Stressreduktion und Leistungsverbesserung - Hält Brain-Gym, was es verspricht?

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Stressreduktion und
   Leistungsverbesserung –
   Hält Brain-Gym,
   was es verspricht?
                                                     WOGE

Reduction of stress and improvement of performce
Does »Brain-Gym« keep one’s promise?
                                                            reportpsychologie ‹29› 10|2004

                Andrea Logen, Christiane Fügemann,
                Wolf-Rüdiger Minsel, Egon Stephan
                Universität zu Köln
        602
reportfachwissenschaftlicherteil
                                 Einleitung                                                 Bisher existieren nur sehr wenige Studien, die versu-
                                 In der folgenden Arbeit wird experimentell überprüft,      chen, Edu-Kinestetik zu evaluieren. Breitenbach und
                                 ob Brain-Gym im Vergleich zu einer Scheinbehandlung        Keßler (1997) geben einen Überblick über vier Evalua-
                                 stärker Stress reduzierend und leistungsfördernd wirkt,    tionsstudien, die Effekte von Brain-Gym untersuchen.
                                 d.h. ob die Versprechungen der Befürworter von             Weitere drei Arbeiten wurden in der Literatur gefun-
                                 Brain-Gym haltbar und sinnvoll sind.                       den. Hierbei kommen fünf Studien zu einer Bestäti-
                                                                                            gung der Wirksamkeit von Brain-Gym, zwei Studien
                                 Theoretischer Hintergrund                                  konnten keine Effekte belegen.
                                 Edu-Kinestetik (EK) ist ein Spezialbereich der Kinesio-    Der zentrale methodische Kritikpunkt besteht darin,
                                 logie, der kinesiologisches Denken und kinesiologi-        dass in den bisherigen Studien zu Brain-Gym stets oh-
                                 sche Techniken auf den Bereich der Erziehung über-         ne Scheinbehandlung gearbeitet wurde. Zum Teil feh-
                                 trägt (Braun von Gladiss, 1991). EK wurde von dem          len Kontrollgruppen gänzlich. Die zwei Studien, die
                                 amerikanischen Pädagogen Dennison entwickelt, um           die Effektivität von Brain-Gym nicht stützen, sind inso-
                                 Kindern mit Lern- und Sprachschwierigkeiten zu hel-        fern methodisch anspruchsvoller, als sie mit ausrei-
                                 fen. Es zielt auf die Diagnose und Beseitigungen von       chend großen Stichproben arbeiten und die Personen
                                 »Blockierungen im Energiekreislauf« und damit auf die      den Gruppen zufällig zugeordnet wurden.
                                 Beseitigung von Lernproblemen. Die Annahme der             Die gefundenen Effekte von Brain-Gym beziehen sich
                                 Existenz des Energiekreislaufes stammt aus der tradi-      im weitesten Sinne auf motorische Fähigkeiten (z.B.
                                 tionellen chinesischen Medizin und ist kein Konzept        Gleichgewicht). Die zwei Studien, die keine Effekte
                                 der Schulmedizin. Eine zentrale Annahme der Edu-Ki-        von Brain-Gym nachweisen, überprüfen jedoch den
                                 nestetik besteht darin, dass das menschliche Gehirn        Einfluss auf (multifaktoriell bedingte) Schulleistungen.
                                 neben der bekannten Unterscheidung in rechte und           Untersuchungen zur postulierten Stressreduktion, zur
                                 linke Gehirnhälfte (Lateralisierungsaspekt) in Vorder-     Verbesserung von Stimmung und Aufgabenbewertung
