20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg

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20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg
20 Jahre Gestaltungsbeirat
Ein Werkbericht
20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg
Hinweis: Die nachfolgend verwendete meist männliche Personenbezeichnung bezieht selbstverständlich die
weibliche Bezeichnung mit ein. Auf die durchgängige Verwendung beider Geschlechtsformen wird lediglich im
Hinblick auf die bessere Lesbarkeit des Textes verzichtet.
20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg
Inhaltsverzeichnis
Grußwort / Gertrud Maltz-Schwarzfischer

Reflexionen und Eindrücke zum 20-jährigen Bestehen ............................................................................                                                      Seite 8

•    20 Jahre gelebte Baukultur / Christine Schimpfermann
•    Im öffentlichen Raum / Armin Frohschammer
•    Die städtebaulichen Herausforderungen annehmen / Sabine Köhler
•    20 Jahre Gestaltungsbeirat in Regensburg / Tanja Flemmig und Klaus Heilmeier
•    Die Schönheit der Stadt ist ihr größtes Kapital / Jórrun Ragnarsdóttir
•    Regensburg als inspirierende Mitte / Willi Egli
•    Die Arbeit des Gestaltungsbeirats aus der Sicht des Architekturkreises / Thomas Eckert
•    Mehr Kommunikation, mehr Baukultur / Jakob Oberpriller
•    Lohnender Blick von außen:
     der Beitrag von Gestaltungsbeiräten zur Baukultur / Reiner Nagel
•    Mehrwert von Gestaltungsbeiräten / Prof. Dr. Agnes Förster

Der Gestaltungsbeirat und seine Mitglieder .................................................................................................... Seite 26

•    Die Gestaltungsbeiräte aus 20 Jahren
•    Stimmung zum Jubiläum
•    Wann und wie sind die Mitglieder des Gestaltungsbeirats involviert?
•    Vortragsreihe „Unsere neuen Gestaltungsbeiräte stellen sich vor“
•    Ablauf von Projekten im Gestaltungsbeirat

Projekte aus 20 Jahren Gestaltungsbeirat                                          ...................................................................................................... Seite 38

•    Übersicht der Projekte
•    20 Jahre 20 Projektebeispiele: Welche Projekte werden im Gestaltungsbeirat behandelt?
•    Projekte – realisiert
     - Das Hotel Goliath, Sanierung eines Geschäftshauses
     - Das Parkhaus am Dachauplatz, Sanierung eines Parkhauses
     - Puricellistraße 26–30, Neubau einer Wohnanlage
     - Lore-Kullmer-Straße 163–177, Neubau eines genossenschaftlichen Wohnprojekts
     - Donaustaufer Straße 253, Neubau eines Sportinternats
•    Projekte – in Planung
     - Stahlzwingerweg 6, Neubau einer Wohnanlage
     - Bäckergasse 13, Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses
     - Donaustaufer Straße 314–316, Neubau einer Wohnanlage
     - Kirchmeierstraße 8, Planung eines Hotels

Jubiläumsfeier ................................................................................................................................................................ Seite 64
• Programmablauf
• Podiumsdiskussion
• Statements der Stadträtinnen und Stadträte
• Eindrücke der Veranstaltung
• Würfel-Statements
• Pressestimmen

Bildnachweis und Impressum

                                                                                                                                                                                                    3
20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg
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20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Regensburgerinnen und Regensburger,

vor 20 Jahren wurde der Regensburger Gestaltungs-
beirat als Instrument zur Qualitätssicherung in Bezug
auf Architektur und Städtebau gegründet. Seitdem hat
sich der Gestaltungsbeirat als unabhängiges Bera-
tergremium in über 100 Sitzungen mit circa 350 Pro-
jekten in Regensburg auseinandergesetzt. Alle zwei
Monate diskutieren Bauherrinnen und Bauherren,
Investorinnen und Investoren sowie Architektinnen
und Architekten mit dem Gestaltungsbeirat, um die         Wie können trotz der starken Nachverdichtung im ge-
bestmögliche Qualität für das jeweilige Bauvorhaben       samten Stadtgebiet und des ökonomischen Drucks
zu erzielen. Das Gremium hat durch seine Arbeit das       qualitätsvolles Wohnen und hochwertige Freiräume
Stadtbild mit geprägt und ist zu einer festen Instanz     entstehen? Wie kann dabei die Identität der Stadt Re-
der baukulturellen Entwicklung in Regensburg gewor-       gensburg erhalten bleiben?
den.
                                                          Diese Fragen machen deutlich, wie wichtig – auch
Die Gründung des Regensburger Gestaltungsbeirats          nach 20 Jahren – die Arbeit des Gestaltungsbeirats
geht auf die Initiative des Architekturkreises zurück,    ist. Durch seine beratende Funktion leistet er einen
der mit Besuchen des Linzer und Salzburger Gestal-        wertvollen Beitrag, neue Projekte in das Stadtbild ein-
tungsbeirats die Politik und Verwaltung für dessen        zufügen, und somit die bauliche Weiterentwicklung
Schaffung überzeugen konnte. Mit der Einführung des       der historischen Stadt Regensburg zu einer modernen
Regensburger Gestaltungsbeirats im Jahr 1998 ist          und zeitgemäßen Metropole Ostbayerns zu unterstüt-
ein solches Gremium viel früher als in vielen anderen     zen.
deutschen Kommunen entstanden. Regensburg ge-
nießt bundesweit in Fachkreisen einen sehr guten Ruf      Die vorliegende Jubiläumsbroschüre gibt einen Ein-
und diente in zahlreichen Städten als Vorbild bei der     blick in die Arbeit und das Wirken des Regensburger
Errichtung von Beiräten.                                  Gestaltungsbeirats. Dies wird anhand einer Auswahl
                                                          interessanter Bauprojekte dargestellt. Dabei fließen
Mit dem öffentlichen Diskurs über Bauprojekte ist nicht   auch die Reflexionen und Erfahrungen mehrerer Be-
nur ein besseres Verständnis bei allen Beteiligten zur    teiligter mit ein.
Bauqualität entstanden, sondern es hat sich auch eine
Bereitschaft und Kultur zur Qualitätssicherung eta-       Für die nächsten 20 Jahre wünsche ich dem Gestal-
bliert. So werden in Regensburg immer mehr Bauvor-        tungsbeirat viel Erfolg und freue mich auf die künftige
haben über Wettbewerbe ausgelobt.                         Zusammenarbeit und die kommenden Projekte.

Regensburg ist eine prosperierende Stadt wie die
Baukräne und Baustellen im gesamten Stadtgebiet
zeigen. Das immense Wachstum und die enorme Bau-
tätigkeit unserer Stadt stellen uns vor neue Herausfor-
derungen:
                                                          Gertrud Maltz-Schwarzfischer
                                                          Bürgermeisterin

                                                                                                                  5
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Reflexionen und Eindrücke
zum 20-jährigen Bestehen

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20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg
Reflexionen und Eindrücke

