Schutz vor Hochwasser in Bayern - Strategie und Beispiele - Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz - Landkreis ...
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Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Schutz vor Hochwasser in Bayern Strategie und Beispiele
Inhalt 2 Das nächste Hochwasser kommt bestimmt 4 Wer am Fluss lebt, muss mit nassen Füßen rechnen 6 Drei Wege – ein Ziel: Titelbild Hochwasserschutz für Bayern Naabhochwasser im Februar 2002 Umsetzungsbeispiele: 10 Die Mittlere Isar, ein Entwicklungskonzept Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, für Fluss und Aue Gesundheit und Verbraucherschutz Grafiken 12 Vorbeugender Hochwasserschutz und Claus J. Lienau, München Gewässerentwicklung an Main und Rodach Papier 14 Deichrückverlegung an der Kößnach, gedruckt auf 100% Recycling-Papier Gemeinde Kirchroth Druck Color-Offset GmbH, München 16 Das Hochwasserschutzkonzept Coburg Bezugshinweis 18 Flutpolder an der Iller bei Immenstadt Diese Broschüre erhalten Sie kostenlos beim Bayerischen Staatsministerium für 20 Das Hochwasserschutzsystem der Stadt Wörth Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Rosenkavalierplatz 2 22 Wildbachgefahren – ein integrales Konzept für 81925 München den Gerner Bach Telefax: (0 89) 92 14-24 25 E-Mail: poststelle@stmlu.bayern.de 24 Innovationsprogramm Hochwassernachrichtendienst www.umweltministerium.bayern.de 26 Ermittlung und Festsetzung der Überschwemmungs- © StMUGV, München, September 2005 Inhaltlich unveränderter Nachdruck. gebiete in Bayern Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Wiedergabe – auch auszugsweise – nur mit 28 Bauvorsorge in Kallmünz Genehmigung des Herausgebers. 30 Zuständigkeiten für den Hochwasserschutz in Bayern Hinweis 31 Weiterführende Informationen Diese Druckschrift wird kostenlos im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staatsregierung herausgegeben. Sie darf weder von den Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeit- raum von fünf Monaten vor einer Wahl zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunal- und Europa- wahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit ins- besondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipoliti- scher Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zweck der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Staatsregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Den Parteien ist es gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden. Bei publizis- tischer Verwertung – auch von Teilen – Angabe der Quelle und Übersendung eines Belegexemplars erbeten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte sind vorbehalten. Die Broschüre wird kostenlos abgegeben, jede entgeltliche Weitergabe ist untersagt. Diese Broschüre wurde mit großer Sorgfalt zusam- mengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit kann dennoch nicht übernommen werden.
Vorwort Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Es umfasst drei Handlungsfelder: • die Verbesserung des natürlichen keine anderen Naturereignisse haben in Rückhalts, z. B. durch die Reaktivierung Deutschland in den letzten Jahren einen von Überschwemmungsgebieten, nachhaltigeren Eindruck hinterlassen und die Renaturierung von Gewässern, verheerendere Schäden angerichtet als die die Dynamisierung von Auen und Hochwasser von Pfingsten 1999 und vom die Ausweitung von Auwäldern, August 2002. Die zerstörerischen Auswir- • die Fortführung des technischen kungen, mit denen bei solch extremen Hochwasserschutzes mit dem Bau von Ereignissen selbst Länder konfrontiert wer- Schutzmauern, Deichen, Talsperren und den, die über einen technisch hoch entwi- gesteuerten Flutpoldern sowie ckelten Hochwasserschutz verfügen, sind in • die Optimierung des vorsorgenden unserer Erinnerung noch immer lebendig. Hochwasserschutzes z. B. durch die Bayern ist im Vergleich zu seinen östlichen Verbesserung der Hochwasservorhersage Nachbarn noch verhältnismäßig glimpflich durch modernste Geräte- und Kommuni- davongekommen. Das ist aber kein Grund, kationstechnik. nun die Hände in den Schoß zu legen und sich der Hoffnung hinzugeben, dass wir Diese Broschüre erläutert die drei Hand- erst in 50, 100 oder gar 1000 Jahren wieder lungsfelder an aktuellen Beispielen aus der heimgesucht werden. Das nächste Hoch- Praxis. wasser kommt bestimmt! Wenn die Klima- Die staatliche bayerische Hochwasser- forscher mit ihren Prognosen Recht haben, schutzstrategie kann nur verwirklicht wer- wird uns der beginnende Klimawandel den und zum angestrebten Erfolg führen, extremere Witterungsereignisse und große wenn auch die nichtstaatlichen Akteure auf Hochwasser künftig eher noch häufiger allen Planungs- und Handlungsebenen bringen, als das in den zurückliegenden daran mitwirken. Angesprochen sind dabei Jahrzehnten der Fall war. insbesondere die Städte und Gemeinden, Bayern wird deshalb seinen aktiven Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Klimaschutz weiter vorantreiben, weil auch Regionalplanung sowie die Bürgerinnen und das einen Beitrag zur Hochwasservorsorge Bürger. bedeutet. Wir wollen die Zeit aber auch Nach den jüngsten Hochwasserkatastro- nutzen, um für kommende Hochwasser phen war die Solidarität groß und die noch besser gerüstet zu sein. Investitionen Hilfsbereitschaft überwältigend. Wenn es für den Hochwasserschutz helfen, Schäden gelingt, dieses erfreuliche Maß an Gemein- bei der nächsten Flut zu vermeiden oder sinn auch auf den Schutz vor Hochwasser, zumindest zu verringern. also auf die Vorsorgemaßnahmen, zu über- Bayern hat bereits nach dem Pfingsthoch- tragen und in enger Kooperation wirksam wasser 1999 die große Herausforderung werden zu lassen, können wir den künftigen angenommen und ein deutschlandweit Hochwassern sehr viel gelassener entgegen- einmaliges Aktionsprogramm 2020 für einen sehen. nachhaltigen Hochwasserschutz gestartet. Dr. Werner Schnappauf Bayerischer Staatsminister für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz
Pfingsten 1999 – die Loisach in Eschenlohe Das nächste Hochwasser kommt bestimmt Flutkatastrophen erinnern uns daran, dass wir Naturereignisse nicht beliebig kontrollieren können. Das Pfingsthochwasser 1999 verursachte in Bayern Schäden in Millionenhöhe. Im August 2002 erlebte Deutschland die „Jahrhundertflut“: Tagelange, heftige Regenfälle hatten die Flüsse über die Ufer treten lassen. Weite Teile Nord- und Ostdeutschlands sowie Bayerns standen unter Wasser. Im Vergleich zu den Flutkatastrophen in Österreich, Tschechien, Bild oben: Pfingsten 1999 – das Sachsen und Sachsen-Anhalt ist Bayern mit einem blauen Auge Immenstädter Krankenhaus ver- sinkt in den Fluten der Iller. davongekommen. Doch die Verantwortlichen sind gewarnt: „Nach der Flut ist vor der Flut.“ Klimaforscher gehen davon aus, dass wir Bild unten: August 2002 – das in Bayern mit einer Zunahme von extremen Witterungsereignissen natürliche Überschwemmungs- gebiet des Regen im Bayerischen rechnen und uns auf häufigere große Hochwasser vorbereiten Wald bei einem 100-jährlichen müssen. Hochwasser. 2 Hochwasserschutz in Bayern
Sa al e Coburg ch S te Hof .Saale da ina Ro ch Itz hs Sinn e aal Säc Main n k. S Schweinfurt Ege er Frä Eg Wenn der Regen r Aschaffenburg Röslau Ro W e i ße ter r Main Main Main M rn We ain Bamberg Hochwasser bringt Würzburg Bayreuth sc h . T ir d n . al t en W Waldnaab ies W Extreme Regenfälle führen in Bayern immer Aisch Ha z ide nit Tau na Weiden Erlangen ab Reg ber wieder zu Hochwasser. Zum einen sind es Pegnitz i. d. Opf. Fürth Amberg die am Alpenrand und im Bayerischen Wald Nürnberg Sch warz ach Ansbach sehr kräftigen und anhaltenden Regenfälle V il A lt s Schwabach mü itz hl im späten Frühjahr und Sommer, die zusam- Ma dn Roth- in ab Re K Na Regen Gr. R -Don see Altmühlsee an men mit der Schneeschmelze die Flüsse Brombach- al a egen see Regensburg Sch w. Re ge Kl.Regen ausufern lassen. Zum anderen sind es die üh l n Wörn Gr. Ohe tm Al Warmlufteinbrüche mit Dauerregenfällen Straubing itz Ingolstadt und Schneeschmelze im Winter und Früh- b er Ilz Donau Abens La Passau jahr, die vor allem in den tiefer gelegenen r, G B re Lech Ilm Isar m s Vil Schmutter r Paa sa nz Landshut Zu Do Regionen Mittel- und Nordbayerns Über- ils na u Minde Kl.V ils r schwemmungen verursachen. pe Augsburg r.V Rott Ille n Am G l In r ch Isen ta er nz u W Gü na Speichersee ch rm Do lza A lz Wü Wörthsee MÜNCHEN Sa In n Pfingsthochwasser 1999 Memmingen Pilsen- r Isa Östl. Ammer- see We s Kaufbeuren see Tra 5. – 15. Mai: Andauernde Regenfälle und Günz z Man Simssee Waginger- tl . G gfall u Starnberger n ün Tachinger- See ch n Rosenheim Chiemsee See ch e starke Schneeschmelze in den Alpen Le Kempten Ammer Riegsee r. A Schliersee h Ti ac → Böden sind wassergesättigt Bo Forggen- Staffel- Kochel- Tegernsee al Inn de see see see Sa Königssee r ns Ille ee ch → kleinere Hochwasser am Alpenrand und Walchen- isa Sylvensteinspeicher see Isar Lo Salz Eibsee an der Donau ach h Lec e in Inn 20. – 22. Mai: Weitere Starkregen Rh → Niederschläge fließen vollständig ober- 0 50 km Schadensschwerpunkte Sitze der Bezirksregierungen flächlich ab der Hochwasser Kreisfreie Städte → Jahrhundertflut an Iller, Ammer und Pfingsten 1999 Topographische Grunddaten: Geobasisdaten des BLVA, http://www.geodaten.bayern.de Donau August 2002 → 4.000 Hektar Fläche in Bayern werden Januar 2003 überflutet → 337 Millionen Euro Sachschaden Augusthochwasser 2002 Winterhochwasser 2003 10. – 11. August: Starkregen mit Schwer- Dezember 2002: nur 4 Tage niederschlags- punkt am Alpenrand, Pegel der Flüsse im frei Regierungsbezirk Schwaben steigen an: → Böden sind wassergesättigt → 100-jährliches Hochwasser an der Iller → Wasserstände in Flüssen und Bächen im Oberallgäu steigen an → 10- bis 20-jährliches Hochwasser an der 20. Dezember 2002 – 4. Januar 2003: Donau unterhalb der Lechmündung bis ergiebige Dauerregen oberhalb Regensburg → 20-jährliches Hochwasser an Main und 12. August: Starkregenfront verlagert sich Naab nach Osten → 200-jährliches Hochwasser an der → 100-jährliches Hochwasser am Regen Fränkischen Saale im Bayerischen Wald Glossar → 50- bis 100-jährliches Hochwasser an 100-jährliches Hochwasser Tiroler Achen und Salzach (HQ 100) = Bemessungs- → 20- bis 50-jährliches Hochwasser an der hochwasser Donau unterhalb von Regensburg Hochwasserabfluss, der an einem → 50- bis 100-jährliches Hochwasser an der Standort im Mittel alle hundert Donau ab Passau Jahre überschritten wird. Da es sich um einen statistischen Mittelwert handelt, kann dieser Abfluss innerhalb von hundert Jahren auch mehrfach auftreten. Hochwasserschutz in Bayern 3
Wer am Fluss lebt, muss mit nassen Füßen rechnen An Main, Donau und anderen 100-prozentigen Schutz bayerischen Flüssen leben die gibt es nicht Menschen seit Jahrhunderten Die Sicherheit hinter Deichen ist immer rela- mit dem Hochwasser. Über- tiv. Hochwasserschutzanlagen bieten nur bis schwemmungen sind natürliche zum Bemessungshochwasser Schutz, dies ist in der Regel ein 100-jährliches Hochwasser Phänomene, und wer am Fluss (= HQ 100). Deiche und Mauern können lebt, muss sich auch der mög- darüber hinaus nicht beliebig erhöht wer- lichen Gefahr bewusst sein. Der den. Dagegen sprechen nicht nur finanzielle Zwänge, sondern auch städtebauliche und Nutzungsdruck in den Fluss- landschaftliche Randbedingungen. Ein 100- tälern hat jedoch in den letzten prozentiger Schutz vor Hochwasser ist also beiden Jahrhunderten stark nicht möglich. zugenommen. Siedlungen, Ver- kehrswege, Gewerbeflächen und Schäden begrenzen intensiv genutzte Ackerflächen Das Schadenspotenzial in Überschwem- mungsgebieten ist heute weitaus größer als haben sich in den natürlichen noch vor wenigen Jahrzehnten: So müssen Überschwemmungsgebieten Industriebetriebe mit modernen Anlagen ausgedehnt. Damit ist auch das bei Überflutungen hohe Schäden in Kauf nehmen. Keller wurden früher zur Lagerung Schadenspotenzial stark ange- von Kohlen und Kartoffeln genutzt. Heute wachsen. sind Computer und andere wertvolle Ein- richtungen dort untergebracht. Ziel muss Flüsse im Korsett daher sein, das Schadenspotenzial zu ver- mindern: Um größtmöglichen Nutzen zu erzielen, hat Wohnsiedlungen, Gewerbegebiete und der Mensch die Flüsse begradigt und einge- andere Nutzungen dürfen sich nicht weiter deicht: So schützte er sich vor Hochwasser in gefährdete Bereiche ausdehnen. Haus- und konnte die fruchtbaren Aueböden land- besitzer und andere Betroffene können Bild oben: Ein ausgelaufener wirtschaftlich nutzen. Auch für die Schiff- durch geeignete Vorsorge viele Schäden Heizöltank im Keller hinterlässt fahrt und Wasserkraftnutzung wurden die vermeiden. nicht nur hartnäckigen Ölgeruch. Flüsse umgestaltet. Für das natürliche Das Öl schädigt auch die System Fluss-Aue und das Abflussgeschehen Bausubstanz und gefährdet hatten diese Eingriffe jedoch gravierende das Grundwasser. Folgen: Sie trennten den Fluss von seiner Aue, feuchte Niederungen fielen trocken, Bild unten: August 2002: Der der Flusslauf wurde verkürzt und der Voglöder Bach im Markt Hut- Abfluss auf diese Weise beschleunigt. Der thurm, Landkreis Passau, ver- natürliche Rückhalt von Wasser in den wandelt sich in einen reißenden Flussauen nahm immer weiter ab. Wildbach. 4 Hochwasserschutz in Bayern