                                 und Hinterhirn (Fokussierungsaspekt) sowie in oberen       wurden bislang noch nicht durchgeführt. Ebenso man-
                                 und unteren Gehirnbereich (Zentrierungsapekt) geteilt      gelte es bisher an einer vergleichbaren Scheinbehand-
                                 sei. Dementsprechend wird in der Edu-Kinestetik zwi-       lung zum Brain-Gym, um den Effekt der »besonderen
                                 schen der »Rechts-Links-Balance«, der »Vorne-Hinten-       Behandlung an sich« zu kontrollieren. Diese Lücke zu
                                 Balance« und der »Oben-Unten-Balance« unterschie-          schließen ist das Ziel dieser Untersuchung.
                                 den (Dennison, 1999). Nur wenn Balance bzw. Ausge-
                                 glichenheit zwischen den jeweiligen Hirnhälften vor-       Fragestellungen und Hypothesen
                                 handen sei, könne Energie problemlos durch den Kör-        Es wird angenommen, dass durch Brain-Gym in der Ex-
                                 per fließen. Stress und Unsicherheiten erzeugten Blo-      perimentalgruppe (EG)
                                 ckaden des Energieflusses und somit Blockaden des          1. der physiologische Stress (Herzrate, elektrodermale
                                 Lernens und der Lernfreude.                                Aktivität, Muskelaktivität) stärker reduziert wird
                                 Zur (Wieder-) Herstellung dieser drei Balancen wurden      2. der subjektiv wahrgenommene Stress stärker verrin-
                                 von Dennison und Dennison (1998) edu-kinestetische         gert wird
                                 Übungen entwickelt, die als »Brain-Gym« bezeichnet         3. die Konzentrationsleistung (Aufgabenmenge und
                                 werden. Sie sollen je nach Übung stimulierend (Latera-     -güte) stärker verbessert wird
                                 litätsaspekt), entlastend (Fokusaspekt) oder entspan-      4. die Aufgabenbewertung stärker verbessert wird
                                 nend (Zentrierungsaspekt) wirken. Die Wahl der jewei-      5. die Stimmung stärker verbessert wird
                                 ligen Übung richtet sich nach der individuellen Lern-      als in der Kontrollgruppe (KG).
                                 blockade des Lernenden.                                    Diese Fragestellungen sind jeweils durch drei Einzelhy-
                                 So enthusiastisch die Vertreter der Kinesiologie die       pothesen wie folgt zu spezifizieren: Unter der Annah-
                                 Wirkung ihrer Methoden propagieren, stellt sich die        me, dass Brain-Gym wirkt, werden für jedes Konstrukt
                                 Frage, ob die Vorstellungen, die geradezu ideologiear-     folgende Teil-Hypothesen aufgestellt und mittels ein-
                                 tig vorgetragen werden, einer wissenschaftlichen Prü-      seitigem t-Test getestet:
                                 fung standhalten. U.a. betont Neuhäuser (1997b), dass      H1: µ EG, Nach - µ EG, Vor < 0 (reduziert)
                                 die theoretische Begründung der Edu-Kinestetik rein        bzw. > 0 (verbessert)
                                 spekulativ sei und auf Einzelerfahrungen beruhe. Er        H2 : µ KG, Nach- µ KG, Vor  0 (verbessert)
                                 rung können gewisse positive Effekte eintreten, ein        Zusätzlich soll explorativ geklärt werden, wie die Teil-
                                 spezifischer Effekt sei eher unwahrscheinlich. Zu ähnli-   nehmer Brain-Gym empfinden und wie sie subjektiv die
reportpsychologie ‹29› 10|2004

