2/21 Titelstory Wasserpolitische Themen bei der Bundestagswahl EU-Reisefreiheit für Fische

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2/21 Titelstory Wasserpolitische Themen bei der Bundestagswahl EU-Reisefreiheit für Fische
2/21

Titelstory
Wasserpolitische
Themen bei der
Bundestagswahl

EU-Reisefreiheit
für Fische

Gemüse aus der
Kläranlage
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2   WASSERSTANDPUNKT

                                     		Programm                         		Forschung   und
                                       Lebendige Lippe                      Entwicklung
                                     24		 Wasserinsekten in der Lippe   38		 Projekt SUSKULT:
                                                                             Gemüse aus der Kläranlage
     3
       Editorial                     28		 Schermbecker Mühlenbach

                                                                        		Kurzmeldungen/
    		Schwerpunktthema               		Städtebau                        		News
    		 Wasserpolitische Themen       32 Wasserprojekte sorgen für       40		 Gießkannenheld*innen
       bei der Bundestagswahl           lebenswerte Städte
                                                                        42		 Mein Lieblingsplatz an der
     4 Wir haben die Wahl            36		Interview Ina Scharrenbach          Emscher

     8 Nationale Wasserstrategie                                        43		 Weltweit größte Solarthermische
                                                                        		Klärschlammtrocknungsanlage
    12 Wasserpolitik in den
       Wahlprogrammen                                                   43 Deutschlands größtes
                                                                        		Schmutzwasserpumpwerk

    		Emscher-Umbau
    18 Wasser-Erlebnis-Park
       mit besonderer Landmarke

    20 EU-Reisefreiheit für Fische
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EDITORIAL                                                                                                             3

„		Auch für die Wasserwirtschaft
  stehen wichtige Richtungs-
  entscheidungen an, die in
  der kommenden Legislatur-
  periode in Angriff genommen
  werden müssen. “
 Prof. Dr. Uli Paetzel

                                                        Foto: Johannes Glinka

       wir befinden uns wenige Tage vor der   Welche neuen Methoden der Ab-          Ina Scharrenbach, uns für ein Inter-
       Bundestagswahl am 26. September.       wasserreinigung sind im Kampf gegen    view zur Verfügung stand – und wir
       Auch für die Wasserwirtschaft stehen   Mikroverunreinigungen wie Medika-      zeigen Ihnen den Lieblingsplatz an der
       wichtige Richtungsentscheidungen       mentenrückstände oder Pestizide        Emscher von Holzwickedes Bürger-
       an, die in der kommenden Legislatur-   sinnvoll?                              meisterin Ulrike Drossel.
       periode in Angriff genommen werden                                            Ich hoffe, Sie haben viel Freude beim
       müssen. Inhaltlich geht es darum,      In der aktuellen Ausgabe möchten       Lesen der Ausgabe.
       Antworten auf Fragestellungen wie      wir Ihnen die großen wasserpoliti-
       diese zu erhalten:                     schen Herausforderungen vor dieser     Mit besten Grüßen und einem
                                              Bundestagswahl vorstellen. Gemein-     herzlichen Glückauf
       Wie werden wir es als Branche auch     sam schauen wir in die Wahlpro-
       in Zeiten des Klimawandels schaffen,   gramme der demokratischen Parteien
       Gewässer in einem guten ökologi-       und überprüfen, welche Rolle das
       schen Zustand zu erhalten? Wie ist     Thema Wasser dort jeweils spielt.      Prof. Dr. Uli Paetzel
       die zuverlässige Verfügbarkeit von     Darüber hinaus stellen wir Ihnen den
       Trinkwasser sicherzustellen? Welche    Entwurf der Nationalen Wasserstra-
       Investitionen sind nötig, um unsere    tegie des Bundesumweltministeriums
       Städte gegen zunehmende Trocken-       vor. Im Bereich Städtebau freuen wir
       heit, aber auch Starkregen und Hoch-   uns, dass die Heimat- und Bauminis-
       wasser zu schützen?                    terin von Nordrhein-Westfalen,
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Schwerpunktthema

Wir
haben
die
Wahl
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Autor: Alexander Knickmeier
Fotos: Michael Kemper, Rupert Oberhäuser

In der Corona-Krise wird die Bedeu-                        wirtschaftliche Erholung nach der Krise effektiv unter-
                                                           stützt werden? Wie können Infrastrukturen, wie zum
tung staatlicher Leistungen intensiv
                                                           Beispiel im Gesundheitswesen, im Bildungssektor, aber
diskutiert. Gleichzeitig nehmen –                          auch im Ver- und Entsorgungsbereich im Sinne einer
angesichts der aktuellen Hochwasser-                       leistungsfähigen öffentlichen Daseinsvorsorge langfristig
                                                           finanziell gestärkt werden? Und nicht zuletzt: Wer zahlt für
Katastrophe – auch umweltpolitische
                                                           die Kosten der Pandemie? Welche Auswirkungen haben
Fragen einen wichtigeren Platz im                          die Krisenkosten auf mögliche Steuerreformen und auf
öffentlichen Diskurs ein. Zeit für eine                    die Investitionsfähigkeit der öffentlichen Hand?

Bestandsaufnahme und einen Über-
                                                          Die Wasserwirtschaft steht mit ihrer Arbeit im Zentrum
blick über die wichtigsten Themen mit                     dieser Debatten. Sie ist integraler Bestandteil der öffent-
Bezug zur Wasserwirtschaft kurz vor                       lichen Daseinsvorsorge und sorgte auch während der
                                                          Phasen größter Verunsicherung in der Zeit der ersten
der Wahl am 26. September 2021.                           Lockdowns für eine verlässliche Wasserver- und -entsor-
                                                          gung. Dies setzt jedoch sowohl eine langfristig angelegte,
                                                          kontinuierliche Investitionstätigkeit voraus, die kurz-
                                                          fristigen konjunkturellen Schwankungen trotzt, als auch
Wenige Wochen vor der Bundestagswahl sind insbeson-       stabile gemeinwohlorientierte Betreibermodelle, die nicht
dere zwei Themen in der öffentlichen Debatte präsent:     auf eine kurzfristige Gewinnoptimierung abzielen.
                                                          Darüber hinaus ist die Wasserwirtschaft vom Klimawan-
Auf der einen Seite entscheidet sich in den 2020er-       del gleich dreifach betroffen: Sie ist mit ihren Anlagen
Jahren, ob es gelingt, den Klimawandel wirksam zu         große Energieverbraucherin und trägt damit eine hohe
begrenzen und sich an die Folgen der nicht abwendbaren Verantwortung, sich an der Erzeugung erneuerbarer
Erwärmung anzupassen. Dazu gehören insbesondere           Energien zu beteiligen. Dabei erschweren die Folgen des
der Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung, die Umstellung Klimawandels – hohe Temperaturen und zunehmende
der Wärmeversorgung in Gebäuden, die Elektrifizierung     Wetterextreme – die Unterhaltung der Gewässer. Gleich-
und Umstellung der Mobilität, die Dekarbonisierung        zeitig liegt beim Thema Wasser auch der Schlüssel zur
von Produktionsabläufen und das Schließen von Wert-       Anpassung der Städte an die Folgen des Klimawandels.
stoff-Kreisläufen sowie der klimaresiliente Umbau unserer Um die Temperaturen in den verdichteten Gebieten zu
Städte.                                                   senken und die Schäden durch Starkregenereignisse zu
                                                          minimieren, gilt es, Flächen zu entsiegeln, Gründächer
Auf der anderen Seite steht die Debatte um die Bewäl-     und Fassadenbegrünungen zu bauen, mehr Bäume in
tigung der ökonomischen und sozialen Folgen der           den Städten zu pflanzen und neue Versickerungsmöglich-
Corona-Pandemie erst noch am Anfang. Wie kann eine        keiten zu schaffen.
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6    WASSERSTANDPUNKT        Schwerpunktthema

Im Mehrgenerationen-Wohnquartier „Johanniskirchgärten“ in Essen-Altenessen sorgt ein umweltfreundliches
Regenwasserkonzept für eine deutliche Wohnumfeldverbesserung und ein gesundes Mikroklima.
Die Mieterinnen und Mieter profitieren zudem von niedrigeren Mietnebenkosten, da keine Abwassergebühren
für das Regenwasser anfallen.

                                                                        Vor der Bundestagswahl: Wasserwirtschaft unter-
                                                                        streicht zentrale Forderungen
                                                                        Kurz vor der Bundestagswahl liegen eine ganze Reihe
                                                                        von Papieren vor, die die wichtigsten wasserpolitischen
                                                                        Herausforderungen für die nächsten Jahre skizzieren,
                                                                        wie das „DWA Politikmemorandum“, die „Wasserstrategie
                                                                        für Deutschland“ des BDEW, „Wasser 2050“ des VKU
                                                                        und natürlich die gemeinsam mit der Industrie, der Land-
                                                                        wirtschaft und den Naturschutzverbänden erarbeitete
                                                                        „Nationale Wasserstrategie“ des Bundesumweltministe-
                                                                        riums.

