Süchtig - und (k)eine Lebensqualität - Lebensqualität für suchterkrankte Menschen - adhs.expert

 
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dasss– und (k)eine Lebensqualität
Süchtig
Lebensqualität für suchterkrankte Menschen

                        (Die offene Drogenszene in Zürich - Stadt Zürich,
                        o. J.) (Abb 1. Pagas Programm et al. 2020, o.J.)

                Corsina Conrad AT HF 18
          Abgabedatum: Donnerstag, 15. April 2021
    Corsina
 ZAG,       Conrad AT
      Zentrum         HFAusbildung
                    für 18                                       1
                                   im Gesundheitswesen Kanton Zürich
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Inhaltsverzeichnis

       1.     Einleitung…………………………………………………………………………………………………..……1
       1.1    Meine Motivation………………………………………………………………………………………………...1
       1.2    Meine 3 Fragen und das Ziel………………………………………………………………………………......1
       1.3    Was möchte ich mit dieser Arbeit bewirken? ……………………………………………………………….1
       1.4    Eingrenzung des Themas………………………………………………………………………………….......2
       1.5    Zielpublikum definieren……………………………………………………………………………….………...2
       1.6    Kurze Beschreibung von Aufbau und Gliederung meiner Diplomarbeit……………………….…………..2

       Theorieteil
       2.     Definition Sucht und Abhängigkeit………..……………………………………………….…………….….3
       2.1.   Substanz Kokain………………………………………………………………………………..………………..4
       2.2    Substanz Heroin…………………………………………………………………………………………….…...5
       2.3    Neurotransmitter und Drogenkonsum…………………………………………………………………………6
       2.4     Entzug der Substanz……………………………………………………………………………….…………...6
       3.     Sucht und ihre Auswirkungen……….………………………………………………………………………6
       3.1    Resilienz…………………………………………………………………………………………………….…….6
       3.2    Salutogenese………………………………………………………………………………………………..…...7
       3.3    Kohärenzgefühl……………………………………………………………………………………………...…...7
       3.4    Coping…………………………………………………………………………………………….......................7
       3.5    Physische Folgen der Sucht………………………………………………………………………………........7
       3.6    Psychische Folgen der Sucht………………………………………………………………………..….…...7-8
       3.8    Die 5 Säulen der Identität…………………………………………………………………………………….8-9
       4.     Die Grundhaltung der Aktivierungsfachperson………………………………………………………9-10
       4.1    Empathie, Akzeptanz und Kongruenz……………………….………………………………………………10
       4.2    Die Therapeutische Grundhaltung im Umgang mit suchtkranken Menschen……………………...…...10

       Praxistransfer
       5.     Wieso ist die Aktivierungstherapie geeignet……………………………………………………………10
       6.     Therapeutische Überlegungen...........................................................................................................11
       6.1.   Aktivierungstherapeutisches Angebot in der Psychiatrie.................................................................11-12
       6.2    Tagesablauf..........................................................................................................................................12
       6.3    Anleitung und Begleitung......................................................................................................................12
       6.4    Arbeitsplatz Gestaltung.........................................................................................................................13
       6.5    Kommunikation mit suchterkrankten Menschen..............................................................................13-14
       6.6    Mögliche Herausforderungen…………………………………………………………………………………14
       7.     Aktivierungstherapeutisches Arbeiten mit suchterkrankten Menschen………………………………
       7.1    Geeignete Aktivitäten, Beispiele und Ressourcenförderung für suchterkrankte Menschen im
              Bereich der Aktivierungstherapie……………………………………………………………….………...15-17
       7.2    Mögliche Anpassungen für suchterkrankte Menschen…………………..…………………………….17-18
       7.3    Das Therapeutische Ziel in Bezug auf suchterkrankte Menschen…………………………………..……18

       Reflexion
       8.     Reflexion……………………………………………………………………………………………………….…
       8.1    Reflexion der Fragestellung und Zielsetzungen…………………………………………………………18-19
       8.2    Reflexion des methodischen Vorgehens und Arbeitsprozesses………………………………………19-20
       8.3    Reflexion des persönlichen Lernprozesses………………………………………………………………….20
       9.     Literaturverzeichnis………………………………………………………………………………………………

Corsina Conrad AT HF 18                                                                                                                                                 2
Süchtig - und (k)eine Lebensqualität - Lebensqualität für suchterkrankte Menschen - adhs.expert
1. Einleitung

«Wer eine Droge missbraucht, den nimmt sie gefangen.» (vgl. © Andreas Tenzer et al., 1954).