                                 cher Einschätzung gelangt Pfeifer (1996). Brain-Gym        Wirksamkeit dieser Methode beurteilen.
                                 könne entspannend wirken, dies kann insbesondere für
                                 jüngere Schüler positiv sein. Jedoch darf dabei nicht      Methodik
                                 übersehen werden, dass allein das »Sich kümmern«           Stichprobe
                                 therapeutisch wirkt. Abschließend schätzt Neuhäuser        Je 22 (19 weiblich, drei männlich) Psychologiestuden-
                                 (1997b) ein, dass die Kinesiologie »keinen wissenschaft-   ten wurden parallelisiert nach den Merkmalen Ge-
                                 lichen Stellenwert« besitzt.                               schlecht, Alter und Sportlichkeit der EG und KG zuge-

                                                                                                                                               603
Dipl.-Psych.            teilt. Der Altersmittelwert lag bei 26.5 (EG) bzw. bei           sein, die psychophysiologischen Messungen erlauben,
A. LOGEN
                        27.1 (KG) Jahren bei einer Standardabweichung von 5.7            die Brain-Gym-Übungen repräsentieren und nicht län-
Dipl.-Psych.            (EG) bzw. 7.0 (KG) Jahren.                                       ger als 20 min in Anspruch nehmen.
C. FÜGEMANN             Zur Überprüfung der Vergleichbarkeit von EG und KG               Die KG wurde instruiert, auf und ab zu gehen und ge-
                        wurden zusätzlich die Bekanntheit von Brain-Gym, die             legentlich ihre Hände auszuschütteln. Dabei wurde ih-
Prof. Dr.
W.-R. MINSEL            erlebte Stresshäufigkeit, die präferierten Entspan-              nen vermittelt, dies sei echtes Brain-Gym. Sie wurden
                        nungsstrategien und Erfahrungen mit Lernschwierig-               ebenso überzeugend über die Wirksamkeit von Brain-
Institut für
                        keiten erfragt. Hierbei zeigte kein Bereich statistisch          Gym informiert. Darauf folgte die erneute Bearbeitung
Psychologie,
Erziehungswissen-       signifikante Unterschiede zwischen EG und KG.                    des KLT in der Parallelform, wiederum unter Lärm-
schaftliche Fakultät                                                                     und Zeitdruckbedingungen (A). Zur Stützung der Be-
Universität zu Köln,
                        Erhebungsmethoden und Versuchsplan                               funde bearbeiteten die Teilnehmer zum Abschluss die
Forschungsschwer-
punkt: u.a. Klinische   ■ Konzentrationsleistungstest (KLT) von Düker und                oben beschriebenen, selbst entwickelten Fragebögen,
Psychologie             Lienert (1959); erfasst Qualität (Fehlerneigung) und             bei denen rückblickend Erleben und Bewertung der
                        Quantität der bearbeiteten Kopfrechenaufgaben                    beiden Konzentrationstest- und der Interventionssi-
                        ■ Erfassung physiologischer Stressparameter:                     tuationen erfasst wurden.
Prof. Dr.               Muskelaktivität (EMG), Hautleitfähigkeit (EDA) und
E. STEPHAN
                        Herzrate (HR) mittels Kölner Vitaport-System1, einem             Ergebnisse
Psychologisches         leichten, portablen Gerät zum Registrieren physiologi-           Die Rohdaten des Kölner Vitaport-Systems wurden
Institut der            scher Daten (Jain und Gehde, 1994)                               nach einer Artefaktbereinigung, so aufbereitet, dass
Universität zu Köln,
                        ■ Fragebogen zum Erleben der Leistungssituation,                 für die fünf Intervalle (baseline, KLT1, Intervention,
Forschungs-
schwerpunkt: u.a.       »Bearbeiten des KLT« (Logen, 2003)                               KLT2, endline) Mittelwerte und Streuungen der drei
