehen im
                                                verfassung garantiere das Grundrecht auf eine ausreichende
Zentrum von profilQ. Dabei helfen eine Web-     und unentgeltliche Grundschulbildung – unabhängig vom Alter.
site und regelmässige Veranstaltungen.          Aus pädagogischer Sicht seien die Jugendlichen nicht zu alt
                                                für einen Schulbesuch. Mit Sorgen beobachtet Beat Zemp, dass
Interkulturelles Dolmetschen
Die Zusammenarbeit mit interkulturellen         junge Menschen ohne ausreichende Grundbildung und Sprach-
Dolmetschendern und Vermittlern ermög-          kenntnisse im Schulsystem oft «rasch weitergeschoben» und nach
licht es Fachpersonen aus dem öffentlichen
                                                kürzester Zeit in den Arbeitsmarkt vermittelt würden. «Sollen
Dienst, ihre Aufgaben auch dann wahrzu-
nehmen, wenn die Verständigung mit zuge-        diese jungen Menschen eine Chance haben, künftig in der Schweiz
wanderten Personen aufgrund fehlender           ein selbstständiges Leben zu führen, benötigen sie eine Bildung
Sprachkenntnisse nicht oder kaum möglich
ist. Zugleich erleichtern es diese Vermitt-
                                                auf dem Niveau der obligatorischen Schule», appelliert Beat Zemp.
lungspersonen den Zugewanderten, sich           «Es braucht offene Türen im Bildungssystem.»
in den schweizerischen Institutionen und in
                                                      «Bildung vor Arbeit» müsse die Devise für die Integration
der Gesellschaft zu orientieren und zu
integrieren. Am häufigsten sind interkultu-     junger Menschen mit Fluchterfahrung sein, unterstreicht Andrea
relle Dolmetscher und Vermittler im             Lanfranchi. «Nur das ist nachhaltig.» Bei der Förderung – idea-
Gesundheitsbereich im Einsatz. Das Enga-
gement in der Bildung machte 2017 elf
                                                lerweise systematisch, vollzeitlich, sofort nach der Einreise und wo
Prozent aller Einsätze aus:                     immer möglich in den Regelstrukturen – solle das individuelle
                                                Potenzial im Zentrum stehen. Das bedeute auch, talentierten jun-
1   Primarstufe: 12 202
2   Psychosoziale Angebote: 5212                gen Menschen mit Fluchthintergrund, die trotz erschwerter
3   Sonderschulisches: 4485                     Startbedingungen die Voraussetzungen für die Mittel- und Hoch-
4   Oberstufe: 2929
5   Vorschule: 2068
                                                schule mitbrächten, den Weg dorthin zu eröffnen. «Wir sind
6   Berufsbildung: 1351                         weit entfernt von einer Chancengerechtigkeit in der Bildung», gibt
7   Weitere Bildung: 3342                       Andrea Lanfranchi zu bedenken. Individuelle Förderung und
                                                Begleitung sind nötig. Auch in der Schule. Denn die geflüchteten
              1                                 Kinder und Jugendlichen bringen unterschiedlichste Schuler-
                                                fahrungen und Lernvoraussetzungen mit.
                                                      «Viele Schulen in Quartieren und Dörfern mit günstigem
                                    2
                       Total                    Wohnraum haben eine langjährige Erfahrung mit neu zugewander-
                      31 589                    ten, häufig bildungsfernen Familien», sagt Beat Zemp. Auf diese
      7                                         Erfahrungen könnten sie bei der Integration von Flüchtlingskindern
                                3               zurückgreifen. Ihre Praxis müsse man über das eigene Haus hin-
          6
                  5                             aus bekannt machen – zum Beispiel durch Schulvisiten. Der LCH-
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                                                Zentralpräsident empfiehlt einen möglichst intensiven DAZ-
                                                Unterricht (Deutsch als Zweitsprache) sowie eine enge Zusammen-
                                                arbeit zwischen Schule, Schulpsychologie, Heilpädagogik und
                                                Fachpersonen für interkulturelles Dolmetschen und Vermitteln, um
                                                die Kinder ihren Bedürfnissen entsprechend zu fördern. Andrea
                                                Lanfranchi ist überzeugt: Damit Kinder gut lernen, komme es
                                                auf die Lehrpersonen an. Im Umgang mit Flüchtlingskindern seien
                                                wie in der Arbeit mit allen Schülerinnen und Schülern Empathie,
                                                eine positive Erwartungshaltung und Wertschätzung gefragt.
                                                «Die Lehrpersonen müssen die Balance zwischen Normalität und
                                                Rücksichtnahme finden», betont der Psychologe.
                                                      Die Schule ist ein wichtiger Ort der Bildung und Integration.
                                                Sie ermöglicht soziale Kontakte, die gerade für geflüchtete Kinder
                                                und Jugendliche wertvoll sind, um im neuen Land anzukommen.

                                                                                                                  21
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