"Slowbalisation" - Effekte auf Produktions- und Logistikstandorte - No. 35 / 2021
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Editorial Sehr geehrte Damen und Herren, Adam Smith, Begründer der modernen Wirtschaftstheorie, zeigte, dass die inter- nationale Arbeitsteilung Vorteile für alle Handelspartner bringt, wenn sich jeder auf diejenigen Güter spezialisiert, welche er jeweils kostengünstiger als die Handelspart- ner produzieren kann. Direkte Kostenvorteile (insbesondere Lohnkosten) sind bei diesem Credo das Maß aller Dinge. Diese Art der Kostenbetrachtung hat in den ver- gangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass heute komplexe und fragmentierte Liefer- ketten die ganze Welt umspannen. Doch die Handelswelt wandelt sich. Nicht erst die Corona-Krise hat zu einem Überdenken der mitunter anfälligen Wertschöpfungsket- ten geführt. Entwicklungen wie zunehmend protektionistische Tendenzen oder neue Dr. André Scharmanski Produktionsmöglichkeiten durch die Industrie 4.0 (mit neuen Kostenvorteilen) haben Leiter Research ein Abbremsen der Globalisierung bewirkt. „Schwarze-Schwan-Ereignisse“, wie wir sie gerade durchlaufen, machen jedoch deutlich, dass Kosten nicht das alleinige Maß der Dinge bleiben können. Es braucht resiliente Lieferketten und eine robuste Wert- schöpfung. Die globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten werden rekonfiguriert. Aber was bedeutet das für die Logistik- und Produktionsimmobilien, die schließlich Dreh- und Angelpunkte der Weltwirtschaft sind? Der aktuelle Quantum Focus No. 35 „Slow- balisation und Immobilienmärkte“ zeigt auf, wie sich insbesondere die bislang unter- allokierte Assetklasse Light Industrial in einer sich wandelnden Handelswelt zukünftig entwickeln wird. Dabei kristallisieren sich regionale Schwerpunkte für diese Anlage- klasse heraus, die von der Neuordnung der Wertschöpfungs- und Lieferketten beson- ders profitieren werden und damit für Investoren zunehmend attraktiv sein dürften. Wir freuen uns, wenn der Focus Ihr Interesse findet und wünschen Ihnen eine auf- schlussreiche und interessante Lektüre! Dr. André Scharmanski FOCUS 35 1
Seite 10 „Slowbalisation“ – eine neue Ära im Welthandel? Seite 17 Logistik- und Produktionsimmobilien in einer sich wandelnden Handelswelt 2 FOCUS 35
Inhalt 5 Weltwirtschaft und internationale Arbeitsteilung Was sind globale Wertschöpfungsketten und wie haben diese die Weltwirt- schaft geprägt? 10 „Slowbalisation“ – eine neue Ära im Welthandel? Was sind die Gründe für die nachlassende Geschwindigkeit der Globalisierung? 17 Logistik- und Produktions- immobilien in einer sich wandelnden Handelswelt Wie wirkt sich die Neuordnung globaler Wertschöpfungsketten auf die Nach- frage nach Lager- und Produktionsflächen in Deutschland aus? 30 Kurz & knapp Das Wichtigste dieser Ausgabe kurz zusammengefasst. „ S LO W B A L I S AT I O N “ – E F F E K T E A U F P R O D U K T I O N S - U N D LO G I ST I K STA N D O R T E 3
Als wesentlicher Taktgeber der ökonomischen Globalisierung gilt die zunehmende Verflechtung der industriellen Produktion. Während in früheren Phasen grenzüberschreitender Beziehungen der Handel mit Rohstoffen und Endprodukten dominierte, etablierte sich Anfang der 1990er Jahre eine internationale Arbeitsteilung in der Produktion, bei der immer mehr Zwischenprodukte einzelner Wertschöpfungsstufen in andere Länder exportiert und dort weiterverarbeitet werden. Die theoretische Grundlage für diese Entwicklung in den Industrieländern (Abb. 01). Ganze 60 Prozent liefert das Ricardianische Prinzip der komparativen des globalen Handelswachstums zwischen 1990 und Kostenvorteile, wonach alle Handelsteilnehmer bzw. 2008 (Ära der Hyperglobalisierung) gingen auf grenz- Länder von einer vollständigen Spezialisierung auf überschreitende Wertschöpfungsketten zurück. Das jene Güter profitieren, bei denen sie über einen kom- bedeutet, dass immer mehr Güter auf einer Vielzahl parativen Vorteil verfügen. Gerade Unternehmen aus von Produktionsstufen in zwei oder mehr Ländern den industriellen Kernländern der Triade (Asien, Euro- produziert wurden und auf jeder Stufe ein bestimm- pa, Nordamerika) haben aus Effizienzerwägungen vor ter Wert hinzugefügt wurde. Im Fokus der Arbeitstei- allem arbeitsintensive Produktionsbereiche zuneh- lung stehen Effizienzgewinne im Rahmen des globa- mend in Niedriglohnländer ausgelagert, um Arbeits- len Outsourcings, das durch die Auswahl der weltweit kosten zu sparen. Einen deutlichen Schub erfuhr die günstigsten Anbieter geringe Preise für Vorleistungen internationale Arbeitsteilung in den Folgejahren durch garantiert. In der Vergangenheit wurde das Outsour- den Fall des Eisernen Vorhangs, die globale Integra- cing in vielen Fällen durch die Strategie multinationaler tion Chinas, den Abbau von Handels- und Investitions- Unternehmen vorangetrieben, ihre Betriebsabläufe hemmnissen, die Fortschritte in den Informations- und zu optimieren, indem sie die Lagerbestände durch Kommunikationstechnologien und sinkende Transport- Just-in-time-Produktion verringerten und die Auslas- kosten dank der Containerschifffahrt. tung der Anlagen erhöhten. Es wurde immer weniger vorproduziert und eingelagert, sondern die Maschi- Ein Großteil der weltweiten Produktion wird seitdem in nen liefen erst an, wenn ein Produkt oder Bauteil tat- sogenannten globalen Wertschöpfungsketten (Global sächlich bestellt wurde. Den niedrigeren Preisen der Value Chains) organisiert. Heute ist fast jedes Land in Vorprodukte stehen allerdings generell die extremen die internationale Arbeitsteilung integriert, wenn auch Abhängigkeiten von der exakten Einhaltung aller ver- auf unterschiedliche Weise. Während Schwellenlän- einbarten Details der Lieferbeziehungen (Qualität und der Rohstoffe liefern und auch Vorprodukte herstel- Quantität der gelieferten Vorleistungen und der ge- len, konzentriert sich die hochqualifizierte Tätigkeit naue Zeitpunkt der Lieferung) als Risiko gegenüber. 6 FOCUS 35
Abb. 01 Integration in internationale Wertschöpfungsketten kaum Beteiligung Rohstoffe Verarbeitung Vorprodukte innovative Tätigkeiten keine Daten Quelle: Weltbank 2020 Anteil der Wertschöpfung über globale Wertschöpfungsketten 2015 12% Weltweit 17% Deutschland Quelle: Flach et al. 2020 W E LT W I R T S C H A F T U N D I N T E R N AT I O N A L E A R B E I T S T E I L U N G 7
