Soziale Sicherheit 5/2012 - Bundesamt für ...

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Schwerpunkt
Ressortforschung Soziale Sicherheit

Familie, Generationen und Gesellschaft
Bestandesaufnahme von Angeboten und von kanto-
nalen Strategien im Jugendmedienschutz

Gesundheit
Qualitätsindikatoren der Schweizer Akutspitäler

                         Soziale Sicherheit
                                                  CHSS5/2012
inhalt                     Inhalt   CHSS                                 5/2012 September/Oktober

       Inhaltsverzeichnis Soziale Sicherheit CHSS 5/2012

       Editorial                                                   253    Familie, Generationen und Gesellschaft
       Chronik August/September                                    254    Gewalt und Vernachlässigung in der Familie
                                                                          (Manuela Krasniqi, BSV)                                        291
                                                                          Bestandesaufnahme von Angeboten und von kantonalen
                                                                          ­Strategien im Jugendmedienschutz
       Schwerpunkt                                                         (Ruth Feller-Länzlinger, Interface Politikstudien Forschung Bera-
       Forschung                                                           tung Luzern; Andreas Balthasar, Interface Politikstudien Forschung
       Die Ressortforschung zur sozialen Sicherheit               256     Beratung Luzern, Universität Luzern)                            295

       Die Ressortforschung der Bundeverwaltung im Kontext der Bot-       Verbesserung der sozialen Sicherung von Familien
       schaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation    (Philipp Walker, Kathrin Bertschy, Michael Marti, Ecoplan)     300
       (Daniel Marti, Staatssekretariat für Bildung und Forschung) 257    Wirkungsanalyse Mutterschaftsentschädigung
       Statistiken zur Sozialen Sicherheit: Mehr Informationen            (Katharina Schubarth, BSV)                                     305
       dank besserer Datenbasis (Sektion Sozialanalysen, BFS)      261
       Ressortforschung im Bundesamt für Sozialversicherungen             Invalidenversicherung
       2008–2011 (Sabina Littmann-Wernli, BSV)                     265    Pilotversuche zur Förderung der Eingliederung: Geschichte,
       Forschungskonzept «Soziale Sicherheit 2013–2016»                   ­Rahmenbedingungen und Praxis
       (Sabina Littmann-Wernli, BSV)                               270     (Maya Umher, Adelaide Bigovic, Chiara Mombelli, BSV)          310
       Organisation und Qualitätssicherung in der Ressortforschung
       des BSV (Maria Ritter, BSV)                                 275    Gesundheitswesen
       Forschung des Bundesamtes für Gesundheit im Bereich Gesund-        Qualitätsindikatoren der Schweizer Akutspitäler
       heit und soziale Sicherheit                                        (Manfred Langenegger, Therese Schneider, BAG)                  313
       (Herbert Brunold, Regula Ricka, BAG)                     280
                                                                          Qualitätsindikatoren helfen den Krankenhäusern, noch besser zu
       Die Forschungstätigkeit des SECO zwischen Arbeitsmarkt             werden. Interview mit Prof. Dr. med. Thomas Mansky, Berlin
       und sozialer Sicherheit                                            (Dr. Uwe K. Preusker, Vaanta)                               315
       (Thomas Ragni, Staatssekretariat für Wirtschaft)            283

                                                                          Vorsorge
       Sozialpolitik
                                                                          Ergänzungsleistungen sichern Heim­aufenthalt (Urs Portmann,
       Finanzielle Entwicklung der Sozialversicherungen 2010/2011         BSV)                                                        319
       (Salome Schüpbach, Solange Horvath, Stefan Müller,
                                                                          Kostenexplosion in den Ergänzungs­leistungen? (Martin Kaiser-
       Bundesamt für Sozialversicherungen)                        288
                                                                          Ferrari, BSV)                                                324

                                                                          Parlament
                                                .ch
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                                                                          Parlamentarische Vorstösse                                     327
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Besu

                                                                          Daten und Fakten
                                                                          Agenda (Tagungen, Seminare, Lehrgänge)                         333
                                                                          Sozialversicherungsstatistik                                   334
                                                                          Literatur                                                      336
editorial                                Editorial

Ressortforschung im BSV –
transparent und vernetzt!

                                                                    kommenden vier Jahre zusammen. Als Kernbereiche der
                                                                    sozialen Sicherheit gelten Risiken wie Alter, Krankheit,
                                                                    Unfall, Invalidität, Arbeitslosigkeit oder Verlust der ver-
                                                                    sorgenden Person, gegen deren Folgen das System einen
                                                                    wirtschaftlichen Schutz bereitstellt, sowie die Weiterent-
                                                                    wicklung der sozialen Sicherheit, die Familienpolitik, die
                                                                    (Re)-Integration von Personen mit eingeschränkter Er-
                                                                    werbsfähigkeit und die Bedeutung neuer Risiken, wie z.B.
                                                                    die wirtschaftlichen Folgen einer Scheidung oder der Pfle-
                                                                    ge älterer Angehöriger.
                             Sabina Littmann-Wernli                    Fragen zur sozialen Sicherheit beschäftigten nicht nur
                             Bundesamt für Sozialversicherungen     die Ressortforschung des BSV, sondern auch weitere Bun-
                                                                    desämter und Institutionen, sodass zahlreiche Forschungs-
                                                                    projekte gemeinsam durchgeführt werden. Der Austausch
                                                                    und Transfer von Wissen und Ergebnissen erfolgt durch
   Alle vier Jahre werden in der Botschaft über die Förderung       eine gegenseitige Einsitznahme in Projekt-Begleitgruppen.
   von Bildung, Forschung und Innovation elf Politikbereiche        In separaten Beiträgen stellen das BAG, das SECO und
   zur Erstellung von Forschungskonzepten bestimmt. Ein             das BFS ihre Aktivitäten im Bereich der sozialen Sicherheit
   Politikbereich ist die «Soziale Sicherheit». Wichtige und        vor und es zeigt sich schon jetzt, dass die gemeinsamen
   wirtschaftlich bedeutsame Aufgaben im System der sozia-          Aufgaben in den kommenden Jahren eher zu- als abnehmen
   len Sicherheit werden vom Bundesamt für Sozialversiche-          werden.
   rungen wahrgenommen. Es sorgt in seinem Zuständig-                  Einen Blick auf die Entstehung der Forschungskonzep-
   keitsbereich dafür, dass das Sozialversicherungsnetz seine       te und ihrer institutionellen Verankerung in der Botschaft
   Funktion erfüllen kann und an neue Herausforderungen             über die Förderung von Bildung, Forschung und Innova-
   angepasst wird. Das BSV wurde deshalb als federführendes         tion (BFI-Botschaft) erlaubt der Beitrag des Staatssekre-
   Amt für das Forschungskonzept «Soziale Sicherheit 2013–          tariats für Bildung und Forschung (SBF). Der Bund und
   2016» bestimmt.                                                  die Kantone sind gemäss Verfassung verpflichtet, gemein-
      Das Forschungskonzept ist als strategisches Planungs-         sam für eine zukunftsweisende und auf eine hohe Qualität
   dokument für die Ressortforschung gedacht. Es dient vor          ausgerichtete Weiterentwicklung des Bildungs-, Forschungs-
   allem der Information der interessierten und betroffenen         und Innovationsstandorts Schweiz zu sorgen. Entsprechend
   Akteure im jeweiligen Politikbereich, der Transparenz und        wurden die federführenden Bundesämter aufgefordert, im
   damit auch der Legitimation der Ressortforschung des             Forschungskonzept 2013–2016 auch die Umsetzung der
   Bundes. Die Idee ist, dass das Erstellen von Forschungs-         Qualitätssicherung darzulegen.
   konzepten innerhalb der jeweiligen definierten Politikbe-           Wie die Qualitätssicherung in der Ressortforschung um-
   reiche zur Koordination und Vernetzung der künftigen             gesetzt und möglichst nachhaltig verankert wird, ist Ge-
   Forschungsaktivitäten beiträgt. Auch wenn es keineswegs          genstand eines separaten Beitrags. Die Qualitätssicherung
   einfach ist, heute schon zu bestimmen, welche Fragestel-         im Forschungsmanagement besteht aus vier Komponenten.
   lungen in den kommenden Jahren erforscht werden müssen,          Neben der strategischen Planung im Forschungskonzept
   um zeitgerecht Wissen und umsetzbare Vorschläge zur              ist vor allem die transparente Vergabe von Mandaten, die
   Lösung konkreter Probleme bereitzustellen.                       Projektdokumentation in ARAMIS und die Publikation
      Was bietet nun das strategische Planungsdokument für          der Ergebnisse zu gewährleisten. Die Qualitätssicherung
   die Praxis im BSV? Der vorliegende Schwerpunkt dieser            im Bereich Forschung und Evaluation (FuE) im BSV wird
   Zeitschrift wirft zunächst einen Blick auf den «Ertrag» der      im Forschungshandbuch dokumentiert. Durch eine weit-
   umfangreichen Forschungsaktivitäten des BSV nach den             gehende Vereinheitlichung der Prozesse und seiner Instru-
   Schwerpunkten, die im Forschungskonzept 2008–2011                mente sowie die präzise Umschreibung der Verantwortung
   formuliert wurden. Ein weiterer Beitrag stellt eine erste        der beteiligten Akteure kann eine konstant hohe Qualität
   Übersicht über wichtige Ressortforschungsthemen der              sichergestellt werden.