    20 Jahre gelebte Baukultur
    Christine Schimpfermann
    Planungs- und Baureferentin

    Der Gestaltungsbeirat Regensburg hat seit seinem          Über die Jahre konnte der Beirat 28 hochrangige – oft
    Bestehen jährlich rund 20 verschiedene Projekte be-       international tätige – Expertinnen und Experten für
    raten. Dabei gab es oft lebendige, aber auch lebhafte     sich gewinnen. Diese haben maßgeblich dazu beige-
    Diskussionen zwischen den Bauherren und den Archi-        tragen, dass sich das Instrument des hier ansässigen
    tekten. So hatten sich das die Gründerväter und -müt-     Gestaltungsbeirats inzwischen bundesweit zu einem
    ter wohl auch erhofft, als 1998 das Drängen aus dem       Erfolgsmodell etabliert hat. Immer wieder wurden die
    Architekturkreis Regensburg Erfolg zeigte und der         Sitzungen von Delegationen aus anderen Städten be-
    Stadtrat die Gründung eines Beirats nach dem Linzer       sucht, die sich ein eigenes Bild machen wollten – um
    Vorbild beschloss.                                        schließlich dem Regensburger Beispiel zu folgen. Und
                                                              immer wieder wurde der Regensburger Gestaltungs-
    Gleich die erste Sitzung war sehr emotionsgeladen         beirat eingeladen, andere kommunale Gremien davon
    und stellte die Weichen für ein herausragendes Pro-       zu überzeugen, dass sich der Aufwand für eine Stadt
    jekt: die heute noch überzeugende Parkhausspin-           lohnt.
    del des Donaueinkaufszentrums an der Kreuzung
    Nordgau-/Frankenstraße. Es folgten Zeiten sehr            Das Wirken des Gestaltungsbeirats ist ein funda-
    entspannt geführter aber auch anregender Diskussi-        mentaler Beitrag zur Vermittlung von Baukultur: Die
    onen und Zeiten kontroverser Debatten. Aber der Bei-      Diskussion zwischen Bauherren und Planern wird
    rat konnte immer auf einen breiten Rückhalt aus dem       bereichert. Und so erleben wir immer wieder in den
    Stadtrat bauen, der mehrheitlich hinter der Idee eines    Beratungen, dass Bauherren anerkennen, dass weni-
    unabhängigen Beratergremiums stand. Dies ist eines        ger mehr sein kann, dass gut durchgeplante Projekte
    der Erfolgsrezepte: die starke politische Rückende-       ökonomisch von Vorteil sind und dass ein Projekt, das
    ckung. Daneben wird die konsequente Linie eingehal-       sich in seiner Qualität von der Masse abhebt, nachhal-
    ten, nur Beiräte zu berufen, die ihren Geschäftssitz in   tig im Wert steigt.
    einer gewissen Mindestentfernung von Regensburg
    haben, in den letzten zwei Jahren nicht selbst in der     Manche Architekten und Landschaftsarchitekten, die
    Stadt gebaut haben und sich außerdem verpflichten,        ihre Entwürfe in einer öffentlichen Diskussion vorstel-
    auch nach Ende ihrer Beiratstätigkeit eine Karenz-        len müssen, gehen zunächst nur ungern in diese ver-
    zeit von einem Jahr für Planungsprojekte in Regens-       meintliche Prüfungssituation. Am Ende schätzen sie
    burg einzuhalten. Damit kann der Gestaltungsbeirat        aber meist die fachliche Beratung der Kolleginnen und
    vermeiden, dass es zu Interessenskonflikten kommt.        Kollegen aus dem Gestaltungsbeirat. Natürlich gibt es
    Denn solche haben schon manche Gestaltungsbeiräte         auch Situationen, in denen der Beirat mit seiner Sicht
    in anderen Städten zum Scheitern gebracht.		              der Dinge bei den Planern oder Bauherren nicht auf

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20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg
Verständnis stößt. Dann ist das Geschick der Beiräte     den immer dichter werdenden Dschungel der Regel-
gefordert, als Team positive Überzeugungsarbeit zu       werke und Fachvorschriften liegen.
leisten – oder auch einmal zu akzeptieren, dass das
Beratungsangebot keine Früchte trägt. Zum Glück          Beratung und Qualität brauchen Dialog und Zeit – Zeit
sind solche Fälle aber eher selten. Die Fülle an po-     und Sorgfalt, die in unserer sich immer schneller dre-
sitiven Ergebnissen bestätigt immer wieder, dass der     henden Wirtschaft zu fehlen scheint. Andererseits ver-
eingeschlagene Weg der Richtige ist.                     bringt fast jeder von uns die überwiegende Zeit seines
                                                         Lebens in Gebäuden und in gebauter Umgebung. Und
Wie geht es weiter? Die aktuelle Hochkonjunktur ist      so gehört es folgerichtig zum öffentlichen Auftrag, bei
Fluch und Segen zugleich. In Zeiten, in denen schnell    Bauvorhaben – neben den Aspekten der Sicherheit
und viel gebaut werden muss – seien es dringend be-      und Standfestigkeit – auch baukulturelle Ansprüche
nötigte Wohnhäuser oder Gewerbebauten – entsteht         zu berücksichtigen.
leider manches, das in der Qualität deutlich besser
sein könnte. Umso wichtiger ist ein Korrektiv von Sei-   Alles Bauen ist öffentlich. Daher sind die Belange der
ten der städtischen Bauberatung im Vorfeld der Bau-      Baukultur und Baukunst auch gleich am Beginn der
anträge. Hier leistet der Gestaltungsbeirat wertvolle    Bauordnung verankert. Und sollte man diese Ver-
Unterstützung, schon allein dadurch, dass öffentlich     ankerung nicht so verstehen, dass sie wie die Statik
über Qualität in der Architektur gesprochen wird.        oder der Brandschutz zum Prüfprogramm der Bauge-
                                                         nehmigung gehören? Der Gestaltungsbeirat übt als
Wir haben uns vorgenommen, das Interesse der             neutrales Beratungsgremium in diesem Prozess eine
Öffentlichkeit an den Sitzungen und Ergebnissen          wichtige Rolle aus. Dabei stößt er auch eine Debat-
des Gestaltungsbeirats wieder zu steigern. Auch für      te an zu der Frage: „Was macht die Identität unserer
die Medien gäbe es oft Spannendes zu berichten.          Stadt aus?“ Was bedeutet es eigentlich, wenn die
Die öffentlichen Sitzungen sind nicht zuletzt auch ein   neu geplanten Wohnhäuser in Regensburg genauso
Angebot an die Bürgerinnen und Bürger, zu verfolgen,     aussehen wie in Hamburg, Berlin oder Stuttgart? Die
wie viele Gedanken sich Planer, Bauherren und die        Suche nach einer architektonischen Haltung an jedem
Verwaltung machen, bevor ein neues Projekt Gestalt       spezifischen Ort in Regensburg geht deutlich über den
annimmt. Bei den Projekten der nächsten Jahre wird       schnell zu befriedigenden Zeitgeschmack hinaus. Sol-
der Fokus noch intensiver auf den aktuellen Fragen       che Diskussionen können nur öffentlich geführt wer-
nach kostensparendem Bauen, größtmöglicher Dich-         den – da sie uns alle betreffen. Der Gestaltungsbeirat
te bei bestmöglichem Wohnumfeld, ökologisch ange-        leistet hier fünf Mal im Jahr einen wertvollen Beitrag.
passten Techniken und angemessenen Wegen durch

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20 Jahre Gestaltungsbeirat - Ein Werkbericht - Stadt Regensburg
Reflexionen und Eindrücke

     Im öffentlichen Raum
     Armin Frohschammer
     Amtsleiter, Bauordnungsamt

     Wenn ein Jurist gebeten wird, über eine Einrichtung      20 Jahren mit großem Erfolg. Dabei lebt er davon,
     wie den Gestaltungsbeirat zu schreiben, nähert er sich   dass er inhaltlich überzeugt.
     dem Thema von einer anderen Seite als beispielswei-
     se Architekten. Die Richtung, aus der er das tut, ist    Wer will, dass an den öffentlichen Raum ästhetische
     natürlich eine rechtliche.                               Ansprüche gestellt werden, die über die Verhinderung
                                                              von Verunstaltungen hinausgehen, muss auch bereit
     Der rechtliche Befund erscheint sehr schnell gefunden    sein, dafür einen gewissen Aufwand zu betreiben. Der
     und eindeutig: Ein Gestaltungsbeirat gehört offen-       Gesetzgeber verlangt von Bauherren, dass sie für ih-
     sichtlich nicht zum Prüfprogramm eines Baugenehmi-       ren Bauantrag einen Architekten beauftragen. Diese
     gungsverfahrens nach der Bayerischen Bauordnung.         Tatsache und die Beratung der Verwaltung führen be-
     Außerhalb der Bayerischen Bauordnung hinaus gibt         reits dazu, dass die gröbsten Missgriffe im Vorfeld ver-
     es in der Realität aber einen Belang, der über die-      hindert werden. Aber an besonders sensiblen Stellen
     ses Prüfprogramm hinausweist. Diese Realität ist der     des öffentlichen Raums ist es durchaus erforderlich
     öffentliche Raum, in dem Bauvorhaben umgesetzt           und sinnvoll, Veränderungen in einem größeren Kreis
     werden. Wer im Hier und Jetzt ein Projekt realisie-      von Architekten und in der Öffentlichkeit zu diskutie-
     ren will, tangiert damit die Interessen von uns allen.   ren. Die allermeisten Bauherren und Architekten sind
     Bauvorhaben können den öffentlichen Raum massiv          sich insoweit ihrer Verantwortung bewusst und neh-
     beeinträchtigen. Aufgrund der hohen wirtschaftlichen     men diese Aufwendungen für den Gestaltungsbeirat
     Aufwendungen, kann eine solche Beeinträchtigung          dankenswerterweise auf sich. Wer will, dass der öf-
     auch nicht mehr oder nur sehr schwer wieder beseitigt    fentliche Raum gut gestaltet ist, muss auch bereit sein,
     werden.                                                  dafür Zeit und Geld zu investieren.

