Auf dem Weg der Besserung? - Fortschritte und Hindernisse bei der Umsetzung der EU-2020- Strategie für die biologische Vielfalt - Periode 2010 bis ...
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Auf dem Weg der Besserung? Fortschritte und Hindernisse bei der Umsetzung der EU-2020- Strategie für die biologische Vielfalt – Periode 2010 bis 2012
Impressum © 2012, NABU-Bundesverband Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. www.NABU.de Charitéstraße 3 10117 Berlin Tel. 030.28 49 84-0 Fax 030.28 49 84-20 00 NABU@NABU.de Text: Konstantin Kreiser Redaktion: Melanie Ossenkop Gestaltung: Christine Kuchem (www.ck-grafik-design.de) Bezug: Die Broschüre steht zum Download auf www.NABU.de/downloads/eu-biodivbericht2012.pdf Art.-Nr. 5116 Bildnachweis: Titel klein v. l. n. r.: Blickwinkel/I. Weber, Pixelio/www.JenaFoto24.de, Fotolia/S. Hoppe; S. 3: NABU/S. Sczpanski, L. Khil (u.); S. 4: igreen/J. Fieber; S. 5: NABU/Hoffotografen; S. 6: S. Szcepanski; S. 10: Blickwinkel/McPHOTO; S. 12: Waldhäusl/Panthermedia/R. Friedrich; S. 14: Fotolia/visdia; S. 15: NABU/R. Buchta; S. 18: NABU/G. Ostermann; S. 19: iStockphoto/M. Mnich; S. 20: picture alliance/dpa/L. Gejl Biofoto; S. 21: Blickwinkel/McPHOTO (l.), Marine Photobank/D. Peak (r.); S. 22: Arco Images/NPL/V. Munier; S. 23: NABU/P. Reufsteck; S. 25: iStockphoto/Vaara; U4: W. Schön Diese Publikation basiert auf dem ausführlichen Bericht On the road to recovery? BirdLife assessment of progress on the EU 2020 biodiversity strategy von BirdLife Europe und der Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), dem BirdLife-Partner in Großbritannien. Sie wurde von der Europäischen Union kofinanziert. Die alleinige Verant- wortung liegt beim Autor. Die Europäische Kommission ist nicht verantwortlich für jedwede Verwendung der hier enthaltenen Informationen. Die englische Originalfassung mit zahlreichen Fallbeispielen und Einzelbewertungen der EU-Länder steht zum Download auf www.birdlife.org/eubiodiversityreport2012 Gemeinsam für die Natur: Machen Sie mit! Werden Sie NABU-Mitglied, spenden Sie für unsere Naturschutzprojekte. www.NABU.de
Inhalt Vorwort: Naturschutz sichert Zukunft 5 Europas Strategie zur Rettung der biologischen Vielfalt 6 2012: die EU am Scheideweg 7 Einzelziel 1 Vollständige Umsetzung der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie 9 Einzelziel 2 Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen und Ökosystemdienstleistungen 13 Einzelziel 3 Erhöhung des Beitrags von Land- und Forstwirtschaft zur Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität 16 Einzelziel 4 Sicherstellung der nachhaltigen Nutzung von Fischereiressourcen 20 Einzelziel 5 Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten 22 Einzelziel 6 Erhöhung des Beitrags der EU zur Vermeidung des globalen Biodiversitätsverlustes 24 Tipps zum Surfen und Weiterlesen 26 3
Vorwort Naturschutz sichert Zukunft Die Weltgemeinschaft hatte sich vorgenommen, den dramatischen Rückgang von Pflanzen, Tieren und ih- ren Lebensräumen bis zum Jahr 2010 zu verlangsamen beziehungsweise zu stoppen. Dieses Ziel wurde deutlich verfehlt, auch bei uns in Europa. Nur 17 Prozent der nach EU-Recht besonders geschützten Lebensraumty- pen und Arten wird aktuell ein guter Erhaltungszustand attestiert. Obwohl wir beim Schutz einzelner Arten durchaus Erfolge vorweisen können, reichen diese nicht aus, um die Schäden einer falschen EU-Agrar- und Fi- schereipolitik wettzumachen. Zudem fehlt es nach wie vor am politischen Willen, bewährte Naturschutzin- strumente konsequent einzusetzen und finanziell aus- reichend auszustatten. Auf der internationalen Ebene kosten. Dennoch ist die Politik bislang nicht bereit, diese geben die Europäer allerdings auch wichtige Impulse Kosten auch nur annähernd zu decken. Die gegenwärti- für den Schutz der Biodiversität. Im Herbst 2010, auf ge Finanz- und Wirtschaftskrise sollten wir als Chance der zehnten Vertragsstaatenkonferenz der UN-Kon- zum Umsteuern nutzen. Um seine Handlungsfähigkeit vention über die biologische Vielfalt im japanischen und seinen Wohlstand dauerhaft zu sichern, muss Euro- Nagoya, einigten sich 193 Regierungen auf einen neuen pa konsequent eine klima- und ressourcenschonende strategischen Plan zur Rettung der biologischen Vielfalt. Wirtschaftspolitik umsetzen und in die Wiederherstel- Bis 2020 soll der Artenschwund nun nicht nur gestoppt, lung der biologischen Vielfalt investieren. sondern auch die Wiederherstellung geschädigter Öko- systeme in Angriff genommen werden. Wenig später Mit der vorliegenden Analyse bewertet der NABU ge- verabschiedeten die EU-Mitgliedstaaten und das Eu- meinsam mit seinem Dachverband BirdLife Interna- ropäische Parlament auf Vorschlag der Europäischen tional, wie die EU die vergangenen zwei Jahre seit dem Kommission eine neue EU-Biodiversitätsstrategie bis Nagoya-Gipfel für die biologische Vielfalt genutzt hat, 2020. Deutschland besitzt bereits seit 2007 eine natio- ob sie bei der Umsetzung ihrer 2020-Strategie im Plan nale Strategie zur biologischen Vielfalt. liegt und welche Schritte bis 2014 getan werden müs- sen. Der Bericht ergänzt den im Juni 2012 vorgelegten Die Wissenschaft zeigt uns immer deutlicher, wie sehr NABU-Masterplan 2020, der bereits Prüfsteine für das Wohlergehen von Gesellschaft und Wirtschaft von Politik und Wirtschaft auf nationaler, regionaler und einer intakten, artenreichen Natur abhängig ist. Nichts- lokaler Ebene aufstellt. Die Vielfalt von Arten und Le- tun wird für uns und kommende Generationen we- bensräumen sichert unsere Zukunft. Lassen Sie uns jetzt sentlich teurer werden als entschlossenes Handeln für entschlossen für den Naturschutz handeln! den Naturschutz. Gerade wer jetzt, wie die deutsche Bundesregierung, einen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Haushalten anmahnt, kann nicht län- ger zulassen, dass Steuergelder für umweltschädliche Subventionen verschleudert werden. Europa leistet sich zweifelhafte Agrarsubventionen von fast 60 Milliarden Euro jährlich, mit massiven Folgekosten für die Sanie- rung von Boden, Gewässern und Artenvielfalt. Die ange- messene Unterhaltung des einzigartigen Natura-2000- Netzwerks, das fast ein Fünftel der Landfläche der EU Olaf Tschimpke ausmacht, würde dagegen nur sechs Milliarden Euro NABU-Präsident 5