                                                                        Bei allen unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen im
                                                                        Detail sind in der Wasserwirtschaft – angesichts der zu
                                                                        Beginn skizzierten Herausforderungen – mindestens
                                                                        drei Handlungsfelder wichtiger Konsens.
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        1.                                                     Effizienzsteigerung durch Digitalisierung sind kontinuier-
                                                               lich auszuloten. In diesem Zusammenhang sprechen
                                                               sich Emschergenossenschaft und Lippeverband ausdrück-
                                                               lich für eine bundesweite Einführung eines Frühwarn-
                                                               Monitorings für SARS-CoV2 auf Anlagen aus.

                                                                       3.
Gewässerschutz stärken –
Wasserrahmenrichtlinie umsetzen
Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtline, um alle Ge-
wässer in der EU in einen „guten Zustand“ zu versetzen,
hat die Wasserpolitik nachhaltig verändert und zu großen
Investitionen in den Gewässerschutz geführt. Diese
Anstrengungen sollten auch nach der dritten Bewirtschaf-
tungsperiode 2027 fortgesetzt werden, das setzt jedoch         Wasserwirtschaft ist Klimapartner: Klimaschutz
auch weiterhin eine angemessene Fördermittellandschaft         und -anpassung gemeinsam umsetzen
voraus. Der unter anderem im Wasserhaushaltsgesetz             Die Wasserwirtschaft verfügt über große Potenziale zur
oder im Insektenschutzgesetz festgeschriebene Arten-           Einsparung von CO2 und anderen Treibhausgasen wie
schutz ist ein guter erster Schritt; in Zeiten des Klimawan-   Methan oder Lachgas – sowohl in Prozessabläufen als
dels sollten hier jedoch weitere im Sinne der Biodiver-        auch beim Thema Energieproduktion. Hier sind weitere
sität erfolgen.                                                gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich, beispiels-
                                                               weise durch eine drastische Vereinfachung des Strom-
                                                               steuerrechts bei Eigenenergienutzung und Energie-
                                                               speicherung, und eine ausreichende Förderkulisse, um
Die Wasserwirtschaft verfügt über                              nötige Umrüstungen zu finanzieren.
große Potenziale zur Einsparung
von CO2 und anderen Treibhaus-                                 Gleichzeitig ist das Thema Wasser bei der Anpassung der
gasen.                                                         Kommunen an den Klimawandel zentral. Hier stehen wir
                                                               vor weitreichenden Veränderungen in der Stadtplanung,

        2.
                                                               die das urbane Gesicht verändern werden. Die Wasser-
                                                               wirtschaft bringt sich hier gern mit ihrem Know-how ein
                                                               und hat zum Beispiel im Ruhrgebiet mit den Kommunen
                                                               und dem Umweltministerium ein Netzwerk zur Klima-
                                                               folgenanpassung gegründet. Auch stellen die Folgen des
                                                               Klimawandels die Gewässerbewirtschaftung vor neue
                                                               Herausforderungen. Angesichts drohender Nutzungskon-
Wasserwirtschaftliche Infrastruktur stärken und auf            flikte ist die Festschreibung des Vorrangs der Trinkwasser-
kommende Herausforderungen vorbereiten                         gewinnung wichtig. Gleichzeitig müssen neue Konzepte
In der Wasserwirtschaft denkt man traditionell in langen       der Gewässerbewirtschaftung umgesetzt werden, die mit
Zeiträumen. Viele Projekte werden für 100 Jahre und            den Folgen der Klimaveränderungen umgehen und etwa
länger gebaut. Dies erfordert auch weiterhin stabile Inves-    eine Aufheizung der Gewässer oder das Trockenfallen
titionsbedingungen und spricht für eine Wasserwirtschaft       von Bächen vermeiden. Für die Finanzierung der städte-
in öffentlicher Hand. Neue Verfahren der Abwasserreini-        baulichen Maßnahmen gibt es den Vorschlag, einen Teil
gung zur Entfernung von Medikamentenrückständen, Pes-          der Einnahmen der CO2-Bepreisung zu verwenden, um
tiziden oder Mikroplastik müssen dabei von den Verbrau-        so die negativen Folgen der CO2-Emissionen abzufedern.
chern, Herstellern und Händlern gleichermaßen finanziert
werden. Neue Formen der Zusammenarbeit mit anderen             Angesichts dieser Herausforderungen wird deutlich, dass
Branchen, wie zum Beispiel der Energiewirtschaft, der          der 26. September aus umwelt- und wasserpolitischer
Logistik oder der Industrie im Sinne der Nachhaltigkeit,       Sicht wichtige Weichen stellen wird.
der Sektorenkopplung oder für neue Möglichkeiten zur           Wir haben die Wahl!
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8   WASSERSTANDPUNKT        Schwerpunktthema

    Bundesumweltministerium stellt
    Nationale Wasserstrategie vor

    Autor: Alexander Knickmeier

    Im Rahmen des 3. BMU-Wasserforums          Kernpunkte des Programms sind unter anderem:
    hat Bundesumweltministerin Svenja
                                               – Die Entwicklung von Regeln für Nutzungskonflikte, die
    Schulze im Juni 2021 ihren Entwurf für       beschreiben sollen, wer im Fall von regionaler Was-
    eine Nationale Wasserstrategie vor-          serknappheit vorrangig Wasser nutzen darf.
                                               – Die Ausrichtung der Abwasserabgabe am Verursa-
    gelegt. Dem ging ein mehrjähriger Dia-
                                                 cherprinzip, so dass stärkere Anreize für eine weitere
    logprozess mit der Wasserwirtschaft,         Verringerung der Gewässerverschmutzung durch
    den Umweltverbänden, der Industrie           kommunales und industrielles Abwasser gesetzt wer-
                                                 den. Die Einnahmen sollen etwa dazu genutzt werden,
    und der Landwirtschaft voraus. Mit
                                                 um Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe aus-
    der Strategie will das Bundesumwelt-         zustatten.
    ministerium die natürlichen Wasser-        – Smarte Wassertarife, die die Nachfrage nach Wasser
                                                 über den Tagesverlauf glätten.
    reserven Deutschlands sichern, Vor-        – Der Umbau der Kommunen zu wassersensiblen
    sorge gegen Wasserknappheit leisten,         Schwammstädten, die auf die Folgen des Klimawan-
    Nutzungskonflikten vorbeugen sowie           dels vorbereitet sind.
                                               – Die Überwachung des Abwassers mit Blick auf Ge-
    den Zustand der Gewässer und die             sundheitsgefahren wie zum Beispiel das Monitoring
    Wasserqualität verbessern. Die Strate-       von Corona-Viren.
    gie umfasst ebenfalls ein Aktionspro-
                                               Darüber hinaus soll mit einem zusätzlichen Fördertopf
    gramm, mit dem alle Beteiligten in die     von einer Milliarde Euro über die kommenden zehn Jahre
    Pflicht genommen werden sollen, bis        die Verbesserung des ökologischen Zustandes der
                                               Gewässer weiter vorangetrieben und ihre Widerstands-
    2050 für einen nachhaltigen Umgang
                                               fähigkeit gegenüber dem Klimawandel erhöht werden.
    mit der Ressource Wasser zu sorgen.        Das Geld soll für Renaturierungsmaßnahmen, den Abbau
2/21 Titelstory Wasserpolitische Themen bei der Bundestagswahl EU-Reisefreiheit für Fische
EGLV.de   9

                              Wasser
                              2050

                        gie
                        te
                      ra
                   rst
                  sse
               Wa
              le
          na
         tio

                               _ Regeln für Nutzungskonflikte
         Na

                               _ Ausrichtung der Abwasserabgabe
                                 am Verursacherprinzip

                               _ Smarte Wassertarife

                               _ Überwachung des Abwassers

                               _ Umbau zu wassersensiblen
                                Schwammstädten

Wasser
heute
2/21 Titelstory Wasserpolitische Themen bei der Bundestagswahl EU-Reisefreiheit für Fische
10   WASSERSTANDPUNKT     Schwerpunktthema

     „ Entscheidend ist, dass nun
       schnell aus den Plänen konkrete
       Maßnahmen werden, die in
       der Praxis umgesetzt werden.“
      Martin Weyand,
      BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser

                          „ Aus AöW-Sicht ist zur Sicherstellung
                            der wasserwirtschaftlichen Aufgaben von
                            zentraler Bedeutung, Gewässer zu
                            schützen und ihren ökologischen Zustand
                            zu verbessern – langfristig und auf breiter
                            gesellschaftlicher Basis im Sinne des
                            Gemeinwohls und nicht einzelner wirtschaft-
                            licher Interessen.“
                            Prof. Dr. Lothar Scheuer
                            AöW-Präsident

                                                       von Hindernissen für wandernde Arten, die Beschattung
                                                       von Gewässern gegen Erwärmung und die Rückgewin-
                                                       nung bzw. Schaffung natürlicher Speicher als Vorsorge
                                                       gegen Trockenheit verwendet werden.