Mit dem Hochwasser Glossar rechnen Sind unsere Hochwasser hausgemacht? Tagesniederschlag In gewissem Umfang ja. Im begradigten und Niederschläge werden in mm/Tag Die meisten Klimaforscher gehen davon aus, eingedeichten Flussbett fließt das Hochwasser gemessen. Ein Tagesniederschlag dass die Durchschnittstemperatur in Bayern deutlich schneller ab, ein Ausufern in die Aue von 1 Millimeter entspricht in den nächsten Jahren weiterhin steigen ist nur noch begrenzt möglich. Auch die Land- 1 Liter Wasser pro Quadratmeter wird und extreme Witterungsereignisse nutzung wirkt sich auf den Wasserrückhalt in 24 Stunden. zunehmen werden. Wir müssen uns darauf aus: Wald kann in der Regel mehr Wasser einstellen, dass große Hochwasser häufiger aufnehmen als Grünland, Grünland speichert und über das ganze Jahr verteilt auftreten mehr Wasser als Ackerland. Etwa 3,4 Prozent können. der Gesamtfläche Bayerns sind zudem regel- Bild: Trügerische Sicherheit – in Bayern hat gemeinsam mit dem Deut- recht versiegelt, mit Verkehrsflächen und Neustadt an der Donau bricht schen Wetterdienst und dem Land Baden- Bebauung. Regenwasser versickert hier nicht, am 24. Mai 1999 um 8.30 Uhr Württemberg eine Forschungsgruppe ein- es fließt sofort oberflächlich ab. Die genann- der Deich. Das Wasser überflutet gerichtet, die alle Erkenntnisse zu regionalen ten Faktoren können besonders in kleinen eine Fläche von 20 Quadratkilo- Klimaänderungen zusammenträgt und Einzugsgebieten die Hochwassersituation metern. bewertet. Nähere Informationen zum Ko- örtlich verschärfen. Bei extremen, gebietsüber- operationsprojekt „Klimaänderungen und greifenden Hochwasserereignissen spielen Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“ Flussbegradigung und künstliche Versiegelung gibt es unter www.kliwa.de. nur eine untergeordnete Rolle. Die Böden sind Wir müssen handeln – und die Natur des dann meist durch Wassersättigung oder Frost Hochwassers schreibt uns vor, diese bereits natürlich versiegelt und das Nieder- Aufgabe ganzheitlich anzugehen. Nur wenn schlagswasser fließt ungebremst in die Flüsse. wir dem Hochwasser mit System begegnen, Historische Hochwassermarken bestätigen, können wir uns erfolgreich davor schützen. dass Extremereignisse bereits in früheren Zeiten auftraten, als künstliche Versiegelung noch keine Rolle spielte. 10 Tage mit mehr als 30 mm Niederschlag Ab wann sind Niederschläge hochwasser- relevant? = Durchschnitt Schon Niederschläge ab 20 bis 30 Millimeter in 24 Stunden können unter ungünstigen 8 Bedingungen Hochwasser auslösen. Bei den großen Hochwassern in Bayern – z.B. Pfingsten 1999 und August 2002 – lagen die Messwerte 6 deutlich darüber: • 21. Mai 1999, Hindelang: 234 mm/Tag • 6. August 2002, Ruhpolding: 117 mm/Tag 4 • 11. August 2002, Hindelang: 114 mm/ Tag Zum Vergleich: Im Erzgebirge wurde mit 2 312 mm/Tag am 12. August 2002 der deutsche Rekordwert gemessen. 0 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 Grafik: Die Niederschlagsdaten der Wetterstation Hohenpeis- senberg zeigen eine deutliche Tendenz, dass die Starkregen in den vergangenen 120 Jahren zugenommen haben. Hochwasserschutz in Bayern 5
Glossar Rückhalteraum Rückhalteräume dienen der Drei Wege – ein Ziel: Zwischenspeicherung von Hoch- wasser. Sie werden durch Auf- stauen bzw. Überfluten aktiviert. Hochwasserschutz Überschwemmungsgebiet Flächen, die bei Hochwasser für Bayern überschwemmt werden. Rechtlich festgesetzte Über- schwemmungsgebiete müssen Das Naturereignis Hochwasser Natürlicher Rückhalt von den Gemeinden in der lässt sich nicht verhindern. Doch Hochwasser entstehen nach starken und Bauleitplanung berücksichtigt lang anhaltenden Regenfällen, wenn der werden (siehe S. 26/27). wir können vermeiden, dass es Boden kein Wasser mehr aufnimmt und zur Katastrophe wird. Im Hoch- der Regen schnell und in großen Mengen wasserschutz geht es in erster abfließt. In natürlichen Flusslandschaften Bild oben: Natürlicher Rückhalt kann sich das Wasser über weite Flächen in in der Aue. Auwälder, wie hier Linie darum, den Schaden zu der Aue verteilen. Boden, Vegetation und an der Mittleren Isar, bremsen begrenzen, eine Zunahme des Geländesenken halten das Wasser zurück das Hochwasser und sorgen für Schadenspotenzials in gefährde- und geben es allmählich an den Fluss ab. einen gleichmäßigeren Hoch- Die sich ausdehnenden Nutzungen in den wasserabfluss. ten Bereichen zu vermeiden und Flusstälern haben dazu geführt, dass natür- ein angemessenes Gefahren- liche Auwälder heute selten sind und die Bild unten: Hochwasserschutz bewusstsein zu entwickeln. Flüsse immer weniger ausufern können. Um mit moderner Technik: Vor Hochwasser schon am Ort ihrer Entstehung seinem Einsatz wird das Dosier- einzudämmen, müssen daher vorhandene bauwerk für die Lauter-Überlei- Überschwemmungsgebiete gesichert und tung im Modellversuch getestet „Aktionsprogramm 2020” ehemalige natürliche Überschwemmungs- (siehe S. 16/17). gebiete wieder aktiviert werden. Hierzu ist Diese Zielsetzung erfordert eine ganzheit- es notwendig, Deiche zurückzuverlegen, liche Strategie: Isolierte Schutzkonzepte den Fluss wieder an seine Aue anzubinden reichen nicht aus, weil sie im Zweifelsfall und Auwälder neu zu begründen. Auch das nur das Problem flussabwärts verlagern. Versickern von Regenwasser in Siedlungs- Deshalb funktioniert moderner Hochwasser- gebieten, eine angepasste Bodenbewirt- schutz nur in der Kombination seiner drei schaftung und der Erhalt von Grünland, Handlungsfelder: Hecken und Feldrainen tragen zum Wasser- 1. Natürlicher Rückhalt rückhalt bei. 2. Technischer Hochwasserschutz Zur Umsetzung dieser Ziele werden die 3. Hochwasservorsorge Wasserwirtschaftsämter bis 2006 für alle größeren bayerischen Gewässer Gewässer- Bayern hat mit diesem kombinierten entwicklungspläne erstellen. Bis 2020 sollen Hochwasserschutz seit Jahren gute Erfah- 2 500 Kilometer Gewässerstrecke mit 10 000 rungen gemacht. Nach dem Pfingsthoch- Hektar Uferfläche renaturiert werden. Koor- wasser 1999 war jedoch klar, dass schneller diniert werden diese Maßnahmen im Auen- und in größerem Umfang gehandelt werden programm Bayern. Auch das Programm zur musste. Im Mai 2001 beschloss die Bayeri- Schutzwaldsanierung hat den natürlichen sche Staatsregierung daher das „Aktions- Rückhalt zum Ziel: Wasserwirtschafts- und programm 2020 für Donau- und Main- Forstverwaltung fördern gemeinsam den gebiet“: Bis zum Jahr 2020 will der Freistaat Erhalt und die Wiederbegründung natür- mit diesem Programm 2,3 Milliarden Euro licher Bergwälder in Wildbacheinzugs- in den Hochwasserschutz investieren. gebieten. 6 Hochwasserschutz in Bayern
