Stadtkunst kunststadt 65 - INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018
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kunststadt 65 stadtkunst | KULTURPOLITIK kunststadt stadtkunst 65 INFORMATIONSDIENST des kulturwerks des bbk berlin 2018 1
Vorderseite oben: PätzugHertweck, Inspectio Circensis, Rosengarten im Treptower Park, 2017, Foto: Sabine Pankratz, Vorderseite unten: Christine Rusche, GRUOEN, Grundschule am Bürgerpark Marzahn, 2017, Rückseite oben: Robert Patz, Tricksters Plan, FU Berlin, 2017, Rückseite unten: Renate Wolff, Die Goldene Stunde, Charité Berlin, 2017 inhalt Editorial Editorial | 02 Kulturpolitik W enn aus Kunst Kontroversen entstehen, ist das ein Erfolg für die Kunst. Auch wenn es auf den ersten Blick bei der aufgeregten Debatte um das 1951 verfasste Gedicht Avenidas von Eugen Gomringer – eine Ikone der Kon- unst in die Bauoffensive! Die Kunst am Bau im neuen Schulbau | Elfriede Müller K kreten Poesie –, 2011 angebracht an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule, und Martin Schönfeld 03 nicht sofort deutlich wird. Die Debatte reduziert sich in der Öffentlichkeit auf die Probleme der sowjetischen Monumentalmalerei | Vladimir Michajlovic Frage der Zensur des Gedichtes, dabei geht es doch darum, ob die Fassade einer Tolstoj 04 Hochschule für Sozialarbeit dafür geeignet ist und auch, wie demokratisch die Entscheidung von 2011 denn war, die das Gedicht an diesen Ort festgeschrieben Beiträge der Jubiläumsveranstaltung 40 Jahre Büro für Kunst im öffentlichen Raum hat. Bei Kunst im öffentlichen Raum und an öffentlichen Gebäuden werden im Kunstfreiheit im öffentlichen Kunstauftrag stärken! KiöR in Lichtenberg | Land Berlin in der Regel Kunstwettbewerbe ausgeschrieben, die alle Beteiligten Michael Grunst 05 miteinbeziehen und dabei selbstverständlich die Nutzer*innen. All das hat nicht KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien Martina Taig 06 stattgefunden und da liegt der Kern des Problems. Die damalige Rektorin hat die Ein Stück gemeinsamen Weges Stefan Krüskemper 07 Anbringung zusammen mit der Poetik-Jury entschieden, die Eugen Gomringer Zur Verantwortung der Künstler*innen gegen Rechtspopulismus den Poetik-Preis verliehen hat. Interview mit Ulf Aminde 08 Das ist nicht nur undemokratisch, sondern auch nicht fachgerecht. Wieso soll eine Literaturjury über Kunst am Bau entscheiden, unter Ausnahme der sonsti- Kunsttheorie gen Beteiligten an diesen Fragen: bildende Künstler*innen, die Architekt*in des Kunst und die neue Ökonomie der Ungleichheit Elfriede Müller 10 Gebäudes, die Verwaltung, Vertreter*innen der Fachkommission für Kunst im öffentlichen Raum Marzahn-Hellersdorf und natürlich die Student*innen und Kunst im Stadtraum die Lehrenden. In der Regel fällt eine Entscheidung für Kunst am Bau nicht gegen er schützt die Kunst? Zur Nachhaltigkeit von Kunstwerken im öffentlichen W die Nutzer*innen. Denn eines der wichtigen Kriterien ist ja, ob die Kunst am Bau Raum | Renata Stih 12 zu dem passt, was in dem Bau passiert. So sind die Einwände der Student*innen Documenta 14 Reportage-Kunst aus einem versetzten Zentrum | Oskar Ardila 13 auch stichhaltig. Das Kunstwerk sollte auf dem Stand der gesellschaftlichen Philosophie und Supermarkt Renata Stih 15 Entwicklung sein, auch der Entwicklung der Geschlechterbeziehungen. In diese „Urban Art“ als Kunst im öffentlichen Raum Robert Kaltenhäuser und Diskussionen hätten 2011 alle Beteiligten ergebnisoffen einbezogen werden müs- Georg Barringhaus 16 sen. Die heutige Kontroverse ist ein Ergebnis der fehlenden Debatte. Man hätte HUMBOLDT DSCHUNGEL oder wie der Geist der Humboldts aus dem damals auch eine Temporalität festlegen können, so wie es jetzt geschehen ist: Schloss ein Forum der Zukunft macht | Wibke Behrens, Uta Belkius und Ein Kunstwerk bleibt für fünf Jahre. Das ist im öffentlichen Raum oft sinnvoll, Notker Schweikhardt 18 weil der öffentliche Raum sich ständig verändert. Der Protest der Studierenden hat eine fruchtbare Debatte über Kunst und die Demokratie im öffentlichen Raum Kunst und Gedenken provoziert. Der Stil der Debatte führte dazu, dass jetzt eine sehr harte Entschei- as lange währt ... Utøya – Über die andauernde Geschichte einer Gedenkstätte | W dung zu treffen war, die so mit einem geordneten Wettbewerbsverfahren sicher Herbert Eugen Wiegand 19 nicht angestanden hätte. Die Hochschule hätte bereits 2016, als der Protest laut Vergessene Orte einer vernachlässigten Revolution Wo bleibt das Geden- wurde, künstlerischen Sachverstand einholen sollen, der im Bezirk vorhanden ist. ken für die Revolutionär*innen des 9. November 1918? | G. Baumgartner und Britta In einer Fachdebatte hätte die Temporalität des Gedichtes ein Kompromiss sein Schubert 20 können und sie wäre weniger giftig gewesen. Wenn in einer Demokratie geltende Ein Gedenkzeichen für die jüdischen Häftlinge des Frauen-Konzentra- Regeln nicht mehr beachtet werden, entsteht legitimer Protest. Im Fall der Alice- tionslagers Ravensbrück Insa Eschebach 22 Salomon-Hochschule hat er eine wichtige Debatte über Kunst im öffentlichen Sechs Stufen und ein Riss Gedenkort für die Opfer des Anschlags auf dem Berli- Raum, Kunstfreiheit und Demokratie provoziert. Sie sollte fortgesetzt werden. ner Breitscheidplatz | Stefanie Endlich 23 Das Gedenkelement: Die Tragödie um Flug 9525 Büro für Kunst im öffentli- Im Zusammenhang des 40. Geburtstages des Büros für Kunst im öffentlichen chen Raum 24 Raum wird deutlich, dass die bereits 1979 geforderte Gesamtdokumentation (da- mals nur für den westlichen Teil der Stadt) aller im öffentlichen Auftrag entstande- Internationales nen Kunstwerke bis heute nicht existiert. Internationale Wissenschaftler*innen, elegte Brötchen und Zensur Die Eröffnung des Belgrader Kunstmuseums | B Künstler*innen, kunst- und bildungsorientierte Tourist*innen melden seit langem Rena Rädle 25 Bedarf an. Das Büro für Kunst im öffentlichen Raum hat 2012 einen Projekt- Konservative Kulturwende in Polen Adam Gusowski 26 antrag für ein Digitales Portal für Kunst im öffentlichen Raum in Berlin Kunst und urbane Politik. Kunst als urbane Politik! Das internationale ausgearbeitet, das alle Kunstwerke seit 1990 aufführt und schwerpunktmäßige Festival Salon Urbain de Douala – SUD2017 in Douala, Kamerun, 5.