Auf dem Weg der Besserung? Europas Strategie zur Rettung der biologischen Vielfalt Die Weltgemeinschaft hat sich anspruchsvolle Ziele für Anlässlich der elften Konferenz der CBD-Vertragsstaa- den Kampf gegen Artensterben und Naturzerstörung ten im indischen Hyderabad im Oktober 2012 analy- gesetzt. Im japanischen Nagoya verabschiedeten die siert der vorliegende Bericht, wo die EU und ihre 27 Vertragsstaaten der UN-Konvention über die biologi- Mitgliedstaaten zwei Jahre nach den Beschlüssen von sche Vielfalt (CBD) im Jahr 2010 hierfür einen „strategi- Nagoya stehen und welche Etappenziele bis 2014 er- schen Plan“ mit zwanzig Zielvorgaben, die bis zum Ende reicht sein müssen, um im Plan zu bleiben. des Jahrzehnts erreicht werden sollen, die sogenannten „Aichi-Targets“ (CBD 2010). Um diesen Verpflichtun- Wichtigster Indikator für Erfolg oder Misserfolg der gen nachzukommen, verabschiedete die Europäische EU-Biodiversitätsstrategie ist die Verschlechterung oder Union eine eigene Strategie (Europäische Kommission Verbesserung des Erhaltungszustands von Arten und Le- 2011). Bis 2050 will sie die biologische Vielfalt, ihr „Na- bensräumen (European Environmental Agency 2010). turkapital“, wiederhergestellt haben, „um katastrophale Verlässliche neue Daten werden hierzu erst im Jahr 2014 Veränderungen abwenden zu können“ – so die 2050- vorliegen. Die Analyse konzentriert sich daher auf Maß- Vision in der EU-Strategie zur biologischen Vielfalt nahmen, die seit 2010 auf EU-Ebene ergriffen oder ver- (Europäische Kommission 2011). Als Leitziel bis 2020 säumt wurden. Die laufenden Verhandlungen über die bestimmten die Staats- und Regierungschefs und das EU-Haushalts-, Agrar-, Regional- und Fischereipolitik Europäische Parlament das „Aufhalten des Verlustes für die Jahre 2014 bis 2020 spielen hierbei eine wesentli- an biologischer Vielfalt und der Verschlechterung der che Rolle. Die Autoren bewerten außerdem Fortschritte Ökosystemdienstleistungen in der EU und deren wei- und Probleme in den einzelnen EU-Mitgliedsländern, testmögliche Wiederherstellung bei gleichzeitiger Erhö- vor allem bei Aufbau und Unterhaltung des Natura- hung des Beitrags der Europäischen Union zur Verhin- 2000-Schutzgebietsnetzes (detaillierte Informationen derung des Verlustes an biologischer Vielfalt weltweit“. hierzu im englischen Originalbericht). Für die Umsetzung dieses sogenannten 2020-Ziels wur- den wiederum sechs Einzelziele und zwanzig Maßnah- Deutschland trägt für die biologische Vielfalt auch jen- men definiert. seits seiner Grenzen eine besondere Verantwortung. Die Bundesregierung und die deutschen Mitglieder des Eu- NABU und BirdLife International werden die Umset- ropäischen Parlaments haben einen großen Einfluss auf zung der EU-Strategie mit regelmäßigen Fortschritts- die Entscheidungen, die in Brüssel gefällt werden und berichten begleiten, um die Politik rechtzeitig auf die europa- und sogar weltweite Auswirkungen haben. Missstände aufmerksam zu machen. Die Bilanz des Außerdem muss Deutschland neben der EU-Strategie vorhergegangenen EU-Aktionsplans zur biologischen auch die eigene nationale Strategie zur biologischen Vielfalt für 2010 hatte gezeigt, dass ein wesentlicher Vielfalt umsetzen. Die vorliegende Analyse greift daher Grund für dessen Scheitern in der mangelhaften oder auch zahlreiche Beispiele aus Deutschland auf und zi- verspäteten Umsetzung von Maßnahmen, insbesonde- tiert Forderungen an Bund und Länder aus dem Ma- re im Bereich der EU-Agrar- und Fischereipolitik, lag sterplan 2020, dem NABU-Aktionsplan für die biologi- (Europäische Kommission 2010, BirdLife International sche Vielfalt in Deutschland (NABU 2012a). 2010). 6
2012: die EU am Scheideweg Die nachfolgende Tabelle zeigt Status und Trend der EU Auch beim Schutz der Wälder geht es auf EU-Ebene anhand der sechs Einzelziele der EU-Biodiversitätsstra- kaum voran (Einzelziel 3). Zudem scheint die Finanz- tegie. Einerseits wird der Weg eingeschätzt, der in den und Wirtschaftskrise die Staaten derartig zu lähmen, vergangenen zwei Jahren zurückgelegt wurde, anderer- dass die umweltpolitische Vorreiterrolle der EU auf glo- seits einzelne Maßnahmen und Entwicklungen. Deut- baler Ebene ins Wanken gerät (Einzelziel 6). lich wird, dass die EU, abgesehen von der eigentlichen Naturschutzpolitik (Einzelziel 1), noch ganz am Anfang Von fundamentaler Bedeutung für das Erreichen des steht (Einzelziele 2 bis 6). Die für Umwelt- (Einzelziele 1, 2020-Ziels sind die aktuell anstehenden Entscheidun- 2, 5) und Meeresschutz (Einzelziel 4) zuständigen Res- gen zur EU-Agrar-, Fischerei- und Regionalpolitik so- sorts der Europäischen Kommission haben bereits mit wie zur Verwendung der EU-Gelder insgesamt, da sie der Umsetzung der Strategie begonnen. Die zaghaften bis zum Ende des Jahrzehnts in Kraft bleiben werden Reformvorschläge zur Agrarpolitik trafen dagegen auf (NABU 2011). Der nächste Fortschrittsbericht von massiven Widerstand von Lobbyisten und Regierungen. BirdLife und NABU kann daher besser oder aber we- An ihrer Realisierung bestehen daher aktuell Zweifel. sentlich schlechter ausfallen. Einzelziele der EU-Strategie Status 2012/ Kurzanalyse wichtiger Maßnahmen und Entwicklungen seit 2010 (entsprechende Ziele der Trend 2010 + Fortschritte globalen CBD (Aichi-Targets)) – 2012 0 Stagnation beziehungsweise heterogenes Bild – Rückschritte 1. Vollständige Umsetzung + EU-Naturschutzrichtlinien und Artenschutzmaßnahmen zeigen der EU-Vogelschutz- und Wirkung der FFH-Richtlinie + EU-Fahrplan gegen illegale Vogeljagd liegt vor (Aichi-Targets 11, 12) + Vorschläge für integrierte Natura-2000-Finanzierungspläne liegen vor + Natura-2000-Gebietsausweisung an Land ist weit fortgeschritten 0 Natura-2000-Gebietsausweisung auf See hat noch große Lücken 0 Natura-2000-Managementpläne (Entwicklung und Umsetzung) wer- den nur in einigen Mitgliedstaaten konsequent vorangetrieben – Große Mängel bei der Umsetzung und Kontrolle von EU-Natur- schutzrecht – Unzureichender EU-Budgetvorschlag 2014 bis 2020 für die Finanzierung von Natura 2000 – Wirtschaftskrise verstärkt Stimmungsmache gegen Naturschutz und verleitet zur Förderung umweltschädlicher Investitionen 2. Erhaltung und Wieder- + EU-Initiativen zur Bewertung von Ökosystemleistungen, zur Schaf- herstellung von Ökosys- fung „grüner Infrastruktur“ und zur Vermeidung von Nettoverlust an temen und Ökosystem- Ökosystemen dienstleistungen + Beginnende Kooperation von Naturschutz und Energiesektor sowie (Aichi-Targets 5, 14, 15) mit anderen Akteuren der Wirtschaft 0 EU-Budgetvorschlag 2014 bis 2020 ohne Mittel speziell für grüne Infrastruktur – Vorschläge zur EU-Regionalpolitik 2014 bis 2020 ohne klare Regeln zum Naturschutz – Einige EU-Mitgliedstaaten blockieren die EU-Boden-Rahmenrichtlinie – Unzureichende Raumplanung schadet Ökosystemen, Koordination und Kontrolle durch die EU fehlt 7
