Stressreduktion und Leistungsverbesserung - Hält Brain-Gym, was es verspricht?
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Stressreduktion und Leistungsverbesserung – Hält Brain-Gym, was es verspricht? WOGE Reduction of stress and improvement of performce Does »Brain-Gym« keep one’s promise? reportpsychologie ‹29› 10|2004 Andrea Logen, Christiane Fügemann, Wolf-Rüdiger Minsel, Egon Stephan Universität zu Köln 602
reportfachwissenschaftlicherteil Einleitung Bisher existieren nur sehr wenige Studien, die versu- In der folgenden Arbeit wird experimentell überprüft, chen, Edu-Kinestetik zu evaluieren. Breitenbach und ob Brain-Gym im Vergleich zu einer Scheinbehandlung Keßler (1997) geben einen Überblick über vier Evalua- stärker Stress reduzierend und leistungsfördernd wirkt, tionsstudien, die Effekte von Brain-Gym untersuchen. d.h. ob die Versprechungen der Befürworter von Weitere drei Arbeiten wurden in der Literatur gefun- Brain-Gym haltbar und sinnvoll sind. den. Hierbei kommen fünf Studien zu einer Bestäti- gung der Wirksamkeit von Brain-Gym, zwei Studien Theoretischer Hintergrund konnten keine Effekte belegen. Edu-Kinestetik (EK) ist ein Spezialbereich der Kinesio- Der zentrale methodische Kritikpunkt besteht darin, logie, der kinesiologisches Denken und kinesiologi- dass in den bisherigen Studien zu Brain-Gym stets oh- sche Techniken auf den Bereich der Erziehung über- ne Scheinbehandlung gearbeitet wurde. Zum Teil feh- trägt (Braun von Gladiss, 1991). EK wurde von dem len Kontrollgruppen gänzlich. Die zwei Studien, die amerikanischen Pädagogen Dennison entwickelt, um die Effektivität von Brain-Gym nicht stützen, sind inso- Kindern mit Lern- und Sprachschwierigkeiten zu hel- fern methodisch anspruchsvoller, als sie mit ausrei- fen. Es zielt auf die Diagnose und Beseitigungen von chend großen Stichproben arbeiten und die Personen »Blockierungen im Energiekreislauf« und damit auf die den Gruppen zufällig zugeordnet wurden. Beseitigung von Lernproblemen. Die Annahme der Die gefundenen Effekte von Brain-Gym beziehen sich Existenz des Energiekreislaufes stammt aus der tradi- im weitesten Sinne auf motorische Fähigkeiten (z.B. tionellen chinesischen Medizin und ist kein Konzept Gleichgewicht). Die zwei Studien, die keine Effekte der Schulmedizin. Eine zentrale Annahme der Edu-Ki- von Brain-Gym nachweisen, überprüfen jedoch den nestetik besteht darin, dass das menschliche Gehirn Einfluss auf (multifaktoriell bedingte) Schulleistungen. neben der bekannten Unterscheidung in rechte und Untersuchungen zur postulierten Stressreduktion, zur linke Gehirnhälfte (Lateralisierungsaspekt) in Vorder- Verbesserung von Stimmung und Aufgabenbewertung und Hinterhirn (Fokussierungsaspekt) sowie in oberen wurden bislang noch nicht durchgeführt. Ebenso man- und unteren Gehirnbereich (Zentrierungsapekt) geteilt gelte es bisher an einer vergleichbaren Scheinbehand- sei. Dementsprechend wird in der Edu-Kinestetik zwi- lung zum Brain-Gym, um den Effekt der »besonderen schen der »Rechts-Links-Balance«, der »Vorne-Hinten- Behandlung an sich« zu kontrollieren. Diese Lücke zu