STADT JUGEND RING AUGSBURG - JUBILÄUMSSCHRIFT www.sjr-a.de
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INHALTSVERZEICHNIS 75 JAHRE SJR www.sjr-a.de Grußworte........................................................................................................ 4 Übersicht der Vorsitzenden.......................................................................... 7 Jung & laut – seit 75 Jahren......................................................................... 8 Heute & damals: Interview mit den Vorsitzenden 2021/1978................. 16 Jung und laut soll er bleiben: Interview mit Helmut und Dennis............ 24 Aus dem Nähkästchen – Anekdoten aus dem SJR.................................... 30 Interview mit den Verbänden des SJR........................................................ 38 Der SJR im Auftrag der Jugend................................................................... 44 Wünsche des Vorstands................................................................................ 50 IMPRESSUM Herausgegeben von: Auflage: 500 Expl. Stadtjugendring Augsburg des B ayerischen Jugendrings KdöR Veröffentlicht: im Juni 2021 Schwibbogenplatz 1 | 86153 Augsburg Tel: 0821 45026-0 | Fax: 0821 45026-33 Druck: Druckerei Walch, Augsburg E-Mail: geschaeftsstelle@sjr-a.de Web: www.sjr-a.de Diese Broschüre ist klimaneutral gedruckt V. I. S. D. P.: Jonas Riegel (Vorsitzender) und unterstützt das Klimaschutzprojekt „Reduzierung von Rauchgasemissionen“ in Redaktionsleitung: Andreas Keilholz Kenia. Das Papier stammt aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Gestaltung: Nathan Lechner Redaktionelle Mitarbeit: Leonie Herrmann M. A., Anni El-khorazati Fotos: Archiv des SJR, Privatfotos und Fotos von Andreas Keilholz Quellen: Archiv des SJR INHALTSVERZEICHNIS 3
GRUSSWORT GRUSSWORT PRÄSIDENT OBERBÜRGERMEISTERIN BAYERISCHER JUGENDRING EVA WEBER MATTHIAS FACK Klima- und Umweltschutz, Digitalisierung petenz und Engagement unterschiedliche Ich gratuliere dem Stadtjugendring Augs- sind, wurde und wird auch mit der BJR- oder die Bewältigung der Pandemie – die Funktionen – u. a. als Fachberatungsstelle, burg recht herzlich zu 75 Jahren erfolgreiche Kampagne #hörtaufdiejugend verfolgt und großen Themen und Herausforderungen Bildungsträger, Vertreter von derzeit 43 Arbeit! Der Jugendarbeit ist man als Mensch macht deutlich, welche Räume und Möglich- unserer Gesellschaft betreffen auch stark die Jugendverbänden, Betreuer von Jugendhäu- in dem Alter meist entwachsen: Man schaut keiten Kindern und Jugendlichen fehlen, Gegenwart und die Zukunft der Jugendlichen. sern und weiteren Treffs. Seit Jahrzehnten stattdessen zurück, auf das, was in der wenn Jugendarbeit aufgrund von gesetz- Die Verantwortung der Kommunalpolitik punktet der SJR im jugendkulturellen Bereich langen Zeit alles passiert ist, und auf welche lich vorgeschriebenen und notwendigen besteht darin, die Nöte, Fragen und Anliegen mit Leuchtturm-Projekten – und damit ist seiner eigenen Leistungen und Erlebnisse Einschränkungen nicht möglich ist. Umso der Jugendlichen wahr- und ernst zu nehmen nicht allein das „Modular Festival“ gemeint, man stolz ist. Vielleicht ist man insgesamt erfreulicher ist es, dass die Bedeutung der und Formate zu schaffen, die sie dazu ermu- um das uns zu Recht viele Städte beneiden. etwas langsamer geworden und macht nicht offenen Kinder- und Jugendarbeit während tigen, die eigene Meinung zu äußern und sich Der SJR unterstützt Kinder und Jugendliche, mehr jede Veränderung bereitwillig mit. der COVID-19-Pandemie in Augsburg erkannt einzubringen. Beispiel für ein solches Format indem er den jungen Stimmen eine Bühne Zum Glück verhält es sich mit dem SJR Augs- wurde und hier immer wieder Möglichkeiten ist der vor kurzem veranstaltete digitale gibt, zeitgemäße Bildungs-und Freizeitan- burg zumindest bei Letzterem anders, denn zur (sicheren) Begegnung in Jugendzentren Jugendtalk „Lass mal zoomen“. Die gemein- gebote macht, junge Talente und Potenziale auch nach 75 Jahren ist die Jugendarbeit und anderen Einrichtungen gegeben waren. same Veranstaltung von der Stadt Augsburg sieht und fördert und vielen ein zweites Eva Weber in der Stadt lebendiger und vielfältiger als Ich freue mich, dass der Stadtjugendring auf- Matthias Fack und den Trägern der offenen Kinder- und Zuhause ist. Für die Zukunft wünsche ich Oberbürgermeisterin je zuvor und gestaltet den kontinuierlichen grund seiner guten Arbeit als zuverlässiger Präsident des BJR der Stadt Augsburg Jugendarbeit unter Federführung des Stadt- persönlich und im Namen der Stadt Augsburg Wandel ihrer selbst aktiv mit. Es gibt immer Partner wahrgenommen wird und die Zu- jugendrings Augsburg hatte zum Ziel, den allen, die in der SJR-Geschäftsstelle und im noch und immer wieder engagierte Ehren- sammenarbeit mit der Stadt und den anderen Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch Vorstand tätig sind, die als Haupt-oder Teil- amtliche und Hauptamtliche, die neue Ideen Stakeholdern partnerschaftlich und vertrau- und gerade während der Pandemie mit all zeit-Mitarbeitende, als Volunteers, Projekt- entwickeln und Projekte wie das Modular ensvoll ist. Ich wünsche euch und uns, dass ihren Einschränkungen für diese Generation leitende oder Streetworker einen verantwor- aktiv gestalten und voranbringen. Und auch ihr eure Lust am Neuen behaltet, weiterhin eine Austauschplattform mit den politischen tungsvollen und tollen Job machen, weiterhin nach 75 Jahren sind die 43 Mitgliedsver- die Interessen der Kinder und Jugendlichen Verantwortlichen zu bieten. den verdienten Erfolg. Ich danke allen für ihr bände immer noch und immer wieder dabei, in Augsburg im Fokus behaltet und die Er- Schon 1946 stand mit den deutschlandweiten unendlich wertvolles Engagement! Jugendpolitik vor Ort zu vertreten, für die gebnisse aus 75 Jahre Jugendring 2021 in Gründungen der Jugendringe die Idee im Interessen von Kindern und Jugendlichen angemessenem Rahmen feiern könnt! Vordergrund, jungen Menschen einen demo- nicht nur in der Jugendarbeit, sondern auch kratischen Rahmen für eine sich selbst orga- in der Stadt im Allgemeinen einzutreten und nisierende Jugendarbeit zu geben. Seither sich Gehör zu verschaffen. gehören die Stärkung der Demokratie, das Der Rathausboss 2020 war ein Paradebei- Erleben von Eigenverantwortung, Teamfähig- Eva Weber spiel hierfür: Über die Plakate wurde eine keit und Solidarität zur DNA der Jugendver- Oberbürgermeisterin der Stadt Augsburg hohe Aufmerksamkeit erregt, die Diskussion Matthias Fack bände: Der SJR Augsburg erfüllt mit Kom- und die Veranstaltungen dazu waren leben- Präsident des BJR dig, die Fragen der Jugend, die die Parteien beantworten konnten, boten einen Mehrwert für Jungwähler*innen und machten deutlich, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene für Politik interessieren und ihre Interessen vertreten sehen möchten. Damit war die Kampagne nicht nur für die Kommunalwahl 2020 relevant, sondern wirkt sich (hoffent- lich) auch in praktischen Ergebnissen der Kommunalpolitik aus. Das Ziel, der Stimme von Jugendlichen Gehör zu verschaffen und deutlich zu machen, dass sie Expert*innen ihrer eigenen Lebenswelt 4 GRUSSWORT: OBERBÜRGERMEISTERIN GRUSSWORT: PRÄSIDENT BAYERISCHER JUGENDRING 5