Psychophysiologie           ■ subjektiv erlebter Stress, Bewertung der Aufga-            Kennwerte Herzrate, elektrodermale Aktivität und
                        benschwierigkeit und der Freude an der Aufgabenlö-               Muskelaktivität zur Verfügung standen. Im Weiteren
                        sung, Gefühlslage                                                werden jedoch nur die Werte während der jeweiligen
                        ■ Fragebogen zur Einschätzung von Brain-Gym                      Durchführung des KLT betrachtet.
                        (Logen, 2003)                                                    Tab. 1 Mittelwerte und Standardabweichungen der
Adresse                     ■ subjektiv erlebter Stress, Annahmen über die               physiologischen Parameter während der Durchführung
Dipl.-Psych.            Wirksamkeit von Brain-Gym, Bewertung der Wirkung                 des KLT
C. Fügemann,
Institut für                                                                                                               EG                KG
Psychologie,            Versuchsplan und Ablauf
                                                                                                                   M        s         M       s
Erziehungswissen-       Der Versuchsplan entspricht einem ABA-Design. Die
schaftliche Fakultät,
                                                                                          KLT 1           HR        85.1     10.5     85.4     12.5
                        Erfassung der objektiven Stressparamter erfolgte kon-
Universität zu Köln,                                                                                      EMG       47.0     29.2     40.9     23.9
Gronewaldstr. 2,        tinuierlich mittels Vitaport-System, beginnend mit ei-
50931 Köln              ner baseline vor der Konzentrationstestung. Die Bear-                             EDA        3.0        2.5    3.6        2.1
                        beitung des KLT 1 erfolgt unter Lärm (Kassette mit                KLT 2           HR        80.1        8.3   76.5        8.6
F 0221 - 4 70 51 05
                        Bau- und Straßengeräuschen) und Zeitdruckbedingun-
E christiane.                                                                                             EMG       43.9     25.4     38.2     21.8
fuegemann@              gen (Hälfte der üblichen Zeitvorgabe des KLT, 15 statt
                                                                                                          EDA        2.7        2.0    3.2        1.8
uni-koeln.de            30 min) (Phase A).
                        Während der Interventionsphase (B) führte die EG un-             HR Herzrate
                        ter Anleitung der Versuchsleiterin die Brain-Gym-                EMG Muskelaktivität
                        Übungen Balancepunkte, Eule, Erdpunkte, Fußpumpe,                EDA elektrodermale Aktivität
                        Gehirnpunkte, Liegende Acht, Raumpunkte und Über-
                        kreuzbewegungen2 aus. Zusätzlich wurde über die                  ■ Physiologischer Stress:
                        Wirksamkeit von Brain-Gym überzeugend informiert.                Für die Herzrate (HR) zeigte sich in der EG eine signifi-
                        Die Übungen waren zuvor unter verschiedenen Ge-                  kante mittlere Differenz von -4.9 (s = 4.31) zwischen
                        sichtspunkten ausgewählt worden. Sie sollten laut Li-            KLT 1 und 2 (T = 5.4 >Tkrit (21, 95%)= 1,72; d = .052) und
                        teratur die für die Bearbeitung des KLT unter Lärm-              in der EG eine signifikante mittlere Differenz von
                        und Zeitdruckbedingungen relevanten Fähigkeiten                  -8.94 (s = 5.22) (T = 8.04 >Tkrit (21, 95%) = 1,72; d = .83).
                        und Fertigkeiten günstig beeinflussen, leicht erlernbar          Der Interaktionseffekt wird mit einem T von 2,75