Mit diesem Zitat möchte ich das Denken anregen. Die Sucht ist ein Verlust der eigenen Freiheit und
Entscheidungsfähigkeit. Suchterkrankte Menschen müssen jeden Tag mit ihrer Abhängigkeit und deren
Folgen kämpfen. Ihr ganzer Lebensinhalt dreht sich um die Droge und deren Beschaffung.
Es ist ein Teufelskreis. Daher liegt es mir am Herzen, dass die Leser eine empathische und vorurteilslose
Haltung gegenüber suchterkrankten Menschen einnehmen.
Sucht ist eine chronische Erkrankung, welche sehr schwer zu besiegen ist.

1.1 Meine Motivation
Mit dieser Arbeit setze ich mich mit dem Thema Sucht und Abhängigkeit auseinander. Ich finde, dass
jeder Mensch in einer gewissen Art und Weise süchtig ist. Sei es Sport, Shoppingsucht, Schönheitssucht,
Magersucht, Nikotinsucht, etc. Meistens werden diese Süchte von der Gesellschaft akzeptiert oder
werden nicht ernst genommen. Die Drogensucht wird eher negativ gewertet und ist leider immer noch ein
Tabuthema. Drogensüchtige Menschen werden oft von der Gesellschaft ausgeschlossen.
Hinter meiner Diplomarbeit steckt auch ein persönlicher Teil. Die Sucht im Allgemeinen ist ein Thema,
welches mich interessiert und auch abschreckt. Als Folge seiner Kokainabhängigkeit, hat ein geliebter
Freund seinem Leben ein Ende gesetzt. Ebenfalls ist ein ehemaliger Arbeitskollege schon vor seiner
Pension gestorben, aufgrund seiner Heroinlangzeitabhängigkeit. Darum werde ich mich mit der Heroin-
und Kokainsucht befassen. Ich möchte mit dieser Arbeit eine Stimme für meine zwei verlorenen Freunde
sein. Diese tragischen Ereignisse haben mich motiviert, mich intensiver mit diesem Thema auseinander
zu setzen.

1.2 Meine 3 Fragen und das Ziel
Während meiner Diplomarbeit setzte ich mich mit den folgenden drei Fragen auseinander:

        -    Was ist eine Sucht und wie wirkt sie sich psychisch und physisch aus?
        -    Welchen Einfluss hat Resilienz, Kohärenzgefühl und Salutogenese auf das Suchtverhalten?
        -    Welche Aktivierungsangebote eignen sich für suchterkrankte Patienten und auf welche
             Punkte sind bei der Umsetzung zu achten?

Ziel: Wissen erarbeiten über die Thematik Sucht und daraus geeignete Interventionen für die
aktivierungstherapeutische Arbeit abzuleiten.

1.3 Was möchte ich mit dieser Arbeit bewirken?
Diese Arbeit sollte den Lesern aufzeigen was eine Sucht ist und welche Auswirkungen und Folgen sie
mitbringt. Es könnte ein Leitfaden für Aktivierungsfachpersonen in der Arbeit mit suchterkrankten
Patienten sein. Ebenfalls möchte ich hilfreiche Tipps für die Praxis aufzeigen. Den Lesern möchte ich die
möglichen Gründe und Auswirkungen einer Sucht näherbringen für den Patienten selber und sein
Umfeld, die Verhaltensweisen, die Langzeitfolgen und mit den therapeutischen Ansät, das Verlangen der
Sucht mit den geeigneten Aktivierungsangeboten zu lindern.
Corsina Conrad AT HF 18                                                                                 3
1.4 Eingrenzung des Themas
Zum Thema Sucht könnte man sehr Vieles erarbeiten, es ist ein breites Gebiet. Um eine Stimme für
meine verlorenen Freunde zu sein beschloss ich meinen Fokus bewusst auf die Heroin- und Kokainsucht
zu setzen. Für den Berufsalltag sind es Patienten, die im Akuten- oder Langzeitsuchtbereich
aufgenommen werden.

