Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018

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Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
kunststadt                                                  65

stadtkunst
                                                                 | KULTURPOLITIK
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 INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin   2018               1
Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
Vorderseite oben: PätzugHertweck, Inspectio Circensis, Rosengarten im Treptower Park, 2017, Foto: Sabine Pankratz, Vorderseite unten: Christine Rusche, GRUOEN, Grundschule am
                                     Bürgerpark Marzahn, 2017, Rückseite oben: Robert Patz, Tricksters Plan, FU Berlin, 2017, Rückseite unten: Renate Wolff, Die Goldene Stunde, Charité Berlin, 2017

                                                                                                                                                                                                                                      inhalt                                                                                       Editorial
                                                                                                                                                                                                        Editorial | 02

                                                                                                                                                                                                        Kulturpolitik
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           W      enn aus Kunst Kontroversen entstehen, ist das ein Erfolg für die Kunst.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Auch wenn es auf den ersten Blick bei der aufgeregten Debatte um das
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           1951 verfasste Gedicht Avenidas von Eugen Gomringer – eine Ikone der Kon-
                                                                                                                                                                                                           unst in die Bau­offensive! Die Kunst am Bau im neuen Schulbau | Elfriede Müller
                                                                                                                                                                                                          K                                                                                                kreten Poesie –, 2011 angebracht an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule,
                                                                                                                                                                                                          und Martin Schönfeld 03                                                                          nicht sofort deutlich wird. Die Debatte reduziert sich in der Öffentlichkeit auf die
                                                                                                                                                                                                          Probleme der sowjetischen Monumentalmalerei | Vladimir Michajlovic                              Frage der Zensur des Gedichtes, dabei geht es doch darum, ob die Fassade einer
                                                                                                                                                                                                          Tolstoj 04                                                                                       Hochschule für Sozialarbeit dafür geeignet ist und auch, wie demokratisch die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Entscheidung von 2011 denn war, die das Gedicht an diesen Ort festgeschrieben
                                                                                                                                                                                                        Beiträge der Jubiläumsveranstaltung 40 Jahre Büro für Kunst im öffentlichen Raum                   hat. Bei Kunst im öffentlichen Raum und an öffentlichen Gebäuden werden im
                                                                                                                                                                                                           Kunstfreiheit im öffentlichen Kunstauftrag stärken! KiöR in Lichtenberg |                      Land Berlin in der Regel Kunstwettbewerbe ausgeschrieben, die alle Beteiligten
                                                                                                                                                                                                            Michael Grunst 05                                                                              miteinbeziehen und dabei selbstverständlich die Nutzer*innen. All das hat nicht
                                                                                                                                                                                                            KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien Martina Taig 06                                           stattgefunden und da liegt der Kern des Problems. Die damalige Rektorin hat die
                                                                                                                                                                                                             Ein Stück gemeinsamen Weges Stefan Krüskemper 07                                             Anbringung zusammen mit der Poetik-Jury entschieden, die Eugen Gomringer
                                                                                                                                                                                                          Zur Verantwortung der Künstler*innen gegen Rechtspopulismus                                     den Poetik-Preis verliehen hat.
                                                                                                                                                                                                           Interview mit Ulf Aminde 08                                                                        Das ist nicht nur undemokratisch, sondern auch nicht fachgerecht. Wieso soll
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           eine Literaturjury über Kunst am Bau entscheiden, unter Ausnahme der sonsti-
                                                                                                                                                                                                        Kunsttheorie                                                                                       gen Beteiligten an diesen Fragen: bildende Künstler*innen, die Architekt*in des
                                                                                                                                                                                                          Kunst und die neue Ökonomie der Ungleichheit Elfriede Müller 10                                 Gebäudes, die Verwaltung, Vertreter*innen der Fachkommission für Kunst im
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           öffentlichen Raum Marzahn-Hellersdorf und natürlich die Student*innen und
                                                                                                                                                                                                        Kunst im Stadtraum                                                                                 die Lehrenden. In der Regel fällt eine Entscheidung für Kunst am Bau nicht gegen
                                                                                                                                                                                                           er schützt die Kunst? Zur Nachhaltigkeit von Kunstwerken im öffentlichen
                                                                                                                                                                                                          W                                                                                                die Nutzer*innen. Denn eines der wichtigen Kriterien ist ja, ob die Kunst am Bau
                                                                                                                                                                                                          Raum | Renata Stih 12                                                                            zu dem passt, was in dem Bau passiert. So sind die Einwände der Student*innen
                                                                                                                                                                                                          Documenta 14 Reportage-Kunst aus einem versetzten Zentrum | Oskar Ardila 13                     auch stichhaltig. Das Kunstwerk sollte auf dem Stand der gesellschaftlichen
                                                                                                                                                                                                          Philosophie und Supermarkt Renata Stih 15                                                       Entwicklung sein, auch der Entwicklung der Geschlechterbeziehungen. In diese
                                                                                                                                                                                                          „Urban Art“ als Kunst im öffentlichen Raum Robert Kaltenhäuser und                              Diskussionen hätten 2011 alle Beteiligten ergebnisoffen einbezogen werden müs-
                                                                                                                                                                                                           Georg Barringhaus 16                                                                            sen. Die heutige Kontroverse ist ein Ergebnis der fehlenden Debatte. Man hätte
                                                                                                                                                                                                           HUMBOLDT DSCHUNGEL oder wie der Geist der Humboldts aus dem                                    damals auch eine Temporalität festlegen können, so wie es jetzt geschehen ist:
                                                                                                                                                                                                           Schloss ein Forum der Zukunft macht | Wibke Behrens, Uta Belkius und                            Ein Kunstwerk bleibt für fünf Jahre. Das ist im öffentlichen Raum oft sinnvoll,
                                                                                                                                                                                                           Notker Schweikhardt 18                                                                          weil der öffentliche Raum sich ständig verändert. Der Protest der Studierenden
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           hat eine fruchtbare Debatte über Kunst und die Demokratie im öffentlichen Raum
                                                                                                                                                                                                        Kunst und Gedenken                                                                                 provoziert. Der Stil der Debatte führte dazu, dass jetzt eine sehr harte Entschei-
                                                                                                                                                                                                           as lange währt ... Utøya – Über die andauernde Geschichte einer Gedenkstätte |
                                                                                                                                                                                                          W                                                                                                dung zu treffen war, die so mit einem geordneten Wettbewerbsverfahren sicher
                                                                                                                                                                                                          Herbert Eugen Wiegand 19                                                                         nicht angestanden hätte. Die Hochschule hätte bereits 2016, als der Protest laut
                                                                                                                                                                                                          Vergessene Orte einer vernachlässigten Revolution Wo bleibt das Geden-                          wurde, künstlerischen Sachverstand einholen sollen, der im Bezirk vorhanden ist.
                                                                                                                                                                                                           ken für die Revolutionär*innen des 9. November 1918? | G. Baumgartner und Britta                In einer Fachdebatte hätte die Temporalität des Gedichtes ein Kompromiss sein
                                                                                                                                                                                                           Schubert 20                                                                                     können und sie wäre weniger giftig gewesen. Wenn in einer Demokratie geltende
                                                                                                                                                                                                           Ein Gedenkzeichen für die jüdischen Häftlinge des Frauen-Konzentra-                            Regeln nicht mehr beachtet werden, entsteht legitimer Protest. Im Fall der Alice-
                                                                                                                                                                                                            tionslagers Ravensbrück Insa Eschebach 22                                                      Salomon-Hochschule hat er eine wichtige Debatte über Kunst im öffentlichen
                                                                                                                                                                                                            Sechs Stufen und ein Riss Gedenkort für die Opfer des Anschlags auf dem Berli-                Raum, Kunstfreiheit und Demokratie provoziert. Sie sollte fortgesetzt werden.
                                                                                                                                                                                                             ner Breitscheidplatz | Stefanie Endlich 23
                                                                                                                                                                                                             Das Gedenkelement: Die Tragödie um Flug 9525 Büro für Kunst im öffentli-                        Im Zusammenhang des 40. Geburtstages des Büros für Kunst im öffentlichen
                                                                                                                                                                                                          chen Raum 24                                                                                     Raum wird deutlich, dass die bereits 1979 geforderte Gesamtdokumentation (da-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           mals nur für den westlichen Teil der Stadt) aller im öffentlichen Auftrag entstande-
                                                                                                                                                                                                        Internationales                                                                                    nen Kunstwerke bis heute nicht existiert. Internationale Wissenschaftler*innen,
                                                                                                                                                                                                           elegte Brötchen und Zensur Die Eröffnung des Belgrader Kunstmuseums |
                                                                                                                                                                                                          B                                                                                                Künstler*innen, kunst- und bildungsorientierte Tourist*innen melden seit langem
                                                                                                                                                                                                          Rena Rädle 25                                                                                    Bedarf an. Das Büro für Kunst im öffentlichen Raum hat 2012 einen Projekt-
                                                                                                                                                                                                          Konservative Kulturwende in Polen Adam Gusowski 26                                              antrag für ein Digitales Portal für Kunst im öffentlichen Raum in Berlin
                                                                                                                                                                                                           Kunst und urbane Politik. Kunst als urbane Politik! Das internationale                         ausgearbeitet, das alle Kunstwerke seit 1990 aufführt und schwerpunktmäßige
                                                                                                                                                                                                          Festival Salon Urbain de Douala – SUD2017 in Douala, Kamerun, 5.-12.2017 | Cora                  Einblicke in Entstehung, Rezeption und Ortsbezug vermittelt. Alle bezirklichen
                                                                                                                                                                                                          Hegewald 27                                                                                      Beiräte haben die Initiative des Büros empfohlen, da auch den Bezirken in ihrer
                                                                                                                                                                                                            Wir lassen euch nicht allein | Pia Lanzinger 28                                               täglichen Arbeit eine solche Grundlage fehlt. Das Land Berlin hat mehrfach die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Notwendigkeit einer Digitalisierung der im öffentlichen Auftrag entstandenen
                                                                                                                                                                                                        Wettbewerbe                                                                                        Kunstwerke betont und 2016 EFRE-Mittel dafür eingestellt. Für die restlichen
                                                                                                                                                                                                          „ Bezeichnung“ für eine lange geplante Baumaßnahme:                                             finanziellen Mittel erklärte sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereit
                                                                                                                                                                                                           Die Clay-Schule Lou Favorite und Elfriede Müller 30                                             aufzukommen. Die Senatsverwaltung für Kultur & Europa forderte das Büro für
                                                                                                                                                                                                           Kunst als Stromgenerator Das Landmark der Elektropolis in Oberschöneweide |                    Kunst im öffentlichen Raum auf, im September 2017 mit der Arbeit zu beginnen.
                                                                                                                                                                                                            Veronike Hinsberg und Patricia Pisani 31                                                       Im September wurde der Start auf Februar 2018 verschoben. Bis heute sind die
                                                                                                                                                                                                            GRUOEN strahlt aus! Eine neue Giebelwandgestaltung für die Grundschule am                     Mittel nicht eingestellt. Um die einzigartige Kunstlandschaft Berlins weltweit
 Editorial