Grafik: Moderner Hochwasser- schutz kombiniert die drei Natürlicher Technischer Handlungsfelder des Aktions- Rückhalt Hochwasserschutz programms 2020: Natürlicher Rückhalt, Technischer Hoch- 2020 wasserschutz und Hochwasser- vorsorge. Hochwasservorsorge Glossar Aue Das von der Gewässer- dynamik geprägte Gebiet begrenzen. Aktuelle Schwerpunkte des eines Fließgewässers. Um- Auenprogramm Bayern technischen Hochwasserschutzes in Bayern fasst die Flächen, die natür- Nach den Hochwasserereignissen der letzten sind licherweise vom Hochwasser Jahre sind die Auen und ihr Beitrag zum Hoch- • Hochwasserschutzmaßnahmen beeinflusst werden, direkt wasserschutz wieder verstärkt in unser Blickfeld für besiedelte Gebiete, durch Überflutung oder gerückt. Die natürlichen Überschwemmungs- • die Nachrüstung bestehender Deiche, indirekt durch steigende gebiete der Flüsse halten überschüssiges • der Neubau des Drachensees bei Furth im Grundwasserstände. Oft Wasser zurück und wirken als Hochwasser- Wald und des Goldbergsees bei Coburg, identisch mit dem Talboden. bremse. So unterstützen die Maßnahmen des • der Bau von örtlichen Rückhaltebecken Auenprogramms immer auch den natürlichen an kleineren Gewässern, Flutpolder Rückhalt im Sinne des Aktionsprogramms • die Einrichtung von Flutpoldern mit Eingedeichte Flussniederung 2020. Mit dem Auenprogramm Bayern schützt mindestens 30 Millionen Kubikmetern oder Senke, die bei Hoch- und entwickelt die bayerische Umweltverwal- Rückhalteraum wasser gezielt geflutet wird. tung naturnahe Flusslandschaften. Dabei • und ein verstärkter Hochwasserschutz stimmt sie die Interessen von Hochwasser- an Wildbächen. (Hochwasser-) Rückhalte- schutz, Naturschutz, Landnutzung und Freizeit- becken nutzung aufeinander ab. Künstlich angelegtes Hochwasservorsorge Speicherbecken, mit oder Trotz aller Maßnahmen des natürlichen ohne Grundsee, das nur bei Rückhalts und des technischen Hochwasser- Hochwasser gefüllt und an- Technischer Hochwasserschutz schutzes bleibt ein Restrisiko, das nur durch schließend wieder entleert Wo Menschen und Sachwerte geschützt richtige Vorsorge minimiert werden kann. wird. werden müssen, ist technischer Hoch- Gemeinden grenzen das Schadenspotenzial wasserschutz unverzichtbar. Deiche und ein, indem sie die Überschwemmungsge- Flutmulde Mauern bieten Schutz bis zum Bemessungs- biete in ihren Flächennutzungs- und Bebau- Künstlich angelegtes Fluss- hochwasser. Flutpolder und Hochwasser- ungsplänen von einer Bebauung freihalten. bett, das nur bei Hochwasser rückhaltebecken werden gezielt eingesetzt, Die staatliche Verwaltung wird bis 2006 durchflossen wird. Beispiel: um Hochwassergefahren zu mindern. Flut- die Überschwemmungsgebiete an allen Flutmulde in Landshut. mulden leiten das Hochwasser um. Der größeren Flüssen in Bayern ermitteln und technische Hochwasserschutz darf jedoch rechtlich sichern. Vorranggebiete für den nicht dazu dienen, weitere hochwasserge- Hochwasserschutz weisen die regionalen fährdete Gebiete zu bebauen. Sie müssen Planungsverbände aus (siehe S. 26/27). grundsätzlich als Rückhalteräume gesichert werden. Die technischen Maßnahmen haben immer nur das Ziel, den Hochwasser- schaden an bestehenden Nutzungen zu Hochwasserschutz in Bayern 7
Viele Schäden an baulichen Anlagen Informationsfluss notwendig. Der Hoch- lassen sich zudem durch eine angepasste wassernachrichtendienst informiert im Bauweise vermeiden. Hierzu zählen u. a. der Internet unter www.hnd.bayern.de über Verzicht auf empfindliche Nutzungen im aktuelle Hochwasserstände, Vorhersagen Erdgeschoss, die Wahl unempfindlicher und Tendenzen (siehe S. 32/33). Baustoffe und die Sicherung des Gebäudes, beispielsweise mit hochwassersicheren Türen und Fenstern. Das gilt auch für Siedlungen Jeder ist gefordert! hinter Deichen. Gegen das verbleibende Restrisiko empfiehlt es sich, soweit möglich, Um alle drei Wege der bayerischen Hoch- eine Versicherung für Hochwasserschäden wasserschutzstrategie gleichermaßen zu abzuschließen. verfolgen, müssen alle Beteiligten zusam- Ist ein Hochwasser im Anmarsch, ent- menarbeiten: Städte und Gemeinden, Land- scheidet oft die Vorwarnzeit über das Aus- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Regional- Bild oben: Schadensbegrenzung maß der Schäden. Die Wasserwirtschaft planung, Wasserwirtschaft und Bürger. in letzter Minute – Feuerwehr- wird daher mit dem Innovationsprogramm Interessen müssen aufeinander abgestimmt leute retten, was noch zu retten Hochwassernachrichtendienst bis 2004 die und Kompromisse gefunden werden. So ist. Voraussetzungen schaffen, um früher und haben die Oberlieger eine Verantwortung gezielter vor Hochwasserwellen zu warnen gegenüber den Unterliegern, die sich auch (siehe S. 24/25). Damit Hochwasser- in ihrem Handeln zeigen sollte. Wir müssen warnungen rechtzeitig alle Betroffenen lernen, über kommunale Grenzen hinaus zu erreichen, ist ein schneller und reibungsloser denken. Bild rechts: Beispiel gelungener Vorsorge – das Januarhoch- wasser 2003 richtete in Würz- burg nur sehr geringen Scha- den an, weil durch rechtzeitige Warnung die Altstadt mit mobilen Hochwasserwänden gesichert werden konnte. 8 Hochwasserschutz in Bayern