1.5 Zielpublikum definieren
Das Zielpublikum sind hauptsächlich Aktivierungsfachpersonen, die schon ein Vorwissen besitzen. Ein
mögliches Zielpublikum sind auch angrenzende Berufen, z.B. Pflegefachpersonen und Ergotherapeuten.
Meine Diplomarbeit könnte auch Angehörigen von suchterkrankten Menschen dienlich sein.
Ich möchte einen Leitfaden für Aktivierungsfachpersonen und angrenzende Berufe erstellen.

1.6 Kurze Beschreibung von Aufbau und Gliederung meiner Diplomarbeit
Meine Diplomarbeit ist in 3 Hauptteile gegliedert: Theorie, Praxis und Reflexionsteil.
Im Theorieteil geht es darum, das notwendige Fachwissen zum Thema Sucht zu erarbeiten. Ich gehe auf
die Substanzen Heroin und Kokain ein, zeige die Folgen des Konsums der zwei Substanzen auf und
werde die Abhängigkeit mit verschiedenen Theorien vergleichen. Die Resilienz, Salutogenese, das
Kohärenzgefühl, die fünf Säulen der Identität und die Coping-Strategie werden im Theorieteil
beschrieben.
Die Theorie von Carl Rogers wird beschrieben und mit der Thematik Sucht verknüpft. Ich werde auch die
Kommunikationsweise der Fachpersonen im Umgang mit suchterkrankten Menschen aufzeigen, dieses
Fachwissen habe ich mir im Austausch mit Fachpersonen angeeignet. Die Theorie des aktiven Zuhörens
wurde mir als Schulstoff vermittelt.
Im zentralen Praxisteil zeige ich auf, was die Arbeit mit suchterkrankten Menschen von uns
Aktivierungsfachpersonen fordert, wieso die Aktivierungstherapie geeignet ist und welche Aktivitäten,
Anpassungen und Ressourcenförderungen Sinn machen. Die therapeutischen Ziele in der Arbeit mit
abhängigen Menschen werden auch erläutert.
Im Letzten Teil meiner Diplomarbeit reflektiere ich meine Fragestellungen und Zielsetzungen.
Mein ganzer Arbeitsprozess, die Bearbeitung und meine methodische Vorgehensweise werden
reflektiert. Schlussendlich komme ich noch zu meinem persönlichen Lernprozess. Was kann ich aus
meiner Diplomarbeit lernen. Wie wird sich meine persönliche Einstellung zu suchterkrankten Menschen
verändert? Was kann ich durch meine Arbeit für meinen Praxisalltag lernen? Wie können die geplanten
Interviews meine Diplomarbeit bereichern? Was löst diese Diplomarbeit für meine persönliche und
berufliche Entwicklung aus? In meine Diplomarbeit lasse ich Aussagen von interviewten Personen
einfliessen. Bei diesen Personen handelt es sich um eine Psychologin, eine Pflegefachfrau, einen
Sozialpädagogen, eine Ergotherapeutin, mehreren Drogenkonsumenten und eine junge Frau, die bei
suchtabhängigen Eltern aufgewachsen ist. Alle interviewten Personen haben das von mir Geschriebene
bestätigt. Aus Datenschutzgründen werde ich keine Namen nennen. Ich möchte den Menschen ihrer
Anonymität gewähren. Ebenfalls werde ich die gendergerechte Formulierung anwenden um die
Gleichberechtigung der Geschlechter einzuhalten.