                                                       Die Wasserwirtschaft begrüßte die Eckpunkte der Natio-
                                                       nalen Wasserstrategie. Prof. Dr. Uli Paetzel sagte in seiner
                                                       Funktion als Präsident der Deutschen Vereinigung für
                                                       Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA): „Die DWA
                                                       unterstützt die Kerninhalte und Forderungen für die Vision
                                                       einer nachhaltigen und sicheren Wasserwirtschaft bis
                                                       zum Jahr 2050 nachdrücklich. In Zeiten des Klimawandels
                                                       müssen wir ein neues gesamtgesellschaftliches Bewusst-
                                                       sein für die Bedeutung der Ressource Wasser entwickeln.
                                                       Wasser wird nicht mehr wie selbstverständlich einfach so
                                                       verfügbar sein. Die Nationale Wasserstrategie benennt
                                                       viele wichtige Themen, die wir in den kommenden Jahren
                                                       gemeinsam bearbeiten müssen. Die Finanzierung der
                                                       Maßnahmen muss auf breite Schultern verteilt werden.“
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                                                             10 strategische Themen
„ In Zeiten des Klimawandels                                 Nationale Wasserstrategie
  müssen wir ein neues gesamt-
  gesellschaftliches Bewusst-
  sein für die Bedeutung der                                 01.                     07.
  Ressource Wasser entwickeln.“                              Bewusstsein             Nachhaltige Gewäs-
                                                             für die Ressource       serbewirtschaftung
 Prof. Dr. Uli Paetzel                                       Wasser stärken          weiterentwickeln

                                                             02.                     08.
 Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/                                    Meeeresgebiete
                                                             Wasserinfrastrukturen
 Abwasser, erkennt in der Wasserstrategie des Bundes-        weiterentwickeln        (Nord- und Ostsee)
                                                                                     intensiver vor stoff-
 umweltministeriums viele wichtige Ansätze, um die
                                                                                     lichen Einträgen
 Wasserqualität zu schützen und die Trinkwasserversor-                               vom Land schützen
 gung trotz der Folgen des Klimawandels langfristig in der
 gewohnt hohen Qualität sicherzustellen. Entscheidend        03.
 sei, so Weyand weiter, dass nun schnell aus den Plänen
                                                             Wasser-, Energie-,
 konkrete Maßnahmen würden, die in der Praxis umgesetzt      und Stoffkreisläufe     09.
 werden. Auch die nächste Bundesregierung sei gefordert,     verbinden
                                                                                     Leistungsfähige
 aufbauend auf der jetzt vorgestellten Nationalen Wasser-                            Verwaltungen
 strategie des Bundesumweltministeriums, sich verstärkt                              stärken, Daten-
                                                                                     flüsse verbessern,
 für den Gewässerschutz einzusetzen und die Wasserwirt-                              Ordnungsrahmen
 schaft darin zu unterstützen, die Folgen des Klimawandels   04.                     optimieren
                                                                                     und Finanzierung
 abzufedern.                                                 Risiken                 sichern
                                                             durch Stoffeinträge
                                                             begrenzen
 Prof. Dr. Lothar Scheuer sieht in der Nationalen Wasser-
 strategie den Grundstein für einen guten Zustand der
 Gewässer. Der AöW-Präsident sagte: „Die beiden Grund-                               10.
 sätze Vorsorge und die integrative Betrachtung werden
                                                             05.                     Gemeinsam
 unterstützt. Ebenso wie die Herstellerverantwortung und                             die globalen
                                                             Den naturnahen          Wasserressourcen
 die Stärkung von regionalen Strukturen bei der Anpas-
                                                             Wasserhaushalt          nachhaltig schützen
 sung der Infrastruktur an den Klimawandel.“ Es bliebe       wiederherstellen und
 offen, inwieweit die Nationale Wasserstrategie von den      managen – Zielkon-
                                                                                     Quelle: bmu.de
                                                             flikte vorbeugen
 zukünftigen Bundesregierungen mitgetragen würde. Nicht
 zuletzt habe aber die aktuelle Entscheidung des Bundes-
 verfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz eindrucksvoll
 aufgezeigt, dass die Aufgaben, die die Lebensgrund-
 lagen der nächsten Generationen beträfen, ambitioniert
                                                             06.
 angegangen werden müssten. Scheuer: „Das betrifft           Gewässerverträgliche
                                                             und klimaangepassete
 auch unser Wasser. Aus AöW-Sicht ist zur Sicherstellung     Flächennutzung im
 der wasserwirtschaftlichen Aufgaben von zentraler Be-       urbanen und ländli-
                                                             chen Raum realisieren
 deutung, Gewässer zu schützen und ihren ökologischen
 Zustand zu verbessern – langfristig und auf breiter ge-
 sellschaftlicher Basis im Sinne des Gemeinwohls und nicht
 einzelner wirtschaftlicher Interessen.“
12   WASSERSTANDPUNKT         Schwerpunktthema

     Wasserpolitik in
     den Wahlprogrammen:
     Wer möchte was?
     Die Bundestagswahlprogramme sind veröffentlicht.
     Doch wer möchte eigentlich was? Wir haben uns
     die wichtigsten wasserpolitischen Forderungen der
     demokratischen Parteien einmal angesehen.

     Autor: Alexander Knickmeier
     Fotos: Klaus Baumers, Andreas Fritsche,
     Irina Kozorog/Shutterstock.com

     CDU / CSU                                                  SPD
     Die Union widmet dem Thema Wasser einen ausführ-           Die SPD äußert sich in ihrem deutlich kürzeren Programm
     lichen Part. Um dafür zu sorgen, dass jedem in Deutsch-    nicht explizit zum Thema Wasser, nimmt aber an vielen
     land ausreichend Wasser zur Verfügung steht, sollen        anderen Stellen Bezug. So möchte auch sie Wasser
     regionale Wasserkreisläufe gestärkt und dafür gesorgt      stärker in der Fläche halten, indem beispielsweise Moore
     werden, dass Wasser länger in der Fläche gehalten wird.    wieder vernässt werden. Dies stärke auch die Biodiver-
     Dies unterstütze die Böden und mache Ökosysteme            sität. Für eine nachhaltige Stadtentwicklung sollen Boden-
     widerstandsfähiger in Dürrezeiten. Darüber hinaus wird     fonds aufgelegt werden, die die Investitionsfähigkeit von
     die Bedeutung von Schwammstädten in Zeiten des             Kommunen stärken sollen. Die Agrarförderung soll so
     Klimawandels betont und es gibt das Bekenntnis zur wei-    umgebaut werden, dass Landwirtschaft umweltschonen-
     teren Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Gleichzeitig   der und nachhaltiger wird. Mit der Ausweitung des Liefer-
     soll gegen Mikroverunreinigungen in Gewässern durch        kettengesetzes sollen Umweltstandards weltweit ge-
     Vermeidung des Eintrags vorgegangen werden und die         stärkt werden.
     finanziellen Mittel zur Altlastenbeseitigung ausgeweitet
     werden.
EGLV.de   13

                                  Schutz des Wassers
                                  als Lebensmittel

        Stärkung von regionalen
        Wasserkreisläufen

                           Nachhaltige
                           Stadtentwicklung

Nationaler Aktionsplan für Gewässer
und Wassermanagement

                       Rücknahmesystem
                       für Medikamente
14   WASSERSTANDPUNKT       Schwerpunktthema

                                                                   FDP
                                                                   Die FDP hat dem Thema Wasser ebenfalls einen eige-
                                                                   nen Abschnitt gewidmet. Darin bestätigt sie, sich für
                                                                   den Gewässerschutz weiterhin einsetzen zu wollen und
                                                                   betont dabei insbesondere die Rolle der Mikroverunrei-
                                                                   nigungen aus der Landwirtschaft, der (Pharma-)Industrie
                                                                   und aus dem Bergbau. Sie führt explizit die Leitlinie des
                                                                   Verursacherprinzips auf und nimmt so die Hersteller und
                                                                   Anwender entsprechender Stoffe in die Pflicht. Um der
                                                                   Landwirtschaft ausreichend Wasser zur Verfügung stellen
                                                                   zu können, möchte sie einen „Nationalen Aktionsplan
                                                                   für Gewässer und Wassermanagement“ umsetzen.