-12.2017 | Cora Einblicke in Entstehung, Rezeption und Ortsbezug vermittelt. Alle bezirklichen Hegewald 27 Beiräte haben die Initiative des Büros empfohlen, da auch den Bezirken in ihrer Wir lassen euch nicht allein | Pia Lanzinger 28 täglichen Arbeit eine solche Grundlage fehlt. Das Land Berlin hat mehrfach die Notwendigkeit einer Digitalisierung der im öffentlichen Auftrag entstandenen Wettbewerbe Kunstwerke betont und 2016 EFRE-Mittel dafür eingestellt. Für die restlichen „ Bezeichnung“ für eine lange geplante Baumaßnahme: finanziellen Mittel erklärte sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereit Die Clay-Schule Lou Favorite und Elfriede Müller 30 aufzukommen. Die Senatsverwaltung für Kultur & Europa forderte das Büro für Kunst als Stromgenerator Das Landmark der Elektropolis in Oberschöneweide | Kunst im öffentlichen Raum auf, im September 2017 mit der Arbeit zu beginnen. Veronike Hinsberg und Patricia Pisani 31 Im September wurde der Start auf Februar 2018 verschoben. Bis heute sind die GRUOEN strahlt aus! Eine neue Giebelwandgestaltung für die Grundschule am Mittel nicht eingestellt. Um die einzigartige Kunstlandschaft Berlins weltweit Editorial Bürgerpark in Berlin-Marzahn | Karin Scheel 33 zugänglich zu machen, bitten wir die zuständige Verwaltung hiermit auch öf- Modulare Unterkünfte und Kunst für Flüchtlinge Berlinweit offener zwei- fentlich um Unterstützung! phasiger Kunstwettbewerb, 2016-2017 | Barbara Holub 34 262 Klinken Bundesweit offener Kunstwettbewerb für den Neubau der Rosa- Büro für Kunst im öffentlichen Raum Luxemburg- Stiftung in Berlin | Henrik Mayer 35 | Inhalt | Die Magie des Weltraums Kunstwettbewerb für die Jugendfreizeiteinrichtung Betonoase, Berlin-Lichtenberg | Birgit Knappe 36 Lise Meitner und die Eleganz von Verfahren Sophie Jung 38 Kunst im Quantensprungverfahren Neubau „IRIS“ der Humboldt Universität in Berlin-Adlershof | Oliver Störmer 40 kunststadt stadtkunst 65 On the Road Von Lichtenberg aus in die Welt | Robert Patz 42 Impressum: Informationsdienst des Kulturwerks des berufsverbandes bildender künstler*innen berlin GmbH | Herausgeber: Kulturwerk des berufsverbandes bildender künstler*innen berlin GmbH Redaktion: Elfriede Müller, Martin Schönfeld, Britta Schubert | Redaktionsanschrift: Büro für Kunst im öffentlichen Raum | Köthener Straße 44 | 10963 Berlin | Email: kioer@bbk-kulturwerk.de www.bbk-kulturwerk.de | Tel: 030-23 08 99 30 | Fax: 030-23 08 99-19 | Layout: Max Grambihler | Druck: hinkelsteindruck | Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt die Redaktion keine Haftung. | Für namentlich gekennzeichnete Beiträge haftet die Autor*in. | Wenn nicht anders verzeichnet, stammen die Fotos von den angegebenen Künstler*innen. 02
John von Bergen, Prana, Kopernikus Oberschule, Berlin-Steglitz, Foto: Martin Schönfeld Frage der Bauorganisation befasst. Dabei wurde Ende August 2017 festgelegt, dass die Bezirke für die Baumaßnahmen mit Kunst in die Bauoffensive! einem Investitionsbetrag bis zu 5 Millionen Euro zuständig sind, also wesentlich Sanierungsmaßnahmen und kleinere Neubauten. Bauvorhaben innerhalb der Investitionsspanne zwischen 5 und 10 Millionen Euro können die Bezirke selbst durchführen oder an die Senatsverwaltung abgeben. Bau- Die Kunst am Bau im neuen Schulbau vorhaben mit einem Investitionsbetrag über 10 Millionen Euro sollen generell von der Senatsverwaltung für Stadtent- wicklung und Wohnen übernommen werden. Da aber auch die Landesverwaltung eine solche Masse von Bauaufgaben nicht allein bewältigen kann, wurde der Plan zur Schaffung P lötzlich platzt Berlin aus allen Nähten. Genau dort, wo vor zehn Jahren noch leer stehende Schulen oder Kinder- tagesstätten abgerissen wurden, werden nun neue Schulge- es im Jahr 2016 nur noch 108.000. Im Bezirksamt Pankow von Berlin fiel im Bauamt die Stellenzahl von 2001 bis 2015 von 212 auf nur noch 58 Beschäftigte. Immerhin wird seit 2016 einer landeseigenen Tochtergesellschaft entwickelt, die auf privatrechtlicher Grundlage mit der Durchführung der gro- ßen Baumaßnahmen beauftragt werden soll. Dafür soll die bäude und neue Kindergärten errichtet. Und bei der Baufer- neu eingestellt, so dass es 2017 schon wieder 65 Stellen waren. landeseigene Wohnungsbaugesellschaft HoWoGe eine eigene tigstellung heißt es dann oft, dass auch diese Neubauten bald Doch auch mit diesen begrenzten Personalkapazitäten können Tochtergesellschaft zur Durchführung der größeren Baupro- zu klein sein werden und den eigentlichen Bedarf nicht mehr die Berliner Bezirke den dringend notwendigen Aufgaben im jekte der Schulbauoffensive gründen. Ein solches Konzept zur decken. Also muss etwas geschehen: Die Stadt muss bauen, Unterhalt des öffentlichen Baubestandes und dem Bau von Durchführung öffentlicher Baumaßnahmen durch ein öffent- Berlin geht in die „Schulbauoffensive“. neuen Schulen nur schwer Rechnung tragen. Gerade der Bezirk liches Unternehmen wird bereits seit 2010 in der Freien Han- Die Stadt wächst: Bis 2030 wird von einem Bevölkerungs- Pankow erwartet eine sehr vitale Bevölkerungsentwicklung. sestadt Hamburg praktiziert. Dort wird auch schon seit Ende anstieg bis zu 300.000 neuen Einwohner*innen ausgegangen. der 1990er Jahre keine „Kunst am Bau“ mehr geschaffen. Auch Damit hat erst jetzt der Metropolenschub eingesetzt, den die Die Schulbauoffensive das ist kein gutes Vorzeichen für eine vergleichbar aufgestellte Politik bereits Mitte der 1990er Jahre erwartet hatte. Damals Es muss also etwas geschehen, und deshalb hat das Land Ber- Schulbauoffensive des Landes Berlin. wurden der Potsdamer Platz und die Friedrichstraße zu Me- lin die „Schulbauoffensive“ ausgerufen: Innerhalb von zehn tropolenquartieren ausgerufen und rasch bebaut. Doch der Jahren sollen 60 neue Schulen gebaut werden und müssen 67 PPP reloaded Boom blieb aus. Mustergültig für diesen Fehlstart wurde Schulen dringend saniert und teilweise auch erweitert werden. Hier wird also ein neues Modell der Finanzierung öffentli- der Masterplan zum Alexanderplatz, für den Hans Kollhoff Bis 2026 sollen dafür 5,5 Milliarden Euro ausgegeben werden, cher Bauaufgaben entwickelt und teilweise bereits angewen- ein Turmhausgewitter entwickelte, das einen weiträumigen jährlich 500 Millionen. Für diese gewaltige Aufgabe sollen det. War in den 1990er Jahren die private-public-partnership Abriss der bestehenden Bebauung vorsah. Doch das Fehlen 900 Planer*innen nötig sein. Diese Aufgaben stehen in Wider- (PPP) noch als Leitbild ausgerufen worden, so geht es nun in interessierter Investoren verhalf der Vernunft zum Durch- spruch zu den Personalkapazitäten der Bezirksverwaltungen den 2010er/2020er Jahren um eine public-public-partnership: bruch. Während der Alexanderplatz-Masterplan über zwei und der Senatsverwaltung. Hier fallen Personalmangel und Die öffentliche Hand geht ein Vertragsverhältnis mit einem Bauvorbescheide noch nicht hinausgekommen ist, haben die Nachfragewucht bedenklich zusammen. öffentlichen Unternehmen ein. Das Prinzip ist aber das gleiche vorhandenen Bauten immer noch Bestand, stehen nun teil- wie in den 1990er Jahren: Ein privatrechtlich organisiertes weise unter Denkmalschutz, und auch das 2011 zum Abriss Die hohe Zahl der notwendigen Schulbaumaßnahmen Unternehmen erbringt für die öffentliche Hand eine Leis- vorgesehene „Haus der Statistik“ soll nun zum Musterbeispiel könnte eine gute Aussicht für die Kunst sein. Das öffentliche tung, und die öffentliche Hand wird in den nachfolgenden einer sozialen Stadtentwicklung als Heimstatt gut gemein- Bauen des Landes Berlin und der Bezirke von Berlin unterliegt Jahrzehnten zum Mieter der eigenen Immobilie. Für die Ber- ter Initiativen und von Kreativen werden. Auch Ateliers für der Verwaltungsvorschrift „Anweisung Bau“. Die „Anweisung liner Landesregierung hat dieses neue öffentlich-öffentliche Künstler*innen sind geplant. Nur schade, dass das dort einst Bau“ besagt, dass bei allen öffentlichen Investitionsmaßnah- Vertragsverhältnis den Vorteil, dass sie damit die ab 2020 befindliche Wandbild „Lob des Kommunismus“ von Ronald men des Hochbaus, Tiefbaus und des Landschaftsbaus Kunst wirkende Schuldenbremse umgehen kann. Würden die Bau- | KULTURPOLITIK Paris voreilig 2010 ausgebaut und von der Bundesanstalt für am Bau durchgeführt werden soll. So wäre zu erwarten, dass kosten unmittelbar beim Land Berlin anfallen, dann würden Immobilienaufgaben an ein Privatmuseum vergeben wurde. im Rahmen der künftig