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Theorieteil
2. Definition Sucht und Abhängigkeit
Definition Sucht: «Sucht: ist eine behandlungsbedürftige Krankheit. Der Süchtige greift zwanghaft zum
Suchtmittel und nimmt gravierende gesundheitliche, soziale und physische Folgen in Kauf.
Sucht ist von Kontrollverlust, Toleranzentwicklung und Dosisstrategien geprägt. Bei Abstinenz kommt es
zu starken Entzugserscheinungen.» (Beate Kubny et al. 2020, S. 529).
Dazu fällt mir eine Aussage meiner abhängigen Freundin ein. Welche ich zitiere:
«Wenn ich das extreme Reissen nach Kokain und Heroin verspüre, würde ich alles dafür tun.
Sogar meine Mutter gegen einen Gramm Koki oder H eintauschen.» (Schorta et al. 2020).
Physische Abhängigkeit: «Physische Abhängigkeit ist charakterisiert durch Toleranzentwicklung sowie
das Auftreten von Entzugserscheinungen beim Absetzen der Abhängigkeit erzeugenden Substanz.»
(Dorothea Sauter, Chris Abderhalden, Ian Needham, Stephan Wolff et al. 2020, S.589).
Dazu fällt mir eine weitere Aussage meiner abhängigen Freundin ein. Welche ich zitiere:
«Das körperliche Verlangen nach der Droge beschreibe ich mit dem Toilettengang. Ich muss unbedingt
zur Toilette, mein ganzer Körper schreit danach trotz meines Widerstandes. Ich muss meinem Körper
widerwillig gehorchen und die Droge erneut einnehmen. Ob ich es will oder nicht.» (Schorta et al. 2020).
Definition Abhängigkeit: «Abhängigkeit: liegt vor, wenn der Konsum zur Gewohnheit geworden ist und
sich bei Entzug Unbehagen oder leichte Beschwerden einstellen, die mit erneuter Einnahme abklingen.
Auch hier kommt es zu Toleranzentwicklungen.» (Regine Wilms, et al. 2005, S. 32-33).
Definition Missbrauch: «Missbrauch: liegt vor, wenn eine psychoaktive Substanz nicht ihrem Zweck
entsprechend eingenommen, sondern genutzt wird, um einen unliebsamen Gefühlszustand zu
verdrängen.» (Regine Wilms, et al., 2005, S. 32-33).

Abhängigkeit Diagnostik Einstufung ICD-10

Die ICD ist eine Diagnostikqualifikation in welcher verschiedene Krankheiten in Stufen eingeteilt werden.
ICD-10 stuft die Abhängigkeitserkrankung und Missbrauch von Substanzen ein. Um als
abhängig zu gelten müssen sechs von drei Punkten während einem Jahr erreicht werden.

1. Starker Wunsch oder eine Art Zwang eine Substanz zu konsumieren
2. Verminderte Kontrollfähigkeit (bzgl. Beginn, Beendigung und Menge des Substanzkonsums)
3. Körperliches Entzugssyndrom
4. Toleranz (d.h. Dosiserhöhung ist notwendig, um die gewünschte Wirkung zu erreichen)
5. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen od. Interessen zugunsten des
Substanzkonsums, erhöhter Zeitaufwand zum Substanzkonsum od. sich von Folgen zu erholen
6. Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweis schädlicher Folgen (körperl.+psychisch) (D. Hermann, et
al., Jahrgang unbekannt).

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2.1. Substanz Kokain

                                   (Abb. 2 Corsina Conrad et al. 2020)

