Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein

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Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
DOI: 10.1002/ciuz.200900520

                                                              So prickelnd kann
                                                              Chemie sein

                                                              Sekt,
                                                              Champagner
                                                              & Co.
                                                              K LAUS R OTH

Bild: Verband
Deutscher Sekt-
kellereien

418       © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim                  Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432
      |
Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
SEKT           K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H …
                                                                                                   |

Wie in jeder Silvesternacht werden wir auch                            Für die Franzosen ist selbstverständlich ein Franzose der
diesmal das Neue Jahr mit guten Vorsätzen                          Erfinder des Champagners: der Benediktinermönch Dom
                                                                   Pierre Pérignon (1638–1715). Als Kellermeister der Abtei
und einem Glas Sekt oder Champagner be-                            Saint-Pierre d’Hautviller in der Champagne hat er die mé-
grüßen. Wohl jeder von uns hat schon einmal                        thode champenoise maßgeblich mitentwickelt und per-
verzückt das perlende Getränk im Glas beob-                        fektioniert. Dies war ein langjähriger Prozess, so dass die
                                                                   Festlegung des Geburtsjahres des Champagners auf das Jahr
achtet, wie die Gasbläschen scheinbar aus
dem Nichts kommend aufsteigen und
schließlich an der Oberfläche zerplatzen.                            ABB. 1        S T Ö C H I O M E T R I E E I N E R TOTA L E N F L A S C H E N G Ä R U N G

Wenn Sie aber glauben, chemisch-physika-                                       |
lisch sei dabei nicht viel los, dann irren Sie ge-
waltig. Sekt & Co sind weit mehr als nur ein
Korkenknall und ein bisschen Prickeln auf der
Zunge. Lassen Sie sich überraschen!                                  Für die einfachste Sektherstellung (Achtung, Gedankenexperiment!!) bräuchte man nur
                                                                     Most und Hefe direkt in eine Flasche abzufüllen und fest zu verschließen. Glücklicherwei-
                                                                     se bewahrt uns eine kleine stöchiometrische Überschlagsrechnung vor dieser Dummheit.
                                                                        Ein Liter eines typischen Traubenmosts enthält etwa 200 g Zu-

D     ie alkoholische Gärung ist der älteste von Menschen
      genutzte biotechnologische Prozess [1]. Nach der in
Gleichung (1) zusammengefassten Reaktionssequenz bauen
                                                                     cker, aus dem nach Gleichung (1) bei vollständiger Gärung 102 g
                                                                     Ethanol (etwa 13 Vol%) und 98 g Kohlendioxid gebildet werden. In
                                                                     einer üblichen 0,75 L-Flasche wären dies 74 g CO2 entsprechend
Hefezellen Zucker bei Sauerstoffausschluss zu Ethanol und            38 Liter bei einer Atmosphäre und 0 °C.
Kohlendioxid ab. Maximal können Ethanolgehalte bis zu                   Bei 10 °C und 1 atm Druck lösen sich in 0,75 L Wasser 1,6 g
                                                                     CO2. Da nach dem Gesetz von William Henry die gelöste Menge ei-
14 Vol% erreicht werden, denn bei diesen hohen Ethanol-              nes Gases proportional zum Gasdruck ist, würde sich nach voll-
konzentrationen sterben Hefezellen durch ihr eigenes Stoff-          ständigem Lösen von 74 g Kohlendioxid in 0,75 L Wein ein Druck
wechselprodukt ab. Nach Abfiltrieren der Hefezellen ist der          von 46 atm aufbauen. Mit anderen Worten: Bei einer direkten Fla-
Wein im Prinzip trinkfertig [2].                                     schenvergärung von Traubenmost würde uns jede Glasflasche um
    Gleichung (1) drängt die Herstellung eines sprudeln-             die Ohren fliegen. Der übliche CO2-Druck in einer Sektflasche von     William Henry
                                                                     4–6 atm kann nur erreicht werden, wenn die Gärung in zwei ge-         (1775–1836)
den (moussierenden) Weines geradezu auf. Das bei der Gä-             trennten Stufen abläuft, die Hauptgärung zunächst drucklos und        [Foto: wikimedia
rung entstehende CO2 muss einfach nur im entstehenden                anschließend eine druckerzeugende Zweitgärung.                        commons]
Wein verbleiben. Was läge näher, als Traubenmost und He-
fe einfach in eine Flasche abzufüllen und fest zu verkorken?
Eine auf den ersten Blick brillante Idee, die in der Praxis lei-
                                                                     ABB . 2       DER UR SPRUNG DES CHAMPAG NER S: BRITISH ODER FRANÇAIS ?
der völlig fehlschlägt, denn bei der Gärung entstünde soviel
CO2, dass der Druck in der verschlossenen Flasche auf fast
50 atm ansteigen und sie unweigerlich explodieren würde
                                                                               |
                                                                     Durch Zucker- und Hefezugabe zu einem durchgegorenen
(Abbildung 1). So einfach kann man Sekt leider nicht her-
                                                                     leichten Wein kann eine zweite Gärung eingeleitet werden.
stellen!                                                             Über dieses heute als méthode champenoise bezeichnete
                                                                     Verfahren berichtete erstmals 1662 nicht ein Franzose, son-
    Die Anfänge der schäumenden Weine [3]                            dern der Engländer Christopher Merret (1614 –1695) vor der
Moussierende Weine sind schon seit dem Altertum bekannt,             Royal Society in London. RidgeView Estate, ein führender
                                                                     englischer Sekthersteller, bezeichnet seine aus südengli-
aber galten und gelten noch heute meist als minderwertig,
                                                                     schen Weinen durch Flaschengärung hergestellten Schaum-
denn der Wein wurde offensichtlich zu früh, also vor Ende            weine nicht als „sparkling wine“, sondern voller National-
der Gärung, auf Flaschen gezogen, in denen es zu einer un-           stolz als „Merret“. [Foto: The Royal College of Physicians,
beabsichtigten Zweitgärung kam [4]. Es lag nahe, dass ir-            London]
gendwann einmal ein pfiffiger Kellermeister aus der Not ei-
                                                                     Aus französischer Sicht ist der Benediktinermönch Dom
ne Tugend machte und durch eine gut kontrollierte Zweit-
                                                                     Pierre Pérignon (1638–1715) Vater des Champagners. Als
gärung ein geschmacklich ansprechendes Getränk entwi-                Kellermeister entwickelte und vervollkommnete er die Fla-
ckelte. Wann dies geschah und wer die zündende Idee hat-             schengärung und machte den in der Champagne produzier-
te, ist unklar und darüber lässt sich vortrefflich streiten. Die     ten Schaumwein zu einem Spitzenprodukt. Ihm verdanken
Engländer reklamieren die Entdeckung der Flaschengärung              wir auch die Flaschengröße von 0,75 Liter, die nach seiner
                                                                     Auffassung genau der Menge entsprach, die damals ein
für sich, denn Christopher Merret berichtete erstmals 1662
                                                                     Mann von Welt zum Abendessen trank. Nach Dom Pérignon
vor der Royal Society über dieses Verfahren als Methode, um          wird heute eine hochwertige Champagnermarke der Firma
importierte französische Weine (vor allem die aus der Cham-          Moët & Chandon benannt. [Foto: wikimedia commons]
pagne!) geschmacklich zu verbessern [5].

Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432                  www.chiuz.de                     © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
                                                                                                                                                                | 419
Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
Bild: Verband Deutscher
          Sektkellereien e. V.

                                 1695 willkürlich erscheint. Dass Dom Pérignon nach der                Ob nun der Erfinder des hochwertigen Schaumweins
                                 Entdeckung seinen Klosterbrüdern zugerufen haben soll:           beim Öffnen der ersten Flasche „Heureka!“ mit französi-
                                 „Brüder, kommt geschwind. Ich trinke Sterne!“, ist wohl          schem oder englischen Akzent ausrief, bleibt ein Geheim-
                                 eher eine hübsche Anekdote. Sicher ist aber, dass Dom Pé-        nis [6]. Eins steht allerdings fest: Die Mönche und Winzer
                                 rignon die Zweitgärung auf der Basis von Mischungen ver-         der Champagne haben die Flaschengärung über Jahrhun-
                                 schiedener Weine und die zusätzliche Sicherung des Fla-          derte durch strenge Produktionsvorschriften so perfektio-
                                 schenverschlusses durch eine Kordel um den Flaschenhals          niert, dass heute eine Flasche guter Champagner das Ge-
                                 einführte (Abbildung 2).                                         tränk für die besonderen Anlässe im Leben ist. Verfolgen wir
                                                                                                  den Herstellungsweg vom Weinberg über die Flasche bis in
                                                                                                  unser Glas und ergründen dabei, welche prominente und
                                                                                                  so erfreulich schmackhafte Rolle die Chemie dabei spielt
ABB. 3          S C H AU M W E I N E – E I N E K L E I N E WA R E N KU N D E
            |                                                                                     [7, 8].