Balance« und der »Oben-Unten-Balance« unterschie- schließen ist das Ziel dieser Untersuchung. den (Dennison, 1999). Nur wenn Balance bzw. Ausge- glichenheit zwischen den jeweiligen Hirnhälften vor- Fragestellungen und Hypothesen handen sei, könne Energie problemlos durch den Kör- Es wird angenommen, dass durch Brain-Gym in der Ex- per fließen. Stress und Unsicherheiten erzeugten Blo- perimentalgruppe (EG) ckaden des Energieflusses und somit Blockaden des 1. der physiologische Stress (Herzrate, elektrodermale Lernens und der Lernfreude. Aktivität, Muskelaktivität) stärker reduziert wird Zur (Wieder-) Herstellung dieser drei Balancen wurden 2. der subjektiv wahrgenommene Stress stärker verrin- von Dennison und Dennison (1998) edu-kinestetische gert wird Übungen entwickelt, die als »Brain-Gym« bezeichnet 3. die Konzentrationsleistung (Aufgabenmenge und werden. Sie sollen je nach Übung stimulierend (Latera- -güte) stärker verbessert wird litätsaspekt), entlastend (Fokusaspekt) oder entspan- 4. die Aufgabenbewertung stärker verbessert wird nend (Zentrierungsaspekt) wirken. Die Wahl der jewei- 5. die Stimmung stärker verbessert wird ligen Übung richtet sich nach der individuellen Lern- als in der Kontrollgruppe (KG). blockade des Lernenden. Diese Fragestellungen sind jeweils durch drei Einzelhy- So enthusiastisch die Vertreter der Kinesiologie die pothesen wie folgt zu spezifizieren: Unter der Annah- Wirkung ihrer Methoden propagieren, stellt sich die me, dass Brain-Gym wirkt, werden für jedes Konstrukt Frage, ob die Vorstellungen, die geradezu ideologiear- folgende Teil-Hypothesen aufgestellt und mittels ein- tig vorgetragen werden, einer wissenschaftlichen Prü- seitigem t-Test getestet: fung standhalten. U.a. betont Neuhäuser (1997b), dass H1: µ EG, Nach - µ EG, Vor < 0 (reduziert) die theoretische Begründung der Edu-Kinestetik rein bzw. > 0 (verbessert) spekulativ sei und auf Einzelerfahrungen beruhe. Er H2 : µ KG, Nach- µ KG, Vor 0 (verbessert) rung können gewisse positive Effekte eintreten, ein Zusätzlich soll explorativ geklärt werden, wie die Teil- spezifischer Effekt sei eher unwahrscheinlich. Zu ähnli- nehmer Brain-Gym empfinden und wie sie subjektiv die reportpsychologie ‹29› 10|2004 cher Einschätzung gelangt Pfeifer (1996). Brain-Gym Wirksamkeit dieser Methode beurteilen. könne entspannend wirken, dies kann insbesondere für jüngere Schüler positiv sein. Jedoch darf dabei nicht Methodik übersehen werden, dass allein das »Sich kümmern« Stichprobe therapeutisch wirkt. Abschließend schätzt Neuhäuser Je 22 (19 weiblich, drei männlich) Psychologiestuden- (1997b) ein, dass die Kinesiologie »keinen wissenschaft- ten wurden parallelisiert nach den Merkmalen Ge- lichen Stellenwert« besitzt. schlecht, Alter und Sportlichkeit der EG und KG zuge- 603