Szenenamen: Koki, Schnee, Coke, Koks
Historie: Seit Jahrtausenden gilt die Kokapflanze als Kulturpflanze in Südamerika. Um leistungsfähiger
zu sein wird diese gekaut oder als Tee zubereitet und eingenommen. Anfangs wurde die Kokapflanze als
Stimulationsmittel in Erfrischungsgetränken beigefügt. Als Schmerzmittel wurde die Kokapflanze im
medizinischen Bereich eingesetzt. Im Jahre 1859 begann die Vermarktung der Pflanze.
Seit das Suchtpotenzial der Pflanze bekannt wurde, ist das Konsumieren verboten und illegal.
Zuordnung: Partydroge
Konsumart: Nasal: Ziehen einer Line in Pulverform, intravenös: «Das Kokain wird aufgelöst, zum Teil
auch mit Heroin vermischt, dies wird Cocktail genannt und dann in die Vene injiziert.
Pulmonal: Das Kokain wird aufgelöst und in eine Pfeife (Krackpfeife) gestopft, inhaliert und geraucht.
Oral: In die Mundschleimhäute eingerieben oder in Papier eingepackt und geschluckt. Wird auch Bombe
bezeichnet.
Erwünschte Wirkung: Gefühl von Unschlagbarkeit, sozial enthemmend, sexuell stimulierend,
aufputschend, Erhöhung der Konzentration, erhöhte Leistungsfähigkeit.
Nebenwirkung: Weitstellung der Pupillen, erhöhter Pulsschlag, Kreislaufprobleme, paranoide
Reaktionen, quälende halluzinative Störungen. Wird auch als «bad trip» bezeichnet = schlechter Ausflug.
Risiken/Langzeitfolgen: Auszehrung im körperlichen und psychischen Bereich, Erschöpfungszustand,
Verätzung der Nasenschleimhaut, Selbstüberschätzung, Aggression, asozial agieren, Psychosen,
Depressionen, Sucht und der Tod.
Abhängigkeitspotenzial: Psychisch – extrem hoch, wird leider oft unterschätzt.
Körperlich - keine direkte körperliche Abhängigkeit. (Helmut Kuntz, et al. 2009, S. 153-154).
Momentane Kokainlage: Der Weltdrogenbericht 2020 zeigt auf, dass die Kokainproduktion in
Südamerika bei 2000 Tonnen pro Jahr liegt. Ich spreche hier von momentanen Rekordzahlen. Die
beschlagnahmten Mengen haben sich europaweit und schweizweit verdoppelt, der Preis vom Kokain ist
nicht angestiegen. Das Kokain wird bei 100/120 CHF pro Gramm gehandelt und ist reiner denn je.
Menschen mit Drogenproblemen, die sich momentan in europäischen Notfallstationen einliefern lassen,
nennen als häufigsten Grund den Kokainkonsum. (vgl. Helmut Kuntz, et al. 2009, S. 153-154). (vgl.
suchtschweiz.ch et. al 2020)

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2.2 Substanz Heroin

                                   (Abb. 3 Corsina Conrad et al. 2020)

Szenenamen: H (Englisch ausgesprochen), Stoff, Hero, Heroin
Historie: Die Vermarktung vom Heroin begann im Jahre 1898. Es wurde als Mittel gegen verschiedene
Krankheiten eingesetzt und galt anfangs als nicht suchterzeugend. Morphin wurde durch Heroin ersetzt.
Nachdem das Suchpotenzial von Heroin bekannt wurde, verlor es seine medizinische Bedeutung. Dafür
wurde das Heroin als Rauschmittel umso beliebter.
Zuordnung: Sedativum, ist ein Arzneimittel mit beruhigender, aktivitätsdämpfender Wirkung. Als
Partydroge wird Heroin auch verwendet.
Konsumart: Intravenös: Spritzen in die Venen, wird in der Szene als Fixen oder ein Schuss setzen
bezeichnet. Nasal: Sniffen oder Schnupfen des Pulvers.
Erwünschte Wirkung: Überflutung mit Gefühlen des Wohlseins, euphorische Stimmung, Sorglosigkeit,
ausgeglichene Zufriedenheit, auf Wolken schweben, träumerisches Versinken, Euphorie.
Beschreib der Wirkung einer Konsumentin: «Das Gefühl, welches ich nach dem Schuss verspüre, ist
besser als all meine Orgasmen zusammen.» (Persönliche Kommunikation, A.S., 13. Dezember 2020)
Nebenwirkung: Kreislaufstörung, Übelkeit, Erbrechen, Engstellung der Pupillen.
Risiken/Langzeitfolgen: Psychische und physische Auszehrung. Durch den intravenösen Gebrauch von
nicht sterilen Spritzen können HIV-Infektion, Hepatitis, Eiterungen, bakterielle Entzündungen und
Abszesse entstehen. Soziales Verhalten: Verelendung, Prostitution, Beschaffungskriminalität,
Überdosis, Koma und sogar bis hin zum Tod. Abhängigkeitspotenzial: Physisch: Extreme Abhängigkeit
– beim Entzug zeigen sich starke Entzugssymptome, wird auch Turkey = Truthahn genannt, da man im
Entzug so zappelig und unruhig wird. Psychisch: sehr hohe Abhängigkeit mit extremen Suchtdruck.
Behandlung/Therapie: Körperlicher Entzug, Entgiftung und Psychotherapie. Die Rückfallquoten sind
sehr hoch. Darum stehen heutzutage legale Abgaben für Langzeitabhängige zur Verfügung – Methadon
oder das reine Heroin werden abgegeben und als Langzeittherapie eingesetzt. Die
Beschaffungskriminalität ist gesunken, Suchterkrankte Menschen sind kaum in der Öffentlichkeit
anzutreffen und Infektionserkrankungen haben sich dezimiert. (vgl. Helmut Kuntz, et al. 2009, S. 153-
154)

