Seuchen, Biowaffen, etc - Ringvorlesung Friedensbildung Gunnar Jeremias und Hares Sarwary - Carl Friedrich von Weizsäcker ...
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Ringvorlesung Friedensbildung Seuchen, Biowaffen, etc… Gunnar Jeremias und Hares Sarwary Carl Friedrich von Weizsäcker Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung Universität Hamburg 06. Januar 2021
Biologische Gefahren Spektrum biologischer Gefahren Taylor, 2006 Etwa 1.500 Humanpathogene, Vermutlich ähnlich viele Tier- und Pflanzenpathogene.
Biologische Gefahren Abgrenzung natürlicher von anthropogenen Gefahren? Absichtliche Ausbringung (Biowaffe) Unfallgeschehen (z.B. Containmentverlust in Labor): Klar anthropogen Kontakte zu tierischen Überträgern (Vektoren) durch das Eindringen in Naturräume oder das „Erbrüten“ neuer Erreger in Massentierhaltung: Nicht eindeutig – und nicht neu: Pocken vor ca. 14.000 Jahren von den ersten domestizierten Schafen auf den Menschen übertragen worden. 08.01.21 3
Biologische Gefahren Anzahl der Todesfälle aufgrund ausgewählter Durchschnittliche tägliche Anzahl krankheitsbedingter Pandemien weltweit bis zum Jahr 2020 (in 1.000) Todesfälle weltweit nach Erkrankung 08.01.21 4
Biologische Gefahren Opfer von biologischen Waffen seit 1946: ca. 40 1978: Ermordung des bulgarischen Dissidenten Markov mit Rizin 1979: Unfall in einer sowjetischen BW-Produktionsanlage (je nach Quelle 14-50 Opfer) 2001: Milzbrandbriefe in den USA (5 Opfer) 08.01.21 5
Was sind Biowaffen? Biologische Waffen: Krankheit als Waffe. • BW-“Agenzien“ • Definition von Biowaffen im BWÜ • Historisches • Multilaterale Kontrolle • Funktionalität des Regimes • Corona als Biowaffe? • Zwischenfazit 08.01.21 6
BW-Agenzien (Humanpath.) Bakterien Viren Toxine Bacillus anthracis Variola major Botulinim toxin Rot: Besondere Eignung. (Milzbrand) (Pocken) (Chlostridium botulinus) Z.B. gut zu bearbeiten/ Yersinia pestis Filoviruses lagern, hohe Übertragungs- (Pest) (z.B. Ebola, Marburg) oder Lethalitätsraten. Francisella tularensis Arenaviruses (Hasenpest) (z.B. Lassa, Machupo) Burkholderia mallei Alphaviruses Epsilon toxin (Rotz) (Enzephalitis) (Chlostridium perfringens) Vollständige Liste: Brucella species Nipah virus Ricin toxin https://emergency.cdc.gov/ (Brucellose) Hantavirus Ricinus communis agent/agentlist- (Rizinusbohne) category.asp Coxiella burnetii Enterotoxin B (Q-Fieber) (Staphylococcal) Chlamydia psitacci (Papageienkrankheit) Rickettsia prowazekii (Fleckfieber)
Spez. Pocken (variola major) • Der Pockenerreger wurde durch eine globale Impfkampagne der WHO 1980 ausgerottet, • Heute Vorkommen in zwei Hochsicherheitslaboren (USA und Russland, von WHO kontrolliert), • Gefahr: Bevölkerung nicht mehr geimpft; bei Einsatz von Pocken als BW (z.B. aus geheimen Lagern), ist eine große Epi-/ oder Pandemie wahrscheinlich, • 2014: Entdeckung gefriergetrockneter Pockenviren in einem Kühlschrank des NIH. • Möglich, dass das auch anderswo der Fall ist!
Was sind Biowaffen? Definition biologischer Waffen im Biowaffenübereinkommen (BWÜ): “Biologische Waffen sind für feindselige Zwecke verwendete Pathogene (Krankheitserreger) und biogene Gifte.” “General Purpose Criterion” (keine Positivliste) (Achtung: biogene Gifte sind biologische und chemische Waffen; rein synthetische Gifte, wie z.B. Sarin, chemische Waffen!)