                                                                                                                                                                                                          Bürgerpark in Berlin-Marzahn | Karin Scheel 33                                                   zugänglich zu machen, bitten wir die zuständige Verwaltung hiermit auch öf-
                                                                                                                                                                                                             Modulare Unterkünfte und Kunst für Flüchtlinge Berlinweit offener zwei-                      fentlich um Unterstützung!
                                                                                                                                                                                                          phasiger Kunstwettbewerb, 2016-2017 | Barbara Holub 34
                                                                                                                                                                                                              262 Klinken Bundesweit offener Kunstwettbewerb für den Neubau der Rosa-                                                                 Büro für Kunst im öffentlichen Raum
                                                                                                                                                                                                               Luxemburg- Stiftung in Berlin | Henrik Mayer 35
| Inhalt |

                                                                                                                                                                                                               Die Magie des Weltraums Kunstwettbewerb für die Jugendfreizeiteinrichtung
                                                                                                                                                                                                               Betonoase, Berlin-Lichtenberg | Birgit Knappe 36
                                                                                                                                                                                                               Lise Meitner und die Eleganz von Verfahren Sophie Jung 38
                                                                                                                                                                                                               Kunst im Quantensprungverfahren Neubau „IRIS“ der Humboldt Universität in
                                                                                                                                                                                                                Berlin-Adlershof | Oliver Störmer 40
 kunststadt stadtkunst 65

                                                                                                                                                                                                                On the Road Von Lichtenberg aus in die Welt | Robert Patz 42

                                                                                                                                                                                                        Impressum: Informationsdienst des Kulturwerks des berufsverbandes bildender künstler*innen berlin GmbH | Herausgeber: Kulturwerk des berufsverbandes bildender künstler*innen berlin GmbH
                                                                                                                                                                                                        Redaktion: Elfriede Müller, Martin Schönfeld, Britta Schubert | Redaktionsanschrift: Büro für Kunst im öffentlichen Raum | Köthener Straße 44 | 10963 Berlin | Email: kioer@bbk-kulturwerk.de
                                                                                                                                                                                                        www.bbk-kulturwerk.de | Tel: 030-23 08 99 30 | Fax: 030-23 08 99-19 | Layout: Max Grambihler | Druck: hinkelsteindruck | Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt die Redaktion
                                                                                                                                                                                                        keine Haftung. | Für namentlich gekennzeichnete Beiträge haftet die Autor*in. | Wenn nicht anders verzeichnet, stammen die Fotos von den angegebenen Künstler*innen.

   02
Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
John von Bergen, Prana, Kopernikus Oberschule, Berlin-Steglitz, Foto: Martin Schönfeld

                                                                                                                                      Frage der Bauorganisation befasst. Dabei wurde Ende August
                                                                                                                                      2017 festgelegt, dass die Bezirke für die Baumaßnahmen mit

      Kunst in die Bau­offensive!
                                                                                                                                      einem Investitionsbetrag bis zu 5 Millionen Euro zuständig
                                                                                                                                      sind, also wesentlich Sanierungsmaßnahmen und kleinere
                                                                                                                                      Neubauten. Bauvorhaben innerhalb der Investitionsspanne
                                                                                                                                      zwischen 5 und 10 Millionen Euro können die Bezirke selbst
                                                                                                                                      durchführen oder an die Senatsverwaltung abgeben. Bau-
      Die Kunst am Bau im neuen Schulbau                                                                                              vorhaben mit einem Investitionsbetrag über 10 Millionen
                                                                                                                                      Euro sollen generell von der Senatsverwaltung für Stadtent-
                                                                                                                                      wicklung und Wohnen übernommen werden. Da aber auch
                                                                                                                                      die Landesverwaltung eine solche Masse von Bauaufgaben
                                                                                                                                      nicht allein bewältigen kann, wurde der Plan zur Schaffung

P   lötzlich platzt Berlin aus allen Nähten. Genau dort, wo
    vor zehn Jahren noch leer stehende Schulen oder Kinder-
tagesstätten abgerissen wurden, werden nun neue Schulge-
                                                                es im Jahr 2016 nur noch 108.000. Im Bezirksamt Pankow von
                                                                Berlin fiel im Bauamt die Stellenzahl von 2001 bis 2015 von
                                                                212 auf nur noch 58 Beschäftigte. Immerhin wird seit 2016
                                                                                                                                      einer landeseigenen Tochtergesellschaft entwickelt, die auf
                                                                                                                                      privatrechtlicher Grundlage mit der Durchführung der gro-
                                                                                                                                      ßen Baumaßnahmen beauftragt werden soll. Dafür soll die
bäude und neue Kindergärten errichtet. Und bei der Baufer-      neu eingestellt, so dass es 2017 schon wieder 65 Stellen waren.       landeseigene Wohnungsbaugesellschaft HoWoGe eine eigene
tigstellung heißt es dann oft, dass auch diese Neubauten bald   Doch auch mit diesen begrenzten Personalkapazitäten können            Tochtergesellschaft zur Durchführung der größeren Baupro-
zu klein sein werden und den eigentlichen Bedarf nicht mehr     die Berliner Bezirke den dringend notwendigen Aufgaben im             jekte der Schulbauoffensive gründen. Ein solches Konzept zur
decken. Also muss etwas geschehen: Die Stadt muss bauen,        Unterhalt des öffentlichen Baubestandes und dem Bau von               Durchführung öffentlicher Baumaßnahmen durch ein öffent-
Berlin geht in die „Schulbauoffensive“.                         neuen Schulen nur schwer Rechnung tragen. Gerade der Bezirk           liches Unternehmen wird bereits seit 2010 in der Freien Han-
   Die Stadt wächst: Bis 2030 wird von einem Bevölkerungs-      Pankow erwartet eine sehr vitale Bevölkerungsentwicklung.             sestadt Hamburg praktiziert. Dort wird auch schon seit Ende
anstieg bis zu 300.000 neuen Einwohner*innen ausgegangen.                                                                             der 1990er Jahre keine „Kunst am Bau“ mehr geschaffen. Auch
Damit hat erst jetzt der Metropolenschub eingesetzt, den die    Die Schulbauoffensive                                                 das ist kein gutes Vorzeichen für eine vergleichbar aufgestellte
Politik bereits Mitte der 1990er Jahre erwartet hatte. Damals   Es muss also etwas geschehen, und deshalb hat das Land Ber-           Schulbauoffensive des Landes Berlin.
wurden der Potsdamer Platz und die Friedrichstraße zu Me-       lin die „Schulbauoffensive“ ausgerufen: Innerhalb von zehn
tropolenquartieren ausgerufen und rasch bebaut. Doch der        Jahren sollen 60 neue Schulen gebaut werden und müssen 67             PPP reloaded
Boom blieb aus. Mustergültig für diesen Fehlstart wurde         Schulen dringend saniert und teilweise auch erweitert werden.         Hier wird also ein neues Modell der Finanzierung öffentli-
der Masterplan zum Alexanderplatz, für den Hans Kollhoff        Bis 2026 sollen dafür 5,5 Milliarden Euro ausgegeben werden,          cher Bauaufgaben entwickelt und teilweise bereits angewen-
ein Turmhausgewitter entwickelte, das einen weiträumigen        jährlich 500 Millionen. Für diese gewaltige Aufgabe sollen            det. War in den 1990er Jahren die private-public-partnership
Abriss der bestehenden Bebauung vorsah. Doch das Fehlen         900 Planer*innen nötig sein. Diese Aufgaben stehen in Wider-          (PPP) noch als Leitbild ausgerufen worden, so geht es nun in
interessierter Investoren verhalf der Vernunft zum Durch-       spruch zu den Personalkapazitäten der Bezirksverwaltungen             den 2010er/2020er Jahren um eine public-public-partnership:
bruch. Während der Alexanderplatz-Masterplan über zwei          und der Senatsverwaltung. Hier fallen Personalmangel und              Die öffentliche Hand geht ein Vertragsverhältnis mit einem
Bauvorbescheide noch nicht hinausgekommen ist, haben die        Nachfragewucht bedenklich zusammen.                                   öffentlichen Unternehmen ein. Das Prinzip ist aber das gleiche
vorhandenen Bauten immer noch Bestand, stehen nun teil-                                                                               wie in den 1990er Jahren: Ein privatrechtlich organisiertes
weise unter Denkmalschutz, und auch das 2011 zum Abriss            Die hohe Zahl der notwendigen Schulbaumaßnahmen                    Unternehmen erbringt für die öffentliche Hand eine Leis-
vorgesehene „Haus der Statistik“ soll nun zum Musterbeispiel    könnte eine gute Aussicht für die Kunst sein. Das öffentliche         tung, und die öffentliche Hand wird in den nachfolgenden
einer sozialen Stadtentwicklung als Heimstatt gut gemein-       Bauen des Landes Berlin und der Bezirke von Berlin unterliegt         Jahrzehnten zum Mieter der eigenen Immobilie. Für die Ber-
ter Initiativen und von Kreativen werden. Auch Ateliers für     der Verwaltungsvorschrift „Anweisung Bau“. Die „Anweisung             liner Landesregierung hat dieses neue öffentlich-öffentliche
Künstler*innen sind geplant. Nur schade, dass das dort einst    Bau“ besagt, dass bei allen öffentlichen Investitionsmaßnah-          Vertragsverhältnis den Vorteil, dass sie damit die ab 2020
befindliche Wandbild „Lob des Kommunismus“ von Ronald           men des Hochbaus, Tiefbaus und des Landschaftsbaus Kunst              wirkende Schuldenbremse umgehen kann. Würden die Bau-
                                                                                                                                                                                                                           | KULTURPOLITIK
Paris voreilig 2010 ausgebaut und von der Bundesanstalt für     am Bau durchgeführt werden soll. So wäre zu erwarten, dass            kosten unmittelbar beim Land Berlin anfallen, dann würden
Immobilienaufgaben an ein Privatmuseum vergeben wurde.          im Rahmen der künftig neu zu errichtenden 60 Schulen auch             sie die Ausgaben des Landes und damit auch die Verschuldung
Gerade dieses Kunstwerk hätte dem künftigen „Haus der Sta-      viele neue Kunstwerke geschaffen werden. Die Schulbauof-              erhöhen, was aber bundesgesetzlich verboten ist. Deshalb ist
tistik“ Vorbild und Mahnung zugleich sein können.               fensive wäre somit auch eine Investitionsoffensive für Kunst          eine „Umwegfinanzierung“ im Gespräch: Denn die Tochter-
                                                                am Bau und Kunst im öffentlichen Raum: Viele Wettbewerbe              gesellschaft der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ist
Radikaler Personalabbau                                         könnten stattfinden, viele Künstler*innen könnten sich an             als GmbH frei, Kredite aufzunehmen und damit größere In-
Das Groß- und Klein-Denken kommt in Berlin immer zur            diesen Wettbewerben beteiligen und einen Auftrag erhalten.            vestitionsmaßnahmen vorzufinanzieren – so ein behaupte-
falschen Zeit. Anfang der 1990er Jahre wurde groß gedacht,      Soweit die Theorie der Anweisung Bau.                                 ter Vorteil. Dem steht entgegen, dass die Kredite einer GmbH
                                                                                                                                                                                                                             kunststadt stadtkunst 65