GRUSSWORT VORSITZENDER ÜBERSICHT STADTJUGENDRING AUGSBURG DER VORSITZENDEN DES KJR/SJR JONAS RIEGEL „Jung und laut“ ist das Motto des 75. Jubilä- wickeln, der Jugend einen offenen Raum zur 1946 Franziska Wittmann ums des Stadtjugendrings Augsburg. Jung eigenständigen Entwicklung zu bieten und 1947 Richard Kohlberger (DGB) und laut sind wir als Arbeitsgemeinschaft den jungen Menschen Perspektiven für die 1948 Leo Fischer (BDKJ) der Jugendorganisationen sowie als Anwalt Zukunft zu geben. Diese sich ständig im Wan- und Fürsprecher der jungen Menschen in del befindliche Herausforderung ist nur durch 1951 Heinz Brunner (BDKJ) Augsburg seit einem Dreivierteljahrhundert. den unermüdlichen Einsatz der ehren- und 1959 Max Kalweit (Evangelische Jugend) In diesem Jahr feiern wir nicht nur das Be- hauptamtlich Aktiven in der Jugendarbeit zu 1969 Bernhard Brachert (Sportjugend) stehen dieser Institution, vielmehr feiern bewältigen. 1972 Werner Heimrath (BDKJ) wir das Ehrenamt, die Jugendteilhabe, die 1974 Eberhard Schulz (Evangelische Jugend) Selbstwirksamkeit und die freien Räume jun- Mein großer Dank gilt allen Mitgliedsorga- ger Menschen, für die wir seit der Gründung nisationen, Ehrenamtlichen, Mitarbeitenden, 1978 Jürgen Würzle des Jugendrings einstehen. Freund*innen sowie den Sponsor*innen 1979 Richard Kurz (DGB-Jugend) und Förderern des SJR, die das junge Herz 1985 Maria Winkler (DGB-Jugend) Mit dieser Jubiläumsbroschüre möchten wir Augsburgs in der Vergangenheit bis heute Jonas Riegel Vorsitzender des SJR 1993 Linus Förster euch, liebe Freund*innen, einen Einblick in unterstützt haben. die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 2003 Raphael Brandmiller (verbandslos) unserer Arbeit geben. So konnte mit großer Ich wünsche euch allen nun viel Freude und 2013 Heidi Hofstetter (DGB-Jugend) Unterstützung ehemaliger und aktueller Mit- spannende Erkenntnisse bei der Lektüre 2015 Franz Schenck (Evangelische Jugend) arbeitender des SJR sowie früherer Vorsit- unserer Festschrift! 2019 Jonas Riegel (DPSG) zender ein umfassender Überblick über den SJR entstehen. Klar wird, wie positiv sich der SJR entwickelt hat und wie sich die Heraus- forderungen über die Jahre verändert haben. Stets am Puls der Zeit agierend, geben wir Jonas Riegel seit 75 Jahren unser Bestes, Angebote, die Vorsitzender des SJR bei den Jugendlichen ankommen, zu ent- 6 GRUSSWORT: VORSITZENDER STADTJUGENDRING AUGSBURG ÜBERSICHT DER VORSITZENDEN DES KJR/SJR 7
EINE LOBBY FÜR DIE JUGEND UNG & LAUT DIE GESCHICHTE DES SJR UND RÜCKBLICKE AUF DIE ANFÄNGE J DES STADTJUGENDRINGS UND DEN BEGINN DER OFFENEN JUGENDARBEIT IN AUGSBURG SEIT 75 JAHREN Von Leonie Herrmann Seit 75 Jahren setzt sich der Stadtjugend- „Wir haben auch von Demokratie ring für die Belange junger Menschen ein: Er und so weiter nichts gewusst“2 – schafft Freiräume und zeigt Perspektiven auf, die Anfänge in der Nachkriegszeit steht für Demokratie und Mitbestimmung, fördert ehrenamtliches Engagement und Im Jahr 1946, dem Gründungsjahr des heuti- Kultur in vielfältigen Dimensionen. Neben gen SJR, war die Stadt zerbombt und sowohl der Jugendverbandsarbeit ist er seit Anfang Wohnraum als auch Nahrung und Lebens- der 1970er-Jahre auch Träger von Jugend- mittel waren knapp. Es fehlte an Materiellem, freizeiteinrichtungen und hat sein Angebot aber auch an Immateriellem: Kinder und Ju- für junge Menschen in den letzten 75 Jahren gendliche waren geprägt vom diktatorischen kontinuierlich ausgebaut. Diese vielfältigen Umgang in Organen wie der Hitlerjugend und Tätigkeits- und Arbeitsbereiche, in deren Fo- kannten eine Jugendarbeit, die im Wesent- kus „die Jugend“ steht, machen ihn zu einem lichen auf eigenen Interessen und Freiwillig- wichtigen Akteur in der Stadtgesellschaft. keit basiert, nicht.3 So erinnert sich ein 1933 geborener Augsburger an seine Jugend in Der 75-jährige Geburtstag wird also zum der Kriegs- und Nachkriegszeit: Anlass genommen, einige Stationen sowie wichtige Entwicklungen zu beleuchten und „Wir haben auch von Demokratie und so wei- eine Auswahl an Projekten hervorzuheben; ter nichts gewusst. Bei uns hat es halt immer dabei geht es um einige wichtige Schlag- jemand gegeben, der über dich bestimmt hat. lichter aus der Gründungszeit sowie den Und das ist dann weggefallen. Das hat uns 1970er- und 1980er-Jahren, die vorwiegend schon gefallen.“4 die offene Jugendarbeit in den Blick nehmen. Der Stadtjugendring und dessen Gründung Die Geschichte des SJR ist so komplex, dass sind stark mit demokratischen Gedanken sie kaum vollständig erfasst und wiedergege- verbunden: So gehen die Vorläufer auf ein ben werden kann. Auch steht der Jubilar im Jugendkomitee zurück, das unter dem Na- Fokus des Artikels, obwohl er von zahlrei- men ‚Kreiß-Jugendausschuß Augsburg‘ 1946 chen Weggefährt*innen begleitet wurde und gegründet wurde. Dieses Komitee hatte die mit verschiedenen Akteur*innen zusammen- Aufgabe, die Bildung lokaler Jugendgruppen arbeitete: Vereine, Verbände und Institu- der Militärregierung zu melden, die dann tionen in der Stadtgesellschaft waren stets wiederum die jeweilige Jugendgruppe lizen- wichtige Partner*innen, mit denen sich der zierte und genehmigte.5 Dieses umständliche SJR in verschiedenen Konstellationen für Ju- Verfahren sollte einerseits demokratische, gendliche und ihre Belange einsetzte. So ist kirchliche und unpolitische Jugendgruppen die Perspektive, die hier wiedergegeben wird, fördern, die während der NS-Zeit unterdrückt, eine von vielen; sie beruht auf schriftlichen zerschlagen oder gleichgeschaltet wurden, Überlieferungen und zahlreichen Gesprächen und andererseits das Aufkommen antidemo- mit beteiligten Personen.1 1) Im Rahmen meiner Tätigkeit als Doktorandin sah 3) Böhnisch, Lothar: Historische Skizzen zur Offenen ich zahlreiche schriftliche Dokumente ein und führte Jugendarbeit (I), in: Deutsche Jugend, Zeitschrift Interviews mit Personen, die in Augsburg in der für die Jugendarbeit 32, 1984, S. 460–470, hier offenen Jugendarbeit beschäftigt waren oder als S. 460. Jugendliche ein Jugendzentrum besuchten. Der Zeit- 4) Interview mit S. M. am 25.02.2019. raum liegt zwischen 1945 und 1990. Einige Inter- 5) PAMS 03 Kreisjugendring Augsburg-Stadt (Hg.): viewpassagen werden anonymisiert wiedergegeben. 1946–1966. Zwanzig Jahre Kreisjungendring 2) Interview mit S. M. am 25.02.2019. Augsburg-Stadt, Augsburg 1966, S. 7. 8 Eine Lobby für die Jugend 9