                                                                   Bündnis 90 / Die Grünen
                                                                   Bei den Grünen findet sich das Thema Wasser ebenfalls
                                                                   in zahlreichen Kapiteln wieder. So sollen auch hier Moore
                                                                   wieder vernässt und das Wasser in der Fläche gehalten
                                                                   werden. Die Wasserrahmenrichtlinie solle „endlich kon-
                                                                   sequent umgesetzt“ werden, indem eine Renaturierungs-
     Das Schwammstadtprinzip, eine nachhaltigere Landwirtschaft,
                                                                   offensive für Gewässer gestartet werden soll. Der Schutz
     Mikroverunreinigungen…                                        des Wassers als Lebensmittel wird betont. Daher soll
                                                                   der Einsatz von Pestiziden und Dünger in der Landwirt-
                                                                   schaft vermindert und mithilfe eines Verursacherfonds
                                                                   sowie der Abwasserabgabe der Eintrag von Spuren-
                                                                   stoffen minimiert werden. Abwasserwiederverwendung,
                                                                   Regenwasserspeicherung und das Sparen von Wasser
                                                                   sollen gefördert werden. Auch die Grünen möchten den
                                                                   klimasensiblen Umbau der Städte voranbringen und die
                                                                   Schwammstadt als Leitbild der Planungen etablieren.
EGLV.de   15

… oder Dürren und Trockenheit: wichtige Themen in den Wahlprogrammen der Parteien.

Linke                                                                                     Info
Die Linke legt den Fokus darüber hinaus auf die Eigen-
tumsfrage und spricht sich gegen eine Privatisierung                  Bundestagswahl 2021
von Wasser aus. Sie möchte ebenfalls die Wasserrahmen-                Am 26. September 2021 findet die Wahl zum
richtlinie vorantreiben und Neuversiegelungen minimieren.             20. Deutschen Bundestag statt. Erstmals in der
Gleichzeitig spricht sie sich jedoch für den Bau neuer                Geschichte der Bundesrepublik hat der regierende
Wasserkraftwerke aus. Im Kampf gegen Mikroverunreini-                 Bundeskanzler bzw. die regierende Bundeskanz-
gungen plant die Linke, ein Rücknahmesystem für Medi-                 lerin im Vorfeld angekündigt, für die nächste
kamente einzuführen.                                                  Legislatur nicht mehr zur Verfügung zu stehen.
                                                                      Gleichzeitig sind so viele Regierungskonstellationen
                                                                      wie nie im Bereich des Möglichen. Als wichtigste
                                                                      Themen gelten dabei neben der Pandemiebekämp-
                                                                      fung, die Fragen von Umwelt- und Klimaschutz,
                                                                      Migration sowie Soziale Gerechtigkeit. Eine echte
                                                                      Richtungswahl!
brucken
Emscher-Umbau

fur die

Der Umbau des Emscher-Systems ist längst mehr als nur ein wasserwirtschaftliches Projekt – das
Generationenprojekt hat mittlerweile auch städtebauliche Einflüsse. Zu betrachten ist dies vor allem
im Bereich der ökologischen Schwerpunkte. Hier erhalten die Gewässer nicht nur mehr Freiraum,
sondern teilweise auch komplett neue Mündungen! Während in Recklinghausen der Suderwicher
Bach eine neue Trasse in die Emscher bekommt, wird in Dinslaken die Emscher-Mündung in den
Rhein verlegt – und Voerde damit nachträglich zu einer Emscher-Kommune gemacht. Die Emscherge-
nossenschaft agiert dabei als Brückenbauer – nicht nur sprichwörtlich – in engem interkommunalen
Austausch mit ihren Mitgliedern. Ein Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
bauer
Region
18   WASSERSTANDPUNKT   Emscher-Umbau

                                        Am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel laufen die Vorbereitungen für den
                                        „Sprung über die Emscher“ – die Brücke führt nicht nur über den Fluss,
                                        sondern auch über den Rhein-Herne-Kanal.

                                        Direkt nebenan, westlich des Wasserkreuzes, entsteht der Natur- und
                                        Wasser-Erlebnis-Park, inkl. einer neuen Mündung des Suderwicher
                                        Bachs in die Emscher.
EGLV.de   19

Wasser-Erlebnis-Park mit
besonderer Landmarke
„Sprung über die Emscher“ flankiert Emscherland-Projekt

Autor: Ilias Abawi | Fotos: Rupert Oberhäuser, Andreas Fritsche

Das Generationenprojekt Emscher-Umbau nähert sich                 In direkter Nähe zum Natur- und Wasser-Erlebnis-Park
seinem Finale. Bis Ende 2021 wird die Emschergenossen-            entsteht in Castrop-Rauxel zudem ein eindrucksvolles
schaft den zentralen Fluss des Ruhrgebietes und seine             Bauwerk: Am Wasserkreuz können Radfahrende und
Nebenläufe vom Abwasser befreit haben – zum ersten Mal            Spazierende die Emscher und den Rhein-Herne-Kanal zu-
seit nahezu 170 Jahren! Dreh- und Angelpunkt zum Errei-           künftig mit dem „Sprung über die Emscher“ überqueren.
chen der vollständigen Abwasserfreiheit ist das Pumpwerk          Die neue von DKFS Architects aus London entworfene
Oberhausen, das im Laufe des Sommers in Betrieb genom-            Brücke hat eine einzigartige Optik – und damit das Poten-
men werden soll. Damit wird dann auch der unterirdisch in         zial, zu einem der beliebtesten Fotomotive der Region zu
acht bis 40 Metern Tiefe verlegte Abwasserkanal Emscher           werden. Dort, wo die Emscher den Rhein-Herne-Kanal
(AKE) auf der gesamten Länge von 51 Kilometern zwischen           unterquert und wo in 16 Metern Tiefe der Abwasserkanal
Dortmund und Dinslaken geflutet – der letzte Schritt zur          Emscher künftig als neue abwassertechnische Haupt-
Befreiung der Gewässer von ihrer Schmutzfracht.                   schlagader das Schmutzwasser der Region unterirdisch
                                                                  abführt. Die Abwasserfreiheit als Schlüssel zur neuen
Parallel zum Erreichen der Abwasserfreiheit – nicht               ökologischen Zukunft der Region wird mit dem „Sprung
weniger als das große Hauptziel des Emscher-Umbaus –              über die Emscher“ als städtebauliches Ausrufezeichen
treibt die Emschergenossenschaft bereits jetzt schon die          symbolisiert.
ökologische Verbesserung des Flusses und seiner Neben-
läufe voran. Diese drehen sich längst nicht mehr nur um           Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat
wasserwirtschaftliche Aspekte, sondern verfolgen auch             fördert den Brückenbau im Rahmen des Bundespro-
städtebauliche Ziele. An der Stadtgrenze zwischen Cas-            gramms „Nationale Projekte des Städtebaus“. „Dieses ein-
trop-Rauxel und Recklinghausen etwa setzt die Emscher-            zigartige Brückenbauwerk ist ein besonderes Leuchtturm-
genossenschaft gemeinsam mit den beteiligten Kommunen             projekt, das den Strukturwandel im Emscher-Gebiet ganz
(neben Castrop-Rauxel und Recklinghausen auch Herne               hervorragend abbildet. Der „Sprung über die Emscher“ hat
und Herten) und dem Regionalverband Ruhr (RVR) bis                das Zeug, nicht nur ein regionales Wahrzeichen zu werden
2023 das Projekt „Emscherland“ um.                                – es wird auch weit über die Grenzen der Region Strahl-
                                                                  kraft erlangen“, sagte zum Startschuss des Brückenbaus
Dort, wo die Emscher, der Suderwicher Bach und der                Anne Katrin Bohle, Staatssekretärin im Bundesministerium
Rhein-Herne-Kanal aufeinandertreffen, entsteht auf einer          des Innern, für Bau und Heimat.
Fläche von rund 30 Hektar ein interkommunaler Natur-
und Wasser-Erlebnis-Park. Die vielfältigen Angebote des           Im zweiten Halbjahr 2022 werden die Bauarbeiten zum
Parks umfassen einen Wasserspielplatz, einen Stauden-             „Sprung über die Emscher“ voraussichtlich fertiggestellt –
garten, ein Imkerhaus, eine Streuobstwiese und Bauern-            bis dahin verbaut die Emschergenossenschaft etwa
gärten, sowie die Emscher-Terrassen mit Weingärten.               900 Tonnen Stahl für das Brückenbauwerk.
So bietet der Park Besucherinnen und Besuchern natur-
nahe Erholungsmöglichkeiten – verknüpft mit Bildungsan-           Ansprechpersonen:
                                                                  Silke Wienforth, Projektleiterin „Emscherland“
geboten – und verbindet dabei Stadt und Natur miteinan-
                                                                  wienforth.silke@eglv.de
der. Gefördert werden diese Maßnahmen aus Mitteln des             Simone Kern, Projektleiterin „Sprung über die Emscher“
Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).              kern.simone@eglv.de
20   WASSERSTANDPUNKT   Emscher-Umbau

                                        Alt und neu – der künftige Emscher-Verlauf innerhalb
                                        der neuen Mündungsaue ist schon deutlich erkennbar.