Auf dem Weg der Besserung? 3. Erhöhung des Beitrags + Einige erfolgreiche Agrarumweltmaßnahmen haben ihre Wirksamkeit von Land- und Forstwirt- für die biologische Vielfalt bewiesen schaft zur Erhaltung und 0 Kommissionsvorschlag für EU-Agrarreform 2014 bis 2020: Greening Verbesserung der Biodi- der Direktzahlungen (erste Säule) unzureichend versität – Wegen massiven Drucks von Agrarministern ist das Scheitern der (Aichi-Targets 3, 7, 8) Reform möglich – Vorschlag für Naturschutzförderung aus Agrarbudget (zweite Säule) unzureichend – Landwirtschaft verursacht weiter massive Umweltschäden, der Ver- lust von artenreichem Grün- und Ackerland schreitet fort + Verbesserte Datenlage zum Zustand von Waldlebensräumen dank FFH-Richtlinie, es fehlen aber grundlegende Informationen und eine EU-weite Harmonisierung von Walddaten 0 Entwicklung einer EU-2020-Waldstrategie, jedoch Zweifel an ihrer Qualität und Verbindlichkeit 0 Fehlende Leitlinien für das Konzept der nachhaltigen Waldwirtschaft 0 Kaum Fortschritte bei Schutzzielen und Management von Natura- 2000-Gebieten im Wald sowie bei der Ausweisung von Entwick- lungsflächen für Urwälder – Zunehmender Druck auf Staatswälder zur kommerziellen Holzpro- duktion – Zunehmende Holznutzung zur Energiegewinnung ohne adäquate Nachhaltigkeitskriterien 4. Sicherstellung der + Vorschläge zur EU-Fischereireform 2014 bis 2020 mit Potenzial zur nachhaltigen Nutzung Eindämmung der Überfischung und zur finanziellen Förderung nach- von Fischereiressourcen haltiger Nutzung der Meere (Aichi-Targets 6, 10) + EU-Aktionsplan gegen Seevogelbeifang wird verabschiedet 0 Fehlende effektive Strategie für den Abbau von Überkapazitäten der EU-Flotte 0 Schleppende Umsetzung von Natura 2000 auf See 0 Schleppende Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie – Starker Widerstand von Regierungen gegen die Fischereireform 5. Bekämpfung invasiver + EU-Gesetzesvorschläge in Vorbereitung gebietsfremder Arten + EU-Förderung von Datensammlung über invasive Arten (Aichi-Target 9) – Vorschlag für LIFE-Programm 2014 bis 2020 verweigert EU-Über- seeterritorien die dringend benötigte finanzielle Unterstützung, unter anderem für die Bekämpfung invasiver Arten 6. Erhöhung des Beitrags + EU-Einsatz zur Verabschiedung von CBD-Strategie und Nagoya- der EU zur Vermeidung Protokoll; Unterstützung internationaler Forschungsprojekte und des globalen Biodiversitäts- -organisationen verlustes + EU-2020-Initiative zur Ressourceneffizienz (v. a. Aichi-Targets 2, 3, 4, 10, + EU-Holzverordnung gegen Vermarktung illegal geschlagener Tropen- 16, 20) hölzer 0 Mangelnder politischer Wille bei der Erhöhung der finanziellen Un- terstützung von Entwicklungsländern beim globalen Biodiversitäts- schutz – Kein Fortschritt beim Abbau umweltschädlicher Subventionen – EU-Bioenergiepolitik riskiert große Umwelschäden weltweit. Bewertung von Stand und Fortschritten der EU hinsichtlich der sechs Einzelziele der EU-Biodiversitätsstrategie (BirdLife Europe 2012, verändert) = Auf der Zielgeraden = Auf halbem Weg = Am Anfang = positiv = stagnierend 8
Einzelziel 1 Vollständige Umsetzung der Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie Bewertung: Etappenziele bis 2014: ◆◆ Alle EU-Staaten haben ihre Natura-2000-Gebiete einschließlich der marinen Gebiete vollständig ausge- wiesen und Managementpläne für diese entwickelt. ◆◆ Alle EU-Staaten haben prioritäre Aktionsrahmen für ihre Natura-2000-Gebiete entwickelt und alle rele- vanten EU-Förderprogramme danach ausgerichtet. ◆◆ Der EU-Haushalt stellt ausreichend Mittel für die Finanzierung von 75 Prozent der Natura-2000-Kosten bereit, einschließlich 15 Prozent durch das LIFE-Programm. ◆◆ Die Europäische Kommission hat die Durchsetzung des EU-Naturschutzrechts deutlich verbessert, unter anderem durch eine koordinierte und effektive Kontrolle von Natura-2000-Gebieten und eine Qualifizie- rungsoffensive für Mitarbeiter von Verwaltungen, Gerichten und Staatsanwaltschaften. Was soll erreicht werden? ist offensichtlich, dass die Umsetzung der EU-Natur- schutzrichtlinien trotz einiger zaghafter Fortschritte Die EU hat sich auf globaler Ebene dazu verpflichtet, immer noch große Mängel aufweist, wie die BirdLife- bis 2020 auf mindestens 17 Prozent der Land- und Bewertung der EU-Staaten (BirdLife 2012) und andere zehn Prozent der Meeresfläche ein effektives Schutzge- Studien zeigen (EEB 2011). Der 2009 vorgelegte Natur- bietsnetzwerk zu schaffen und den Erhaltungszustand schutzbericht der Europäischen Kommission stellte fest, gefährdeter Arten zu verbessern (Aichi-Targets 11 und dass sich im EU-Schnitt jeweils nur 17 Prozent der von 12). Konkret will die EU doppelt so viele Lebensraum- der FFH-Richtlinie gelisteten Arten und Lebensraum- typen und 50 Prozent mehr Arten in einen besseren typen in einem günstigen Erhaltungszustand befanden Erhaltungszustand versetzen, als dies 2010 der Fall war, (Europäische Kommission 2009). Auch jüngere Daten und zugleich jede weitere Verschlechterung vermeiden. sind alarmierend: So sind in Deutschland dramatische Dies soll in erster Linie durch die konsequente Umset- Verluste von artenreichem Grünland zu verzeichnen, zung der EU-Vogelschutzrichtlinie von 1979 und der als Folge brechen die Bestände von Wiesenbrütern und EU-Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) Zugvögeln zusammen (NABU 2012). Die Ursachen von 1992 erreicht werden. Mit diesen rechtsverbindli- hierfür liegen in einer umweltschädlichen Landnut- chen Instrumenten haben die Mitgliedstaaten der EU zungspolitik (vgl. Einzelziele 3 und 4), aber auch in der ausgezeichnete Grundlagen für den Schutz von Tier- mangelhaften Umsetzung des Naturschutzrechts in den und Pflanzenarten sowie ihrer Lebensräume. Beide EU-Ländern. Richtlinien sehen den konsequenten Schutz gefährdeter Arten sowie mit Natura 2000 die Schaffung eines Netz- werks von Gebieten vor, in denen dem Naturschutz ein Gebietsschutz besonderer Stellenwert eingeräumt wird. Das Natura-2000-Netzwerk ist innerhalb von 20 Jahren auf knapp 18 Prozent der EU-Landfläche angewachsen, Wo steht die EU heute? in Deutschland auf etwa 15 Prozent (Europäische Kom- mission 2011a). Es kann zwar noch immer nicht von Ob der eingeschlagene Weg richtig ist, werden 2014 einem vollständigen Netzwerk die Rede sein, da die Ge- die neuen Daten aus den Mitgliedstaaten zur Entwick- biete oft zu klein und zu wenig miteinander verbunden lung von Arten und Lebensräumen zeigen. Schon jetzt sind, um ihr Potenzial wirklich entfalten zu können. 9