Städte und Wasserwirtschaft Bürgerinnen Regionale Landwirtschaft Naturschutz Gemeinden und Bürger Planungsverbände Nachhaltiger Hochwasserschutz Die Städte und Gemeinden ... Was geschieht konkret? Grafik: Akteure im Hochwasser- • berücksichtigen in ihrer Bauleitplanung schutz – nur gemeinsames den Hochwasserschutz, Der Schutz vor Hochwasser gehört seit jeher Handeln führt zum Erfolg. • planen und verwirklichen Hochwasser- zu den zentralen Aufgaben der bayerischen schutzkonzepte an den kleineren Wasserwirtschaft. So bewahrt der Sylven- Gewässern und steinspeicher seit 1959 die Städte Bad Tölz • sorgen mit den Feuerwehren für die und München vor Hochwasserschäden Gefahrenabwehr. durch die Isar. Rechtzeitig zum Pfingsthoch- wasser 1999 wurde der vorhandene Damm Die Land- und Forstwirtschaft ... erhöht und bestand sogleich seine erste • fördert durch eine angepasste Boden- Probe. und Waldbewirtschaftung den Wasser- Als Beispiel seien auch die Hochwasser- rückhalt in der Fläche und ist daher ein schutzanlagen in Würzburg erwähnt, die wichtiger Partner im Hochwasserschutz. Freistaat und Stadt seit 1980 ausbauen. Dank dieser Anstrengungen blieb die Würz- Der Naturschutz ... burger Altstadt beim Winterhochwasser • fördert die Entwicklung intakter Fluss- 2003 trocken. auen als natürliche Wasserspeicher. Seit über 20 Jahren fördert Bayern zudem die Entwicklung naturnaher Flusslandschaften Die Regionalplanung ... und verbessert damit auch den natürlichen • weist Vorranggebiete für den Hoch- Rückhalt. Ein gelungenes Beispiel hierfür wasserabfluss und -rückhalt aus. ist das Projekt zur Fluss- und Auenrenatu- rierung an der Schwarzach in Mittelfranken. Die Wasserwirtschaft ... Auf den folgenden Seiten werden • plant und verwirklicht Konzepte für konkrete Beispiele aus der Praxis den drei den Hochwasserschutz an den größeren Handlungsfeldern des Hochwasserschutzes Gewässern, zugeordnet. • berät und fördert Kommunen und Gemeinden bei Maßnahmen zum Hochwasserschutz und Bild oben: Die traditionelle Grün- • baut den Hochwassernachrichtendienst landnutzung in der Flussaue aus. leistet einen Beitrag zum vorbeu- genden Hochwasserschutz. Bürgerinnen und Bürger ... • informieren sich über mögliche Hoch- Bild unten: Die Wasserwirt- wassergefahren und schaftsbehörden unterstützen • sorgen rechtzeitig und angemessen vor. die Städte und Gemeinden bei ihren Maßnahmen zum Hoch- Konkrete Zuständigkeiten siehe S. 30 – 33 wasserschutz. Hochwasserschutz in Bayern 9
Entwicklungskonzept für Fluss und Aue Natürlicher Rückhalt Technischer Hochwasserschutz an der Mittleren Isar 2020 Hochwasservorsorge Hintergrund Beschreibung Natürlicher Rückhalt Den Wildfluss gezähmt Entfesselte Ufer und neuer Beispiel 1 Rückhalteraum Die Isar zwischen München und Landshut ist in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahr- Planerische Grundlage für die nachhaltige hunderts ausgebaut worden. Der weit ver- Entwicklung der Flusslandschaft Mittlere Isar zweigte Fluss wurde begradigt und in ein ist der Gewässerentwicklungsplan. Er wurde Projekt gleichförmiges Bett mit befestigten Ufern vom Bayerischen Landesamt für Wasser- Isar 2020 – gezwängt. Durch die Begradigung tiefte wirtschaft in Zusammenarbeit mit Fachbe- Gewässerentwicklung und sich der Fluss immer weiter ein, zusätzlich hörden und Verbänden erarbeitet und wird Hochwasserschutz an der engten Hochwasserschutzdeiche das Über- in den nächsten Jahren durch die Wasser- Mittleren Isar schwemmungsgebiet ein. wirtschaftsämter München, Freising und Landkreise/Städte Seit dem Bau des Mittlere-Isar-Kanals Landshut umgesetzt. Stadt München, 1925 wird bei Oberföhring Wasser aus Ein wichtiger Schritt zur Umsetzung war Lkr. München, Freising und der Isar abgezweigt und kurz vor Landshut die Vereinbarung mit den Betreibern der Landshut wieder zurückgeleitet. Bis zum Jahre 2001 Kraftwerkskette am Mittlere-Isar-Kanal, Planungsgebiet verblieb daher in der Isar zwischen München der E.ON Wasserkraft AG, ab 2002 wieder 5793 ha und Moosburg nur ein geringer Restabfluss. mehr Wasser im Flussbett der Isar zwischen (64,5 km Flusslauf) Aus dem einstigen Wildfluss wurde ein ge- München und Moosburg zu belassen. Die Bestehendes Überschwem- zähmter Fluss. Kraftwerksbetreiber beteiligen sich auch an mungsgebiet (Deichvorland) Trotz dieser Eingriffe hat sich an der Isar den Kosten für die Entwicklung der Fluss- 1610 ha zwischen München und Landshut ein weit- landschaft Isar. Geplantes Überschwem- gehend geschlossener Auwald erhalten. Die Maßnahmen zur Gewässerentwick- mungsgebiet (durch Große Teile der Isarauen sind als Natur- und lung konzentrieren sich auf Deichrückverlegung) Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen und • den Uferrückbau und das Wiederzulassen 2676 ha nahezu vollständig für das europäische Netz gewässerdynamischer Prozesse, „NATURA 2000“ gemeldet. • den Umbau von Abstürzen in Sohl- Rückhaltevolumen rampen und die Anlage von Umgehungs- (Zugewinn) 10 Millionen m3 Aufgaben und Ziele gerinnen an Wehren zur Wiederherstel- lung der Durchgängigkeit, Projektbeginn Zurück zur Dynamik • den Aufkauf von Ackerflächen und lang- 1998 Diese Flusslandschaft im Norden des fristig deren Überführung in Auwald und Projektende Münchner Ballungsraumes gilt es für die • eine Wegeführung, angepasst an die 2020 Zukunft zu erhalten und nachhaltig weiter natürliche Flussentwicklung. Kosten für Gewässer- zu entwickeln mit den Zielen, entwicklung • den Hochwasserschutz für die Bevölke- Zur Verbesserung des Hochwasserschutzes 22,3 Mio. € rung zu verbessern, ist außerdem vorgesehen, Kosten für Hochwasserschutz • Rückhalteflächen für Hochwasser auszu- • bestehende Siedlungen und Verkehrs- 66,5 Mio. € weiten, wege durch die Verstärkung vorhandener • die für die Isar und ihre begleitenden Deiche zu schützen und Auwälder typischen Lebensräume zu • durch die Rückverlegung von Deichen erhalten bzw. wieder herzustellen und zusätzlichen Rückhalteraum zu schaffen. • Fluss und Aue für die Erholung zu er- schließen, ohne Nachteile für deren Lebensgemeinschaften. 10 Hochwasserschutz in Bayern
Erfolge und Ausblick Den Konsens dabei zu finden – zwischen wirtschaftlichen Interessen, dem Schutz- Mehr Hochwasserschutz und bedürfnis der Anlieger, den Wünschen Lebensqualität der Erholungssuchenden und den Belangen Bild oben: Die Isaraue bei Die Mittlere Isar im 21. Jahrhundert ist nicht der Natur – erfordert das konstruktive Hangenham im Landkreis mehr der ursprüngliche Wildfluss von einst. Miteinander von Politik, Verwaltung und Freising, Pfingsten 1999: Die Aber sie ist eine Flusslandschaft, die ihre Wirtschaft, aber auch von Vereinen und ausgedehnten Auwälder zwi- Herkunft zeigt. Als grüner Korridor durch- Verbänden. Kooperatives Handeln mit den schen Freising und Moosburg zieht sie den Ballungsraum München und Akteuren auf allen Planungs- und Hand- werden bei Hochwasser noch sichert der Bevölkerung ein wichtiges Stück lungsebenen ist dabei ebenso gefragt, wie großflächig überflutet. Lebensqualität. Mit dem Entwicklungskon- das Verständnis der Bürger. zept Mittlere Isar, dem Pilotprojekt Mühltal Karte: Reaktivierung von im Süden von München und dem Isarplan Rückhalteräumen an der im Stadtgebiet von München werden Hoch- Mittleren Isar, Landkreis Freising. wasserschutz, Ökologie und Erholungsan- gebot an der Isar zwischen Wolfratshausen Bild Mitte: Die Isar im Landkreis und Landshut nachhaltig verbessert. Landshut, 1998: Das um 1910 mit Steinen verbaute Ufer Moosburg schnürt die Isar in ein festes Bett. a. d. Isar Bild unten: Gleicher Ort, 2 Jahre später: Der vom Steinkorsett befreite Fluss entwickelt wieder eine eigene Dynamik und ge- staltet sein Flussbett. Auf einer Länge von 500 Metern hat das Pfingsthochwasser 1999 das Ufer abgetragen. r Freising Isa Überschwemmungsgebiete an der Mittleren Isar Aue Überschwemmungsgebiet (Bestand) Überschwemmungsgebiet (Planung) Siedlungsgebiete Deichlinien (Bestand) Deichlinien (Planung) Topographische Grunddaten: Geobasisdaten des BLVA, http://www.geodaten.bayern.de Hochwasserschutz in Bayern 11