aber die Wirklichkeit hinkte den Weltstadtträumen meilen-          Doch vor der Theorie kommt die Praxis des enormen Ar-              wesentlich teurer sind als die der öffentlichen Hand und dass
weit hinterher: Berlin versank in einem Bankenskandal, The-     beitsaufwandes der Schulbauoffensive. Der bereits genannte            bereits nachgewiesen wurde, dass in einer öffentlich-priva-
ater wurden geschlossen. Statt Aufbau bezahlte die Bundes-      erhebliche Personalmangel ist mit einer Masse von Bauaufga-           ten Partnerschaft (PPP) die öffentliche Hand immer drauf-
regierung mit dem Programm „Stadtumbau“ einen Rückbau:          ben konfrontiert, die von den wenigen Angestellten der Bau-           zahlt. Hinzu kommen noch eigentumsrechtliche Fragen mit
Elfgeschossige Wohnhochhäuser wurden in dreigeschossige         verwaltungen kaum alleine bewältigt werden können. Schon              der Veräußerung von landeseigenen Grundstücken an eine
Reihenhaussiedlungen verwandelt und als „Ahrensfelder Ter-      jetzt haben einzelne Bezirke einige Bauaufgaben per Amtshilfe         öffentliche GmbH, die Kritiker des Vorhabens vor einer Pri-
rassen“ bunt angemalt. Mit der De-Industrialisierung ganzer     durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Woh-              vatisierung des öffentlichen Schulbaus und der öffentlichen
Landstriche Ostdeutschlands liefen die Menschen davon und       nen durchführen lassen.                                               Schulen warnen lässt.
Leere machte sich breit. Bis zur Schmerzgrenze wurde gespart.
Die Schulden aus kleineren und größeren Skandalen wurden        Eine neue Bauorganisation                                             Umgehung der Anweisung Bau?
mit einem radikalen Personalabbau der öffentlichen Verwal-      Nach der Einsicht in die dringende öffentliche Baunotwen-             Eine mögliche Privatisierung öffentlicher Baumaßnahmen
tung ausgeglichen. Zählte Berlin zu Anfang der 1990er Jahre     digkeit im Jahre 2016 haben die Berliner Bezirke und die              durch eine landeseigene Tochtergesellschaft birgt auch ein
noch 200.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, so waren      Senatsverwaltungen sich im Laufe des Jahres 2017 mit der              Problem für Kunst am Bau, die ein integraler Bestandteil der

                                                                                                                                                                                                                             03
Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
Christine Rusche, GRUOEN, Grundschule am Bürgerpark Marzahn, 2017

                                                                                                                                                             Bauoffensive ohne Kunst: Die modularen Ergänzungsbauten der Senatsverwaltung für Bildung, Foto: Martin Schönfeld

                                                                                                            und Durchführung von Wettbewerbsverfahren ist allerdings                          funktionaler Eindimensionalität und baukultureller wie auch
                                                                                                            kein Selbstläufer und benötigt angemessenes Personal. In                          künstlerischer Schwäche, wenn gesonderte Infrastrukturge-
                                                                                                            Anbetracht der hohen Zahl der erwarteten Schulbaumaß-                             sellschaften auf das öffentliche und kommunale Bauwesen
                                                                                                            nahmen ist es dringend nötig, auf allen Auftragsebenen der                        übergreifen.
                                   Borgman|Lenk, WURF IV, Temporäre Kunstprojekte Marzahner Promenade,      Schulbauoffensive – sowohl in den Bezirksverwaltungen, in
                                                                     Oktober 2017, Foto: Martin Schönfeld   den Senatsverwaltungen als auch in einer künftigen landes-                            Die aktuelle Situation der anstehenden Schulbauoffensive
                                                                                                            eigenen Schulbaugesellschaft – Stellen für eine Vorbereitung                      zeigt, dass damit noch längst kein Auftragsregen für die Kunst
                             öffentlichen Baukultur ist. Die privatrechtlich organisierte                   und Durchführung der Kunst am Bau einzurichten. Dass                              am Bau und die Künstler*innen einhergeht. Die Vorzeichen
                             Tochtergesellschaft ist keine Baubehörde oder Baudienststelle                  Kunst am Bau nicht nebenher von bereits voll ausgelasteten                        von Zeitdruck, Personalknappheit und heimlicher Umgehung
                             des Landes Berlin und damit nicht an die Anweisung Bau ge-                     Verwaltungsangestellten zusätzlich erbracht werden kann,                          der öffentlichen Baurichtlinien deuten darauf hin, dass auch in
                             bunden. Bei ihren Bauprojekten haben die landeseigenen Woh-                    zeigt bereits der heutige Arbeitsalltag in den Bauverwaltun-                      der Bauoffensive des Landes Berlin jedes einzelne Projekt von
                             nungsbaugesellschaften bislang keine Kunst am Bau durch-                       gen. Direkte Kunstbeauftragte können hier ganz wesentlich                         Kunst am Bau erstritten, dass jeder einzelne Kunstwettbewerb
                             geführt. Auch reguläre Wettbewerbsverfahren gemäß der                          zu einer Verbesserung der formalen Transparenz, der Gleich-                       erkämpft werden muss. Die Berliner Landespolitik muss die
                             Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW 2013) zur Auswahl                      behandlung und einer Qualitätssteigerung der künstlerischen                       Bedeutung der Schulbauoffensive für die Kunst am Bau erst
                             eines Kunstwerkes wären für ein privatrechtliches öffentliches                 Ergebnisse beitragen. Sie können vor allem dazu führen, die                       noch entdecken.
                             Unternehmen nicht bindend. Erste Wettbewerbsversuche der                       Wettbewerbskosten in einem angemessenen Rahmen zu hal-                                Das Büro für Kunst im öffentlichen Raum hat am 8. Februar
                             HoWoGe im Rahmen ihres Lichtenberg Open Art-Programms                          ten, so dass die Wettbewerbskoordination und Vorprüfung                           2018 den Senator für Kultur und Europa auf die Dringlich-
                             waren verbesserungsbedürftig. Sollte also das künftige öffent-                 nicht mehr von externem Personal auf der Grundlage konkur-                        keit der Sicherung der Durchführung von Kunst am Bau im
                             liche Berliner Schulbauunternehmen tatsächlich Kunst am                        rierender Dumping-Angebote erbracht werden muss.                                  Rahmen der Berliner Schulbauoffensive hingewiesen hat. In
                             Bau durchführen wollen, wie es Senatsbaudirektorin Regula                                                                                                        seiner Antwort (26.2.2018) sicherte der Kultursenator zu, dass
                             Lüscher im Juni 2017 auf einer Tagung zur Schulbauqualität                     Negativbeispiel MEB                                                               die Senatsverwaltungen für Finanzen, Stadtentwicklung und
                             der Partei Die Linke bestätigte, wäre das allein noch keine                    Für die Umgehung der Anweisung Bau hinsichtlich Kunst am                          Wohnen sowie Bildung, Jugend und Familie auf die Dringlich-
                             Garantie für ein ordentliches Auswahlverfahren. Ein solches                    Bau im Rahmen von Sonderbauprogrammen gibt es in Berlin                           keit des Themas hingewiesen wurden und dass die Kulturver-
                             öffentliches Unternehmen wäre im schlimmsten Fall auch frei,                   bereits ein negatives Beispiel: Die so genannten Modularen                        waltung auch bei der Durchführung von Schulbaumaßnahmen
                             in einem Direktauftrag „gute Beziehungen“ zu beauftragen,                      Schulergänzungsbauten, auch MEB genannt, die zusammen                             durch landeseigene Unternehmen die Berücksichtigung von
                             was ein Rückfall hinter die Anweisung Bau bedeuten würde.                      von den Senatsverwaltungen Stadtentwicklung und Bildung                           Kunst am Bau einfordern wird.
                             Denn diese Art von Aufträgen haben 1979 in West-Berlin dazu                    entwickelt wurden und seit 2014 errichtet werden. Dabei han-                          Die Berliner Bezirke haben sich für eine wünschenswerte
                             geführt, eine Richtlinie einzuführen, die genau diese Baukul-                  delt es sich um ein schlichtes Systembaumuster der klassi-                        Kooperation entschieden und drei Regionalverbände gegrün-
                             tur garantiert.                                                                schen Flurschule, das mehrgeschossig geliefert werden kann,                       det, in denen sich die Bezirke mit einer zentralen Geschäftsstel-
                                                                                                            und deren einzige Auffälligkeit in einer farbenfrohen Fassade                     le zusammen geschlossen haben, um beim schnellen Neubau
                             Kunstbeauftragte in der Bauoffen-                                              besteht. Die MEB sind in Rot, Grün, Blau und Beige lieferbar,                     auch die Schulqualität nicht zu vergessen. Zur Schulqualität
                             sive notwendig                                                                 innerhalb von wenigen Monaten sind sie bezugsfrei. Demge-                         gehört Kunst am Bau. Deshalb schlägt das Büro für Kunst im
                             Die ausgerufene Schulbauoffensive des Landes Berlin ist                        genüber benötigt der herkömmliche Schulbau von der Bedarfs-                       öffentlichen Raum vor, dass eine Koordinierungsstelle für
                             noch nicht gleichzeitig eine Offensive für die Kunst am Bau.                   feststellung bis zur Fertigstellung in 22 Arbeitsschritten einen                  Kunst am Bau Teil der zentralen Geschäftsstelle wird, damit
                             Deshalb ist die Politik gefordert sicherzustellen, dass in der                 Zeitraum von neun bis zehn Jahren. Auch diesen Zeitrahmen                         entsprechend der Richtlinie für Planungswettbewerbe 2013
                             Durchführung öffentlicher Schulbaumaßnahmen durch eine                         will die Landesregierung mit der Schulbauoffensive min-                           Kunstwettbewerbe kompetent und transparent in Zusammen-
                             privatrechtlich verfasste landeseigene Tochtergesellschaft die                 destens halbieren. Auf den damit notwendig verbundenen                            arbeit mit den Verwaltungen durchgeführt werden können.
                             Anweisung Bau zum Tragen kommt und entsprechend zu jeder                       Qualitätsverlust der Architektur hat die Architektenkammer                            Dabei wird das Büro für Kunst im öffentlichen Raum alle
                             einzelnen Baumaßnahme Kunst am Bau auf der Grundlage re-                       Berlin bereits im Juli 2016 hingewiesen: „Neue Schulbauten                        Politiker*innen und alle öffentlichen und auch privatisierten
                             gulärer Wettbewerbsverfahren stattfindet. Das wäre in einem                    ohne Anspruch?“ Die MEB verdeutlichen, wozu die Rasanz der                        Baudienststellen bei der Durchführung der Anweisung Bau
                             Vertrag zwischen dem Land Berlin und der noch zu gründen-                      Schulbauoffensive führen könnte: unauffällig, gestaltarm und                      für Kunst am Bau unterstützen.
                             den Tochtergesellschaft unbedingt festzuhalten.                                garantiert kunstlos. Von der Richtlinie für Kunst am Bau der
                                Jeder öffentliche Kunstauftrag umfasst ein transparentes                    Anweisung Bau sind sie bislang ausgenommen. So geben die                                                  Elfriede Müller & Martin Schönfeld
                             und regelgerechtes Wettbewerbsverfahren. Die Vorbereitung                      MEB ein Beispiel für den Verlust architektonischer Qualität,
| KULTURPOLITIK