                                   1 Das Vitaport hat ungefähr die Größe eines Walkmans (13 x 9 x 3,5 cm) und wiegt im betriebsbereiten Zustand ca.
                        500 Gramm (Jain, Martens, Mutz, Weiß & Stephan, 1996). Es kann in einer kleinen Tasche direkt am Körper getragen werden
                        und ist so besonders auch für Untersuchungen im Feld geeignet. Seine Hülle besteht aus Flugzeugaluminium, und es wird mit
                        Batterien (Mignon) oder Akkus betrieben. Mit dem Kölner Vitaport-System können bis zu 18 Messkanäle (z.B. EKG, EDA) paral-
                        lel gemessen und aufgezeichnet werden, wobei jeder Kanal über die Software des Systems gesondert einstellbar ist (Wandlungs-,
                                                                                                                                                          reportpsychologie ‹29› 10|2004

                        Abtast-, Speicherrate, Filter- und Vorverarbeitungsverfahren). Die Daten werden digital gespeichert, so dass sie auf Rechner
                        jeden Typs übertragen und statistisch ausgewertet werden können. Die Aufbereitung und Auswertung der gespeicherten Daten
                        erfolgt über die zum System gehörende Software Variograph (Jain & Mutz, 1997). Durch seine besondere Konzeption (s.o.)
                        ermöglicht das Vitaport-System insbesondere auch eine objektive und zuverlässige Erfassung von Stress unter alltäglichen Bedin-
                        gungen.

                                  2 Die Übungen wurden aus Dennison, Dennison & Teplitz (1999), Brain-Gym fürs Büro (2.Aufl.), entnommen. Eine
                        Kurzbeschreibung liegt den Autoren vor und kann bei Interesse bei der Zweitautorin angefordert werden.

