Sucht und was im Gehirn passiert - 25 Jahre Haus Remscheid Dr. Hans-Peter Steingass
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Sigmund Freud, Zeichnung aus dem Jahr 1895, Neuronales Modell seelischer Prozesse aus Spitzer, M., erschienen in Schiepek, G., 2003 3
Mapping des linkshemisphärischen primären sensomotorischen Kortex während rechtsseitiger Zehenbewegungen (links), Fingerbewegungen (Mitte links) und Zungenbewegungen (Mitte rechts). Schemazeichnung des motorischen Homunculus (rechts). Aus: Stippich, C. et al., Fortschr. Röntgenstr 2003; 175: 1042-1050 7
Primär unilateral rechte Repräsentation sprachlicher Aufgaben bei Männern (oben). Frauen (unten) zeigen bilaterale Aktivierungsmuster während passiver Sprachrezeption (Philips et al. 2001) 8
Geschlechtsunterschiede Bei der phonologischen Entschlüsselung gelesener Wörter ist bei Männern meinst nur linksseitig das entsprechende Gebiet im Stirnlappen aktiviert; bei Frauen spricht auch der rechtsseitige Gyrus frontalis an. Die Kernspin-Computertomographien zeigen die Gehirne wie von unten aufgenommen. 9
Positron emission tomography (PET) records electrical activity inside the brain. These PET scans show what happens inside the brain when it is resting and when it is stimulated by words and by music. The red areas indicate concentrations of brain activity. Notice how language and music appear to produce responses in opposite sides of the brain. Roger Ressmeyer/Corbis 10
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3-D MRI rendering of a brain with fMRI activation of the amygdala highlighted in red. (emotion angry or afraid) Source: NIMH Clinical Brain Disorders Branch 13
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180 Milliarden Nervenzellen 18 mit 10 Nullen 180 000 000 000 20 Billiarden synaptische Verbindungen 20 mit 15 Nullen 20 000 000 000 000 000 15
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Während direkt nach der Geburt (a) die Nervenzellen in der menschlichen Großhirnrinde nur wenig Kontakte untereinander besitzen, beginnen sich schon nach ein (b) bis zwei (c) Monaten deutlich mehr Verbindungen auszubilden. Bei sechs Monate alten Kindern ist die Vernetzung bereits sehr stark ausgeprägt (d) und nimmt bis zum zweiten Geburtstag noch weiter zu (e: 15 Monate; f: 24 Monate). 19 Quelle: Gehirn und Geist, Dossier Expedition Kindheit
Joseph LeDoux: „You are your synapses. They are who you are“ (LeDoux, 2002, S. 324) 20
Gerald Hüther, Neurobiologe „Einmal geknüpfte synaptische Verbindungen können nicht ohne weiteres gelöscht oder überschrieben werden, sie bleiben ein Leben lang bestehen.“ 21
Entdeckung des Belohnungssystems im Gehirn durch Olds und Milner (1954) 22
Belohnungssystem als Teil des mesolimbischen Systems Beim Essen und Trinken, bei Sexualität, Erfolgs- und Bewältigungserleben, bei Motivation und lustvollen Betätigungen wie Musikhören kommt es im limbischen System und assoziierten Strukturen zu Ausschüttung von Dopamin, was als subjektiv belohnend erlebt wird und das Verlangen nach erneuter Aktivität auslöst. Es verstärkt (lerntheoretisch) die Aktivitäten, die zur Dopaminfreisetzung geführt haben. Das High- Gefühl beim Konsum von Drogen, wird ebenfalls auf eine verstärkte Ausschüttung von Dopamin zurückgeführt. Die neuronalen Verbindungen zwischen ventralem Tegmentum und nucleus accumbens sind bei natürlicher Belohnung wie bei den 23 Wirkungen süchtig machender Drogen gleichermaßen aktiv.