Auf dem Weg der Besserung? Dennoch ist dieses größte Naturschutznetzwerk der EU-Umweltrecht jährlich Kosten von etwa 50 Milliar- Welt der wahrscheinlich größte Erfolg der EU für den den Euro entstehen (Europäische Kommission 2012). Schutz der biologischen Vielfalt. Die Anstrengungen sollten nun auf den effektiven Schutz und das Manage- Bislang gelang es nicht, die Pflege und Entwicklung ment der Gebiete gerichtet werden. Hierfür bedarf es der Natura-2000-Schutzgebiete ausreichend zu finan- aktiver, gut geplanter, akzeptierter und vor allem ausrei- zieren. Der Versuch, den größten Teil des geschätzten chend finanzierter Schutz- und Pflegemaßnahmen. Die Bedarfs von etwa sechs Milliarden Euro jährlich durch BirdLife-Bewertung attestiert nur den drei Mitgliedstaa- die EU-Fonds für ländliche und regionale Entwicklung ten Frankreich, Belgien und Lettland ein fortgeschritte- zu decken, schlug bislang fehl, weil den Regierungen nes System für das Natura-2000-Management, während hierzu der politische Willen fehlte. Derzeit trägt die EU elf erst ganz am Anfang stehen (vgl. Abb. auf S. 11). nur zehn bis 20 Prozent der anfallenden Kosten (IEEP Deutschland befindet sich im Mittelfeld. Die Situation et al. 2011). Einen vermutlich ebenso geringen Beitrag in den hiesigen Bundesländern ist sehr unterschiedlich leisten die öffentlichen Haushalte der Mitgliedstaaten und wurde von NABU und BUND Anfang 2010 sowie sowie Umweltverbände und Stiftungen. Die mangelnde vom NABU nochmals 2012 im Einzelnen analysiert Finanzierung führt dazu, dass die meisten notwendigen (NABU 2012b). Selbst dort, wo Managementpläne exi- Maßnahmen gar nicht erst umgesetzt werden – und stieren, befinden sich die Natura-2000-Gebiete oft in das, obwohl inzwischen eine Vielzahl von Studien dem großer Gefahr, durch rechtswidrige Eingriffe geschädigt Natura-2000-Konzept ein extrem hohes ökonomisches zu werden. Stichproben des NABU zeigten, dass in den Kosten-Nutzen-Verhältnis attestieren. Der EU-weite letzten fünf Jahren in deutschen Natura-2000-Gebieten volkswirtschaftliche Nutzen, den das Netzwerk „erwirt- zwischen 35 und 75 Prozent von geschütztem Grünland schaftet“, wird auf 200 bis 300 Milliarden Euro jährlich verloren gingen (NABU 2012). Eingriffe wie diese wer- geschätzt (Europäische Kommission 2011b). den häufig nicht oder nur ungenügend geahndet. Die- ses eklatante Vollzugsdefizit wird hervorgerufen durch Ein äußerst positives Beispiel ist das kosteneffizien- unterbesetzte Naturschutzverwaltungen, mangelnde te und sehr erfolgreiche EU-Umweltförderprogramm Kenntnisse oder Akzeptanz bei den für die Eingriffe LIFE. Mit lediglich 0,2 Prozent des EU-Haushalts hat es zuständigen Verwaltungen und Planern sowie unzurei- seit 1992 erheblich zu den Erfolgen im Gebiets- und Ar- chende Überwachungs- und Sanktionierungsmöglich- tenschutz beigetragen. In der Debatte über die Neuauf- keiten der Europäischen Kommission. Man schätzt, dass lage des Programms für die Jahre 2014 bis 2020 mehren der Gesellschaft durch die mangelnde Umsetzung von sich daher Stimmen, auch aus dem Deutschen Bundes- tag, dem Bundesrat und dem Bundesumweltministeri- um, die eine signifikante Aufstockung der LIFE-Mittel fordern. Nach Ansicht der Umweltverbände sollte LIFE künftig mit mindestens 15 bis 20 Prozent zur Deckung der Natura-2000-Kosten beitragen, anstatt wie bisher mit nur zwei bis drei Prozent. Hierfür müssten jedoch ein statt 0,2 Prozent der EU-Mittel bereitstehen. Mit der Einführung von „prioritären Aktionsrahmen“ für Natura 2000 entwickelte die Europäische Kommis- sion in den vergangenen Jahren auf Basis des Artikels 8 der FFH-Richtlinie einen neuen Ansatz für die Fi- nanzierung des Netzwerks. Die Regierungen der Mit- gliedstaaten beziehungsweise der Bundesländer müssen diese erstellen, damit künftig die notwendigen Maßnah- men für Schutzgebiete aus allen relevanten EU-Fonds finanziert werden können. Die Aktionsrahmen müssen bis Ende 2012 bei der Kommission vorliegen, damit die Förderprogramme im Bereich Landwirtschaft und Regionalpolitik auf sie abgestimmt werden können. 10
Die BirdLife-Analyse zeigt: Weniger als die Hälfte der dass sich die von der EU besonders geschützten Vogel- Mitgliedstaaten hat bisher deutliche Fortschritte in die- arten deutlich besser entwickelten als andere. Zudem se Richtung vorzuweisen (vgl. Abb.). Auch die meisten sind ihre Bestandstrends innerhalb der EU positiver als deutschen Bundesländer stellen sich dieser Aufgabe nur außerhalb (Donald et al. 2007). Schon einfache Maß- sehr zögernd. Im EU-Vergleich ist die Bundesrepublik nahmen können dabei große Erfolge bewirken. So ha- daher alles andere als ein Vorreiter. ben künstliche Nisthilfen an Gebäuden dazu beigetra- gen, dass sich die Bestände des Rötelfalken in Europa Die Situation der Meeresnaturschutzgebiete bleibt wei- wieder stabilisieren. terhin alarmierend. Seit der letzten BirdLife-Analyse der ausgewiesenen EU-Vogelschutzgebiete (BirdLife Inter- Eine große Gefahr für Zugvögel sind Stromleitungen. national 2010a) hat es nur in einigen Mitgliedstaaten Jedes Jahr sterben durch sie Millionen Tiere. Einige EU- Fortschritte gegeben, darunter in Frankreich, Belgien, Staaten haben sich dem Problem angenommen. Vor al- den Niederlanden und Dänemark. Andere Länder, wie lem die Umrüstung von Mittelspannungsleitungen las- Portugal, Italien, Großbritannien, Irland, Finnland und sen sich per Gesetz, durch technische Standards und die Schweden, haben weiterhin einen großen Nachholbedarf Kooperation zwischen Naturschutz und Netzbetreibern bei der Ausweisung. Deutschland hat zwar bereits mehr schnell realisieren. In Deutschland soll der Umbau der als 30 Prozent seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone Strommasten bis Ende 2012 abgeschlossen sein. Aller- (AWZ) als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen (BfN o. dings hinkt die Praxis den gesetzlichen Vorgaben deut- J.), doch mangelt es hierzulande sowohl in der AWZ als lich hinterher: Erst 60 Prozent aller gefährlichen Strom- auch in den Küstengewässern an einer effektiven Steue- masten wurden bisher entschärft (NABU 2012c). rung menschlicher Aktivitäten, um in den Schutzgebie- ten die marine Artenvielfalt dauerhaft zu erhalten. Seit 2010 geraten auch illegale Aktivitäten in den Fokus der EU-Politik, darunter die in ganz Europa häufige Vergiftung von Greifvögeln, oder, wie auf Malta oder Artenschutz Zypern, die Jagd auf geschützte Zugvögel. Nach einer aufrüttelnden BirdLife-Studie über diese Missstände Die Kombination aus EU-weiten Aktionsplänen, Na- (BirdLife Europe 2011) bekennt sich die EU nun zu tura-2000-Schutzgebieten, der Reduzierung von Ver- einer „Nulltoleranzpolitik“ und will bis 2014 konkrete schmutzungen und gezielter Finanzierung hat bereits Maßnahmen ergreifen, die sicherstellen, dass die Mit- einer Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten geholfen. gliedstaaten gegen illegale Eingriffe