     Dieser Sachverhalt rechtfertigt es, dass an die          Die Erfolge, die der Gestaltungsbeirat in Regensburg
     Ästhetik und an die Gestaltung baulicher Anlagen, die    in den letzten 20 Jahren erzielt hat, rechtfertigen die-
     in den öffentlichen Raum wirken, hohe Anforderun-        sen Aufwand bei der Stadt Regensburg und bei den
     gen gestellt werden. Leider hat sich der Gesetzgeber     Bauherren ohne Zweifel. Die Stadtverwaltung schätzt
     darauf beschränkt, Bauvorhaben zu verhindern, die        den Gestaltungsbeirat als Beratergremium und freut
     den öffentlichen Raum verunstalten. Die Regeln der       sich darauf, dass dies auch mindestens die nächsten
     Baukunst sind nicht mehr zwingendes Recht. Diese         20 Jahre noch so sein wird.
     Lücke muss und kann der Gestaltungsbeirat schlie-
     ßen. Der Gestaltungsbeirat in Regensburg tut dies seit   Herzlichen Glückwunsch!

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Die städtebaulichen Heraus-
forderungen annehmen
Sabine Köhler
Geschäftsstelle Gestaltungsbeirat
Bauordnungsamt

Vor zwei Jahren habe ich den Regensburger Gestal-          gestaltungen erweist sich hier als wirtschaftliche und
tungsbeirat übernommen, der damals bereits seit            energetische Verbesserung. Des Weiteren sollen für
längerer Zeit den Kinderschuhen entwachsen war.            die Bewohner nutzbare und qualitätsvolle Freiflächen
18 Jahre lang hatten sich meine Vorgängerin und mein       entstehen.
Vorgänger darum bemüht, ihn zu dem etablierten In-         Außerdem steht das Gremium immer mehr unter dem
strument der Qualitätssicherung zu machen als das er       Druck schnell und effizient Beratungserfolge zu liefern.
sich heute präsentiert. Heute ist er so gut aufgestellt,   Die Zeitverzögerung durch die Behandlung in meh-
dass er es mit allen aktuellen städtebaulichen und         reren Sitzungen wird stark kritisiert. Dabei zahlt sich
gestalterischen Herausforderungen aufnehmen kann.          die Expertise mehrerer Augen im Nachhinein oftmals
Das dies auch künftig so bleibt, ist meine Aufgabe für     aus. Durch die intensive Auseinandersetzung können
die kommenden Jahre.                                       schon im Vorfeld Probleme in einer frühen Planungs-
                                                           phase erkannt und gelöst werden. Das nachfolgende
Die Auswirkungen des Baubooms in Regensburg der            Genehmigungsverfahren kann somit schneller abge-
letzten Jahre sind auch an den Projekten in den Sit-       wickelt werden. Um auf die zeitliche Herausforderung
zungen des Beirats erkennbar. Selten werden Filet-         zu reagieren wird versucht das Gremium bereits bei
grundstücke behandelt, meist handelt es um Grund-          den ersten Konzepten einzubinden. Damit kann der
stücke die die Planer aufgrund ihrer komplexen             Planungsprozess begleitet und der Zeitverlust mini-
Rahmenbedingungen vor große Herausforderungen              miert werden. Zu einem frühen Zeitpunkt zeigt sich die
stellen. Die steigenden Grundstückspreise und die da-      Beratung auch am effektivsten, zumal von Seiten des
mit verbundene notwendige maximale Ausnutzung des          Bauherren und der Planer eine größere Bereitschaft
Grundstückes erhöhen den Druck zusätzlich. Immer           zur Umplanung besteht als bei einer fast abgeschlos-
öfter startet ein Projekt im Gremium als „Abstandsflä-     senen Planung.
chenarchitektur“ – ein pyramidenartiges Gebilde das
sich in der Höhe abstuft, um die Abstandsflächen der       Der Erfolg des Gestaltungsbeirats steht und fällt aber
Bayerischen Bauordnung einzuhalten. Die Freiflächen        mit der Kommunikationskultur. Im respektvollen Um-
sind dabei nahezu vollständig versiegelt. Dies mag eine    gang auf Augenhöhe können im Gespräch mit den
übertriebe Darstellung sein. Jedoch werden mit diesem      Bauherren und Architekten gemeinsam Lösungen ge-
Beispiel die zentralen Themen im Beirat deutlich. Ziel     funden werden. Denn nur dann, wenn Bauherren und
der Beratungen ist dabei, die neuen Gebäude städte-        Planer die Beratung mit Überzeugung annehmen und
baulich in die bestehende Umgebung zu integrieren.         umsetzen, kann die Qualität der einzelnen Bauvorha-
Eine Reduzierung auf klare Bauformen und Fassaden-         ben und damit auch Stück für Stück die Qualität des
                                                           Regensburger Stadtbilds erhalten und verbessert wer-
                                                           den.
                                                                                                                      11
Reflexionen und Eindrücke

     20 Jahre Gestaltungsbeirat in Regensburg

     Klaus Heilmeier				                                         Tanja Flemmig
     Abteilungsleiter und stellvertretender Amtsleiter,          Abteilungsleiterin und stellvertretende Amtsleiterin,
     Bauordnungsamt a. D.				                                    Bauordnungsamt

     Klaus Heilmeier, der den Beirat von der Entstehung          Die Beziehung und Wirkung eines Objekts zu seinem
     bis 2001 begleitet, und Tanja Flemmig, die von 2002         Umfeld, ebenso die räumliche Kohärenz und die Be-
     bis 2013 die Geschäftsstelle des Gestaltungsbeirates        deutung von Maßstab und Materialität – alles Aspekte
     geleitet hat, stellen sich gegenseitig Fragen. Diese rei-   einer Baukultur, die im Ergebnis schon damals mit Le-
     chen von der Entstehung über aktuelle Probleme bis          bensqualität gleichgesetzt wurde.
     zu einem Blick in die Zukunft.
                                                                 Wie wurde dieser Wunsch nach unabhängigen Be-
     Herr Heilmeier, Sie haben die Entstehung des                ratern von Politik und Verwaltung aufgenommen?
     Gestaltungsbeirats aktiv miterlebt. Die Idee dazu
     kam, soweit ich weiß, von außen. Was war damals             Weder in der Politik noch in der Verwaltung gab es
     eigentlich der Auslöser für den Wunsch nach                 gegen die primär vom Regensburger Architekturkreis
     einem Gestaltungsbeirat?                                    vorgetragenen Anregungen Vorbehalte. Im Stadtrat
                                                                 wurden alle Beschlüsse, die für die Etablierung eines
     Klaus Heilmeier: Architekten und Bauherrn haben             Gestaltungsbeirats erforderlich waren, einstimmig ge-
     früher ihre Projekte den jeweiligen Fachämtern (Bau-        fasst. Wichtig war dabei der Aspekt der Transparenz:
     ordnungsamt, Stadtplanungsamt) vorgestellt. Dabei           Die Sitzungen müssen öffentlich sein, das heißt die
     standen naturgemäß planungs- und bauordnungs-               Bürger können jederzeit teilnehmen. Stadträte reprä-
     rechtliche Fragen im Vordergrund. Architektonische          sentieren die politische Ebene und anwesende Me-
     Aspekte waren zwar nicht sekundär, spielten jedoch          dienvertreter erhalten ungefilterte Informationen von
     keine entscheidende Rolle. Engagierte Architekten           allen Beteiligten. Auch die für Baufragen zuständigen
     empfanden diese Praxis als unbefriedigend und for-          Bereiche der Verwaltung waren sehr kooperativ und
     derten eine Diskussion über architektonische Fragen         durch eine abgestimmte Ablaufkoordination bemüht,
     auf Augenhöhe mit dem Ziel, das Bauen generell              trotz Beratung im Beirat keine Zeitverluste beim Ge-
     als „öffentliche Aufgabe“ zu begreifen und Qualität         nehmigungsverfahren aufkommen zu lassen. Um den
     sicherzustellen. Zudem sollten Bauvorhaben nicht            gesamten Prozess zielorientiert zu strukturieren, lag
     ausschließlich unter budgetären Gesichtspunkten ent-        es auf der Hand, die Geschäftsstelle des Beirats beim
     wickelt werden, sondern auch den Anforderungen in           Bauordnungsamt anzusiedeln.
     Bezug auf Architektur und Baugestalt gerecht werden:

12
Die erste Sitzung des Gestaltungsbeirats hat ent-          Beratern zusehends geringer. Zudem erfuhr das Wir-
scheidend dazu beigetragen, dass der Regens-               ken des Beirats in der Öffentlichkeit und den Medien
burger Beirat zum Erfolgsmodell werden konnte.             große Aufmerksamkeit. Bauplanung und Architektur
Können Sie sich erinnern, wie es Ihnen als da-             fand jetzt nicht mehr hinter verschlossenen Türen von
maliger Geschäftsführer des GBR im Vorfeld und             Büros und Amtsstuben statt, sondern stellte sich einer
während der Sitzung ergangen ist?                          öffentlichen Debatte, in deren Verlauf die positive Wei-
                                                           terentwicklung der Projekte von Jedermann nachvoll-
Die erste Sitzung des GBR wurde von allen                  zogen werden konnte.
Beteiligten mit großer Spannung erwartet. Auf der
Tagesordnung standen Projekte, die die ganze Band-         An den Veröffentlichungen kann man gut sehen,
breite der städtebaulichen und architektonischen Ent-      dass in der Anfangsphase die Entwürfe durch den
wicklung der Stadt abdeckten, angefangen von einem         GBR qualitative Quantensprünge gemacht haben.
Wohnhausneubau im historischen Kern der Altstadt,          Haben Sie eine Erklärung dafür?
einer baulichen Weiterentwicklung im westlichen Teil
des Oberen Wöhrds bis hin zum Neubau eines Alten-          Nach der Geschäftsordnung des Gestaltungsbei-
heims am östlichen Altstadtrand und die Erweiterung        rats sind alle für das Stadtbild relevanten Vorhaben
und bauliche Akzentuierung eines Einkaufzentrums im        dem Gestaltungsbeirat vorzulegen – unabhängig
Stadtnorden. Alles Vorhaben, die auch das Bauen als        von wirtschaftlichen und terminlichen Vorstellungen
„öffentliche Aufgabe“ thematisierten.                      von Architekten und Bauherren. Das bedeutete, dass
                                                           die Umsetzung der Empfehlungen des GBR bei den
Zudem stellte sich die Frage: Wie können die Beirats-      Vorhaben an besonderen Orten bald ins Auge fiel.
mitglieder – die erstmals in dieser Zusammensetzung        Ein prominentes Beispiel ist sicher der Neubau eines
agierten – im Dialog mit Bauherrn und Architekten er-      Modehauses am St. Kassians-Platz, das einem „Be-
folgreich Überzeugungsarbeit leisten? Unter dem Vor-       tonklotz“ aus den späten 1960er-Jahren folgen sollte.
sitz von Peter Kulka und der herausragenden Kompe-
tenz von Fritz Auer, Willi Egli, Heinz Hilmer und Helmut   Hier hat meiner Meinung nach der Beirat Maßstäbe für
Riemann gelang dies hervorragend. Auch bei Skepti-         das Bauen im denkmalgeschützten Bestand gesetzt,
kern wurden die Vorbehalte gegenüber den externen          die auch heute noch ihre Gültigkeit haben.

                                                                                                                  13
Reflexionen und Eindrücke

     „Die Krankheit unserer heutigen Städ-
     te und Siedlungen ist das traurige
     Resultat unseres Versagens,
     menschliche Grundbedürfnisse über
     wirtschaftliche und industrielle
     Forderungen zu stellen.“

     Walter Gropius, 1883–1969, Architekt und Designer

     Kubatur und Fassadentextur des Baukörpers liefern       chen die Arbeit eines Beirats transparent und besser
     einen eigenständigen Beitrag zum Ensemblecharakter      nachvollziehbar. Die Besetzung mit externen Mitglie-
     der Regensburger Altstadt. Dass die gefundene Lö-       dern verhindert Interessenskonflikte. Alle müssen sich
     sung einen weiteren Finanzrahmen erforderte, konnte     im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes an die
     der GBR dem Bauherrn vermitteln. Ein Projekt, das       Empfehlungen des Beirats halten. Sobald ein Beirat
     nach Abschluss der Beratung von allen Beteiligten,      nur empfiehlt und dann die Politik entscheidet, welche
     vom Bauherrn, Architekten und den Instanzen der         Empfehlungen umgesetzt werden, kann man das Gre-
     Verwaltung gemeinsam getragen wurde und das in          mium gleich abschaffen. Daher ist der Rückhalt vor
     der Öffentlichkeit zudem positive Resonanz erfuhr.      allem in den politischen Gremien von entscheidender
                                                             Bedeutung. Sie müssen die Stärke haben, fachspezi-
     Frau Flemmig, der Gestaltungsbeirat der Stadt           fische Entscheidungen den Fachleuten zu überlassen.
     Regensburg galt lange Zeit als Vorbild für ande-        Diese Rahmenbedingungen bieten die optimalen Vo-
     re Städte. Man sprach in diesem Zusammenhang            raussetzungen für die Effizienz eines Beirats.
     vom Regensburger Modell. Was ist darunter zu
     verstehen?                                              Nach 20-jähriger Aktivität scheint es um den
                                                             Beirat etwas ruhiger zu werden. Dennoch sind
     Tanja Flemmig: Öffentliche Sitzungen, eine Besetzung    Fragen zur Architektur in Regensburg aktueller
     mit externen Fachleuten, verbindliche Umsetzung der     denn je. Dies beginnt mit dem architektonischen
     Empfehlungen sowie Rückhalt in Politik und Verwal-      Erscheinungsbild des Museums der Bayerische
     tung. Das sind die Grundpfeiler des Regensburger        Geschichte und führt zur öffentlichen Kritik an
     Modells, die vor allem in den ersten zehn Beiratsjah-   der gegenwärtigen städtebaulichen und architek-
     ren sehr konsequent umgesetzt wurden. Mit diesem        tonischen Weiterentwicklung in der Stadt, die von
     Modell wurden überzeugende Ergebnisse erzielt, die      Architektenvertretern süffisant als „Bauträgerar-
     über die Grenzen Regensburg hinaus Beachtung fan-       chitektur“ gebrandmarkt wird.
     den. Ich habe in den vergangenen Jahren bundesweit
     Vorträge zum Thema Gestaltungsbeirat gehalten und
     hatte daher oft Gelegenheit, unterschiedlich agieren-
     de Beiräte kennenzulernen. Öffentliche Sitzungen ma-

14
Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?                           Letzte Frage: Gibt es den Gestaltungsbeirat noch
                                                              in 20 Jahren?
Um den Beirat ist es in der Tat ruhiger geworden. Viele
Projekte werden heute über Wettbewerbe entwickelt             Wer weiß? Der Stadtrat könnte morgen entscheiden:
und daher nicht vom Beirat beraten. Das ist ein Grund,        „Der Beirat ist überflüssig oder er ist zu kostenintensiv.“
warum die Zahl der beratenen Projekte – trotz stei-           Das wäre die einfache und ehrliche Variante, das Gre-
gender Baukonjunktur – in den vergangenen Jahren              mium abzuschaffen. Nachdem der Beirat in Regens-
gesunken ist. Häufig wird aber auch der richtige Zeit-        burg trotz aller Kritik aber einen gewissen Stellenwert
punkt verpasst, bei dem es Sinn macht, ein Projekt            besitzt, besteht meines Erachtens eher die Gefahr,
im Beirat zu behandeln. Da brauchen wir dringend              dass er zum zahnlosen Tiger wird, der zwar berät,
neue Strategien, um das Gremium wieder effizienter            aber am Ende macht doch jeder was er will. Solche
einzusetzen. Was die generelle Kritik an der Architek-        Tendenzen kann man durchaus erkennen. Damit das
tur betrifft, sehe ich nicht allein das Beratergremium        Gremium auch in 20 Jahren noch effizient bestehen
in der Pflicht. Die Kritik ist sicher berechtigt, aber kein   kann, muss man seine Arbeit beständig hinterfragen.
Phänomen, das allein Regensburg betrifft. Die – blei-         Die Verwaltung kann sich zum Beispiel überlegen, ob
ben wir bei dem Begriff „Bauträgerarchitektur“ – finden       der Zeitpunkt zu dem man in die Beratung einsteigt,
Sie Land auf, Land ab. Sie ist ein Stück weit ein Spie-       immer der richtige ist. Auch stellt sich die Frage, ob
gel unserer heutigen Gesellschaft. Um das zu ändern,          man das Beratergremium nicht auch bei städtebau-
bräuchten wir politische Vertreter und Verwaltungen,          lichen Planungen einbinden sollte? Von den Beiräten
die bereit sind, neue Wege zu beschreiten; Planer, die        kann man ebenfalls eine Reflextion erwarten: Ist ihre
sich trauen, den Investoren abseits des Mainstreams           Beratung noch effizient? Findet tatsächlich eine Dis-
auch Planungen anzubieten und die sich wieder mehr            kussion auf Augenhöhe statt? Erreichen sie mit ihren
mit der Typologie des Ortes auseinandersetzen; und            Empfehlungen überhaupt Bauherren und Planer?
schlussendlich qualitätsbewusste Bauherren, die sich          Wenn es gelingt, den Beirat immer wieder neu zu er-
zum einen nicht mit schlechten Angeboten zufrieden-           finden und den sich wandelnden Prozessen so anzu-
geben und zum anderen verstehen, dass Gebäude ei-             passen, dass er weiter effizient agieren kann, dann
nen Bezug zum jeweiligen Ort brauchen.                        kann er noch lange bestehen.