Dipl.-Psych. teilt. Der Altersmittelwert lag bei 26.5 (EG) bzw. bei sein, die psychophysiologischen Messungen erlauben, A. LOGEN 27.1 (KG) Jahren bei einer Standardabweichung von 5.7 die Brain-Gym-Übungen repräsentieren und nicht län- Dipl.-Psych. (EG) bzw. 7.0 (KG) Jahren. ger als 20 min in Anspruch nehmen. C. FÜGEMANN Zur Überprüfung der Vergleichbarkeit von EG und KG Die KG wurde instruiert, auf und ab zu gehen und ge- wurden zusätzlich die Bekanntheit von Brain-Gym, die legentlich ihre Hände auszuschütteln. Dabei wurde ih- Prof. Dr. W.-R. MINSEL erlebte Stresshäufigkeit, die präferierten Entspan- nen vermittelt, dies sei echtes Brain-Gym. Sie wurden nungsstrategien und Erfahrungen mit Lernschwierig- ebenso überzeugend über die Wirksamkeit von Brain- Institut für keiten erfragt. Hierbei zeigte kein Bereich statistisch Gym informiert. Darauf folgte die erneute Bearbeitung Psychologie, Erziehungswissen- signifikante Unterschiede zwischen EG und KG. des KLT in der Parallelform, wiederum unter Lärm- schaftliche Fakultät und Zeitdruckbedingungen (A). Zur Stützung der Be- Universität zu Köln, Erhebungsmethoden und Versuchsplan funde bearbeiteten die Teilnehmer zum Abschluss die Forschungsschwer- punkt: u.a. Klinische ■ Konzentrationsleistungstest (KLT) von Düker und oben beschriebenen, selbst entwickelten Fragebögen, Psychologie Lienert (1959); erfasst Qualität (Fehlerneigung) und bei denen rückblickend Erleben und Bewertung der Quantität der bearbeiteten Kopfrechenaufgaben beiden Konzentrationstest- und der Interventionssi- ■ Erfassung physiologischer Stressparameter: tuationen erfasst wurden. Prof. Dr. Muskelaktivität (EMG), Hautleitfähigkeit (EDA) und E. STEPHAN Herzrate (HR) mittels Kölner Vitaport-System1, einem Ergebnisse Psychologisches leichten, portablen Gerät zum Registrieren physiologi- Die Rohdaten des Kölner Vitaport-Systems wurden Institut der scher Daten (Jain und Gehde, 1994) nach einer Artefaktbereinigung, so aufbereitet, dass Universität zu Köln, ■ Fragebogen zum Erleben der Leistungssituation, für die fünf Intervalle (baseline, KLT1, Intervention, Forschungs- schwerpunkt: u.a. »Bearbeiten des KLT« (Logen, 2003) KLT2, endline) Mittelwerte und Streuungen der drei Psychophysiologie ■ subjektiv erlebter Stress, Bewertung der Aufga- Kennwerte Herzrate, elektrodermale Aktivität und benschwierigkeit und der Freude an der Aufgabenlö- Muskelaktivität zur Verfügung standen. Im Weiteren sung, Gefühlslage werden jedoch nur die Werte während der jeweiligen ■ Fragebogen zur Einschätzung von Brain-Gym Durchführung des KLT betrachtet. (Logen, 2003) Tab. 1 Mittelwerte und Standardabweichungen der Adresse ■ subjektiv erlebter Stress, Annahmen über die physiologischen Parameter während der Durchführung Dipl.-Psych. Wirksamkeit von Brain-Gym, Bewertung der Wirkung des KLT C. Fügemann, Institut für EG KG Psychologie, Versuchsplan und Ablauf M s M s Erziehungswissen- Der Versuchsplan entspricht einem ABA-Design. Die schaftliche Fakultät, KLT 1 HR 85.1 10.5 85.4 12.5 Erfassung der objektiven Stressparamter erfolgte kon- Universität zu Köln, EMG 47.0 29.2 40.9 23.9 Gronewaldstr. 