Schaumweine sind wein- und kohlensäu-               neute Gärung nach einem der folgenden            Vom Weinberg in die Sektkellerei
rehaltige Getränke, die unter einem durch           Verfahren hergestellt: Flaschen-, Transva-    Ausgangspunkt aller Sekte ist ein stiller Grundwein (Abbil-
Gärung entstandenen Kohlensäure-Druck               sier- und Großraumgärung.                     dung 3). Bei dessen Herstellung werden relativ früh geern-
von mindestens 3 atm bei 20 °C stehen                                                             tete, also nicht vollreife Trauben verarbeitet, die wegen ih-
[42]. Je nach Ursprung, Herstellung und             Schaumweine werden in folgende Quali-
                                                                                                  res geringen Zuckergehalts nach der Vergärung leichte Wei-
Eigenschaften werden die Schaumweine                tätsklassen unterteilt:
unterteilt und entsprechend deklariert.             Bei Alkoholgehalten < 10 Vol% spricht         ne mit Alkoholgehalten um 9–10 Vol% ergeben.
Hier nur ein kleiner Ausschnitt aus dem             man von Schaumwein, bei Alkoholgehal-             Bei den meisten Sekten geht man nicht von einem ein-
komplexen EU-Gesetzeswerk:                          ten > 10 Vol% und einem Flaschendruck         zigen Wein aus, sondern aus bis zu 80 Weinen verschiede-
                                                    > 3,5 atm bei 20 °C von Qualitätsschaum-      ner Traubensorten, Jahrgänge und Lagen wird eine Cuvée
Schaumweine mit zugesetzter Kohlen-                 wein. Zusätzlich muss bei Qualitäts-
                                                                                                  komponiert. Die hohe Kunst des Mischens (assemblage)
säure sind Weine, in die gasförmiges CO2            schaumwein die Herstellzeit im Groß-
unter Druck eingepresst wurde (Impräg-              raumverfahren mindestens 6 Monate (da-        wurde besonders von Dom Pérignon kultiviert, um in den
nierverfahren).                                     von 60 Tage auf der Hefe) und bei der Fla-    verschiedenen Jahren eine gleichbleibend gute Qualität zu
                                                    schengärung 9 Monate (davon 90 Tage           erreichen. Keineswegs gilt das Mischen verschiedener Wei-
Schaumweine aus einmaliger Gärung                   auf der Hefe) betragen.                       ne zur Sektherstellung als etwas Anrüchiges, im Gegenteil,
entstehen aus Trauben von Bukettsorten,                Ein Qualitätsschaumwein darf nur
                                                                                                  viele der besten und teuersten Champagner entstanden aus
die durch Unterbrechung der Gärung süß              dann als Champagner bezeichnet werden,
gehalten werden, dann in Flaschen abge-             wenn die Grundweine aus der Champagne         einer meisterlichen Cuvée.
füllt und verschlossen werden und an-               stammen und auch dort versektet wur-              Dem stillen Grundwein wird eine Fülldosage (liqueur
schließend in der Flasche durchgegoren              den. Außerhalb der Champagne werden           de tirage) zugegeben, eine Mischung von Hefe und Zucker.
werden. Typische Vertreter sind Asti spu-           Qualitätsschaumweine in Frankreich als        Nach Überführen in ein Druckgefäß (Drucktank oder Fla-
mante und Blanquette de Limoux [43].                Crémant, in Deutschland als Sekt, in Spa-
                                                                                                  sche) setzt die zweite Gärung ein. Die zugegebene Zu-
                                                    nien als Cava, in Italien als Spumante und
Schaumweine aus zweimaliger Gärung                  in der Ukraine als Krimskoje (Krimsekt)       ckermenge führt nach der Vergärung zur Erhöhung des Al-
werden nach Zucker- und Hefezugabe aus              bezeichnet.                                   koholgehalts um etwa 1,5 Vol% und zum Druckaufbau
durchgegorenen Grundweinen durch er-                                                              durch das entstandene Kohlendioxid. Am Ende der Gärung
                                                                                                  und nach einer längeren Reifezeit wird die Hefe abgetrennt.
                                                                                                  Zum Abschluss wird der Sekt mit einer Versanddosage ver-
                                                                                                  setzt, einer Mischung aus Zucker, Most und Wein, mit der
ABB. 4          D I E S Ü ß E VO N S E K T U N D C H A M PAG N E R
            |                                                                                     die Süße entsprechend den Kundenwünschen eingestellt
                                                                                                  wird (Abbildung 4).
                                                                                                      Sekt wird heute nach drei Verfahren hergestellt: Groß-
Vor der Flaschenabfüllung wird Sekt mit einer Versanddosage versetzt. Mit dieser
Mischung aus Wein, Most und Zucker wird die gewünschte Süße eingestellt. Die ent-                 raum- und Flaschengärung sowie das Transvasierverfahren.
sprechenden Attribute sind mit denen von Weinen nicht direkt vergleichbar, da infolge                 Großraumgärung: Der Grundwein wird in riesige
des höheren Säuregehalts ein Sekt bei gleichem Restzuckergehalt weniger süß schmeckt              druckfeste Edelstahlbehälter (Fassungsvermögen von
als der entsprechende Wein.                                                                       200 000 l und mehr) gefüllt und mit Hefe und Zucker ver-
                                                                                                  setzt. Während der einsetzenden Gärung und der an-
Attribute                                        Zuckergehalt [g/l]                               schließenden Reifung von mehreren Monaten liegt der
brut nature/naturherb                            0– 3                                             Sekt auf der Hefe und verbessert dabei seine sensorischen
Extra brut                                       3–6                                              Eigenschaften erheblich. Nach Abfiltrieren der Hefe wird
brut                                             bis 15                                           der Sekt auf Flaschen gezogen. Mit diesem Verfahren ar-
extra trocken                                    11–20                                            beiten die meisten Sektkellereien, da so große Mengen
sec(co)/trocken                                  17–35                                            qualitativ guter und dabei preiswerter Sekte hergestellt
demi sec/halbtrocken                             33–50                                            werden können.
doux/mild                                        über 50                                              Flaschengärung: Dies ist das klassische Verfahren zur
                                                                                                  Herstellung hochwertiger Sekte und des Champagners. Die

420       © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim                                www.chiuz.de                Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432
      |
Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
SEKT          K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H …
                                                                                          |

Zweitgärung erfolgt in flach liegenden, mit einem Kron-
korken verschlossenen Flaschen. Die Hefe liegt zunächst         ABB. 5       DIE TRADITIONELLE FLASCHENGÄRUNG
am Boden und muss nach der Vergärung und mehrmonati-
ger Reifung abgetrennt werden. Dies ist bei einer unter
                                                                         |
Druck stehen Flasche nicht einfach. Folgendes trickreiche       a)                                             b)
Verfahren hat sich bewährt: Die Flaschen werden in ein so
genanntes Rüttelpult schräg gelegt, wobei der Flaschenhals
nach unten zeigt. Nun wird die Flasche vielfach „gerüttelt“,
um die am Boden liegende Hefe von der Glaswand abzulö-
sen. Gleichzeitig wird die Flasche nach jedem „Rütteln“ um
1/8 Umdrehung gedreht und ein wenig steiler aufgestellt.
Nach etwa 21 Tagen steht die Flasche schließlich senkrecht
und die gesamte Hefe hat sich im Flaschenhals gesammelt
(Abbildung 5). Heute übernimmt in vielen Kellereien eine        c)                                       d)
Rüttelmaschine diese zeitaufwendige Handarbeit, allerdings
beschäftigen namhafte Sektkellereien noch immer speziali-
sierte Fachkräfte für diese Handarbeit.
    Zur Enthefung wird der Flaschenhals in ein Kältebad
von –20 °C eingetaucht, bis die Flüssigkeit um die Hefe im
Flaschenhals gefroren ist. Die Flasche wird kurz geöffnet
(degorgiert), so dass durch den Druck der Eispfropfen incl.
Hefereste herausschießt. Danach wird die Versanddosage
zugesetzt, mit der die Süße des Schaumweins eingestellt
                                                                e)                                        f)
wird. Schließlich wird die Flasche mit einem Korken aus Ei-
chenkork oder Kunststoff verschlossen und der Verschluss
mit einem zusätzlichen Draht (agraffe) gesichert.
    Das sehr arbeitsaufwendige Verfahren der Flaschengä-
rung nach traditioneller Art (méthode traditionelle) [9]
macht die Herstellung sehr teuer und wird deswegen nur
bei höherwertigen Produkten angewandt.
    Transvasierverfahren: In diesem Verfahren wird die
Großraum- mit der Flaschenvergärung kombiniert. Die
                                                                (a) In einer dickwandi-      g)                        h)
Zweitgärung selbst erfolgt zwar in Flaschen, die aber nicht
                                                                gen Flasche wird ein
degorgiert, sondern in große Edelstahltanks unter Druck         leichter Grundwein bzw.
entleert werden. Die aufwendige Abtrennung der Hefe             Verschnitt verschiedener
durch Filtration erfolgt aus dem Edelstahltank und schließ-     Weine (Cuvée) mit einer
lich werden die Flaschen abgefüllt. Die mit diesem Verfah-      Mischung aus Zucker
                                                                und Hefe (liqueur des ti-
ren hergestellten Sekte dürfen mit dem Hinweis „im Fla-
                                                                rage) versetzt. (b) Die
schengärverfahren hergestellt“ deklariert werden.               Flaschen werden mit ei-
                                                                nem provisorischen
   Sekt oder Champagner, das ist hier die Frage!                Kronkorken verschlos-
     Der Champagner ist der unbestrittene König aller schäu-    sen. (c) Die verschlossenen Flaschen werden zur Vergärung waagerecht gelegt, da-
                                                                mit die Flüssigkeit guten Kontakt zur Hefe hat. (d) Am Ende der Vergärung bleibt
menden Weine. Der Wein darf nach den strengen Regeln
                                                                der Sekt während einer mehrmonatigen Reifezeit „auf der Hefe stehen“. Der dabei
der „Appelation d’Origine Contrôlée“ nur aus der Cham-          erfolgende Abbau der Hefereste führt zu einer wesentlichen Aromaverbesserung
pagne rund um Reims stammen und „Champagner“ muss               des Sekts. (e) Nach mindestens sechsmonatiger Alterung werden die Flaschen mit
dort nach einem festgelegten Verfahren hergestellt worden       dem Hals nach unten in ein Rüttelbrett gestellt und immer wieder über einige Zeit
sein. Der Begriff ist streng geschützt (Abbildung 6).           gerüttelt und jeweils um etwa eine Achtel Umdrehung gedreht. (f) Beim Rütteln lö-
                                                                sen sich die Hefereste von der Innenwand der Flaschen und setzen sich im Flaschen-
     Um die hohe Qualität aller Champagner zu gewähr-
                                                                hals ab. Während der Rüttelung wird die Flasche schrittweise immer steiler aufge-
leisten, muss jeder Hersteller einer Vielzahl von detaillier-   stellt, so dass sich am Ende die gesamte Hefe im Flaschenhals als Bodensatz ange-
ten Herstellungsvorschriften folgen, so dass Champagner         sammelt hat. (g) Nach dem Eintauchen des Flaschenhalses in ein –20 °C Kältebad
das wohl am strengsten kontrollierte Getränk überhaupt          wird die Flüssigkeit um die Hefereste eingefroren und beim Öffnen des Kronkor-
ist. Hier eine kleine Auswahl dieser Vorschriften:              kens schießt der Eispfropfen mitsamt der Hefe aus der Flasche (degorgieren).
                                                                (h) Zum Abschluss wird die Versanddosage zugesetzt, eine Mischung aus Zucker,
– Das genau abgegrenzte Anbaugebiet umfasst seit 1927
                                                                Most und Wein, mit der die Süße des Endprodukts eingestellt wird. Zu guter Letzt
     nur 36.000 Hektar.                                         wird die Flasche mit einem Korken verschlossen.
– Dem Prinzip „Qualität vor Quantität“ folgend wird jedes       [Fotos: wikimedia commons (d), Sektkellerei Dirk Kessler, Wintrich, Mosel (a–c, e–h)]
     Jahr die maximale Traubenmenge je Hektar festgelegt.

Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432               www.chiuz.de                © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
                                                                                                                                            | 421
Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
Abb. 6 Cham-                                                                           –   Nur mit Hand geerntete, in der Champagne gewachse-
pagner und der                                                                             ne Trauben der Sorten Chardonnay, Pinot Noir (Spät-
Versailler Vertrag                                                                         burgunder) und Pinot Meunier (Schwarzriesling) dürfen
von 1919
                                                                                           für den Grundwein verwendet werden [10].
                                                                                       – Aus 160 kg Trauben dürfen maximal 100 L Most ausge-
                                                                                           presst werden. Die Pressung muss schnell und scho-
                                                                                           nend erfolgen, damit die in der Schale befindlichen ro-
                                                                                           ten Farbstoffe der beiden Pinots nicht in den Most dif-
                                                                                           fundieren.
                                                                                       – Nach der dreiwöchigen Vergärung muss der Champag-
                                                                                           ner mindestens 15 Monate auf der Hefe stehen, bei Jahr-
                                                                                           gangs-Champagnern sogar drei Jahre.
                                                                                       Kein Wunder, dass dieser große Aufwand seinen Preis hat.
                                                                                       Da die jährliche Traubenernte gesetzlich begrenzt wird,
                                                                                       können maximal 350 Millionen Champagner-Flaschen im
                                                                                       Jahr hergestellt werden. Wegen der langen Reifungszeiten
                                                                                       lagern in den Kellern der Champagner-Häuser schätzungs-
                                                                                       weise 1,5 Milliarden Flaschen. Zwischen den verschiede-
                      Die beiden Artikel 274 und 275 des Vertrages von Versailles
                                                                                       nen Champagnern gibt es große Qualitätsunterschiede, die
                      werden als Champagner-Paragraphen bezeichnet. Darin „[...]
                      verpflichtet sich Deutschland zur Beachtung der Gesetze [...],   sich in einer nach oben recht offenen Preisskala ausdrü-
                      die in einem alliierten oder assoziierten Lande in Kraft sind    cken. Neben Champagner-Raritäten, die auf Auktionen vier-
                      [...] und die das Recht einer örtlichen Herkunftsbezeichnung     bis fünfstellige Eurobeträge erreichen (pro Flasche!), be-
                      für Weine oder Spirituosen festsetzen [...].“ Mit anderen Wor-   kommt man aber schon für 150 1 etwas Ordentliches, z.B.
                      ten: Die in Frankreich seit 1883 geltenden gesetzlich ge-
                                                                                       eine Flasche Champagne Krug Grande Cuvée, der 6 Jah-
                      schützten Herkunftsbezeichnungen für „Champagner“ und
                      „Cognac“ galten auch in Deutschland. Seitdem werden ver-         re auf der Hefe gestanden hat und den der Wein-Guru Ro-
                      gleichbare Produkte in Deutschland als „Sekt“ bzw. „Wein-        bert Parker mit „kraftvoll, ausdruckstark, verwegen und
                      brand“ bezeichnet werden. [Gemälde von William Orpen, Bild-      überbordend“ beschreibt und von den „kräftigen, fruchti-
                      quelle: wikimedia commons]                                       gen, würzigen Aromen und der immensen Tiefe“
                                                                                       schwärmt. Und die besonders feine und beständige perla-
Abb. 7 Sebastian
Vettel und Mark
                                                                                       ge soll „grandios“ sein!
Webber im Cham-                                                                            Es muss aber nicht immer Champagner sein. Auch au-
pagner-Moment                                                                          ßerhalb der Champagne werden hervorragende Produkte
                                                                                       nach dem gleichen Verfahren hergestellt, nur sie müssen an-
                                                                                       ders benannt werden: Crémant in Frankreich, Sekt in
                                                                                       Deutschland, Cava in Spanien, Spumante in Italien und
                                                                                       Krimskoje (Krimsekt) in der Ukraine. Letztlich entscheidet
                                                                                       nicht das Flaschenetikett über die Qualität, sondern die Zun-
                                                                                       ge und Nase des Verbrauchers. Eine von der Zeitschrift
                                                                                       „Stern“ 2007 durchgeführte große Blindverkostung von über
                                                                                       300 internationalen Sekten und Champagnern (Flaschen-
                                                                                       preise < 60 1) ergab ein interessantes Bild. Zwar waren es
                                                                                       vier Champagner (Flaschenpreis um die 50 1), die mit mehr
                                                                                       als 88 von 100 möglichen Punkten mit Gold ausgezeichnet
                                                                                       wurden, jedoch tauchten unter den mit Silber bewerteten
                                                                                       Produkten auch einige deutsche Erzeugnisse auf, u.a. ein
                      Das Schütteln und Öffnen einer lauwarmen Magnum-Flasche          Sekt Cabinet extra trocken der Sektkellerei Kessler in Ess-
                      Sekt oder Champagner und das anschließende Duschbad              lingen, der mit einem Flaschenpreis von 7,20 1 viele, we-
                      scheint ein unverzichtbares Ritual nach Autorennen zu sein.
                                                                                       sentlich teurere Champagner mit klangvollen Namen hinter
                      Am 19. April 2009 zelebrierten die beiden Bestplatzierten
                      nach dem Grand Prix von China in Shanghai diese aus Sicht        sich ließ [11]. Für den Novizen gilt wie bei allen Genüssen:
                      eines Genießers unsinnige Barbarei. Aus physikalisch-chemi-      Probieren geht über Studieren. Aber Achtung! Auch in größ-
                      scher Sicht ist dieses Ritual jedoch hochinteressant, denn       ter Sektlaune kann kritische Aufmerksamkeit nicht schaden:
                      durch das kräftige Schütteln wird nicht etwa der Druck in der    Bei einer Schaumweinsteuer von 1,02 1 je Flasche freut sich
                      Flasche von etwa 7–8 atm erhöht, sondern es bilden sich beim
                                                                                       der Finanzminister über jede getrunkene Flasche. Wieviel
                      Schütteln unzählige kleine Gasbläschen in der Flüssigkeit,
                      über deren Grenzfläche nach Öffnen der Flasche das CO2 ra-       Qualität kann aber ein Verbraucher von einer Flasche er-
                      sant in die Gasphase übertritt und für das beeindruckende        warten, die beim Discounter für 2,29 1 inkl. Mehrwert- und
                      Sprudelbad sorgt. [Foto: redbull technology]                     Sektsteuer über den Ladentisch geht?