                                                                                           Soziale Sicherheit CHSS 5/2012   253
chronik                         Chronik      August/September 2012

                                          für den grössten Teil der Bevölkerung.    den aktuellen Stand der Bereitstellung von
AHV/IV-Minimalrente                       Zwar ist das System komplex, aber es      wirksamen Kindesschutzsystemen in verschie-
steigt um 10 Franken, neue                hat sich als flexibel erwiesen. Auch      denen Ländern zu analysieren, gute Praxis auf
Grenzbeträge in der                       wenn das soziale und wirtschaftliche      internationaler Ebene zu vergleichen und hin-
beruflichen Vorsorge                      Umfeld sich verändert hat, so drängt      sichtlich der Anwendung in der Schweiz zu
   Der Bundesrat hat per 1. Januar        sich ein Richtungswechsel im Sinne        untersuchen.
2013 die AHV- und IV-Renten sowie         gewisser Reformideen nicht auf. Dies
den Betrag für den Lebensbedarf bei       sind die Schlussfolgerungen einer am
den Ergänzungsleistungen der aktu-        14.9.2012 publizierten Untersuchung
ellen Preis- und Lohnentwicklung          zu Erwerbsausfall und sozialer Absi-      Empfehlungen zur Erhöhung
(Mischindex) angepasst. Gleichzeitig      cherung von Personen im Erwerbs­          der Kostentransparenz
werden die Grenzbeträge der beruf-        alter. Den Bericht dazu hat der Bun-      in der beruflichen Vorsorge
lichen Vorsorge, u.a. der Koordina­       desrat im Auftrag des Parlaments             Ausgehend von der Frage, welche Anlage-
tionsabzug, darauf abgestimmt. Die        erarbeitet.                               instrumente Kosten verursachen, die bislang
minimale AHV/IV-Rente steigt von                                                    nicht in der Betriebsrechnung von Vorsorge-
1160 auf 1170 Franken pro Monat, die                                                einrichtungen ausgewiesen wurden, hat das
Maximalrente von 2320 auf 2340                                                      Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
Franken. Bei den Ergänzungsleistun-       Kindesschutzsysteme                       eine Studie in Auftrag gegeben. Die am 3.9.2012
gen wird der Betrag für die Deckung          Eine international angelegte Stu-      publizierte Untersuchung geht auf die Kriteri-
des allgemeinen Lebensbedarfs von         die, die Kindesschutzsysteme aus fünf     en ein, die es ermöglichen, die verschiedenen
19 050 auf 19 210 Franken pro Jahr für    Ländern (Australien, Deutschland,         Anlagenarten zu unterscheiden und zu bestim-
Alleinstehende, von 28 575 auf 28 815     Finnland, Schweden und Vereinigtes        men, wie die kostentragenden Anlagen gemäss
Franken für Ehepaare und von 9945         Königreich) vergleicht, liefert wissen-   Art. 48a Abs. 3, BVV 2 zu behandeln sind. Die-
auf 10 035 Franken für Waisen erhöht.     schaftlich fundierte Empfehlungen         se Empfehlungen dienen nun der Oberauf-
Auch die Entschädigungen für Hilf-        für eine Verbesserung des Kindes-         sichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK
lose werden angepasst. Die Mindest-       schutzes in der Schweiz. Kinder effi-     BV) als Grundlage für die Erarbeitung von
beiträge der Selbstständigerwerben-       zient vor Gewalt und Missbrauch zu        verbindlichen Regeln. Das BSV weist ausdrück-
den und der Nichterwerbstätigen für       schützen ist das erklärte Ziel aller      lich darauf hin, dass diese Studie nur eine Mo-
AHV, IV und EO werden von 475 auf         Länder, die die UNO-Kinderrechts-         mentaufnahme darstellt. Durch die laufende
480 Franken pro Jahr erhöht, der Min-     Konvention unterschrieben haben.          Entwicklung im Bereich der Transparenz kön-
destbeitrag für die freiwillige AHV/      Gerade aber föderalistisch organisier-    nen unter Umständen einzelne Resultate be-
IV von 904 auf 914 Franken. In der        te Nationen sehen sich bei der Schaf-     reits überholt sein.
obligatorischen beruflichen Vorsorge      fung eines effektiven und breitflächig
wird der Koordinationsabzug von           greifenden Kindesschutzsystems vor
24 360 auf 24 570 Franken erhöht, die     spezifische Herausforderungen ge-
Eintrittsschwelle steigt von 20 880 auf   stellt – das gilt auch für die Schweiz,   BVG-Kommission empfiehlt
21 060 Franken. Der maximal erlaub-       wo die Verantwortung für den Kin-         dem Bundesrat einen
te Steuerabzug im Rahmen der ge-          desschutz hauptsächlich bei den Kan-      Mindestzinssatz von 1,5 Prozent
bundenen Selbstvorsorge (Säule 3a)        tonen und Gemeinden liegt. Dies ist          Die Mitglieder der Eidgenössischen Kom-
beträgt neu 6739 Franken (heute           vorteilhaft, weil damit auf lokale Be-    mission für die berufliche Vorsorge haben sich
6682) für Personen, die bereits eine      dürfnisse eingegangen wird, kann          am 3.9.2012 mit 13 Stimmen, 1 Gegenstimme
2. Säule haben, respektive 33 696         aber in Bezug auf die Übersicht und       und 3 Enthaltungen dafür ausgesprochen, den
Franken (heute 33 408) für Personen       die Koordination herausfordernd           Mindestzinssatz bei 1,5 Prozent zu belassen.
ohne 2. Säule. Auch diese Anpassun-       sein. Hier kann es sich lohnen, einen     Über eine allfällige Änderung des Satzes ent-
gen treten auf den 1. Januar 2013 in      Blick über die eigenen Grenzen hin-       scheidet der Bundesrat. Die Vorschläge der
Kraft.                                    aus zu werfen und zu analysieren, wie     Kommissionsmitglieder reichten von 1 bis 2,5
                                          andere Länder sich dieser anspruchs-      Prozent. Entscheidend für die Festlegung der
                                          vollen Aufgabe annehmen und was           Höhe des Mindestzinssatzes ist die Entwicklung
                                          dabei ganz besonders erfolgsverspre-      der Rendite der Bundesobligationen sowie zu-
Erwerbsausfall und soziale                chend ist. Aus diesem Grund hat der       sätzlich der Aktien, Anleihen und Liegenschaf-
Absicherung – Bericht des                 neu gegründete «Schweizerische            ten. Mit dem Mindestzinssatz wird bestimmt,
Bundesrates                               Fonds für Kinderschutzprojekte» bei       zu welchem Satz das Vorsorgeguthaben der
  Das schweizerische Sozialversiche-      der Berner Fachhochschule eine Stu-       Versicherten im BVG-Obligatorium mindes-
rungssystem erfüllt die Ziele der ma-     die in Auftrag gegeben, die am            tens verzinst werden muss. Unter Berücksich-
teriellen Sicherheit und Integration      6.9.2012 publiziert wurde. Ziel war es,   tigung der unsicheren Lage, der hohen Schwan-