kratischer Gruppen ckelten Freizeitprogramme: So gab es ab 1946, Die 1950er-Jahre markieren eine Wende in bloß damisch, wenn verhindern.6 Neben im Zuge der Reeducation, die von der US-ame- der Jugendarbeit: Es kamen mehr und mehr Sie eine Freundin Augsburg existierten rikanischen Besatzung ins Leben gerufene jugendkulturelle Einflüsse auf und die in den hatten, die in dem im Mai 1946 in Bay- German Youth Activity (GYA).11 Die Angebote 1940er-Jahren eingeführte US-amerikanische Stadtteil war, und Sie ern noch 46 weitere waren für verbandlich organisierte Jugend- Jugendarbeit ging sukzessive zurück, bis 1955 haben da gewohnt, solche Ausschüs- liche wie auch für sogenannte unorganisierte das GYA in der Remboldstraße ganz aufgelöst so wie es mir halt se, aus denen die Jugendliche gedacht und dienten einerseits wurde. Als Nachfolgeeinrichtung eröffnete passiert ist. Die war späteren Stadt- und der ungezwungenen Freizeitgestaltung, das Jugendamt das „Haus der offenen Tür“ in in Pfersee und ich Kreisjugendringe andererseits dem Lernen von Demokratie.12 der Kanalstraße 15 und bot dort Kindern und war hier herrüben. hervorgingen.7 In Augsburg fand dies in der Remboldstraße 1, Jugendlichen Freizeitaktivitäten an.17 Bereits Und, ja, da blieb in der ehemaligen Direktorenvilla der Spinne- 1948 zog der Jugendring in die damalige Ju- nichts anderes übrig, Die ersten Jahre rei und Weberei am Sparrenlech, statt. Durch gendherberge in der Kanalstraße und richtete als mitzufahren und waren chaotisch und verschiedene Aktionen wie Volleyball oder sich dort Büroräumlichkeiten ein.18 danach wieder heim- es fehlte an Grund- eine Bibliothek wurden Jugendlichen Sport-, zulaufen.“ 21 legendem: So gab Neben der Jugendverbandsarbeit bot der Spiel- und Bildungsmöglichkeiten geboten.13 es kaum geeignete Jugendring schon in den 1950er- und 1960er- Trotz zahlreicher Räumlichkeiten und Auch der Jugendring nutzte das Haus der GYA Jahren zahlreiche Aktivitäten an, die auch Aktionen, die sich Treffpunkte. Die in der Remboldstraße 1 für Versammlungen von Jugendlichen in Anspruch genommen vorwiegend um Militärregierung wies oder Besprechungen, auch wurden dort Film- werden konnten, die nicht in einem Verband Freizeitaktivitäten dem Komitee 1946 abende veranstaltet. Ebenso fand das Seifen- organisiert waren. 1961 stellte der dama- drehten, waren der zwar ein Haus in der kistenrennen der GYA 1947 in Zusammenar- lige Vorsitzende fest: „Das Jahr brachte Jugendring und Immelmannstraße beit mit dem Jugendring statt.14 Andererseits zahlreihe Veranstaltungen, mit denen der seine Vertreter*in- zu, bei diesem fehl- war der Jugendring aber auch ein Kritiker Versuch gemacht worden ist, die sogenannte nen stark politisch Abb. 1: Coca-Cola- ten jedoch Fenster und Dach, sodass die Ver- der US-amerikanischen Jugendarbeit, da die nichtorganisierte Jugend zu erreichen. Man aktiv: 1951 wurde ein Faschingsball 1962, Bild: bände und ihre Mitglieder das Haus zuerst Militärregierung Häuser requirierte, die somit muss sich fragen, ob in Zukunft der Schwer- Aktionsausschuss zur Hans Günther Diebener instand setzen mussten, um es zu nutzen.8 den Bewohner*innen nicht mehr zur Ver- punkt unserer Arbeit auf diesem Gebiet zu „Behebung der Be- Von Beginn an setzte sich der Ausschuss, fügung standen. Gleichzeitig vermittelte sie liegen hat.“19 Beispielsweise wurde jährlich rufsnot der Jugend“ gegründet, 1961 wurden Abb. 2: Werbung, der ab 1947 Kreisjugendring Augsburg-Stadt in der Jugendarbeit ein „schönes und frohes in Zusammenarbeit mit dem BJR das Lan- Coca-Cola-Ball 1959, sogenannte Grenzlandfahrten veranstaltet, SJR Augsburg hieß,9 für das Wohlergehen von Jugendlichen Gemeinschaftsleben“15, was in den Augen des desjugendsingen veranstaltet, 1953 wurde bei denen die innerdeutsche Grenze besucht ein und diskutierte zunächst Grundbedürf- Jugendrings ein Paradox darstellte. ein Jugendtheaterring gegründet und ab den wurde, und 1963 wurde ein „Quiz für junge nisse wie die schlechte Nahrungsversorgung 1960er-Jahren fanden monatliche Kinovor- Staatsbürger“ organisiert, in dem Grundrech- In der direkten Nachkriegszeit wurde der oder Hygienemöglichkeiten: Die dürftige stellungen im Emelka statt. Ein Highlight te und Zeitgeschehen abgefragt wurden.22 Jugendring gut angenommen: 1949 waren Ernährungslage und eine vergünstigte Nut- war auch der Coca-Cola-Ball in der Stadion- dem Kreisjugendring Augsburg-Stadt bereits Vor allem setzt sich der Jugendring für eine zung des Stadtbads für Jugendliche waren gaststätte, der am 23.09.1957 das erste Mal 46 Jugendorganisationen mit insgesamt Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ein: An Themen der ersten Sitzungen.10 stattfand und mehrere Jahre sehr erfolgreich 19.881 Jugendlichen angeschlossen.16 Gedenkstunden im ehemaligen KZ Dachau mehrmals im Jahr veranstaltet wurde (Abb. 1 Doch Jugendringe waren in der Nachkriegs- nahmen 1963 und 1964 Augsburger Jugend- und Abb. 2).20 zeit nicht die Einzigen, die Jugendarbeit liche, Verbands- und Vorstandsmitglieder teil forcierten. Auch die Besatzermächte entwi- „Und dann wäre natürlich nicht zu vergessen und der Jugendring sprach sich 1964 gegen der Cola-Ball. Also das war eine tolle Sache, eine Verjährung von NS-Verbrechen aus.23 11) So gab es in der amerikanischen Besatzungszone was die da alles gespielt haben. Abends, ich 196824 erfolgte die Umbenennung in den heu- 256 solcher Einrichtungen. Siehe dazu: Hafen- weiß nicht mehr, war das elf oder so was, 6) Bernhard Schoßig, Bayerischer Jugendring (BJR), eger, Benno: Geschichte der Offenen Kinder- und te bekannten Namen: Aufgrund der Gebiets- sind dann vier oder fünf Busse in die ver- publiziert am 20.03.2019; in: Historisches Lexikon Jugendarbeit, in: Deinet, Ulrich; Sturzenhecker, reform25 Anfang der 1970er-Jahre wurde der Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon- Benedikt (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Ju- schiedenen Stadtteile gefahren und haben die Name Stadtjugendring Augsburg eingeführt. bayerns.de/Lexikon/Bayerischer_Jugendring_(BJR) gendarbeit, Wiesbaden 2013, S. 37–47, hier S. 38. Jugendlichen nach Hause gebracht. Das war (08.01.2021). 12) Böhnisch, Lothar: Zur Vorgeschichte der Offenen 7) Liebe, Martina: Jugendringe. Institutionalisierte Jugendarbeit, in: Böhnisch, Lothar; Plakolm, Jugendarbeit zwischen Politik und Praxis, in: Rau- Leonhard; Waechter, Natalia (Hg.): Jugend er- schenbach, Thomas; Borrmann, Stefan (Hg.): EEO möglichen. Zur Geschichte der Jugendarbeit in 17) Zu Häusern der offenen Tür siehe: Hafeneger, 23) PAMS 03 Kreisjugendring Augsburg-Stadt (Hg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaften Online, Wien, Wien 2015, S. 137–155, hier S. 147. Benno: Geschichte der Offenen Kinder- und 1946–1966. Zwanzig Jahre Kreisjungendring Weinheim 2011, S. 2–19, hier S. 5. 13) Zur amerikanischen Jugendarbeit in Augsburg Jugendarbeit, in: Deinet, Ulrich; Sturzenhecker, Augsburg-Stadt, Augsburg 1966, S. 55. 8) PAMS 03 Kreisjugendring Augsburg-Stadt (Hg.): siehe die Website des Vereins Amerika in Augs- Benedikt (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und 24) PARK, Geschäftsordnung des Stadtjugendrings 1946–1966. Zwanzig Jahre Kreisjungendring burg: https://www.amerika-in-augsburg.de/index. Jugendarbeit, Wiesbaden 2013, S. 39–40. Augsburg, beschlossen auf der Vollversammlung Augsburg-Stadt, Augsburg 1966, S. 9. php?id=1608, zuletzt abgerufen am 12.02.2021. 18) PAMS 03 Kreisjugendring Augsburg-Stadt (Hg.): am 18.10.1968. 9) Ebd. S. 10. 