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reportfachwissenschaftlicherteil

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reportpsychologie ‹29› 10|2004

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( > Tkrit (42, 5%) = -1.68) nicht signifikant, da ein stärke-    benlösen beobachtet werden. Von daher erübrigt sich
res Absinken der Herzrate in der KG als in der EG zu             auch die Betrachtung der Interaktion. Die Hypothese,
beobachten ist.                                                  dass Brain-Gym zu einer günstigeren Aufgabenbewer-
Für die Muskelaktivität (EMG) konnten in der EG und              tung führt, muss damit abgelehnt werden.
KG keine signifikanten Veränderungen von erster zu               ■ Stimmung:
zweiter KLT-Durchführung ermittelt werden. Auf die               Für die Beurteilung der Stimmung während der Aufga-
Prüfung des Interaktionseffekts kann somit verzichtet            benbearbeitung wurden 22 Adjektive aus dem Reper-
werden.                                                          toire der Kinesiologen gewählt, mittels derer die Stim-
Die elektrodermale Aktivität (EDA) reduzierte sich               mung für die jeweilige Konzentrationstestbearbeitung
ebenfalls weder in der EG noch in der VG signifikant             nach Ablauf der zweiten Durchführung rückblickend
von erster zu zweiter Testung. Wiederum erübrigt sich            für beide KLT- Situationen eingeschätzt werden sollte.
die Betrachtung der Interaktion.                                 Tabelle 2 führt signifikante Änderungen der Gefühlsbe-
Zusammenfassend kann für die physiologischen Stress-             schreibungen in EG und KG auf, wobei bei Variablen
parameter geschlossen werden, dass die Hypothese,                mit positiver Konnotation ein negativer Differenzwert
dass Brain-Gym den physiologischen Stress stärker re-            eine Verbesserung der Stimmung bedeutet und bei Va-
duziert als die Scheinbehandlung, abgelehnt werden               riablen mit negativer Konnotation ein positiver Diffe-
muss.                                                            renzwert eine Verringerung dieses (negativen) Zustan-
■ Subjektiv erlebter Stress:                                     des ausdrückt.
In der EG reduzierte sich der subjektiv erlebte Stress
signifikant von erster zu zweiter Durchführung des KLT           Tabelle 2: Differenz der Stimmungswerte aus KLT1
von durchschnittlich 4.59 (s = .91) auf 3.27 (s = 1.32)          und KLT2 und T-Werte signifikanter Mittelwertsunter-
Punkte (T = 4.95 >Tkrit (21, 95%) = 1,72; d = 1.13). Auch in     schiede (T-Test für abhängige Stichproben, nach Bon-
der KG reduzierte sich der subjektiv erlebte Stress sig-         feroni adjustiertes α: Tkrit (21, 988%) = 3.23, bzw.
nifikant (T = 5.19 >Tkrit (21, 95%) = 1,72; d = 1.07) von ers-   Tkrit (21, 0,2%)= -3.23 einseitige Prüfung)
ter zu zweiter Durchführung des KLT. Dabei wurden
bei der ersten Durchführung in der KG durchschnitt-                           Experimentalgruppe Kontrollgruppe
lich 4.68 (s = .84) und bei der zweiten Durchführung             sicher       -.50                   -.28
im Mittel 3.45 (s = 1.01) Punkte erzielt. Jedoch findet                       (T = 4.58, d = .72)
die Änderung des Stresserlebens gleichermaßen in bei-
                                                                 nervös        .63                   .37
den Gruppen statt und unterscheidet sich nicht signi-                         (T = -3.78, d = .97)
fikant voneinander. Die Hypothese, dass Brain-Gym                angespannt .78                    .59
den subjektiven Stress stärker reduziert als Herumge-                       (T = -4.46, d = 1,09) (T = -3.48, d =.79)
hen, wird daher abgelehnt.                                       entspannt    -.68                 -.73
■ Konzentrationsleistung:                                                     (T = 5.63, d = 1.04) (T = 4.45, d = 1.07)
In der EG und VG verbesserte sich die Quantität der
gerechneten Aufgaben von erster zu zweiter Durch-                Obgleich sich in der EG einige relevante Stimmungs-
führung des KLT signifikant                                      verbesserungen aufzeigen lassen, findet sich jedoch
(EG: M1 = 51.68, s1 = 15.66,                                     bei der Prüfung der Interaktion in keinem der Stim-
M2 = 65.05, s2 = 18.75,                                          mungsparameter eine signifikant stärkere Verbesse-
T = -7.87 < Tkrit (21, 5%) = -1,72; d = 0.77),                   rung der Stimmung in der EG als in der KG. Die Hypo-
(KG: M1 = 50.36, s1 = 18.78,                                     these, dass Brain-Gym die Stimmung stärker positiv
M2 = 61.23, s2 = 22.29,                                          beeinflusse als Herumgehen, ist somit abzulehnen.
T = -6.13 < Tkrit (21, 5%) = -1,72 ; d = 0.52).                  ■ Abschließend sollte explorativ die Bewertung von
Die EG verbesserte sich jedoch nicht signifikant stärker         Brain-Gym untersucht werden, unabhängig davon, ob
als die KG.                                                      echtes oder scheinbares Brain-Gym durchgeführt wur-
Ebenso zeigten sich signifikante Verringerungen der              de. Auf die Frage, ob Brain-Gym eine positive Wirkung
Fehlerneigung in beiden Gruppen                                  hatte, antworteten 81 % der EG und 83 % der KG mit
(EG: M1 = 16.60, s1 = 10.21, M2 = 11.75, s2 = 7.09,              ja. Mittels Chi-Quadrat-Statistik konnte kein signifi-
T = 3.11 > Tkrit (21, 95%) = 1,72; d = 0.55),                    kanter Unterschied bezüglich der Zustimmung bzw.
(KG: M1 = 13.25, s1 = 6.56, M2 =9.53, s2 = 6.02,                 Ablehnung dieser Frage in den Gruppen gefunden
T = 3.57 > Tkrit (21, 95%) = 1,72, d = .59).                     werden. Die Fragen »ich glaube, dass man durch Brain-
Die Probanden von EG und KG verringerten jedoch ih-              Gym leichter lernen kann« und »Brain-Gym hat einen
re Fehlerneigung in gleicher Weise.                              positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit« wurden
■ Aufgabenbewertung:                                             auf einer vierstufigen Antwortsskala beantwortet. Es
                                                                                                                           reportpsychologie ‹29› 10|2004