422       © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim                   www.chiuz.de                  Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432
      |
Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
SEKT          K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H …
                                                                                             |

    Öffnen einer Flasche Sekt – Eine Frage von
    Kultur und Thermodynamik                                    M A DA M E L I LY B O L L I N G E R
Sekte verlassen die Kellerei ausgereift, ihre Qualität ver-
bessert sich also nicht mit der Lagerzeit, da der CO2-Druck
                                                                                                      |
unweigerlich abnehmen muss. Flaschen mit Naturkorken            Madame Lily Bollinger, die damalige Besitzerin des
können liegend 8–10 Jahre, mit Kunststoffkorken etwa 2          gleichnamigen Sekthauses, stellte am 17.Oktober
Jahre stehend zwischen 10–15 °C und unbedingt dunkel            1961 in London den 1955er Jahrgang vor. Auf die Fra-
                                                                ge eines Reporters vom Daily Mail, zu welchen Gele-
aufbewahrt werden.                                              genheiten sie denn Champagner trinke, antwortete
    Zum richtigen Öffnen einer Flasche Sekt oder Cham-          sie: „Ich trinke ihn, wenn ich fröhlich bin und wenn ich
pagner braucht man nur ein paar Regeln zu beachten und          traurig bin. Manchmal trinke ich davon, wenn ich al-
seinen gesunden Menschenverstand zu benutzen. Sekte soll-       lein bin, und er darf nicht fehlen, wenn ich in Gesell-
ten mit 6–8 °C serviert werden, bei zu tiefen Temperaturen      schaft bin. Wenn ich keinen Hunger habe, mache ich
                                                                mir mit ihm Appetit, und wenn ich hungrig bin, lasse
entwickelt sich kein Aroma und in der Wärme verliert je-        ich ihn mir schmecken. Sonst aber rühre ich ihn nicht
der eingeschenkte Sekt schnell an Frische und wird schal.       an, außer wenn ich Durst habe.“
Die Flasche kommt in aller Regel aus dem Kühlschrank und
sollte dort bereits einige Stunden ruhig gestanden haben.
Beim und nach dem Herausnehmen sollte die Flasche mög-
                                                                ABB. 8        D R U C K U N D L Ö S L I C H K E I T VO N CO 2 I N E I N E M M O D E L L- S E K T
lichst wenig bewegt und schon gar nicht geschüttelt wer-
den, denn das Ziel ist ja nicht ein gewaltiger Knall oder das
Überschäumen des halben Flascheninhalts, sondern nur ein
                                                                          |   (12,5 % ETHANOL, 10 G/L ZUCKER)

leises „Plopp“, damit möglichst viel des herrlichen Getränks
                                                                In einer handelsüblichen Flasche (0,75 L) Sekt oder Champagner herrscht bei
im Glas und nicht auf dem Teppich landet. Wie alles falsch      10 °C ein CO2-Druck von etwa 5,6 atm, was einer gelösten CO2-Gesamtmenge von
gemacht werden kann, demonstrieren uns die Sieger jedes         etwa 9,5 g je Flasche entspricht. Nach dem Öffnen der Flasche sinkt der CO2-
Formel-1-Rennens (Abbildung 7). Ein perfekter Gastgeber         Druck auf 1 atm und die Löslichkeit beträgt nur noch 1,7 g (bei 10 °C), d.h. es
macht es so:                                                    müssten knapp 8 g CO2 schlagartig freiwerden. Diese CO2-Menge entspricht
                                                                einem Volumen von 4 L, immerhin das Fünffache des Flaschenvolumens.
– Die gekühlte Flasche vorsichtig aus dem Eiskübel neh-
    men und mit einer Serviette abtrocknen und dem (in-
                                                                T °C               Henrys Konstante kH                 Druck in einer Sektflasche
    teressierten) Gast das Etikett zeigen.
                                                                                   [kgm–3atm–1]                        P [bar]           P [atm]
– Die Flasche mit einer Hand etwa um 45° neigen und
                                                                0                  2,98                                4,0                     4,1
    dann mit der anderen Hand zunächst die Stanniolkap-
                                                                5                  2,49                                4,7                     4,8
    pe öffnen und die Schleife des Drahtkorbes aufdrehen.
                                                                10                 2,07                                5,6                     5,7
    Dabei den Korken nie in Richtung von Personen rich-
                                                                15                 1,73                                6,7                     6,8
    ten.
                                                                20                 1,44                                8,0                     8,1
– Den Drahtkorb aufweiten und mitsamt der Stanniol-
                                                                25                 1,21                                9,5                     9,6
    kappe entfernen. Häufig löst sich schon jetzt der Kor-
    ken und muss beim Herauskommen mit dem Daumen
    fixiert werden. Meist aber muss der Korken durch Dre-
    hen gelöst werden, im Notfall hilft eine Korkenzange
                                                                ABB. 9        T H E R M O DY N A M I K D E S
    oder ein Nussknacker. Ziel ist nur ein sanftes, kaum hör-
    bares Seufzen beim Öffnen der Flasche, niemals ein lau-
    tes „Plopp“, denn: Was das Ohr gewinnt, geht dem
                                                                          |   ÖFFNENS EINER SEKTFLASCHE

    Gaumen verloren [12].
                                                                Beim Öffnen expandiert das gasförmige CO2 im
Die thermodynamische Ausgangslage einer geschlossenen           Flaschenhals schlagartig und der Druck sackt
und gekühlten Sektflasche scheint übersichtlich: Durch den      von 5 auf 1 atm ab. Dies führt zur Abkühlung des
Innendruck von etwa 5,5 atm (bei 10 °C) ist der größte Teil     ausströmenden CO2. Eine Kurzzeitaufnahme
des bei der Zweitgärung entstandenen Kohlendioxids im           zeigt eindrucksvoll, wie dadurch die in der Um-
Sekt gelöst. Für die Verteilung des CO2 zwischen dem etwa       gebungsluft enthaltene Feuchtigkeit zu einem
                                                                weißen Rauch aus Eiskristallen gefriert. Wer hät-
15 mL großen Gasraum und der Flüssigkeit gilt das Henry-        te gedacht, dass uns das Öffnen einer Sektflasche
Daltonsche Gesetz (2). Danach ist die Löslichkeit eines Ga-     solch tiefe Einblicke in die Thermodynamik er-
ses in einer Flüssigkeit proportional zum äußeren Druck         möglicht. [Foto: Hinnerk Rümenapf, Hamburg,
des Gases:                                                      http://ruemenapf.de]

csekt = kH · pext                                        (2)

In der gekühlten Sektflasche (V = 0,75 L) sind bei 10 °C und
5,6 atm etwa 9,5 g Kohlendioxid gelöst (Abbildung 8) [8,13].

Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432               www.chiuz.de                   © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
                                                                                                                                                      | 423
Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
Nach Öffnen der Flasche müssten aus thermodynamischer
E I N E F L A S C H E C H A M PAG N E R                                                         Sicht schlagartig 8 g CO2 entsprechend gut 4 L gasförmi-
                                          |                                                     ges Kohlendioxid aus der Flüssigkeit freigesetzt werden,
                                                                                                immerhin das Fünfeinhalbfache des Flaschenvolumens.
                            Die chemische Natur und relative Menge der Hauptbestand-            Glücklicherweise passiert dies nicht, denn dabei würde der
                            teile in einer Flasche Champagner sagen nur wenig über den          gesamte Sekt herausschießen.
                            zu erwartenden Hochgenuss. Den Unterschied zwischen ei-                 Gehen wir bei unserer Analyse schrittweise vor. Be-
                            nem Billig- und einem Spitzensekt machen eben nur geringe
                            Konzentrationsunterschiede von bestimmten erwünschten
                                                                                                trachten wir zunächst nur die ca. 15 mL gasförmiges Koh-
                            oder gerade nicht erwünschten Aromastoffen einerseits und           lendioxid, die bei 10 °C unter einem Druck von 5,5 atm im
                            einer gelungenen Balance zwischen Süße und Säurespiel an-           Flaschenhals stehen. Ein thermodynamisch übersichtliches
                            derseits aus. Um diese aus chemisch-analytischer Sicht nur          Flaschenöffnen sähe so aus, dass der Korken entlang eines
                            scheinbar geringen Nuancen mühen sich Winzer und Keller-            sehr langen Flaschenhalses rutschen kann. Der Korken soll
                            meister Monate und Jahre ab, beginnend mit der sorgfältigen
                            Auswahl der Trauben, der Vergärung und Auswahl und Mi-
                                                                                                sich dabei reibungslos solange nach oben bewegen, bis der
                            schung der Grundweine und die anschließende Zweitgärung.            Druck im Flascheninneren so groß ist wie der Außendruck
                            Vor allem eine lange Standzeit auf der Hefe hat großen Ein-         von 1 atm. In diesem Fall leistet das sich von 5,5 auf 1 atm
                            fluss auf das Aroma, denn bei der langsamen Zersetzung der          ausdehnende Kohlendioxid gegen den Außendruck P1 eine
                            Hefe entstehen hochgeschätzte Aromakomponenten [38].                Volumenarbeit. Von w = P1(V2 – V1), wobei V2 das Volumen
                               Welcher Sekt oder Champagner der Beste ist, darüber strei-
                            ten sich die Fachleute seit Jahrhunderten. Für viele Kenner gel-
                                                                                                nach der Expansion und V1 = 15 mL das Volumen vor der
                            ten Champagner von Krug als das Beste vom Besten, vor al-           Expansion bedeutet. Für eine dicke Sektflasche können wir
                            lem die sorgfältig hergestellten und viele Jahre auf Hefe lie-      mit ruhigem Gewissen annehmen, dass sie so gut isoliert,
                            genden Jahrgangs-Champagner und die Krug-Collection. Der            dass zwischen dem inneren Gas und der Außenwelt kein
                            Beste unter den Besten ist der 1928er Krug Collection Cham-         Wärmeaustausch stattfindet. Für diesen als adiabatische Ex-
                            pagner. Nach Kennermeinung besticht er durch seine tiefgol-
                            dene Farbe und sein andauerndes Perlenspiel. Sein komplexes
                                                                                                pansion bezeichneten Vorgang gilt nach den Gesetzen der
                            Aroma mit starken Karamel-, Biskuit- und Honignoten ist ein-        Thermodynamik [14]:
                            zigartig und mündet in einem mehrere Minuten andauernden
                            Abgang. Kein Wunder, dass der teuerste auf Weinauktionen            P1/P2 = (V2/V1)m                                          (3)
                            versteigerte Champagner ein 1928er Krug war. Am 28. März
                            2009 erzielte eine einzige(!) Flasche den Rekordpreis von
                            15.900 2.
                                                                                                wobei m = Cp/Cv der Quotient aus den molaren Molwär-
                                                                                                men bei konstantem Druck und konstantem Volumen
                                                                                                (mCO2 = 1,30) ist. Bei einer Druckänderung von 5,5 auf
                                                                                                1 atm dehnt sich das CO2-Volumen nach Gleichung (3) von
Verbindung                                    Menge [g] je                                      V1 = 15 mL auf V2 = 52 mL aus. Die dabei nach außen ge-
                                              0,75 l Flasche [8]                                leistete Volumenarbeit geht dem System verloren und führt
Ethanol                                       75                                                zu einer Abkühlung des CO2. Es gilt:
CO2                                           7,5–9,0
Glycerin                                      3,8                                               T1/T2 = (P 1/P2)(m–1)/m
Weinsäure                                     1,9–3,0
Milchsäure                                    3,0                                               In unserem Fall gilt (T1/T2) = (5,5)0,23 = 1,48. Somit würde
Zucker                                        7,5–38                                            die CO2-Temperatur nach dem Expandieren theoretisch
Proteine                                      0,004–0,008                                       auf T2 = 191 K absinken, was einer Temperaturerniedri-
Polysaccharide                                0,15                                              gung auf –82 °C entspricht. Dieses Ergebnis wurde unter
Polyphenole                                   0,08                                              stark idealisierten Vereinfachungen abgeleitet, so dass die
Aminosäuren                                   0,0006–0,0015                                     Abkühlung viel zu groß ausfällt [15]. Der deutlich erkenn-
flüchtige organische Verbindungen             0,53                                              bare weiße Nebel bzw. Rauch zeigt aber, dass die Abküh-
Lipide                                        0,08                                              lung ausreicht, das in der Umgebungsluft enthaltene Was-
Kalium                                        0,15–0,3                                          ser zum Kondensieren bzw. Gefrieren zu bringen (Abbil-
Calcium                                       0,05–0,1                                          dung 9).
Magnesium                                     0,04–0,08
Sulfat                                        0,15                                                 „Ich will Champagner Wein,
Chlorid                                       0,008                                                Und recht moussierend soll er sein!“ [16]
                                                                                                Nach dem Öffnen riecht der aufmerksame Gastgeber un-
pH-Wert                                       3,5                                               auffällig an der Unterseite des Korkens, um sich zu verge-
Viskosität [18]                               1,5x10–3 [kg m–1s–1]                              wissern, dass ihm kein verdorbener Geruch anhaftet. Dann
Oberflächenspannung                           50 [mN m–1]                                       wird der 6–8 °C kalte Sekt in zwei, drei Schritten in die Glä-
                                                                                                ser eingegossen, die jedoch höchstens zu 2/3 gefüllt wer-
                                                                                                den dürfen, damit noch genügend Raum zur Aromaentfal-

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Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
SEKT          K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H …
                                                                                                  |

tung bleibt. Hierbei stellt sich die Frage, in welcher Glas-          Die schwere Geburt einer Sektperle
form der Sekt oder Champagner sein Aroma am besten ent-            Nach dem Abklingen der Turbulenzen beim Eingießen steht
falten kann (Abbildung 10). Ziel ist es einerseits, dass der       nun das gut halbgefüllte Glas vor uns. Zwar verlässt von
Sekt lange seine Frische im Glas behält, d.h. nicht schnell        uns unbemerkt ein Teil des CO2 die übersättigte Lösung
warm oder schal wird und andererseits wollen wir das Aro-          durch den direkten Übergang über die Flüssigkeitsoberflä-
ma so vollständig wie möglich mit unserem Geruchssinn er-          che in die Gasphase, aber ein anderer Teil beschert uns
fassen. Wägen wir die beiden gebräuchlichsten Glasformen,          beim Phasenübergang ein von uns hochgeschätztes Schau-
Tulpe und Glas, in Hinblick auf ihre Eignung gegeneinan-           spiel. An einigen Stellen, sowohl an der Glaswand als auch
der ab. Die Sektschale ist wegen ihrer Eleganz seit Jahr-          mittendrin im Sekt, bilden sich scheinbar aus dem Nichts
hunderten eng mit Champagner verbunden und die Form                in regelmäßigen Abständen winzige Bläschen, die langsam
soll angeblich den Brüsten von Marie-Antoinette nachge-
bildet worden sein, der Frau von Louis XVI [17]. Die Sekt-
schale hat eine Oberfläche von ungefähr 60 cm2 und die
Füllhöhe im Glas liegt bei etwa 2,9 cm (Abbildung 10). Die
Sekttulpe hat eine kleinere Flüssigkeitsoberfläche von nur
20 cm2 bei einer Füllhöhe von etwa 7,4 cm. Wie wirkt sich
das aus?
     Zunächst fördert eine größere Oberfläche den für uns
unsichtbaren direkten Übergang des CO2 in die Atmosphä-
re. Für die Netto-Geschwindigkeit vT des CO2-Stofftrans-
ports über die Grenzfläche gilt:

vT = kT · O · (σ–1)                                         (4)

wobei O die Größe der Flüssigkeits-Gas-Grenzfläche und σ
= (cübersätt/cgesätt) der Übersättigungsquotient und kT der cha-
rakteristische Transportkoeffizient ist. Gleichung (4) offen-      Abb. 10 Tulpe oder Schale, das ist beim Sekt die Frage!
bart, dass der CO2-Verlust aus einer Sektschale etwa dreimal       Einen großen Teil des CO2 verliert der Sekt im Glas durch
so groß sein sollte wie der aus einer Sekttulpe.                   direkten Übergang aus der Flüssigkeit in die Gasphase. Dieser
     Auf der anderen Seite steigen die Bläschen in einer Sekt-     Gasverlust nimmt mit der Größe der Oberfläche zu. Sekt-
                                                                   liebhaber bevorzugen daher die Sekttulpe, in der sich auch
schale maximal 3,0 cm, in einer Tulpe aber 7,5 cm. Der hö-
                                                                   das Aroma besser entfalten kann.
here Aufstieg der Bläschen führt zu einem linearen Zuwachs
des Radius, so dass die in einer Sekttulpe länger nach oben
steigenden Bläschen mehr CO2 in die Umgebung transpor-
tieren als in der Sektschale. Messungen von Liger-Belair ha-
ben gezeigt [18], dass der CO2-Verlust tatsächlich in der
                                                                   ABB. 11
                                                                             |    T H E R M O DY N A M I K U N D K I N E T I K
                                                                                  DER BLASENBILDUNG

Sektschale höher ist als in der Tulpe, allerdings nicht um                   GG
den Faktor drei, sondern zwischen 1,6–2,5.
     Auch sensorische Überlegungen sprechen für den                        ∆G*
Kelch. Durch die größere Oberfläche der Schale können                              übersättigte Lösung
dort Aromastoffe unbemerkt, also an der Nase vorbei in die
                                                                    ∆G = RT lnσ
Umgebungsluft gelangen. In der Tulpe sammeln sich die
abdampfenden Bukettstoffe in dem Glas und erlauben es,
den Sekt gleichzeitig(!) auf der Zunge und in der Nase sen-
                                                                                                                   gesättigte Lösung
sorisch zu erfassen. Mit anderen Worten: Sektschalen eig-
nen sich hervorragend zum Anrichten von Krabbencocktails                                                 dkrit                   d
oder Desserts, vielleicht auch für üppig dekorierte Cock-                                      kritische Bläschengröße
tails, aber nicht für Sekt oder Champagner.
                                                                   Das Schalwerden eines mit CO2 übersättigten Sekts gibt die
     Entgegen jeder Vernunft rühren manche Banausen mit            Thermodynamik gnadenlos vor: Das CO2 muss praktisch voll-
einem meist aus Silber gefertigten und entsprechend teuren,        ständig in die Umgebungsluft übergehen. Glücklicherweise
schneebesenähnlichen Sektquirl tatsächlich die Kohlen-             wird Sekt nicht schlagartig schal, da die Blasenbildung durch
säure heraus, die die Sektkellereien mit unendlich viel Auf-       eine Aktivierungsenergie in ihrer Geschwindigkeit stark ge-
                                                                   bremst wird. Ein Bläschen kann nur wachsen und aufsteigen,
wand und Liebe über Jahre hineingezaubert haben. Wie
                                                                   wenn es eine kritische Mindestgröße erreicht hat, die etwa
beim Sektbad von Formel-1-Siegern (Abbildung 7) müsste             bei etwa 1 μm liegt. Es ist die energieaufwendige Bildung die-
solch grober Unfug mit Sekt- und Champagnerverbot nicht            ser kritischen Blasengröße, die uns erlaubt, das Glas Sekt in
unter fünf Jahren ohne Bewährung bestraft werden.                  Ruhe zu schlürfen. Hoch lebe die Aktivierungsenergie!

Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432                  www.chiuz.de                     © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
                                                                                                                                                | 425
Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
aufsteigen, dabei größer werden und die dann an der Ober-               tigten Lösung [19]. Das System strebt grundsätzlich einem
                         fläche schließlich zerplatzen. Ein immer wieder faszinie-               Gleichgewichtszustand zu und gibt aus der übersättigten
                         rendes Perlenspiel, dessen naturwissenschaftliche Basis wir             Lösung solange CO2 ab, bis eine gesättigte Lösung vorliegt
                         im Folgenden ergründen wollen.                                          [20]. Es gilt:
                             Die Triebkraft der Blasenbildung ist der Energieunter-
                         schied ΔG zwischen einer mit CO2 über- und einer gesät-                 ΔG = Ggesätt – Gübersätt = – RT lnσ                        (5)

                                                                                                 wobei R die Gaskonstante, T die absolute Temperatur und
ABB. 12         H E T E RO G E N E B L A S E N B I L D U N G I M S E K TG L A S                  σ = (cübersätt/cgesätt) der Übersättigungsfaktor ist. Der Über-
            |                                                                                    sättigungsfaktor einer üblichen Sektflasche beträgt direkt
                                                                                                 nach dem Öffnen etwa 5,5.
                                                                                                      Nehmen wir an, wir hätten schon eine kleine Mikro-
                                                                                                 blase des Volumens VMb = (4/3)πr3 vorzuliegen, dann hät-
                                                                                                 te sich die Übersättigung des Sekts verringert, d.h. die freie
                                                                                                 Enthalpie des Systems (Sekt + Mikrobläschen) nimmt ab;
                                                                                                 dabei ist Vmol das Molvolumen (22,4 L unter Normalbe-
                                                                                                 dingungen).

                                                                                                 ΔgMb = – (4πr3/3Vm) RT lnσ

                                                                                                 Auf der anderen Seite musste zur Erzeugung des Mikro-
                                                                                                 bläschens eine neue Oberfläche gebildet werden, ein ener-
                                                                                                 gieverbrauchender Vorgang, die freie Enthalpie des Sys-
                                                                                                 tems (Sekt + Mikrobläschen) nimmt zu. Die aufzubrin-
                                                                                                 gende Oberflächenenergie entspricht dem Produkt aus
                                                                                                 Oberfläche Ok = 4πr2 und Oberflächenspannung γ. Ins-
                                                                                                 gesamt ergibt sich bei der Bildung einer einzigen Mikro-
                                                                                                 blase:

                                                                                                 ΔgMb = – (VMb/Vmol) RT lnσ + Ok γ
                                                                                                 = – (4πr3/3Vmol) RT lnσ + 4πr2γ                            (6)

                                                                                                 Der erste, negative Term begünstigt, der zweite, positive be-
                                                                                                 hindert die Blasenbildung. Bei kleinem Blasenradius steigt
                                                                                                 ΔgMb zunächst an, da die Menge des gasförmigen CO2 rela-
                                                                                                 tiv klein, die Oberfläche aber relativ groß ist. Mit zuneh-
Eine für uns sichtbare CO2-Blase kann in          Glas. Diese Fasern sind zylindrische, etwa     mender Blasengröße wächst der erste, negative r3-Term
übersättigtem Sekt nur aus einer Mikrobla-        100 μm lange Röhrchen mit einem Durch-         schneller, bis schließlich ΔgMB wieder abnimmt. Das Maxi-
se mit einer kritischen Größe entstehen,          messer von 10–20 μm. Chemisch bestehen
                                                                                                 mum wird bei der kritischen Blasengröße rk durchlaufen
mit einem Radius von etwa 1 μm. Nur Bla-          diese Röhrchen aus Cellulose, einer Polyglu-
sen dieser Größe können durch Aufnahme            cose. Der Sekt dringt infolge der Kapillar-    [21] (Abbildung 11).
von CO2 weiter wachsen. In Sekt können            kräfte in die Röhrchen ein und benetzt die
sich solche Mikroblasen nicht spontan,            hydrophile Innenfläche. Da der Sekt von        rk = 2 γ Vmol/(RT lnσ)                                     (7)
sondern nur mit Hilfe einer geeigneten            beiden Seiten eindringt, werden kleine Luft-
Oberfläche bilden. Im Sektglas geschieht          bläschen eingeschlossen. In diese Luftbläs-
                                                                                                 Aus Gleichung (7) ergibt sich der kritische Radius für ein
dies auf zweierlei Wegen.                         chen kann nun aus dem übersättigten Sekt
   oben: In kleinen Vertiefungen (Kratzern)       CO2 eindiffundieren und es kommt zu einer      Sektbläschen bei einem Überdruck von 5,5 atm und γsekt =
in der Glasinnenwand sind kleine Luftbla-         Volumenzunahme bis sich schließlich an ei-     0,05 N/m zu rk = 0,6 μm. Es konnte gezeigt werden, dass
sen eingeklemmt, die durch die nur leichte        nem Ende ein Bläschen abtrennt und auf-        die spontane Bildung solcher kritischen CO2-Bläschen einen
Krümmung an der Grenzfläche einen Radi-           steigt. Der zeitliche Abstand zwischen den     CO2-Druck von über 1000 atm voraussetzen würde [22]. Mit
us oberhalb der kritischen Größe besitzen.        Bildern beträgt 200 ms, zwischen Bild 5
                                                                                                 anderen Worten: Es gibt keine spontane homogene Bla-
Unter diesen Umständen kann CO2 in die            und 6 liegt nur 1 ms. Der Balken markiert
Blase eindiffundieren, diese wächst und           eine Länge von 50 μm [44].                     senbildung in Sekt oder Champagner.
löst sich schließlich ab, wobei ein Gasrest          unten rechts: Bei gegebenen Geometrien          Eine Bläschenbildung kann nur an festen Oberflächen,
in der Vertiefung verbleibt und das Schau-        des Celluloseröhrchens und konstantem          also heterogen stattfinden. Experimentell konnte gezeigt
spiel erneut beginnen kann.                       Druck lösen sich Blasen uhrwerkähnlich, in     werden, dass an glatten hydrophoben oder hydrophilen
   unten links: Durch Staub oder durch            konstantem zeitlichen Abstand ab und es
                                                                                                 Oberflächen auch bei hohen Übersättigungen keine Bläs-
kräftiges Abtrocknen mit einem Handtuch           entstehen die geschätzten Perlenschnüre.
gelangen kleine Baumwollfasern in das             Der Balken markiert eine Länge von 50 μm.      chenbildungen stattfinden [23]. Dies überrascht nicht, denn
                                                                                                 es ist lange bekannt, dass sich Blasen im Sekt bevorzugt an

426       © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim                              www.chiuz.de                  Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432
      |
Sekt, Champagner & Co - So prickelnd kann Chemie sein
SEKT              K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H …
                                                                                                    |