Ebenso kritisch ist die einseitige Ausrichtung auf eine Tab. 01 Weltregion (v.a. Asien), was die grenzüberschreitende Anteil importierter Vorleistungen an den Produktion anfällig für Schocks macht. Gesamtinputs nach Branchen Deutschland als Teil globaler Wertschöpfung Branche Importierte Inputs in % der Gesamtinputs 2015 Die deutsche Wirtschaft ist überdurchschnittlich stark in solche globalen Ketten eingebunden wie nur weni- ge andere Volkswirtschaften: 2019 importierten deut- Textilindustrie 75,5 sche Unternehmen Vorprodukte im Wert von 606 Mrd. Euro. Etwa 17 Prozent der deutschen Wertschöpfung Elektroindustrie 55,9 fand über globale Wertschöpfungsketten statt (Flach et al 2020). Damit ist Deutschland auch im Vergleich Chemische Industrie 51,8 mit China (11,5 Prozent) und den USA (5,5 Prozent) ein wesentlicher Knotenpunkt und Treiber globaler Pro- duktionsverflechtungen (Abb. 02). Etwa 69 Prozent Maschinenindustrie 36,9 der deutschen Wertschöpfung hatte keine interna- tionale Grenze überquert (Weltdurchschnitt = 80 Pro- Automobilindustrie 29,1 zent), der Rest nur eine Ländergrenze. Besonders trifft das für die deutsche Textil-, Elektro- und chemische Industrie zu, für die der Anteil impor- tierter Vorleistungen an den Gesamtinputs der jeweili- gen Industrie auf zwischen 52 und 76 Prozent beziffert wird. (Tab. 01) Mit einem Vorleistungsanteil von rund 37 bzw. 29 Prozent ist ebenso die deutsche Maschinen- Quelle: World Input Output Database und Autoindustrie relativ stark in die Weltwirtschaft integriert (Kilic/Marin 2020). Hochkomplexe, fragmentierte Wertschöpfungsketten und Kontinente hinweg vernetzt. Damit sind geogra- phisch entfernte Regionen in solcher Weise miteinander Insbesondere bei der Produktion hochentwickelter In- verbunden, dass Ereignisse an einem Ort durch Vor- dustrieerzeugnisse bilden sich immer stärker fragmen- gänge geprägt werden, die sich an einem viele Kilome- tierte und komplexe Wertschöpfungsketten, die selbst ter entfernten Ort abspielen und umgekehrt. So hat das für die Unternehmen kaum noch vollständig zu überbli- Herunterfahren der Produktion in einer Branche eines cken sind. Autos und Maschinen stehen häufig am Ende Landes unmittelbar Auswirkungen auf die Auslastung langer Lieferketten, die aus diversen vorgelagerten Zu- der Produktionskapazitäten der direkten und indirekten lieferern zusammengesetzt sind und sich in der Regel Zulieferer aus unterschiedlichen Branchen in mehreren weltweit erstrecken. So zählt etwa Daimler über 200 Ländern. direkte so genannte Tier-1-Zulieferer, die den Automo- bilhersteller mit den größten Komponenten oder Sub- systemen für das Fahrzeug, wie zum Beispiel die Auf- hängung oder das Getriebe, beliefern. Allein die zehn Größten davon kommen zusammen nochmals auf fast »Geographisch entfernte 600 so genannte Tier-2-Zulieferer, die Komponenten für Regionen sind in solcher Weise die Tier-1-Zulieferer bereitstellen. Diese wiederum hän- gen von mehr als 2.900 weiteren Zulieferern (Tier 3) ab miteinander verbunden, dass (Wohlmann/ Rebeggiani 2020). All diese Unternehmen Ereignisse an einem Ort durch sind über den gesamten Globus verteilt und besitzen zudem vielfältige Querverbindungen und Mehrfachbe- Vorgänge geprägt werden, die ziehungen untereinander. Während sich Tier-1-Zulieferer sich an einem viele Kilometer oft in der Nähe des Herstellers befinden, kommen Tier- 2- oder 3-Lieferanten aus der ganzen Welt. Produktion entfernten Ort abspielen und und Unternehmen sind heute also häufig über Länder umgekehrt« 8 FOCUS 35
Abb. 02 Globale Netzwerke internationalen Handels in Zwischenprodukten Handelszentrum Bruttohandelsströme Österreich Tschechien Grad der Zentralisierung: Schweden Ungarn niedrig hoch Polen Frankreich Irland Niederlande Italien Russland Vereinigtes Königreich Deutschland Kanada Belgien Türkei Mexiko Schweiz USA Spanien Südkorea China Brasilien Taiwan Portugal Japan Singapur Indien Australien Hongkong, China Israel Thailand Südafrika Malaysia Indonesien Argentinen Vietnam Chile Quelle: World Bank 2017 W E LT W I R T S C H A F T U N D I N T E R N AT I O N A L E A R B E I T S T E I L U N G 9
„Slowbalisation“ – eine neue Ära im Welthandel? Die zunehmende Verflechtung des internationalen 2020). Wir leben in einer Welt, die immer komplexer Handels war in den vergangenen 30 Jahren einer der wird und sich ständig verändert. Vorhersehbarkeit und dominierenden Faktoren, der die Entwicklung der Berechenbarkeit von Ereignissen nehmen rapide ab, Weltwirtschaft geprägt hat. Die Phase der Hyperglo- Prognosen und Erfahrungen aus der Vergangenheit balisierung führte zu einer starken Fragmentierung der als Grundlage für die Gestaltung von Zukunft verlieren Produktion und der internationalen Wertschöpfungs- ihre Gültigkeit und Relevanz. Seit der Finanz- und Wirt- ketten, von der vor allem die Schwellenländer und hier schaftskrise hat sich die Unsicherheit entsprechend in erster Linie China profitierten. Doch mit der globalen mehr als verdreifacht (Abb. 03). Finanzkrise wurde das Ende der Hyperglobalisierung eingeläutet. Das globale Wirtschaftswachstum hat sich Zu diesem Umfeld haben verschiedenen Faktoren bei- in den vergangenen zehn Jahren verlangsamt, die bis getragen. So kam es etwa nach der globalen Finanz- dahin stark wachsende Expansion globaler Lieferket- krise weltweit zu einer zuerst schleichend einsetzen- ten wurde abgebremst und immer mehr Unternehmen den, dann in den jüngeren Jahren expliziten Rückkehr verlagern ihre Produktion zurück nach Deutschland. protektionistischer Politik. Stark zur ökonomischen Die Weltwirtschaft befindet sich in einer neuen Phase, Verunsicherung beigetragen haben auch so genannte in der ausländische Vorprodukte für die Produktion der „Schwarzer-Schwan-Ereignisse“, die in der volkswirt- heimischen Güter tendenziell weniger wichtig gewor- schaftlichen Theorie für extrem unwahrscheinliche den sind. So ist der Anteil der heimischen Wertschöp- Ereignisse stehen, die das Gewohnte aus dem Gleich- fung an den Exporten Deutschlands, der Vereinigten gewicht und Volkswirtschaften und Kapitalmärkte Staaten und Chinas seit ungefähr 10 Jahren wieder zum Taumeln bringen. Dazu zählen beispielsweise die leicht steigend. Dieser Trend der „Slowbalisation“, d.h. Terrorattacken vom 11. September 2001, die Finanz- die Verlangsamung der Globalisierung, geht einher mit marktkrise, der Super-GAU in Fukushima oder aktuell der zunehmenden ökonomischen Unsicherheit, die die Corona-Pandemie, durch welche unter anderem sich im von Stanford-Forschern entwickeltem Welt- die Risiken globaler Lieferbeziehungen deutlich auf- unsicherheitsindex ablesen lässt (Felbermayr/Görg zeigt werden. Als Reaktion hat sich in den letzten zehn 10 FOCUS 35