14) PAMS 03 Kreisjugendring Augsburg-Stadt (Hg.): 1946–1966. Zwanzig Jahre Kreisjungendring 25) Bernhard Schoßig, Bayerischer Jugendring (BJR), 10) Ebd. S. 11. Lothar Böhnisch beschreibt die 1946–1966. Zwanzig Jahre Kreisjungendring Augsburg-Stadt, Augsburg 1966, S. 11. publiziert am 20.03.2019; in: Historisches Lexikon Minderung der sozialen Not als „Leitthema der Augsburg-Stadt, Augsburg 1966, S. 10. 19) Ebd. S. 46. Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon- Nachkriegszeit, unter das alle Ambitionen und 15) PAMS 03 Kreisjugendring Augsburg-Stadt (Hg.): 20) Ebd. S. 29. bayerns.de/Lexikon/Bayerischer_Jugendring_(BJR) Tätigkeiten der Jugendarbeit“ gestellt wurden. 1946–1966. Zwanzig Jahre Kreisjungendring 21) Interview mit H. G. D. am 18.08.2020. (08.01.2021). Böhnisch, Lothar: Historische Skizzen zur Offenen Augsburg-Stadt, Augsburg 1966, S. 11. 22) PAMS 03 Kreisjugendring Augsburg-Stadt (Hg.): Jugendarbeit (I), in: Deutsche Jugend, Zeitschrift für 16) STAA Jugendringe, 1. Band 1948–1973, Schrei- 1946–1966. Zwanzig Jahre Kreisjungendring Augs- die Jugendarbeit 32, 1984, S. 460–470, hier S. 463. ben des KJR an die Stadtverwaltung, 29.03.1949. burg-Stadt, Augsburg 1966, S. 17, S. 46, 52. 10 EINE LOBBY FÜR DIE JUGEND EINE LOBBY FÜR DIE JUGEND 11
„Jugendzentren, das war wirklich was „Wir waren zuerst einmal auf dem Spielplatz 1973 beschloss der Neues“26 – die Anfänge der offenen in Pfersee und haben uns dort getroffen. Und Stadtrat auf Empfehlung Jugendarbeit in Augsburg dann haben wir versucht, dass wir eine ge- des Jugendwohlfahrts- schlossene Sache bekommen, damit wir uns ausschusses, die Trä- Die Jugendzentrumsbewegung erfasste weiter treffen können. Daraufhin haben wir gerschaft der durch die Anfang der 1970er-Jahre wie eine Welle den Kellerraum gekriegt, und dann waren wir Initiativen hervorgegan- Städte und Dörfer. Jugendliche forderten da halt immer drinnen. Es sind dann immer genen Jugendzentren unter dem Motto „Freizeit ohne Kontrollen“27 neue Leute dazugekommen und der Raum sowie das „Haus der Treffpunkte, die sie in Eigenverantwortung wurde dann viel zu klein, das war ja ein Kel- offenen Tür“ dem Stadt- und in Selbstverwaltung nutzen und selbst lerloch, ohne Fenster. Und dann sind wir halt jugendring zu überlas- gestalten konnten. Die aus einem politisch auf die Idee gekommen, das Haus zu wollen. sen.34 Auch Jugendliche linken und alternativen Milieu entstandene Zuerst wollten wir ja das ganze Schloss ha- aus Kriegshaber und Bewegung hatte auch für den SJR nachhalti- ben, aber da war ja gar nicht dran zu denken. Pfersee sprachen sich ge Auswirkungen – er wurde zum 01.01.1974 Und dann hat man halt das Schwesternwohn- für eine Übernahme des Träger von drei Jugendzentren.28 Dies mar- heim gekriegt, nebendran.“31 Schlössles und des No1 kiert den Anfang der offenen Jugendarbeit in durch den Stadtjugend- Augsburg und gilt als wichtiger Meilenstein Die Initiativen in Pfersee und Kriegshaber ring aus, übten jedoch in der Geschichte des SJR, da er dadurch sein kritisierten das bestehende und vom Jugend- auch Kritik an dem Ver- Tätigkeitsspektrum erheblich erweiterte: Er amt verwaltete „Haus der offenen Tür“ in der trag zwischen der Stadt Abb. 3: Das erste Ju- war nicht mehr nur Interessen- und Arbeits- Kanalstraße 15.32 Der erzieherische Anspruch gendzentrum No1 in Augsburg und dem SJR, gemeinschaft der Verbände, sondern auch entsprach nicht dem jugendlichen Zeitgeist den 1970er-Jahren, der nach ihrer Meinung Bild: privat offiziell für die damals sogenannten unorgani- und den Ideen der Jugendzentrumsbewegung, den Jugendlichen zu sierten Jugendlichen zuständig. sodass der SJR die Einrichtung übernahm, wenig Mitspracherecht und Gestaltungsmög- Abb. 5: Jugend- als Jugendzentrum fortführte und dieses sich zentrum Schlössle Die Anfänge der Jugendzentren gehen lichkeiten zugestand.35 dadurch inhaltlich veränderte (Abb. 6). in Pfersee (Rückan- einerseits auf verschiedene Initiativen in „Die […] Freizeiteinrichtungen sind zur offenen sicht), 1970er-Jahre, Kriegshaber und Pfersee, andererseits auf „Zum ersten Mal war ich in dem Gebäude in Bild: privat Jugendarbeit in Augsburg nach pädagogischen eine bereits bestehende Institution in der der Kanalstraße 15 mit 6 Jahren, also 1966, Grundsätzen und im Sinne der demokratischen Kanalstraße zurück. So setzten sich Jugend- und zwar beim Faschingsball für Kinder. Grundordnung zu verwenden, um damit den liche in Kriegshaber eigeninitiativ für einen Damals hat es noch ‚Haus der offenen Tür‘ Interessen und Bedürfnissen aller jungen Men- Treffpunkt ein, sodass ihnen daraufhin das geheißen. Ich weiß noch, dass man oben halt schen der Stadt Augsburg zu dienen.“36 städtische Gebäude in der Ulmer Straße 155 immer so Filme angeschaut hat. Und dann hat zur Verfügung gestellt wurde.29 Die Stadt hat- man Ministeck gemacht, und dann hat man Jugendzentren waren neu und die Verwaltung te das Haus einige Jahre zuvor erworben und Topflappen gemacht, und das war eigentlich der Einrichtungen stellte den SJR vor einige sah vor, es aufgrund des Baus der Westtan- so die Kinderzeit – und, dann war ich nicht Herausforderungen, sodass die Anfangszeit gente in einigen Jahren abreißen zu lassen. mehr da, bis das Jugendzentrum aufgemacht geprägt war von Aushandeln und Auspro- So lange konnten es die Jugendlichen nutzen hat. Das war ja eine ganz andere Schiene bieren. Jugendverbandsarbeit und offene und das erste Jugendzentrum in Augsburg, dann, also, da waren ja Sozialarbeiter, und Jugendarbeit wurden zunächst als unter- das No1, war geboren (Abb. 3). das war ja dann viel offener alles. Also welt- schiedlich und gegensätzlich angesehen, was Abb. 4: Flugblatt für ein offener. […] Also, wenn man das Haus der zu vermehrten internen Diskussionen über Jugendzentrum in Pfersee, Auch Jugendliche in Pfersee forderten Räum- offenen Tür kennt: Die Betreuerin war da und finanzielle Mittel, die den Jugendzentren zu- frühe 1970er-Jahre, lichkeiten und Möglichkeiten für Treffpunkte: SJR Augsburg hat immer schön aufgepasst. Und dann ist 74 gesprochen wurden, führte.37 So musste sich Ganz im Sinne der Jugendzentrumsbewegung das Juze eröffnet worden mit Sozialarbeitern. die offene Jugendarbeit erst etablieren, was setzten sie sich mittels Demonstrationen, Flug- Die hatten einen ganz anderen Hintergrund. die ganzen 1970er-Jahre hindurch andauerte. blättern und Hearings für ein Jugendzentrum Die Leute hat man ganz anders angesprochen. In diesem Kontext wurde 1979 auch der erste im Stadtteil ein. So gab es auch den Arbeits- Da hat es schon mal nicht Frau Soundso ge- hauptamtliche Geschäftsführer eingestellt. kreis Augsburger Jugendzentren (AAJ), der in heißen, oder Herr, sondern das war der und einem mehrjährigen und intensiv von der Stadt Jugendzentren in Augsburg entstanden also das war der. Und da ist natürlich auch viel und dem SJR begleiteten Prozess schließlich im Kontext einer westdeutschen Jugendzen mehr organisiert worden. Das ist eine andere erreichte, dass in dem ehemaligen Schwes- trumsbewegung und forderten alle Beteiligten Zeit gewesen. Das muss man ganz ehrlich ternwohnheim in der Stadtberger Straße 19 ein auf, die neu geschaffenen Räume zu etablieren sagen. Das war wie so ein Switch.