                                                                                                                        15
Reflexionen und Eindrücke

     Regensburg als
     inspirierende Mitte
     Willi Egli
     ehemaliger Gestaltungsbeirat (1998 - 2002)

     Regensburg hat vor 20 Jahren mit der Schaffung
     seines Gestaltungsbeirats Pionierarbeit geleistet,        Wenn wir uns als ehemalige „Regensburger“ in
     der zum Vorbild vieler neu gegründeter Beiräte in         anderen Beiräten wie Lübeck, Nürnberg, Ingolstadt
     Deutschland wurde.                                        und Konstanz wieder begegnen, lebt die Erinnerung
                                                               an ein Stück geistiger Heimat auf. Hinter den Namen
     Das Anliegen zur Gründung dieser neu konzipierten         Schaidinger, Stöberl, Werner, Raab und viele mehr
     Institution entstand, wie vielerorts, als Reaktion zur    stehen Persönlichkeiten, die sich in der Gründerge-
     bedauernswerten Tatsache, dass die zeitgemäße             neration mit viel Mut und Engagement der anspruchs-
     Bautätigkeit mehrheitlich ihre kulturelle Verpflichtung   vollen Aufgabe zum qualitativen Weiterbauen an der
     ignoriert. Die immense Bauproduktion steht in einem       Stadt verpflichtet haben.
     krassen Gegensatz zur wünschenswerten Qualität.
     Rücksichtvolles Weiterbauen am reichen Erbe ei-           Selbst die unvollständige Aufzählung zeigt, dass Re-
     ner Stadt wie Regensburg war die Zielsetzung von          gensburg zu einer inspirierenden Kompetenz gewor-
     Politik, Verwaltung und Architekturkreis. Unter dieser    den ist, was die Förderung von Baukultur betrifft. So
     Prämisse sind Experten berufen worden, deren              wie sich Weimar zum Zentrum des Deutschen Idealis-
     eigenes Schaffen bewiesen hat, dass Bauen und Kul-        mus entwickelt hat, hat sich Regensburg zu einem Vor-
     tur untrennbar ineinander verwoben sein können.           bild in der Einforderung baulicher Verantwortung ent-
                                                               faltet. Diese 20-jährige Tradition darf nicht stillstehen.
     Die Berufung auswärtiger Experten ist für ei-             Sie sollte als Stafette auf kulturell hohem Niveau mit
     nen     gut     funktionierenden     Gestaltungsbeirat    immer neuen Persönlichkeiten weiter gepflegt und
     wichtig, aber nicht allein zielführend. Von en-           vererbt werden.
     ormer Bedeutung ist auch die grundsätzliche
     Akzeptanz der Politik mit ihrer Spitze, bis hin zu
     allen entsprechenden Dienststellen. Äußerst wertvoll
     ist, dass die Sitzungen öffentlich abgehalten wer-        „Tradition ist die Bewahrung des Feu-
     den. Damit geht Regensburg einen entscheidenden           ers und nicht die Anbetung der Asche“
     Schritt weiter als das Linzer Vorbild. Die Offenheit in   (Gustav Mahler).
     der Durchführung ermöglicht eine freie Presse, die im
     Stande ist, die beratenen Projekte zu reflektieren und
     damit eine klärende Vermittlung zum Bürger schafft.

16
Die Schönheit der Stadt
ist ihr größtes Kapital
Jórun Ragnarsdóttir
LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei GmbH & Co. KG
Vorsitzende Gestaltungsbeirätin

Von Thomas Jefferson, dem dritten Präsidenten der        de, die aus der Gemeinschaft der einzelnen Ge-
USA, sagt man, er habe empfohlen, für jedes Neu-         bäude entstehen. Wenn die Gebäude Schulter an
bauprojekt 5 bis 7 Prozent Mehrkosten einzurech-         Schulter stehen, sich zu benehmen wissen, und nicht als
nen, mit dem Ziel, eine bessere Architekturqualität      Einzelement die Nachbarn zu übertrumpfen versu-
zu erreichen. Dieser Aufwand zahle sich später um        chen, dann empfinden wir den Stadtraum als schön.
ein Vielfaches wieder aus. Als Politiker sah er zwei-    Die hohe Kunst von Orchesterspielern ist da gefragt,
felsohne eine direkte Verbindung zwischen guter          weniger die Virtuosität von Solisten.
Gestaltung und Ökonomie. Mit seinen Entwürfen für den
Campus der Universität von Virginia, auch für seinen     Jedem, der in der Stadt bauen will, muss klar sein, dass
eigenen Wohnsitz, bewies der begabte Hobbyarchitekt      es ein Privileg ist, in einer schönen Stadt ein neues
seine These, denn beide Ensembles haben Dank ihrer       Haus errichten zu dürfen. Die Spekulation auf kurzfri-
Schönheit stetig an Marktwert gewonnen.                  stige Gewinnchancen, aber auch das Argument, aus
                                                         dem Zwang der Wirtschaftlichkeit die architektonische
Es geht also, wenn wir über die Qualität von Stadt-      Qualität hintanstellen zu müssen, schaden der Stadt
räumen sprechen, nicht allein um die Frage von           (und damit ihrer Ökonomie) im Gesamten.
Schönheit, sondern immer auch um Investitionen
in die wirtschaftliche Zukunft der Stadt selbst. Das     Für mich gibt es keinen schöneren Beleg hinsicht-
kulturelle Kapital einer historisch gewachsenen Stadt    lich der These von Jefferson, als die Altstadt von
ist also immer auch ein ökonomisches Kapital. Insofern   Regensburg. Dieses Kapital nicht nur zu bewahren, es
müssen Gebäude, die als Neulinge in die Stadt            auch zu mehren, bedarf eines ebenso liebevollen wie
gepflanzt werden, grundsätzlich so beschaffen sein,      professionellen Umgangs mit dem städtebaulichen
dass sie zu einer gestalterischen Verbesserung des       und architektonischen Erbe. Das wird der Grund dafür
Gesamten beitragen. Nur unter Wahrung dieses             sein, dass die Bürger und die Politik von Regensburg
Prinzips ist die Lebensfähigkeit, wie auch die Schön-    – als eine der ersten Städte in Deutschland – einen
heit der Stadt, langfristig gesichert.                   Gestaltungsbeirat ins Leben gerufen haben. Ich bin
                                                         mir sicher, dass diese Einrichtung über die vielen Jah-
Wer immer sich mit der Schönheit einer Stadt be-         re hinweg geholfen hat, die einmalige Qualität dieser
schäftigt, wird feststellen, dass es die Straßen und     Stadt zu wahren. Für mich zählt die Arbeit im Gestal-
Plätze sind, die wie Flure, Dielen und Zimmer einer      tungsbeirat dieser Stadt zu den vornehmsten Aufga-
Wohnung die Qualität bestimmen. Ihre harmonische         ben und ich bin dankbar, in diesem Gremium mitarbei-
Wirkung erreichen diese Räume durch ihre Wän-            ten zu dürfen.