254 Soziale Sicherheit CHSS 5/2012
Chronik      August/September 2012

kungen an den Finanzmärkten und                                                       Transparenz zu den Kosten. Seit Jah-
der zahlreichen Kassen in Unterde-          Das EDI reicht Klage ein und              ren wird versucht, die Kosten für
ckung haben sich die Mitglieder der         kündigt die Vereinbarung mit              Lehre und Forschung in der Human-
Kommission in ihrer Stellungnahme           Comparis vom vergangenen                  medizin genauer aufzuschlüsseln.
zugunsten der Stabilität ausgespro-         Juni                                      Dies ist aufgrund der oft fliessenden
chen. Vor dem Hintergrund, dass ak-            Das Eidgenössische Departement         Übergänge zwischen Lehre, For-
tuell keine Inflation herrscht und dass     des Innern EDI hat am 4.9.2012 bei        schung und Patientenversorgung
der Landesindex der Konsumenten-            der Staatsanwaltschaft des Kantons        schwierig. Zweitens soll die Standort-
preise negativ ist (–0,7 Prozent), stellt   Zürich Strafanzeige eingereicht. Es       frage geprüft werden. Es geht darum,
ein Mindestzinssatz von 1,5 Prozent         will die Umstände des versuchten          ob und unter welchen Bedingungen
eine angemessene Realverzinsung             Hackerangriffs vom 28. September          die Schaffung neuer Fakultäten allen-
dar.                                        2011 gegen den Krankenkassen-Ver-         falls sinnvoll wäre.
                                            gleichsdienst priminfo.ch des Bundes-
                                            amtes für Gesundheit klären. Der
                                            versuchte Hackerangriff wurde am
Weitere Grundlagenberichte                  30. August 2012 von Comparis in ei-       Mehrheit der Jugendlichen
für eine Reform der                         nem Communiqué eingestanden. Es           nutzt Internet und Online-
Altersvorsorge veröffentlicht               kündigt gleichzeitig die Vereinbarung     Games häufig, aber nicht
   Das Bundesamt für Sozialversiche-        zwischen dem Bundesamt für Ge-            exzessiv
rungen BSV hat verschiedene Frage-          sundheit und Comparis. Die Dienst-           Jugendliche und junge Erwachsene
stellungen, die für eine Reform der         leistungen des Prämienrechners des        in der Schweiz surfen jeden Tag
Altersvorsorge von Bedeutung sein           Bundes priminfo.ch sollen verbessert      durchschnittlich zwei Stunden im In-
könnten, wissenschaftlich untersu-          werden.                                   ternet. Nur eine kleine Minderheit
chen lassen und die entsprechenden                                                    zeigt ein exzessives und damit prob-
Berichte am 28.8.2012 veröffentlicht.                                                 lematisches Nutzungsverhalten. Dies
Zwei der Berichte setzen sich mit                                                     zeigt ein Bericht des Bundesrates, mit
Steuerungsmechanismen auseinan-             Mehr Ärztinnen und Ärzte                  dem er am 15.8.2012 die Postulate
der, ein Bericht untersucht die Aus-        ausbilden                                 Forster-Vannini (09.3521) und
wirkungen der Babyboom-Genera­                 Der Dialog Nationale Gesund-           Schmid-Federer (09.3579) zum Ge-
tion, und der letzte beleuchtet Hin-        heitspolitik von Bund und Kantonen        fährdungspotenzial von Internet und
tergründe der unterschiedlichen             will, dass ab dem Jahr 2018/19 jährlich   Online-Games beantwortete. Neben
Lebenserwartung in der Schweiz.             rund 300 Ärztinnen und Ärzte zusätz-      der Bestandesaufnahme zur Internet-
                                            lich ausgebildet werden. Er verab-        nutzung bietet der Bericht einen
                                            schiedete am 16.8.2012 in Bern einen      Überblick über die aktuellen Ansät-
                                            entsprechenden Bericht. Und er be-        ze für Prävention und Behandlung
Bericht zur Zukunft der                     schloss weitere Abklärungen, wie die      exzessiver Internetnutzung. Der Bun-
2. Säule: Bericht zum                       anfallenden Mehrkosten finanziert         desrat erteilt dem EDI den Auftrag,
Ergebnis der Anhörung                       werden und wo die Ausbildungen            die weitere Entwicklung im Bereich
   Der Bericht zur Zukunft der 2. Säu-      erfolgen sollen. Zudem stellt sich die    der exzessiven Internetnutzung zu
le, den das Eidgenössische Departe-         Frage, wie sichergestellt werden kann,    beobachten und die Datengrundlage
ment des Innern Ende Dezember 2011          dass vor allem die Grundversorgung        mit bestehenden Monitoringsyste-
zur Anhörung unterbreitete, ist auf         verstärkt wird. Eine Möglichkeit zur      men wie dem Nationalen Suchtmo-
grosses Interesse gestossen. Insgesamt      Deckung der anfallenden Mehrkos-          nitoring zu verbessern. Zudem soll
sind 114 Stellungnahmen von Parteien,       ten ist nach Ansicht des Dialogs Na-      die Fachwelt über bestehende Platt-
Berufs- und Interessenorganisationen        tionale Gesundheitspolitik, dass der      formen für die Thematik sensibilisiert
sowie Privatpersonen eingegangen.           Bund einen zusätzlichen Teil seiner       werden. Im Hinblick auf die Präven-
Das Bundesamt für Sozialversiche-           Grundbeiträge an die Universitäten        tion der exzessiven Internetnutzung
rungen BSV hat die Stellungnahmen           einsetzt. Gemäss einer ersten Schät-      misst der Bundesrat der Förderung
in einem Auswertungsbericht zusam-          zung belaufen sich die geplanten Zu-      der Medienkompetenz sowie der
mengefasst und am 14.8.2012 publi-          satzausgaben ab 2018/19 mindestens        Früherkennung und Frühinterven­
ziert. Dieser Bericht ist eine der          auf 56 Millionen Franken jährlich.        tion hohe Bedeutung zu.
Grundlagen, die dem Bundesrat dazu          Ausserdem schlägt der Dialog Nati-
dienen werden, die Vorschläge für die       onale Gesundheitspolitik vor, in ei-
bevorstehende Reform der Altersvor-         nem neuen Mandat zwei Aspekte zu
sorge zu definieren.                        vertiefen: Erstens braucht es mehr

                                                                                         Soziale Sicherheit CHSS 5/2012   255
schwerpunkt                              Schwerpunkt   Forschung

Die Ressortforschung zur sozialen Sicherheit

                                                                                   (Foto: Christoph Wider)

   Es ist keineswegs einfach, heute schon zu bestimmen, welche Fragestellungen in den kommen-
   den Jahren erforscht werden müssen, um zeitgerecht Wissen und umsetzbare Vorschläge zur
   Lösung konkreter Probleme bereitzustellen. Transparenz und Vernetzung, aber auch Weitblick
   sind gefragt bei der Planung der Forschungsprojekte.
   Der vorliegende Schwerpunkt thematisiert die verschiedenen Aspekte der Ressortforschung
   «Soziale Sicherheit». Er beleuchtet im Rückblick die Ergebnisse der vergangenen Forschungs­
   periode, erläutert das Forschungskonzept als strategisches Instrument, listet die Ressortfor-
   schungsthemen für die kommenden vier Jahre auf, und berichtet über die Forschungsaktivitäten
   in verschiedenen Bundesämtern und Institutionen.

   256 Soziale Sicherheit CHSS 5/2012
schwerpunkt                                           Schwerpunkt       Forschung

Die Ressortforschung der Bundesverwaltung
im Kontext der BFI-Botschaft
Der Bundesrat hat im Februar 2012 die Botschaft für                     dung, die Fachhochschulen, die Forschungs- und Innova-
die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation                     tionsförderung und die internationale Zusammenarbeit
                                                                        in Bildung und Wissenschaft. Zudem besteht auch bei
in den Jahren 2013–2016 zuhanden der eidg. Räte
                                                                        den kantonalen Universitäten und den Stipendien, welche
verabschiedet. Mit der Umsetzung der Massnahmen in                      primär in die kantonale Kompetenz fallen, ein Bundes-
der Botschaft soll der Spitzenplatz der Schweiz in den                  engagement auf subsidiärer Basis.
geförderten Bereichen erhalten werden. Die Ressort-                        Nachdem für das Jahr 2012 eine nur einjährige Über-
forschung der Bundesverwaltung wird in der Botschaft                    gangsbotschaft (BFI-Botschaft 2012) realisiert wurde,
                                                                        um eine bessere Abstimmung mit dem Legislaturzyklus
im Interesse eines Gesamtüberblicks der Forschungs-
                                                                        und der -planung zu erreichen, hat der Bundesrat am
anstrengungen des Bundes und der guten Koordina-                        22. Februar 2012 die BFI-Botschaft 2013–2016 an die
tion mit übergeordneten Zielen und Massnahmen                           eidg. Räte überwiesen. Der Bundesrat misst der Bildung,
sowie den Schwerpunkten in den Politikbereichen                         Forschung und Innovation eine hohe strategische Bedeu-
dargestellt. Eine Herausforderung in der kommenden                      tung zu. Dies widerspiegelt sich in den geplanten BFI-
                                                                        Investitionen in der Periode 2013–2016: Sie belaufen bei
Periode wird die Umsetzung der Evaluationsempfeh-
                                                                        Anrechnung der für die EU-Rahmenprogramme für
lungen hinsichtlich der Qualitätssicherung sein.                        Forschung und Bildung reservierten Finanzmittel auf
                                                                        gegen 26 Milliarden Franken, was rund 10 Prozent der
                                                                        geplanten Gesamtausgaben des Bundes entspricht. In-
                                                                        klusive der EU-Programme resultiert bei den BFI-Kre-
                                                                        diten für die Periode 2013-2016 ein nominales jährliches
                                                                        Wachstum von durchschnittlich 3,7 Prozent.