2, tinuierlich mittels Vitaport-System, beginnend mit ei- 50931 Köln ner baseline vor der Konzentrationstestung. Die Bear- EDA 3.0 2.5 3.6 2.1 beitung des KLT 1 erfolgt unter Lärm (Kassette mit KLT 2 HR 80.1 8.3 76.5 8.6 F 0221 - 4 70 51 05 Bau- und Straßengeräuschen) und Zeitdruckbedingun- E christiane. EMG 43.9 25.4 38.2 21.8 fuegemann@ gen (Hälfte der üblichen Zeitvorgabe des KLT, 15 statt EDA 2.7 2.0 3.2 1.8 uni-koeln.de 30 min) (Phase A). Während der Interventionsphase (B) führte die EG un- HR Herzrate ter Anleitung der Versuchsleiterin die Brain-Gym- EMG Muskelaktivität Übungen Balancepunkte, Eule, Erdpunkte, Fußpumpe, EDA elektrodermale Aktivität Gehirnpunkte, Liegende Acht, Raumpunkte und Über- kreuzbewegungen2 aus. Zusätzlich wurde über die ■ Physiologischer Stress: Wirksamkeit von Brain-Gym überzeugend informiert. Für die Herzrate (HR) zeigte sich in der EG eine signifi- Die Übungen waren zuvor unter verschiedenen Ge- kante mittlere Differenz von -4.9 (s = 4.31) zwischen sichtspunkten ausgewählt worden. Sie sollten laut Li- KLT 1 und 2 (T = 5.4 >Tkrit (21, 95%)= 1,72; d = .052) und teratur die für die Bearbeitung des KLT unter Lärm- in der EG eine signifikante mittlere Differenz von und Zeitdruckbedingungen relevanten Fähigkeiten -8.94 (s = 5.22) (T = 8.04 >Tkrit (21, 95%) = 1,72; d = .83). und Fertigkeiten günstig beeinflussen, leicht erlernbar Der Interaktionseffekt wird mit einem T von 2,75 1 Das Vitaport hat ungefähr die Größe eines Walkmans (13 x 9 x 3,5 cm) und wiegt im betriebsbereiten Zustand ca. 500 Gramm (Jain, Martens, Mutz, Weiß & Stephan, 1996). Es kann in einer kleinen Tasche direkt am Körper getragen werden und ist so besonders auch für Untersuchungen im Feld geeignet. Seine Hülle besteht aus Flugzeugaluminium, und es wird mit Batterien (Mignon) oder Akkus betrieben. Mit dem Kölner Vitaport-System können bis zu 18 Messkanäle (z.B. EKG, EDA) paral- lel gemessen und aufgezeichnet werden, wobei jeder Kanal über die Software des Systems gesondert einstellbar ist (Wandlungs-, reportpsychologie ‹29› 10|2004 Abtast-, Speicherrate, Filter- und Vorverarbeitungsverfahren). Die Daten werden digital gespeichert, so dass sie auf Rechner jeden Typs übertragen und statistisch ausgewertet werden können. Die Aufbereitung und Auswertung der gespeicherten Daten erfolgt über die zum System gehörende Software Variograph (Jain & Mutz, 1997). Durch seine besondere Konzeption (s.o.) ermöglicht das Vitaport-System insbesondere auch eine objektive und zuverlässige Erfassung von Stress unter alltäglichen Bedin- gungen. 2 Die Übungen wurden aus Dennison, Dennison & Teplitz (1999), Brain-Gym fürs Büro (2.Aufl.), entnommen. Eine Kurzbeschreibung liegt den Autoren vor und kann bei Interesse bei der Zweitautorin angefordert werden. 604
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( > Tkrit (42, 5%) = -1.68) nicht signifikant, da ein stärke- benlösen beobachtet werden. Von daher erübrigt sich res Absinken der Herzrate in der KG als in der EG zu auch die Betrachtung der Interaktion. Die Hypothese, beobachten ist. dass Brain-Gym zu einer günstigeren Aufgabenbewer- Für die Muskelaktivität (EMG) konnten in der EG und tung führt, muss damit abgelehnt werden. KG keine signifikanten Veränderungen von erster zu ■ Stimmung: zweiter KLT-Durchführung ermittelt werden. Auf die Für die Beurteilung der Stimmung während der Aufga- Prüfung des Interaktionseffekts kann somit verzichtet