aktiv werden (Stan- Britische Wissenschaftler belegten vor wenigen Jahren, ding Committee of the Bern Convention 2011). Natura-2000-Umsetzung in den EU-Mitgliedstaaten Fortschritte bei Gebietsschutz und Kategorie Fortschritte bei der Finanzierung Management Belgien (Flandern), Frankreich, Lettland, Rumänien Schweden Belgien (Flandern), Estland, Frankreich, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Großbritannien, Irland, Niederlande, Polen, Großbritannien, Italien, Luxemburg, Niederlan- Österreich, Schweden, Slowakei, Slowenien, de, Österreich, Spanien, Ungarn Ungarn Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Bulgarien, Griechenland, Irland, Malta, Polen, Griechenland, Italien, Lettland, Luxemburg, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Malta, Portugal, Spanien, Tschechische Re- Tschechische Republik, Zypern publik, Zypern Bewertungen für Litauen und den walloni- Bewertungen für Litauen und den walloni- schen Teil Belgiens liegen nicht vor. schen Teil Belgiens liegen nicht vor. (BirdLife Europe 2012) 11
Auf dem Weg der Besserung? willigenmanagement, Qualifizierung) für kleinere Schutzgebiete. Notwendig ist zudem eine fachliche Qualifizierungsinitiative für Verwaltungspersonal, Richter und Planer im Bereich Natura 2000, ❏❏ die Einrichtung weiterer Nationalparks und Bio- sphärenreservate. Der NABU fordert die Auswei- sung von Nationalparks in folgenden Landschaf- ten: Steigerwald, Teutoburger Wald/Senne, Nord- schwarzwald und Lieberoser Heide. Vor allem die Bundesländer, die bisher noch keine Biosphärenre- Forderungen an Deutschland servate ausgewiesen haben, müssen ihre Verantwor- tung wahrnehmen, Der NABU fordert von der Bundesregierung: ❏❏ das Auflegen und die Umsetzung ambitionierter ❏❏ die Vorlage von Fachkonzepten für den repräsenta- Artenschutzprogramme der Länder für Verantwor- tiven Erhalt von Lebensräumen und Arten mit be- tungsarten, für europarechtlich geschützte Arten sonderer Verantwortung Deutschlands, sowie besonders in Deutschland bedrohte Arten ❏❏ die rasche Entwicklung und Umsetzung effektiver der Kulturlandschaft und spezieller Sonderlebens- Managementpläne für die Schutzgebiete in den räume (z.B. grundwasser- und höhlenbewohnende Küstengewässern und der Ausschließlichen Wirt- Arten). (NABU 2012) schaftszone in Nord- und Ostsee mit ausreichenden Nullnutzungszonen, EU-Fallbeispiele (Case Studies): ❏❏ zwischen Bund und Ländern koordinierte und ge- ◆◆ Natura 2000 management (Natura-2000-Ma- meinsam finanzierte Bundesartenschutzprogram- nagement): Frankreich, Großbritannien, Nieder- me für alle Verantwortungsarten bzw. für europä- lande isch streng geschützte Arten. Bis 2020 sollen sich ◆◆ Marine Natura 2000 management (Manage- alle Verantwortungsarten und europäisch geschütz- ment von Meeresschutzgebieten): Deutschland, ten Arten in einem günstigen Erhaltungszustand Spanien befinden. ◆◆ Enforcement of site protection (Probleme beim Schutz von Natura-2000-Gebieten): Bul- Der NABU fordert von den Landesregierungen: garien, Italien, Polen ❏❏ die Aufwertung der bestehenden Schutzgebiete ◆◆ The cost-effectiveness of LIFE (Die Kostenef- durch die Festlegung überprüfbarer Schutzziele fizienz des EU-LIFE-Programms): Finnland und Portugal und anspruchsvoller, praxisorientierter Manage- mentpläne, ihre konsequente Umsetzung und re- ◆◆ Innovative conservation funding (Neue Wege gelmäßige Überprüfung. Dies gilt insbesondere für zur Naturschutzfinanzierung): Polen, Frankreich die Natura-2000-Gebiete, ◆◆ Species conservation works (Erfolgreicher Schutz des Rötelfalken): Südwesteuropa ❏❏ eine ausreichende Finanzierung und klare Zustän- ◆◆ Lead shot ban and enforcement (Auf dem digkeiten für das Management und die Entwicklung Weg zum Verbot von Bleischrot): EU-weit der Schutzgebiete. Für prioritäre Maßnahmen müs- sen hierzu in jedem Bundesland Finanzierungsplä- ◆◆ Power lines and bird conservation (Sicherung ne entwickelt werden, die insbesondere darlegen, von Stromleitungen für den Vogelschutz): Un- welcher Finanzierungsbedarf für die Schutzgebiete garn besteht und welche konkreten Fördermittel künftig ◆◆ Illegal killing of birds (Illegale Jagd und Vergif- hierfür bereitgestellt werden, tung von Vögeln): Großbritannien, Tschechien, Spanien ❏❏ die Stärkung der hauptamtlichen Schutzgebietsbe- Ausführliche Informationen in der englischen Fassung treuung in Großschutzgebieten und die Förderung unter www.birdlife.org/eubiodiversityreport2012 der ehrenamtlichen Schutzgebietsbetreuung (Frei- 12
Einzelziel 2 Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen und Ökosystemdienstleistungen Bewertung: Etappenziele bis 2014: ◆◆ Die Europäische Kommission hat eine Initiative zur Harmonisierung und Koordinierung der Raumpla- nung gestartet, um die Erreichung des Einzelziels 2 sicherzustellen. ◆◆ Die Europäische Kommission hat Vorschläge für einen rechtsverbindlichen Rahmen ausgearbeitet, der au- ßerhalb von Schutzgebieten den Nettoverlust von Ökosystemen verhindert. Er lehnt sich an die deutsche Eingriffsregelung an. ◆◆ Der EU-Haushalt stellt über Regional- und Agrarförderung ausreichend Mittel für die Wiederherstellung von Ökosystemen und die Entwicklung einer „grünen Infrastruktur“ bereit und fördert keine umweltschäd- lichen Projekte. ◆◆ Alle EU-Initiativen zur Förderung erneuerbarer Energien und Energienetze berücksichtigen den Schutz der Ökosysteme und ihrer Dienstleistungen. Was soll erreicht werden? Wo steht die EU heute? Die Schädigung, Zerstörung und Zerschneidung von Die ersten Schritte in Richtung dieser neuen Konzepte Lebensräumen hat in Europa besorgniserregende Aus- sind gemacht, beschränken sich jedoch auf theoretische maße angenommen (European Environmental Agency Papiere und Debatten, die von der Europäischen Kom- 2011). Hierdurch können Ökosysteme wichtige Umwelt- mission in Brüssel angeregt wurden (u. a. European En- leistungen nicht mehr erbringen, von denen zahlreiche vironmental Agency 2011a). Angesichts des dringenden Tier- und Pflanzenarten, aber auch das Wohlergehen Handlungsbedarfs bestehen große Zweifel, ob die Poli- unserer Gesellschaft und Wirtschaft abhängen (TEEB tik ausreichend schnell und verbindlich handeln wird. 2010). Die Folgen des Klimawandels erfordern zusätz- Um den Nettoverlust an Ökosystemleistungen auch au- lich eine besondere Widerstandskraft der Natur. Wird ßerhalb von Schutzgebieten zu verhindern, werden ne- hier nicht aktiv gegengesteuert, drohen Deutschland, ben der Unterstützung von freiwilligen Initiativen auch der EU und der Welt Kosten von gigantischen Ausma- neue gesetzliche Regelungen notwendig sein, vergleich- ßen. Auf globaler Ebene hat sich die EU