neu zu errichtenden 60 Schulen auch sie die Ausgaben des Landes und damit auch die Verschuldung Gerade dieses Kunstwerk hätte dem künftigen „Haus der Sta- viele neue Kunstwerke geschaffen werden. Die Schulbauof- erhöhen, was aber bundesgesetzlich verboten ist. Deshalb ist tistik“ Vorbild und Mahnung zugleich sein können. fensive wäre somit auch eine Investitionsoffensive für Kunst eine „Umwegfinanzierung“ im Gespräch: Denn die Tochter- am Bau und Kunst im öffentlichen Raum: Viele Wettbewerbe gesellschaft der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft ist Radikaler Personalabbau könnten stattfinden, viele Künstler*innen könnten sich an als GmbH frei, Kredite aufzunehmen und damit größere In- Das Groß- und Klein-Denken kommt in Berlin immer zur diesen Wettbewerben beteiligen und einen Auftrag erhalten. vestitionsmaßnahmen vorzufinanzieren – so ein behaupte- falschen Zeit. Anfang der 1990er Jahre wurde groß gedacht, Soweit die Theorie der Anweisung Bau. ter Vorteil. Dem steht entgegen, dass die Kredite einer GmbH kunststadt stadtkunst 65 aber die Wirklichkeit hinkte den Weltstadtträumen meilen- Doch vor der Theorie kommt die Praxis des enormen Ar- wesentlich teurer sind als die der öffentlichen Hand und dass weit hinterher: Berlin versank in einem Bankenskandal, The- beitsaufwandes der Schulbauoffensive. Der bereits genannte bereits nachgewiesen wurde, dass in einer öffentlich-priva- ater wurden geschlossen. Statt Aufbau bezahlte die Bundes- erhebliche Personalmangel ist mit einer Masse von Bauaufga- ten Partnerschaft (PPP) die öffentliche Hand immer drauf- regierung mit dem Programm „Stadtumbau“ einen Rückbau: ben konfrontiert, die von den wenigen Angestellten der Bau- zahlt. Hinzu kommen noch eigentumsrechtliche Fragen mit Elfgeschossige Wohnhochhäuser wurden in dreigeschossige verwaltungen kaum alleine bewältigt werden können. Schon der Veräußerung von landeseigenen Grundstücken an eine Reihenhaussiedlungen verwandelt und als „Ahrensfelder Ter- jetzt haben einzelne Bezirke einige Bauaufgaben per Amtshilfe öffentliche GmbH, die Kritiker des Vorhabens vor einer Pri- rassen“ bunt angemalt. Mit der De-Industrialisierung ganzer durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Woh- vatisierung des öffentlichen Schulbaus und der öffentlichen Landstriche Ostdeutschlands liefen die Menschen davon und nen durchführen lassen. Schulen warnen lässt. Leere machte sich breit. Bis zur Schmerzgrenze wurde gespart. Die Schulden aus kleineren und größeren Skandalen wurden Eine neue Bauorganisation Umgehung der Anweisung Bau? mit einem radikalen Personalabbau der öffentlichen Verwal- Nach der Einsicht in die dringende öffentliche Baunotwen- Eine mögliche Privatisierung öffentlicher Baumaßnahmen tung ausgeglichen. Zählte Berlin zu Anfang der 1990er Jahre digkeit im Jahre 2016 haben die Berliner Bezirke und die durch eine landeseigene Tochtergesellschaft birgt auch ein noch 200.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, so waren Senatsverwaltungen sich im Laufe des Jahres 2017 mit der Problem für Kunst am Bau, die ein integraler Bestandteil der 03
Christine Rusche, GRUOEN, Grundschule am Bürgerpark Marzahn, 2017 Bauoffensive ohne Kunst: Die modularen Ergänzungsbauten der Senatsverwaltung für Bildung, Foto: Martin Schönfeld und Durchführung von Wettbewerbsverfahren ist allerdings funktionaler Eindimensionalität und baukultureller wie auch kein Selbstläufer und benötigt angemessenes Personal. In künstlerischer Schwäche, wenn gesonderte Infrastrukturge- Anbetracht der hohen Zahl der erwarteten Schulbaumaß- sellschaften auf das öffentliche und kommunale Bauwesen nahmen ist es dringend nötig, auf allen Auftragsebenen der übergreifen. Borgman|Lenk, WURF IV, Temporäre Kunstprojekte Marzahner Promenade, Schulbauoffensive – sowohl in den Bezirksverwaltungen, in Oktober 2017, Foto: Martin Schönfeld den Senatsverwaltungen als auch in einer künftigen landes- Die aktuelle Situation der anstehenden Schulbauoffensive eigenen Schulbaugesellschaft – Stellen für eine Vorbereitung zeigt, dass damit noch längst kein Auftragsregen für die Kunst öffentlichen Baukultur ist. Die privatrechtlich organisierte und Durchführung der Kunst am Bau einzurichten. Dass am Bau und die Künstler*innen einhergeht. Die Vorzeichen Tochtergesellschaft ist keine Baubehörde oder Baudienststelle Kunst am Bau nicht nebenher von bereits voll ausgelasteten von Zeitdruck, Personalknappheit und heimlicher Umgehung des Landes Berlin und damit nicht an die Anweisung Bau ge- Verwaltungsangestellten zusätzlich erbracht werden kann, der öffentlichen Baurichtlinien deuten darauf hin, dass auch in bunden. Bei ihren Bauprojekten haben die landeseigenen Woh- zeigt bereits der heutige Arbeitsalltag in den Bauverwaltun- der Bauoffensive des Landes Berlin jedes einzelne Projekt von nungsbaugesellschaften bislang keine Kunst am Bau durch- gen. Direkte Kunstbeauftragte können hier ganz wesentlich Kunst am Bau erstritten, dass jeder einzelne Kunstwettbewerb geführt. Auch reguläre Wettbewerbsverfahren gemäß der zu einer Verbesserung der formalen Transparenz, der Gleich- erkämpft werden muss. Die Berliner Landespolitik muss die Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW 2013) zur Auswahl behandlung und einer Qualitätssteigerung der künstlerischen Bedeutung der Schulbauoffensive für die Kunst am Bau erst eines Kunstwerkes wären für ein privatrechtliches öffentliches Ergebnisse beitragen. Sie können vor allem dazu führen, die noch entdecken. Unternehmen nicht bindend. Erste Wettbewerbsversuche der Wettbewerbskosten in einem angemessenen Rahmen zu hal- Das Büro für Kunst im öffentlichen Raum hat am 8. Februar HoWoGe im Rahmen ihres Lichtenberg Open Art-Programms ten, so dass die Wettbewerbskoordination und Vorprüfung 2018 den Senator für Kultur und Europa auf die Dringlich- waren verbesserungsbedürftig. Sollte also das künftige öffent- nicht mehr von externem Personal auf der Grundlage konkur- keit der Sicherung der Durchführung von Kunst am Bau im liche Berliner Schulbauunternehmen tatsächlich Kunst am rierender Dumping-Angebote erbracht werden muss. Rahmen der Berliner Schulbauoffensive hingewiesen hat. In Bau durchführen wollen, wie es Senatsbaudirektorin Regula seiner Antwort (26.2.2018) sicherte der Kultursenator zu, dass Lüscher im Juni 2017 auf einer Tagung zur Schulbauqualität Negativbeispiel MEB die Senatsverwaltungen für Finanzen, Stadtentwicklung und der Partei Die Linke bestätigte, wäre das allein noch keine Für die Umgehung der Anweisung Bau hinsichtlich Kunst am Wohnen sowie Bildung, Jugend und Familie auf die Dringlich- Garantie für ein ordentliches Auswahlverfahren. Ein solches Bau im Rahmen von Sonderbauprogrammen gibt es in Berlin keit des Themas hingewiesen wurden und dass die Kulturver- öffentliches Unternehmen wäre im schlimmsten Fall auch frei, bereits ein negatives Beispiel: Die so genannten Modularen waltung auch bei der Durchführung von Schulbaumaßnahmen in einem Direktauftrag „gute Beziehungen“ zu beauftragen, Schulergänzungsbauten, auch MEB genannt, die zusammen durch landeseigene Unternehmen die Berücksichtigung von was ein Rückfall hinter die Anweisung Bau bedeuten würde. von den Senatsverwaltungen Stadtentwicklung und Bildung Kunst am Bau einfordern wird. Denn diese Art von Aufträgen haben 1979 in West-Berlin dazu entwickelt wurden und seit 2014 