                                                                                                                                                                                              E   in wichtiges Mittel, um Kader auf dem Gebiet der Mo-
                                                                                                                                                                                                  numentalmalerei zu entwickeln, sind Wettbewerbe, an
                                                                                                                                                                                              denen breite Kreise teilnehmen können. Sie geben neuen,
                                                                                                                                                                                              talentierten Künstlern die Möglichkeit hervorzutreten
                                                                                                                                                                                              und tragen zweifellos zur Hebung des künstlerischen Ni-
                                                                                                                                                                                              veaus der Monumentalmalerei bei. Es ist selbstverständ-
  kunststadt stadtkunst 65

                                                                                                                                                                                              lich, dass man derartige Wettbewerbe eingehend vorberei-
                                     Ein wichtiges                                                                                                                                            ten muss, damit die Voraussetzungen geschaffen werden,
                                                                                                                                                                                              die zur Ausführung von Entwürfen der geplanten Arbeit
                                     Mittel sind                                                                                                                                              notwendig sind.
                                                                                                                                                                                                 Bedauerlicherweise fehlt bei uns diese Praxis der offenen

                                     Wettbewerbe                                                                                                                                              Wettbewerbe – offensichtlich um „überflüssige Scherereien“
                                                                                                                                                                                              zu vermeiden. In Wirklichkeit aber bedeutet dies nur Furcht
                                                                                                                                                                                              vor dem Neuen, Unglauben an die Kräfte der jungen, noch
                                                                                                                                                                                              nicht hinreichend bekannten Künstler.

                                                                                                                                                                                              Textauszug: Vladimir Michajlovic Tolstoj; Probleme der sowjetischen
                                                                                                                                                                                                 Monumentalmalerei, in: Iskusstwo Nr. 2/1954, S. 5-14, hier zitiert
                                                                                                                         Josep Renau, Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik,
                                                                                                                                                      Mosaikwandbild, Erfurt, 1979-1983          nach Kunst und Literatur, Nr. 6/1954, S. 802-817, hier S. 816, über-
                                                                                                                                                                                                 setzt von E. John.

    04
Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
Kunstfreiheit im öffentlichen                                                                                                                                                      Jubiläums-
                                                                                                                                                                                           veranstaltung

        Kunstauftrag stärken!                                                                                                                                                               40
                                                                                                                                                                                           Jahre
                                                                                                                                                                                          Büro für Kunst im
        KiöR in Lichtenberg                                                                                                                                                               öffentlichen Raum

                                                                                                                        und im Stadtraum vereinbart. Künftig wird       stimmung der Kunst, der Künstlerin oder des
                                                                                                                        aus dem Bündnis für Wohnen ein Vertreter        Künstlers? – Ein spannendes Thema!
                                                                                                                        oder eine Vertreterin im Gremium „Kunst
                                                                                                                        am Bau und im Stadtraum“ mitwirken und          Deshalb: Kunstfreiheit
                                                                                                                        jeweils projektbezogene Vorhaben vorstellen.    im öffentlichen
                                                                                                                        Ich denke das macht sehr deutlich, wie wich-    Kunstauftrag stärken!
                                                                                                                        tig uns das Thema ist beziehungsweise welche    Deshalb werbe ich sowohl im Lichtenberger
                                                                                                                        Bedeutung wir ihm zukommen lassen.              Kulturbeirat als auch in der bezirklichen
                                                                                                                                                                        Kommission Kunst am Bau und im Stadt-
                                                                                                                        Handlungsmöglichkeiten                          raum dafür, die Kunstfreiheit im öffentli-
                                                                                                                        von Künstler*innen                              chen Raum zu stärken. Wir haben uns dabei
                                                                                                                        Künstler*innen sollten die Angebote des Bü-     auf Transparenz und Beteiligung verstän-
                                                                                                                        ros für Kunst im öffentlichen Raum nutzen.      digt. Gern möchte ich die Einbeziehung al-
                                                                                                                        Vor allem die Vorstellung ihres künstleri-      ler künstlerischen Genres in die Kunst im
                                                                                                                        schen Schaffens und Eintragung in die ber-      öffentlichen Raum fördern. Wir haben auch
                                                                                                                        linweite Künstlerdatei. Somit wird gesichert,   die Erfahrung gemacht, dass offene Kunst-
                                                                                                                        dass die Künstler*innen bei Aufträgen für       wettbewerbe die Beteiligung für alle inte-
                                                                                                                        Kunst am Bau und für Kunst im Stadtraum         ressierten Künstler*innen verbessern. Wir
                                                                                                                        bei der demokratischen Auswahl einbezogen       intensivieren derzeit die Zusammenarbeit
                                                                                                                        werden. In Lichtenberg wird stets auf diese     mit künstlerischen Hochschulen und bieten
                                                                                                                        Möglichkeit hingewiesen.                        verschiedene Diskussionsformen an, um in
                                                                                                                           Ich möchte auch dazu ermutigen, dass         den gemeinsamen künstlerischen Austausch
                                                                                                                        Künstler*innen sich direkt an bereits vor-      zu gehen.
                                                                                                                        handenen Kunstwerken beteiligen. Bei Um-
                                                                                                                        setzungen oder gar materieller Bedrohung        Weiterentwicklung der
                                                                                                                        der Kunst sollten sich Künstler*innen noch      Kunst im öffentlichen
                                                                                                                        verstärkter einsetzen. Sie können sich di-      Raum
                                                                                                                        rekt mit der Kommission Kunst am Bau und        Kunst am Bau wird mit Mitteln aus öffentli-
                                                                                                                        im Stadtraum oder mit dem Bezirksamt in         chen Baumaßnahmen des Hoch-, Tief- oder
                                                                                                                        Verbindung setzen. Künstler*innen können        Landschaftsbaus finanziert. Kunst im Stadt-
                                                                                                                        immer auch eigene Vorschläge zu Kunst im        raum ist eher unterrepräsentiert, in den letz-
                                                                                                                        Stadtraum einbringen und selbst an poten-       ten Jahren wurde kein Wettbewerb unter Be-
                                                                                                                        zielle Auftraggeber herantreten, oder sich      teiligung der Kommission Kunst am Bau und
                                                                                                                        an Vertrauensperson wenden. Diese Initi-        im Stadtraum für den öffentlichen Stadtraum
                                                                                                                        ativen sind und werden entscheidend sein,       ausgeschrieben. Eine Ausnahme, der Geden-
                                                                                                                        wenn wir Kunst am Bau intensivieren wollen.     kort Rummelsburg, sei hier jedoch erwähnt.
                                                                                                                        Ansprechpartner*innen sind die Künstler-        Eine Zuweisung von finanziellen Mitteln
                     David Mannstein, Maria Vill, Temporäre Kunstprojekte Marzahner Promenade, Foto: Martin Schönfeld   verbände, aber auch die bezirkliche Ebene,      ausschließlich für Kunst im Stadtraum wäre
                                                                                                                        wie Geschäftsstelle und Kommission für          deshalb aus unserer Sicht wünschenswert.