Kratzern in der inneren Glasoberfläche von Trinkgläsern        Sekt in das Bläschen eindiffundiert (Abbildung 13). Die zeit-
bilden. Glashersteller nutzen dies gestalterisch und erzeu-    liche Zunahme der CO2-Moleküle (dN/dt) im Bläschenin-
gen durch Aufrauhung (Laser und Einritzen) der Glasober-       neren hängt vom CO2-Sättigungsfaktor ab und ist propor-
fläche so genannte Moussierpunkte, durch die sich ein äs-      tional zum Diffusionskoeffizienten D und zur Blasenober-
thetisch besonders ansprechendes Perlenspiel erzeugen          fläche A [26], wobei w von einer Reihe von den Strö-
lässt. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass die Blasenbil-    mungsparametern abhängt [27].
dung nicht an Spitzen und Graten, sondern nur an Ein-
schnitten und kleinen Vertiefungen in der festen Oberflä-      dN/dt = w D (σ – 1) A                                                      (10)
che beginnt (Abbildung 12).
    Besonders häufig beobachtet man aber in einem Sekt-        Durch die Zunahme der Teilchenzahl N vergrößert sich das
glas, dass irgendwo inmitten der Flüssigkeit Bläschen„quel-    Volumen und aus dem allgemeinen Gasgesetz pV = N kT er-
len“ zu existieren scheinen, aus denen uhrwerkgleich stän-     gibt sich (k = Boltzmann Konstante):
dig kleine Bläschen auftauchen, nach oben aufsteigen und
dabei größer werden. Auch hier findet eine heterogene Bla-     dN/dt = (P/kT) (dV/dt) = (P/kT) 4πr2 (dr/dt)                               (11)
senbildung statt, jedoch sind dabei in Cellulosefasern ein-
geschlossene Luftblasen Ausgangspunkte der Bläschenbil-        Aus den Gleichungen (10) und (11) folgt für die zeitliche
dung. Die Cellulosefasern können ein Staubbestandteil sein,    Änderung des Radius des wachsenden Bläschens insgesamt:
aber vor allem stammen sie aus Geschirrhandtüchern, mit
denen die Gläser abgetrocknet werden [24].                     (dr/dt) = w D (σ – 1) (kT/P)

   Der unaufhaltsame Aufstieg einer Sektperle
In Wasser (Dichte: ρw =1,00 g/mL) wirkt auf ein Gasbläs-
chen (Durchmesser d) die Auftriebskraft [25]
                                                                 ABB. 13           I M G L A S AU F S T E I G E N D E S E K T PE R L E N
FA = m · g = (π/6) · ρw · g ·   d3                                             |
wobei g = 9,81 m · s–2 die Erdbeschleunigung ist. Beim Auf-      Im Sektglas steigen die Gasperlen aus einer für uns un-
                                                                 sichtbaren „Quelle“, meist einem kleinen Stück einer
stieg wird das Gasbläschen vom umgebenden Wasser ge-             Cellulosefaser, in konstanten Zeitabständen empor
bremst, da die über dem Bläschen liegenden Wassermole-           (oben). Auf dem Weg zur Oberfläche nimmt der Radius
küle beim Aufstieg vom Bläschen auseinander gedrückt wer-        der Sektperlen linear zu (unten links), da aus der über-
den müssen. Das ist nichts anderes als Reibung, und die ent-     sättigten Lösung CO2 in das Bläscheninnere übergeht.
sprechende Reibungskraft FR ergibt sich aus dem Stoke-Ge-        Dadurch nimmt die Aufstiegsgeschwindigkeit der Bläs-
                                                                 chen näherungsweise quadratisch mit dem Radius zu
setz:                                                            und dementsprechend nimmt auch der Abstand zwi-
                                                                 schen zwei aufeinanderfolgenden Bläschen quadratisch
FR = 3π · η · d · vA                                             zu. Eine solche Abhängigkeit scheint eine innere Schön-
                                                                 heit auszustrahlen, denn das minutenlange Betrachten
wobei η die Viskosität des Wassers und v die Aufstiegsge-        der aufsteigenden Perlenkette ist Teil des Genusses.
schwindigkeit des Gasbläschens ist. Nach kurzer Zeit stellt
                                                                 300       Bläschenradius                                        Aufstiegsgeschwindigkeit
sich eine konstante Aufstiegsgeschwindigkeit vA ein, da                        r (μm)                                                    v (cm/s)
dann die Auftriebskraft und die entgegengerichtete Rei-                                                               10
                                                                 250
bungskraft gleich groß sind. Dann gilt:
                                                                 200

vA = g · ρw · d2/(18 ηw)                                (8)
                                                                 150
                                                                                                                       1
Das Einsetzen der Zahlenwerte für g, ρw, ηw (ηw = 1,5 ·
                                                                 100
10–3 kgm–1s–1) in Gleichung (8) ergibt:
                                                                  50                                                                                Bläschenradius
va = 3630 · d2 cm/s                                     (9)                                              Zeit t (s)                                     r (μm)
                                                                                                                      01
                                                                                                                      0,1
                                                                   0                                                        30      50   70   100     200     400
                                                                       0     0,2     0,4      0,6       0,8     1,0
Für ein Gasbläschen mit dem Durchmesser von 0,1 mm er-
gibt sich nach Gleichung (9) eine Aufstiegsgeschwindigkeit
von vA = 3,6 mm/s.                                               Trotz dieser beruhigenden Ästhetik muss nüchtern festgestellt werden, dass sowohl beim
                                                                 linearen Zusammenhang zwischen Radius und Zeit, als auch beim quadratischen Zusam-
    Bisher hatten wir nur ein Bläschen mit konstantem            menhang zwischen Radius und Aufstiegsgeschwindigkeit deutliche Abweichungen zu be-
Durchmesser betrachtet. Wenn sich im Sekt ein kritisches         obachten sind [8]. Wir müssen wohl noch viel tiefer ins Sektglas gucken, um unseren
Bläschen gebildet hat, steigt es auf und wird aber während       Wissensdurst zu stillen.
des Aufstiegs stetig größer, da CO2 aus dem übersättigten

Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432              www.chiuz.de                          © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
                                                                                                                                                               | 427
Diese Differentialgleichung hat die Lösung                    xe Verhalten von aufsteigenden und wachsenden Gasbläs-
                                                                                       chen nicht vollständig beschreiben. Die Strömungslehre
                         r = r0 + w D (σ – 1) (kT/P) t                         (12)    zeigt, dass der Reibungswiderstand von Blasen in einer Flüs-
                                                                                       sigkeit stark von der Geschwindigkeit selbst abhängt [28].
                         Der Radius einer aufsteigenden Sektblase nimmt in einer       Weiterhin sind Gasblasen keine starren Kugeln, sondern
                         übersättigten Lösung linear mit der Zeit zu, mit typischen    können beim Aufsteigen ihre Form verändern und tun dies
                         Werten von 350–400 μm/s.                                      auch teilweise oszillierend [29]. Schließlich ist Sekt kein
                             Nach Gleichung (9) wird zwischen der Aufstiegsge-         destilliertes Wasser (ein Glück!) und enthält erhebliche
                         schwindigkeit und dem Radius (bzw. Durchmesser) des           Menge von oberflächenaktiven Molekülen (meist Proteine).
                         Bläschens ein quadratischer Zusammenhang erwartet. Da-        Dies kann zu einer Verlangsamung der Aufstiegsgeschwin-
                         raus folgt unmittelbar, dass der Abstand zwischen zwei auf-   digkeit mit steigendem Radius (Höhe) führen (Marangoni-
                         einander folgenden Bläschen in einer Perlenkette während      Effekt) [30].
                         des Aufstiegs zunimmt.                                            Schaut man dem Perlenspiel längere Zeit verträumt zu
                             Abbildung 13 zeigt, dass bei Messungen von aufstei-       und vergisst darüber das Trinken, erkennt man, dass mit der
                         genden Bläschen deutliche Abweichungen vom linearen Zu-       Zeit die Bläschendurchmesser insgesamt kleiner werden
                         sammenhang zwischen Radius und Zeit und dem quadrati-         und die Perlen langsamer aufsteigen. Genau dies beschreibt
                         schen Zusammenhang zwischen Radius und Aufstiegsge-           Gleichung (12), wonach mit abnehmender Übersättigung σ
                         schwindigkeit zu beobachten sind. Ernüchternd müssen          der Bläschenradius und damit dessen Volumen beim Auf-
                         wir feststellen, dass unsere einfachen Ansätze das komple-    stieg langsamer wächst. Die anderen mit CO2 übersättigten
                                                                                       Getränke, wie Mineralwasser und Bier, unterscheiden sich
                                                                                       in der mittleren Größe und den Aufstiegsgeschwindigkeiten
                                                                                       der CO2-Bläschen in charakteristischer Weise (Abbildung
ABB. 14         S E K T O D E R S E LT E R S – O D E R B I E R ?
            |                                                                          14).