                                                                        Leitlinien der BFI-Botschaft 2013–2016

                                                                           In der Legislaturplanung 2011–2015 hat der Bundesrat
                                                                        dem BFI-Bereich folgende Leitlinie gewidmet: «Die
                                                                        Schweiz hält in Bildung, Forschung und Innovation einen
                                                                        Spitzenplatz.» Um dieses Ziel zu erreichen sind für die
                                Daniel Marti                            inhaltliche Erarbeitung der neuen BFI-Botschaft drei
                                Bereich Nationale Forschung, Staats­    Hauptmeilensteine durchlaufen worden:
                                sekretariat für Bildung und Forschung   1. Die Festlegung des Finanzrahmens der BFI-Botschaft
                                                                           erfolgte auf der Basis der Legislaturfinanzplanung des
                                                                           Bundesrates und den Bedarfsmeldungen der BFI-In-
                                                                           stitutionen wie ETH-Bereich, Universitäten, Fachhoch-
       Botschaft über die Förderung von Bildung,                           schulen, Schweizerischer Nationalfonds SNF, Kommis-
       Forschung und Innovation (BFI)                                      sion für Technologie und Innovation KTI, Akademien
                                                                           und weiteren Institutionen. Insbesondere musste auch
         Der Bund und die Kantone sind gemäss Verfassung                   Zusatzbedürfnissen bei der Berufsbildung, der Ent-
       verpflichtet, gemeinsam für eine zukunftsweisende und               wicklung der Hochschulen, der Forschungsförderung,
       auf eine hohe Qualität ausgerichtete Weiterentwicklung              den internationalen Forschungsrahmenprogrammen
       des Bildungs-, Forschungs- und Innovationsstandorts                 und den neuen Forschungsinfrastrukturen Rechnung
       Schweiz zu sorgen. Der Bundesrat formuliert hierzu mit              getragen werden.
       der Botschaft über die Förderung von Bildung, Forschung          2. Für die thematische Prioritätensetzung und Mittelver-
       und Innovation (BFI-Botschaft) Leitlinien und Massnah-              teilung unter den BFI-Bereichen wurden intensive
       men seiner Politik für die Bereiche des BFI-Systems, für            Gespräche zwischen Vertretern des Bundes, der Kan-
       die er gemäss gesetzlichen Grundlagen die Verantwortung             tone (EDK) und Universitäten (SUK) geführt. Diese
       inne hat: namentlich den ETH-Bereich, die Berufsbil-                betrafen die internationalen Verpflichtungen, die

                                                                                               Soziale Sicherheit CHSS 5/2012   257
Schwerpunkt       Forschung

   Gleichbehandlung zwischen Bundes- und kantonalen           durch die Produktion, Verbreitung und Nutzung von
   Aufgaben im BFI-Bereich sowie die Aufgabenteilung          Wissen und die verstärkte Förderung des Nachwuchses
   zwischen Kantonen und Bund bei der Berufsbildung,          für Wissenschaft und Wirtschaft.
   den Fachhochschulen und den Universitäten.
3. Im Rahmen der Erarbeitung der BFI-Botschaft
   schliesslich wurden weitere wichtige Themen aufge-         Forschung der Bundesverwaltung
   griffen wie die Stipendien und ETH-Bauten im Bereich       (Ressortforschung)
   der Bildung, die Finanzierung von EU-Forschungsrah-
   menprogrammen und neuen Forschungsinfrastruktu-               Als Ressortforschung wird gemeinhin die Forschung
   ren sowie transversale Themen wie die Nachwuchs- und       der Bundesverwaltung bezeichnet. Es handelt sich dabei
   MINT-Förderung1.                                           um Fo rschung, deren Ergebnisse von der Bundesverwal-
                                                              tung resp. der Bundespolitik für die Erfüllung ihrer Auf-
Als Ergebnis dieser Diskussionen hat der Bundesrat für        gaben (Vollzug, legislative Arbeiten, Politikentwicklung)
die BFI-Politik in der Förderperiode 2013–2016 folgende       benötigt werden oder die sie initiiert, weil sie im öffent-
Entwicklungslinien festgelegt:                                lichen Interesse liegt. Sie umfasst im Einzelnen
   Bei der Bildung steht die «Deckung des Bedarfs an          1. die Forschung intramuros der Bundesverwaltung, na-
allgemein gebildeten und berufsbezogen qualifizierten            mentlich auch den Betrieb von bundeseigenen For-
Personen» im Vordergrund. Dazu soll ein breites, vielfäl-        schungsanstalten,
tiges und durchlässiges Bildungsangebot durch eine aus-       2. die Durchführung eigener Forschungsprogramme, wel-
gewogene Förderung der allgemeinbildenden und be-                che in Zusammenarbeit mit Hochschulforschungs-
rufsbezogenen Bildungswege sichergestellt werden. Die            stätten, Forschungsförderungsinstitutionen, der KTI
hohe Qualität und der gute internationale Ruf des                oder weiteren Förderorganisationen erfolgen können,
Schweizer Hochschulsystems soll u.a. durch die Schaffung      3. Beiträge an Hochschulforschungsstätten für die Durch-
adäquater Betreuungsverhältnisse garantiert werden. Bei          führung von Forschungsprogrammen, soweit diese der
der Berufsbildung wird die Finanzierung so ausgelegt,            Erfüllung der Aufgaben der Bundesverwaltung dienen,
dass der gesetzliche Richtwert von 25 Prozent bei der            sowie
Beteiligung des Bundes an den Berufsbildungskosten der        4. Forschungsaufträge der Bundesverwaltung an Dritte.
öffentlichen Hand beibehalten werden kann. Im Bereich
der Hochschulen wird dem ETH-Bereich und den Uni-             Nicht der Ressortforschung zugerechnet werden die Aus-
versitäten ein jährliches Wachstum von gegen 4 Prozent        gaben der vom Bund finanzierten Hochschulen und de-
zugestanden. Bei den Fachhochschulen wird mittels             ren Annexanstalten, Beiträge des Bundes an den SNF,
schrittweiser Erhöhung ein Finanzierungsanteil des Bun-       die KTI und an wissenschaftliche Institutionen wie bei-
des von 30 Prozent angestrebt. Die Hochschulen können         spielsweise die Akademien und wissenschaftliche Hilfs-
zudem von Forschungs- und Innovationsförderbeiträgen          dienste sowie Beiträge an internationale wissenschaftli-
der KTI, des SNF sowie der EU-Forschungsrahmenpro-            che Institutionen und Organisationen.
gramme profitieren.                                              Diese Abgrenzung der Ressortforschung von den üb-
   Bei der Forschung und Innovation wird die «Konsoli-        rigen durch den Bund subventionierten Forschungsge-
dierung der kompetitiven Förderung auf hohem Niveau           fässen wird erstmals im totalrevidierten Forschungs- und
und weitere Stärkung der internationalen Wettbewerbs-         Innovationsförderungsgesetz FIFG, welches sich gegen-
fähigkeit der Schweiz» angestrebt. Ziele sind die Positi-     wärtig in den parlamentarischen Beratungen befindet
onierung der Schweiz als international anerkannter,           und voraussichtlich im Jahr 2013 in Kraft treten wird,
wettbewerbsfähiger Denk- und Werkplatz durch die              gesetzlich abgestützt.
Stärkung der kompetitiven Förderung von Forschung
und Innovation und die Sicherung der Spitzenstellung in
zukunftsträchtigen Themenbereichen. SNF und KTI kön-          Präsentation der Ressortforschung
nen hierzu ihre kompetitive Förderung auf hohem Niveau        in der BFI-Botschaft
konsolidieren und leicht ausbauen. Ein Schwerpunkt wird
in der BFI-Botschaft zudem auf Investitionen in für die          Aus Gründen der Transparenz und um den Zusam-
Schweiz strategisch prioritäre Forschungsinfrastrukturen      menhang mit der allgemeinen Forschungs- und Innova-
gelegt.                                                       tionsförderung des Bundes aufzuzeigen, hat die Ressort-
   Die übergreifenden Aspekte des BFI-Systems beinhal-        forschung Eingang in die BFI-Botschaft gefunden. Ei-
ten die «Ausgestaltung der Schweiz als Denk- und Werk-
platz, der den Prinzipien der Chancengleichheit, Nach-
haltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit verpflichtet ist». Ziel   1 Förderung in den Fachbereichen Mathematik, Informatik, Naturwissen-
ist die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts           schaft und Technik.