I  ch bedanke mich herzlich für die Einla-
   dung, aus Anlass des 40jährigen Beste-
hens des Büros für Kunst im öffentlichen
                                                              Im Bezirk Lichtenberg wurde im Jahr 2015
                                                           der Gedenkort Rummelsburg, eine Initiati-
                                                           ve von Anwohner*innen und interessierten
                                                                                                                        Kunst am Bau und im Stadtraum, Bezirksamt
                                                                                                                        und Verordnete der BVV Lichtenberg. Diese
                                                                                                                        Türen, das möchte ich den Künstler*innen
                                                                                                                                                                        So zum Beispiel mit Blick auf internationa-
                                                                                                                                                                        le Projekte für Kunst im Stadtraum, in Zu-
                                                                                                                                                                        sammenarbeit mit den Städtepartnern von
Raum meine Gedanken aus der Sicht des Be-                  Bürger*innen sowie Vertreter*innen ver-                      mitgeben, stehen ihnen offen.                   Lichtenberg. Mittel zur Durchführung von
zirkes Lichtenberg beitragen zu dürfen, die                schiedener Interessengruppen, eingeweiht.                       Ein weiteres Handlungsfeld sind Künstler­    temporären Projekten, Workshops, Veran-
auch an vielen Stellen deckungsgleich mit                  Dieser Gestaltungswettbewerb wurde von                       *innen-Netzwerke, um gemeinsam Kunstpro-        staltungen oder „Ateliers im Freien“ wären
meinen eigenen Wünschen und Ansprüchen                     der Kommission Kunst am Bau und im Stadt-                    jekte zu entwickeln, Partner*innen zu suchen    ebenfalls denkbar. Dazu wäre auch darüber
an Kunst im Stadtraum sind.                                raum Lichtenberg begleitet. Meines Wissens                   und somit die Realisierung zu ermöglichen.      zu diskutieren, wie die Bezirke noch stär-
    Grundsätzlich nimmt die Kunst im Stadt-                der letzte Gestaltungswettbewerb im öffent-                                                                  ker als bisher an dem Haushaltstitel 81278,
raum in Berlin einen sehr hohen Stellenwert                lichen Raum unter Einbeziehung der Kom-                      Möglichkeiten und                               „Künstlerische Gestaltungen im Stadtraum“,
ein. Die Auseinandersetzung mit dem öffent-                mission für Kunst am Bau und im Stadtraum.                   Grenzen künstlerischer                          partizipieren können.
lichen Raum auf diese Art und Weise, hat in                   In den letzten Jahren haben die bezirk-                   Selbstbestimmung heute                             Wir werden weiter im regen Austausch
Berlin seit Jahren eine hervorgehobene Stel-               lichen Wohnungsunternehmen und -genos-                       Künstlerische Selbstbestimmung oder             bleiben und dabei auch diese und andere Ide-
lung, und das ist auch gut so.                             senschaften verstärkt ihr Augenmerk auf die                  auch Autonomie ist dann gegeben, wenn           en intensiv diskutieren. Das Büro für Kunst
                                                                                                                                                                                                                                 | KULTURPOLITIK
    In Lichtenberg sind hunderte Kunstwer-                 Kunst im öffentlichen Raum gelenkt. So zum                   Künstler*innen unabhängig von emotionalen       im öffentlichen Raum hat uns über Jahre
ke an öffentlichen Gebäuden, in Parks, Plät-               Beispiel die Reihe Lichtenberg Open Art, eine                oder finanziellen Zwängen arbeiten können.      fachlich begleitet und wird es sicherlich auch
zen und Grünanlagen vorhanden. Kunst im                    Initiative der HOWOGE Wohnungsbaugesell-                     Die Frage stellt sich, wann bestehen emoti-     zukünftig tun. Ich gratuliere herzlich und
öffentlichen Raum ist hier prägend für das                 schaft mbH. Das ist eine Trendwende, die ich                 onale oder finanzielle Abhängigkeiten? Die      freue mich auf die Zusammenarbeit in den
städtische Gesamtbild. Sie ist an verschiede-              sehr begrüße und deren Entwicklung wir be-                   Fähigkeit, aber auch die Möglichkeit nach       kommenden Jahren.
nen öffentlichen Orten für alle sichtbar und               müht sind zu fördern.                                        eigener Einsicht zu handeln, ist ein hohes
erfüllt somit auch die Funktion eines offenen                 Dabei sollte aber, wegen der Bedeutung                    Gut, vor allem im künstlerischen Bereich.                                      Michael Grunst
Museums. Sie inspiriert Menschen, sie bil-                 der Kunst im öffentlichen Raum die Zusam-                    Möglicherweise engt jede thematische Auf-
                                                                                                                                                                                                                                   kunststadt stadtkunst 65

det, sie bewegt sie, sie erregt die Gemüter, wie           menarbeit im Rahmen des Bündnisses für                       tragsvergabe diese Selbstbestimmung ein.
die aktuelle Debatte zeigte, sie versöhnt die              Wohnen zwischen den Akteuren verstärkt                       Künstler*innen können sich meist nicht
Menschen teils miteinander und lässt sie an                werden, da in den nächsten Jahren weitere                    aussuchen, welchen Auftrag sie annehmen.
anderer Stelle konstruktiv darüber diskutie-               Wohnneubauten im Bezirk entstehen und                        Eine auskömmliche Sicherung der Existenz
ren. Sie ist also fester Bestandteil des gesell-           die Verdichtung von Wohngebieten erfolgen                    für Künstler*innen wäre eine Voraussetzung
schaftlichen Diskurses und des öffentlichen                wird. Denn diese Kunst ist eine tatsächliche                 für die künstlerische Selbstbestimmung.
Lebens.                                                    Bereicherung für die Menschen in den ent-                    Politische, kulturelle und soziale Themen
    Der künstlerische Rahmen ist vielfältig,               sprechenden Quartieren!                                      spiegeln sich in der Gesellschaft und in den
Gedenkstätten und Orte der Erinnerung,                        Erst kürzlich haben wir in Lichtenberg                    geschaffenen Kunstwerken wider. Welche
Bildhauerkunst, wie Plastiken und Skulptu-                 das Bündnis für Wohnen erneuert und damit                    Abhängigkeiten werden bei diesen Themen-
ren, Hauswandgestaltungen sowie experi-                    erstmals auch die Zusammenarbeit des Be-                     feldern erzeugt?
mentelle und temporäre Installationen sind                 zirksamtes mit den Wohnungsunternehmen                          Wann endet die künstlerische Selbstbe-           Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn!
zu finden.                                                 auch für das wichtige Thema Kunst am Bau                     stimmung und wann beginnt die Fremdbe-                                Demo am 14. April 2018 in Berlin

                                                                                                                                                                                                                                   05
Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
Kunstplatz Graben: Didier Fiúza Faustino, DOMESTIC LANDSCAPE 2.0, Foto: Iris Ranzinger/KÖR GmbH, 2017                               Yves Netzhammer, Gesichtsüberwachungsschnecken, Foto: Iris Ranzinger/KÖR GmbH, 2017

                                                                                                                 Jubiläums-
                                    KÖR Kunst im                                                                 veranstaltung

                                    öffentlichen                                                                 40
                                                                                                                 Jahre
                                    Raum Wien                                                                   Büro für Kunst im
                                                                                                                öffentlichen Raum

                                                                                                                                                                                            PRINZpod, Mahnmal Aspangbahnhof, Foto: Michael Strasser/KÖR GmbH, 2017

                             W     elche Handlungsmöglichkeiten haben
                                   Künstler*innen bei Kunst im öffentli-
                             chen Raum? Wie können sich die Interessen
                                                                                        im Eigentum der Stadt Wien mit der Magis-
                                                                                        tratsabteilung (MA) 7 – Kultur als Eigentü-
                                                                                        mervertretung.
                                                                                                                                                    Künstler*innen in der Jury
                                                                                                                                                    KÖR Wien ist einerseits eine Förderstelle, bei
                                                                                                                                                    der dreimal im Jahr Projekte zu einem frei
                                                                                                                                                                                                               Künstlerische Einbindung und Hand-
                                                                                                                                                                                                            lungsspielraum wird aber im Rahmen von
                                                                                                                                                                                                            permanenten Projekten geschaffen, da die-
                             der Künstler*innen artikulieren und durch-                                                                             gewählten Thema eingereicht werden können               se mittels Wettbewerben mit eigens dafür
                             setzen? Wie sehen die Möglichkeiten und                        Die Aufgabe der KÖR GmbH ist die Bele-                  und um Förderung angesucht werden kann.                 zusammengestellten Jurys als geladene, in-
                             Grenzen künstlerischer Selbstbestimmung                    bung und das Mitgestalten des öffentlichen                  Seitens KÖR besteht andererseits auch die               ternationale und meist einstufige Verfahren
                             heute aus?                                                 Raums der Stadt Wien mit permanenten und                    Möglichkeit, aktiv Projekte zu initiieren und           ausgelobt werden – mit einem 50prozentigen
                                Vor dem Hintergrund dieser Fragen wer-                  temporären zeitgenössischen künstlerischen                  Kooperationen mit Bezirken oder Unterneh-               künstlerischen Anteil an stimmberechtigten
                             den zunächst die Rahmenbedingungen und                     Projekten, wobei dies sowohl Kunst im öf-                   men einzugehen.                                         Mitgliedern.
                             Strukturen von Kunst im öffentlichen Raum                  fentlichen Raum- als auch Kunst am Bau-Pro-                    Die künstlerischen Entscheidungen trifft                Offene Wettbewerbe für permanente Pro-
                             in Wien und der KÖR GmbH vorgestellt, um                   jekte sein können und auch den Bereich der                  eine fünfköpfige unabhängige Jury, die auf              jekte haben sich für uns zum einen von der
                             dann in einem zweiten Schritt zu erläutern,                Erinnerungskultur einschließt. KÖR wickelt                  drei Jahre vom Kulturstadtrat bestellt wird             Qualität und dem Arbeitsaufwand her nicht
                             welche Positionen und Handlungsmöglich-                    hierfür künstlerische Projekte ab, erteilt Auf-             und aus drei nationalen und zwei internati-             als adäquat erwiesen. Zum anderen ist es bei
                             keiten Künstler und Künstlerinnen haben.                   träge an Künstler*innen, lobt Wettbewerbe                   onalen Mitgliedern besteht. Mindestens eine             diesen Verfahren leider auch nicht möglich,
                                                                                        aus, vergibt Förderungen an Künstler*innen                  Künstler*in ist hier seit 2014 immer dabei, da-         den Teilnehmer*innen eine Aufwandsent-
                                 In Österreich gibt es verschiedene Struk-              und Projektträger und setzt damit verbun-                   neben noch eine Architekt*in, Kurator*innen             schädigung zu zahlen.
                             turen für Kunst im öffentlichen Raum (KiöR):               dene Tätigkeiten (Symposien, Publikationen,                 für den öffentlichen Raum und Leiter*innen                 Um den Kreis der Künstler*innen, mit de-
                             In Niederösterreich ist sie Teil der Landesre-             Vermittlungsprogramme, u.a.) um.                            spezifischer künstlerischer Stellen und Häu-            nen KÖR arbeitet, möglichst offen zu halten,
                             gierung und in der Kulturabteilung des Lan-                    Subventioniert wird KÖR immer noch                      ser.                                                    wird bei der Auswahl der Kunstschaffenden –
                             des angesiedelt sowie im Kulturförderungs-                 gemeinsam von den drei Gründungsres-                           Die Jury fungiert als operative Ebene der            ob in Wettbewerben als Jurymitglieder oder
                             gesetz verankert. In der Stadt Salzburg gibt               sorts – der Geschäftsgruppe Kultur, Wis-                    KÖR und bestimmt konkret, welche einge-                 Teilnehmer oder bei temporären Projekten
                             es den „Kunstraum Salzburg“, eine Initiative               senschaft und Sport, der Geschäftsgruppe                    reichten Projekte in welcher Höhe gefördert             als Künstler*innen – immer besonderer Wert
                             für Kunst im öffentlichen Raum, der im Auf-                Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung                         werden sollen, wobei eine Förderung auch zu             auf eine gute Durchmischung (weiblich/
                             gabenbereich der Magistratsabteilung (MA)                  und der Geschäftsgruppe Stadtentwicklung,                   100 Prozent möglich ist. Das Gremium ent-               männlich, alt/jung, national/international)
                             2 - Kultur, Bildung und Wissen und dem Fach-               Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und                    scheidet auch, welche Künstler*innen zu den             und Abwechslung gelegt.
                             beirat Kunst im öffentlichen Raum liegt. Das               Bürger*innenbeteiligung: Kultur-, Stadtent-                 Wettbewerben eingeladen oder für spezielle
                             Land Salzburg hat wiederum einen „Fonds                    wicklungs- und Wohnbauressort. Es stehen                    temporäre Projekte direkt angesprochen wer-             Vielfältige Inhalte und Prozesse
| KULTURPOLITIK