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2.3 Neurotransmitter und Drogen
Droge              Neurotransmitter     Hauptwirkungsort       Wirkung             Auswirkungen
                                                                                   Störungen
Kokain             Noradrenalin         gesamtes Gehirn        Regulierung von     Depression
                   und Dopamin                                 Wachsamkeit und     Suchtverhalten
                                                               Erregung
Heroin             Endorphine           Zwischenhirn           euphorisierend      Sucht
                                        limbisches System      entspannend
                                        Belohnungszentrum
(vgl. Thomas Hülshoff et al. 2008, S. 126).
Drogen wirken durch Veränderung oder Hemmung der körpereigenen Neurotransmitter. Die Drogen
aktivieren die Nervenzellen. Dadurch werden Hormone ausgeschüttet und bringen die gewünschte
Wirkung hervor. Positive Gefühle und Erinnerungen werden in Verbindung mit dem Drogenkonsum
hergestellt (vgl. Thomas Hülshoff et al. 2008, S. 128).
Drogen wie Kokain und Heroin regen die Hormonproduktion um das Zwanzigfache, als die natürliche
Produktion an. Somit ist zu verstehen, dass suchterkrankte Menschen während der Abstinenz depressiv
werden könnten (vgl. Regine Wilms et al. 2005, S. 32-33).

2.4. Entzug der Substanz
Durch verschiedene Interviews mit Angehörigen, einer Ärztin und suchterkrankten Menschen wurde klar,
dass ein Entzug der Substanz schrecklich ist. Man geht davon aus, dass beim Kokainentzug eher die
Psyche leidet und beim Heroinentzug eher der Körper.
Die Regel besagt, dass eine mögliche Regeneration des Hirnes bis zu fünf Jahren und mehr dauert, je
nach Häufigkeit und Dauer des Konsums. Der Entzug zeigt sich mit psychischer Labilität,
Stimmungsschwankungen, Depressionen, Aggressionen und viele weitern psychischen Symptomen.
Der Entzug vom Heroin ist auch psychisch, weil das euphorisierende Gefühl, beschrieben wie eine
Ekstase, nicht mehr vorhanden ist. Die körperlichen Symptome sind: Kaltschweiss, Erbrechen,
Nasenlaufen, Diarrhö, Depressionen, Gliederschmerzen, Knochenschmerzen. (vgl. Ursula Davatz et al.
2020).Eine Abhängige, die den Entzug erlebte, äusserte, sie würden im Moment des Entzuges lieber
sterben als diese unerträglichen Symptome zu spüren. (Schorta et al. 2020).

3. Sucht und ihre Auswirkungen

3.1 Resilienz
Nach Aaron Antonovsky, Israelisch-amerikanischer Medizinsoziologe 1923-1994, versteht man unter
Resilienz die psychische Widerstandsfähigkeit. Schwierige Lebenssituationen unbeschadet zu
überstehen. Eine Psychologin äusserte, dass man grundsätzlich davon ausgeht, dass ein suchtkranker
Mensch eine eher niedrige psychische Widerstandsfähigkeit hat. Da er immer wieder zur Droge greift, um
vor der schwierigen Lebenssituation zu flüchten.
Dazu passt eine Aussage einer interviewten Frau, deren Eltern süchtig sind:
«Suchtkranke Menschen betäuben sich, um ihren seelischen Schmerz nicht zu spüren. Sie unterdrücken
ihre Gefühlswelt. Die Droge dient zur Selbstmedikation» (Jasmin et al. 2020).