errichtet werden. Dabei han- Die Berliner Bezirke haben sich für eine wünschenswerte geführt, eine Richtlinie einzuführen, die genau diese Baukul- delt es sich um ein schlichtes Systembaumuster der klassi- Kooperation entschieden und drei Regionalverbände gegrün- tur garantiert. schen Flurschule, das mehrgeschossig geliefert werden kann, det, in denen sich die Bezirke mit einer zentralen Geschäftsstel- und deren einzige Auffälligkeit in einer farbenfrohen Fassade le zusammen geschlossen haben, um beim schnellen Neubau Kunstbeauftragte in der Bauoffen- besteht. Die MEB sind in Rot, Grün, Blau und Beige lieferbar, auch die Schulqualität nicht zu vergessen. Zur Schulqualität sive notwendig innerhalb von wenigen Monaten sind sie bezugsfrei. Demge- gehört Kunst am Bau. Deshalb schlägt das Büro für Kunst im Die ausgerufene Schulbauoffensive des Landes Berlin ist genüber benötigt der herkömmliche Schulbau von der Bedarfs- öffentlichen Raum vor, dass eine Koordinierungsstelle für noch nicht gleichzeitig eine Offensive für die Kunst am Bau. feststellung bis zur Fertigstellung in 22 Arbeitsschritten einen Kunst am Bau Teil der zentralen Geschäftsstelle wird, damit Deshalb ist die Politik gefordert sicherzustellen, dass in der Zeitraum von neun bis zehn Jahren. Auch diesen Zeitrahmen entsprechend der Richtlinie für Planungswettbewerbe 2013 Durchführung öffentlicher Schulbaumaßnahmen durch eine will die Landesregierung mit der Schulbauoffensive min- Kunstwettbewerbe kompetent und transparent in Zusammen- privatrechtlich verfasste landeseigene Tochtergesellschaft die destens halbieren. Auf den damit notwendig verbundenen arbeit mit den Verwaltungen durchgeführt werden können. Anweisung Bau zum Tragen kommt und entsprechend zu jeder Qualitätsverlust der Architektur hat die Architektenkammer Dabei wird das Büro für Kunst im öffentlichen Raum alle einzelnen Baumaßnahme Kunst am Bau auf der Grundlage re- Berlin bereits im Juli 2016 hingewiesen: „Neue Schulbauten Politiker*innen und alle öffentlichen und auch privatisierten gulärer Wettbewerbsverfahren stattfindet. Das wäre in einem ohne Anspruch?“ Die MEB verdeutlichen, wozu die Rasanz der Baudienststellen bei der Durchführung der Anweisung Bau Vertrag zwischen dem Land Berlin und der noch zu gründen- Schulbauoffensive führen könnte: unauffällig, gestaltarm und für Kunst am Bau unterstützen. den Tochtergesellschaft unbedingt festzuhalten. garantiert kunstlos. Von der Richtlinie für Kunst am Bau der Jeder öffentliche Kunstauftrag umfasst ein transparentes Anweisung Bau sind sie bislang ausgenommen. So geben die Elfriede Müller & Martin Schönfeld und regelgerechtes Wettbewerbsverfahren. Die Vorbereitung MEB ein Beispiel für den Verlust architektonischer Qualität, | KULTURPOLITIK E in wichtiges Mittel, um Kader auf dem Gebiet der Mo- numentalmalerei zu entwickeln, sind Wettbewerbe, an denen breite Kreise teilnehmen können. Sie geben neuen, talentierten Künstlern die Möglichkeit hervorzutreten und tragen zweifellos zur Hebung des künstlerischen Ni- veaus der Monumentalmalerei bei. Es ist selbstverständ- kunststadt stadtkunst 65 lich, dass man derartige Wettbewerbe eingehend vorberei- Ein wichtiges ten muss, damit die Voraussetzungen geschaffen werden, die zur Ausführung von Entwürfen der geplanten Arbeit Mittel sind notwendig sind. Bedauerlicherweise fehlt bei uns diese Praxis der offenen Wettbewerbe Wettbewerbe – offensichtlich um „überflüssige Scherereien“ zu vermeiden. In Wirklichkeit aber bedeutet dies nur Furcht vor dem Neuen, Unglauben an die Kräfte der jungen, noch nicht hinreichend bekannten Künstler. Textauszug: Vladimir Michajlovic Tolstoj; Probleme der sowjetischen Monumentalmalerei, in: Iskusstwo Nr. 2/1954, S. 5-14, hier zitiert Josep Renau, Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik, Mosaikwandbild, Erfurt, 1979-1983 nach Kunst und Literatur, Nr. 6/1954, S. 802-817, hier S. 816, über- setzt von E. John. 04
Kunstfreiheit im öffentlichen Jubiläums- veranstaltung Kunstauftrag stärken! 40 Jahre Büro für Kunst im KiöR in Lichtenberg öffentlichen Raum und im Stadtraum vereinbart. Künftig wird stimmung der Kunst, der Künstlerin oder des aus dem Bündnis für Wohnen ein Vertreter Künstlers? – Ein spannendes Thema! oder eine Vertreterin im Gremium „Kunst am Bau und im Stadtraum“ mitwirken und Deshalb: Kunstfreiheit jeweils projektbezogene Vorhaben vorstellen. im öffentlichen Ich denke das macht sehr deutlich, wie wich- Kunstauftrag stärken! tig uns das Thema ist beziehungsweise welche Deshalb werbe ich sowohl im Lichtenberger Bedeutung wir ihm zukommen lassen. Kulturbeirat als auch in der bezirklichen Kommission Kunst am Bau und im Stadt- Handlungsmöglichkeiten raum dafür, die Kunstfreiheit im öffentli- von Künstler*innen chen Raum zu stärken. Wir haben uns dabei Künstler*innen sollten die Angebote des Bü- auf Transparenz und Beteiligung verstän- ros für Kunst im öffentlichen Raum nutzen. digt. Gern möchte ich die Einbeziehung al- Vor allem die Vorstellung ihres künstleri- ler künstlerischen Genres in die Kunst im schen Schaffens und Eintragung in die ber- öffentlichen Raum fördern. Wir haben auch linweite Künstlerdatei. Somit wird gesichert, die Erfahrung gemacht, dass offene Kunst- dass die Künstler*innen bei Aufträgen für wettbewerbe die Beteiligung für alle inte- Kunst am Bau und für Kunst im Stadtraum ressierten Künstler*innen verbessern. Wir bei der demokratischen Auswahl einbezogen intensivieren derzeit die Zusammenarbeit werden. In Lichtenberg wird stets auf diese mit künstlerischen Hochschulen und bieten Möglichkeit hingewiesen. verschiedene Diskussionsformen an, um in Ich möchte auch dazu ermutigen, dass den gemeinsamen künstlerischen Austausch Künstler*innen sich direkt an bereits vor- zu gehen. handenen Kunstwerken beteiligen. Bei Um- setzungen oder gar materieller Bedrohung Weiterentwicklung der der Kunst sollten sich Künstler*innen noch Kunst im öffentlichen verstärkter einsetzen. Sie können sich di- Raum rekt mit der Kommission Kunst am Bau und Kunst am Bau wird mit Mitteln aus öffentli- im Stadtraum oder mit dem Bezirksamt in chen Baumaßnahmen des Hoch-, Tief- oder Verbindung setzen. Künstler*innen können Landschaftsbaus finanziert. Kunst im Stadt- immer auch eigene Vorschläge zu Kunst im raum ist eher unterrepräsentiert, in den letz- Stadtraum einbringen und selbst an poten- ten Jahren wurde kein Wettbewerb unter Be- zielle Auftraggeber herantreten, oder sich teiligung der Kommission Kunst am Bau und an Vertrauensperson wenden. Diese Initi- im Stadtraum für den öffentlichen Stadtraum ativen sind und werden entscheidend sein, ausgeschrieben. Eine Ausnahme, der Geden- wenn wir Kunst am Bau intensivieren wollen. kort Rummelsburg, sei hier jedoch erwähnt. Ansprechpartner*innen sind die Künstler- Eine Zuweisung von finanziellen Mitteln David Mannstein, Maria Vill, Temporäre Kunstprojekte Marzahner Promenade, Foto: Martin Schönfeld verbände, aber auch die bezirkliche Ebene, ausschließlich für Kunst im Stadtraum wäre wie Geschäftsstelle und Kommission für deshalb aus unserer Sicht wünschenswert. I ch bedanke mich herzlich für die Einla- dung, aus Anlass des 40jährigen Beste- hens des Büros für Kunst im öffentlichen Im Bezirk Lichtenberg wurde im Jahr 2015 der Gedenkort Rummelsburg, eine Initiati- ve von Anwohner*innen und interessierten Kunst am Bau und im Stadtraum, Bezirksamt und