“33 Jugendzentrum entstand (Abb. 4 und 5).30 31) Interview mit P. W. am 29.07.2020. 35) PAMS 03, Schreiben von Jugendlichen aus 28) ASJR 14.04, Vertrag zwischen der Stadt und dem 32) ASJR, r4f2, unveröffentlichtes Manuskript, Kriegshaber und Pfersee an die Mitglieder der Jugendring, 10.12.1973. Aktion Juze Augsburg, ohne Datum. Vollversammlung des SJR, 1973. 26) Interview mit A W. am 21.02.2019. 29) ASJR BK, unveröffentlichtes Manuskript; Buchner, 33) Interview mit G. C. am 06.08.2020. 36) PAMS 03, Vertrag zwischen der Stadt Augsburg 27) Templin, David: Freizeit ohne Kontrollen. Die Peter: 10 Jahre Augsburger Jugendzentren, 1984. 34) PAMS 29, o. A.: Jugendwohlfahrtsausschuß will und dem Stadtjugendring Augsburg, 12.12.1973. Jugendzentrumsbewegung in der Bundesrepublik 30) Beispielsweise sprachen sich Jugendliche in zahl- freiwilligen Zuschuß für Horte, in: Augsburger All- 37) ASJR, graue Mappe KJR 69-72, Programm der der 1970er Jahre, Göttingen 2015. reichen Flugblättern für ein Jugendzentrum aus. gemeine, 1973 (genaues Datum unbekannt). Klausurtagung, 18./19.12.1973. 12 EINE LOBBY FÜR DIE JUGEND EINE LOBBY FÜR DIE JUGEND 13
1980 wurden die verschiedenen Abteilungen lichen.45 Initiiert wurde das Angebot als Sport- Plärrer vor Ort,51 um zwischen Jugendlichen, im Jugendring, der zwischen Jugendzentren mobil vom SJR und der Sportjugend46 und von Schausteller*innen und der Polizei zu ver- und Verbänden unterschied, bewusst aufgeho- zahlreichen Besucher*innen gut angenommen. mitteln, 1995 wurde der erste Streetworker ben, sodass die beiden Bereiche sich annäher- So besuchte Moby Dick auch den Stadtteil für das Univiertel eingestellt52 und somit ten, ergänzten und der SJR ein einheitliches Oberhausen, wodurch dann in den 1990er- auch die aufsuchende Jugendarbeit als ein Erscheinungsbild aufwies.41 Ein wichtiger Jahren die Freizeitsportanlage Wolfgangstraße weiterer Arbeitsbereich des SJR eingerichtet. Schritt in der ganzheitlichen Förderung der Ju- entstand.47 Ebenfalls 1985 wurde die erste Jugendzentren, mobile Jugendarbeit und gendarbeit war auch der kommunale Jugend- Frau zur Vorsitzenden gewählt.48 Streetwork wurden immer mehr ausgebaut förderungsplan, der vom Sozialreferat, dem und Treffpunkte somit gezielt gefördert. In den 1980er-Jahren kam eine neue Jugend- SJR und den Verbänden in einem mehrjährigen kultur auf, die vor allem die offene Jugend- Prozess geplant und ausgelotet wurde. Darin arbeit lange Zeit prägte: Durch US-ame- „Wie verloren wäre ich denn, wenn es wurden u. a. neue Jugendzentren im Uni- das hier nicht gegeben hätte?“53 rikanische Filme wie Break’in schwappte viertel, in Oberhausen sowie in der Innenstadt die Breakdance-Welle nach Deutschland. Jugend wird auch als „Seismograph der Ge- beschlossen, um offene wie auch verbandliche Der akrobatische Tanzstil faszinierte viele sellschaft“54 bezeichnet: Schon früh zeichnet Jugendarbeit gezielt zu fördern.42 Jugendliche und in den Räumen der offenen sich in der Jugendarbeit ab, was zukünftige Auch in der offenen Jugendarbeit gab es Ver- Jugendarbeit wurde geübt, Events veran- gesellschaftliche Herausforderungen sein Abb. 6: Das Jugend- und zu institutionalisieren. Der SJR griff dabei änderungen: 1983 musste das erste Jugend- staltet und sich darüber ausgetauscht. Die würden. So setzte sich der SJR auch schon zentrum in der die Forderungen von Initiativen auf, setzte sich zentrum, das No1 in Kriegshaber, aufgrund pädagogische Förderung der sportlichen früh mit der multinationalen Realität in Kanalstraße, frühe des Baus der Westtangente und eines damit Betätigung einerseits und das Interesse der 1970er-Jahre, für Jugendzentren ein und übernahm schließ- der Stadt Augsburg auseinander; Toleranz, Bild: privat lich als Träger bis heute die Verantwortung. verbundenen Abrisses des Hauses schließlich Jugendlichen andererseits trugen dazu bei, Offenheit und Vielfalt sind Konstanten, die schließen. Im Zuge dessen wurde in Oberhau- zunächst Breakdance, später auch die gesam- sich in der 75-jährigen Geschichte immer Die Expansion in den 1980er-Jahren: sen, im ehemaligen Rathaus und Polizeirevier te Hip-Hop-Kultur mit den Bereichen Graffiti, wieder finden lassen. Der Blick in die Anfänge in der Hirblinger Straße, das Jugendhaus DJing, B-Boying und Rap in der offenen des SJR und seine Weiterentwicklung zeigt, „Das war der ‚place to be‘ für die H2O eingerichtet. Ein Jahr zuvor, 1982, konn- Jugendarbeit zu verankern. So spielten Ju- dass er sich zwar stetig weiterentwickelte, Jugendlichen“ te im Univiertel im ehemaligen Pförtnerhaus gendzentren in der Entwicklung und Verbrei- seinen Gründungsgedanken, Demokratie und Im Fokus der Arbeit des SJR standen in den der Firma Messerschmitt ein Jugendhaus für tung des Hip-Hop in Deutschland eine große Verantwortung aber blieb. In einem kontinu- 1980er-Jahren einerseits die Weiterentwick- den neuen Stadtteil eröffnet werden. Rolle49 und entwickelten sich in Augsburg ierlichen Prozess setzte er sich vermittelnd, lung, Professionalisierung und Vergrößerung zum „place to be“ für bestimmte Szenen. einerseits mit der Stadtverwaltung und Ebenfalls Anfang der 1980er-Jahre wurde ein der offenen Jugendarbeit, andererseits war Jugendcafé, die Jugendinformationsstelle „Die Breaker, das waren zuerst einzelne andererseits mit Jugendlichen, auseinander die politische Arbeit sehr stark von so- tip und das Haus der Verbände im Haus am Jungs, die sich dann in einem kleinen Raum und reagiert(e) auf lokaler Ebene auf aktuelle zialen Bewegungen wie der Friedens- und Schwibbogenplatz 1 geplant und schließlich eingeschlossen haben und da rumgeturnt politische und soziale Gegebenheiten. Er ist Antiatomkraftbewegung, aber auch von der 1985 realisiert.43 Die Planungen waren beglei- sind, und die haben dann wieder andere an- ein Akteur in der Stadtgesellschaft, der für Arbeit gegen Diskriminierung und Rassismus tet von starken Bedenken und Einwänden der gezogen. Und plötzlich, also nicht plötzlich, Jugendliche Partei ergreift und sich für ihre geprägt. So fanden beispielsweise Gegen- Anwohner*innen gegenüber dieser Einrich- aber nach und nach natürlich, wollten dann Belange einsetzt. Er war und ist Sprungbrett aktionen gegen den NPD-Parteitag 1980 tung, die sogar ein Gerichtsverfahren gegen mehr Leute das auch machen. Also das war für einzelne Politiker*innen-Karrieren, aber statt38 oder es wurden zu diesen Themen die Umbaugenehmigung einleiteten. Einig sehr sehr sportlich ambitioniert und es waren die Einrichtungen und die dort arbeitenden einschlägige Broschüren herausgegeben.39 wurden sich die Parteien jedoch schließlich auch viele Jungs dabei, die ein Wahnsinns- Personen prägten auch Individual-Biografien: Auch die internationale Jugendarbeit wurde mit einem Vergleich,44 was den oft jahre- Rhythmusgefühl auch hatten. Wir haben dann „Wie verloren wäre ich denn, wenn es das durch Jugendaustauschprogramme mit der langen Einsatz des SJR für eine Einrichtung auch Tanzveranstaltungen und Workshops hier nicht gegeben hätte? Weiß ich gar nicht. Partnerstadt Inverness gepflegt. Ebenso exemplarisch zeigt. gemacht, wo dann Hip-Hop-Tänzer aus ande- Sehr verloren. Wirklich sehr, sehr verloren. gab es Kontakte nach Polen: So besuchten ren Städten eingeladen wurden.