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3.2 Salutogenese
Übersetzt heisst die Entstehung von Unverletztheit, Heil, Glück. Aaron Antonovsky befasste sich mit der
Frage, warum Menschen trotz enormen Belastungen und gesundheitsverändernden Einflüssen gesund
bleiben. Dies ist die Grundlage der Salutogenese. Also wird in der Therapie beim Suchtkranken die
Wiederherstellung der Gesundheit angestrebt.
Im Zusammenhang mit der Salutogenese steht das Kohärenzgefühl, welches ich im weiteren Text
beschreibe.

3.3 Kohärenzgefühl
Beim Kohärenzgefühl geht es um die grundlegende Lebenseinstellung des Menschen. Das Gefühl der
Zuversicht, dass man seine innere und äussere Umwelt beeinflussen kann, dass die Wahrscheinlichkeit
besteht und sich Angelegenheiten so gut entwickeln, wie man es vernünftigerweise erwartet kann.
Im Sinn von:

Handhabbarkeit:          Die Überzeugung, dass man Schwierigkeiten lösen kann.
Verstehbarkeit:          Die wichtigen Zusammenhänge des Lebens verstehen und einordnen.
Sinnhaftigkeit:          Einen Sinn im eigenen Leben sehen.

Antonovsky, erforschte suchtkranke Frauen und stellte fest, dass ihr Kohärenzgefühl deutlich niedriger
war als das Kohärenzgefühl von nicht süchtigen Frauen (vgl. Dorothea Sauter, Chris Abderhalden, Ian
Needham, Stephan Wolff et al.,2020).

3.4 Coping
Ist die Bewältigungsstrategie eines Menschen im Umgang mit empfundenen, schwierigen
Lebensereignissen. Suchterkrankte Menschen nutzen Drogen als Bewältigungsstrategie. Wenn ein
Problem auftaucht, flüchten sie mit dem Drogenkonsum in eine Scheinwelt.

3.5 Physische Folgen der Sucht
Beim langfristigen Drogenkonsum von Kokain und Heroin können folgende physischen Schäden
auftreten:
Leberschäden, Hautalterung, Herz und Kreislaufprobleme, Magen-Darm-Trakt Erkrankungen und
Krebserkrankungen. Beim regelmässigen Konsum von harten Drogen ist ein regelrechter Körperzerfall zu
beobachten. Im Allgemeinen ist der Alterungsprozess vom Körper massiv schneller. Typisch für
suchtkranke Menschen sind die massive Morgenmüdigkeit, vorstehenden Wangenknochen, eine
körperliche Ungepflegtheit, schlechte und bleiche Hautverhältnisse und ungepflegte Zähne.
Vom häufigen Kokainkonsum kann Nasenbluten sowie die Verätzung der Nasenschleimhäute entstehen.
Durchs Rauchen vom Kokain oder Heroin können sich Lungenschäden bilden. Wie bereits erwähnt
können sich Zusatzerkrankungen durch nicht sterile Spritzen bilden, wie HIV, Hepatitis, geschwächtes
Immunsystem und daher eine Anfälligkeit für virale und bakterielle Infektionen.
(Schorta et al. 2020) (vgl. Ursula Davatz et al. 2020).

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Der Goldige Schuss – Durch ein Gespräch mit einer Fachperson und betroffenen Menschen habe ich
erfahren, dass der goldige Schuss, die Überdosierung vom Heroin ist. Wenn suchterkrankte Menschen
den Drogenkonsum eingestellt haben und rückfällig werden, besteht eine hohe Gefahr, dass sie an einer
Überdosierung sterben. Der Körper hat das Gift abgebaut, die hohe Dosierung wie während dem
täglichen Gebrauch der Droge, verträgt der Körper nicht mehr. So kommt es leider immer wieder vor,
dass Menschen an einer Überdosierung sterben.