Natürlicher Hochwasserschutz durch Natürlicher Rückhalt Technischer Hochwasserschutz Gewässerentwicklung an Main und Rodach 2020 Hochwasservorsorge Hintergrund Aufgaben und Ziele Natürlicher Rückhalt Zwei Flüsse in engem Korsett Freier Lauf für Main und Rodach Beispiel 2 Main und Rodach sind typische Mittelge- Die Projekte an Main und Rodach dienen birgsflüsse, die von Natur aus in weiten dem vorbeugenden Hochwasserschutz und Schleifen durch die Aue mäandrieren und der nachhaltigen Entwicklung der Gewässer so vielfältige Lebensräume schaffen. hin zu mehr Naturnähe und Freizeitwert. Projekt Um die beiden Flüsse für die Holzwirt- Main und Rodach sollen ihre Funktion als Redwitz a. d. Rodach schaft floßbar zu machen, wurden sie vor natürliche Lebensadern wiedererlangen. Die Landkreis allem im 19. Jahrhundert durch bauliche rund 30 Kilometer lange freie Fließstrecke Lichtenfels Maßnahmen stark verändert: Der Flusslauf des Mains zwischen Lichtenfels und Bamberg Planungsgebiet wurde um fast 20 Prozent verkürzt und auf ist dabei besonders wertvoll. 30 ha einen gepflasterten Regelquerschnitt von Folgende Grundsätze und Prioritäten sind nur etwa 30 Metern eingeengt. Bis heute bei der Umsetzung der Maßnahmen zu Rückhaltevolumen haben diese Eingriffe erhebliche wasserwirt- beachten: 470.000 m3 schaftliche und ökologische Auswirkungen: 1. natürlichen Fließcharakter und Lauflänge Projektbeginn • beschleunigter Abfluss, erhöhte Abfluss- herstellen 1996 spitzen 2. Eigendynamik fördern → Ufersicherungen Projektende • Erosion der Gewässersohle und Grund- zurückbauen und Gewässerbett entsteinen 2002 wasserabsenkung in der Talaue 3. Abfluss gleichmäßiger gestalten → durch Gesamtkosten • Verarmung des Lebensraums Gewässer strukturreiche Gewässerbetten und Vor- 2,6 Mio. € und geringerer Freizeitwert länder Hochwasserwellen dämpfen 4. Rückhalteraum schaffen Dieses Projekt 5. Rauigkeit und damit den Fließwider- wird von der EU stand erhöhen → naturnahe Flussauen kofinanziert. und Auwälder entwickeln 6. biologische Durchgängigkeit wiederher- stellen 7. Naturerlebnis fördern Um den Abfluss gleichmäßiger zu gestalten und Wasser in der Fläche zurückzuhalten, sollen zusätzlich an Obermain und Rodach langfristig mehrere Millionen Kubikmeter Rückhalteraum entstehen. Beschreibung Hochwasserschutz und Naturerlebnis an der Rodach Das Gewässerentwicklungskonzept für Ober- main und Rodach wird seit 1989 in über 30 Einzelprojekten umgesetzt. Da allen Projekten ähnliche Ausgangssituationen und Ziele zu Grunde liegen, gleichen sie sich auch in ihrer Umsetzung. Das Projekt Redwitz a. d. Bild: Für die Flößerei begradigter Rodach wird hier stellvertretend für das und eingeengter Main (nach Gesamtkonzept vorgestellt. Zusammen mit 1880). der Kiesindustrie realisierte die Wasserwirt- schaftsverwaltung in diesem Einzelprojekt folgende Maßnahmen: 12 Hochwasserschutz in Bayern
Bild: Östliche Teilfläche, Projekt Redwitz an der Rodach (1999). Karte: An der Rodach bei Red- witz sind neue Wasserflächen entstanden, zwei ehemalige Flussschleifen wurden wieder an den Fluss angebunden. Projektgebiet Rodach ch da in Ro Ma Lichtenfels Ma in Bamberg ❚ ❚ ❚ ❚ Re ❚ ❚ gn Rod ❚ itz ❚ ach ❚ itz gn ❚ ❚ h Pe sc Ai Forchheim ] Amtsbezirk ] ] ] Wasserwirtschaftsamt ] ] ] Maßnahmenplan Redwitz a.d. Rodach Laufverlängerung Bamberg ] neue Wasserflächen Rodach Auwaldentwicklung Grünland • Zwei Flussschleifen mit insgesamt 750 Erfolge und Ausblick Glossar Metern wurden wieder angebunden und Vorland „Flussparadies Franken“ nachhaltig Fläche zwischen Gewässer und der Flusslauf entsprechend verlängert. Deich. • Durch das Absenken des Auebodens entwickeln wurde zusätzlicher Rückhalteraum für Langfristig sollen der gesamte Obermain den Hochwasserfall geschaffen. und die Rodach wieder einen naturnahen • In der Flussaue entstanden Flachwasser- Charakter erhalten, damit die Flüsse und zonen und Zonen mit natürlicher Auwald- ihre Auen ihre vielfältigen Funktionen im entwicklung. Naturhaushalt erfüllen können. Angesichts • Eine Spannseilbrücke mit Aussichtsplatt- einer geplanten Gesamtlänge von rund 80 form gibt Einblicke in die neu gestaltete Fluss-Kilometern bedeutet dies noch einen Auelandschaft. weiten Weg mit erheblichem Aufwand. Unter dem Motto „Flussparadies Franken“ soll das Besondere, Schöne und Typische des Mains und seiner Zuflüsse im Mittel- punkt einer touristischen Entwicklung stehen. Vorbeugender Hochwasserschutz und Gewässerentwicklung werden damit zu einem Gewinn für Mensch und Natur. Hochwasserschutz in Bayern 13
Deichrückverlegung an der Kößnach, Natürlicher Rückhalt Technischer Hochwasserschutz Gemeinde Kirchroth 2020 Hochwasservorsorge Hintergrund deiche oberhalb Straubings auf ein 100- Natürlicher Rückhalt jährliches Hochwasser (HQ 100) ausgebaut. Deiche boten nicht ausreichenden Damit die Ortschaften Pichsee, Pittrich und Beispiel 3 Schutz Neudau bei Hochwasser nicht von der Die Kößnach mündet im Stadtgebiet von rückgestauten Kößnach überflutet werden, Straubing linksseitig in die Donau. Sie zählt mussten auch dort die Deiche entsprechend zu den Gewässern dritter Ordnung und angepasst werden. Oberstes Ziel war es, Projekt besitzt ein Gesamteinzugsgebiet von ca. 79 die drei Ortschaften vor einem 100-jähr- Deichrückverlegung a. d. Quadratkilometern. Aufgrund des geringen lichen Hochwasser zu schützen. Ebenfalls Kößnach bei Kirchroth Gefälles in der Donauebene staut sich bei plante man, die Kößnach im Zuge dieser Landkreis starkem Hochwasser der Donau das Wasser Maßnahmen ökologisch aufzuwerten: Ein Straubing-Bogen in der Kößnach bis zur Ortschaft Oberzeitl- mindestens fünf Meter breiter Vorland- Planungsgebiet dorn zurück. So begann man ab 1930 – streifen zwischen Gewässer und Deich sollte 17 ha zeitgleich