“50 Ich glaub, da wo die Bundesregierung ver- sich Delegierte aus Lublin und Augsburg Das mobile Angebot Moby Dick erweiterte ab sagt hat, haben die Sozialarbeiter das ge- gegenseitig und veranstalteten gemeinsame 1985 das Angebot der offenen Jugendarbeit. Auch die aufsuchende Jugendarbeit wurde stemmt.“ 55 Seminare, beispielsweise zum Thema „Die Der umgebaute Bus der Stadtwerke machte in den 1990er-Jahren stetig ausgebaut und Zusammenarbeit der Jugendverbände Polens in verschiedenen Stadtteilen halt und bot so schließlich fest etabliert: So waren Mitarbei- und der BRD und der Normalisierungspro- einen mobilen Jugendtreff und brachte Spiel- ter*innen schon 1991 beispielsweise am 51) Interview mit R. E. am 04.12.2017 sowie ASJR zess zwischen beiden Staaten.“40 und Sportmöglichkeiten direkt zu den Jugend- 14.04, Erfahrungsbericht über den mobilen Ein- satz auf dem Herbstplärrer 91, 11.09. 1991. 45) PAMS 03, Jahresbericht 1986. 52) ASJR 14.06, Streetwork im Univiertel Augsburg, 46) ASJR Juze allgemein, Sportmobil, ohne Datum. 1996. 47) ASJR 14.07 Konzept Wolfgangstraße, ohne 53) Interview mit einem Besucher der Augsburger Datum. Jugendzentren in der Kanalstraße und in Ober- 38) PAMS 03, Jahresbericht 1980. 42) Amt für Stadtentwicklung und Statistik (Hg.): 48) O. A.: Der Neue Chef ist eine Frau, in: Schwäbi- hausen in den 1980er-Jahren am 28.03.2019. 39) Broschüre „Ausländer-Arbeit des Stadtjugendrin- Kommunaler Jugendförderungsplan der Stadt sche Neue Presse, 10.05.1985. 54) Belwe, Katharina: Jugend, Editorial, in: Aus ges Augsburg“ ,1984; Broschüre der Moby-Dick- Augsburg, Augsburg 1984. 49) Mager, Christoph: HipHop, Musik und die Arti- Politik und Zeitgeschichte 15, 2003, https://www. Arbeitsgruppe „Gegen Ausländerfeindlichkeit“ 43) PAMS 03, Jahresbericht 1985. kulation von Geographie, Stuttgart 2007. bpb.de/apuz/27688/editorial, 01.04.2021. 1991. 44) Ebd. 50) Interview mit einer Mitarbeiterin eines Augs- 55) Interview mit einem Besucher der Augsburger 40) PAMS 03, Jahresbericht 1980. burger Jugendzentrums in den 1990er-Jahren am Jugendzentren in der Kanalstraße und in Ober- 41) Ebd. 21.11.2017. hausen in den 1980er-Jahren am 28.03.2019. 14 EINE LOBBY FÜR DIE JUGEND EINE LOBBY FÜR DIE JUGEND 15
INTERVIEW E & DAMALS MIT DEM AKTUELLEN UND EINEM EHEMALIGEN VORSITZENDEN HEUT DEN Warum haben Sie das Amt des SJR-Vorsitzenden angenommen? INTERVIEW MIT Jonas Riegel: Grundsätzlich war das Ehren- und Ideen. Auch der vertrauensvolle Um- N 2021/1978 amt für mich als junger Pfadfinder schon früh gang mit der Geschäftsführung in meinen VORSITZENDE ein besonderes persönliches Anliegen. Dass ersten beiden Jahren im Vorstand als Beisitz man hier in guter Gesellschaft kleine und hat mir die Entscheidung leicht gemacht. große Dinge ins Rollen bringen und bewegen Natürlich habe ich mich auch mit Freunden kann, ist für mich bis heute unheimlich at- und Familie darüber beraten und mir bei der traktiv. Diese Erfahrung konnte ich insbeson- Entscheidungsfindung Zeit gelassen. Die per- Um eine Brücke zwischen heute und der Vergangenheit zu dere als Volunteer beim Modular Festival fes- sönliche Lernerfahrung, die mir bevorstehen schlagen, hat unsere Redakteurin Anni El-khorazati den ak- tigen. Da habe ich auch den Stadtjugendring würde, war dabei ein entscheidender Punkt, tuellen Vorsitzenden Jonas Riegel und den Vorsitzenden von besser kennengelernt und wusste dadurch, den ich nicht verstreichen lassen wollte. Am 1974–1978, Eberhard Schulz, interviewt. Sie fragt nach ihrer mit wem und was ich es zu tun bekomme: Ende hat sich, auch wenn ich kein Unerschro- Motivation, den jeweiligen Herausforderungen und die Ent- nämlich mit einem tollen Vorstandsteam, ckener bin und auch einige Unsicherheiten wicklung des SJR. Was hat die Arbeit von damals im Gegen- einer vielfältigen und lebendigen Belegschaft, mit mir getragen habe, die Übernahme des satz zu heute geprägt? einem starken Team in der Geschäftsstelle Vorsitzes einfach richtig angefühlt. und vielen großartigen Projekten, Vorhaben Eberhard Schulz: Als ich 1970 in die Leitung inhaltliche Plattform für die jugendpolitischen des Evangelischen Jugendwerks Augs- Einmischungen in Augsburg. Das passte burg berufen wurde, lag eine achtjährige deswegen gut zusammen, weil zwischen den „Lehr- und Gesellenzeit“ als Vertreter meines Leitungsverantwortlichen ein vertrauens- Jugendverbands im Kreisjugendring Krum- volles Verhältnis bestand. Es war bestimmt bach/Schwaben hinter mir. Als blutjunger von freundschaftlicher Beziehung und in der Diakon und Religionslehrer warf ich mich Übereinstimmung, dass alles dafür getan mit Lust in das jugendpolitische Geschäft werden müsse, damit Jugendliche Selbstver- der überschaubaren Kreisstadt und eckte antwortung übernehmen und ihre Interes- an, zum Beispiel beim Sonnenwendfeuer se selbstbestimmt und solidarisch in den des KJR. Bei diesem Anlass sang die Evang. städtischen Diskurs einbringen können. Willy Jugend nicht die altehrwürdigen und ge- Brandts Aufforderung, „mehr Demokratie zu wohnten Lieder, die man bei solchen Feiern wagen“, praktizierten wir lustvoll. sonst so sang, sondern zur Empörung der Mein Freund und Mitstreiter vom BdkJ und Vorstandschaft Spirituals der diskriminier- amtierender Vorsitzender des SJR, Werner ten amerikanischen schwarzen Bevölkerung Heimrath, bat mich 1973, mich zur Wahl zu Amerikas. stellen. Die Vollversammlung vertraute mir Das Zentrum der „Evangelischen Jugend das Mandat von 1974 bis 1978 an. Es ent- Augsburg“ lag damals in einem Hinter- sprach meinem Selbstverständnis, Verant- haus in der Schaezlerstraße, im Souterrain. wortung in einem demokratisch legitimierten Das passte. Das Mobiliar bestand aus alten gesellschaftlichen Gestaltungsraum, dem Plüschsesseln und mit Segeltuch bespann- Stadtjugendring Augsburg, zusammen mit ten Stühlen. Eine mit Spiritus betriebene anderen, zu übernehmen. Vervielfältigungsmaschine, handbetrieben, Dem gesellschaftlichen Aufbruch ab 1970 produzierte in hoher Stückzahl die ungeheuer verpflichtet, wollte ich den Emanzipations- wichtigen Nachrichten für die Mitglieder der prozess der jungen „autonomen Jugendzen- EJA. trumsbewegung“ in Augsburg befördern und Als großer Jugendverband standen der EJA sichern. Der Ort des Geschehens war „No1“ vier Sitze in der SJR-Vollversammlung zu. in Kriegshaber und im Weiteren die Übernah- Einer davon wurde mir anvertraut. me der Kanalstraße 15 und des Schlössle in Zusammen mit den Vertreter*innen des Pfersee durch den SJR. BdkJ und der Gewerkschaftsjugend bildeten Darüber hinaus wollte ich, dass der SJR die drei Verbände die organisatorische und dem Partnerschaftsvertrag zwischen dem 16 Heute & Damals INTERVIEW HEUTE & DAMALS 17