258 Soziale Sicherheit CHSS 5/2012
Schwerpunkt          Forschung

nerseits wird über die laufende Entwicklung in der                           tionsnetz als sehr wichtig eingeschätzt, welches über eine
Ressortforschung sowie die Ziele in der neuen Periode                        neu zu errichtende Projektdatenbank erreicht werden
und Massnahmen informiert. Andererseits werden die                           sollte.
Forschungsschwerpunkte in den Politikbereichen vorge-                           Für die Periode 2000–2003 wurden erstmals durch die
stellt und die geplante Finanzierung aufgezeigt. Auf die-                    federführenden Bundesämter in den 5 Politikbereichen
se Weise ist es den Akteuren in den unterschiedlichen                        Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt, Sozialpolitik und
BFI-Bereichen möglich, übergreifend Einsicht in die                          Energie Forschungskonzepte erstellt, welche Auskunft
anstehenden Herausforderungen in den verschiedenen                           gaben über die Forschungsschwerpunkte und die finan-
Politikbereichen zu erhalten und das Potenzial für Syn-                      zielle Planung. Zusätzlich haben auch die Direktion für
ergien und Zusammenarbeiten abzuklären. Mit den BFI-                         Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA sowie die
Botschaften werden allerdings keine Finanzmittel für die                     Gruppe Rüstung ihre Forschungsziele und den Mittelbe-
Ressortforschung beantragt.                                                  darf in der BFI-Botschaft vorgestellt. Alle Ressortfor-
  Ein Blick zurück zeigt, wie sich die Koordination in                       schungsprojekte wurden zur Erleichterung der Koordi-
der Ressortforschung in den letzten 15 Jahren entwickelt                     nation in die neu errichtete Datenbank ARAMIS einge-
hat. In der BFI-Botschaft 1996–1999 wird darauf verwie-                      tragen.
sen, dass der grösste Teil der Ressortforschung von eini-                       Seit der BFI-Periode 2004–2007 werden elf Politikbe-
gen wenigen Ämtern und Dienststellen, namentlich der                         reiche unterschieden.2 Diese Einteilung nach politischen
Gruppe für Rüstungsdienste (heute armasuisse), den                           Bereichen erfolgt im Interesse der guten Koordination
Bundesämtern für Landwirtschaft BLW und Energie-                             und Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Bun-
wirtschaft (heutige BFE) sowie für Umwelt, Wald und                          desstellen. Der Bundesrat legt im Rahmen der jeweiligen
Landschaft (heutige BAFU) erbracht wurde. In einem                           BFI-Botschaft die Politikbereiche fest, für die eine stra-
immer komplexer werdenden Umfeld mussten immer                               tegische Forschungsplanung zu erstellen ist (vgl. FIFG
vielfältigere und anspruchsvollere Herausforderungen                         Art. 24). Dazu erarbeiten die betroffenen Bundesstellen
gelöst werden, für welche die finanziellen und personel-                     unter der Leitung eines federführenden Bundesamtes
len Ressourcen zur Erarbeitung der Grundlagen oftmals                        vierjährige Forschungskonzepte unter Einbezug von ex-
fehlten. Zur Verbesserung der Koordination wurde der                         ternen Fachexperten, bzw. von wissenschaftlichen Be-
interdepartementale Ausschuss für Wissenschaft und                           gleitkommissionen. In ihrer Evaluation beurteilte die
Forschung reaktiviert unter der Leitung des Direktors                        GPK-N im Jahr 2006 die für verschiedene Politikbereiche
der Gruppe Wissenschaft und Forschung (heute Staats-                         erarbeiteten, ressortübergreifenden Forschungskonzep-
sekretariat für Bildung und Forschung SBF). Unter des-                       te insgesamt als sehr positiv.3
sen Federführung wurde ein Leitfaden für das For-
schungsmanagement und eine Mehrjahresplanung der
Bundesstellen, an welcher sich 29 Dienststellen beteilig-                    Koordination der Ressortforschung
ten, erstellt. Die Planung zeigte, dass nach Politikberei-
chen gegliedert jeweils ein Amt den Schwerpunkt der                             Im Rahmen der Regierungs- und Verwaltungsreform
Ressortforschung bildete und die Koordinationsverant-                        hatte der Bundesrat beschlossen, ab 1998 den Bereich
wortung wahrnahm. In vielen Bereichen arbeiteten die                         Bildung, Forschung und Technologie auf das Eidg. De-
Ämter auch politikbereich-übergreifend zusammen wie                          partement des Innern EDI und das Eidg. Volkswirt-
beispielsweise in den Bereichen Umwelt/Energie oder                          schaftsdepartement EVD zu konzentrieren, wobei die
Umwelt/Gesundheit. Für Ämter mit kleinen Ressortfor-                         beiden Departemente in erster Linie die Verantwortung
schungsbudgets, welche kurzfristig auf neue Herausfor-                       in ihrem Zuständigkeitsbereich tragen (ETH-Bereich,
derungen in ihren Politikbereichen reagieren müssen,                         Universitäten, nationale und internationale Forschungs-
wurden langfristige Planungen als wenig sinnvoll erach-                      förderung beim EDI, bzw. Berufsbildung, Fachhochschul-
tet. Dagegen wurde ein gut funktionierendes Informa­                         bereich, KTI beim EVD). Ein Steuerungsausschuss-
                                                                             Bildung-Forschung-Technologie (BFT) für die Koordi-
                                                                             nation in der Ressortforschung wurde vom Bundesrat
2 1. Gesundheit (Federführung BAG), 2. Soziale Sicherheit (BSV), 3. Umwelt
  (BAFU), 4. Landwirtschaft (BLW), 5. Energie (BFE), 6. Nachhaltige Raum­    eingesetzt unter der Leitung des heutigen Staatssekreta-
  entwicklung und Mobilität (ARE), 7. Entwicklung und Zusammenarbeit         riats für Bildung und Forschung SBF und des Bundes-
  (DEZA), 8. Sicherheits- und Friedenspolitik (W+T, BABS, EDA/PD), 9. Be-
  rufsbildung (BBT), 10. Sport und Bewegung (BASPO) und 11. Nachhal-         amtes für Berufsbildung und Technologie BBT. Das
  tiger Verkehr (ASTRA). In der Periode 2004–2007 gab es einen 12. Po-       Präsidium des Steuerungsausschusses-BFT nimmt für
  litikbereich Kultur und gesellschaftliche Entwicklung unter Federführung
  des BAK.                                                                   den Bundesrat allgemeine Koordinationsaufgaben in
3 Steuerung der Ressortforschung des Bundes, Bericht der Geschäftsprü-       Zusammenhang mit der Forschung der Bundesverwal-
  fungskommission des Nationalrats vom 23. August 2006, BBl 2007 771         tung wahr, namentlich bei der Koordination der For-
  (www.admin.ch/ch/d/ff/2007/771.pdf).
4 «Qualitätssicherung in der Ressortforschung des Bundes», Richtlinien
                                                                             schungskonzepte sowie bei Fragen der Qualitätssiche-
  des Steuerungsausschusses-BFT, November 2005.                              rung.4 Die Mitglieder des Steuerungsausschusses-BFT