mit dem Bau der Donaudeiche – entstehen, damit sich auetypische Tiere und auch die Kößnach einzudeichen. Mit so Pflanzen hier ansiedeln können. In Teilab- Rückhaltevolumen 170.000 m3 genannten Rücklaufdeichen, die direkt an schnitten war geplant, die Deichlinie deut- das Gewässer grenzten, sollten nicht nur die lich mehr als fünf Meter zurückzusetzen, Geschützte Einwohner Siedlungen, sondern auch landwirtschaftli- um zusätzlichen Rückhalteraum für Hoch- 124 (3 Ortschaften) che Flächen geschützt werden. Wegen der wasser zu schaffen. Projektbeginn zu geringen Höhe der Deiche und einem 2001 ungünstigen Deichaufbau war der Schutz Projektende allerdings nur bis zu einem 30-jährlichen Beschreibung 2002 Hochwasser gewährleistet. Ein neuer Deich – bis zu 150 Meter Gesamtkosten zurückversetzt 2,6 Mio. € Aufgaben und Ziele Nach intensiven Planungen wurde rechts der Kößnach eine neue Deichlinie festge- Schutz vor 100-jährlichem legt: Sie verläuft durchgehend mindestens Hochwasser acht Meter, in zwei Teilabschnitten bis zu Gemeinsam mit der 1994 fertig gestellten 150 Meter hinter den bestehenden Deichen. Staustufe Straubing wurden die Donau- Die neuen Kiesdeiche sind innen mit Lehm Bild: Neue Vorlandfläche zwi- schen altem (rechts) und neuem Deich (links): Pflanzen und Tiere besiedeln allmählich den neuen Lebensraum. 14 Hochwasserschutz in Bayern
Kößnach ● D on Kö ß na c au h Straubing Vorlandfläche alter Deich neuer Deich Topographische Grunddaten: Geobasisdaten des BLVA, http://www.geodaten.bayern.de Karte und Bild: Deichrückver- legung an der Kößnach. Die Abbildungen zeigen den zuletzt fertig gestellten Abschnitt zwischen der Brücke Pichsee und dem Anschluss an den alten Donaudeich. abgedichtet und besitzen einen durchge- Erfolge und Ausblick henden Deichhinterweg. Mit der Deichrückverlegung wurden Mehr Raum für Natur und intensiv bewirtschaftete Acker- und Wiesen- Hochwasser flächen in naturnahe Vorlandflächen umge- Der neu geschaffene Rückhalteraum an wandelt. Das Gelände wurde modelliert, der Kößnach wird bei jedem Rückstau der bepflanzt und anschließend der natürlichen Donau oder Eigenhochwasser wirksam und Dynamik von Fluss und Aue überlassen. Im sorgt für einen gleichmäßigeren Hochwas- Bereich der beiden größeren Vorlandflächen serabfluss. Die notwendigen Überschwem- legte man – als Grundlage für eine natürli- mungsflächen konnte der Freistaat Bayern che Eigenentwicklung – neue Wasserflächen im laufenden Flurbereinigungsverfahren und Geländestrukturen an, beispielsweise vollständig auf freiwilliger Basis erwerben. Flach- und Steilufer, Feuchtflächen, Roh- Mit den durchgeführten Gestaltungsmaß- bodenflächen, offene Kiesflächen, Wurzel- nahmen wurde außerdem die Grundlage für stöcke und Steinhaufen. eine naturnahe Entwicklung der Kößnach Auf einer Teilstrecke von 600 Metern und ihrer Aue geschaffen. beließ man den alten Deich, um wert- volle Pflanzenbestände und eine seltene Schneckenart zu schützen. In den übrigen Abschnitten wurde der alte Deich vollstän- dig entfernt und das Material zum Bau der neuen Deiche verwendet. Hochwasserschutz in Bayern 15
Das Hochwasserschutzkonzept Coburg Natürlicher Technischer Rückhalt Hochwasserschutz 2020 Hochwasservorsorge Hintergrund wasser der Itz und ihrer Zuflüsse zurück- Technischer zuhalten und den Abfluss so zu regulieren, Vier kleine Flüsse und ein großes dass Hochwasserwellen dosiert und mög- Hochwasserschutz Problem lichst schadlos durch Coburg hindurchge- Beispiel 1 Immer wieder führen Hochwasser im Fluss- leitet werden. Durch entsprechende Hoch- gebiet der Itz zu Überschwemmungen im wasservorhersagen mit einem Niederschlag- Coburger Raum. Oft sind es Winterhoch- Abfluss-Modell soll der Hochwasserrückhalt Projekt wasser, die Itz, Röden, Lauter und Sulzbach zukünftig optimal berechnet und gesteuert Hochwasserschutzkonzept über die Ufer treten lassen. Sie entstehen werden. Neben den drei wichtigsten Schutz- Coburg durch das zeitliche Zusammentreffen groß- maßnahmen – Froschgrundsee, Goldbergsee flächiger Dauerregen und der Schnee- und Lauterüberleitung – sind ergänzende Maßnahme 1 schmelze in den Höhenlagen des Thüringer Schutzmaßnahmen an Lauter, Sulzbach und Froschgrundsee Waldes. Diese Wetterkonstellation verur- Itz vorgesehen. sachte auch das Weihnachtshochwasser Auch der vorbeugende Hochwasserschutz Einzugsgebiet 1967. Am Pegel Coburg wurde damals in ist in das Gesamtschutzkonzept integriert: 127,5 km2 der Itz ein Spitzenabfluss von 160 Kubik- Renaturierte Bäche und Flüsse verfügen Höhe des Dammbauwerks metern pro Sekunde gemessen, ein Abfluss, über mehr Platz zum Ausufern und bremsen 18,0 m (über Talsohle) der theoretisch nur alle 100 Jahre erreicht das Hochwasser durch ihr strukturreiches Hochwasserrückhalteraum wird. Im Stadtbereich Coburg entstanden Profil und Wasserrückhalt in der Fläche. Im 6,7 Mio. m3 Schäden in Höhe von rund 2,5 Millionen Bereich Rödental wurde zwischen 1990 und Inbetriebnahme Euro. 2002 die weitgehend begradigte Röden 1986 naturnah umgestaltet. Im Coburger Stadtteil Aufgaben und Ziele Neuses soll der Sulzbach zukünftig einen Gesamtkosten 22 Mio. € geschwungenen Verlauf und naturnahe Dem Hochwasser mit System Ufer zurück erhalten. Zudem werden maß- begegnen geschneiderte Freizeit- und Erholungskon- Bild: Januar 2003 in Coburg – 1976 mündeten mehrere Einzelplanungen zepte erarbeitet, um einerseits die Gewässer Die Maßnahmen zur Regulierung in einen Vorentwurf für das heute gültige für den Menschen erlebbar zu machen, des Abflusses der Itz entschärften Hochwasserschutzkonzept. Ziel des bereits andererseits aber auch den Nutzungsdruck die Hochwassergefahr deutlich. in Teilen realisierten Konzeptes ist es, Hoch- am Gewässer gezielt zu lenken und ausrei- chend Raum für eine natürliche Entwicklung zu gewährleisten. Beschreibung Zwei Rückhaltebecken und eine Überleitung Das Hochwasserschutzsystem Coburg basiert auf drei Hauptmaßnahmen. • Der Froschgrundsee ist bereits seit 1986 erfolgreich in Betrieb. Sein Sperren- bauwerk liegt am Zusammenfluss der Gewässer Itz und Effelder, nahe dem Ort Schönstädt. • Seit 2003 entsteht ein weiteres Rück- haltebecken am nordwestlichen Stadt- rand von Coburg, der Goldbergsee bei Beiersdorf. Der Goldbergsee soll Hoch- 16 Hochwasserschutz in Bayern