daher verpflich- bar mit der Eingriffsregelung in Deutschland. Dies ist tet, die Zerstörung, Schädigung und Zerschneidung von schon allein wegen des gemeinsamen EU-Marktes, in Lebensräumen erheblich zu bremsen (Aichi-Target 5) dem gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen soll- sowie mindestens 15 Prozent der geschädigten Öko- ten, unabdingbar. Das Ziel, die Bodenversiegelung auf systeme wiederherzustellen (Aichi-Target 14, 15; CBD ein nachhaltiges Maß zu begrenzen, muss ebenfalls kon- 2010). In ihrer eigenen Strategie geht die EU noch wei- sequenter verfolgt werden. Letztlich muss die gesamte ter: Bis 2020 soll insgesamt kein weiterer Nettoverlust Raumplanung europaweit harmonisiert und an Prinzi- an Ökosystemen entstehen und 15 Prozent zusätzlich pien der Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. renaturiert werden. Die EU will hierfür zunächst alle Ökosystemleistungen erfassen und bewerten und den Wie schwer sich die EU mit verbindlichen Regelungen Aufbau der sogenannten „grünen Infrastruktur“ zur tut, lässt sich an der Diskussion der geplanten EU- Ergänzung und Vernetzung von Natura-2000-Gebieten Boden-Rahmenrichtlinie erkennen, die Deutschland voranbringen. Gleichzeitig will sie mit geeigneten Maß- und einige Verbündete bis heute blockieren. Gleichzei- nahmen Schädigungen von Ökosystemen vermeiden tig kommt die Umsetzung der bereits vor Jahren ver- und, wo nötig, ausgleichen. abschiedeten fortschrittlichen Meeresstrategie- und 13
Auf dem Weg der Besserung? Wasserrahmenrichtlinien nur langsam voran. Neben lich erzeugt werden können, wenn bei der Standort- verbindlichen Regelungen fehlen der EU außerdem aus- wahl und Technik entsprechende Kriterien eingehalten reichende finanzielle Anreize für die Wiederherstellung werden (BirdLife Europe 2011a). Leider gibt es in der bereits zerstörter oder geschädigter Ökosysteme und den EU gerade im Bereich der Windkraftentwicklung viele Aufbau einer „grünen Infrastruktur“ zur Wiedervernet- negative Beispiele, bei denen die Prinzipien der strategi- zung von Lebensräumen. Leider droht sie hier bereits schen Raumplanung vernachlässigt wurden. Die Folgen zu scheitern. Die Entwürfe, die aktuell zur künftigen sind Schäden für die Natur, aber auch Akzeptanzproble- EU-Regionalförderung verhandelt werden, ignorieren me, Rechtsunsicherheiten und Verzögerungen für Inve- nahezu völlig die Notwendigkeit und das wirtschaftli- storen. Gerade Netzbetreiber sind seit einigen Jahren che Potenzial von Investitionen in große Naturschutz- bereit, mit Naturschutzverbänden zu kooperieren. In projekte, wie sie zum Beispiel der NABU an der Unteren einer gemeinsamen Erklärung mit großen Naturschutz- Havel durchführt. www.NABU.de/unterehavel organisationen bekräftigen mehrere große Unterneh- men, dass die Einhaltung und Bewahrung geltenden Naturschutzrechts nicht nur möglich, sondern auch Naturverträgliche Energiewende nötig sei, um einen zügigen und umweltverträglichen Ausbau der Stromnetze zu erreichen (Renewables Grid In den letzten Jahren ist die politische Bereitschaft für Initiative 2011). www.renewables-grid.eu klimaschonende und sichere Energieversorgung inner- halb der EU rapide gewachsen. Der Erfolg beim Aus- Vor allem der Ausbau von Biomasse als Energiequelle bau von erneuerbaren Energiequellen, Speichern und muss dringend naturverträglicher gestaltet werden. Im Stromnetzen hängt jedoch stark von einer strategischen, ersten Schritt muss hierzu das faktische Zehn-Prozent- transparenten und rechtssicheren Planung ab, bei der Biotreibstoff-Ziel der EU abgeschafft oder durch Krite- auch die Auswirkungen auf die Ökosysteme sorgfältig rien ergänzt werden, die negative Umweltauswirkungen abgewogen werden. BirdLife hat in einer detaillierten dieser Landnutzung verhindern. Zudem dürfen schäd- Studie gezeigt, dass über 80 Prozent der bis 2020 benö- liche Intensivkulturen wie Mais nicht länger staatlich tigten regenerativ produzierten Energie naturverträg- gefördert werden. 14
Forderungen an Deutschland EU-Fallbeispiele (Case Studies): Der NABU fordert von der Bundesregierung: ◆◆ Habitat loss across the EU (Zerstörung von ❏❏ den Verzicht auf Neubaumaßnahmen von Bundes- Moorökosystemen): Irland, Finnland autobahnen und -fernstraßen, um die Zerschnei- ◆◆ Danube Delta Restoration (Rettung des dung von Lebensräumen von Tieren mit großen Donaudeltas): Rumänien Raumansprüchen zu vermeiden, ◆◆ Lack of compensation (Ausgleichsmaßnah- men an der Scheldemündung): Niederlande, ❏❏ den Abbau von Wanderungshindernissen bzw. den Belgien Bau von Querungshilfen (z. B. Grünbrücken) im Rahmen eines nationalen Wiedervernetzungspro- ◆◆ Renewable energy and nature conservation (Naturschutz und der Ausbau erneuerbarer gramms, das auch die Fließgewässer umfasst, Energien): Frankreich, Spanien, Rumänien, ❏❏ die Minimierung der negativen Auswirkungen auf Großbritannien Natur und Landschaft, indem Planungsinstrumen- ◆◆ Renewables Grid Initiative (Naturverträglicher te zur räumlichen Steuerung erneuerbarer Energien Netzausbau): EU-weit (Regionalplanung, Privilegierung) einschließlich der benötigten Netz- und Speicherinfrastrukturen Ausführliche Informationen in der englischen Fassung unter www.birdlife.org/eubiodiversityreport2012 eingeführt und gestärkt sowie der Natur- und Ar- tenschutz konsequent in die Fördermechanismen für die Energiewende integriert werden, ❏❏ den Umbau unrentabler Bundeswasserstraßen zu ökologisch intakten Fließgewässern (Bundespro- gramm Blaues Band), ❏❏ die Korrektur der Biomasseförderung im Erneuer- bare-Energien-Gesetz (EEG) durch Ausschluss von Intensivkulturen wie Mais und Beschränkung der Vergütung auf besonders naturverträgliche Anbau- biomasse sowie Gülle, Reststoffe und Bioabfälle. Der NABU fordert von den Landesregierungen: ❏❏ die Vernetzung der Schutzgebiete mit Trittsteinen und Korridoren im Sinne einer bundeseinheitlich geplanten „grünen Infrastruktur“. Zehn Prozent der Landesfläche sollen dabei dem Biotopverbund die- nen. Dabei sollen auch die Flächen von Ökokonten und Flächenpools integriert werden. Außerdem sol- len Biotopverbundkonzepte auf kleinskaliger Ebene für Pflanzen und Insekten entwickelt werden, ❏❏ die Revitalisierung der Auen außerhalb der Sied- lungen, ❏❏ die Formulierung und Umsetzung von Landespro- grammen zum Moorschutz. Dabei werden die Moore erfasst und hinsichtlich ihres Wertes für die biologische Vielfalt, der Bedeutung für den Klima- schutz und der Realisierbarkeit von Regenerations- maßnahmen eingestuft. (NABU 2012) 15