                             zur Förderung von Kunst am Bau und Kunst                   insgesamt jährlich 800.000.- Euro für Projek-               den sollen.                                             Was den Inhalt und die ästhetische Ausge-
                             im öffentlichen Raum“, die Kunst am Bau-                   te zur Verfügung, ohne weitere Mittel und                      Dreimal im Jahr für jeweils 1,5 Tage trifft          staltung betrifft, können Künstler*innen mit
                             Projekte plant, projektiert und fördert. Der               Verpflichtungen für Kunst am Bau.                           sich die Jury normalerweise, jedoch besteht             Angabe der gewünschten Örtlichkeit grund-
                             Bund realisiert nur Kunst am Bau-Projekte                      Das KÖR-Team besteht aus insgesamt drei                 die Möglichkeit, bei Bedarf Zusatzsitzungen             sätzlich ohne Auflagen einreichen, was sie
                             im Rahmen der Tätigkeit der BIG (Bundesim-                 Personen – Geschäftsführung, Produktions-                   anzusetzen. Pro Termin werden ca. 40 Pro-               möchten. Auch im Hinblick auf die Kunst-
                             mobiliengesellschaft).                                     leitung sowie Officemanagement und Projek-                  jekte – Einreichungen und zusätzliche Ko-               gattung bzw. ästhetische Ausrichtung gibt es
                                                                                        tassistenz. Als quasi Aufsichtsrat fungiert                 operationsanfragen – besprochen. Von die-               keine Einschränkung; es können performati-
                                In Wien wurde 2004 auf gemeinsame                       ein Kuratorium, bestehend aus jeweils zwei                  sen insgesamt 120 Projekten pro Jahr werden             ve oder prozessuale Projekte sein, Licht- und
  kunststadt stadtkunst 65

                             Initiative von drei Stadträt*innen, dem da-                Vertreter*innen der drei Geschäftsgruppen,                  15-20 gefördert und umgesetzt; 85 Prozent               Klanginstallationen oder auch Interventio-
                             maligen Kultur--, dem Wohnbau- und dem                     mit dem regelmäßig strategische inhaltliche                 temporäre Arbeiten und Wettbewerbe, der                 nen. Projekteinreicher/-träger können Ein-
                             Verkehrsstadtrat der „Fonds Kunst im öf-                   und räumliche Schwerpunktmöglichkeiten                      Rest permanente. Eine festgelegte prozen-               zelpersonen, Personengemeinschaften oder
                             fentlichen Raum“ gegründet und dem Wis-                    besprochen werden.                                          tuale Aufteilung nach österreichischen und              juristische Personen sein und sollten einen
                             senschaftszentrum Wien angegliedert.                                                                                   internationalen Künstler*innen existiert                Sitz im EWR? haben. Bei den eingereichten
                                Da sich die Struktur des Fonds als unge-                Handlungsmöglich-                                           nicht – auch keine bezüglich des Alters. Die            Projekten sind dann die Fördernehmer für
                             eignet für jahresübergreifende und länger-                 keiten und Grenzen von                                      Auswahl wird abhängig von den Projekten                 die Projektorganisation, notwendige Ein-
                             fristige Projekte erwies, wurde er 2007 in                 Künstler*innen bei Kunst                                    und ihren Inhalten festgelegt.                          reichungen, Einholung der Genehmigungen
                             eine GmbH umgewandelt und diese an die                     im öffentlichen Raum                                                                                                und Versicherungen verantwortlich. KÖR
                             Kunsthalle Wien als Tochtergesellschaft an-                Es gibt verschiedene Ebenen, auf denen sich                 Künstlerische Einbindung in ge-                         unterstützt bei den Abläufen und notwendi-
                             geschlossen. Um der KÖR GmbH ein schär-                    künstlerische Interessen artikulieren und                   ladene Wettbewerbe                                      gen, richtigen Ansprechpartnern und bei der
                             feres und unabhängiges Profil zu geben, ist                durchsetzen können.                                         Bei temporären Projekten wird an sich mit               Presse- und Medienarbeit.
                             sie seit 2012 eine eigenständige Gesellschaft                                                                          Direktvergaben bzw. -aufträgen operiert.

    06
Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
Jubiläums-
                                                                                                                              Ein Stück                                                    veranstaltung

                                                                                                                              gemeinsamen                                                   40
                                                                                                                                                                                            Jahre
                                                                                                                              Weges                                                       Büro für Kunst im
                                                                                                                                                                                          öffentlichen Raum