benbearbeitung wurden 22 Adjektive aus dem Reper- werden. toire der Kinesiologen gewählt, mittels derer die Stim- Die elektrodermale Aktivität (EDA) reduzierte sich mung für die jeweilige Konzentrationstestbearbeitung ebenfalls weder in der EG noch in der VG signifikant nach Ablauf der zweiten Durchführung rückblickend von erster zu zweiter Testung. Wiederum erübrigt sich für beide KLT- Situationen eingeschätzt werden sollte. die Betrachtung der Interaktion. Tabelle 2 führt signifikante Änderungen der Gefühlsbe- Zusammenfassend kann für die physiologischen Stress- schreibungen in EG und KG auf, wobei bei Variablen parameter geschlossen werden, dass die Hypothese, mit positiver Konnotation ein negativer Differenzwert dass Brain-Gym den physiologischen Stress stärker re- eine Verbesserung der Stimmung bedeutet und bei Va- duziert als die Scheinbehandlung, abgelehnt werden riablen mit negativer Konnotation ein positiver Diffe- muss. renzwert eine Verringerung dieses (negativen) Zustan- ■ Subjektiv erlebter Stress: des ausdrückt. In der EG reduzierte sich der subjektiv erlebte Stress signifikant von erster zu zweiter Durchführung des KLT Tabelle 2: Differenz der Stimmungswerte aus KLT1 von durchschnittlich 4.59 (s = .91) auf 3.27 (s = 1.32) und KLT2 und T-Werte signifikanter Mittelwertsunter- Punkte (T = 4.95 >Tkrit (21, 95%) = 1,72; d = 1.13). Auch in schiede (T-Test für abhängige Stichproben, nach Bon- der KG reduzierte sich der subjektiv erlebte Stress sig- feroni adjustiertes α: Tkrit (21, 988%) = 3.23, bzw. nifikant (T = 5.19 >Tkrit (21, 95%) = 1,72; d = 1.07) von ers- Tkrit (21, 0,2%)= -3.23 einseitige Prüfung) ter zu zweiter Durchführung des KLT. Dabei wurden bei der ersten Durchführung in der KG durchschnitt- Experimentalgruppe Kontrollgruppe lich 4.68 (s = .84) und bei der zweiten Durchführung sicher -.50 -.28 im Mittel 3.45 (s = 1.01) Punkte erzielt. Jedoch findet (T = 4.58, d = .72) die Änderung des Stresserlebens gleichermaßen in bei- nervös .63 .37 den Gruppen statt und unterscheidet sich nicht signi- (T = -3.78, d = .97) fikant voneinander. Die Hypothese, dass Brain-Gym angespannt .78 .59 den subjektiven Stress stärker reduziert als Herumge- (T = -4.46, d = 1,09) (T = -3.48, d =.79) hen, wird daher abgelehnt. entspannt -.68 -.73 ■ Konzentrationsleistung: (T = 5.63, d = 1.04) (T = 4.45, d = 1.07) In der EG und VG verbesserte sich die Quantität der gerechneten Aufgaben von erster zu zweiter Durch- Obgleich sich in der EG einige relevante Stimmungs- führung des KLT signifikant verbesserungen aufzeigen lassen, findet sich jedoch (EG: M1 = 51.68, s1 = 15.66, bei der Prüfung der Interaktion in keinem der Stim- M2 = 65.05, s2 = 18.75, mungsparameter eine signifikant stärkere Verbesse- T = -7.87 < Tkrit (21, 5%) = -1,72; d = 0.77), rung der Stimmung in der EG als in der KG. Die Hypo- (KG: M1 = 50.36, s1 = 18.78, these, dass Brain-Gym die Stimmung stärker positiv M2 = 61.23, s2 = 22.29, beeinflusse als Herumgehen, ist somit abzulehnen. T = -6.13 < Tkrit (21, 5%) = -1,72 ; d = 0.52). ■ Abschließend sollte explorativ die Bewertung von Die EG verbesserte sich