Zur Frage, inwieweit sich die Aufgabenbewertung der              ergaben sich in der Einschätzung dieser beiden Items
KLT -Aufgaben änderte, wurden die erlebte Schwierig-             keine Mittelwertsunterschiede zwischen den Grup-
keit und erlebte Freude, die nach der zweiten Bearbei-           pen. Insgesamt zeigt sich bei weiteren 22 Items zur Be-
tung des KLT für beide Testdurchführungen erfragt                wertung von Brain-Gym, dass dieses überwiegend po-
wurden, herangezogen. In keiner der beiden Gruppen               sitiv beurteilt wird. Positiv formulierten Items wird
konnte eine signifikante Veränderung der erlebten                eher zugestimmt, negative Items werden eher abge-
Aufgabenschwierigkeit bzw. der Freude beim Aufga-                lehnt. Die Betrachtung der Mittelwertsunterschiede in

606
reportfachwissenschaftlicherteil
                                 der Beurteilung von Brain-Gym zeigt für 19 der 22           trationstest erbringen wiederum keinen spezifischen
                                 Items keine Unterschiede in der Beurteilung zwischen        Beitrag für Brain-Gym. Dies steht im Einklang mit Er-
                                 den Gruppen. Lediglich für die Items »Brain-Gym-            gebnissen, die nachweisen, dass wiederholte Konzen-
                                 Übungen sind kompliziert«                                   trationstestvorgabe im Sinne eines Übungseffekts
                                 (MEG = 3.64, s = .58, MKG = 3.0, s = .65;                   wirkt. Ob ein spezifischer Effekt zur reinen Wiederho-
                                 T = 3.35, df = 40, p
werden kann, könnte erwartet werden, dass sich nach         für andere Personengruppen gelten, müsste überprüft
längerer Anwendung von Brain-Gym dieser Effekt              werden. Insbesondere sollte aber aus praktischen und
möglicherweise noch verstärkt.                              ethischen Problemen zunächst an dieser leicht erreich-
Interessanterweise sind beide Gruppen von der Wirk-         baren Stichprobe gezeigt werden, ob die Annahmen
samkeit von Brain-Gym überzeugt. Sie attestieren            der Kinesiologen überhaupt haltbar sind.
Brain-Gym eine positive Wirkung. Die Wirksamkeits-          Abschließend ist zu konstatieren, dass die Euphorie,
einschätzung scheint sich durch die überzeugende Be-        Brain-Gym als »Allheilmittel« für Lernstörungen anzu-
hauptung, dass sich die Leistung steigernde Wirkung         sehen, nicht gerechtfertigt erscheint. Auch wenn sich
einstellen wird, subjektiv im Sinne einer sich selbst er-   eine Leistungsverbesserung einstellt und sich zumin-
füllenden Prophezeiung zu verstärken. Zusätzlich wird       dest im subjektiven Stresserleben eine deutliche Re-
der erlebte Übungseffekt dazu beitragen, dass die Ver-      duktion zeigt, stellt sich erstens die Frage nach Auf-
besserung fälschlicherweise auf die Intervention attri-     wand und Kosten. Einfaches Umhergehen und Locke-
buiert wird.                                                rungsübungen zeigen vergleichbare Effekte. Zweitens
Hier könnte ein Design, welches nicht über die Annah-       besteht die Gefahr, dass durch die mit hoher Überzeu-
men der Kinesiologen informiert, klären, ob die Wir-        gung vorgetragene Effektivitätserwartung verhindert
kung auch ohne die suggestiven Wirksamkeitsbehaup-          wird, eine effektive und adäquate professionelle Bera-
tungen eintritt. Neben den einzelnen Diskussions-           tung oder Therapie für Kinder mit Lernproblemen, die
punkten ist auch für die Generalisierbarkeit anzumer-       multifaktorielle Bedingungen von Lernstörungen ein-
ken, dass die Versuchspersonen überwiegend Psycho-          bezieht, in Anspruch zu nehmen.
logiestudentInnen sind. Inwieweit die Ergebnisse auch