Biowaffen: Historisches • Seit der Antike: Brunnenvergiftungen z.B. durch Leichen, • 1346: Tartaren katapultieren Pestleichen in die Stadt Kaffa, • 18. Jh.: Briten geben pockenverseuchte Decken an die First Nations weiter, • 1. Weltkrieg: milzbrandverseuchte Zuckerstücke für Tiere in der militärischen Logistik, • 2. Weltkrieg: UK: “Cattle Cakes”; Japaner entwickeln Biowaffen in China (v.a. Pest; Menschenversuche in “Unit 731”) und setzen diese evtl. ein.
Was sind Biowaffen? Erreger Produktion Aufbereitung Ausbringung
Was sind Biowaffen? Ziele • Menschen • Tiere • Pflanzen und Zwecke, nämlich das Erzeugen von • Tod/Krankheit • ökonomische Schäden • Angst biologischer Waffen.
Das völkerrechtliche Biowaffenverbot 1925 - Genfer Protokoll Verbietet chemische und bakteriologische Methoden der Kriegsführung (Ersteinsatz) gegenüber anderen Mitgliedsstaaten. 1972/75 - Biowaffen-Übereinkommen (BWÜ) Verbietet die Entwicklung, Produktion, Lagerung, Beschaffung, Proliferation und Zurückbehaltung von Biowaffen, und macht damit deren Einsatz unmöglich.
Das völkerrechtliche Biowaffenverbot Weitere internationale Verträge und Vereinbarungen, die mit biologischer Rüstungskontrolle interagieren (können): • Chemiewaffenübereinkommen (1997) • UNSC Resolution 1540 (2004) • Exportkontrollregime (spez. Australische Gruppe) • Cartagena Protokoll über die biologische Sicherheit • Umweltkriegsübereinkommen (ENMOD)
Das völkerrechtliche Biowaffenverbot Das BWÜ unter Druck: • Illegale staatliche Biowaffen-Programme, • Universalität des BWÜ fehlt (insb. Nahost-Staaten), • „Nichttödliche“ Waffen könnten die Norm aufweichen, • Bioterrorismus, • Verteidigungsforschung, • Revolution der Biotechnologie und das „dual use“ Problem, • BWÜ hat kein Verifikations-System!
Das Biowaffen-Verbot unter Druck – illegale Programme Derzeit keine Biowaffen(?) • Bekannte Programme wurden (vermutlich) beendet, • Es sind keine belastbaren Informationen über aktuelle Biowaffenprogramme bekannt • US Proliferation report: North Korea (keine Belege!) • Syrien: Abrüstung des Rizin-Programms? Biowaffenkontrolle ist (derzeit) ausschließlich präventive Rüstungskontrolle!
Das Biowaffen-Verbot unter Druck – keine Verifikation DIE EINHALTUNG DER VORSCHRIFTEN DES BWÜ WIRD NICHT ÜBERPRÜFT! Im Unterschied zu den anderen Verträgen zur Kontrolle von MVW • Verhandlungen scheitern im Sommer 2001. • Nachfolgeprozesse seit 2003 nicht auf die multilaterale Aushandlung rechtlich verbindlicher Regeln gerichtet. • Implementation Support Unit (ISU) unterhält ein UN-Büro zur Umsetzung des BWÜ mit drei (sic!) Mitarbeitern.
Das Biowaffen-Verbot unter Druck – keine Verifikation Politische Verifikation ist nicht (unbedingt) dasselbe wie wissenschaftliche Verifikation. Wissenschaftliche Verifikation: Beweis; Erklärung dass eine Behauptung wahr ist. Politische Verifikation: Überprüfungsmechanismus in Rüstungskontrollabkommen. Kann positive wissenschaftliche Beweise beinhalten. Aber der Beweis der Nichtexistenz von etwas (hier: Biowaffen) ist nicht möglich. Verifikation ist dann erfolgreich, wenn genügend großes Vertrauen in Vertragseinhaltung erzeugt wird (z.B. durch Transparenz). 08.01.21 19
Biowaffenprogramme Nach dem 2. Weltkrieg BW-Programme in: Bis 1975 (legal) USA, Frankreich, Großbritannien, Kanada, UdSSR Nach 1975 (illegal) • UdSSR (bis 1991), • Irak (bis ca. 1993), • Südafrika (bis Mitte der 1990er) • Syrien (kein Mitglied im BWÜ) Rizin-Programm von 2003(?) – 2014(?). deklariert im Juli 2014 im Rahmen des CWÜ (Rizin ist auch chemischer Kampfstoff).