Abb. 03 Economic Policy Uncertainty Index 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: PolicyUncertainty.com Jahren eine Gegenbewegung in Form einer Rückver- Gesamtzahl weltweiter handelspolitischer Inter- lagerung von Produktionsaktivitäten aus dem Ausland ventionen seit November 2008: 15.721 in die Industrieländer (Reshoring) herausgebildet. Da- bei spielen auch die stärkere Nutzung von Technolo- gien zur digitalen Vernetzung der Produktion (Industrie 4.0), aber auch Fragen der nationalen Sicherheit eine gewisse Rolle. All diese Entwicklungen bewirken eine Modifizierung/Neuausrichtung der globalen Arbeits- teilung und damit auch der Produktionsstandorte. Protektionistische Interventionen Protektionismus – Freihandel verliert an Strahlkraft 6.945 Politische Regulierungen und Handelsbeschränkun- gen verändern globale Handelsströme stetig. Die Welt der frühen Neunzigerjahre, als die Idee des Multilate- ralismus Hochkonjunktur hatte, ist zunächst mal passé. Im Zuge der Finanzkrise hat die Idee des Freihandels deutlich an Strahlkraft verloren, gerade weil auch China Handelserleichternde Interventionen mit seinem planwirtschaftlichen Modell und der Wirk- mächtigkeit eines intervenierenden Staates besser durch die Krise kam als der Westen. In vielen Teilen der Welt sind seitdem protektionistische Tendenzen wie- der auf dem Vormarsch. Es ist eine Zeitenwende, in der die bisher gültigen Regeln der Weltwirtschaft und vor allem des Welthandels auf der Kippe stehen. Protektio- Quelle: Global Trade Alert (Stand 11/20) „ S L O W B A L I S AT I O N “ – E I N E N E U E Ä R A I M W E LT H A N D E L? 11
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Abb. 04 Protektionistische und liberale staatliche Maßnahmen im Welthandel protektionistisch liberal 2000 Anzahl der Maßnahmen 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Quelle: Global Trade Alert 2020 nismus und Handelskriege dominieren die Agenda des vermeiden, werden sich globale Lieferketten eher in Welthandels. Die Welthandelsorganisation meldete in regionale Pole umorganisieren. So haben sich im Zuge den vergangenen Jahren historische Höchststände der fortschreitenden Eskalation des sino-amerikani- an Zöllen, Kontingenten und anderen Abschottungs- schen Handelskonflikts nicht nur die Importe der USA mechanismen. So waren die Jahre 2018-2020 durch aus China, sondern auch deren Exporte nach China eine Zunahme protektionistischer Rhetorik und mehr reduziert (Deutsche Bank 2020), wodurch auch glo- als 4.000 weltweit durchgeführte handelsbeschrän- bale Wertschöpfungsnetzwerke massiv beeinträchtigt kende Maßnahmen geprägt. Demgegenüber wurden werden. Auch die wirtschaftlichen Folgen des Brexits rd. 1.200 handelserleichternde Maßnahmen eingeleitet sind noch nicht gänzlich abzusehen. Dabei werden (Abb. 04). Damit werden heute weltweit fast fünfmal nicht nur politische und ggf. handelsbeschränkende mehr protektionistische Maßnahmen ergriffen als noch Maßnahmen, sondern auch logistische Probleme wie 2009 (Global Trade Alert 2020). die bevorstehenden Grenzwartezeiten den Handel und den Wirtschaftsbereich Logistik stören. Die Unsicher- Allein die G20 Staaten ergriffen von Mai bis Oktober heiten im Zusammenhang mit nationalen Bewegungen 2019 restriktive Maßnahmen auf ein geschätztes Han- und dem protektionistischen Umfeld veranlassen Un- delsvolumen von über 460 Mrd. US-Dollar. Insbeson- ternehmen sich zunehmend auf „bekanntes“ und damit dere die Vereinigten Staaten schlugen zuletzt mit der vermeintlich „sicheres Terrain“ zurückzuziehen. Teile America-First-Politik von Donald Trump einen restrikti- der Wertschöpfung werden vereinzelt in die Heimat- veren handelspolitischen Kurs ein, der u.a. auch Wider- länder zurückverlagert. hall in den Handelspolitiken Russlands, der Türkei, Chinas und Indiens findet (Deutsche Bank 2020). Die Industrie 4.0 – Neubewertung von Produktions- Wiederkehr von Handelsbeschränkungen hat zur Folge, standorten dass die globalen Durchschnittszölle wieder ansteigen und sich das Wachstum des internationalen Handels Auch die neuen Technologien der Industrie 4.0 wirken verlangsamt (Felbermayr 2020). Um Importzölle zu auf die Globalisierung insofern bremsend, dass Kosten „ S L O W B A L I S AT I O N “ – E I N E N E U E Ä R A I M W E LT H A N D E L? 13
Abb. 05 Die globale Risikolandschaft 20201 4,4 Geopolitik Scheitern der Klimamaßnahmen Gesellschaft 4,2 infektiöse Krankheiten Technologie 4,0 Umwelt 3,8 Wirtschaft 3,6 1) Einschätzung von über 750 Experten Einfluss1 extremes Wetter 2) Skala von 1 bis 5, 1 ist sehr unwahrscheinlich und 5 sehr wahrscheinlich 3,4 3,2 Cyberangriffe 3,0 Terroranschläge 2,8 2,6 2,5 2,75 3 3,3 3,6 4 4,5 Wahrscheinlichkeit2 Quelle: World Economic Forum 2020 14 FOCUS 35
von Produktionsverlagerungen ins Ausland im Ver- globale Boom im grenzüberschreitenden Handel und gleich zur eigenen Herstellung wieder neu bewertet der Trend zur Deglobalisierung setzte ein. In Deutsch- werden. Fast sechs von zehn Industrieunternehmen land sank der Anteil von Güterexporten am BIP von mit mehr als 100 Mitarbeitern in Deutschland nutzen fast einem Drittel (2008) auf 26 Prozent (2009). Nach 2020 bereits spezielle Anwendungen aus dem Bereich der Rezession stieg der Anteil wieder an, jedoch längst Industrie 4.0 (Bitkom 2020). 2018 waren es noch 49 nicht so dynamisch wie zuvor. Prozent. Deutschland gehört bei der Verwendung von Robotern zu den weltweit führenden Staaten: 2018 Seltene Gefahren, wie Naturkatastrophen, Terror- entfielen hierzulande auf 10.000 Arbeiter 338 Roboter. anschläge oder Epidemien, sind ungleich schwerer Nur in Südkorea und Singapur war das Verhältnis noch abschätzbar als wiederholt eintretende Risiken, wie höher (World Robotics 2019). Die führende Stellung Frachtschäden oder Qualitätsmängel, und sind in der Deutschlands in Bezug auf Industrie 4.0-Anwendungen Regel von großer Reichweite geprägt. Basierend auf innerhalb Europas bedeutet grundsätzlich eine Steige- einer Umfrage von über 750 Experten und Entschei- rung der Wettbewerbsfähigkeit und somit ein „upgrade“ dungsträgern des World Economic Forums werden der heimischen Industrie. Der Einsatz von Zukunfts- jährlich 30 globale Risiken in fünf Kategorien (Wirt- technologien bei der Produktion kann eine Vielzahl schaft, Umwelt, Geopolitik, Soziales und Technologie) neuer Geschäftsmodelle und damit neuer