jedoch nicht signifikant stärker Brain-Gym untersucht werden, unabhängig davon, ob als die KG. echtes oder scheinbares Brain-Gym durchgeführt wur- Ebenso zeigten sich signifikante Verringerungen der de. Auf die Frage, ob Brain-Gym eine positive Wirkung Fehlerneigung in beiden Gruppen hatte, antworteten 81 % der EG und 83 % der KG mit (EG: M1 = 16.60, s1 = 10.21, M2 = 11.75, s2 = 7.09, ja. Mittels Chi-Quadrat-Statistik konnte kein signifi- T = 3.11 > Tkrit (21, 95%) = 1,72; d = 0.55), kanter Unterschied bezüglich der Zustimmung bzw. (KG: M1 = 13.25, s1 = 6.56, M2 =9.53, s2 = 6.02, Ablehnung dieser Frage in den Gruppen gefunden T = 3.57 > Tkrit (21, 95%) = 1,72, d = .59). werden. Die Fragen »ich glaube, dass man durch Brain- Die Probanden von EG und KG verringerten jedoch ih- Gym leichter lernen kann« und »Brain-Gym hat einen re Fehlerneigung in gleicher Weise. positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit« wurden ■ Aufgabenbewertung: auf einer vierstufigen Antwortsskala beantwortet. Es reportpsychologie ‹29› 10|2004 Zur Frage, inwieweit sich die Aufgabenbewertung der ergaben sich in der Einschätzung dieser beiden Items KLT -Aufgaben änderte, wurden die erlebte Schwierig- keine Mittelwertsunterschiede zwischen den Grup- keit und erlebte Freude, die nach der zweiten Bearbei- pen. Insgesamt zeigt sich bei weiteren 22 Items zur Be- tung des KLT für beide Testdurchführungen erfragt wertung von Brain-Gym, dass dieses überwiegend po- wurden, herangezogen. In keiner der beiden Gruppen sitiv beurteilt wird. Positiv formulierten Items wird konnte eine signifikante Veränderung der erlebten eher zugestimmt, negative Items werden eher abge- Aufgabenschwierigkeit bzw. der Freude beim Aufga- lehnt. Die Betrachtung der Mittelwertsunterschiede in 606
reportfachwissenschaftlicherteil der Beurteilung von Brain-Gym zeigt für 19 der 22 trationstest erbringen wiederum keinen spezifischen Items keine Unterschiede in der Beurteilung zwischen Beitrag für Brain-Gym. Dies steht im Einklang mit Er- den Gruppen. Lediglich für die Items »Brain-Gym- gebnissen, die nachweisen, dass wiederholte Konzen- Übungen sind kompliziert« trationstestvorgabe im Sinne eines Übungseffekts (MEG = 3.64, s = .58, MKG = 3.0, s = .65; wirkt. Ob ein spezifischer Effekt zur reinen Wiederho- T = 3.35, df = 40, p
werden kann, könnte erwartet werden, dass sich nach für andere Personengruppen gelten, müsste überprüft längerer Anwendung von Brain-Gym dieser Effekt werden. Insbesondere sollte aber aus praktischen und möglicherweise noch verstärkt. ethischen Problemen zunächst an dieser leicht erreich- Interessanterweise sind beide Gruppen von der Wirk- baren Stichprobe gezeigt werden, ob die Annahmen samkeit von Brain-Gym überzeugt. Sie attestieren der Kinesiologen überhaupt haltbar sind. Brain-Gym eine positive Wirkung. Die Wirksamkeits- Abschließend ist zu konstatieren, dass die Euphorie, einschätzung scheint sich durch die überzeugende Be- Brain-Gym als »Allheilmittel« für Lernstörungen anzu- hauptung, dass sich die Leistung steigernde Wirkung sehen, nicht gerechtfertigt erscheint. Auch wenn sich einstellen