                                                                                                                       Rückblickend                                     Bau und der Kunst im öffentlichen Raum. Die
                                                                                                                       Nachdem ich mein erstes Portfolio beim Büro      Mitarbeit in den bezirklichen Fachkommis-
                                                                                                                       für Kunst im öffentlichen Raum abgegeben         sionen, die Pflege der Künstler*innendatei,
                                                                                                                       hatte, rechnete ich 2005 nicht damit, schnell    aber auch das Publizieren in der Stadtkunst-
                                                                                                                       zu einem Wettbewerbsverfahren eingeladen         Kunststadt haben mich über die Jahre immer
                                                                                                                       zu werden. Die Erfahrung zeigte doch über        tiefer in dieses Feld geführt. Für den Deut-
                                                                                                                       die Jahre, wie enervierend langsam An-           schen Künstlerbund (DKB) bin ich seit 2013
                             Michael Sailstorfer, Hauptweg und Nebenwege, Foto: Michael Strasser/KÖR GmbH, 2018        klopfen, Bewerben und Ähnliches zum Ziel         im Beratungsausschuss Kunst aktiv, der den
                                                                                                                       führen. Umso überraschter war ich, dass ich      Senator für Kultur & Europa und vorher den
                                                                                                                       schon bald zu einem nichtoffenen Kunstwett-      Regierenden Bürgermeister von Berlin zur
                                                                                                                       bewerb eingeladen wurde.                         Kunst im öffentlichen Raum berät, und ich
                                                                                                                          Eine klassische Kunst am Bau Auslobung        gründete 2016 die Arbeitsgruppe für Kunst
                                                                                                                       thematisierte den Aerodynamischen Park           am Bau und Kunst im öffentlichen Raum im
                                                                                                                       an der Humboldt Universität am Campus            DKB, die nun Anlaufpunkt zu Fragen und
                                                                                                                       Adlershof. Hier starteten 1909 auf dem Flug-     Anregungen der Mitglieder ist.
                                                                                                                       platz Johannisthal Deutschlands erste Mo-
                                                                                                                       torflugzeuge. 1912 wurde die Deutsche Ver-       Gegenwärtig
                                                                                                                       suchsanstalt für Luftfahrt gegründet. Nach       Selbstverständlich bedeutet die Mitarbeit in
                                                                                                                       dem Ersten Weltkrieg wurden leer stehende        Berliner Fachkommissionen die Sperrung für
                                                                                                                       Flugzeughallen zu Filmstudios umgewandelt        viele Wettbewerbsverfahren in der Stadt. Da-
                                                                                                                       und nach dem Zweiten Weltkrieg siedelte sich     her stelle ich nun mit einem Sprung ins Jetzt
                                                                                                                       der Deutsche Fernsehfunk (DFF), sowie die        eine recht aktuelle Realisierung außerhalb
                                                                                                                       Akademie der Wissenschaften der DDR auf          von Berlin vor. Das Kulturamt in Rostock
                                                                                                                       dem Areal an. Mit der Wende begann der Auf-      hat in den letzten Jahren einige vorbildli-
                                                                                                                       bau eines Wissenschafts- und Wirtschafts-        che Wettbewerbe auf den Weg gebracht. In
                                                                                                                       standortes. Der Aerodynamische Park ver-         diesem Zusammenhang wurde der Kölner
                                                                                                                       sammelt heute wichtige Industriedenkmale,        Künstler Frank Bölter als „Scout“ eingeladen,
                                                                                                                       wie den Trudelturm oder den Motorenprüf-         um partizipativ arbeitende Künstler*innen
                                                                                                                       stand, und wird von den Studierenden in Pau-     zu recherchieren und anzusprechen. Nach
                                                                                                                       sen rege genutzt.                                Einreichung meines Portfolios wurde ich
                                                                                                                          Ich konnte mich damals mit der Idee           für die Teilnahme ausgewählt. Da es sich um
                                                                                                                       durchsetzen, die vielschichtige Geschich-        eine komplexe Arbeitsaufgabe in einem so-
                                                                                                                       te mit historischen Archivmaterialien des        genannten „Problemkiez“ handelte, bat ich
                                                                                                                       Deutschen Rundfunkarchivs in Berlin Ba-          meine Kolleginnen Marìa Linares und Kers-
                                                                                                                       belsberg (früher in Adlershof das Archiv der     tin Polzin um Mitarbeit.
                                                                                                                       DDR) mit Hilfe 15 ellipsoider Klangkörper
                                                                                                                       erlebbar zu machen. Nach meiner Audio-              Unser bereits umgesetztes Projekt mit dem
                                                          Christian Hasucha, Die Insel, Foto: Philipp Schuster, 2017   Recherche in Babelsberg war der zweite           Titel „Reisen – Dierkow entdecken“ ist ein ak-
                                                                                                                       Schritt eine Klangtransformation mittels         tuelles Beispiel für eine Tendenz in Wettbe-
  Bei eigens initiierten Projekten – egal              Notwendige Veränderungen                                        einer Software, die der Komponist Karlheinz      werbsverfahren, in dem Künstler*innen sich
ob temporär oder permanent – übernimmt                 für eine Weiterentwicklung der                                  Essl eigens für das Projekt im Auftrag entwi-    mit komplexen gesellschaftlichen Gefügen
KÖR die Organisation, Haftung, Versiche-               Kunst im öffentlichen Raum für                                  ckelte. Die Software ist Träger und Medium       auseinandersetzen müssen. Eine Annähe-
rung, technische Betreuung und ist auch                die kommenden Jahre                                             einer Komposition aus der mehr als tausend       rung an den Kontext vor Ort, die Menschen,
Bauherr*in. Die Genehmigungs-Abläufe und               Eine bessere und strategische Einbindung in                     Klangvariationen als „Erinnerungsbilder“         kann nur aus der Rolle der Künstler*in als
Behördengänge decken sichhierbei , mit de-             die Stadtentwicklungspolitik und die Stadt-                     über den Ort und seine Bezüge entstanden.        Gestalter*in von Teilhabe, von sozialen Pro-
nen anderer Antragsteller*innen auch.                  planung ist notwendig, um rechtzeitig und                       An ihrer Außenhülle enthalten die Ellipsoide     zessen heraus passieren, nicht in der Rolle
                                                       grundsätzlich Kunst- und Kulturprojekte                         zusätzlich einen eingravierten Satz. Dieser      einer Sozialarbeiter*in. Das Stadtteil- und
Restriktionen in der Produktion                        – temporäre und permanente – und vor al-                        Text eröffnet auf der Ebene der Vorstellung      Begegnungszentrum (SBZ) der Volkssoli-
und Eigentümerfrage                                    lem genug freien Raum dafür mitzudenken.                        einen narrativen Raum der Historisches und       darität, dessen Neubau Anlass des Wettbe-
Technisch unterliegen alle Projekte der Wie-           Ebenso wie soziale Themen muss auch Kunst                       Heutiges verbindet.                              werbs war, begriffen wir als ein Ort, um im
ner Bauordnung – daher dürfen Künstler­                und Kultur bereits in der Planung in all ihren                     Bei diesem Projekt, ich sehe das aber         allegorischen Sinn auf eine „Reise“ zu gehen.
*innen nicht selbst „Hand anlegen“, sondern            Einzelschritten berücksichtigt und mitbe-                       mittlerweile als generelle Forderung, war        Ein Ort des sich Aufmachens, des irgendwo
es müssen Firmen sein, die auch vor dem                dacht sowie auch Künstler*innen in die ver-                     die Vermittlung vor Ort sehr wichtig. Nicht      Ankommens, des Neuerfahrens, des sich Bil-
                                                                                                                                                                                                                         | KULTURPOLITIK
Gesetz die Bauführerschaft übernehmen                  schiedenen Entscheidungsgremien mit einge-                      nur gab es Bedenken von Seiten der Studie-       dens durch Reisen, des Neugierigseins. Das
können.                                                laden werden. Und nicht nur der öffentliche                     renden, auch der Bauherr hatte Sorgen, was       Stadtteilzentrum fungiert für den Stadtteil
   Die Eigentümer der Werke sind bei den               Raum muss bedacht, auch Bauträger*innen                         die Umsetzung betraf. So begleiteten das Pro-    Dierkow wie ein „Kulturschiff“.
eingereichten Projekten immer die Förder-              müssen miteinbezogen und Anreize geschaf-                       jekt diverse Termine mit Vertreter*innen der        Das erste Element des Entwurfs bestand
nehmer. Bei den von KÖR initiierten tem-               fen werden, um Kunst mitzudenken und zu                         genannten Gruppen vor Ort. Für mich war          aus einer partizipativen Phase im Stadtteil
porären Projekten verbleibt das Eigentum               realisieren. Planungsmöglichkeiten müssen                       es daher folgerichtig, diesen Prozess in ei-     Dierkow: fünf Stadt-Touren zur Alltagskul-
entweder bei den Künstler*innen, und sie               verbessert und entwickelt werden, wofür als                     ner Publikation sichtbar zu machen und alle      tur seiner Bewohner*innen wurden mit ihnen
müssen nach Projektende und Abbau bei                  Grundlage eine gesetzliche Verankerung der                      Nutzer*innen und Beteiligten zu einer dann       gemeinsam erarbeitet und durchgeführt. The-
                                                                                                                                                                                                                           kunststadt stadtkunst 65

Verkauf in den nächsten fünf Jahren die                Förderung von Kunst im öffentlichen Raum-                       auch gut besuchten Eröffnung einzuladen.         men waren die Entwicklung des Stadtteils,
Produktionskosten anteilig zurückzahlen,               und Kunst am Bau-Projekten vonnöten ist.                        Diese enge Abstimmung und die Vermittlung        die Sicht der Kinder, Plattdeutsch Sprechen,
oder das Werk wird zerstört. Bei permanen-                Kunst muss für alle zugänglich und er-                       hat vermutlich mit dazu beigetragen, dass die    Architektur und Alltag, Kunst sowie die alt-
ten Projekten ist es eine große Hürde, einen           fahrbar sein, um die Lebensqualität zu erhö-                    Klanginstallation von den Nutzer*innen gut       slawische Vergangenheit. In Beziehung zu
späteren Eigentümer und vor allem einen                hen, und eine aktive Rolle an der Gestaltung,                   angenommen wird.                                 den Touren wurden zweitens Souvenirs, so ge-
Erhalter zu finden, da dies nicht Aufgabe der          Wahrnehmung und Aneignung von Stadt zu                             Mit Fertigstellung der Arbeit sprach mich     nannte Mitbringsel von bestehenden Kreativ-
Künstler*innen sein kann und soll. Da KÖR              ermöglichen. Auch und vor allem im steigen-                     Elfriede Müller an und ich begann 2007 meine     Gruppen des SBZ entwickelt. Es entstanden
selbst dies durch seine Struktur und jährli-           den Nutzerdruck geht es um die Erweiterung                      Mitarbeit in der Fachkommission für Kunst        Stadtteil-Maskottchen, Malereien, fotogra-
che Finanzierung nicht übernehmen kann,                und Rückeroberung des öffentlichen Raumes                       im öffentlichen Raum des bbk berlin, deren       fischer Schmuck, Artefakte zur Geschich-
müssen in der Stadt Wien ein oder mehrere              für seine Nutzer*innen.                                         Sprecher ich seit 2014 bin. Mir war damals       te oder ein Poesieheft als Stadterkundung.
Magistrate dafür gefunden werden – bevor                                                                               nicht klar, wie viel ich noch zu lernen haben    Interviews und Hörproduktionen stellten
das Projekt beginnt.                                                                           Martina Taig            würde über die kulturpolitische Arbeit und die   soziale Zusammenhänge vielschichtig her.
                                                                             Geschäftsführerin der KÖR Wien            strukturellen Zusammenhänge der Kunst am         Drittes Element ist der fest installierte Au-