Verordnete der BVV Lichtenberg. Diese Türen, das möchte ich den Künstler*innen So zum Beispiel mit Blick auf internationa- le Projekte für Kunst im Stadtraum, in Zu- sammenarbeit mit den Städtepartnern von Raum meine Gedanken aus der Sicht des Be- Bürger*innen sowie Vertreter*innen ver- mitgeben, stehen ihnen offen. Lichtenberg. Mittel zur Durchführung von zirkes Lichtenberg beitragen zu dürfen, die schiedener Interessengruppen, eingeweiht. Ein weiteres Handlungsfeld sind Künstler temporären Projekten, Workshops, Veran- auch an vielen Stellen deckungsgleich mit Dieser Gestaltungswettbewerb wurde von *innen-Netzwerke, um gemeinsam Kunstpro- staltungen oder „Ateliers im Freien“ wären meinen eigenen Wünschen und Ansprüchen der Kommission Kunst am Bau und im Stadt- jekte zu entwickeln, Partner*innen zu suchen ebenfalls denkbar. Dazu wäre auch darüber an Kunst im Stadtraum sind. raum Lichtenberg begleitet. Meines Wissens und somit die Realisierung zu ermöglichen. zu diskutieren, wie die Bezirke noch stär- Grundsätzlich nimmt die Kunst im Stadt- der letzte Gestaltungswettbewerb im öffent- ker als bisher an dem Haushaltstitel 81278, raum in Berlin einen sehr hohen Stellenwert lichen Raum unter Einbeziehung der Kom- Möglichkeiten und „Künstlerische Gestaltungen im Stadtraum“, ein. Die Auseinandersetzung mit dem öffent- mission für Kunst am Bau und im Stadtraum. Grenzen künstlerischer partizipieren können. lichen Raum auf diese Art und Weise, hat in In den letzten Jahren haben die bezirk- Selbstbestimmung heute Wir werden weiter im regen Austausch Berlin seit Jahren eine hervorgehobene Stel- lichen Wohnungsunternehmen und -genos- Künstlerische Selbstbestimmung oder bleiben und dabei auch diese und andere Ide- lung, und das ist auch gut so. senschaften verstärkt ihr Augenmerk auf die auch Autonomie ist dann gegeben, wenn en intensiv diskutieren. Das Büro für Kunst | KULTURPOLITIK In Lichtenberg sind hunderte Kunstwer- Kunst im öffentlichen Raum gelenkt. So zum Künstler*innen unabhängig von emotionalen im öffentlichen Raum hat uns über Jahre ke an öffentlichen Gebäuden, in Parks, Plät- Beispiel die Reihe Lichtenberg Open Art, eine oder finanziellen Zwängen arbeiten können. fachlich begleitet und wird es sicherlich auch zen und Grünanlagen vorhanden. Kunst im Initiative der HOWOGE Wohnungsbaugesell- Die Frage stellt sich, wann bestehen emoti- zukünftig tun. Ich gratuliere herzlich und öffentlichen Raum ist hier prägend für das schaft mbH. Das ist eine Trendwende, die ich onale oder finanzielle Abhängigkeiten? Die freue mich auf die Zusammenarbeit in den städtische Gesamtbild. Sie ist an verschiede- sehr begrüße und deren Entwicklung wir be- Fähigkeit, aber auch die Möglichkeit nach kommenden Jahren. nen öffentlichen Orten für alle sichtbar und müht sind zu fördern. eigener Einsicht zu handeln, ist ein hohes erfüllt somit auch die Funktion eines offenen Dabei sollte aber, wegen der Bedeutung Gut, vor allem im künstlerischen Bereich. Michael Grunst Museums. Sie inspiriert Menschen, sie bil- der Kunst im öffentlichen Raum die Zusam- Möglicherweise engt jede thematische Auf- kunststadt stadtkunst 65 det, sie bewegt sie, sie erregt die Gemüter, wie menarbeit im Rahmen des Bündnisses für tragsvergabe diese Selbstbestimmung ein. die aktuelle Debatte zeigte, sie versöhnt die Wohnen zwischen den Akteuren verstärkt Künstler*innen können sich meist nicht Menschen teils miteinander und lässt sie an werden, da in den nächsten Jahren weitere aussuchen, welchen Auftrag sie annehmen. anderer Stelle konstruktiv darüber diskutie- Wohnneubauten im Bezirk entstehen und Eine auskömmliche Sicherung der Existenz ren. Sie ist also fester Bestandteil des gesell- die Verdichtung von Wohngebieten erfolgen für Künstler*innen wäre eine Voraussetzung schaftlichen Diskurses und des öffentlichen wird. Denn diese Kunst ist eine tatsächliche für die künstlerische Selbstbestimmung. Lebens. Bereicherung für die Menschen in den ent- Politische, kulturelle und soziale Themen Der künstlerische Rahmen ist vielfältig, sprechenden Quartieren! spiegeln sich in der Gesellschaft und in den Gedenkstätten und Orte der Erinnerung, Erst kürzlich haben wir in Lichtenberg geschaffenen Kunstwerken wider. Welche Bildhauerkunst, wie Plastiken und Skulptu- das Bündnis für Wohnen erneuert und damit Abhängigkeiten werden bei diesen Themen- ren, Hauswandgestaltungen sowie experi- erstmals auch die Zusammenarbeit des Be- feldern erzeugt? mentelle und temporäre Installationen sind zirksamtes mit den Wohnungsunternehmen Wann endet die künstlerische Selbstbe- Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn! zu finden. auch für das wichtige Thema Kunst am Bau stimmung und wann beginnt die Fremdbe- Demo am 14. April 2018 in Berlin 05
Kunstplatz Graben: Didier Fiúza Faustino, DOMESTIC LANDSCAPE 2.0, Foto: Iris Ranzinger/KÖR GmbH, 2017 Yves Netzhammer, Gesichtsüberwachungsschnecken, Foto: Iris Ranzinger/KÖR GmbH, 2017 Jubiläums- KÖR Kunst im veranstaltung öffentlichen 40 Jahre Raum Wien Büro für Kunst im öffentlichen Raum PRINZpod, Mahnmal Aspangbahnhof, Foto: Michael Strasser/KÖR GmbH, 2017 W elche Handlungsmöglichkeiten haben Künstler*innen bei Kunst im öffentli- chen Raum? Wie können sich die Interessen im Eigentum der Stadt Wien mit der Magis- tratsabteilung (MA) 7 – Kultur als Eigentü- mervertretung. Künstler*innen in der Jury KÖR Wien ist einerseits eine Förderstelle, bei der dreimal im Jahr Projekte zu einem frei Künstlerische Einbindung und Hand- lungsspielraum wird aber im Rahmen von permanenten Projekten geschaffen, da die- der Künstler*innen artikulieren und durch- gewählten Thema eingereicht werden können se mittels Wettbewerben mit eigens dafür setzen? Wie sehen die Möglichkeiten und Die Aufgabe der KÖR GmbH ist die Bele- und um Förderung angesucht werden kann. zusammengestellten Jurys als geladene, in- Grenzen künstlerischer Selbstbestimmung bung und das Mitgestalten des öffentlichen Seitens KÖR besteht andererseits auch die ternationale und meist einstufige Verfahren heute aus? Raums der Stadt Wien mit permanenten und Möglichkeit, aktiv Projekte zu initiieren und ausgelobt werden – mit einem 50prozentigen Vor dem Hintergrund dieser Fragen wer- temporären zeitgenössischen künstlerischen Kooperationen mit Bezirken oder Unterneh- künstlerischen Anteil an stimmberechtigten den zunächst die Rahmenbedingungen und Projekten, wobei dies sowohl Kunst im öf- men einzugehen. Mitgliedern. Strukturen von Kunst im öffentlichen Raum fentlichen Raum- als auch Kunst am Bau-Pro- Die künstlerischen Entscheidungen trifft Offene Wettbewerbe für permanente Pro- in Wien und der KÖR GmbH vorgestellt, um jekte sein können und auch den Bereich der eine fünfköpfige unabhängige Jury, die auf jekte haben sich für uns zum einen von der dann in einem zweiten Schritt zu erläutern, Erinnerungskultur einschließt. KÖR wickelt drei Jahre vom Kulturstadtrat bestellt wird Qualität und dem Arbeitsaufwand her nicht welche Positionen und Handlungsmöglich- hierfür künstlerische Projekte ab, erteilt Auf- und aus drei nationalen und zwei internati- als adäquat erwiesen. Zum anderen ist es bei keiten Künstler und Künstlerinnen haben. träge an Künstler*innen, lobt Wettbewerbe onalen Mitgliedern besteht. Mindestens eine diesen Verfahren leider auch nicht möglich, aus, vergibt Förderungen an Künstler*innen Künstler*in ist hier seit 