Arbeitsstel- nach Grad der Besorgnis, Wahrscheinlichkeit und Aus- len hervorbringen und den Status Deutschlands als in- wirkungen, sowie deren Wechselwirkungen dargestellt dustrielles Rückgrat Europas weiter stärken. Gleichzei- (siehe Abb. 05). Sie betreffen nicht nur die Industrie- tig wird es für Unternehmen zunehmend unattraktiver unternehmen und Produktionen selbst, sondern bedro- ihre Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Die „smart hen auch die für die globale Vernetzung wesentliche factory“ benötigt im Zuge erhöhter Automatisierung Transportinfrastruktur. Durch das Erdbeben und den und Robotik weniger Arbeitskräfte als die traditionelle Tsunami und die dadurch ausgelösten Reaktorunfälle Fertigung und eine höhere Produktivität. Darum fallen im März 2011 in Fukushima wurden beispielsweise zahl- die Lohnkosten, die nicht zuletzt auch in vielen klassi- reiche Industrieanlagen und Infrastrukturen entlang schen Niedriglohnländern gestiegen sind (u.a. in China der Küste Japans zerstört. Insbesondere im Bereich +10 Prozent Lohnsteigerung p.a. 2012-2018), bei einer der Elektronikzulieferung als eine der Schlüsselindus- Standortentscheidung zukünftig weniger ins Gewicht. trien für viele Branchen, darunter auch deutsche Auto- mobil- und Elektronikhersteller, kam es zu Lieferaus- Bei der voranschreitenden Entwicklung weg von der fällen und -engpässen. Zwar stammten nur knapp fünf spekulativen Massenfertigung hin zu einer nach- Prozent der deutschen Importe im Bereich der Metall- fragegesteuerten Produktion werden insbesondere und Elektronikindustrie aus Japan. Im Juni 2011 ver- hochqualifizierte Mitarbeiter (u.a. Mechatroniker, An- zeichneten dennoch 42 Prozent der Produzenten und lageneinrichter und Automatisierungstechniker), leis- Distributoren von Elektronikgeräten in Deutschland tungsfähige Infrastrukturen, die räumliche Nähe zu vorübergehend Lieferschwierigkeiten (Fuchs 2011). kaufkräftigen Kunden und eine hohe Flexibilität ent- lang der gesamten Wertschöpfungs- und Lieferkette Die veränderte globale Risikolandschaft schlägt sich gefragt sein. Die Fertigung der Zukunft wird wohl nä- auch in den Unternehmensstrategien nieder. So zeigen her am Kunden, flexibler, intelligenter und kleiner sein. Umfragen, dass rund die Hälfte produzierender Unter- Und höchstwahrscheinlich werden immer mehr Unter- nehmen aus den führenden Industrienationen davon nehmen die Kosten von Produktionsverlagerungen ins ausgehen, in den kommenden Jahren Teile ihrer Pro- Ausland im Vergleich zur eigenen Herstellung sowie die duktion zurück ins Inland zu verlagern, da eine (poten- Just-in-time-Produktion gegenüber Lagerhaltung neu zielle) Störung globaler Lieferketten ein signifikantes bewerten. Risiko für ihre Geschäftstätigkeit bedeuten würde (Kin- kel 2019). Deutschlands wichtigste Industriebranchen, Schwarze Schwäne – Fragilität globaler Lieferketten wie die Automobilindustrie oder der Maschinenbau, sind aufgrund ihrer komplexen Lieferketten besonders Externe Schocks können die fragilen globalen Wert- von exogenen Schocks gefährdet. Die deutsche Wirt- schöpfungsnetzwerke massiv beeinträchtigen. So schaft ist aber auf offene Märkte angewiesen: Jeder kam es im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise vierte Arbeitsplatz in Deutschland und jeder zweite 2008/2009 durch die Finanzierungsengpässe zu Arbeitsplatz in der Industrie hängt vom Export ab (DIHK Brüchen in den globalen Lieferketten und infolge- 2020). Die Volatilität offener Märkte wird stark von der dessen zu einem „Bottleneck“ bei Zulieferteilen (Fuchs Art des Schocks beeinflusst. Schocks sektoraler Natur, 2011). Mit der internationalen Finanzkrise endete der also branchenspezifische Ereignisse, führen zu einer „ S L O W B A L I S AT I O N “ – E I N E N E U E Ä R A I M W E LT H A N D E L? 15
höheren makroökonomischen Volatilität. Demgegen- In der zweiten Phase kam es mit der weltweiten Ver- über sind liberale internationale Handelsbeziehungen breitung des Virus sukzessive zu weiteren Produktions- weniger anfällig gegenüber länderspezifischen Schocks, stopps in vielen Ländern entlang der Lieferketten. Das die sich in der Regel auf einen Währungsraum beschrän- führte wiederum zu Lieferengpässen von Zwischen- ken. Hier verleiht der internationale Handel eine Art produkten in Ländern, in denen noch oder schon wie- „Versicherungsfunktion“ (Felbermayr/Görg 2020). der produziert wurde. Durch die einsetzende Rezessi- on und die damit verbundenen Einkommenseinbußen Covid-19 – Produktionsstopps und Lieferengpässe ging außerdem die Nachfrage nach Konsumgütern zurück. Zusätzlich wurde die Nachfrage nach Investi- 2020 testet die Corona-Pandemie die Belastbarkeit tionsgütern gedämpft, weil Unternehmen aufgrund der der globalen Wertschöpfungsketten. 2019 kamen etwa Produktionsstopps, Umsatzeinbußen und zunehmen- 10 Prozent aller importierten Vorleistungen der deut- der Unsicherheit Investitionen vorübergehend zurück- schen Industrie aus China. Die „Werkbank“ China ist ein stellten. Durch eine analoge Entwicklung bei weiteren bedeutender Abnehmer von global gewonnenen Roh- Knotenpunkten des Welthandels entsteht eine Ab- stoffen und Zwischenprodukten, Produzent verschie- wärtsspirale in den globalen Wertschöpfungsketten, dener Produkte und Komponenten und damit Knoten- die weltweit erhebliche wirtschaftliche Schäden ver- punkt vieler globaler Wertschöpfungsnetzwerke. Der ursacht. Die Corona-Pandemie ist ein systemischer Ausbruch der Corona-Pandemie führte landesweit zu Schock, der alle Länder und Branchen (in unterschied- krankheitsbedingtem Fernbleiben von Arbeitskräften, lichem Maße) betrifft. Die WTO prognostiziert, dass der Schließungen von Betrieben und strengen wirtschaft- Welthandel 2020 um rund ein Drittel geringer ausfallen lichen Einschränkungen. In dieser ersten Phase der wird als ohne die Krise (Abb. 06). Darüber hinaus hat Krise brach die Industrieproduktion in China stärker die Pandemie das protektionistische Klima verschärft ein als beispielsweise während des SARS-Ausbruchs und Stimmen nach einer Verkürzung der Lieferketten 2002/2003 oder der Finanzkrise (Görg/Mösle 2020). und eine größere Selbstversorgung laut(er) werden Kurz darauf folgte ein starker Rückgang der internatio- lassen. nalen Handelsströme. Abb. 06 Welthandel unter Corona Index, 2015 = 100 Welthandel Optimistisches Szenario Pessimistisches Szenario Trend 140 Trend 2011 bis 2019 120 100 80 60 Trend 1990 bis 2008 Prognose 40 2000 2019 2022 Quelle(n): WTO, IWF 2020 16 FOCUS 35