„Sozialistischen Studentenbund der Universi- der Grundlage der neuen Ostpolitik von Willy ten vervielfacht haben. Städtische, regionale erfinden wird und gleichzeitig auch ein Ge- tät Marie Curie – Sklodowska in Lublin“ und Brandt, war das Ziel. Auch deswegen habe und bayernweite Verbände nutzen unsere fühl von Sicherheit und Geborgenheit im der „Evang. Jugend Augsburg“ beitritt. Die ich mich um das Amt des SJR-Vorsitzenden Pionierarbeit als Vorbild: künftig besonders in Sinne eines Zuhauses für junge Menschen Weiterentwicklung der internationalen Frie- beworben. Sachen Partizipation und aktuell insbesondere zu bieten vermag. Dazu werden vorerst in dens- und Begegnungsarbeit mit Polen, auf in Sache der Verbandsarbeit und der offenen Göggingen, Haunstetten und im Bärenkeller Jugendarbeit unter Pandemiebedingungen. und auch beim zukünftig weiteren Wachstum Ich habe das Gefühl, dass der SJR in seiner Augsburgs in all unseren Stadtteilen neue Wo sehen Sie den SJR in Zukunft? Aktionen, Treffpunkte, Häuser bzw. Zentren Entwicklung sehr viele Spielräume nutzen Jonas Riegel: Der SJR ist unheimlich flexibel durch neue Formate der Demokratie echte wird, sich an vielen Ecken und Enden neu einzurichten sein. und wandlungsfähig und kann Großes be- Partizipation schaffen, die den jungen Men- wirken. Daher sehe ich ihn in einer ständi- schen mehr als nur eine „Probebühne“ bietet. Eberhard Schulz: Nachdem ich 1978 meine Verhalten gelernt wird, dann ist das eine gen Aufwärtsspirale. In meiner Vision vom Und er wird durch sein neues Leitbild und Arbeit in der Evang. Jugend München auf- wunderbare Entwicklung. SJR wird er die digitalen Räume für junge seine Markenidentität, für die wir derzeit den genommen und mich dort mit Haut und Weiterhin nehme ich an, hoffe ich, dass in der Menschen weiter erobern und im Sinne der Weg bereiten, ein explizites Selbstverständ- Haaren eingebracht habe, ist der SJR leider drittgrößten Stadt Bayerns die Einmischun- Jugendarbeit nutzbar machen. Schritt für nis und ein neues, lebendigeres, offeneres aus meinem Blickfeld gerückt. Was mir im gen „pro junge Generation“ und die Stimme Schritt wird er ein neues Natur- und Umwelt- und zutrauenderes Auftreten haben. Rahmen der Vorbereitungen zu 75 Jahren des SJR laut zu hören sind und von der Augs- bewusstsein auf den Weg bringen. Er wird SJR auffiel: Die drei ersten Jugendzentren burger Stadtgesellschaft positiv wahrgenom- gibt es noch und sechs weitere sind bis men werden. Eberhard Schulz: Die Gründungsgeschichte Vorstellungen von einem selbstbestimmten heute dazu gekommen. Und wenn das Orte der Jugendringe beginnt mit dem 8. Mai 1945, Leben im privaten und im öffentlichen Raum sind, wo menschliches und demokratisches dem Ende des 2. Weltkriegs. Nach dem Be- ausprobieren konnten. Einer diese „Lernräu- freiungstag Deutschlands vom Wahnsinn des me“ war die Kanalstraße 15. Nationalsozialismus wurde der Nachkriegsju- Diese Lernräume für Demokratie anzubieten, Gibt es Dinge, die blieben und die Jahre überdauerten? Jonas Riegel gend ein bemerkenswerte Chance angeboten. Orte zur Verfügung zu stellen, wo man sich (Einstellungen, Gepflogenheiten, Traditionen?) Vorsitzender des SJR „Demokratie lernen“, diese Erlebnis- und als Jugendlicher und junger Erachsener ver- (2019 bis 2021) Lernebene war ein großartiges Geschenk standen und beheimatet fühlt, wo man sich Jonas Riegel: Das Gefühl, eine unserer Ein- in die Geschäftsführung unserer Organi- der Siegermächte an die Kinder und Jugend- individuell ausprobieren und entwickeln und richtungen zu betreten, ist atmosphärisch sation steckt. Kein leichter Job, wenn man lichen. Nach Gleichschaltung, Manipulation, sich mit seinen Interessen in den öffentlich immer wieder ein Highlight. Auch wenn hier bedenkt, wie viel Veränderung in den An- Indoktrination und Auflösung der freien Ju- Raum einbringen und engagieren kann, das und da die bauliche Substanz aufgrund von In- forderungen an diese Rolle durch die immer gendverbände im Hitler-Deutchland eröffnete zu gewährleisten, darin bestand und besteht vestitionsstaus etwas zerfallen wirkt, sind es wieder wechselnden Vorstände und die sich für die Jugendlichen der Kriegs- und aus meiner Sicht der immerwährende Auf- auf jeden Fall die Einstellungen und Traditio- verschiedenen Vorsitzenden zu bewältigen Nachkriegsgeneration ein Erfahrungs- und trag der Jugendringe. nen in den Jugendhäusern, die Bestand haben. war. Hierfür gebührt dir unsere größte Dank- Lernfeld, auf dem sie ihre Interessen und Für Kontinuität sorgt auch unser Helmut barkeit, Helmut! Jesske, der sein Herzblut seit über 15 Jahren Wie empfinden Sie die Entwicklung des SJR? Eberhard Schulz: Zu diesem Punkt kann ich ber verfolge ich mit Sympathie die Bemü- nach 43 Jahren Abwesenheit von Augsburg hungen des FCA, die 1. Bundesliga zu halten. Jonas Riegel: Mit der Entwicklung des Stadt- der jungen Menschen aus den Jugendhäu- wenig beisteuern. Jedoch als Fußballliebha- Heuer sieht das gut aus und das freut mich. jugendrings hin zu einem engen Partner für sern haben wählen lassen und auf unserer die Stadtgesellschaft, deren Aktionsbünd- Vollversammlung direkt einen Antrag ein- nisse, Vereine und Verbände sowie deren gebracht haben. Politiker*innen und Stadtverwaltung sind wir Nehmen wir beispielsweise die Entwick- Wenn Sie ihre Arbeit und den SJR im Allgemeinen mit drei Worten Eberhard Schulz zu einem Experten für die Situation junger lung des Modular Festivals, bei dem wir beschreiben müssten, welche wären es? Vorsitzender des SJR Menschen, deren Bedürfnisse und Forde- (1974 bis 1978) über Jahre hinweg die Beteiligung von fast Jonas Riegel: Lebendig, offen, zutrauend. Eberhard Schulz: Mehr Demokratie wagen! rungen sowie deren Kultur und Erfahrung 500 Volunteers und einer Denkwerkstatt von geworden. Unsere Beratung zur Einbindung 50 langfristigen „Modularis“ hochhalten. junger Menschen in die Gestaltung der Nehmen wir die Krisenbewältigung, bei der Zukunft wird in Augsburg und da- wir höchst flexibel und vernetzt reagieren rüber hinaus wertgeschätzt und konnten, die politischen Player mit im Boot hoch angesehen. hatten, zuerst auch für zentrale und klare Re- Nehmen wir die Jugendspre- gelungen und Ansagen sorgen konnten und im cher*innen aus der offenen Ju- nächsten Moment mittels toller, partizipativer gendarbeit, die sich auf eigenen Leistung unserer Teams unseren Durchsatz an Antrag hin als Vertreter*innen neuen Abläufen, Arbeitspraktiken und Angebo- 18 INTERVIEW HEUTE & DAMALS 18 INTERVIEW HEUTE & DAMALS 19