                                                                                                                17
Reflexionen und Eindrücke

     Die Arbeit des
     Gestaltungsbeirats aus der
     Sicht des Architekturkreises
     Thomas Eckert
     Vorstand Architekturkreis

     20 Jahre Gestaltungsbeirat der Stadt Regensburg sind     Weiterentwicklung der Altstadt mit zeitgenössischer,
     20 Jahre Erfolgsgeschichte einer Idee für bessere        höchsten Qualitätsansprüchen genügender Archi-
     Bauqualität. Der Architekturkreis, mit dem damaligen     tektur. Dabei darf der Blick auf die Gesamtstadt nicht
     Vorsitzenden Siegfried Dömges als Initiator und Ge-      verloren gehen. Viele Viertel außerhalb der Altstadt
     burtshelfer des Gestaltungsbeirats, freut sich mit der   haben ihren eigenen Charakter entwickelt, den es auf-
     Stadt Regensburg, dass das gemeinsame Bemühen            zuspüren und bei der Bewertung von Bauvorhaben zu
     für eine bessere Bauqualität mit der Einführung die-     berücksichtigen gilt.
     ses Beratergremiums zu einer erfolgreichen und aner-
     kannten Einrichtung geführt hat. Das war nicht immer     Leider habe ich den Eindruck, dass der Gestaltungs-
     so. Anfangs musste das Votum der Gestaltungsbeiräte      beirat in den letzten Jahren an den die Stadtentwick-
     gegen Kritik und juristische Anfechtungen durchge-       lung prägenden, großen, neuen Quartiersentwick-
     setzt werden. Dies war nur möglich, weil Verwaltung      lungen weniger einbezogen wurde. Es wäre deshalb
     und Politik dieses Instrumentarium bedingungslos         wünschenswert, dass der Gestaltungsbeirat auch die
     unterstützten und seinen Gutachten ohne Einschrän-       städtebaulichen Planungen beurteilt. Ebenso wichtig
     kung folgten. Etliche Bausünden konnten so verhin-       ist es, dass nicht nur die Beurteilung und Diskussion
     dert werden, vieles wurde im Diskurs besser.             der Projekte in den frühen Planungsphasen stattfin-
                                                              det, sondern dass eine Qualitätssicherung bis zur
     Inzwischen ist der Gestaltungsbeirat als hochkarätig     Realisierung erfolgt – am Besten in Begleitung eines
     besetztes Forum zur Beurteilung der Baukultur aner-      „Projektpaten“ aus dem Gestaltungsbeirat. Der Ge-
     kannt und eine verlässliche Größe im Baugeschehen        staltungsbeirat wird nach wie vor dringend gebraucht.
     der Stadt. Er diente inzwischen sogar vielen Städten     Sein Aufgabengebiet ist vielfältiger geworden.
     und Gemeinden als Vorbild, die wie Regensburg ein
     geeignetes Instrument zur Verbesserung ihrer Baukul-     Ich wünsche dem Gestaltungsbeirat weiterhin viel Er-
     tur suchten.                                             folg, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit sowie das
                                                              rechte Maß beim gemeinsamen Streben nach der be-
     Neue Herausforderungen kommen auf den Gestal-            sten Lösung im Dienste der Baukultur für unsere Stadt.
     tungsbeirat zu. Der Welterbestatus der Altstadt er-
     fordert beherztes Eintreten für eine qualitätsvolle

18
Mehr Kommunikation,
mehr Baukultur
Jakob Oberpriller
1. Vorsitzender BDA, Kreisverband Regensburg, Niederbayern-Oberpfalz

Vor 20 Jahren begann in Regensburg die Arbeit des            Gestaltungsbeirats als unabhängige Experteninstanz,
Gestaltungsbeirats und diese Tätigkeit hat sich be-          die einen wichtigen Beitrag für eine qualitätvolle, ar-
währt. So hat Regensburg mit seinem erfolgreichen            chitektonische und stadtplanerische Weiterentwick-
Modell eine wichtige Vorbildfunktion für das Entstehen       lung der Stadt geleistet hat, ein nicht zu unterschät-
und Wirken von Gestaltungsbeiräten in vielen ande-           zender Standortfaktor.
ren deutschen Städten übernommen. Ziel und Zweck
eines solchen unabhängigen Expertengremiums für              Dem Gestaltungsbeirat geht es bei seinen Empfeh-
Fragen der Architektur und Stadtplanung ist es, die          lungen um einen ganzheitlichen Ansatz, der für städ-
bauliche Weiterentwicklung unserer Städte zu quali-          tebaulich bedeutsame Vorhaben nicht nur gestalte-
fizieren, also die Qualität des Baugeschehens an er-         rische Gesichtspunkte berücksichtigt, sondern auch
ster Stelle zu setzen. Dies ist deckungsgleich mit den       soziale, ökologische und wirtschaftliche Zusammen-
Zielen, die sich der Bund Deutscher Architekten (BDA)        hänge erfasst. Dieser Prozess ist von Offenheit und
in seiner Satzung gesetzt hat. Auch der BDA will die         Transparenz geprägt, in der die Kommunikation mit
Qualität des Planens und Bauens in Verantwortung             allen Beteiligten – also auch den Bürgern – eine tra-
gegenüber der Gesellschaft und Umwelt stärken und            gende Säule ist. Somit gelingt es, die Architektur und
fördert die Diskussion darüber in der Öffentlichkeit.        Stadtplanung verstärkt in das öffentliche Interesse zu
                                                             rücken und auf die kulturelle und politische Agenda
Immer mehr Städte sehen im Stadtbild ein wichtiges           zu holen. Die Arbeit von Gestaltungsbeiräten ist von
Kulturgut, mit dem sich die Bürgerinnen und Bürger           einem signifikanten Mehrwert gekennzeichnet, also
identifizieren, das den Tourismus voranbringt und das        nicht nur im Ergebnis mehr Baukultur, sondern auch
selbst als Standortfaktor für Unternehmen gilt. Seit der     mehr Kommunikation, mehr Diskussion und mehr
Einsetzung des Gestaltungsbeirats 1998 hat sich in           Verständnis für eine ganzheitliche Betrachtungswei-
Regensburg viel getan. Nicht nur, dass die Altstadt seit     se. Dies trifft auf das Wirken des Gestaltungsbeirats
2006 UNESCO-Welterbe ist. Die Stadt hat sich auch            Regensburg in herausragender Weise zu. Der hier
rasant wirtschaftlich weiterentwickelt, sie ist bei Tou-     verfolgte Ansatz ist nicht ohne Grund für viele Städte
risten aus aller Welt sehr beliebt und nicht zuletzt auch    Vorbild geworden.
bei den jungen Leuten, die Regensburg als Studien-
ort schätzen und die die Stadt zu einer so genannten         Somit wünschen ich dem Gestaltungsbeirat Regens-
Schwarmstadt machen, die auch in Zukunft eine hohe           burg auch weiterhin Offenheit, Transparenz, Unab-
Bevölkerungsdynamik aufweisen wird. Zu dieser Ent-           hängigkeit und Mut für die Erarbeitung seiner Empfeh-
wicklung haben natürlich viele Faktoren beigetragen,         lungen, damit deren Umsetzung die Baukultur in der
nicht zuletzt eine vorausschauende und zukunftsori-          Stadt auch künftig sichtbar und entscheidend fördern.
entierte Stadtpolitik. Dabei ist sicherlich die Arbeit des

                                                                                                                       19
Reflexionen und Eindrücke

     Lohnender Blick von außen:
     der Beitrag von Gestaltungs-
     beiräten zur Baukultur
     Reiner Nagel
     Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur

     Gestaltungsbeiräte haben sich als Instrument in vie-       kultur. Damit wird aus dem Sonderfall Gestaltungsbei-
     len größeren Städten bewährt. Deutschlandweit be-          rat der Regelfall besseren Planens und Bauens als
     trägt ihre Zahl aktuell 130, Tendenz steigend. Immer       bürgerschaftliches Anliegen.
     mehr Städte schätzen ihr Stadtbild als Kulturgut, das
     sich positiv auf die Identifikation der Bürger mit ihrer   In kleineren Gemeinden und ländlichen Regionen
     Stadt auswirkt, auf den Tourismus und die Wirtschaft.      scheint dieses Instrumentarium noch nicht angekom-
     Hilfreich ist daher ein kompetentes und unabhängiges       men zu sein. Die Kommunalumfrage der Bundes-
     Beratungsgremium für qualitätsvolle Architektur, Städ-     stiftung Baukultur im Baukulturbericht 2016/17 zeigt,
     tebau und Stadtplanung.                                    dass es in ländlichen Räumen neben der Akzeptanz
                                                                vor allem an ausreichenden Mitteln und Fällen fehlt,
     Der Beirat berät als Expertengremium nicht nur zur         um einen festen Gestaltungsbeirat zu installieren. Der
     Gestaltung von Bauprojekten, sondern gibt auch             Einsatz von mobilen Gestaltungsbeiräten ist daher ein
     Empfehlungen für den Planungs- und Bauprozess,             Versuch, zumindest die finanzielle und organisato-
     ganz im Sinne der Baukultur: Er fungiert als Vermitt-      rische Hürde abzubauen.
     ler zwischen den beteiligten Akteuren, wirkt als aus-
     gleichender Part und argumentiert im Sinne des Ge-         Die Bundesstiftung Baukultur ermöglicht durch bun-
     meinwohls,. Denn das scheinbar private Bauvorhaben         desweite Netzwerktreffen von Gestaltungsbeiräten
     betrifft dauerhaft die Öffentlichkeit der Stadt. Deshalb   den direkten Austausch von Kommunen, die bereits
     ermöglichen viele Beiräte durch öffentliche Sitzungen      einen Gestaltungsbeirat eingerichtet haben und sol-
     oder Presseinformationen eine Teilhabe der Stadtbe-        chen, die dies in Erwägung ziehen. Ziel ist es, dem
     wohner am Gestaltungsprozess und schaffen Trans-           in jeder Weise lohnenden Blick von außen noch mehr
     parenz und Glaubwürdigkeit bei der Entscheidungsfin-       Konjunktur zu verschaffen.
     dung.

     Über die Jahre bilden die lehrende und lernende Funk-
     tion dieser Baukulturvermittlung so etwas wie eine
     stadtgesellschaftliche Wahrnehmungsfähigkeit und
     qualifizierte Urteilskompetenz für Gestaltung und Bau-

20
Mehrwert von
Gestaltungsbeiräten
Prof. Dr. Agnes Förster
Professorin für Planungstheorie und Stadtentwicklung
an der RWTH Aachen University

Dieser Artikel ist eine Kurzfassung der Ergebnisse
des Forschungsprojekts «Mehr Qualität durch Gestal-
tungsbeiräte. Perspektiven für die Baukultur in Städten
und Gemeinden.» Quelle: Förster, Agnes; Ackermann,
Constanze; Borgmann, Nicola; Holl, Christian (2017):
Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte. Perspektiven
für die Baukultur in Städten und Gemeinden. Bonn:
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
(BBSR).

Baukultur ist eine Gemeinschaftsaufgabe, zu deren         Im persönlichen Gespräch werden Empfehlungen zum
Gelingen viele Akteure auf der Ebene der Kommunen         Projekt ausgesprochen. Tiefgang und Expertise dieser
beitragen. Gestaltungsbeiräte sind ein wichtiges In-      Beratung machten in den Augen zahlreicher Diskus-
strument, um Baukultur im öffentlichen Diskurs, in den    sionsteilnehmer der im Rahmen des Forschungspro-
Verhandlungen zwischen öffentlicher Hand, privaten        jekts durchgeführten Fachtagung, den Kern der Arbeit
Investorinnen und Investoren und zivilgesellschaft-       von Gestaltungsbeiräten aus. Neben den Bauherren
lichen Organisationen zu verankern.                       und Architektinnen und Architekten wird die Politik
                                                          explizit als bedeutende Zielgruppe dieser Beratung
Deutschland verfügt über eine ausgeprägte und viel-       gesehen.
fältige Landschaft von Gestaltungsbeiräten, die seit
Jahren wächst. Ebenso wie architektonische Ansprü-        Baukultur eine Sprache geben. Die verständliche
che und lokale Baukultur befindet sich das Instrument     und nachvollziehbare Argumentation sowie die For-
des Gestaltungsbeirats in einem fortwährenden Ent-        mulierung von Empfehlungen werden als zweiter zen-
wicklungsprozess. Dieser Erfahrungsschatz und die         traler Wirkungsbaustein der Arbeit von Gestaltungs-
vielfältigen Erwartungen an die Arbeit von Gestal-        beiräten wahrgenommen. Baukultur wird wesentlich
tungsbeiräten sind es wert, das Instrument in seiner      über die individuelle Wahrnehmung, den unmittel-
Arbeitsweise wie auch in seinem Mehrwert genauer          baren, räumlichen Gebrauch und die mediale Verbrei-
zu beleuchten. Was tragen Gestaltungsbeiräte zu ei-       tung von Fotos und Bildern kommuniziert. Für eine
ner dauerhaft lebenswerten und auch schönen Stadt         Verständigung über Baukultur ist es aber von zentraler
bei?                                                      Bedeutung, diese auch sprachlich zu fassen. Diese
                                                          Leistung erbringen Gestaltungsbeiräte. Neben dem
Beraten und Wissen vermitteln. Die Beratung von           fachlichen Know-how der Mitglieder ist ihre sprach-
Bauherren, Politik und Verwaltung steht im Mittelpunkt    liche und kommunikative Kompetenz eine wichtige Vo-
der Arbeit von Gestaltungsbeiräten. Die Besonderheit      raussetzung für eine wirkungsvolle Arbeit. Auf dieser
besteht in der Konstellation und den Rollen von Archi-    Ebene bewirken Gestaltungsbeiräte Veränderungen in
tektin und Architekt, Verwaltung und Politik. Die Be-     den Köpfen, sie unterstützen eine breite und fachlich
ratung erfolgt auf Basis von Ortsbesichtigungen, der      fundierte Diskussionskultur.
Sichtung und der Präsentation der Planunterlagen.

                                                                                                               21
GESTALTUNGSBEIRÄTE
                                                                                      IN DEUTSCHLAND
                                                                                      Die Verteilung der 130 bestehenden Gestal-
                                                                                      tungsbeiräte nach Stadtgrößen zeigt ein
                                                                                      regional stark differenziertes Bild, wonach
                                                                                      sich vor allem im Ruhrgebiet und in Baden-
                                                                                      Württemberg zahlreiche Gestaltungsbei-
                                                                                      räte konzentrieren. Im Norden und Osten
                                                                                      Deutschlands, wie in Brandenburg oder
                                                                                      Sachsen, gibt es hingegen nur sehr verein-
                                                                                      zelt Gestaltungsbeiräte. Die Karte zeigt
                                                                                      ebenfalls die Verteilung der neueren
                                                                                      Entwicklung der Sonderformen der Beiräte
                                                                                      in Form der insgesamt 8 bestehenden tem-
                                                                                      porären, regionalen und mobilen Gestal-
                                                                                      tungsbeiräte der Architektenkammern
                                                                                      der Länder.

                                                                                      Definition der Stadtgrößen:
                                                                                      Große Großstadt
                                                                                      (≥ 500.000 Einwohner),
                                                                                      Kleine Großstadt
                                                                                      (100.000 – < 500.000 Einwohner),
                                                                                      Mittelstadt
                                                                                      (25.00 – < 100.000 Einwohner)
                                                                                      und Kleinstadt
                                                                                      (< 25.000 Einwohner)

                                                                                      Großstädte

                                                                                      Kleine Großstädte

                                                                                      Mittelstädte

                                                                                      Kleinstädte

                                                                                      Sonderformen

                                                                                      Quelle: die Autoren. Daten: BBSR 2017,
                                                                                      Förderverein Bundesstiftung Baukultur e.V.
                                                                                      2014
     Gestaltungsbeiräte in Deutschland