                                        Im Zuge der Mündungsverlegung musste auch die
                                        Emscher-Brücke an der Hagelstraße erneuert werden:
                                        Sie ist nun hochwassersicherer.
EGLV.de   21

EU-Reisefreiheit für Fische
Verlegung der Emscher-Mündung                                         schaft eine Lösung erarbeitet, dank derer künftig eben
                                                                      auch Fische aus dem Rhein ins Emscher-System gelangen
und verbesserter Hochwasser-                                          können: Der sechs Meter tiefe Absturz am Stapp wird
abfluss durch Neubau der letzten                                      künftig umgangen, indem die Mündung um zirka 500
Emscher-Brücke vor dem Rhein                                          Meter nach Norden verlegt und der Höhenunterschied
                                                                      elegant über sogenannte Sohlgleiten überwunden wird.
                                                                      Diese Sohlgleiten sind vergleichbar mit „Treppenstufen“
                                                                      anstelle eines „Wasserfalles“. Im Zuge der Neugestaltung
Autor: Ilias Abawi | Fotos: Andreas Fritsche, Henning Maier-Jantzen
                                                                      der Emscher-Mündung entsteht eine rund 20 Hektar
                                                                      große Aue, die einen Hochwasserrückhalteraum mit
Der ökologische Umbau der Emscher schreitet voran:                    einem Fassungsvolumen von knapp 1,3 Millionen Kubik-
Neben dem Natur-und-Wasser-Erlebnis-Park in Castrop-                  meter beinhaltet. In die Renaturierung der Emscher-
Rauxel/Recklinghausen konzentrieren sich die Arbeiten                 Mündung investiert die Emschergenossenschaft etwa
der Emschergenossenschaft aktuell auf den Bereich der                 50 Millionen Euro.
Emscher-Mündung in den Rhein. Diese wird um rund
500 Meter nach Norden verlegt, womit neben Dinslaken                  An der künftigen Emscher-Mündung soll der neu zu schaf-
nun auch Voerde nachträglich zur Emscher-Stadt gemacht                fende, großflächige Auenbereich mit seiner Strukturviel-
wird. Im Zuge der Maßnahme entsteht eine völlig neue                  falt für gewässertypische Pflanzen- und Tierarten einen
Mündungsaue, die einen weiteren ökologischen Schwer-                  wichtigen Bestandteil der Neuen Emscher bilden. Mit der
punkt im Rahmen des Emscher-Umbaus darstellt. Der                     Planung soll eine attraktive und ökologisch wirksame Ver-
große Schlusspunkt über das Vorzeigeprojekt ist für Spät-             flechtung der Flüsse Emscher und Rhein erreicht werden.
sommer 2022 geplant: Dann soll der Rheindeich abgetra-                Doch auch der Hochwasserschutz für die anliegenden
gen und die neue Emscher-Mündung geflutet werden.                     Siedlungen spielte bei der Planung und bei der Geneh-
                                                                      migung der Planfeststellung durch die Bezirksregierung
Grundlage für die Verlegung der Mündung ist der Umbau                 Düsseldorf eine gewichtige Rolle: So musste die be-
des Emscher-Systems und die Europäische Wasserrah-                    stehende Brücke an der Hagelstraße – es ist die letzte
menrichtlinie. Diese fordert unter anderem eine Durch-                (!) Emscher-Brücke vor dem Rhein – durch eine neue
gängigkeit des Gewässers sowie einen naturnahen                       Querung ersetzt werden. Die mittlerweile neu entstande-
Zustand. Beides ist zurzeit nicht gegeben: Nördlich der               ne Brücke bietet der künftigen Emscher bei Hochwasser
Dinslakener Siedlung „Am Stapp“ fließt die Emscher noch               mehr Raum zum Durchfluss.
gradlinig und eingedeicht über ein Absturzbauwerk in
den Rhein. „Diese Lösung schafft wasserwirtschaftliche                Brückenbauer, Hochwasserschützer, Regionen-Ent-
Sicherheit, bildet jedoch auch eine bis zu sechs Meter                wickler – an kaum einer anderen Stelle zeigen sich die
hohe ökologische Barriere zwischen Rhein und Emscher:                 zahlreichen Facetten des Emscher-Umbaus besser
Die Emscher-Mündung weist daher zurzeit noch keine                    als aktuell in Dinslaken und Voerde.
Durchgängigkeit für Fische und keine Auenräume auf“,
sagt der Biologe Dr. Mario Sommerhäuser, Leiter der
Abteilung „Fluss und Landschaft“ bei der Emschergenos-
senschaft.                                                            Ansprechpersonen: Reinhard Ketteler, Gebietsmanager
                                                                      Emscher-Hauptlauf
                                                                      ketteler.reinhard@eglv.de
Um die durch die Richtlinie geforderte „EU-Reisefreiheit              Dr. Mario Sommerhäuser, Leiter „Fluss und Landschaft“
für Fische“ zu gewährleisten, hat die Emschergenossen-                sommerhaeuser.mario@eglv.de
der Weg
Programm Lebendige Lippe

zu mehr
naturli
dynamik
Es reicht längst nicht mehr aus, zu schützen, was noch da ist. Groß angelegte Renaturierungspro-
gramme müssen eine Umkehr einläuten – Begradigungen müssen zurückgebaut und Auen
wieder geschaffen werden. Flüsse und Auen gehören zu den artenreichsten und zugleich am stärks-
ten bedrohten Lebensräumen. Dabei können Projekte zur Renaturierung der Flusslandschaft
und Investitionen in die Gewässergüte vergleichsweise rasch zum Erfolg führen. Auch in der Lippe
konnte der Artenreichtum so wieder gesteigert werden.
zuruck
cher
24   WASSERSTANDPUNKT     Programm Lebendige Lippe

         Zwischen 1970 und 1975 wurden nur rund 13 verschiedene Insektenarten
         in der Lippe nachgewiesen – inzwischen sind es 150 Arten!
EGLV.de   25

Anzahl der Wasserinsektenarten
in der Lippe ist um das 11-fache
gestiegen

Autorin: Anne-Kathrin Lappe
Fotos: Rupert Oberhäuser, EGLV-Archiv

„Die Lippe – eine Kloake. Die Ver-         Der Verlust von Lebensräumen, Belastungen durch Pestizi-
                                           de, Bedrohung durch invasive Arten und der Klimawandel
schmutzung des Flusses eine Gefahr
                                           sorgen aktuell für ein drastisches Insektensterben. Dass
für die Allgemeinheit“ – so titelten die   man aktiv gegensteuern kann, zeigt eine neue Untersu-
„Ruhr-Nachrichten“ Mitte der 1950er-       chung des Lippeverbandes: Seit den 1970er-Jahren haben
                                           die Modernisierung von Kläranlagen und Renaturierungen
Jahre. Dies änderte sich gut weitere
                                           die Wasserqualität der Lippe so deutlich verbessert, dass
25 Jahre nicht. Bis in die 1970er-Jahre    es heute elfmal so viele Wasserinsektenarten gibt wie
blieb es bei diesem Zustand.               noch vor einem halben Jahrhundert. Zudem hat auch die
                                           reine Anzahl an Einzeltieren erheblich zugenommen:
Die Lippe galt als nahezu toter Fluss.
Weiße Berge aus Schaum, entstanden         Während zwischen 1970 und 1975 nur rund 13 verschiede-
durch Waschmitteltensiden, schwam-         ne Insektenarten in der Lippe nachgewiesen wurden, ist
                                           die Zahl zwischen 2015 bis 2020 auf regelmäßig 150 Arten
men stellenweise auf der Wasserober-       gestiegen!
fläche. Dass der Fluss heute – auch
dank des Programms „Lebendige
Lippe“ – wieder ein wertvoller Lebens-     Ökologisch intakte Gewässer
raum ist, belegen Daten, die in den        sind Hotspots der Biodiversität.
vergangenen 50 Jahren durch stan-
                                           Investitionen in Gewässergüte lohnen
dardisierte Beprobungen erhoben            „Die Untersuchung zeigt, dass Investitionen in Maßnahmen
worden sind.                               zur Steigerung der Gewässergüte lohnenswert sind für
                                           Mensch und Natur. Ökologisch intakte Gewässer sind
                                           Hotspots der Biodiversität. Dennoch bleibt viel zu tun:
                                           Der externe Eintrag an Phosphat und Nitrat, aber auch die
                                           Belastung durch Spurenstoffe in den Gewässern sind
                                           noch immer zu hoch“, so Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstands-
                                           vorsitzender des Lippeverbandes.
26   WASSERSTANDPUNKT     Programm Lebendige Lippe

                                                                             Bis in die 1970er-Jahre
                                                                             galt die Lippe als nahezu
                                                                             toter Fluss.