2014 immer dabei, da- den Teilnehmer*innen eine Aufwandsent- In Österreich gibt es verschiedene Struk- und Projektträger und setzt damit verbun- neben noch eine Architekt*in, Kurator*innen schädigung zu zahlen. turen für Kunst im öffentlichen Raum (KiöR): dene Tätigkeiten (Symposien, Publikationen, für den öffentlichen Raum und Leiter*innen Um den Kreis der Künstler*innen, mit de- In Niederösterreich ist sie Teil der Landesre- Vermittlungsprogramme, u.a.) um. spezifischer künstlerischer Stellen und Häu- nen KÖR arbeitet, möglichst offen zu halten, gierung und in der Kulturabteilung des Lan- Subventioniert wird KÖR immer noch ser. wird bei der Auswahl der Kunstschaffenden – des angesiedelt sowie im Kulturförderungs- gemeinsam von den drei Gründungsres- Die Jury fungiert als operative Ebene der ob in Wettbewerben als Jurymitglieder oder gesetz verankert. In der Stadt Salzburg gibt sorts – der Geschäftsgruppe Kultur, Wis- KÖR und bestimmt konkret, welche einge- Teilnehmer oder bei temporären Projekten es den „Kunstraum Salzburg“, eine Initiative senschaft und Sport, der Geschäftsgruppe reichten Projekte in welcher Höhe gefördert als Künstler*innen – immer besonderer Wert für Kunst im öffentlichen Raum, der im Auf- Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung werden sollen, wobei eine Förderung auch zu auf eine gute Durchmischung (weiblich/ gabenbereich der Magistratsabteilung (MA) und der Geschäftsgruppe Stadtentwicklung, 100 Prozent möglich ist. Das Gremium ent- männlich, alt/jung, national/international) 2 - Kultur, Bildung und Wissen und dem Fach- Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und scheidet auch, welche Künstler*innen zu den und Abwechslung gelegt. beirat Kunst im öffentlichen Raum liegt. Das Bürger*innenbeteiligung: Kultur-, Stadtent- Wettbewerben eingeladen oder für spezielle Land Salzburg hat wiederum einen „Fonds wicklungs- und Wohnbauressort. Es stehen temporäre Projekte direkt angesprochen wer- Vielfältige Inhalte und Prozesse | KULTURPOLITIK zur Förderung von Kunst am Bau und Kunst insgesamt jährlich 800.000.- Euro für Projek- den sollen. Was den Inhalt und die ästhetische Ausge- im öffentlichen Raum“, die Kunst am Bau- te zur Verfügung, ohne weitere Mittel und Dreimal im Jahr für jeweils 1,5 Tage trifft staltung betrifft, können Künstler*innen mit Projekte plant, projektiert und fördert. Der Verpflichtungen für Kunst am Bau. sich die Jury normalerweise, jedoch besteht Angabe der gewünschten Örtlichkeit grund- Bund realisiert nur Kunst am Bau-Projekte Das KÖR-Team besteht aus insgesamt drei die Möglichkeit, bei Bedarf Zusatzsitzungen sätzlich ohne Auflagen einreichen, was sie im Rahmen der Tätigkeit der BIG (Bundesim- Personen – Geschäftsführung, Produktions- anzusetzen. Pro Termin werden ca. 40 Pro- möchten. Auch im Hinblick auf die Kunst- mobiliengesellschaft). leitung sowie Officemanagement und Projek- jekte – Einreichungen und zusätzliche Ko- gattung bzw. ästhetische Ausrichtung gibt es tassistenz. Als quasi Aufsichtsrat fungiert operationsanfragen – besprochen. Von die- keine Einschränkung; es können performati- In Wien wurde 2004 auf gemeinsame ein Kuratorium, bestehend aus jeweils zwei sen insgesamt 120 Projekten pro Jahr werden ve oder prozessuale Projekte sein, Licht- und kunststadt stadtkunst 65 Initiative von drei Stadträt*innen, dem da- Vertreter*innen der drei Geschäftsgruppen, 15-20 gefördert und umgesetzt; 85 Prozent Klanginstallationen oder auch Interventio- maligen Kultur--, dem Wohnbau- und dem mit dem regelmäßig strategische inhaltliche temporäre Arbeiten und Wettbewerbe, der nen. Projekteinreicher/-träger können Ein- Verkehrsstadtrat der „Fonds Kunst im öf- und räumliche Schwerpunktmöglichkeiten Rest permanente. Eine festgelegte prozen- zelpersonen, Personengemeinschaften oder fentlichen Raum“ gegründet und dem Wis- besprochen werden. tuale Aufteilung nach österreichischen und juristische Personen sein und sollten einen senschaftszentrum Wien angegliedert. internationalen Künstler*innen existiert Sitz im EWR? haben. Bei den eingereichten Da sich die Struktur des Fonds als unge- Handlungsmöglich- nicht – auch keine bezüglich des Alters. Die Projekten sind dann die Fördernehmer für eignet für jahresübergreifende und länger- keiten und Grenzen von Auswahl wird abhängig von den Projekten die Projektorganisation, notwendige Ein- fristige Projekte erwies, wurde er 2007 in Künstler*innen bei Kunst und ihren Inhalten festgelegt. reichungen, Einholung der Genehmigungen eine GmbH umgewandelt und diese an die im öffentlichen Raum und Versicherungen verantwortlich. KÖR Kunsthalle Wien als Tochtergesellschaft an- Es gibt verschiedene Ebenen, auf denen sich Künstlerische Einbindung in ge- unterstützt bei den Abläufen und notwendi- geschlossen. Um der KÖR GmbH ein schär- künstlerische Interessen artikulieren und ladene Wettbewerbe gen, richtigen Ansprechpartnern und bei der feres und unabhängiges Profil zu geben, ist durchsetzen können. Bei temporären Projekten wird an sich mit Presse- und Medienarbeit. sie seit 2012 eine eigenständige Gesellschaft Direktvergaben bzw. -aufträgen operiert. 06
Jubiläums- Ein Stück veranstaltung gemeinsamen 40 Jahre Weges Büro für Kunst im öffentlichen Raum Rückblickend Bau und der Kunst im öffentlichen Raum. Die Nachdem ich mein erstes Portfolio beim Büro Mitarbeit in den bezirklichen Fachkommis- für Kunst im öffentlichen Raum abgegeben sionen, die Pflege der Künstler*innendatei, hatte, rechnete ich 2005 nicht damit, schnell aber auch das Publizieren in der Stadtkunst- zu einem Wettbewerbsverfahren eingeladen Kunststadt haben mich über die Jahre immer zu werden. Die Erfahrung zeigte doch über tiefer in dieses Feld geführt. Für den Deut- die Jahre, wie enervierend langsam An- schen Künstlerbund (DKB) bin ich seit 2013 Michael Sailstorfer, Hauptweg und Nebenwege, Foto: Michael Strasser/KÖR GmbH, 2018 klopfen, Bewerben und Ähnliches zum Ziel im Beratungsausschuss Kunst aktiv, der den führen. Umso überraschter war ich, dass ich Senator für Kultur & Europa und vorher den schon bald zu einem nichtoffenen Kunstwett- Regierenden Bürgermeister von Berlin zur bewerb eingeladen wurde. Kunst im öffentlichen Raum berät, und ich Eine klassische Kunst am Bau Auslobung gründete 2016 die Arbeitsgruppe für Kunst thematisierte den Aerodynamischen Park am Bau und Kunst im öffentlichen Raum im an der Humboldt Universität am Campus DKB, die nun Anlaufpunkt zu Fragen und Adlershof. Hier starteten 1909 auf dem Flug- Anregungen der Mitglieder ist. platz Johannisthal Deutschlands erste Mo- torflugzeuge. 