Logistik- und Produktionsimmobilien in einer sich wandelnden Handelswelt Die Unsicherheiten im Kontext des zunehmend protektionistischen Umfelds und der erhöhten Frequenz exogener Schocks veranlassen immer mehr weltweit agierende Unternehmen, sich wieder stärker auf bekanntes Terrain zurückzuziehen. Teile der Wertschöpfung werden partiell wieder in die Heimatländer zurückverlagert. Die Geschwin- digkeit der Globalisierung bremst ab und der Produktionsstandort Deutschland erlebt eine Renaissance. Diese Neuordnung der globalen Wertschöpfung wird nicht zuletzt auch die weitere Entwicklung deut- scher Logistik- und Fertigungsstandorte prägen. 17
Rekonfiguration der globalen Wertschöpfungs- und von Einzelstücken zu den Kosten der Serienfertigung) Lieferketten durch den Einsatz von Digitalisierungstechnologien er- höhen grundlegend wieder die Attraktivität westlicher Hatte die großflächige Verlagerung industrieller Fer- Industrieländer als Produktionsstandort. tigungskapazitäten ins Ausland in den 1990er Jahren noch eine Blütephase erreicht, flacht dieser Trend in Nicht nur die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung den letzten zehn bis zwanzig Jahren wieder ab. Obwohl könnten die Landkarte weltweiter Produktionsstand- die Auslandsverlagerung (Offshoring) noch lange kein orte neu vermessen. Auch die wachsenden globalen Auslaufmodell ist, hat sich in der deutschen Industrie Unsicherheiten mit einer zunehmenden Frequenz exo- eine Gegenbewegung zurück ins Heimatland (Resho- gener Schocks führen dazu, dass weltumspannende ring) oder zumindest ins nähere europäische Ausland Lieferketten sich eher wieder in regionale Pole umor- (Nearshoring) herausgebildet. Rückverlagerungen ganisieren könnten. Pandemien wie Sars oder Corona, von Produktion und Fertigung aus dem Ausland neh- Naturkatastrophen wie Fukushima oder die globale men relativ zu Produktionsverlagerungen ins Ausland Finanzmarktkrise haben wie unter einem Brennglas zu. Auf jeden dritten Verlagerer ins Ausland kommt ein verdeutlicht, wie brüchig hochkomplexe weltumspan- Rückverlagerer ins Heimatland Deutschland (Kinkel nende Lieferketten sein können. Zwar ist es unmöglich, 2019). Die Motive für die Rückorientierung liegen v. a. in sich auf all diese „schwarzen Schwäne“ vorzubereiten. Einbußen bei der Flexibilität und Lieferfähigkeit sowie Aber sehr wohl gilt es zukünftig aus den Krisen zu lernen in Qualitätsproblemen begründet (Abb. 07). Generell und die Wirtschaft robuster, resilienter und „antifragi- lässt sich bei denjenigen Unternehmen eine höhere ler“ aufzustellen. Viele Unternehmen werden daher zu- Rückverlagerungsneigung festhalten, die Technologien künftig stärker darauf achten, ihre Versorgung mit Vor- der Industrie 4.0 nutzen und keine standardisierten leistungen nicht nur unter Effizienzaspekten zu planen, Produkte anbieten (Bailey et al 2018). Höhere Auto- sondern Risikoaspekte stärker zu gewichten (Zhenwei matisierungspotenziale und verbesserte Fähigkeiten et al 2020). So könnte die steigende Unsicherheit in zur individualisierten, flexiblen Produktion (Fertigung Folge der Corona-Krise – Kilic und Marin (2020) er- 18 FOCUS 35
Abb. 07 Motive für Rückverlagerung aus dem Ausland Nennungen der befragten Betriebe des verarbeitenden Gewerbes in % Flexibilität, Lieferfähigkeit 56% Qualität 52% Kapazitätsauslastung 33% Transportkosten 31% Koordination 27% Infrastruktur 15% Personalkosten 11% Know-how-Verlust 6% Nähe zu heimischer F&E 5% 0% Quelle: Kinkel und Jäger 2017 warten basierend auf historischen Datenanalysen licher sowie technologischer Sicht für strategisch un- eine Steigerung um 300 Prozent – die globale Liefer- verzichtbar gehalten werden oder die Versorgung mit kettenaktivität um 35 Prozent verringern. Schon in lebenswichtigen Gütern betreffen. Gerade die Pharma- den ersten Monaten der Corona-Einschränkungen industrie zeigt derzeit deutliche Abhängigkeiten von waren laut einer Umfrage rd. 86 Prozent der befragten einzelnen ausländischen Handelspartnern. So stammte weltweit aktiven Unternehmen mit Lieferengpässen 2019 fast jede dritte Tonne der pharmazeutischen konfrontiert und erwarten für die Zukunft, dass die Grundstoffe für die deutsche Industrie aus China Auswirkungen von Engpässen gravierender werden (Joachimsen 2020). In der Post-Corona-Welt erwarten (Inverto 2020). Diese wachsenden Herausforderungen nun einige Experten den Aufbau einer neuen Phar- der Produktion in weltweiten Wertschöpfungsketten maproduktion, die stärker auf Autarkie sowie lokale, könnten in einigen Branchen/Sektoren eine Rückbe- regionale und nationale Produktionsketten statt „ge- sinnung auf heimische oder stärker regional orientierte streckter“ Globalisierung setzt. Produktion und/oder eine ausreichende Lagerhaltung einleiten. »Others believe that COVID-19 Die Lieferengpässe in der Corona-Krise haben paral- has become a wake-up call for a lel auch die politischen Debatten darüber angestoßen, unter dem Aspekt der nationalen Sicherheit weltum- new balance between risk and spannende Produktionsnetzwerke zu reduzieren und reward for GVCs, as pandemics, die Produktion wieder stärker zurück in die Industrie- länder zu verlagern. Viele Staaten stellen in der Corona- climate change, natural disasters Krise ihr eigenes Wohlergehen in den Vordergrund, and manmade crises may ex- wodurch der Protektionismus zunimmt (World Invest- ment Report 2020). Die Forderungen kaprizieren pose the world to more frequent sich dabei vor allem auf Industrien, die aus wirtschaft- crises.« Zhenwei et al. 2020 L O G I S T I K- U N D P R O D U K T I O N S I M M O B I L I E N I N E I N E R S I C H W A N D E L N D E N H A N D E L S W E LT 19