Das Biowaffen-Verbot unter Druck - Bioterror • Nur ganz vereinzelte Fälle von Bioterrorismus • Rajneeshee-Sekte (USA 1984) • Aum-Sekte (Japan 1993) • [Milzbrandbriefe (USA 2001)] • Rizin (diverse) – zuletzt Köln-Chorweiler 2018. These: Ohne staatliche Hilfe ist der großflächige Einsatz von Biowaffen mit massenvernichtender Wirkung kaum möglich. “Bioterroristische Anschläge werden tendenziell kleinräumig sein und nur wenige Menschen treffen; ihre psychologische Wirkung wird groß sein.” (Leitenberg). Weapons of Mass Disruption?!
Das Biowaffen-Verbot unter Druck – dual-use Revolution der Biotechnologien: • Gezielte Veränderung von Mikroorganismen, • Synthetische Biologie bis hin zur Schaffung „künstlichen Lebens“ • Wachsendes Verständnis der Krankheitsmechanismen • Wachsendes Verständnis des Immunsystems • Zunehmende Konvergenz von Biologie und Chemie
Das Biowaffen-Verbot unter Druck – dual-use • Die Grenze zwischen offensiven und defensiven, und zwischen zivilen und militärischen Aktivitäten wird zunehmend unscharf, • In den Lebenswissenschaften/Biotechnologien ist es weitgehend unmöglich, die Technologien, Ausrüstungen, Materialien und das Wissen zu definieren, welches auf feindselige Absichten hindeutet - “totales dual-use” (Nixdorff). • Aber: Nicht alles ist gleichermaßen „dual use“ !
Das Biowaffen-Verbot unter Druck – dual-use Beispiele für Dual-Use Forschung mit besonders hohem Missbrauchsrisiko: • Nachbau sowjetischer Biowaffen im amerikanischen B-Verteidigungsprogramm • Re-Aktivierung der Spanischen Grippe (isoliert aus im Permafrost eingefrorenen Leichen) • Kreuzung der hochinfektiösen „Schweinegrippe“ mit der sehr lethalen „Vogelgrippe“ in einem Frettchenxperiment • De-novo Synthese von Polio und den Pferdepocken • Schaffung einer 100%-tödlichen und impfstoffresistenten (Mäuse-) Pockenvariante • … 08.01.21 24
Das Biowaffen-Verbot unter Druck Das B-Schutz-Dilemma - Was tun und was lassen? Was hilft gegen biologische Waffen? • Gutes, breit angelegtes Gesundheitssystem • Funktionierende Prävention (awareness raising, Herstellung von Transparenz,…) • Das benötigt: Tiefes Verständnis der Infektionsbiologie Versuch der Einhegung: • Kein Schaffen von Wissen mit überwiegendem Missbrauchspotenzial, • Keine Konzentration auf wenige Erreger, • Kein Schüren von Angst.
Corona als Biowaffe? Corona als Biowaffe? • Nicht im Labor hergestellt/verändert, • Verbreitung durch aus Labor entkommenden Wildfang: möglich. • SARS-CoV2 einerseits „zu gut“: Keine Immunität irgendwo • Andererseits „zu schlecht“: vergleichsweise geringe Lethalität Trotzdem: Neben den infektionsbiologischen Folgen (Erkrankungen, Tote) können natürlich auftretende und absichtlich ausgebrachte Krankheiten neben Erkrankung/ Tod auch nicht-biologische Folgen haben: • Unsicherheit und Verunsicherung • Zunahme von (häuslicher) Gewalt • In manchen Ländern: Verarmung • Verschwörungsmythen: Destabilisierung? 08.01.21 26
Zwischenfazit Zwischenfazit: Breites Spektrum biologischer Gefahren Ebenen: Natürlich/anthropogen Nutzung eines Pathogens zu feinseligen Zwecken: Biologische Waffe Selten eingesetzt International verboten (Neue) Einsatzszenarien Einsatz gegen Tier- oder Pflanzenbestände als Szenarios Verbotsvertrag mit einigen Schwächen Keine Verifikation: Erkennen von BW-Programmen? „Verteidigungs-“forschung Dual-use Probleme im Zusammenhang mit (neuen) Technologien Ob natürlich oder anthropogen: Neben den biologischen (destruktiven) Folgen sind auch (manchmal vor allem) disruptive Folgen denkbar 08.01.21 27
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