                                                                             Auf der Lippe am Wehr Buddenburg in Lünen
                                                                             hat sich unnatürlicher Schaum gebildet.

                                      600 Tier- und
                                      425 Pflanzenarten
                                           zwei Jahre nach abgeschlossener Renaturierung

       Die neue Lippe-Mündung bei Wesel.
EGLV.de   27

Der längste Fluss in Nordrhein-Westfalen – er ist ein      Dramatik des Insektensterbens bleibt
„Arbeitstier“. Besonders industrielle Einleitungen haben   Doch die Studie zur Entwicklung der Wasserinsekten in
der Lippe in der Vergangenheit zugesetzt. Die Belastung    der Lippe entkräftet die Dramatik des Insektensterbens
durch Einleitungen von erwärmtem Kühlwasser ist heute      in keiner Weise. Vielmehr zeigt sie, dass sich ein ehemals
zwar weitestgehend zurückgegangen, aber dennoch            fast totes Gewässer durch aktives Handeln positiv ent-
präsent. Auch das hat die Ausbreitung von sogenannten      wickeln kann. Eine weitere Verbesserung der Gewässer-
Neozoen, also eingewanderten oder eingeschleppten          qualität wird auch durch den Ausbau von Kläranlagen
Tierarten begünstigt. Sie fühlen sich im warmen Wasser     mit der vierten Reinigungsstufe erwartet. Da sich insbe-
besonders wohl und verdrängen häufig die heimische         sondere der Einsatz von Arzneimitteln nicht an der
Flussfauna. Flussbegradigungen, Laufverkürzungen und       Quelle verhindern lässt, kommen auf Betreiber von Klär-
Uferbefestigungen haben sich zusätzlich negativ auf die    anlagen im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie
Gewässergüte ausgewirkt – es entstand eine einförmige,     weitreichende Anpassungspflichten zu.
schnell strömende, eher lebensfeindliche Unterwas-
serwelt.

Der Zuwachs weiterer Arten stimmt hoffnungsvoll
Während Anfang der 1970er-Jahre nur widerstandsfä-
hige Nicht-Insektenarten wie die Wasserassel oder die
„Gemeine Schnauzenschnecke“ in der Lippe überlebten,
kehrten dann zunächst Arten zurück, die eher tolerant
auf Belastungen reagieren. Der Zuwachs weiterer Arten
der Libellen, Eintags- und Köcherfliegen stimmt hoff-

                                                                                  Info
nungsvoll. Je mehr Lebensräume in der Lippe reaktiviert
werden, umso besser für die Artenvielfalt.

Lippeverband erwartet weitere positive Effekte
Bestes Beispiel ist Wesel: Hier konnten nach der 2014          Bedrohte Arten kehren zurück
abgeschlossenen Renaturierung des Mündungsbe-                  Im Laufe der vergangenen zehn Jahre haben
reichs zwei Jahre später bereits rund 600 Tier- und            sich in der Lippe seltene und sogar bedrohte
425 Pflanzenarten im Fluss und besonders in der Aue            Arten, die auf der „Roten Liste“ stehen, niederge-
nachgewiesen werden.                                           lassen. Das Vorkommen dieser Tiere spiegelt die
                                                               verbesserte Wasserqualität und die abschnitts-
                                                               weise vorhandenen naturnahen Bedingungen
                                                               wider. Im Zuge der Renaturierung der Lippe ha-
                                                               ben sich so z. B. Güteanzeiger wie die Dänische
                                                               Eintagsfliege, die Köcherfliegenarten Hydropsy-
                                                               che exocellata und Hydropsyche contubernalis,
                                                               die Libellenart „Gemeine Keiljungfer“ und die
                                                               bedrohte „Gemeine Kahnschnecke“ angesiedelt.
                                                               Auch der Uferbereich der Lippe, d. h. der Grenz-
                                                               bereich zwischen Fluss und Land, dient in einigen
                                                               Abschnitten bedrohten Tierarten von NRW als
                                                               Refugialraum, so z. B. für die Laufkäferart „Ge-
                                                               streifte Ahlenläufer“ oder für die Flussuferspinne.
 Ansprechperson: Dr. Mario Sommerhäuser
 Leiter „Fluss und Landschaft“
 sommerhaeuser.mario@eglv.de
28   WASSERSTANDPUNKT        Programm Lebendige Lippe

     Gegen den Strom
     Schermbecker Mühlenbach:
     Renaturierung des Mündungs-
     bereichs

     Autorin: Anne-Kathrin Lappe
     Fotos: Henning Maier-Jantzen, Rupert Oberhäuser
                                                        Neue Mündung

     Fische wandern ihr Leben lang.
     Nahrungssuche, Fortpflanzung, Ruhe-
     quartier – sie ziehen kilometerweit
     stromaufwärts und -abwärts auf der
     Suche nach geeignetem Lebensraum.
     Die europäische Wasserrahmenricht-
     linie gibt daher die Durchgängigkeit
     der Gewässer vor. In Schermbeck soll
     dies nun durch die Renaturierung des                              Lippe

     Schermbecker Mühlenbachs erreicht
     werden. Im Rahmen des Programms
     „Lebendige Lippe“ wird der steil in
     die Lippe abfallende Mündungsbe-
     reich des fischreichen Gewässers ver-
     längert, verbreitert und den Bedürfnis-
     sen der Fische angepasst. Aktuell
     ist die Passierbarkeit auch entgegen
     der Fließrichtung kaum möglich.
EGLV.de   29

                                                                                                Schermbecker Mühlenbach

                                                                    Sohlgleite 2
                                                                    (ca. 32 m lang)
                                                Geländeerhöhung

                                         Flutmulde

        geplante Ersatzaue

geplante Böschung

                                                                                                               Auenwald

                            Sohlgleite 1
                            (ca. 32 m lang)

                                                                            Lippe

                                                         Uferentfesselung                          Baumstümpfe
            Geländeabtrag                                                                          mit Wurzeln zur
                                                                                                   Ufersicherung
                                              bestehende Einleitung
                                              Schermbecker Mühlenbach
     Uferentfesselung                         (wird verfüllt)

                                                                  Ansprechperson: Wolf Debus, Projektleitung
                                                                  Debus.Wolf@eglv.de
30 WASSERSTANDPUNKT     Programm Lebendige Lippe

    „Unsere Flüsse und Bäche sind wichtige Lebensräume für      Kaskaden-Becken gleichen Höhenunterschied aus
    Menschen und Tiere und müssen wieder zu Lebensadern         Die neue Gewässertrasse muss dabei einen Höhenunter-
    der Natur werden. Mit dem Programm ‚Lebendige Lippe‘        schied von rund 2,60 Metern (!) überwinden. Das gleichen
    wollen wir diese notwendige ökologische Entwicklung un-     die Wasserbauer durch das Gewässergefälle selbst, aber
    serer Gewässer, ihrer Ufer und Auen weiter vorantreiben“,   im Wesentlichen über zwei jeweils rund 32 Meter lange
    sagte Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Hei-     Sohlgleiten mit einer Absturzhöhe von jeweils einem
    nen-Esser beim Pressetermin Ende Juni in Schermbeck.        Meter aus. Dabei kommt eine besondere Technik zum
    Sie betonte, dass „Renaturierungen nicht nur Lebensräu-     Einsatz: Pro Sohlgleite werden zwölf Becken kaskaden-
    me schaffen, sondern Gewässer auch weniger anfällig für     artig miteinander verbunden. Jedes Becken ist zwei mal
    die Folgen von Belastungen des Klimawandels machen.“        drei Meter groß. Schwimmen Fische die Mündung des
                                                                Schermbecker Mühlenbachs hinauf, müssen sie die 15
    Laufverlängerung um 270 Meter                               Zentimeter breiten Schlitze zwischen den Becken ansteu-
    „Der Artenreichtum in der Lippe hat sich in den vergan-     ern. Der Versatz reguliert die Strömung und schafft so
    genen Jahrzehnten vervielfacht. Das liegt zum einen am      Ruhezonen für die Fische.
    technischen Ausbau unserer Kläranlagen, aber auch an
    baulichen Renaturierungsmaßnahmen, dank denen wir           Hochwasserschutz verbessert sich durch Auenfläche
    Fischen, Amphibien und seltenen Vögeln wieder einen         Nicht nur die Sohlgleiten werden sich positiv auf die
    Lebensraum bieten – diese Entwicklung erhoffen wir uns      Artenvielfalt im Bach auswirken: Das Profil des Scherm-
    auch für den Mündungsbereich in Schermbeck“, so Prof.       becker Mühlenbachs wird teilweise aufgeweitet und mit
    Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender des Lippeverban-     Holzstämmen – sogenanntem Totholz – modelliert, um
    des. Durch eine geplante Laufverlängerung von rund          abwechslungsreiche Strukturen und wechselfeuchte
    270 Metern kann die Anbindung an die Lippe flacher und      Auenbereiche zu schaffen. Denn dort fühlen sich Insek-
    naturnäher gestaltet werden. Dazu verschiebt sich der       ten, Frösche, Lurche und Schnecken besonders wohl.
    Mündungsbereich rund 200 Meter weiter nach Westen.          Insgesamt fallen durch Sekundärauenherstellung und
EGLV.de   31