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Zwar besteht unter Ökonomen Konsens darüber, dass keit reduziert werden. Diese Entwicklung kann wiede- nicht von einem branchenübergreifenden radika- rum die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen und EU- len Trend zur Deglobalisierung auszugehen ist (Egger weiten Zulieferer steigern. und Görg/Mösle 2020). Denn eine vollständige Rück- verlagerung der Lieferketten ins eigene Land birgt Auch die Bestandshaltung wird, angestoßen durch die vor allem Risiken einer höheren Exposition gegen- Corona-Krise, wohl neu überdacht werden. Just-in- über regionalen Schocks und geht einher mit Effizienz- Time gilt als ideale Strategie für ruhige Zeiten, baut verlusten. Und der Druck, Kosten zu optimieren, dürfte aber auf stabilen Prozessen in Lieferung, Produktion sich durch die Corona-Krise für viele Unternehmen und Absatz auf und kann plötzlich gestiegene Unsicher- eher noch verstärken. Aber es ist zu erwarten, dass heiten nicht abfedern. So kam es in der europäischen sich insbesondere in Sektoren, die stark von globalen Automobilindustrie in der Krise durch die vorherr- Wertschöpfungsketten abhängen und in der Produkti- schende Just-in-time Mentalität zu massiven Liefer- on auf Roboter zurückgreifen können, wie zum Beispiel engpässen bis hin zum Produktionsstillstand und die Auto- und Transportzulieferer sowie die Elektro-, Werksschließungen. Daher sind neue krisenfeste Lo- Chemie- und Textilindustrie, der Trend zum Reshoring gistik- und Bestandsstrategien, die eine geringere weiter verfestigen wird. Genauso wahrscheinlich ist es, Abhängigkeit der Warenverfügbarkeit ermöglichen, dass sich systemrelevante Branchen nicht mehr so künftig gefragt. Dabei wird wohl auch die Abhängig- stark wie bislang von Drittländern abhängig machen keit zu Single Lieferanten abgebaut werden. Mit der und daher mehr Waren lokal produzieren und auch be- weiteren Diversifizierung der Bezugsquellen von Vor- vorraten werden. Durch die immer geringer werdenden und Zwischenprodukten sowie der Erhöhung lokaler Lohnunterschiede zwischen (Ost-) Europa und dem Sicherheitsbestände, sieht man sich eher in der Lage, asiatischen Raum können künftig mehr lokale Struktu- die Auswirkungen kommender „Schwarzer-Schwan- ren entstehen, die Produktionen für den europäischen Ereignisse“ besser zu steuern und abzufedern. Bedarf in Osteuropa ermöglichen. Ein vollständiges Abreißen der globalen Lieferketten ist allerdings auch in diesen Bereichen unwahrscheinlich. Neben der Relokalisierung von Produktionsstandorten und der Teilverlagerung von Lieferketten wird außer- dem eine stärkere Diversifizierung der Lieferketten erwartet. Um die Abhängigkeit von nur einem oder wenigen Importländern sowie von der exakten Einhal- tung aller vereinbarten Details der Lieferbeziehungen weiter zu reduzieren, bedarf es alternativer Lieferan- ten. Unternehmen werden höchstwahrscheinlich ihre Produkte zukünftig häufiger von mehreren Quellen aus unterschiedlichen Regionen beziehen. Die Kom- bination der Vorteile lokaler Lieferketten (Sicherheit, kurze Beschaffungswege, engere Bindungsmöglich- keiten) und globaler Märkte (niedrige Beschaffungs- preise) wird unter dem Konzept der „Glokalisierung“ diskutiert. Durch diese sogenannten Dual- bzw. Multi- Sourcing-Strategien mit sowohl inländischen als auch internationalen bis globalen Lieferbeziehungen können „Bottlenecks“ vermieden werden. Dabei wird die Ab- hängigkeit zu Single Lieferanten abgebaut. Rund 80 Prozent von 250 befragten Entscheidern aus den Bereichen Produktion, Logistik, Supply Chain Manage- ment und Einkauf gaben in einer Umfrage an, dass es künftig mehr Multiple Sourcing und Zusammenarbeit mit europäischen Lieferanten geben wird (Abels & Kemmner 2020). So können Risiken durch Störungen innerhalb einzelner Lieferketten und damit verbundene Lieferengpässe gestreut und die Schadensanfällig- L O G I S T I K- U N D P R O D U K T I O N S I M M O B I L I E N I N E I N E R S I C H W A N D E L N D E N H A N D E L S W E LT 21
Auswirkungen auf den Markt für Light Industrial — Transformationsimmobilien sind umgenutzte und Immobilien revitalisierte Gewerbeliegenschaften auf Industriebra- chen mit Nachverdichtungspotenzial, die häufig einen Die Neuordnung der globalen Wertschöpfungsketten Campuscharakter aufweisen und in zentraler Lage in durch (Teil-) Rückverlagerung von Produktionsstätten gut erschlossenen urbanen Gebieten zu finden sind. und die Bedeutungszunahme einer sicheren Versor- gung (durch Einführung von Pufferlagern, Multi-Sour- — Zu Produktionsimmobilien zählen vor allem Hal- cing) wird deutliche Effekte für den Industrie- und lenobjekte für vielfältige Arten der Fertigung und mit Logistikstandort Deutschland mit sich bringen. Viele moderatem Büroanteil, die – je nach Lage – grund- Aspekte sprechen dabei für eine nachhaltig hohe Flä- sätzlich auch für andere Nutzungen, wie Lagerung, chennachfrage im Light Industrial Bereich. Darunter Forschung und Service oder Groß- und Einzelhandel, versteht man Objekte, die erstens zum Lagern, Kom- einsetzbar sind. missionieren und Distribuieren von Wirtschaftsgütern genutzt werden oder zweitens „leicht industriell“ (ohne — Gewerbeparks sind zusammenhängende Gebäude- nennenswerte Emissionen oder sonstige umwelt- ensembles mit gemeinsamer Infrastruktur und zentra- belastende Herstellungsprozesse) geprägt sind und lem Management, die für Mischnutzungen konzipiert nahe an der Herstellung und Fertigung liegen. Dazu wurden und meist in zentralen Lagen mit guter städti- zählen gemischt genutzte Gewerbeobjekte mit Büro-, scher Anbindung lokalisiert sind. Lager-, Fertigungs-, Forschungs-, Service- und/oder Großhandelsflächen mit typischerweise mittelständi- — Unter Lagerimmobilien sind vorwiegend Bestands- scher Mieterstruktur. Angelehnt an die Initiative Unter- objekte mit einfachen Lagermöglichkeiten, teilwei- nehmensimmobilien unterteilt sich das Light Industrial se Serviceflächen und anteiligen Büroflächen zu Segment in fünf Teilbereiche: verstehen, die durch Nachrüstung auch für höher- wertige Nutzungen geeignet sind und vorwiegend innerhalb gewachsener Gewerbegebiete liegen. 22 FOCUS 35
Abb. 08 Investmentvolumen Light Industrial Immobilien 2015-2020 in Deutschland Sonstige (Industrie) Unternehmensimmobilien (Transformations-/ Produktionsimmobilien, Gewerbeparks) Lager Logistikimmobilien 10.000 238 9.000 6 17 2.037 8.000 3.447 7.000 2.093 396 2.634 254 227 6.000 In Mio. Euro 1.821 425 345 5.000 296 308 4.000 197 1.146 2 3.000 4.357 4.439 6.631 5.123 5.055 2.000 2.531 1.000 0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 1 HJ Daten: Initiative Unternehmensimmobilien 2020 — Unter Logistikimmobilien versteht man Hallenflä- sich hauptsächlich Produktionsimmobilien in der chen, die zum Lagern, Kommissionieren und Distribuie- Realisierung, die zumeist als Single-Tenant-Immobilien ren von Wirtschaftsgütern genutzt werden. Grob lassen genutzt werden. sich die Logistikimmobilien in Cityparks in innerstädti- scher Lage, die der Versorgung der letzten Meile die- Entsprechend ist das Interesse der Investoren ge- nen, und großflächige Logistikparks mit Einheiten ab stiegen und richtet sich innerhalb der Assetklasse vor 3.000 Quadratmetern im Umfeld von Ballungsräumen