                                                                                                    Soziale Sicherheit CHSS 5/2012   259
Schwerpunkt      Forschung

sind die Direktorinnen/Direktoren der Bundesämter mit      ben, welche nur gelegentlich und mit geringem finanzi-
eigener Forschung, der Bundeskanzlei und der eidg. Fi-     ellem Aufwand Forschung betrieben. Die vom Steue-
nanzverwaltung sowie je ein Vertreter des SNF, der KTI     rungsausschuss-BFT erlassenen Richtlinien für die
und des ETH-Rates. Der Steuerungsausschuss-BFT stellt      Qualitätssicherung haben in der Praxis ihre Nützlichkeit
die strategische Koordination der Forschung der Bun-       bewiesen, insbesondere in denjenigen Fällen, in denen
desverwaltung sicher und unterstützt sein Präsidium in     die Qualitätssicherung auf Stufe Bundesstellen noch we-
der Wahrnehmung der Verantwortung für das Gesamt-          nig entwickelt war. Der Nutzung der Forschungsresulta-
system. Er nimmt Aufgaben wahr bei der Auswahl von         te wird in der Praxis von den Bundesstellen eine grosse
Nationalen Forschungsprogrammen NFP und Nationalen         Aufmerksamkeit geschenkt. Die Verantwortlichen ken-
Forschungsschwerpunkten NFS und erhebt jährlich den        nen die Voraussetzungen zur Schaffung optimaler Nut-
Forschungsaufwand und den Budgetrahmen der For-            zungsbedingungen sehr gut. Jedoch wird nur in seltenen
schungskredite der Bundesverwaltung für die Berichter-     Fällen das Wissen über die Resultatenutzung konzeptge-
stattung an den Bundesrat. Die ämter- und departements-    leitet und systematisch erhoben sowie ausgewertet.
übergreifende Steuerung der finanziellen Ressourcen der       Eine Herausforderung in der kommenden BFI-Perio-
Forschung der Bundesverwaltung fällt allerdings nicht      de 2013–2016 wird die Umsetzung der Evaluationsemp-
in den Aufgabenbereich des Steuerungsausschusses-BFT.      fehlungen sein:
Letztmals wurde im Jahr 2006 eine entsprechende Emp-       1. Weiterentwicklung und Konsolidierung der spezifi-
fehlung der Geschäftsprüfungskommission des National-         schen Qualitätssicherung innerhalb der Bundesstellen
rates GPK-N zur Steuerung der Ressourcen in der For-          unter Einbezug des Steuerungsausschusses-BFT,
schung der Bundesverwaltung durch den Bundesrat            2. explizite Aufnahme der Qualitätssicherung in die For-
abgelehnt.5 Diese Steuerung muss in letzter Verantwor-        schungskonzepte mit konkreten Zielen für die jewei-
tung durch das Parlament über die Genehmigung der             lige Planungsperiode,
jeweiligen spezifischen Forschungskredite der Ämter        3. vermehrter Einsatz von wissenschaftlichen Begleit-
erfolgen und kann mit dem heutigen Verfahren vom              gruppen,
Parlament im Rahmen der jährlichen Budgetentscheide        4. Aufbau eines Systems für die Berichterstattung und
effizient wahrgenommen werden.                                das Controlling der Ergebnisnutzung sowie
   Im Juni 2011 hat der Bundesrat einem langjährigen       5. das verstärkte Zusammenwirken mit Forschenden an
politischen Anliegen entsprochen, die Bereiche Bildung,       Hochschulen und Nutzung der Gelegenheit zur Wei-
Forschung und Innovation in einem Departement zu              terbildung.
vereinen. Am 1. Januar 2013 werden im Rahmen dieser
Reform das SBF und BBT zum neuen Staatssekretariat         Der Steuerungsausschuss-BFT hat Massnahmen zur Um-
für Bildung, Forschung und Innovation SBFI fusioniert      setzung der Empfehlungen vorgeschlagen und wird die
und zusammen mit dem ETH-Bereich im Eidg. Volks-           Bundesämter bei der Implementierung unterstützen.6
wirtschaftsdepartement EVD angesiedelt, welches in der
Folge in Eidg. Departement für Wirtschaft, Bildung und
Forschung WBF umbenannt wird.                              Daniel Marti, Dr. phil. nat., Wissenschaftlicher Berater, Bereich
                                                           ­Nationale Forschung, Staatssekretariat für Bildung und Forschung.
                                                            E-Mail-Adresse: daniel.marti@sbf.admin.ch
Herausforderungen in der Periode 2013–2016

   Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates
(GPK-N) empfahl in ihrer Evaluation, die Umsetzung
der vom Steuerungsausschuss-BFT im Jahr 2005 erlas-
senen Qualitätssicherungsrichtlinien für die Forschung
der Bundesverwaltung zu evaluieren. Der Steuerungs-
ausschuss-BFT mandatierte den Schweizerischen Wis-
senschafts- und Technologierat SWTR mit der Durch-
führung der externen Evaluation unter Einbezug inter-
nationaler Experten.
   Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass die Qualitäts-
sicherung in den Ämtern, welche zusammen mehr als
90 Prozent der Forschungsinvestitionen des Bundes tä-      5 Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Dezember 2006, BBl 2007 847
tigen, nach Grundsätzen erfolgt, die in den Richtlinien      (www.admin.ch/ch/d/ff/2007/847.pdf).
des Steuerungsausschusses-BFT festgehalten sind. Ver-      6 vgl. Abschlussbericht des Steuerungsausschusses-BFT «Evaluation der
                                                             Umsetzung der Qualitätssicherungsrichtlinien und der Nutzung der For-
besserungsbedarf ist bei denjenigen Bundesstellen gege-      schungsergebnisse in der Ressortforschung» vom April 2010.

260 Soziale Sicherheit CHSS 5/2012
schwerpunkt                                                  Schwerpunkt          Forschung

Statistiken zur Sozialen Sicherheit: Mehr
Informationen dank besserer Datenbasis
In den vergangenen Jahren hat das Bundesamt für                                   System respektive die Teilsysteme in den Vordergrund
Statistik (BFS) die Datengrundlage im Bereich der                                 und lassen Rückschlüsse über deren Finanzen oder über
                                                                                  Ausmass und Struktur der LeistungsbezügerInnen zu.
Einkommen und der Sozialen Sicherheit weiter auf-
                                                                                  Dazu gehören die Gesamtrechnung zur sozialen Sicher-
und ausgebaut. Mit der verbesserten Verfügbarkeit                                 heit (GRSS), die Finanzstatistik der bedarfsabhängigen
statistischer Daten erweitern sich auch die Möglich-                              Sozialleistungen (FIBS), die Sozialhilfe-Empfänger­
keiten vertiefender Analysen zu verschiedenen Aspek-                              statistik, aber auch der Jahresbericht gemäss Artikel 76
ten sozialer Risiken und sozialer Absicherung.                                    ATSG und die Statistik der Ergänzungsleistungen zur
                                                                                  AHV/IV (EL) des Bundesamtes für Sozialversicherungen
                                                                                  (BSV). Auf der anderen Seite finden sich in Personen- und
                                                                                  Haushaltsbefragungen wie der Erhebung über die Ein-
                                                                                  kommen und Lebensbedingungen (Statistics on Income
       Sektion Sozialanalysen, Bundesamt für Statistik                            and Living Conditions, SILC), der Haushaltsbudgeter-
                                                                                  hebung (HABE) oder der Schweizerischen Arbeitskräf-
                                                                                  teerhebung (SAKE) Angaben über die finanzielle und
                                                                                  soziale Situation von Personen, Familien und Haushalten.
       Grundsätzlich besteht der Auftrag der Bundesstatistik                      Mit dieser Datengrundlage können Angaben über Zu-
       – und damit auch des Bundesamts für Statistik (BFS) als                    sammenhänge und Ausmass sozialer Ausgrenzungspro-
       nationales Zentrum für die öffentliche Statistik – in der                  zesse und damit auch über die Auswirkungen sozialer
       Produktion und Diffusion statistischer Informationen.                      Sicherungsmassnahmen geliefert werden.
       Diese sollen den steigenden Informationsbedarf abde-
       cken und als Grundlage für die öffentliche und politische
       Entscheidungsfindung dienen. Für welche Themen Daten                       Statistiken und Analysen aus Makrosicht
       erhoben und zur Verfügung gestellt werden, definiert der
       Bundesrat im Statistischen Mehrjahresprogramm des                          Gesamtrechnung Soziale Sicherheit (GRSS)
       Bundes1. Indem das BFS aufbereitete und qualitativ hoch-                      Die Gesamtrechnung Soziale Sicherheit ist eine kohä-
       stehende Daten zur Verfügung stellt, bietet sich auch                      rente und regelmässig erstellte Synthesestatistik, die über
       anderen Institutionen die Möglichkeit, Datenauswertun-                     die Finanzen der Sozialen Sicherheit Auskunft gibt. Da-
       gen zu spezifischen Fragestellungen vorzunehmen. Um                        bei wird die Methode des Europäischen Systems integ-
       auf komplexe, bereichsübergreifende Fragen eine Ant-                       rierter Sozialschutzstatistiken (ESSOSS) verwendet, was
       wort zu geben, führt das BFS darüber hinaus vertiefende                    einen europaweiten Vergleich der integrierten Statistik
       Analysen durch, die bestimmte Teilbereiche und Ent-                        der Sozialen Sicherheit erlaubt. Soziale Sicherheit wird
       wicklungen näher betrachten. Diese Strategie gilt auch                     in diesem Kontext umfassend definiert und beinhaltet
       für die Statistikbereiche, die sich mit der Sozialen Sicher-               ausser den Sozialversicherungen weitere Leistungen, die
       heit sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation der                 zur sozialen Sicherung eingesetzt werden, beispielsweise
       Bevölkerung beschäftigen. Um die Komplexität des                           Wohnhilfe, Stipendien oder Alimentenbevorschussung.
       Themas in adäquater Weise zu reduzieren und klar ver-                      Aktuell sind Vorbereitungsarbeiten im Gange, um das
       ständliche Ergebnisse zur Verfügung zu stellen, werden                     zurzeit aktive Kernmodul der GRSS mit den von EU-
       in diesem Themenbereich regelmässig Indikatoren be-                        ROSTAT vorgeschlagenen thematischen Modulen zu
       rechnet und publiziert.                                                    erweitern. Diese zwei Module liefern zusätzliche Statis-
         Im Bereich der Sozialen Sicherheit hat sich die Daten-                   tiken zu zwei besonderen Aspekten der Sozialen Sicher-
       lage in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Mit                    heit: den RentenbezügerInnen und den Nettosozialleis-
       den heute zur Verfügung stehenden Daten lässt sich die                     tungen. Das Ziel des Rentenbezüger-Moduls ist es, die
       soziale Sicherung aus verschiedenen Perspektiven be-                       Gesamtzahl der Bezüger nach verschiedenen Kategorien
       trachten. Auf der einen Seite rücken die Statistiken das                   auszuweisen. Das Modul zu den Nettosozialleistungen
                                                                                  soll den Indikator Bruttosozialleistung ergänzen, in dem
                                                                                  es die Ausgaben für Sozialleistungen abzüglich der darauf
        1 Bundesamt für Statistik (BFS). 2012: Statistisches Mehrjahresprogramm
                                                                                  gezahlten Steuern erfasst. Dabei wird der in einem Land
          des Bundes 2011 bis 2015. Neuchâtel: BFS.                               effektiv aufgewendete Betrag für Sozialleistungen ge-