                                                     Frühjahr 2022
                                                     Fertigstellung

                    36.000 m³
                      Bodenmaterial

                                                         4,5 Mio. Euro
                                                           Baukosten

                                                                                          Info
                                                                        Das Programm „Lebendige Lippe“
                                                                        Der Lippeverband übernimmt im Auftrag des
                                                                        Landes Nordrhein-Westfalen neben der allgemei-
                                                                        nen Pflicht der Gewässerunterhaltung auch die
                                                                        Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an der
                                                                        Lippe. Hierzu hat das Land im Jahre 2013 das
                                                                        Programm „Lebendige Lippe“ für seinen Zustän-
                                                                        digkeitsbereich aufgelegt, das der Lippeverband
Gemeinsam für eine lebendige Lippe: Mike Rexforth (Bürgermeister
                                                                        umsetzt. Der Zuständigkeitsbereich des Lippe-
Schermbeck), Dr. Emanuel Grün (Technischer Vorstand Lippe-
verband), Ursula Heinen-Esser (Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft,   verbandes erstreckt sich von Lippborg über rund
Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen),           147 Kilometer Flusslauf bis zur Mündung in den
Bodo Klimpel (Ratsvorsitzender Lippeverband und Landrat                 Rhein bei Wesel und umfasst etwa 110 Quadratki-
Kreis Recklinghausen), Günter Helbig (Erster stellvertretender Land-
rat Kreis Wesel) und Prof. Dr. Uli Paetzel (Vorstandsvorsitzender
                                                                        lometer Auenfläche. Das übergeordnete Ziel des
Lippeverband) (v.l.n.r.)                                                Programms „Lebendige Lippe“ ist die langfristige
                                                                        Verbesserung und Wiederherstellung eines intak-
Gewässeraufweitungen rund 36.000 Kubikmeter Boden-                      ten Fluss-Auen-Ökosystems mit einer Erhaltung
material an. In puncto Hochwasserschutz ein wichtiger                   und Entwicklung von fluss- und auentypischen
Faktor, denn führt die Lippe mal „zu viel“ Wasser, kann sie             Strukturen und Lebensgemeinschaften. Für das
sich in diesem Bereich gefahrlos ausbreiten. Die Arbeiten               Landesgewässer Lippe werden zu 100 Prozent
am Schermbecker Mühlenbach dauern voraussichtlich bis                   Landesmittel eingesetzt.
Frühjahr 2022. Die Baukosten für die Gesamtmaßnahme
belaufen sich auf circa 4,5 Millionen Euro.
32   WASSERSTANDPUNKT        Städtebau

     Autorin: Anne-Kathrin Lappe

     Städtebau und Wasserwirtschaft – an     und den Menschen vor Ort wäre das
     Emscher und Lippe sind diese Themen     nicht gelungen“, sagt Prof. Dr. Uli
     untrennbar miteinander verbunden.       Paetzel, Vorstandsvorsitzender
     Seit Jahrzehnten ziehen Bund, Land,     von Emschergenossenschaft und
     Kommunen und Wasserverbände an          Lippeverband (EGLV).
     einem Strang, rollen gemeinsam
     die Pläne aus. „Dank der Förderung      Potenzial der Gewässer nutzen
                                             Seit über 30 Jahren werden die in den Gebieten der
     von Bund und Land sind in den vergan-
                                             beiden Wasserwirtschaftsverbände befindlichen „Köttel-
     genen Jahren viele nachhaltige und      becken“ – also offene Schmutzwasserläufe – Schritt für
     kooperative Projekte umgesetzt wor-     Schritt von der Abwasserfracht befreit und anschließend
                                             renaturiert. Dabei wird all das Potenzial genutzt, das die
     den. Ohne die gute Zusammen-            naturnah umgestalteten Gewässer bieten: „Gewässer
     arbeit mit den politischen Akteuren     schaffen Impulse für die ökologische, landschaftliche und
EGLV.de   33

                                                                           50 Jahre
                                                                           Städtebauförderung
                                                                           in Deutschland

                               Ganzheitlich,
                               nachhaltig und
                               kooperativ

städtebauliche Entwicklung der Region, leisten einen er-    schaft, Kommune und Fördergeber. Als koordinierender
heblichen Beitrag zur Ökonomie und Gesundheit und           Partner greifen die Verbände auf über 100 Jahre Erfah-
tragen so zur Steigerung der Lebensqualität der Men-        rung zurück, in denen sie das Ruhrgebiet über Generatio-
schen in den Quartieren bei“, so Uli Paetzel weiter.        nen hinweg maßgeblich entwickelt haben: „Aus unserer
                                                            Kernkompetenz der Wasserwirtschaft heraus haben wir
Bürgerschaft ist Impulsgeber                                mit dem Emscher-Umbau ingenieurtechnische Meisterleis-
Häufig geben die Menschen vor Ort dabei den Impuls.         tung bewiesen und ein ganzheitliches Know-how in den
Waren die offenen Abwasserführungen über Jahrzehn-          Bereichen ökologische Verbesserung, Bio-Diversität und
te Meideräume, führen die renaturierten Gewässer die        Klimafolgenanpassung aufgebaut, das wir im Sinne der
Menschen zurück ans Ufer. Wo ein Bedarf an Aufenthalts-     Daseinsvorsorge für unsere Mitglieder einsetzen möch-
möglichkeiten, wo eine geeignete Stelle für Wasser-Erleb-   ten“, bekräftigt Uli Paetzel.
nis oder ein Rastplatz für Fahrradfahrerinnen und -fahrer
ist – die Menschen vor Ort kennen und benennen die Be-      „Gemeinsam für das Neue Emschertal“ und „Gemein-
dürfnisse, werden so zu aktiven Mitgestaltern, Stadtpla-    sam an der Lippe“
nerinnen und Raumentwicklern. Emschergenossenschaft         Mit dem Ziel, städtebauliche und wasserwirtschaftliche
und Lippeverband sind das Bindeglied zwischen Bürger-       Maßnahmen in den Quartieren miteinander zu verknüpfen
34 WASSERSTANDPUNKT     Städtebau

                                                       _ Lippe-Lese-Lounge
                                                       _ Deichkrone m. Polderklicks
    Projektbeispiele der                               _ Sichtbarmachung
                                                         Pegelhäuschen (in Arbeit)
    Städtebauförderung in den
    EGLV-Verbandsgebieten
                                                               _ Bildungsprojekt
                                                                 Backuba und die
                                                                 Riversaver

                                                                                                 _ Fassadengestaltung am
                                                                                                   Deininghauser Bach
                                                                                                 _ Entdeckerort am Deininghauser Bach*

                             _ Lichtkunst-
                               Wochenende
                               am Rotbach

                                                                                                                     _ Sichtbarmachung
                                                                                                                       Lippe-Pegel
                                                                       Haltern                                       _ Kunstaktion
                                                                       am See
                                               Dorsten                                                                 „Deine Worte
                                                                                                                       im Fluss“

              Wesel
                                                                                     Datteln
                                                               Marl
                                                                                   Reckling-
                                                                                    hausen
                                                                                                                               Bergkamen

                                                           Herten
                       Dinslaken                                                                                 Lünen           Kamen
                                           Gladbeck
                                                       Gelsen-
                                                       kirchen                                                                       Unna
                                         Bottrop                       Herne        Castrop-Rauxel
      Rhein               Oberhausen                                                                                Dortmund
                                                                                                                                Emscher

                                                                                                                           Holzwickede
                  Duisburg                                            Bochum
                                                   Essen
          Rhein
                      _ Ausblickpunkt
                        an der Kleinen
                        Emscher

                          _ BernePark                                   _ Rad- und Fußwege*             _ Naschweg u.
                          _ Bienengärten                                _ Rast- und Aussichts-            Bienengärten
                                                                          punkt am Marbach*             _ Spielplatz
                                                                                                          Hoetger-Park

                                                      _ Katernberger Bach – mach mit!
                                                        (Blaues Klassenzimmer,
                                                        Matschufer, Bienengarten ...)                           _ Blühbeete am
                                                                                                                  Emscherquellhof
EGLV.de   35

                     Blaue Klassenzimmer
                     Ein Blaues Klassenzimmer ist ein
                     Freiluft-Lern- und Entdeckerort, der das
                     Gewässer erlebbar machen soll.