allem auf Logistikimmobilien, gefolgt von Unterneh- unterteilen. mensimmobilien (Abb. 08). Unter den Unternehmens- immobilien sind Gewerbeparks mit knapp 1,2 Mrd. Euro 2019 erreichte das Investmentvolumen im Segment Transaktionsumsatz bei Investoren am begehrtesten. Light Industrial mit über 9 Milliarden Euro eine neue Aus Investorensicht sorgt deren Flexibilität und He- Rekordmarke. Die zunehmende Beliebtheit dieses Im- terogenität zwar für einen im Vergleich zu Single-Use- mobilientyps liegt vor allem in der Mieterstruktur und Objekten höheren Managementaufwand, allerdings ist der variablen Nutzungsmischung begründet. Zu den auch das Leerstandsrisiko geringer und die Verweil- wichtigsten Mietern zählen nicht nur die Logistik- bzw. dauer der Mieter hoch. Transportdienstleister, sondern die Nachfrage wird zu jeweils rund einem Drittel aus Industrie, Handel und Light Industrial Immobilien weisen in der Regel lang- Logistik gespeist. All diese Branchen zeigten in den fristige Mietverträge mit stabilen Cashflows auf. Die letzten Jahren eine positive Beschäftigungsentwick- Vielzahl von Nutzern aus unterschiedlichen Branchen lung, die sich auch auf dem Vermietungsmarkt in reduziert auch gerade in Krisenzeiten das Mietaus- Gestalt steigender Flächennachfrage und Mieten fall- oder Leerstandsrisiko gegenüber anderen Asset- widerspiegelte. Trotzdem ist die Objekt-Pipeline in den klassen wie Einzelhandels-, Hotel- oder Betreiber- und letzten Halbjahren tendenziell rückläufig bzw. stagniert. Spezialimmobilien mit einheitlicher Nutzung und oft Auch in den kommenden Jahren wird man wohl nicht nur einem Mieter. Die hohe Nutzungsreversibilität von mit einer Entlastung rechnen können. Derzeit befinden Light Industrial Immobilien ermöglicht eine rasche L O G I S T I K- U N D P R O D U K T I O N S I M M O B I L I E N I N E I N E R S I C H W A N D E L N D E N H A N D E L S W E LT 23
Anteil der institutionellen Anleger, die in Logistikimmobilien investieren wollen: 8,0 % 2019 17,4 % 2020 Quelle: Universal Investment 2020 24 FOCUS 35
Anpassung an sich wandelnde Rahmenbedingungen, den Störungen der globalen Lieferketten waren Auto- wie eine veränderte Flächennachfrage, die Berück- mobilhersteller von den Auswirkungen der Corona- sichtigung individueller Anforderungen oder die Inte- Krise kurzfristig besonders betroffen. Kürzere Liefer- gration technischer Neuerungen. Gleichzeitig machen wege und alternative Lieferanten werden als gangbare es die modernen Intralogistiktechnologien, Robotik Lösungen betrachtet, die die Wettbewerbsfähigkeit und fahrerlose Transportsysteme Unternehmen mög- der Automobilindustrie auch in Zukunft sicherstel- lich, ihre Flächen flexibler und skalierbarer zu nutzen. len sollen. Experten erwarten zudem einen Rückgang Die Produktionsfläche muss nicht wie früher um die des sogenannten „Teiletourismus“ (das Hin- und Her- Technik herum gebaut werden, vielmehr kann die Auto- senden von Komponenten für einzelne Produktions- matisierung an die Halle angepasst werden. Dadurch schritte zwischen mehreren Ländern), der durch die können Light Industrial Flächen in der Regel ohne um- Klimaschutzdebatte als „grüner Schwan“ zunehmend fangreiche Anpassungen an neue Nutzer weiterver- in Frage gestellt wird. mietet werden (IZ 2020). Im Einzelhandel wiederum sorgten die Ladenschließun- Vom hohen Marktpotenzial des Light Industrial Seg- gen und die kurzfristig drastisch gesunkene Nach- ments mit einem geschätzten Marktwert von deutlich frage etwa für eine erhöhte Auslastung der Warenla- über einer Billion Euro in Deutschland kam bislang al- ger. Gleichzeitig kam es im Lebensmitteleinzelhandel lerdings nur ein kleiner Teil im Immobilieninvestment- und Medizinbereich zu einem sprunghaften Anstieg markt an (Initiative Unternehmensimmobilien 2020). der Nachfrage nach Lagerflächen. Der steigende Die Eigennutzerquote in diesem Segment liegt aktuell Umsatzanteil des E-Commerce am Handelsgeschäft noch bei über 90 Prozent, jedoch gewinnen Mietlösun- wurde durch die Pandemie weiter beschleunigt. Ex- gen zunehmend an Bedeutung. 2019 wurden Objekte perten zufolge wird die Nachfrage aus dem elektro- mit einem Gesamtvolumen von rd. 530 Mio. Euro von nischen Handel und der Pharmaindustrie langfristig Eigennutzern veräußert, 60 Prozent mehr als im Mittel hoch bleiben, denn diversifizierte und damit weniger der vergangenen Jahre. Die Corona-Krise beschleu- krisenanfällige Produktionskapazitäten in diesen Be- nigt diese Entwicklung. Denn bei vielen Unternehmen reichen haben Systemrelevanz und sind mittlerweile steigt die Bereitschaft, eigene Büros, Produktions- und ein Politikum. Aufgrund ihrer Robustheit dürften diese Lagerhallen zu verkaufen und zurückzumieten, um Nutzungsarten auch langfristig einen größeren Anteil dringend benötigtes Kapital freizusetzen (IZ 2020). in den Beständen und Ankaufsprofilen vieler Investo- Das eröffnet Marktchancen für die Investoren. Nicht ren einnehmen. Denn trotz Corona-Krise gab es fast zuletzt sind mit Sale-and-lease-back-Verfahren nicht keine Portfolioausfälle bei Logistikfonds (IZ/Realogis selten steigende Flächeneffizienzen und Nachverdich- 2020). Und nicht nur die Industrie setzt in Zukunft ver- tungspotenziale für den Investoren verbunden. stärkt auf Diversifizierung. Auch Investoren setzen ihr Kapital zunehmend breiter gefächert ein und erwei- Höhere Krisenresilienz im Light Industrial Bereich tern ihr Suchprofil mit bislang überwiegend oder aus- schließlich Büro-, Hotel- und/oder Handelsimmobilien Dass Light Industrial Nutzungen insgesamt eine relativ um Logistik- und Fertigungsnutzungen. Entsprechend stabile Nachfrage aufweisen und auch in Krisenzeiten ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Light vergleichsweise resilient sind, bestätigen die Entwick- Industrial Immobilien hoch bleiben oder sogar weiter lungen der letzten Monate. Durch die Corona-Krise steigen wird. gewannen einige Teilbranchen an Bedeutung, andere schwächelten vorübergehend, sodass sich die nega- Dazu wird auch der Trend der Slowbalisation beitragen, tiven und positiven Auswirkungen auf die Flächen- der durch die Corona-Krise nochmal deutlich an Fahrt nachfrage insgesamt kompensierten (so genannter gewonnen hat. Durch die Rückverlagerung von Fer- K-Effekt) (IZ/CBRE 2020). So entfielen in der Logistik- tigung und Produktion nach Deutschland und Europa branche 2019 etwa 28 Prozent des Flächenumsatzes werden zunächst einmal mehr Produktionsimmobilien auf Nutzer aus dem Bereich Produktion und Fertigung, und Logistikflächen benötigt. Die bereits vor Jahren die durch die Corona-Krise vor große Herausforde- einsetzende Tendenz zum Re- bzw. Nearshoring führt rungen gestellt wurden. Etablierte Logistikmärkte, wie auch dazu, dass weniger Umschlaghallen entlang der beispielsweise Stuttgart, München und Leipzig, hän- globalen Wertschöpfungskette, dafür aber mehr Lager- gen stark von der Entwicklung der Automobilindustrie hallen in Deutschland und Europa (insbesondere in ab. Diese durchläuft aktuell weitreichende strukturel- Osteuropa) erforderlich werden (Savills 2020). Diese le Veränderungen. Durch die große Abhängigkeit der Entwicklung dürfte sich durch die Krise verstärken und Branche vom Importland China und die weitreichen- die benötigten Logistik- und Lagerflächen nachziehen. L O G I S T I K- U N D P R O D U K T I O N S I M M O B I L I E N I N E I N E R S I C H W A N D E L N D E N H A N D E L S W E LT 25