                                                                                                          Soziale Sicherheit CHSS 5/2012   261
Schwerpunkt       Forschung

schätzt, um die Sozialschutzausgaben verschiedener Staa-      Statistiken und Analysen aus Mikrosicht
ten zuverlässiger vergleichen zu können. Neben der Ver-
gleichsmöglichkeit mit anderen an EUROSTAT ange-              Einkommensverteilung und -umverteilung
schlossenen Staaten können damit weitergehende                   Fragen der sozialen Gerechtigkeit im Zusammenhang
Informationsbedürfnisse innerhalb der Schweiz abge-           mit Einkommensverteilung und Umverteilung durch
deckt werden.                                                 staatliche Massnahmen (z.B. im Rahmen des sozialen
  Die Gesamtrechnung hat in den vergangenen Jahren            Sicherungssystems) werden in der Öffentlichkeit häufig
verschiedene Anpassungen erfahren, die sich auf die Re-       diskutiert, ohne dass Thesen und Einschätzungen zu die-
sultate wie auch die verwendete Methode auswirken. Sie        sem Thema empirisch belegt werden könnten. Der Infor-
werden in einem detaillierten Bericht im Oktober 2012         mationsbedarf in Bezug auf fundierte Analysen in diesem
publiziert, zusammen mit den aktualisierten Indikatoren       Bereich ist gross – nicht nur in Bezug auf die Soziale Si-
der GRSS.                                                     cherheit, sondern insbesondere auch in verteilungspoli-
                                                              tisch relevanten Themen wie der Einnahmen- und Steu-
Finanzstatistik der bedarfsabhängigen                         erpolitik, der Bereitstellung öffentlicher Güter, der Lohn-
Sozialleistungen (FIBS)                                       und Preisentwicklung oder bei sozialpolitischen Reformen.
  Die Finanzstatistik liefert Informationen zu den Netto­        Aufgrund der hohen Relevanz dieses Themas und der
ausgaben der Sozialhilfe und den anderen bedarfsabhän-        verbesserten Datenlage wurden die bisherigen Bericht-
gigen Sozialleistungen in der Schweiz. Sie zeigt die Aus-     erstattungen zur Einkommensverteilung des BFS durch
gaben für bedarfsabhängige Sozialleistungen nach Leis-        Analysen zur Einkommensungleichheit und -umvertei-
tungsart und Kanton sowie den Anteil der vom Bund,            lung ergänzt, die im Juni 2012 in zwei Berichte mündeten.
den Kantonen und den Gemeinden übernommenen Kos-                 Mit dem Referenzdokument zu theoretischen und me-
ten. Die Statistik liegt ab 2003 vor und wird alle ein bis    thodischen Grundlagen von (Um-)Verteilungsanalysen3
zwei Jahre aktualisiert.                                      kann das BFS eine fachlich fundierte Bearbeitung des
  Bedarfsleistungen nehmen innerhalb des Systems der          Themas gewährleisten. Ausgehend von theoretischen
Sozialen Sicherheit eine komplementäre Stellung zu den        Überlegungen wird darin ein idealtypisches Einkom-
Sozialversicherungszweigen ein. Im Gegensatz zu diesen        menskonzept beschrieben, das es erlaubt, die verschie-
sind die Bedarfsleistungen nach dem Finalitätsprinzip         denen Einkommensstufen und die jeweiligen Umvertei-
aufgebaut. Auf Bundesebene bestehen je nach Sozial-           lungsmechanismen möglichst weitgehend zu erfassen.
schutzfunktion nur relativ schwache gesetzliche Regelun-      Auf dieser Grundlage kann die Einkommensverteilung
gen. In der Folge finden sich auf kantonaler Ebene zahl-      und Umverteilung durch staatliche Eingriffe auf Basis
reiche Gesetze, die diese Lücke zu füllen versuchen (z.B.     konsistenter und fundierter Einkommensdefinitionen
bezüglich Familien mit Kindern). Dies wiederum führt zu       analysiert werden.
einer markanten Heterogenität zwischen den Kantonen              In einem ersten eigens auf die Umverteilung fokussier-
was die Ausgestaltung, Organisation sowie die finanzielle     ten Analysebericht4 werden – ausgehend von einem Über-
wie auch die sozialpolitische Bedeutung der sozialen Be-      blick der finanziellen Situation der privaten Haushalte
darfsleistungen anbelangt. Bei der Betrachtung der Daten      – verschiedene Stufen im Prozess staatlicher Umverteilung
aus der FIBS fallen die bedeutenden Unterschiede der          und die Entwicklung der Einkommensungleichheit zwi-
Höhe der Ausgaben auf. Eine erste Vertiefungsanalyse          schen 1998 und 2009 beschrieben. Zentral ist dabei die
wurde im Jahr 2011 durchgeführt mit dem Ziel, den Ur-         Frage, inwieweit allfällige Ungleichheiten durch staatliche
sachen für die kantonalen Unterschiede bei den Sozial-        Transfers kompensiert wurden. Das Ausmass der Einkom-
hilfeausgaben2 auf die Spur zu kommen. Das BFS plant          mensungleichheit vor und nach Umverteilung wird an-
in Zukunft die Forschungstätigkeit in diesem Bereich          hand verschiedener Ungleichheitsmasse untersucht.
weiterzuführen, um das Potenzial dieser und weiterer vom         Neben den erwähnten themenbezogenen Arbeiten
BFS erhobenen Daten noch besser nutzen zu können und          werden in diesem Bereich in regelmässigen Abständen
mehr über die Einflussfaktoren unterschiedlich hoher          Untersuchungen zu spezifischen Risikogruppen durch-
Aus­gaben in der Sozialhilfe zu erfahren. Namentlich sollen   geführt. Gegenwärtig sind Analyseberichte zu den mitt-
vermehrt Mikrodaten der Sozialhilfe-Empfängerstatistik        leren, zu den knapp über der Armutsgrenze lebenden
in die Analysen mit einbezogen werden. Darüber hinaus
wird sich das BFS auch verstärkt mit der Frage auseinan-
dersetzen, welchen Einfluss die Entwicklungen in den          2 Bundesamt für Statistik (BFS). 2012: Ursachen der kantonalen Aus­
                                                                gabenunterschiede in der Sozialhilfe. Neuchâtel: BFS.
Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik auf
                                                              3 Bundesamt für Statistik (BFS). 2012. Analysen zu Verteilungswirkungen
die Ausgabenentwicklung im Bereich der bedarfsabhän-            staatlicher Massnahmen: theoretische und methodische Grundlagen.
gigen Sozialleistungen haben. Aufgrund der ab 2003 ver-         Neuchâtel: BFS.
fügbaren Datenreihe sollen insbesondere auch Aspekte          4 Bundesamt für Statistik (BFS). 2012. Einkommensungleichheit und staat-
                                                                liche Umverteilung: Zusammensetzung, Verteilung und Umverteilung der
der zeitlichen Entwicklung mitberücksichtigt werden.            Einkommen der privaten Haushalte. Neuchâtel: BFS.