Belohnungssystem als Teil des mesolimbischen Systems Beim Essen und Trinken, bei Sexualität, Erfolgs- und Bewältigungserleben, bei Motivation und lustvollen Betätigungen wie Musikhören kommt es im limbischen System und assoziierten Strukturen zu Ausschüttung von Dopamin, was als subjektiv belohnend erlebt wird und das Verlangen nach erneuter Aktivität auslöst. Es verstärkt (lerntheoretisch) die Aktivitäten, die zur Dopaminfreisetzung geführt haben. Das High- Gefühl beim Konsum von Drogen, wird ebenfalls auf eine verstärkte Ausschüttung von Dopamin zurückgeführt. Die neuronalen Verbindungen zwischen ventralem Tegmentum und nucleus accumbens sind bei natürlicher Belohnung wie bei den 24 Wirkungen süchtig machender Drogen gleichermaßen aktiv.
Das Dopaminsystem im Gehirn Dopamin wird ausgeschüttet, wenn etwas „Belohnendes“ geschieht oder bei Signalen, die „Belohnung“ vorhersagen. 25
Fast alle Drogen wirken auf das Belohnungssystem im Gehirn, sie führen zu erhöhter Aktivität, zu vermehrter Ausschüttung von Botenstoffen oder zur Hemmung anderer Botenstoffe. Sie bewirken dauerhafte Veränderungen in den Zellstrukturen, v.a. bei den Transmittersystemen und verursachen einen Zwang zur erneuten Aufnahme von Drogen. 26
Alle Drogen erhöhen den Dopaminspiegel Heroin Nikotin Dopamin Cocaine LSD?Serotonin? Ecstasy Alkohol Cannabis 27
• Musik 28
Dopaminausschüttung im mesolimbischen Belohnungssystem Jana Wrase, 2007 29
Effect of MDMA (ecstasy) on serotonin neurons in the monkey brain Hatzdimitrou et al. 1999 Microscopic picture of the brain damage caused by ecstasy in monkeys. The white lines are serotonergic neurons running through the cortex, the part of the brain responsible for higher thinking. 1. Pictures healthy monkey brain. There are lots of white-colored serotonergic neurons running through the brain tissue. 2. Picture of the brain of a monkey two weeks after twice-daily doses of ecstasy. The serotonergic neurons are almost gone! 3. Picture was taken from an animal treated with ecstasy 7 years previously, and the serotonergic neurons have still not recovered. 30
Es gibt ein individuelles, erworbenes Suchtgedächtnis, das lebenslang erhalten bleibt. Die „Gnade des Vergessens“ kennt es wohl nicht. Prof. J. Böning, Universitätskliniken Würzburg Ein bestimmtes, mit dem Suchtmittel verbundenes Verhalten und Erleben wird in belohnungsabhängigen, verstärkend wirkenden Hirnsystemen zum neuronal und emotional fixierten „Suchtgedächtnis“ neurobiologisch engrammiert. 31
Auch nach erfolgreichem Entzug ist die Aufmerksamkeit des Alkoholikers beim Anblick eines Bierglases höher als bei einer nicht abhängigen Person. Das fMRT-Bild (rechts) zeigt bei ihm im Hirnbereich des Anterioren Cingulums eine deutlich stärkere Aktivierung (rot und gelb) als bei einer nicht trinkenden Person. Neutrale Reize wie eine Glühbirne oder ein abstraktes, gleichfarbiges Muster (oben) zeigen diese Wirkung nicht. Heinz et al. aus BMBF, 2003 32
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Gerald Hüther, Neurobiologe „Einmal geknüpfte synaptische Verbindungen können nicht ohne weiteres gelöscht oder überschrieben werden, sie bleiben ein Leben lang bestehen.“ 34
Suchtgedächtnis Amygdala Amygdala nicht aktiv aktiviert Front of Brain Back of Brain Nature Video Cocaine Video Photo courtesy of Anna Rose Childress, Ph.D. 35