                                                                                                                                                                                                                           07
Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
D    em Rechtspopulismus ist es ge-
                                                                                                                                                                                                                     lungen, sich in Parlamenten und
                                                                                                                                                                                                                Gesellschaft zu etablieren. In einigen
                                                                                                                                                                                                                Bereichen, zum Beispiel der Migrations-
                                                                                                                                                                                                                politik sind die Positionen der Rechten
                                                                                                                                                                                                                zum Maßstab für andere Politiker*innen
                                                                                                                                                                                                                und die Medien geworden und beeinflus-
                                                                                                                                                                                                                sen den gesellschaftlichen Diskurs. Wie
                                                                                                                                                                                                                soll die Bildende Kunst darauf reagie-
                                                                                                                                                                                                                ren? Gibt es eine Verantwortung der
                                                                                                                                                                                                                Künstler*innen?
                                                                                                                                                                                                                Im Kunstbetrieb schaukelt uns eine interna-
                                                                                                                                                                                                                tionalisierte Arbeitswelt vor, Ungleichheiten
                                                                                                                                                                                                                und auch rassistische Kategorien der Bewer-
                                                                                                                                                                                                                tung von Kunst gäbe es nicht. Das gilt es zu
                                                                                                                                                                                                                überprüfen und es fängt langsam an und
                                                                                                                                                                                                                nimmt Fahrt auf.
                                                                                                                                                                                                                    Gesellschaftlich gesehen vermisse ich
                                                                                                                                                                                                                den Konsens einer ganz klaren, auch struk-
                                                                                                                                                                                                                turellen, institutionellen Solidarität mit von
                                                                                                                                                                                                                Rassismus betroffenen Gruppen. Migration
                                                                                                                                                                                                                ist Grundlage für gesellschaftliche Entwick-
                                                                                                                                                                                                                lung. Die positive Idee der Migrationsgesell-
                                                                                                                                                                                                                schaft ist noch nicht überall angekommen.
                                                                                                                                                                                                                Die Tatsache, dass es immer noch den Begriff
                                                                                                                                                                                                                Ausländer*in oder sogar Gastarbeiter*in
                                                                                                                                                                                                                gibt, ist für mich ein Skandal. Es gibt eine
                                                                                                                                                                                                                Verantwortung, dafür einzustehen, dass
                                                                                                                                                                                                                hier Gleichheit hergestellt wird, zwischen
                                                                                                                                                                                                                Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft und
                                                                                                                                                                                                                diskriminierten Gruppen. Begriffe wie struk-
                                                                                                                                                                                                                tureller und institutionalisierter Rassismus
                                                                                                                                                                                                                sind noch viel zu wenig in der Öffent-lichkeit
                                                                                                                                                 Stefan Krüskemper, Air Borne, Aerodynamischer Park Adlershof   angelangt. Zum Beispiel die Art und Weise, in
                                                                                                                                                                                                                der die Angehörigen der vom NSU Komplex
                                                                                                                                                                                                                ermordeten Opfer und Betroffenen selbst
                                                                                                                                                                                                                verdächtigt wurden, hinter den terroristi-
                                                                                                                                                                                                                schen Attentaten zu stehen. Selbst deren sehr
                                                                                                                                                                                                                starke Auftritte bei dem Prozess in München
                                                                                                                                                                                                                führten bisher nicht dazu, grundsätzlich
                                                                                                                                                                                                                öffentlich und vor allem in den politischen
                                                                                                                                                                                                                Gremien danach zu fragen, ob es nicht ein
                                                                                                                                                                                                                zutiefst strukturelles Versagen ist, das dazu
                                                                                                                                                                                                                führt, Migrant*innen zu verdächtigen auf
                                                                                                                                                                                                                sich selbst Anschläge zu verüben.

                                                                                                                                                   beteiligter Interessensgruppen an Verfahren                     Ein gutes Beispiel wie sich künstlerische
                                                                                                                                                   ist, so wichtig ist auf der anderen Seite die                mit aktivistischen und migrantischen Per-
                                                                                                                                                   Stärkung der Fachseite der Kunst. Der Ju-                    spektiven in einer Vielzahl von teils sehr
                                                                                                                                                   rist Eckhard Braun fordert in seinen Schrif-                 durchmischten Gruppen zusammengetan ha-
                                                                                                                                                   ten (Prinzipien öffentlicher Kunstförderung                  ben, um Gegenöffentlichkeit herzustellen, ist
                                                                                                                                                   in Deutschland, 2013) zur Kulturpolitik das                  das „Tribunal NSU-Komplex auflösen“. Das
                                                                                                                                                   bestehende Subsidiaritätsprinzip ein, das als                Bundesweite Aktionsbündnis „NSU-Komplex
                                                                                                                                                   Maxime für das Verwaltungshandeln, die                       auflösen“ besteht als Zusammenschluss von
                                                                                                                                                   Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und                     zahlreichen Gruppen, die sich mit struktu-
                                                                                                                                                   die Entfaltung von Fähigkeiten von Gruppen                   rellem Rassismus, dem NSU-Komplex und
                                                                                                                                                   der Gesellschaft anstrebt. Würde man die                     Gedenkkultur beschäftigen und sich für
                                                                             Parallele Welten, Reisen, Stadtteilzentrum Dierkow, Rostock, 2016     emanzipatorischen Kräfte stärken, die die                    Perspektiven von Betroffenen rassistischer
                                                                                                                                                   Mitverwaltung, sogar Selbstverwaltung, der                   Gewalt einsetzen. Eine wirklich großartige
                             tomat mit der Aufschrift „Reisen“ auf dem            Planungswettbewerbe 2013) ablösen soll.                          Kunst fördern, würde sich die Rolle der Ver-                 Initiative, die daraus entstanden ist, war
                             Vorplatz des SBZ, der Schachteln mit „Mit-           Von uns Künstler*innen im Beratungsaus-                          waltung hin zu einer Moderatorin der Pro-                    2017 dann das Tribunal. Für mich war das
                             bringsel“ der Stadt-Touren, ein Tourenplan,          schuss Kunst wurde dieser Leitfaden für                          zesse wandeln. Künstler*innen als Experten                   letztes Jahr definitiv der politische Licht-
                             sowie weitere Informationen enthält und              Kunst am Bau lange kritisch beraten, und                         ihres Fachgebietes könnten dann stärker in                   blick. Es ist auch ein Bravourstück für die
                             später von den Bewohner*innen für eigene             doch steht seine Umsetzung an, die dann                          die Durchführung von Kunstwettbewerben                       Frage, wie künstlerisches Wissen und ak-
                             Ideen genutzt werden kann.                           längst errungene Standards wieder zurück                         auf allen Ebenen einsteigen und unterschied-                 tivistische Haltung und Erfahrung zusam-
                                Mit dem Beispiel möchte ich aufzeigen, wie        nimmt. Ohne in diesem Rahmen ins Detail                          liche Rollen einnehmen: nicht nur als Teil-                  men kommen, um (mit sehr viel Reibung!)
                             zunehmend in klassischen Kunst am Bau-Ver-           gehen zu können, wird zum Beispiel die                           nehmende und Juror*innen, sondern auch als                   einen konkreten Raum der Gegenöffentlich-
                             fahren sozial engagierter Kunst, zum Beispiel        Mehrheit von Künstler*innen in Preisge-                          Vorprüfende, als Koordinierende, als Konzi-                  keit herzustellen, in dem das migrantisch
| KULTURPOLITIK

                             in Form partizipativer Herangehensweisen,            richten zugunsten einer Regelung aufgeho-                        pierende. Für uns Künstler*innen würde dies                  situierte Wissen, die Perspektiven der von
                             realisiert werden kann. Insgesamt erscheint          ben, die den Begriff Kunstsachverständige                        auch ein Schutz vor den ökonomischen Pro-                    Rassismus Betroffenen im Zentrum stehen.
                             mir das Einbeziehen der Bürger*innen und             weit fasst. Dabei schreibt die Richtlinie für                    zessen des (Kunst-)Marktes bedeuten.                         Schon alleine, wie der (Theater-)Raum orga-
                             Bewohner*innen im Sinn von Teilhabe und              Planungswettbewerbe (RPW 2013) vor, dass                            Das Büro für Kunst im öffentlichen Raum                   nisiert wurde, das komplexe Nachdenken
                             Mitgestaltung ein drängendes Anliegen der            Fachpreisrichter*innen die gleiche Qualifika-                    bleibt in der Zukunft als Vermittler*in und                  über diverse Sprecher*innen-Positionen,
                             Gesellschaft an uns Künstler*innen zu sein.          tion wie die Teilnehmer*innen haben müssen.                      Begleiter*in an den Schnittstellen zwischen                  die kritische Befragung nach den Möglich-
                             Aber auch bei der Vorbereitung und Entwick-          Das macht Sinn, denn Künstler*innen, die in                      Kunst : Verwaltung : Öffentlichkeit sicher                   keiten einer Bühne, die Aufgabe des aktiven
                             lung von Verfahren selbst sollten Beteiligte         der Praxis stehen, haben einen viel umfassen-                    weiter unverzichtbar. Möglicherweise wird                    Zuhörens, der Umgang mit Dokumenten und
  kunststadt stadtkunst 65

                             noch viel früher und intensiver eingebunden          deren Blick, als eine Kunstwissenschaftler*in.                   in solch einem die beruflichen Perspektiven                  Beweisen, die ganze Repräsentationspolitik,
                             werden, um Wettbewerbe gesellschaftlich              Weitergehende Forderungen, die in die Zu-                        weitenden Szenario die Professionalisie-                     die in der Kunst eine so vehemente Rolle
                             stärker zu verankern.                                kunft weisen würden, wie eine Prüfung von                        rung der Künstler*innen im Feld der Kunst                    spielt, haben hier (auch) durch die beteilig-
                                                                                  Wettbewerbsverfahren, sind zur Zeit erst                         im öffentlichen Raum und der Kunst am Bau                    ten Künstler*innen einen aktiven Beitrag
                             Nach vorne schauen                                   recht nicht durchsetzbar.                                        zunehmend wichtig. In jeder alternativen Zu-                 geleistet. Über 5 Tage wurde in Stellungnah-
                             Nichtsdestotrotz gibt es Zeiten, wie diese,             Und dennoch ist Innovation ja nicht auf-                      kunft wünsche ich dem Büro für Kunst im öf-                  men, Reden, Gesprächen, Präsentationen
                             in denen es mehr darum geht, bestehende              zuhalten. Selbst in der Kunst nicht. In der                      fentlichen Raum weitere fruchtbare 40 Jahre!                 und Workshops eine sehr stabile Grundlage
                             Standards abzusichern, als weitreichende             Zukunft wünsche ich mir für Kunstwettbe-                                                                                      geschaffen, um dann die Anklageschrift vor-
                             Innovationen einzufordern.                           werbe eine größere Verfahrensvielfalt und                                                      Stefan Krüskemper              zutragen, die den institutionellen, struktu-
                                Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Leit-        eine Ausdifferenzierung, die bestimmte                                               Vorstand Deutscher Künstlerbund          rellen und offensiv terroristischen Rassismus
                                                                                                                                                                   Mitglied im Beratungsauschuss Kunst
                             faden für Kunst am Bau des Berliner Senats,          Teilnehmer*innen-Gruppen gezielt anspre-                                                                                      von Staatsapparat, ermittelnden Behörden,
                                                                                                                                                                 Sprecher der Fachkommission für Kunst
                             der die aktuellen Regelungen aus A-Bau               chen kann. So wichtig auf der einen Seite die                                      im öffentlichen Raum des bbk berlin        Personen, der Presse, der verantwortlichen
                             (Anweisung Bau) und RPW (Richtlinie für              aktive und partizipative Einbeziehung aller                                                                                   Politiker*innen, dem Verfassungsschutz und

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Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018 Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
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