     Öffentlichkeit herstellen. Die öffentliche Wahrneh-        Verbündete, Multiplikatoren, Netzwerk anspre-
     mung und Transparenz der Arbeit von Gestaltungs-           chen. Die Identifikation, das Gespräch und die Ver-
     beiräten und die Veröffentlichung der Beratungser-         netzung mit Verbündeten und Multiplikatoren zum
     gebnisse sind ein weiterer bedeutender Beitrag von         Thema Baukultur, sind ein weiterer Schlüssel, um mit
     Gestaltungsbeiräten. Damit wird die Verhandlungs-          der Arbeit von Gestaltungsbeiräten tatsächlich einen
     position der öffentlichen Hand gegenüber dem Pro-          Mehrwert zu erreichen. Dabei geht es auch darum,
     jektträger unterstützt. Im Zusammenspiel mit einer         geeignete Kooperationen und Arbeitsteilungen zwi-
     verständlichen, nachvollziehbaren Sprache und Argu-        schen den verschiedenen Akteuren zu finden. Das In-
     mentation können die Empfehlungen der Gestaltungs-         strument Gestaltungsbeirat wird gestärkt, wenn es in
     beiräte Mitstreiter zum Thema Baukultur erreichen          ein weites Feld von Akteuren und Initiativen zum The-
     und allgemein die Bewusstseinsbildung schärfen und         ma Baukultur eingebettet ist. Zudem werden Politiker
     zum Nachahmen anregen.                                     als wichtige Multiplikatoren genannt, um mit der Arbeit
                                                                der Gestaltungsbeiräte eine Wirkung in die Breite zu
     Aushandeln und verhandeln. Gestaltungsbeiräte              entfalten. Daher ist die Einbindung der Politik in die
     werden als entlastendes Gremium für die Verwaltung         Beratung wichtig.
     verstanden. Zugleich ist die Politikberatung von zen-
     traler Bedeutung. Gestaltungsbeiräte wirken als Zwi-       Bewusstseinsbildung, Ausstrahlung, Nachahmer
     schenebene zwischen Bauherrschaft und Architektin          anregen. Gestaltungsbeiräte brauchen – zusammen
     oder Architekt sowie Verwaltung und Politik. Argu-         mit Architektinnen und Architekten, Bauherrschaft,
     mentation und Empfehlungen des Gestaltungsbeirats          Verwaltung und Politik – Erfolgserlebnisse, um den
     unterstützen die Verwaltung und Politik, öffentliche In-   Sinn des Gestaltungsbeirats nach außen zu tragen
     teressen gegenüber den Projektträgern zu vertreten         und weitere Projektträger zu ermutigen, ebenfalls die
     und erfolgreich auszuhandeln.                              Beratung dieses Gremiums zu suchen. Transparenz
                                                                und das richtige Maß an Öffentlichkeit sind wichtig, um
     Entscheiden und legitimieren. Im Ergebnis soll die         in der öffentlichen Diskussion einen Lernprozess zum
     Arbeit von Gestaltungsbeiräten planerische und poli-       Thema Baukultur in Gang zu setzen. Die Arbeit von
     tische Entscheidungen herbeiführen und diese durch         Gestaltungsbeiräten kann Veränderungen in den Köp-
     die Unabhängigkeit des Gremiums und die Verständ-          fen anstoßen, die im Diskussionsprozess über Baukul-
     lichkeit der Argumentation legitimieren. Mit diesen        tur besonders wichtig sind. Über diese wirkungsvollen
     Entscheidungen werden einzelne Planungsvorhaben            Bausteine der Arbeit von Gestaltungsbeiräten können
     konkret verbessert.                                        Städte langfristig drei Ebenen des Mehrwerts entwi-
                                                                ckeln.

22
Stadtgestaltung und
                                                                                                                         Alltagsarchitektur
                                                                                                                         – Was prägt die Identität
                                                                                                                            unserer Stadt?
                                                                                                                         – Was ist uns unser
                                                                                                                            bauliches Erbe wert?
                                                                                                                         – Wie soll sich unsere Stadt
                                                                                                                            fortentwickeln?
                                                                                                                         – ...
                                                                                                   Entscheiden
                                                                                                                         Kommunikation und
                                                                                                 und legitimieren
 Institution                                                                                                             Beteiligung
                                                                                                                         – Wer sind unsere Partner
 Arbeitsweise                                                                                                              in der Vermittlung von
                                                                                                                           Baukultur?
 Position und Rolle                                                                                                      – Wie nehmen wir die
 Rahmenbedingungen                                                                                                         Bürgerinnen und Bürger
                                                                                                   Verbündete,             im Weiterbau unserer
                                                                                                 Multiplikatoren,          Stadt mit?
                                                                                               Netzwerk ansprechen       – ...
                                                                                                                         Image und
                                                                                                                         Standortförderung
                                                                                                                         – Welche Alleinstellungs-
                                                                                                                           merkmale haben wir?
                                                                                                                         – Welche Rolle spielt
                                                                                               Bewusstseinsbildung         Baukultur für die Attrak-
                                                                                                  Ausstrahlung             tivität unserer Stadt?
                                                                                                Nachahmer anregen        – ...

                                                                               LERNPROZESS

Skizze wirkungsvolle Bausteine, Mehrwert und Lernprozess, der mit der Arbeit der Gestaltungsbeiräte angestoßen wird.

Stadtgestalt und Alltagsarchitektur. Bauherrschaft                                 tion und Beteiligung grundlegende Fragen mit erörtert
und Investierende verstehen, dass die Qualität für den                             werden: Wer sind geeignete Partner bei der Vermitt-
Erfolg ihrer Projekte eine wichtige Voraussetzung ist.                             lung von Baukultur? Wie werden die Bürger im Wei-
Besonders hervorzuheben sind die positiven Auswir-                                 terbau unserer Stadt mitgenommen? Welche weiteren
kungen auf den öffentlichen Raum, der in der Bera-                                 Vermittlungsansätze sollten angestoßen werden, um
tung eine besondere Aufmerksamkeit erfahren muss.                                  architektonische, städtebauliche und freiräumliche
Der Mehrwert von Gestaltungsbeiräten für Stadtge-                                  Qualitäten und gelungene Beispiele in das öffentliche
stalt und Alltagsarchitektur wird in einer Stadt erst mit-                         Bewusstsein zu rücken?
tel- bis langfristig sichtbar. Zuvor unterstützt die Arbeit
der Gestaltungsbeiräte die Fokussierung und Klärung                                Image und Standortförderung. Gutes Bauen, ge-
wichtiger Fragen zum Thema Baukultur wie beispiels-                                lungene Stadtgestaltung und Architektur helfen, eine
weise: Was prägt die spezifische Identität einer Stadt?                            Kommune oder auch eine ganze Region als Stand-
Welchen Stellenwert hat das bauliche Erbe – aus                                    ort zu stärken und zu positionieren. Das kann für die
welchen Epochen? Wie soll sich die Stadt weiterent-                                Attraktivität als Wohnstandort, als Unternehmens-
wickeln? Diese Fragen werden bei jeder Sitzung des                                 standort und auch für den Tourismus gelten. Eine
Gestaltungsbeirats mitverhandelt und über die Abfol-                               wesentliche Aufgabe von Gestaltungsbeiräten ist, die
ge der Beratung unterschiedlicher Projekte fortlaufend                             Bedeutung von Baukultur in der jeweiligen Kommu-
vertieft und konsolidiert.                                                         ne innerhalb von Verwaltung und Politik zu schärfen:
                                                                                   Welche Alleinstellungsmerkmale liegen vor? Wie kann
Kommunikation und Beteiligung. In der Stärkung                                     die Attraktivität der Kommune mit guter Architektur,
der öffentlichen Diskussion über gute Architektur,                                 Städtebau und Freiraum gesteigert werden? Welche
Landschaftsarchitektur und Städtebau liegt ein be-                                 Zielgruppen im Bereich Tourismus, Unternehmen oder
deutender Mehrwert von Gestaltungsbeiräten. Bau-                                   Wohnbevölkerung können damit erreicht werden? Die
en ist eine öffentliche Angelegenheit und sollte damit                             Verknüpfung von Stadtgestalt, Image und Standort-
auch öffentlich verhandelt werden. Ein gewisser Grad                               förderung ist ein Lernprozess, den Gestaltungsbeiräte
an Öffentlichkeit und Transparenz ist notwendig, um                                mit ihrer laufenden Arbeit befördern können. Der ei-
den Lerneffekt zur Baukultur im öffentlichen Diskurs                               gentliche Mehrwert kann sich nur mittel- bis langfristig
zu fördern. Eine Berichterstattung über die Arbeit der                             einstellen und erhöhen.
Gestaltungsbeiräte in der Presse ist aus dieser Per-
spektive wünschenswert. Im Rahmen der Arbeit der
Gestaltungsbeiräte sollten in Bezug auf Kommunika-

                                                                                                                                                        23
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