                                                                                          Warum schmecken uns Sekt und Champagner
                                                                                          so gut?
                                                                                       Bei allen tiefsinnigen physikalisch-chemischen Betrachtun-
                                                                                       gen des perlenden Sekts oder Champagners wollen wir na-
                                                                                       türlich nicht den sinnlichen Genuss vergessen, der von der
                                                                                       Qualität der Ausgangsmaterialien und der guten Verarbei-
                                                                                       tung bestimmt wird. Die verschiedenen Grundweine sind
                                                                                       relativ leicht und werden von erfahrener Kennerhand zu-
                                                                                       sammengestellt. Die Zweitgärung wird durch Zugabe der li-
                                                                                       queur de tirage, einer kleinen Menge von Hefe, Zucker,
                                                                                       Wein und Most, in Gang gesetzt und erzeugt nicht nur CO2
                                                                                       und erhöht den Alkoholgehalt um 1–1,5 %, sondern durch
                                                                                       die zugesetzte Hefe (ein Lebewesen!) entstehen neue Aro-
                                                                                       mastoffe, bzw. bereits vorhandene werden abgebaut [31].
                                                                                       Neben Intensitätsänderungen verschiedener Aromaattribu-
                                                                                       te (Abbildung 15) führt die Zweitgärung z.B. zum signifi-
Zwischen Selters (links), Sekt (rechts) und                                            kanten Abbau des in vielen früh geernteten Grundweinen
Bier (unten) kann leicht auf einen Blick unter-
                                                                                       enthaltenen 2-Aminoacetophenons, das dem Sekt eine un-
schieden werden. In reinem Mineralwasser
steigen die CO2-Bläschen am schnellsten auf                                            erwünschte „Möbelpolitur“-Note verleihen würde [32]. In
und sind auch am größten. Sekt enthält na-                                             diesem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, dass
türliche Tenside, die sich an der Grenzfläche                                          die an der Oberfläche zerplatzenden CO2-Blasen ein Aero-
zwischen CO2 und Sekt akkumulieren und die                                             sol in den Gasraum sprühen. Dadurch gelangen nicht nur
Diffusion von CO2 in die aufsteigenden Bläs-
                                                                                       unpolare Aromastoffe, sondern auch oberflächenaktive Ver-
chen und damit deren Wachstum trotz des
höheren Drucks verlangsamen. Sektblasen                                                bindungen in die Nase der Genießer. In ersten Studien wur-
wachsen etwa mit 350–400 μm/s bei 20 °C an.                                            de eine große Zahl von Verbindungen nachgewiesen, von
Bier enthält besonders viele oberflächenakti-                                          denen allerdings erst ein kleiner Teil identifiziert werden
ve Proteine und Hopfeninhaltsstoffe [45] und                                           konnte [33].
der CO2-Druck ist geringer als im Sekt, so dass
                                                                                           Das CO2 im Sekt erfreut nicht nur unseren Geschmacks-
CO2-Blasen im Bier besonders klein sind und
im Vergleich zum Sekt deutlich langsamer                                               und Geruchssinn, sondern auch unseren Tastsinn, denn es
(100–150 μm/s) aufsteigen [46].                                                        erzeugt auch das kribbelnde bis leicht brennende Gefühl auf
                                                                                       der Zunge. Es kann nicht allein eine mechanische Reizung
                                                                                       der Zungenoberfläche durch die zerplatzenden Bläschen

428       © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim                   www.chiuz.de                 Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432
      |
SEKT         K U R I OS , S PA N N E N D, A L LT Ä G L I C H …
                                                                                               |

sein, denn man spürt das Kribbeln noch, selbst wenn gar
keine Blasen mehr auf der Zunge sind. Dies bestätigen Stu-     ABB. 15             Z W E I TG Ä R U N G U N D DA S A RO M A D E S S E K T S
dien in Druckkammern, in denen sich wegen des erhöhten
Drucks keine Bläschen bilden können; Trotzdem kribbelt es
                                                                             |
auf der Zunge [34]. Es steckt also mehr dahinter: Das CO2                                       Farbe
löst sich zunächst in der Schleimhaut und dringt in das Zun-                          bitter               alkoholisch

gengewebe ein. Dort wird das gelöste CO2 zu Kohlensäure                                             150%
                                                                                                                   Eisbonbon
hydratisiert, die ihrerseits die Neuronen aktiviert und das         Mundgefühl
                                                                                                    125%
Kitzeln erzeugt [35]. Die Bildung von Kohlensäure aus CO2
scheint auf den ersten Blick ein einfacher chemischer Pro-                                         100%                  Apfel
                                                                    sauer
zess zu sein (Abbildung 16).
    Es mag wundern, aber die in vielen chemischen Lehr-
                                                                                                                           Pfirsich
                                                               fruchtig
büchern als Gleichgewicht formulierte Reaktion läuft in bei-
den Richtungen nur langsam ab. Im menschlichen Körper
wird diese Reaktion durch eines der leistungsfähigsten En-                                                                Honigmelone
                                                                     hefig
zyme beschleunigt, der Carboanhydrase. Ein Molekül Car-
boanhydrase wandelt in einer Minute rekordverdächtige 36                  mostig
                                                                                                                     Holunderblüte
Millionen CO2-Moleküle in Kohlensäure um [36]. Im Zun-
                                                                                   grüne Bohne          grüne Banane
gengewebe katalysiert die Carboanhydrase die Umwand-
                                                                                             grünes Gras
lung von CO2 in Kohlensäure, die dann dissoziiert und über
Rezeptoren die Neuronen erregt, die im Gehirn den Sin-
                                                                                                Farbe
neseindruck eines Kitzelns oder leichten Brennens erzeu-                              bitter               alkoholisch
                                                                                                    150%
gen.
    Zwei interessante Experimente beweisen die zentrale                                                            Eisbonbon
                                                                    Mundgefühl
Rolle der Carboanhydrase beim Genuss von Champagner
                                                                                                   100%
oder Sekt. Einmal kann eine Hälfte der Zunge mit einem Car-                                                              Apfel
                                                                    sauer
boanhydrase-Inhibitor behandelt werden. In diesem Fall
wird auf dieser Zungenhälfte kein Kitzeln mehr empfun-
den, während die unbehandelte Zungenhälfte es nach wie                                                                     Pfirsich
                                                               fruchtig
vor spürt. Zum anderen ist bei hochalpinen Bergsteigern
der so genannte Champagner-Blues bekannt, bei dem nach                                                                    Honigmelone
                                                                     hefig
einem Aufstieg alle Sprudelgetränke incl. Champagner schal
und „Bier wie Abwaschwasser“ schmecken. Des Rätsels Lö-
                                                                                                                     Holunderblüte
sung ist einfach: Viele Bergsteiger nehmen vor dem Auf-                   mostig
stieg einen Carboanhydrase-Inhibitor (Acetazolamid) gegen                        grüne Bohne          grüne Banane
die Höhenkrankheit ein, spüren dann aber nicht mehr den                                    grünes Gras
Zungenkitzel von Sprudelgetränken.
    Eine Studie von Frad Ridout an der Universität von Sur-    Eine Zweitgärung in der Flasche oder im Drucktank bringt zwei chemische Hauptverän-
rey in Gilford bestätigte jüngst, was wir alle wissen: Sekt    derungen: die Erhöhung des Alkoholgehalts um etwa 1–1,5 % und die Bildung großer
steigt uns schnell zu Kopf und auch hier stecken CO2-Bläs-     Mengen von CO2, die bei einem Innendruck von 5 atm größtenteils gelöst sind. Die fol-
chen dahinter. In dieser Studie mussten, oder besser durf-     genden Ergebnisse stammen aus einer beeindruckenden Studie von Ganß et al. aus dem
                                                               Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Neustadt an der Weinstraße [31, 32].
ten, 12 Freiwillige zwei Gläser Champagner trinken [37].          oben: Um allein den Einfluss des erhöhten Alkoholgehalts und des CO2 auf das Aroma
Die genaue Menge wurde so eingestellt, dass alle Testper-      zu untersuchen, wurden dem Grundwein (Riesling) 1,5 % reiner Alkohol und CO2 unter
sonen die gleiche Alkoholmenge pro kg Körpergewicht zu         Druck zugesetzt. 18 trainierte Prüfer bewerteten zunächst die einzelnen Attribute des
sich nahmen. Die eine Hälfte der Testpersonen bekam Ori-       Grundweins (sensorische Intensität 100 %) und dann den frisch ausgeschenkten aufge-
ginal-Champagner und die andere Hälfte bekam einen             spriteten und carbonisierten „Sekt“. Deutlich erkennt man eine signifikante Intensivie-
                                                               rung bei praktisch allen Aromanoten, die dadurch zustande kommen, dass die an der
Champagner, der vorher mit einem Quirl kohlensäurefrei         Oberfläche zerplatzenden CO2 -Bläschen die Aromastoffe in den Gasraum mitreißen und
gemacht wurde. Nach fünf Minuten führte der sprudelnde         in die Nase kommen. Die CO2-Perlen intensivieren also das Aroma in erheblichem Maße.
Champagner zu 0,54 ‰ Blutalkohol und der schale nur zu            unten: Im Vergleich zum Grundwein (sensorische Intensität 100 %) führt eine Versek-
0,39 ‰ , nach 40 Minuten zu 0,70 ‰ bzw. 0,59 ‰. Offen-         tung des Grundweins mit Hefe zu weiteren Änderungen im Aromaprofil. Gegenüber dem
sichtlich reizen die platzenden Kohlensäureperlen die Ma-      Grundwein nehmen die grünen Noten (grüne Bohne, grünes Gras) ab, während sich die
                                                               fruchtigen Noten (Honigmelone und Pfirsich) intensivieren. Diese Veränderungen konn-
genwände, so dass deren stärkere Durchblutung zu einer         ten auf eine starke Abnahme der Nonanal-Konzentration (grünes Gras) und eine Zunah-
schnelleren Alkoholaufnahme ins Blut führt. Das Resultat       me der für die Fruchtnoten verantwortlichen Ester (Propionsäure-ethylester, 3-Methyl-
bestätigt unsere Erfahrungen: Sekt und Champagner steigen      buttersäure-ethylester und Hexansäure-ethylester) zurückgeführt werden.
schnell zu Kopf. Der französische Gourmet Jean Brillat-Sa-
varin brachte es auf den Punkt:

Chem. Unserer Zeit, 2009, 43, 418 – 432              www.chiuz.de                       © 2009 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
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