Was passiert bei Psychotherapie und Soziotherapie in unseren Köpfen oder denen unserer Patienten? „Jeder geistige Zustand ist ein Gehirnzustand und jede geistige Störung eine Störung der Gehirnfunktion. Psychotherapeutische Behandlungsmethoden verändern die Struktur und die Funktion des Gehirns.“ Kandel, 2007, S. 449 Eric Kandel Hirnforscher, Nobelpreisträger 2000
Was passiert bei der Psychotherapie in unseren Köpfen oder denen unserer Patienten? „Wenn also allen psychischen Prozessen (Erleben, Fühlen, Denken, Handeln, Wissen, Glauben, Hoffen, Erleiden, Entscheiden, Planen und unserem Sosein, auch den Prof. Dr. Klaus Grawe (1943 - 2005) Anteilen, die wir als problematisch erleben) neuronale Vorgänge zugrunde liegen, dann liegen veränderten psychischen Prozessen veränderte neuronale Vorgänge zugrunde. Grawe, 2004, S. 18
Was passiert bei der Psychotherapie in unseren Köpfen oder denen unserer Patienten? „Psychotherapie wirkt, wenn sie wirkt, darüber, dass sie das Gehirn verändert. Wenn sie das Gehirn nicht verändert, ist Prof. Dr. Klaus Grawe (1943 - 2005) sie auch nicht wirksam.“ Grawe, 2004, S. 18
Joseph LeDoux: “Psychotherapy is fundamentally a learning process for its patients, and as such is a way to rewire the brain. In this sense, psychotherapy ultimately uses biological mechanisms to treat mental illness“ (LeDoux, 2002, S. 299) 39
Wie funktioniert das mit der Neubahnung? • Eine Neubahnung funktioniert nur, wenn der am Ende stehende Zustand intensiver, wichtiger, attraktiver und erstrebenswerter ist als der alte Outcome. • Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung „Cells that fire together, wire together“ • Weniger Problemorientierung, mehr Lösungsorientierung 40
„Ein Problem ist nicht mit der Art des Denkens zu lösen, die es geschaffen hat.“ Wenn ich weiß, wie ich die Karre in den Dreck gefahren habe, dann weiß ich noch lange nicht, wie ich sie wieder heraus bekomme.
1940-2005 Problem talks create problems Solution talks create solutions!“ Steve de Shazer
Wie funktioniert das mit der Neubahnung? • Eine Neubahnung funktioniert nur, wenn der am Ende stehende Zustand intensiver, wichtiger, attraktiver und erstrebenswerter ist als der alte Outcome. • Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung „Cells that fire together, wire together“ • Weniger Problemorientierung, mehr Lösungsorientierung • wiederholte reale Erfahrung, dass auch ohne Alkohol oder andere Drogen Konflikte erfolgreich bewältigt oder Freude, Lust und Befriedigung erlebt werden kann. 43
Die umfangreichste Meta-Analyse der bisherigen Psychotherapieforschung „Psychotherapie im Wandel - Von der Konfession zur Profession“ (1994) von Klaus Grawe, Ruth Donati und Friederike Bernauer, einer Forschergruppe aus Bern, beinhalten 897 (von ursprünglich über 3 ½ Tausend) kontrollierte Psychotherapiestudien.Als wesentlichstes Ergebnis bestimmen Grawe und seine Mitarbeiterinnen vier über alle untersuchten Therapierichtungen und Therapieschulen statistisch signifikante Wirkfaktoren. Montag, 25. August 2008