Froschgrundsee THÜRINGEN Ro (Hochwasserrückhaltebecken Karte: Hochwasserschutzsystem tte Schönstädt), in Betrieb seit 1986 nba Voruntersuchungen zum Coburg, Projektstand 2003. er ch Itz eld weiteren Hochwasser- Eff schutz an der Röden n de Rö Schönstädt BAYERN Neustadt b. Coburg Itz Maßnahme 2 Lauterüberleitung Oberlauter Goldbergsee le n (bei Hochwasser), geplant S to l Röden Rödental Einzugsgebiet Hochwasserrückhaltebecken 52 km2 er Sulzba Laut ch de ch Grundsee ul ba Höhe des Dammbauwerks utm tten Fl Ro Feuchtgebiet, Stauraum 7,0 m (über Talsohle) Beiersdorf Itz Örtliche Hochwasserschutz- maßnahmen Hochwasserrückhalteraum Hochwasserrückhalte- realisiert 2 Mio. m3 Goldbergsee becken Rottenbach, (Hochwasser- La ut in Bau ab 2002 geplant Inbetriebnahme rückhaltebecken er voraussichtlich 2008 Beiersdorf), in Ökologische Ausbaumaß- nahmen Gesamtkosten Bau ab 2003 Coburg realisiert 27 Mio. € geplant Itz Pegel Maßnahme 3 Lauterüberleitung Länge der Überleitung 4250 m wasser des Sulzbaches und später auch der Lauter aufnehmen und gedrosselt Stollenstrecke 1950 m abgeben. Das Sperrenbauwerk am Sulzbach ist als Erddamm mit flacher Maximale Überleitungsmenge Böschung konzipiert. Der Stauraum glie- 17,5 m3/s dert sich in einen Grundsee mit Dauer- Fertigstellung stau und ein nördlich angrenzendes voraussichtlich 2009 Feuchtgebiet. Unterhalb dieser Sperre Gesamtkosten wird man mit einer Kombination aus 12 Mio. € technischen Schutzmaßnahmen und ökologischem Gewässerausbau den Hochwasserschutz am Sulzbach zusätz- lich verstärken. Sobald der Goldbergsee fertig gestellt ist, sollen auch Hochwasserabflüsse aus Erfolge und Ausblick dem benachbarten Lautertal dorthin übergeleitet werden. Das Schutzsystem vervollständigen Bild links: Der Froschgrundsee Hochwasser ist ein Naturereignis. Damit hat auch im Januar 2003 die • Die „Lauterüberleitung“ bildet somit die es für die Siedlungsgebiete nicht zur Kata- Stadt Coburg vor Schlimmerem dritte Hauptmaßnahme des technischen strophe wird, ist im Coburger Raum durch- bewahrt: Durch seinen gezielten Schutzsystems: Ein Ausleitungsbauwerk dachtes Handeln erforderlich. Nicht das Einsatz verringerte sich der sorgt dafür, dass Wasser aus der Lauter schnelle Wegleiten des Wassers ist das Ziel, Spitzenabfluss der Itz von 125 entnommen wird, sobald der Abfluss sondern der Rückhalt und die zeitlich ver- auf 88 Kubikmeter Wasser pro auf mehr als 4 Kubikmeter pro Sekunde zögerte Abgabe. Der Froschgrundsee hat Sekunde. ansteigt. Die Überleitung unterquert sich dabei in der Vergangenheit und zuletzt einen Bergrücken und wird dann als fla- wieder im Januar 2003 bestens bewährt. che, der Landschaft angepasste Mulde Durch die Umsetzung des Gesamtkonzepts weitergeführt. Für den Schutz der Unter- mit dem weiteren Rückhaltebecken Gold- lieger ist diese Überleitung unverzicht- bergsee samt dem Bau der Lauterüber- bar. Geplanter Baubeginn ist 2006. leitung besitzt Coburg künftig einen zeitgemäßen Hochwasserschutz. Hochwasserschutz in Bayern 17
Flutpolder im Seifener Becken an der Iller Natürlicher Technischer Rückhalt Hochwasserschutz 2020 Hochwasservorsorge Hintergrund Beschreibung Technischer Aus dem Pfingsthochwasser 1999 Gesteuertes Fluten statt Hochwasserschutz gelernt ungesteuertes Überfluten Beispiel 2 Das Pfingsthochwasser 1999 verursachte im Die im Seifener Becken vorgesehenen Illertal von Sonthofen bis Neu-Ulm große Flächen Weidachwiesen und Flecken wur- Schäden an Gebäuden, Straßen und land- den schon immer bei Hochwasser über- Projekt wirtschaftlichen Flächen. Der Gesamtschaden schwemmt. Allein an Pfingsten 1999 waren Hochwasserschutzprojekt wurde auf ca. 50 Millionen Euro geschätzt. 560 Hektar in diesem Bereich überstaut. Obere Iller, Abschnitt Seifen Auslöser dieses extremen Hochwassers Auf die Hochwasserspitzen hatten diese Planungsgebiet waren starke Niederschläge im Einzugs- natürlichen Überschwemmungen jedoch 600 ha gebiet der Iller. Gebietsweise fielen bis zu kaum Einfluss, da die Flächen vor Eintreffen Rückhaltevolumen 250 Millimeter Regen in 24 Stunden. Die der Hochwasserwelle bereits überflutet Flutpolder Weidachwiesen: Hochwasserflut erreichte ein Ausmaß, das waren. So verringerte sich beim Pfingst- 6,3 Mio. m3 statistisch gesehen an der Iller nur alle 300 hochwasser 1999 in diesem Flussabschnitt Rückhaltebecken Flecken: Jahre auftritt. Dieses Ereignis hat gezeigt, der Spitzenabfluss von 800 Kubikmeter 0,5 Mio. m3 dass die Iller im oberen Illertal mit anderen pro Sekunde nur um 13 Kubikmeter pro Maßstäben zu messen ist: Nicht nur die Sekunde. Projektbeginn Höhe der Flutwelle bestimmte das Ausmaß Künftig werden die Flächen des Flutpol- 2001 der Schäden. Auch mitgerissene Bäume, ders Weidachwiesen durch einen Damm von Projektende Steine und andere Feststoffe erhöhten das der Iller getrennt. Parallel zum Trenndamm 2009 (geplant) Schadenspotenzial beträchtlich. Wenn die wird die neue vierspurige Bundesstraße B 19 Gesamtkosten Hochwassergefahr weiter zunimmt, müssen verlaufen und die Lücke zwischen Thanners Wasserbauliche Maßnahmen: dicht besiedelte Talräume wie das Illertal und Immenstadt schließen. Durch ein Ein- 60 Mio. € künftig verstärkt geschützt werden. lassbauwerk kann der Flutpolder zum richti- Straßenbauliche Maßnahmen: gen Zeitpunkt geflutet werden. So können 45 Mio. € Aufgaben und Ziele im Hochwasserfall bis zu 150 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch das Einlassbau- Rückhalteräume gezielt nutzen werk in den Flutpolder strömen. Bei einem Ziel ist es, den Hochwasserschutz im Illertal Hochwasser in der Größenordnung des soweit zu erhöhen, dass bei einem Hoch- Pfingsthochwassers 1999 lässt sich damit wasser in der Größenordnung des Pfingst- die Hochwasserspitze von 800 auf ca. 680 hochwassers 1999 die Gemeinden im Illertal Kubikmeter pro Sekunde verringern. Dies keinen Schaden nehmen. Das Hochwasser- entspricht dann – statistisch gesehen – schutzprojekt Obere Iller setzt die Ziele des einem 100-jährlichen statt einem 300-jähr- bayerischen Hochwasseraktionsprogramms lichen Hochwasserereignis. Über ein Auslass- 2020 konsequent um. Herzstück dieses bauwerk kann der Flutpolder innerhalb von Projekts ist der Flutpolder Weidachwiesen 24 Stunden entleert werden. nördlich von Immenstadt. Zusätzlich ist ein Rückhaltebecken bei Flecken geplant. Insgesamt lassen sich auf diese Weise 6,8 Millionen Kubikmeter Wasser speichern. Durch das gesteuerte Fluten dieser Rück- halteräume lassen sich Hochwasserspitzen gezielt beeinflussen. Bild: Beim Pfingsthochwasser 1999 staute sich das Wasser auf weiter Fläche. Blick auf das Seifener Becken mit Boschwerk. 18 Hochwasserschutz in Bayern
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