1912 wurde die Deutsche Ver- Gegenwärtig suchsanstalt für Luftfahrt gegründet. Nach Selbstverständlich bedeutet die Mitarbeit in dem Ersten Weltkrieg wurden leer stehende Berliner Fachkommissionen die Sperrung für Flugzeughallen zu Filmstudios umgewandelt viele Wettbewerbsverfahren in der Stadt. Da- und nach dem Zweiten Weltkrieg siedelte sich her stelle ich nun mit einem Sprung ins Jetzt der Deutsche Fernsehfunk (DFF), sowie die eine recht aktuelle Realisierung außerhalb Akademie der Wissenschaften der DDR auf von Berlin vor. Das Kulturamt in Rostock dem Areal an. Mit der Wende begann der Auf- hat in den letzten Jahren einige vorbildli- bau eines Wissenschafts- und Wirtschafts- che Wettbewerbe auf den Weg gebracht. In standortes. Der Aerodynamische Park ver- diesem Zusammenhang wurde der Kölner sammelt heute wichtige Industriedenkmale, Künstler Frank Bölter als „Scout“ eingeladen, wie den Trudelturm oder den Motorenprüf- um partizipativ arbeitende Künstler*innen stand, und wird von den Studierenden in Pau- zu recherchieren und anzusprechen. Nach sen rege genutzt. Einreichung meines Portfolios wurde ich Ich konnte mich damals mit der Idee für die Teilnahme ausgewählt. Da es sich um durchsetzen, die vielschichtige Geschich- eine komplexe Arbeitsaufgabe in einem so- te mit historischen Archivmaterialien des genannten „Problemkiez“ handelte, bat ich Deutschen Rundfunkarchivs in Berlin Ba- meine Kolleginnen Marìa Linares und Kers- belsberg (früher in Adlershof das Archiv der tin Polzin um Mitarbeit. DDR) mit Hilfe 15 ellipsoider Klangkörper erlebbar zu machen. Nach meiner Audio- Unser bereits umgesetztes Projekt mit dem Christian Hasucha, Die Insel, Foto: Philipp Schuster, 2017 Recherche in Babelsberg war der zweite Titel „Reisen – Dierkow entdecken“ ist ein ak- Schritt eine Klangtransformation mittels tuelles Beispiel für eine Tendenz in Wettbe- Bei eigens initiierten Projekten – egal Notwendige Veränderungen einer Software, die der Komponist Karlheinz werbsverfahren, in dem Künstler*innen sich ob temporär oder permanent – übernimmt für eine Weiterentwicklung der Essl eigens für das Projekt im Auftrag entwi- mit komplexen gesellschaftlichen Gefügen KÖR die Organisation, Haftung, Versiche- Kunst im öffentlichen Raum für ckelte. Die Software ist Träger und Medium auseinandersetzen müssen. Eine Annähe- rung, technische Betreuung und ist auch die kommenden Jahre einer Komposition aus der mehr als tausend rung an den Kontext vor Ort, die Menschen, Bauherr*in. Die Genehmigungs-Abläufe und Eine bessere und strategische Einbindung in Klangvariationen als „Erinnerungsbilder“ kann nur aus der Rolle der Künstler*in als Behördengänge decken sichhierbei , mit de- die Stadtentwicklungspolitik und die Stadt- über den Ort und seine Bezüge entstanden. Gestalter*in von Teilhabe, von sozialen Pro- nen anderer Antragsteller*innen auch. planung ist notwendig, um rechtzeitig und An ihrer Außenhülle enthalten die Ellipsoide zessen heraus passieren, nicht in der Rolle grundsätzlich Kunst- und Kulturprojekte zusätzlich einen eingravierten Satz. Dieser einer Sozialarbeiter*in. Das Stadtteil- und Restriktionen in der Produktion – temporäre und permanente – und vor al- Text eröffnet auf der Ebene der Vorstellung Begegnungszentrum (SBZ) der Volkssoli- und Eigentümerfrage lem genug freien Raum dafür mitzudenken. einen narrativen Raum der Historisches und darität, dessen Neubau Anlass des Wettbe- Technisch unterliegen alle Projekte der Wie- Ebenso wie soziale Themen muss auch Kunst Heutiges verbindet. werbs war, begriffen wir als ein Ort, um im ner Bauordnung – daher dürfen Künstler und Kultur bereits in der Planung in all ihren Bei diesem Projekt, ich sehe das aber allegorischen Sinn auf eine „Reise“ zu gehen. *innen nicht selbst „Hand anlegen“, sondern Einzelschritten berücksichtigt und mitbe- mittlerweile als generelle Forderung, war Ein Ort des sich Aufmachens, des irgendwo es müssen Firmen sein, die auch vor dem dacht sowie auch Künstler*innen in die ver- die Vermittlung vor Ort sehr wichtig. Nicht Ankommens, des Neuerfahrens, des sich Bil- | KULTURPOLITIK Gesetz die Bauführerschaft übernehmen schiedenen Entscheidungsgremien mit einge- nur gab es Bedenken von Seiten der Studie- dens durch Reisen, des Neugierigseins. Das können. laden werden. Und nicht nur der öffentliche renden, auch der Bauherr hatte Sorgen, was Stadtteilzentrum fungiert für den Stadtteil Die Eigentümer der Werke sind bei den Raum muss bedacht, auch Bauträger*innen die Umsetzung betraf. So begleiteten das Pro- Dierkow wie ein „Kulturschiff“. eingereichten Projekten immer die Förder- müssen miteinbezogen und Anreize geschaf- jekt diverse Termine mit Vertreter*innen der Das erste Element des Entwurfs bestand nehmer. Bei den von KÖR initiierten tem- fen werden, um Kunst mitzudenken und zu genannten Gruppen vor Ort. Für mich war aus einer partizipativen Phase im Stadtteil porären Projekten verbleibt das Eigentum realisieren. Planungsmöglichkeiten müssen es daher folgerichtig, diesen Prozess in ei- Dierkow: fünf Stadt-Touren zur Alltagskul- entweder bei den Künstler*innen, und sie verbessert und entwickelt werden, wofür als ner Publikation sichtbar zu machen und alle tur seiner Bewohner*innen wurden mit ihnen müssen nach Projektende und Abbau bei Grundlage eine gesetzliche Verankerung der Nutzer*innen und Beteiligten zu einer dann gemeinsam erarbeitet und durchgeführt. The- kunststadt stadtkunst 65 Verkauf in den nächsten fünf Jahren die Förderung von Kunst im öffentlichen Raum- auch gut besuchten Eröffnung einzuladen. men waren die Entwicklung des Stadtteils, Produktionskosten anteilig zurückzahlen, und Kunst am Bau-Projekten vonnöten ist. Diese enge Abstimmung und die Vermittlung die Sicht der Kinder, Plattdeutsch Sprechen, oder das Werk wird zerstört. Bei permanen- Kunst muss für alle zugänglich und er- hat vermutlich mit dazu beigetragen, dass die Architektur und Alltag, Kunst sowie die alt- ten Projekten ist es eine große Hürde, einen fahrbar sein, um die Lebensqualität zu erhö- Klanginstallation von den Nutzer*innen gut slawische Vergangenheit. In Beziehung zu späteren Eigentümer und vor allem einen hen, und eine aktive Rolle an der Gestaltung, angenommen wird. den Touren wurden zweitens Souvenirs, so ge- Erhalter zu finden, da dies nicht Aufgabe der Wahrnehmung und Aneignung von Stadt zu Mit Fertigstellung der Arbeit sprach mich nannte Mitbringsel von bestehenden Kreativ- Künstler*innen sein kann und soll. Da KÖR ermöglichen. Auch und vor allem im steigen- Elfriede Müller an und ich begann 2007 meine Gruppen des SBZ entwickelt. Es entstanden selbst dies durch seine Struktur und jährli- den Nutzerdruck geht es um die Erweiterung Mitarbeit in der Fachkommission für Kunst Stadtteil-Maskottchen, Malereien, fotogra- che Finanzierung nicht übernehmen kann, und Rückeroberung des öffentlichen Raumes im öffentlichen Raum des bbk berlin, deren fischer Schmuck, Artefakte zur Geschich- müssen in der Stadt Wien ein oder mehrere für seine Nutzer*innen. Sprecher ich seit 2014 bin. Mir war damals te oder ein Poesieheft als Stadterkundung. Magistrate dafür gefunden werden – bevor nicht klar, wie viel ich noch zu lernen haben Interviews und Hörproduktionen stellten das Projekt beginnt. Martina Taig würde über die kulturpolitische Arbeit und die soziale Zusammenhänge vielschichtig her. Geschäftsführerin der KÖR Wien strukturellen Zusammenhänge der Kunst am Drittes Element ist der fest installierte Au- 07