Was ist Ihre liebste Erinnerung? Eberhard Schulz: Aus der Erfahrung von acht auf Studenten*innen, die ein großes Interesse Jahren Engagement im SJR-Vorstand, davon an Kontakten mit jungen Menschen aus dem Jonas Riegel: Zu meinen liebsten Erinnerun- Wiedereröffnung der fabrik! Und all time high vier Jahre in der Rolle des Vorsitzenden, wird Westen hatten. Mit ihnen zusammen lernten gen zählen die jugendpolitischen Events in die feiernde Crowd des Modular Festivals um Erfolg in diesem Geschäft durch das Zusam- wir ihre polnische Heimat kennen. Es wurde den JuZes und der Showdown des jugendpo- sich zu haben. menspiel des Gesamtvorstands möglich. Wie über Abrüstung und Friedensprojekte disku- litischen Wahlkampfs in der Kantine! Und die schon beschrieben, sind es die Leitungsver- tiert und dass wir uns gegenseitig besuchen antwortlichen der drei großen Verbände, von wollten – was auch geschah. Über das Leid Eberhard Schulz: Als ich begonnen habe, Als sich etwa die Hälfte der Gruppe in den Gewerkschaftsjugend, dem BdkJ und der der Menschen in Polen, das Deutsche ihnen darüber nachzudenken, sind mir ziemlich übervollen Zug hineingedrängt hatte, gab es Evangelischen Jugend, gewesen, die den ge- zugefügt hatten, wurde gesprochen. Und man viele spannende und unvergeßliche Ge- ein irres Spektakel auf dem Bahnsteig. Der sellschaftlichen Aufbruch von 1968 persönlich versprach sich, alles zu tun, damit Majdanek, schichten eingefallen. Alle sind sie mir „lieb“ russische Zugbegleiter kam mit zwei Kolle- und in ihren Verbänden aufgenommen und ge- Auschwitz und Dachau „nie wieder sei“. Man im Sinne von bedeutend. Hier nun eine aus gen zurück und fuchtelte und brüllte herum. lebt haben. Man fuhr mit der Gewerkschaftsju- tanzte die Nacht durch in den Kellern der dem Topf der „liebsten Erinnerungen“: Es Man verstand, alle müssen wieder auf den gend am 9. November in die KZ-Gedenkstätte Studentenheime, die in den Semesterferien zu muss im Herbst 1975 gewesen sein. Die Bahnsteig zurück. Ich versuchte den Mann zu Dachau, um an die Menschen zu erinnern, die Diskotheken umgestaltet wurden. Vorstandschaft des SJR hatte die Mitglieder beruhigen. Er musste etwas Deutsch verste- wegen ihres Widerstandes im Nazi-Deutsch- In diesen so bewegenden Zeiten der 70er- seiner Verbände zu einer Studienreise in die hen, denn als ich ihn mit 50 D-Mark für einen land, weil sie jüdischer Herkunft waren oder Jahre war es folgerichtig, dass der SJR die damalige Volksrepublik Polen eingeladen. Deal gewinnen wollte, meinte er, er wolle zum Volk der Sinti und Roma gehörten, ver- Chance aktiv wahrnahm, die drei Jugendzen Auschwitz, Krakau, Majdanek, Lublin und tschechische Kronen haben. Ein Wunder ge- folgt, gequält und ermordet wurden. tren Kanalstraße 15, No1 und das Pferseer Warschau sollten besucht werden. Die Evang. schah: Ein Prager gab uns die Kronen, damit Jugend hatte mit ihren Aktions-und Begeg- raste ich zum letzten Wagen, in dessen Tür Man fuhr mit der Kath. und Evang. Jugend, Schlössle unter sein Dach zu holen. Ihre nungsreisen die Weichen für eine Ost-West- der „Verweigerer“ stand. Es war verrückt, dem „Ökumenischen Jugendwerk Augsburg“, Besucher*innen konnten in unterschiedlichen Partnerschaft zwischen der sozialistischen als ich ihm das Geld entgegenhielt, fixierte er nach Lublin und arbeitete dort in der KZ-Ge- Formen und Gremien ihre Ideen von Mitbe- Studentenorganisation der Universität Lublin mich, schüttelte seinen Kopf, schloss die Tür denkstätte Majdanek, vor den Toren der Stadt stimmung und demokratischer Partizipation und dem SJR Augsburg gestellt. Man reiste und der Zug fuhr ab. gelegen. Dort traf man auf Zeitzeug*innen und verwirklichen. Was sind das für Erfolge! Jonas Riegel Vorsitzender des SJR mit dem Zug über die damalige Tschechoslo- Wie geht die Geschichte weiter? Wir sind (2019 bis 2021) wakei (heute Tschechien) zur ersten Stadion durch das menschenleere nächtliche Prag nach Krakau. In Prag angekommen, ca. 21:00 gezuckelt mit großem Gepäck. Zwei Polizei Was würden Sie tun bzw. hätten Sie getan, wenn Sie Uhr, mussten wir in den Zug nach Krakau stationen haben wir aufgesucht und den 20.000 Euro für den SJR zur Verfügung (gehabt) hätten? umsteigen. Es war ein russischer Zug, der Beamten unsere Misere geklagt. Gelandet sind uns mitnehmen sollte. Der weder Englisch wir um ca. 2:00 Uhr in einem staatlichen Hotel, Jonas Riegel: Mittlerweile liegt der Etat des reichen da zwar nicht, aber um es konkret noch Deutsch sprechende Zugbegleiter das alle aufgenommen hat, deren Transit SJR bei über 6,2 Mio. Euro. Man möge mei- zu benennen: Mit zusätzlichen Mitteln würde studierte die Sammelfahrkarte, musterte visum abgelaufen war. Hier erhielten wir auch nen, dass 20.000 Euro hier nicht ins Gewicht ich momentan die Arbeit unseres Kommuni- uns misstrauisch und sagte „Njet“, drückte neue Transitvisa. Sie waren ziemlich teuer. fallen würden. Mitnichten! Jedes Geld, das kationsteams unterstützen und hier einem mir die Fahrkarte wieder in die Hand und ver- den jungen Menschen zugutekommt, ist eine jungen Menschen die Chance auf eine Festan- Was wir alles in Prag am folgenden Tag bis schwand. Als Delegationsleiter sagte ich der Investition in eine lebenswertere Zukunft für stellung in Vollzeit bieten. zur unserer Abfahrt nach Krakau gesehen Gruppe, sie soll einsteigen, wir müssten mit uns alle! Die Frage zielt auf 20.000 Euro – die und erlebt haben, das war begeisternd und diesem Zug weiterreisen, weil wir mit einem für alle, die dabei waren, ein wertvolles Ge- Eberhard Schulz: Ich wäre mit dieser Summe aus Lublin. Vor über 40 Jahren wurde der Transitvisum nur 24 Stunden im Land bleiben schenk, ein Zufall, den man im Rückblick mit nicht zufrieden gewesen. Noch 30.000 Euro Antrag gestellt, Lublin zur Partnerstadt zu könnten. Der nächste Zug wäre für uns zu Recht als einen glücklichen bezeichnet. dazu, das hätte gepasst. ernennen. Der Stadtrat ist dem Antrag nicht spät gewesen. Die Abfahrzeit: am übernächs- ten Tag, um 15:00 Uhr. Mit einer Summe von 50.000 Euro hätten der gefolgt. SJR und seine Mitgliedsverbände ein unver- Das „Internationale Augsburg Friedenscamp“ Eberhard Schulz gleichliches „Internationales Friedenscamp sollte im Rhythmus von 2 oder 4 Jahren, Vorsitzender des SJR für die Jugend Europas“ organisiert. Der wie die Olympiade, verstetigt werden, mit (1974 bis 1978) Was war ihr persönlich größter Erfolg oder der größte Erfolg des SJR während Ihrer Amtszeit? Termin: um den 8. August, das „Augsburger starkem Lern- und Kulturprogramm, Kunst, Friedensfest“. Theater, Lernen aus der Geschichte etc. Und Jonas Riegel: Den größten Erfolg auf Vorstand zu Beginn meiner Amtszeit. Darauf Eingeladen worden wären Jugendliche aus Fußball sollte dort auch gespielt werden, weil einen einzigen zu begrenzen wäre aufbauend konnten wir den SJR bereits vor den Partnerstädten von Augsburg und auch er die Menschen zusammenbringt. vermessen. Denn in einer zwei- dem externen Schock der Pandemie durch jährigen Amtszeit als Vorsitzen- die gezielten Weiterentwicklungen in der der tut sich in den unterschied- Digitalisierung letztlich auch fit für die Be- lichen Arbeitsbereichen, in wältigung der Corona-Krise machen. denen der SJR tätig ist, viel. Ganz aktuell zählt auch die Einigung in der Zu einem der mir persönlich Verhandlung zu den Rücklagen des Stadt- wichtigsten Erfolge zählt die Neu- jugendrings zu den Erfolgen, die während aufstellung der Strategiearbeit im meiner Amtszeit erzielt wurden. 20 INTERVIEW HEUTE & DAMALS 20 INTERVIEW HEUTE & DAMALS 21
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