   Z U S A M M E N F A S S U N G                                L I T E R A T U R

                                                            Braun von Gladiss, K. H. (1991). Ganzheitliche Medizin in der ärztlichen Pra-
Es wurde mit einem ABA-Design experimentell über-           xis: Naturheilkunde, Umweltmedizin, Energiemedizin und kritisches Denken.
prüft, ob sich psychophysiologische Stressparameter,        Südergellersen: Bruno Martin.
                                                            Breitenbach, E. & Keßler, B. (1997). Edu-Kinestetik aus empirischer Sicht:
subjektives Stresserleben, Konzentrationsleistung,          Eine empirische Untersuchung des Muskeltests. Sonderpädagogik, 27 (1), 8-
                                                            18.
Aufgabenbewertung und Stimmung nach der Anwen-              Cammisa, K. M. (1994). Educational kinesiology with learning disabled chil-
dung von Brain-Gym dahin gehend verändern, dass             dren: An efficacy study. Perceptual and Motor Skills, 78, 105-106.
                                                            Dennison, P. E. & Dennison, G. E. (1998). Brain-Gym Lehrerhandbuch (9.
Stress reduziert und Aufgaben besser und leichter ge-       Aufl., N. Gehlen, Übers.). Kirchzarten bei Freiburg: VAK.
                                                            Dennison, P. E. (1999). Befreite Bahnen (12. Aufl., T. Prekopp, Übers.). Frei-
löst werden. Als Kontrollbehandlung wurden Umher-           burg: VAK.
gehen und leichte Lockerungsübungen durchgeführt.           Dennison, G. E., Dennison, P. E. & Teplitz, J. V. (1999). Brain-Gym fürs Büro
                                                            (2., überarbeitete Aufl., G. Weitzsch, Übers.). Freiburg: VAK. (Original
Je 22 Studenten bildeten die Versuchs- und Kontroll-        erschienen 1994: Brain-Gym for business. Instant brain boosters for on-the-
                                                            job success.)
gruppe. Für keinen der untersuchten Parameter zeig-         Düker, H. & Lienert, G. A. (1959). Konzentrations-Leistungs-Test. Handan-
ten sich Effekte, die sich signifikant von den Effekten     weisung. Göttingen: Hogrefe.
                                                            Jain, A. & Gehde, E. (1994). Bedienungshandbuch. Vitaport-System und Soft-
der Scheinbehandlung unterschieden. Daher sollte die        warepaket VitaGraph. Karlsruhe: Ingenieurbüro Becker.
                                                            Jain, A., Martens, W. L. J., Mutz, G., Weiß, R. K. & Stephan, E. (1996).
Anwendung von Brain-Gym, insbesondere wenn sie              Towards a comprehensive technology for recording and analysis of multiple
als „Allheilmittel“ bei Lernproblemen angewendet            physiological parameters within their behavioral and environmental context.
                                                            In J. Fahrenberg & M. Myrtek (Eds). Ambulatory Assessment. Computer-assis-
werden soll, kritisch hinterfragt werden.                   ted psychological and psychophysiological methods in monitoring and field
                                                            studies. Seattle: Hogrefe & Huber.
                                                            Jain, A. & Mutz, G. (1997). Kölner Vitaport Systems. Online verfügbar unter:
Schlüsselworte                                              http://www.uni-koeln.de/phil-fak/psych/diagnostik/index.html [19.04.03].
                                                            Khalsa, G. K., Morris, G. S. D. & Sifft, J. M. (1988). Effect of educational
Brain-Gym, Stressreduktion, Konzentrationsleistung          kinesiology on static balance of learning disabled students. Perceptual and
                                                            Motor Skills, 67, 51–54.
                                                            Logen, A. (2003). Wirksamkeit edu-kinestetischer Übungen. Eine evaluative,
                                                            psychophysiologische Untersuchung. Unveröff. Dipl.-Arbeit. Universität Köln.
                                                            Neuhäuser, G. (1997a). Zur Kinesiologie. In R. Saller & H. Feiereis (Hrsg.),
   A B S T R A C T                                          Erweiterte Schulmedizin: Anwendung in Diagnostik und Therapie (Bd. 3)
                                                            Unkonventionelle Therapiemethoden und Arzneimittelverschreibungen: aus-
                                                            gewählte Beiträge und Kommentare. München: Hans Marseille.
With an ABA-design was tested, if psychophysiologic         Neuhäuser, G. (1997b). Stellenwert der Kinesiologie. In R. Saller & H. Feie-
                                                            reis (Hrsg.),Erweiterte Schulmedizin: Anwendung in Diagnostik und Therapie
stress parameters, subjectiv stress, performance in a       (Bd. 3),Unkonventionelle Therapiemethoden und Arzneimittelverschreibun-
                                                            gen: Ausgewählte Beiträge und Kommentare. München: Hans Marseille.
concentration test, rating of difficulty of an exercise     Pfeifer, S. (1996). Neue Trends in der Alternativmedizin. In W. J. Bittner & S.
and mood will be changed after application of »brain-       Pfeifer (Hrsg.). An Leib und Seele heil werden. Alternativmedizin, Psyche und
                                                            Glaube. Wuppertal: Brockhaus.
gym« in that way, that stress will be reduced and tasks     Samac, K. (1999). Edu-Kinestetik und Schulleistungen. Evaluation des Ein-
                                                            flusses von Brain-Gym auf Schulleistungen von Vorschülern. Erziehung und
will be better and easier solved. As an control treat-      Unterricht, 149 (3-4), 251-263.
ment walking around were applied. In each group (ex-
perimental and control group) were 22 students. Nei-
ther of the parameters did show a significant effect
                                                                                                                                              reportpsychologie ‹29› 10|2004

compared with the control treatment. That´s why the
application of brain-gym should critical scrutinized,
especially if it is applied as a »panacea« for learning
difficulties.

Keywords
brain-gym, stress reduction, concentration

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