D em Rechtspopulismus ist es ge- lungen, sich in Parlamenten und Gesellschaft zu etablieren. In einigen Bereichen, zum Beispiel der Migrations- politik sind die Positionen der Rechten zum Maßstab für andere Politiker*innen und die Medien geworden und beeinflus- sen den gesellschaftlichen Diskurs. Wie soll die Bildende Kunst darauf reagie- ren? Gibt es eine Verantwortung der Künstler*innen? Im Kunstbetrieb schaukelt uns eine interna- tionalisierte Arbeitswelt vor, Ungleichheiten und auch rassistische Kategorien der Bewer- tung von Kunst gäbe es nicht. Das gilt es zu überprüfen und es fängt langsam an und nimmt Fahrt auf. Gesellschaftlich gesehen vermisse ich den Konsens einer ganz klaren, auch struk- turellen, institutionellen Solidarität mit von Rassismus betroffenen Gruppen. Migration ist Grundlage für gesellschaftliche Entwick- lung. Die positive Idee der Migrationsgesell- schaft ist noch nicht überall angekommen. Die Tatsache, dass es immer noch den Begriff Ausländer*in oder sogar Gastarbeiter*in gibt, ist für mich ein Skandal. Es gibt eine Verantwortung, dafür einzustehen, dass hier Gleichheit hergestellt wird, zwischen Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft und diskriminierten Gruppen. Begriffe wie struk- tureller und institutionalisierter Rassismus sind noch viel zu wenig in der Öffent-lichkeit Stefan Krüskemper, Air Borne, Aerodynamischer Park Adlershof angelangt. Zum Beispiel die Art und Weise, in der die Angehörigen der vom NSU Komplex ermordeten Opfer und Betroffenen selbst verdächtigt wurden, hinter den terroristi- schen Attentaten zu stehen. Selbst deren sehr starke Auftritte bei dem Prozess in München führten bisher nicht dazu, grundsätzlich öffentlich und vor allem in den politischen Gremien danach zu fragen, ob es nicht ein zutiefst strukturelles Versagen ist, das dazu führt, Migrant*innen zu verdächtigen auf sich selbst Anschläge zu verüben. beteiligter Interessensgruppen an Verfahren Ein gutes Beispiel wie sich künstlerische ist, so wichtig ist auf der anderen Seite die mit aktivistischen und migrantischen Per- Stärkung der Fachseite der Kunst. Der Ju- spektiven in einer Vielzahl von teils sehr rist Eckhard Braun fordert in seinen Schrif- durchmischten Gruppen zusammengetan ha- ten (Prinzipien öffentlicher Kunstförderung ben, um Gegenöffentlichkeit herzustellen, ist in Deutschland, 2013) zur Kulturpolitik das das „Tribunal NSU-Komplex auflösen“. Das bestehende Subsidiaritätsprinzip ein, das als Bundesweite Aktionsbündnis „NSU-Komplex Maxime für das Verwaltungshandeln, die auflösen“ besteht als Zusammenschluss von Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und zahlreichen Gruppen, die sich mit struktu- die Entfaltung von Fähigkeiten von Gruppen rellem Rassismus, dem NSU-Komplex und der Gesellschaft anstrebt. Würde man die Gedenkkultur beschäftigen und sich für Parallele Welten, Reisen, Stadtteilzentrum Dierkow, Rostock, 2016 emanzipatorischen Kräfte stärken, die die Perspektiven von Betroffenen rassistischer Mitverwaltung, sogar Selbstverwaltung, der Gewalt einsetzen. Eine wirklich großartige tomat mit der Aufschrift „Reisen“ auf dem Planungswettbewerbe 2013) ablösen soll. Kunst fördern, würde sich die Rolle der Ver- Initiative, die daraus entstanden ist, war Vorplatz des SBZ, der Schachteln mit „Mit- Von uns Künstler*innen im Beratungsaus- waltung hin zu einer Moderatorin der Pro- 2017 dann das Tribunal. Für mich war das bringsel“ der Stadt-Touren, ein Tourenplan, schuss Kunst wurde dieser Leitfaden für zesse wandeln. Künstler*innen als Experten letztes Jahr definitiv der politische Licht- sowie weitere Informationen enthält und Kunst am Bau lange kritisch beraten, und ihres Fachgebietes könnten dann stärker in blick. Es ist auch ein Bravourstück für die später von den Bewohner*innen für eigene doch steht seine Umsetzung an, die dann die Durchführung von Kunstwettbewerben Frage, wie künstlerisches Wissen und ak- Ideen genutzt werden kann. längst errungene Standards wieder zurück auf allen Ebenen einsteigen und unterschied- tivistische Haltung und Erfahrung zusam- Mit dem Beispiel möchte ich aufzeigen, wie nimmt. Ohne in diesem Rahmen ins Detail liche Rollen einnehmen: nicht nur als Teil- men kommen, um (mit sehr viel Reibung!) zunehmend in klassischen Kunst am Bau-Ver- gehen zu können, wird zum Beispiel die nehmende und Juror*innen, sondern auch als einen konkreten Raum der Gegenöffentlich- fahren sozial engagierter Kunst, zum Beispiel Mehrheit von Künstler*innen in Preisge- Vorprüfende, als Koordinierende, als Konzi- keit herzustellen, in dem das migrantisch | KULTURPOLITIK in Form partizipativer Herangehensweisen, richten zugunsten einer Regelung aufgeho- pierende. Für uns Künstler*innen würde dies situierte Wissen, die Perspektiven der von realisiert werden kann. Insgesamt erscheint ben, die den Begriff Kunstsachverständige auch ein Schutz vor den ökonomischen Pro- Rassismus Betroffenen im Zentrum stehen. mir das Einbeziehen der Bürger*innen und weit fasst. Dabei schreibt die Richtlinie für zessen des (Kunst-)Marktes bedeuten. Schon alleine, wie der (Theater-)Raum orga- Bewohner*innen im Sinn von Teilhabe und Planungswettbewerbe (RPW 2013) vor, dass Das Büro für Kunst im öffentlichen Raum nisiert wurde, das komplexe Nachdenken Mitgestaltung ein drängendes Anliegen der Fachpreisrichter*innen die gleiche Qualifika- bleibt in der Zukunft als Vermittler*in und über diverse Sprecher*innen-Positionen, Gesellschaft an uns Künstler*innen zu sein. tion wie die Teilnehmer*innen haben müssen. Begleiter*in an den Schnittstellen zwischen die kritische Befragung nach den Möglich- Aber auch bei der Vorbereitung und Entwick- Das macht Sinn, denn Künstler*innen, die in Kunst : Verwaltung : Öffentlichkeit sicher keiten einer Bühne, die Aufgabe des aktiven lung von Verfahren selbst sollten Beteiligte der Praxis stehen, haben einen viel umfassen- weiter unverzichtbar. Möglicherweise wird Zuhörens, der Umgang mit Dokumenten und kunststadt stadtkunst 65 noch viel früher und intensiver eingebunden deren Blick, als eine Kunstwissenschaftler*in. in solch einem die beruflichen Perspektiven Beweisen, die ganze Repräsentationspolitik, werden, um Wettbewerbe gesellschaftlich Weitergehende Forderungen, die in die Zu- weitenden Szenario die Professionalisie- die in der Kunst eine so vehemente Rolle stärker zu verankern. kunft weisen würden, wie eine Prüfung von rung der Künstler*innen im Feld der Kunst spielt, haben hier (auch) durch die beteilig- Wettbewerbsverfahren, sind zur Zeit erst im öffentlichen Raum und der Kunst am Bau ten Künstler*innen einen aktiven Beitrag Nach vorne schauen recht nicht durchsetzbar. zunehmend wichtig. In jeder alternativen Zu- geleistet. Über 5 Tage wurde in Stellungnah- Nichtsdestotrotz gibt es Zeiten, wie diese, Und dennoch ist Innovation ja nicht auf- kunft wünsche ich dem Büro für Kunst im öf- men, Reden, Gesprächen, Präsentationen in denen es mehr darum geht, bestehende zuhalten. Selbst in der Kunst nicht. In der fentlichen Raum weitere fruchtbare 40 Jahre! und Workshops eine sehr stabile Grundlage Standards abzusichern, als weitreichende Zukunft wünsche ich mir für Kunstwettbe- geschaffen, um dann die Anklageschrift vor- Innovationen einzufordern. werbe eine größere Verfahrensvielfalt und Stefan Krüskemper zutragen, die den institutionellen, struktu- Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Leit- eine Ausdifferenzierung, die bestimmte Vorstand Deutscher Künstlerbund rellen und offensiv terroristischen Rassismus Mitglied im Beratungsauschuss Kunst faden für Kunst am Bau des Berliner Senats, Teilnehmer*innen-Gruppen gezielt anspre- von Staatsapparat, ermittelnden Behörden, Sprecher der Fachkommission für Kunst der die aktuellen Regelungen aus A-Bau chen kann. So wichtig auf der einen Seite die im öffentlichen Raum des bbk berlin Personen, der Presse, der verantwortlichen (Anweisung Bau) und RPW (Richtlinie für aktive und partizipative Einbeziehung aller Politiker*innen, dem Verfassungsschutz und 08
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