wird, subjektiv im Sinne einer sich selbst er- eine Leistungsverbesserung einstellt und sich zumin- füllenden Prophezeiung zu verstärken. Zusätzlich wird dest im subjektiven Stresserleben eine deutliche Re- der erlebte Übungseffekt dazu beitragen, dass die Ver- duktion zeigt, stellt sich erstens die Frage nach Auf- besserung fälschlicherweise auf die Intervention attri- wand und Kosten. Einfaches Umhergehen und Locke- buiert wird. rungsübungen zeigen vergleichbare Effekte. Zweitens Hier könnte ein Design, welches nicht über die Annah- besteht die Gefahr, dass durch die mit hoher Überzeu- men der Kinesiologen informiert, klären, ob die Wir- gung vorgetragene Effektivitätserwartung verhindert kung auch ohne die suggestiven Wirksamkeitsbehaup- wird, eine effektive und adäquate professionelle Bera- tungen eintritt. Neben den einzelnen Diskussions- tung oder Therapie für Kinder mit Lernproblemen, die punkten ist auch für die Generalisierbarkeit anzumer- multifaktorielle Bedingungen von Lernstörungen ein- ken, dass die Versuchspersonen überwiegend Psycho- bezieht, in Anspruch zu nehmen. logiestudentInnen sind. Inwieweit die Ergebnisse auch Z U S A M M E N F A S S U N G L I T E R A T U R Braun von Gladiss, K. H. (1991). Ganzheitliche Medizin in der ärztlichen Pra- Es wurde mit einem ABA-Design experimentell über- xis: Naturheilkunde, Umweltmedizin, Energiemedizin und kritisches Denken. prüft, ob sich psychophysiologische Stressparameter, Südergellersen: Bruno Martin. Breitenbach, E. & Keßler, B. (1997). Edu-Kinestetik aus empirischer Sicht: subjektives Stresserleben, Konzentrationsleistung, Eine empirische Untersuchung des Muskeltests. Sonderpädagogik, 27 (1), 8- 18. Aufgabenbewertung und Stimmung nach der Anwen- Cammisa, K. M. (1994). Educational kinesiology with learning disabled chil- dung von Brain-Gym dahin gehend verändern, dass dren: An efficacy study. Perceptual and Motor Skills, 78, 105-106. Dennison, P. E. & Dennison, G. E. (1998). Brain-Gym Lehrerhandbuch (9. Stress reduziert und Aufgaben besser und leichter ge- Aufl., N. Gehlen, Übers.). Kirchzarten bei Freiburg: VAK. Dennison, P. E. (1999). Befreite Bahnen (12. Aufl., T. Prekopp, Übers.). Frei- löst werden. Als Kontrollbehandlung wurden Umher- burg: VAK. gehen und leichte Lockerungsübungen durchgeführt. Dennison, G. E., Dennison, P. E. & Teplitz, J. V. (1999). Brain-Gym fürs Büro (2., überarbeitete Aufl., G. Weitzsch, Übers.). Freiburg: VAK. (Original Je 22 Studenten bildeten die Versuchs- und Kontroll- erschienen 1994: Brain-Gym for business. Instant brain boosters for on-the- job success.) gruppe. Für keinen der untersuchten Parameter zeig- Düker, H. & Lienert, G. A. (1959). Konzentrations-Leistungs-Test. Handan- ten sich Effekte, die sich signifikant von den Effekten weisung. Göttingen: Hogrefe. Jain, A. & Gehde, E. (1994). Bedienungshandbuch. Vitaport-System und Soft- der Scheinbehandlung unterschieden. Daher sollte die warepaket VitaGraph. Karlsruhe: Ingenieurbüro Becker. Jain, A., Martens, W. L. J., Mutz, G., Weiß, R. K. & Stephan, E. (1996). 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