262 Soziale Sicherheit CHSS 5/2012
Schwerpunkt           Forschung

sowie zu den von Armut gefährdeten Einkommensgrup-                            Bevölkerung anhand verschiedener Themenbereiche
pen geplant. Darin sollen hauptsächlich das soziodemo-                        aufzeigen können. Weiter sind Publikationen zu spezifi-
grafische Profil und die Entwicklung der materiellen                          schen Themen des Alters und der Alterssicherung geplant.
Lage bestimmter Bevölkerungsgruppen beschrieben und
verglichen werden.                                                            Sozialhilfe
                                                                                Im System der Sozialen Sicherheit bildet die Sozial­hilfe
Alterssicherung                                                               die letzte Sicherungsinstanz. Das heisst, sie wird nach
   Im System der Sozialen Sicherheit spielt die Absiche-                      dem Finalitätsprinzip in finanziellen Notlagen unabhän-
rung der altersbedingten Risiken eine grosse Rolle. Dem-                      gig von deren Ursache ausgerichtet. Integraler Bestand-
entsprechend wichtig sind Informationen für die Politik,                      teil sind Bemühungen zur (Re-)Integration in den Ar-
für Altersinstitutionen sowie für die interessierte Öffent-                   beitsmarkt und zur Erreichung der finanziellen Selbst-
lichkeit. Aus diesem Grund hat das BFS das Indikatoren-                       ständigkeit ausserhalb der Sozialhilfe. Seit den 1990er
system zur Alterssicherung aufgebaut, das aus ca. 50 In-                      Jahren kommt der Sozialhilfe – wegen der dynamischen
dikatoren besteht, die die Situation der älteren Personen                     Veränderungen in Wirtschaft und Arbeitsmarkt – eine
und deren Haushalte aus verschiedenen Gesichtspunkten                         steigende Bedeutung zu. Seit dem Erhebungsjahr 2004
aus betrachten. Es werden die demografischen Rahmen-                          publiziert das BFS jährlich die Resultate und Daten der
bedingungen, die Lebensbedingungen, der Gesundheits-                          Sozialhilfe-Empfängerstatistik. Erfasst werden dort in
zustand und die Lebensqualität im weiteren Sinne unter-                       einer Vollerhebung Anzahl und Struktur aller Personen
sucht. Ein besonderer Fokus wird auf die Struktur und                         und Haushalte, die Sozialhilfe beziehen. Das heisst, die
den Umfang der Absicherung durch die drei institu­                            erfassten Personen haben den entsprechenden Verwal-
tionellen Säulen der Alterssicherung gelegt (AHV, BV,                         tungsprozess durchlaufen, in dem die Einkommens- und
Säule 3a). Interdependenzen zwischen den drei Säulen,                         Vermögenssituation individuell geprüft wird.
die Zusammensetzung des Rentnereinkommens und die                               Aufgrund ihrer besonderen Position innerhalb des Sys-
diesbezüglichen Veränderungen zum Rentenzeitpunkt                             tems der Sozialen Sicherheit, an der Schwelle zu Armut
werden auf individueller Ebene und wenn möglich auch                          und sozialer Ausgrenzung, eignet sich die Sozialhilfe,
auf Haushaltsebene untersucht. Um der interessierten                          diejenigen sozialen Risiken zu betrachten, deren kausale­
Öffentlichkeit einen kurzen, klaren und prägnanten Über-                      Absicherung Lücken aufweist6. Da die Sozialhilfe unmit-
blick anbieten zu können, sind 12 Schlüsselindikatoren                        telbar vor dem Eintritt in eine monetäre Armutssitua­tion
ausgewählt worden, die im Hinblick auf eine Gesamtschau                       eingreift, bezeichnet man sie auch als bekämpfte Armut.
des Alterssicherungssystems aussagekräftig sind.                              In Zukunft sind in diesem Bereich vermehrt Analysen
   Die wichtigste Datenquelle für die Indikatoren zur                         im Quer- und Längsschnitt vorgesehen, die es erlauben
Alterssicherung ist die SAKE mit dem angehängten                              werden, mehr über die zeitliche Dynamik des Sozialhilfe­
Fragemodul zur sozialen Sicherheit. Eine Verknüpfung                          bezugs spezifischer Personengruppen zu erfahren. Diese
der SAKE mit Daten verschiedener Register ergibt die                          Untersuchungen stützen sich konzeptionell auf die vom
Datenbasis SESAM (Syntheseerhebung soziale Sicher-                            BFS 2009 publizierte Studie «Junge Erwachsene in der
heit und Arbeitsmarkt). Weitere Datenquellen sind u.a.                        Sozialhilfe»7. Künftig soll vermehrt der Frage nachgegan-
die Schweizerische Gesundheitsbefragung (SGB), die                            gen werden, welche Ereignisse sich in welcher Art und
Erwerbstätigenstatistik (ETS), die Statistik der sozial-                      Weise auf die Abhängigkeit von Sozialhilfe respektive
medizinischen Institutionen (SOMED), die Spitex-Sta-                          auf deren Beendigung auswirken.
tistik und die Pensionskassenstatistik.
   Die Indikatoren zur Alterssicherung wurden im Mai                          Armut
2011 erstmals vollumfänglich publiziert (Indikatorensys-                         Armut bedeutet Unterversorgung in wichtigen Lebens-
tem und kommentierte Schlüsselindikatoren)5. Im Jahr                          bereichen (materiell, sozial und kulturell), so dass die be-
2013/14 wird das gesamte Indikatorensystem aktualisiert.                      troffenen Personen nicht den minimalen Lebensstandard
Bezüglich der Indikatoren rund um die drei institutio-                        erreichen, der im Land, in dem sie leben, als annehmbar
nellen Säulen des Alterssicherungssystems wird ein Ver-                       empfunden wird. Im Unterschied zur bekämpften Armut,
gleich der Jahre 2008 und 2012 möglich sein. Die Ergeb-                       die mit Hilfe der Sozialhilfe-Empfängerstatistik identifiziert
nisse werden die Entwicklung der Situation der älteren                        und analysiert werden kann, muss bei der Messung dieser
                                                                              statistischen Armut auf Haushalts- und Personenbefragun-
                                                                              gen zurückgegriffen werden. Mit der Verfügbarkeit der
5 Bundesamt für Statistik (BFS). 2011: Indikatoren zur Alterssicherung.       Erhebung SILC wurde es ab diesem Jahr möglich, Analy-
  Resultate der Schlüsselindikatoren. Neuchâtel: BFS.                         sen für alle Altersklassen durchzuführen.8
6 Vgl. dazu auch: Bundesamt für Statistik (BFS). 2009: Sozialhilfe- und          Im Frühjahr 2012 erschienen erste Auswertungen zur
  Armutsstatistik im Vergleich. Konzepte und Ergebnisse. Neuchâtel: BFS.
7 Bundesamt für Statistik (BFS). 2009: Junge Erwachsene in der Sozialhilfe.
                                                                              revidierten, d.h. auf Basis von SILC-Daten berechneten
  Schlussbericht. Neuchâtel: BFS.                                             Armutsquote und -lücke 2008–20109, mit Schwerpunkt

                                                                                                       Soziale Sicherheit CHSS 5/2012   263
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