Auf dem Weg der Besserung? Einzelziel 3 Erhöhung des Beitrags von Land- und Forstwirtschaft zur Erhaltung und Verbesserung der Biodiversität Bewertung: Etappenziele bis 2014: ◆◆ Das EU-Agrarbudget 2014 bis 2020 folgt ausschließlich der Vorgabe „öffentliches Geld gegen öffentliche Güter und Dienstleistungen“. ◆◆ Landwirte werden nur dann mit Direktzahlungen unterstützt, wenn sie Natur- und Umweltschutzauflagen einhalten, zehn Prozent auf ihrem Betrieb als ökologische Vorrangflächen einrichten und ökologische Stan- dards zu Fruchtfolge, Bodenbedeckung und Schutz von Dauergrünland einhalten. ◆◆ Die zweite Säule der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) fördert in ausreichendem Maße Agrarumweltmaßnahmen, das Management von Natura-2000-Gebieten und angepasste Landwirtschaft in weiteren Flächen von hohem Naturwert. Es gibt keine Förderung mehr, die der Artenvielfalt schadet. ◆◆ Die EU-Wald-Strategie und ein Aktionsplan für 2020 folgen anerkannten Definitionen und Leitlinien für die nachhaltige Forstwirtschaft und geben zudem finanzielle Anreize für den Naturschutz im Wald. ◆◆ Eine EU-Förderung wird nur noch gewährt, wenn für den Wald ein Bewirtschaftungsplan existiert, bei dem die biologische Vielfalt berücksichtigt wird. ◆◆ Die Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, bis 2020 den Anteil von alten Wäldern zu erhöhen und zehn Prozent ihrer Waldflächen als Prozessschutzflächen auszuweisen. ◆◆ Für alle Natura-2000-Gebiete im Wald sind Managementpläne entwickelt worden, die Naturschutz vor Pro- duktivität stellen. ◆◆ Die Entwicklung eines verlässlichen und langfristigen Waldinformationssystems ist von allen Mitgliedstaa- ten beschlossen und begonnen worden. ◆◆ Die EU hat ihre Nachhaltigkeitsstandards für Biomasse verbessert und ausgeweitet. einer spürbaren Verbesserung des Erhaltungszustands Was soll erreicht werden? von typischen Arten und Lebensraumtypen messen. Auf globaler Ebene hat sich die EU verpflichtet, bis 2020 land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen nachhal- Landwirtschaft: Wo steht die EU heute? tig zu bewirtschaften (Aichi-Target 7), die Verschmut- zung und Überdüngung von Ökosystemen zu stoppen Bei ihrer Landwirtschaftspolitik ist die EU von ihren (Aichi-Target 8) sowie umweltschädliche Subventionen Zielen sehr weit entfernt. Derzeit sind nur sieben Pro- abzubauen (Aichi-Target 3). Die EU-Strategie greift zent aller landwirtschaftlichen Lebensraumtypen in diese globalen Ziele zwar auf, wird aber in den eige- einem günstigen Erhaltungszustand. Bei allen anderen nen Vorgaben nicht konkret genug. So soll der Anteil sind es im Schnitt 21 Prozent (Europäische Kommissi- der Agrarfläche für Naturschutzmaßnahmen nur „ma- on 2009). Die Agrarvogel-Indikatorarten für gesunde ximiert“ werden, eine Mindestfläche wird aber nicht ländliche Ökosysteme weisen seit Jahrzehnten einen ne- vorgegeben. Zudem sollen bis 2020 in EU-geförderten gativen Trend auf (vgl. Abbildung). Seit 1980 sind etwa Staats- und großen Privatwäldern nachhaltige Bewirt- 300 Millionen Vögel der EU-Agrarpolitik zum Opfer schaftungspläne in Kraft sein. Den Erfolg will die EU an gefallen (BirdLife International 2012). In Deutschland 16
befinden sich 38 Prozent aller Ackerwildkräuter auf der Agrarpolitik. Hierbei müssen zunächst ökologische Roten Liste (Network Forum on Biodiversity Research Leistungen als Voraussetzung für Direktzahlungen an Germany 2012). Trotz mehrerer Reformen bleibt die Ge- die Landwirte (Greening der ersten Säule) eingeführt meinsame Europäische Agrarpolitik seit 50 Jahren eine werden. Dazu gehören unter anderem wesentliche Ursache für den Artenverlust und für die Schädigung des Naturhaushalts, insbesondere von Bö- ◆◆ die Einführung eines Mindestanteils von zehn Pro- den, Grund- und Oberflächenwasser. Bisher ist es nicht zent ökologischer Vorrangflächen pro Betrieb, bei gelungen, das Landwirtschaftsbudget der EU, einen der großen Feld- oder Wiesenflächen auch pro Schlag. größten Haushaltsposten mit etwa 58 Milliarden Euro Für ökologische Vorrangflächen und deren Manage- jährlich, an den Herausforderungen des 21. Jahrhun- ment wird eine zusätzliche Prämie gezahlt. Wissen- derts auszurichten. Angesichts leerer öffentlicher Kas- schaftler gehen davon aus, dass Feldvögel mindestens sen bietet die GAP-Reform 2014 bis 2020 voraussicht- zehn bis zwölf, idealerweise aber zwölf bis 35 Prozent lich die letzte Möglichkeit, diese Subventionen, die über solcher Flächen benötigen, um sich stabil zu entwi- 40 Prozent des EU-Haushalts ausmachen, vor den Steu- ckeln (Network Forum on Biodiversity Research erzahlern zu rechtfertigen. Die Reformvorschläge der Germany 2012). EU-Kommission zielen zwar in die richtige Richtung, ◆◆ ein rückwirkendes Verbot des Umbruchs von Dauer- gehen jedoch nicht weit genug. Die meisten EU-Agrar- grünland. Grünland ist gerade für Mitteleuropa von minister einschließlich der deutschen Landwirtschafts- herausragender ökologischer Bedeutung. Es dient als ministerin sowie viele Agrarpolitiker im Europäischen Speicher von Treibhausgasen und besitzt eine Ar- Parlament sperren sich jedoch gegen diese Ansätze. tenvielfalt, die auf kleine Fläche gerechnet sogar die Scheitert die Reform, würde sich die EU bereits jetzt der tropischen Regenwälder Südamerikas übertrifft nahezu aller Chancen berauben, dem Rückgang der (Wilson et al. 2012). Der NABU hat im Mai 2012 biologischen Vielfalt bis 2020 umfassend und effektiv erste Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die den zu begegnen. Auf globaler Ebene würde die EU damit dramatischen Verlust von Dauergrünland in deut- massiv an Glaubwürdigkeit verlieren. schen Natura-2000-Gebieten dokumentiert. Haupt- ursachen sind demnach der unerlaubte Umbruch zu Ackerland und die zu intensive Düngung bezie- Greening der Direktbeihilfen hungsweise zu häufige Mahd (NABU 2012). Ähnli- che Probleme gibt es in anderen EU-Staaten. Um unsere natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu erhalten, fordern NABU und BirdLife eine nachhal- 100 ◆◆ die Einhaltung einer mindestens dreigliedrigen tige und ökologische Ausgestaltung der europäischen Fruchtfolge. 90 80 70 100 60 90 50 148 häufige Vogelarten 80 40 37 häufige Vogelarten 30 der Agrarlandschaft 70 20 60 10 50 148 häufige Vogelarten 0 40 37 häufige1990 Vogelarten1995 2000 2005 2010 30 der Agrarlandschaft 20 Bestandsentwicklung häufiger Vögel 10 der Agrarlandschaft 1990 bis 2010 0 (EBCC/RSPB/BirdLife/Statistics 1990 1995 2000 2005 2010 Netherlands 2012) 17