(Psychotherapeutische und) Soziotherapeutische Wirkprinzipien (in Anlehnung an Grawe et al. ,1994) “Therapeutische Beziehung“ Die Qualität der Beziehung zwischen dem Therapeuten und dem Patienten/Klienten trägt signifikant zu einem besseren oder schlechteren Therapieergebnis bei. Der Klient soll sich als Person mit seinen Problemen angenommen und gut aufgehoben fühlen. "Problembewältigung" Wir helfen dem Patienten mit spezifischen Maßnahmen und Interventionen aktiv dabei, seine Probleme und Schwierigkeiten ohne Alkohol zu bewältigen "Klärung" und unterstützen ihn dabei, sein eigenes Erleben und Verhalten besser zu verstehen "Problemaktualisierung oder Prinzip der realen Erfahrung" Wir versuchen, ihm die Problembereiche, die bewältigt werden sollen, real erfahrbar und erlebbar zu machen. Was verändert werden soll, muss auch real erlebt werden. Hier ist der Alltag das beste Lern- und Übungsfeld Montag, 25. August 2008
(Psychotherapeutische und) Soziotherapeutische Wirkprinzipien (in Anlehnung an Grawe et al. ,1994) “Therapeutische Beziehung“ Die Qualität der Beziehung zwischen dem Therapeuten und dem Patienten/Klienten trägt signifikant zu einem besseren oder schlechteren Therapieergebnis bei. Der Klient soll sich als Person mit seinen Problemen angenommen und gut aufgehoben fühlen. "Problembewältigung" Wir helfen dem Patienten mit spezifischen Maßnahmen und Interventionen aktiv dabei, seine Probleme und Schwierigkeiten ohne Alkohol zu bewältigen "Klärung" und unterstützen ihn dabei, sein eigenes Erleben und Verhalten besser zu verstehen "Problemaktualisierung oder Prinzip der realen Erfahrung" Wir versuchen, ihm die Problembereiche, die bewältigt werden sollen, real erfahrbar und erlebbar zu machen. Was verändert werden soll, muss auch real erlebt werden. Hier ist der Alltag das beste Lern- und Übungsfeld "Ressourcenorientierung oder Ressourcenaktivierung" Die vorhandenen Stärken und Fähigkeiten des Klienten erkennen und nutzen. Kompetenz- und Ressourcendiagnostik/Erhebungs- und Beobachtungsinstrumente fokussieren ausdrücklich auf Ressourcen. Montag, 25. August 2008
Welche Ziele ergeben sich aus den neurowissenschaftlichen Erkenntnissen? • Senkung des Anreizes des Alkohols und alkoholassoziierter Reize • Unterbrechung und Hemmung problematischer Automatismen, um anderes Verhalten an die Stelle zu setzen (Erkennen und Bearbeitung von Auslösesituationen und Handlungsautomatismen, Reaktionsverhinderung, Rückfallprävention) • Erhöhung des Anreizes anderer Verstärker, Stärkung natürlicher Belohnungsantworten des Gehirns • Senkung von Stress • Entwicklung von Bewältigungsstrategien - Lösungsorientierung- • Erhöhung von Selbstwirksamkeitserwartung durch Selbstwirksamkeitserfahrung etwa durch Reizexposition • Bewusstes Neulernen • Erhöhung von Achtsamkeit und • Verbesserung frontaler Kontrolle 47
Diese Ziele werden am ehesten erreicht, wenn… • Interesse, Neugier geweckt werden können (Dopaminausschüttung, Belohnungssystem). • Lerninhalte unter Einbeziehung möglichst vieler Sinneskanäle ermittelt und verankert werden. • sofortiges Feedback, unterstützt durch positive Emotionen, Belohnung, Wertschätzung, gegeben wird. • Einsicht in die Sinnhaftigkeit der therapeutischen Schritte besteht, die Bedeutung für die eigene Gesundheit, und deren Anwendbarkeit, Umsetzbarkeit erkannt wird. • die Anknüpfung an eigenes, bereits vorhandenes Wissen und eigene Erfahrungen möglich ist. • das Üben, Wiederholen, Vertiefen, vom Trampelpfad, aus der Sackgasse, zur Autobahn (leicht benutzbar) mit Freude verbunden ist. 48
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bleiben Sie gesund, passen Sie auf sich und Ihr Gehirn auf! Sie werden es noch brauchen! 49
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