                     Blaue Klassenzimmer in Planung:
                     Bochum, Herne, Herten, Datteln, Hamm,
                     Lünen, Marl, Gelsenkirchen, Essen

                     * in Planung                               und so die Lebensqualität der Menschen vor Ort zu ver-
                                                                bessern, sind Emschergenossenschaft und Lippeverband
                                                                2006 eine Kooperation mit dem Land NRW eingegangen.
                                                                Dank dieser Zusammenarbeit können Projekte zur Erleb-
                                                                barkeit von Gewässern wie der Bau von Blauen Klassen-
                                                                zimmern und die Errichtung von Rast- und Aufenthalts-
                                                                plätzen realisiert werden. Die Maßnahmen, die im Rahmen
                                                                der Kooperationen „Gemeinsam für das Neue Emschertal“
                                                                und „Gemeinsam an der Lippe“ umgesetzt werden, wer-
                                                                den zu 80 Prozent mit Städtebaufördermitteln finanziert.

                                                                Tüpfelchen auf dem i
                                                                Allen Projekten gemeinsam ist, dass sie mehr zur Steige-
                                                                rung der Lebensqualität beitragen, als es rein wasserwirt-
                                                                schaftliche Projekte können. Sie sind das Tüpfelchen
                                                      Lippe     auf dem i. Wenn eine Sanierung eines Pegelhäuschens
                     Lippborg                                   nicht nur wasserwirtschaftlich gedacht wird, sondern
Hamm                                                            auch Bildungs- und Teilhabe-Aspekte eine Rolle spielen
                                                                und eine technische Anlage schlussendlich das Stadtbild
                                                                aufwertet, dann übernimmt Wasserwirtschaft die Rolle
                                                                einer aktiven und zukunftsgerichteten Stadt- und Raum-
                                                                planung.
       _ Sichtbarmachung Seseke-Pegel
       _ Bildungsprojekt Seseke-Kinder
       _ Lichtkunst-Wochenende Seseke-Park*

                                                                                       Info
                                                                    50 Jahre Städtebauförderung
                                                                    Im Jahr 2021 begehen Bund, Länder und Kommu-
                                                                    nen gemeinsam das Jubiläum „50 Jahre Städte-
                                                                    bauförderung“. Als Gemeinschaftsaufgabe ist
                                                                    die Städtebauförderung eine zentrale Säule der
                                                                    Stadtentwicklungspolitik des Bundes. Seit 1971
                                                                    hat der Bund circa 19,3 Milliarden Euro investiert.
                                                                    2021 sind erneut 790 Millionen Euro Bundesmittel
                                                                    vorgesehen.
36   WASSERSTANDPUNKT          Städtebau

     Interview
     mit Ina Scharrenbach
     Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und
     Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen

     Autorin: Anne-Kathrin Lappe
     Illustration: Julian Rentzsch

     Seit 2017 ist Ina
     Scharrenbach Ministerin
     für Heimat, Kommunales,
     Bau und Gleichstellung
                                           Frau Ministerin Scharrenbach, 2021      und Mut für Solidarität und Zusam-
     des Landes Nordrhein-
                                           ist für die Städtebauförderung in       menhalt unserer Gesellschaft. Das
     Westfalen. Als zentrales              Nordrhein-Westfalen und Deutsch-        kann Städtebauförderung ohne Frage
     Instrument zur nach-                  land insgesamt ein besonderes Jahr.     leisten. Unsere Innenstädte und
                                           Warum?                                  Ortskerne standen bereits vor der
     haltigen Stadtentwick-
                                           Wir feiern in diesem Jahr das 50.       Corona-Pandemie vor großen Heraus-
     lung in Nordrhein-West-               Jubiläum der Städtebauförderung         forderungen, die sich nun leider noch
     falen sind die verschie-              des Landes Nordrhein-Westfalen, des     deutlich verschärfen. Die Städtebau-
                                           Bundes und der Städte und Gemein-       förderung hilft hier, kreative neue
     denen Programme der                   den – eine echte Erfolgsgeschichte.     Wege zu gehen und dem Funktions-
     Städtebauförderung im                 Und es geht genauso kraftvoll weiter:   und Attraktivitätsverlust entgegen-
     Ministerium für Heimat,               Alleine für das Programmjahr 2021       zuwirken. In Nordrhein-Westfalen
                                           stehen rund 335 Millionen Euro für      unterstützen wir beispielsweise inno-
     Kommunales, Bau und                   294 Projekte der Stadtentwicklung       vative Konzepte für die zukunftsge-
     Gleichstellung verankert.             zur Verfügung und ab 2025 erhöhen       rechte Innenstadt mit den verschiede-
                                           sich die Anteile des Bundes um jähr-    nen Nutzungen für Wohnen, Arbeiten,
     2021 gibt es gleich
                                           lich 5,5 Millionen Euro für NRW.        Verkehr und Erholung.
     mehrfachen Grund zur
     Freude.                               Warum ist das vielleicht auch vor       Wie kann Städtebauförderung da
                                           dem Hintergrund der Corona-Pan-         ansetzen?
                                           demie ein wichtiges Signal?             Erfolgreiche Stadtentwicklung be-
                                           Mehr denn je brauchen wir Impulse       deutet immer, sich auf den Wandel
EGLV.de   37

           „ Wir feiern in diesem Jahr das
             50. Jubiläum der Städtebau-
             förderung des Landes Nordrhein-
             Westfalen, des Bundes und
             der Städte und Gemeinden –
             eine echte Erfolgsgeschichte.“
               Ina Scharrenbach

einzustellen. Insgesamt nutzen die      „Wachstum und nachhaltige Erneue-         Kamen haben Sie mit zum Kescher
Bürgerinnen und Bürger ihr Wohn-        rung“: Der Mensch steht also immer        gegriffen und mit Kindern nach
und Lebensumfeld intensiver und         im Mittelpunkt. Alle Projekte sollen      Wasserlebewesen gefischt. Waren
mit einer veränderten Wahrnehmung       die Erneuerung der ländlichen und         Sie erfolgreich?
als vor der Pandemie – das bietet       städtischen Infrastrukturen vorantrei-    Erfolgreich in dem Sinne, dass wir di-
auch Chancen. Dank der engen Zu-        ben, von der letztlich die Bürgerinnen    rekt erleben konnten, wie spielerisch
sammenarbeit mit den Kommunen           und Bürger, Jung wie Alt profitieren.     und mit wie viel Freude Kinder nach
kommen die Fördermittel der Städte-                                               Schnecken und Larven gesucht ha-
bauförderung genau dort an, wo sie      Dazu passen die Blauen Klassen-           ben. Allerdings sind mir leider keine
gebraucht werden. Die Kommunen          zimmer als Open-Air-Lernorte an           Köcherfliegenlarven oder Schwimm-
formulieren ihre Bedarfe ganz konkret   Gewässern im Emscher- und Lippe-          käfer ins Netz gegangen. (lacht) Das
in Richtung Land und Bund. Wir sind     Gebiet ja optimal…                        Tolle an den Freiluft-Klassenzimmern
Impulsgeber, Berater und Möglich-       So ist es. Die Blauen Klassenzimmer       ist, dass sie einem ganzheitlichen
macher.                                 von EGLV sind Vorzeigeprojekte, die       und sozialraumorientierten Konzept
                                        sich auch auf andere Regionen über-       folgen, das ganz klar mit den Themen
Sie sprachen von Solidarität und        tragen ließen: Sie bringen verschie-      Bildung, Gesundheit und Ökologie
Zusammenhalt. Verbinden viele           dene Menschen zusammen, stärken           verbunden ist.
Menschen mit Städtebau nicht eher       den sozialen Zusammenhalt und sen-
Stichworte wie Immobilien, Gebäu-       sibilisieren Kinder und Jugendliche für   Frau Ministerin, bei der nächsten
destruktur oder Baustellen?             den Schutz der Umwelt. Außerdem           Eröffnung halten wir wieder einen
Mag sein – auch das sind wichtige       werten sie Stadtteile auf und schaf-      Kescher für Sie bereit – verspro-
Aspekte. Aber die drei Programmteile    fen naturnahe Erlebniswelten.             chen. Herzlichen Dank für das
der Städtebauförderung sprechen für                                               Interview.
sich. Es geht um „Lebendige Zent-       Bei den Eröffnungen der Klassen-
ren“, „Sozialen Zusammenhalt“ und       zimmer in Haltern am See sowie in
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