Auch der zu erwartende Rückgang von Just-in-Time- Während beispielsweise großflächige Logistikparks Lieferungen und die Tendenz zu mehr Sicherheits- der ersten Meile meist auf der grünen Wiese in der beständen kurbelt die Lager- und Hallenflächennach- Nähe der Beschaffungs- oder Absatzmärkte angesie- frage zusätzlich an. Denn wer seine Abhängigkeit von delt sind und in der Regel über eine gute Anbindung an den globalen Lieferwegen reduzieren will, hat im Grun- das Fernstraßennetz verfügen, müssen Lagerflächen/ de nur zwei Möglichkeiten: mehr lokale Produktion oder Cityparks der letzten Meile in Form von Lieferzentren, höhere Vorratshaltung (Pufferlager) bei essentiellen Hubs und kleineren Abholpunkten näher in die Innen- Produkten mit Versorgungscharakter oder für heimi- städte vorrücken, um das stark wachsende Paketvolu- sche Industrien (Pharma, Automotive, Maschinenbau men bei zugleich immer kürzeren Lieferzeiten (Stich- etc.). Beide Optionen werden die Nachfrage nach Light wort „same hour delivery“) bewältigen zu können. Als Industrial Flächen befeuern. Folge des auch zukünftig erwarteten, weiter steigen- den Paketsendungsvolumens wird hier insbesondere Räumliche Muster und Trends für den KEP-Sektor (Kurier-Express-Paket-Dienst) und den E-Commerce weiter eine hohe Nachfrage- Die Rekonfiguration der globalen Wertschöpfungs- kraft nach kleinteiligen, dezentralen Objekten als in- und Lieferketten begünstigt nicht nur eine höhe- nerstädtische Verteilzentren mit einem schnellen Zu- re Attraktivität des Light Industrials Segments in gang zu den bevölkerungsstarken Gebieten erwartet. Deutschland insgesamt. Regional schlagen sich die Städtische Räume könnten darüber hinaus mit dem strukturellen Veränderungen, beschleunigt durch die Trend zur digitalisierten, auf Industrie 4.0 ausgerich- Corona-Krise, unterschiedlich nieder. Für Light Indus- teten Warenproduktion maßgebliche neue Impulse er- trial Immobilien ist nach wie vor der Faktor Lage (Lage, fahren, wie das aktuell gerne verwendete Schlagwort Lage) ausschlaggebend. Der optimale Standort ergibt der Urbanen Produktion verdeutlicht. Kennzeichnend sich dabei aus einer Vielzahl an Parametern, wie einem dafür ist eine schadstoffarme und emissionsfreie leistungsfähigen Daten-, Energie- und Verkehrsnetz, individuelle Produktion in kleinen Losgrößen unter einem schnellen Zugang zu Absatzmärkten oder einer hohem Kundeneinbezug. Das typische Standort- guten Verfügbarkeit gut ausgebildeter Arbeitskräfte. muster umfasst konsumnahe digitale Innovationen in Entsprechend liegen die räumlichen Schwerpunkte der City, kreative Handwerksbetriebe, Manufakturen der Fertigung, Logistik und Warenlagerung entlang der und Start-ups in sonstigen innerstädtischen Lagen, ökonomischen Kernzonen. Dies lässt sich auf europäi- High-Tech-Distrikte vor allem im randstädtischen scher Ebene deutlich am räumlichen Konstrukt der so- Raum sowie industrielle Fabrikproduktion, die eher genannten „blauen Banane“ erkennen, in der sich von im Randbereich städtischer Agglomerationen ange- Norditalien über Süd- und Westdeutschland und die siedelt ist. Mit den Standards der Industrie 4.0 geht niederländische Randstadt bis nach London wichtige grundsätzlich eine sehr enge Verzahnung von Pro- Produktions- und Logistikhubs aneinanderreihen. Mit duktion, Logistik, Büro und Service einher. Entspre- dem Fokus auf Deutschland trifft das vor allem auf chend ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach die Regionen Stuttgart, Rhein-Neckar, Rhein-Main, Transformationsimmobilien und Gewerbeparks in Rhein-Ruhr zu, die mit ihrer Nähe zu Ballungsräumen urbanen Räumen langfristig hoch bleiben wird. Auch und ihrer Verkehrsinfrastruktur optimale Bedingungen Lager- und Logistikflächen in städtischen Arealen für Light Industrial Immobilien bieten (Karte 01). sind gerade im Zuge des wachsenden E-Commerce äußerst gefragt, um näher an den Kunden zu rücken Generell dürfte die zu erwartende stärkere Diversi- und immer kürzere Lieferzeiten zu garantieren. fizierung der Lieferketten (Glokalisierung) und die Erhöhung der Anzahl von Zulieferern (Multisourcing) Allerdings sind Freiflächen in vielen Verdichtungs- zu einer steigenden Nachfrage nach intermodalen räumen stark verknappt, da sie hier mit Büro- und Standorten führen, sodass insbesondere Standorte im Wohnobjekten konkurrieren und die Bodenpreise in Umfeld von Güterverkehrszentren (Terminals für den der Regel sehr teuer sind. Dazu kommen hohe und Kombinierten Verkehr) und wichtigen Transportkorri- zunehmende Auflagen bezüglich des Lärmschutzes, doren weiter an Bedeutung gewinnen. Ferner dürften der Verkehrsbelastung und des täglichen Flächenver- Standorte in Metropolregionen von einer Neuordnung brauchs (Stichwort Flächenverbrauchsziel „Netto-Null“ der Wertschöpfungs- und Lieferketten profitieren, bis 2050). Brownfield-Entwicklungen, d.h. Konversion wenn auf die räumliche Nähe von Einkaufs-, Produk- und Nutzung ehemaliger gewerblich genutzter Flä- tions- und Absatzmärkten gesetzt wird (Local-for- chen, werden in diesem Kontext immer wichtiger. Eine Local-Sourcing). Lösung für die wachsende City-Logistik könnten mit- telfristig auch zum Beispiel Baumärkte bieten. Zwar 26 FOCUS 35
Karte 01: Erreichbarkeit von Großstädten Erreichbarkeit von Großstädten innerhalb von 90 Minuten LKW-Fahrzeit Autobahn Quelle: BSSR L O G I S T I K- U N D P R O D U K T I O N S I M M O B I L I E N I N E I N E R S I C H W A N D E L N D E N H A N D E L S W E LT 27
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