Auf dem Weg der Besserung? Stärkung der zweiten Säule kulturartspezifische Vorgaben für den integrierten Pflanzenschutz) sowie im Wald (z. B. Kahlschlag- Für die nächste Haushaltsperiode muss die Förderung verbot, Vorrang von Naturverjüngung, Erhalt von der ländlichen Entwicklung wesentlich aufgewertet Totholz- und Habitatbäumen und Verzicht auf werden. Diese zweite Säule der GAP sollte mindestens Pestizideinsatz). 50 Prozent statt derzeit 25 Prozent der Landwirt- schaftssubventionen erhalten. Die Hälfte davon ist für Der NABU fordert von den Landesregierungen: Agrarumweltprogramme und den Vertragsnaturschutz einzusetzen. Zudem muss die EU-Kofinanzierung von ❏❏ die Weiterentwicklung der „guten fachlichen Pra- Agrarumweltmaßnahmen in prioritären Bereichen wie xis“ in der Landwirtschaft unter naturraum- und Natura 2000 oder der Wasserrahmenrichtlinie künftig standortspezifischen Gesichtspunkten, um die Be- auf 80 bis 90 Prozent angehoben werden. Auch hier deutung des Biodiversitätsschutzes zu stärken, sperren sich die Regierungen bislang, offenbar auf ❏❏ die stärkere Ausrichtung von Agrarumweltpro- Druck der Agrarindustrie. Die aktuelle Förderpolitik grammen auf eine ergebnisorientierte Honorierung geht zulasten vieler kleinerer Betriebe auf weniger er- ökologischer Leistungen mit attraktiven Fördersät- tragreichen Standorten. Gut durchdachte Agrarum- zen, um eine standortangepasste Pflege und Bewirt- weltmaßnahmen unterstützen die Landwirte nicht schaftung von wertvollen Agrarlebensräumen zu nur beim Erhalt der Artenvielfalt auf Äckern und im ermöglichen, Grünland, sondern auch beim Schutz von Boden und Grundwasser. Sie dienen damit unserer langfristigen ❏❏ die Erhaltung und Förderung von Dauergrünland Ernährungssicherheit. Außerdem tragen sie dazu bei, und insbesondere artenreichem Grünland durch kleinbäuerliche Strukturen und das Landschaftsbild zu das Verbot von Grünlandumbruch, von Entwässe- erhalten (RSPB 2011). rung und anderen weitreichenden Eingriffen, ❏❏ die Einrichtung von mindestens zehn Meter breiten Grünlandumbruch im Natura-2000-Gebiet ungedüngten Wasser- und Erosionsschutzstreifen entlang von natürlichen Gewässern durch die Um- setzung von Gewässerrandstreifenprogrammen, ❏❏ die vollständige Umwandlung von Ackerflächen in landwirtschaftlich genutzten Bach- und Flussauen bis 2015 in Dauergrünland, ❏❏ die Einrichtung von Landesprogrammen zur För- derung großflächiger Weidelandschaften mit Ver- tragslaufzeiten von bis zu 20 Jahren. (NABU 2012) EU-Fallbeispiele (Case Studies): Forderungen an Deutschland ◆◆ Grassland destruction across the EU (Grün- landverluste): Deutschland, Bulgarien Der NABU fordert von der Bundesregierung: ◆◆ Land abandonment across the EU (Erhalt der Bewirtschaftung): Zypern, Rumänien ❏❏ die Ausrichtung der Agrarpolitik an Umwelt- und ◆◆ Successful rural development (Erfolgreiche Naturschutzzielen, Agrarumweltmaßnahmen): Spanien ❏❏ die rechtsverbindliche Definition von Standards ◆◆ Hope farm project (Positive Erfahrungen aus einer naturverträglichen „guten fachlichen Praxis“ der landwirtschaftlichen Praxis): Großbritannien in der Landwirtschaft (z. B. dreigliedrige Fruchtfol- Ausführliche Informationen in der englischen Fassung ge, Stickstoffüberschussgrenze von 50 Kilogramm unter www.birdlife.org/eubiodiversityreport2012 pro Hektar auf Grundlage einer Hoftorbilanz, 18
Forstwirtschaft: Wo steht die EU heute? Forderungen an Deutschland Der NABU fordert von der Bundesregierung: Der ökologische Zustand der europäischen Wälder ist nach wie vor schlecht. Allein etwa 1000 Tier- und ❏❏ die Entwicklung eines Buchenwaldverbundsystems Pflanzenarten der alten borealen Nadelwälder sind vom auf der Basis der Natura-2000-Gebiete mit großflä- Aussterben bedroht (European Environmental Agency chigen unbewirtschafteten Kerngebieten und klein- 2010a). In Deutschland gefährdet die forstliche Nut- flächigeren unbewirtschafteten Vernetzungsinseln. zung mehr als 274 Farn- und Blütenpflanzen (Häusler & Scherer-Lorenzen 2002), insbesondere weil zu wenig Der NABU fordert von den Landesregierungen: alte Bäume stehen bleiben. Nur 18 Prozent der Wälder in der EU sind älter als 80 Jahre (FOREST EUROPE et ❏❏ die Weiterentwicklung und konsequente Umset- al. 2011). Selbst in geschützten Natura-2000-Gebieten zung bestehender Konzepte zur naturnahen Wald- werden Wälder vor allem als Holzquelle angesehen, an- wirtschaft, dere wichtige Umweltfunktionen dagegen nicht berück- sichtigt. Der Schutz von Wasser, Klima und Artenvielfalt ❏❏ die Zertifizierung der Bundes- und Landeswälder muss daher in die neue EU-Waldstrategie einfließen, nach den Kriterien des Forest Stewardship Council die derzeit vorbereitet wird. Ob deren Qualität und Ver- (FSC), bindlichkeit ausreichen wird, muss angesichts des aktu- ❏❏ der Aufbau eines Systems von ungenutzten Wäl- ellen Entwurfs jedoch bezweifelt werden. Zudem fehlen dern, insbesondere in den Natura-2000-Gebieten klare Leitlinien für eine nachhaltige Waldwirtschaft und bis 2020 auf fünf Prozent der Waldfläche (langfri- grundlegende, EU-weit harmonisierte Daten zu Zu- stig zehn Prozent) als „Urwälder von morgen“. Auf stand und Nutzung der Wälder. mindestens zehn Prozent des Staatswaldes findet bis 2020 eine natürliche Entwicklung statt, Nur noch vier Prozent der EU-Waldflächen können als ungestörte, nicht genutzte Gebiete bezeichnet werden. ❏❏ die Entwicklung von Programmen zur Erhöhung Sie liegen vor allem in Bulgarien und Rumänien (Veen der Totholzvorräte im Wirtschaftswald auf etwa et al. 2010). In Deutschland sind solche Wälder extrem zehn Prozent des Holzvorrats, selten. Vom Ziel der Bundesregierung, bis 2020 einen ❏❏ die Bundesländer entwickeln eine Neufassung der nutzungsfreien Anteil von fünf Prozent der gesamten Bewertungsdefinition für den „guten und hervorra- Waldfläche zu erreichen, sind wir noch weit entfernt genden Erhaltungszustand“ der Waldlebensraum- (Meyer et al. 2011). typen und der Populationen in Natura-2000-Gebie- ten, die der tatsächlichen Qualität und den inhaltli- Außerdem muss kritisiert werden, dass die EU auf die chen Zielen der Richtlinie Rechnung trägt, verstärkte Nachfrage nach Holz für die Energiegewin- nung bisher nicht mit adäquaten Vorgaben für eine ❏❏ die Abschaffung der Schalenwildbewirtschaftung nachhaltige Nutzung reagiert hat. Damit droht eine und die Umorientierung zu einem modernen Wild- massive Gefahr für die biologische Vielfalt im Wald. tiermanagement [...] Die Landesjagdgesetze sind entsprechend anzupassen und mit den Anforderun- gen des Naturschutzes in Einklang zu bringen. (NABU 2012) EU-Fallbeispiel (Case Study): ◆◆ Exploitation of high biodiversity forest (Aus- wirkungen intensiver Forstwirtschaft auf die biologische Vielfalt): Schweden, Polen, Tsche- chien, Slowakei Ausführliche Informationen in der englischen Fassung unter www.birdlife.org/eubiodiversityreport2012 19
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