3.6 Psychische Folgen Sucht
Die psychischen Folgen eines langjährigen Kokainkonsums sind:
Konzentrationsstörungen, Depressionen, Schizophrenien, Paranoia, Zwänge, Verfolgungswahn, Demenz
und Schädigungen von Nervenzellen des Gehirns. (Ursula Davatz et al. 2020)
Beim Konsumenten ist eine Affektlabilität, Angststörung, Störungen des Selbstwertgefühls,
Wesensveränderungen, Aggressionen und eine Opferhaltung zu beobachten. Der Umgang mit sozialen
Kontakten erschwert sich, weil die Konsumenten sich mehrheitlich zurückziehen und absondern während
der Konsumzeit. Daher ist die Interaktion für suchterkrankte Menschen herausfordernd und die Empathie
wenig vorhanden.
Die physischen Folgen eines langjährigen Heroinkonsums sind:
Mehr oder weniger wie beim Kokainmissbrauch. Ausser, dass vom Heroin keine Psychosen entwickelt
werden. Weil das Heroin eine sedierende Wirkung hat, meinte eine Fachexpertin.
(vgl. Ursula Davatz et al., 2020)

 3.7    Die 5 Säulen der Identität

(Abb. 4. S Karina Herzog. nach H.G. Petzold et al. 1993)

Die 5 Identitätssäulen tragen und stützen ein Mensch in seinem Leben. Man geht davon aus, wenn eine
oder mehrere Identitätssäulen instabil oder nicht vorhanden sind, ein Mensch gravierende Probleme
entwickeln kann.

Identitätssäulen im Leben eines abhängigen Menschen:
Säule des Körpers und Psyche: Beim suchterkrankten Menschen hat die Droge höchste Priorität,
meistens wird das wenig vorhandene Geld für Drogen statt für ihre Gesundheit genutzt. Ein schnelle
Körperalterung und gravierende psychische Schädigungen entstehen. Wie ich auch schon bei den vorher
erwähnten Punkten psychische und physische Folgen einer Sucht dargestellt habe.

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Das Wohlbefinden finden sie, wenn sie die Droge konsumiert haben. Kokain steigert das sexuelle
Verlangen, Konsumenten neigen dazu sexuelle Risiken einzugehen, ungeschützter Geschlechtsverkehr
und häufiger Partnerwechsel. Das Risiko von Geschlechtskrankheiten erhöht sich.
Säule der Arbeit und Leistungsfähigkeit: Die physischen und psychischen Gesundheitszustände der
suchterkrankten Menschen ermöglichen das Nachgehen einer Arbeit, Ausbildung oder Schulung im
ersten Arbeitsmarkt meistens nicht mehr. Sie können die Leistungsfähigkeiten nicht mehr erbringen.
Säule der sozialen Beziehungen: Abhängige Menschen benötigen in erster Linie ihr Doge,
Beziehungen werden zweitrangig. Sie entwickeln das Gefühl, dass es ihnen auch allein mit der Substanz
gut gehe. Ein Kontaktabbruch mit Familienangehörigen kommt häufig vor. Meistens entstehen
«Suchtbeziehungen», ein Mensch der konsumiert verkehrt meistens mit Gleichgesinnten, weil sie sich
untereinander verstehen und den gleichen Lebensinhalt pflegen. Die Mitkonsumenten werden zu
Familienmitgliedern, z.B. in Zeiten vom Platzspitz war dies ersichtlich.
Säule der materiellen Sicherheit: Das Geld ist bei suchterkrankten Menschen meistens knapp, sie
verpulvert es für den Drogenkonsum. Die finanzielle Unabhängigkeit finden abhängige Menschen
mehrmals nur durch Prostitution oder durchs Dealen (illegaler Verkauf von Drogen). Eine sichere
Unterkunft kennen suchterkrankte Menschen in Konsumzeiten nicht. Unterschlupf wird irgendwo
gefunden, evtl. in der Drogen-Clique, in Notschlafstellen oder auf der Strasse.
Säule der Werte und Normen: Suchterkrankte Menschen verabschiedenden sich von ihren Normen und
Werte. Sie kommen in Kontakt mit Prostitution, Wohnungsaufgabe, Kontaktabbruch mit geliebten
Menschen, Verlust der Arbeit und viele weitere Opfer. Um über den Glauben, die Lebensphilosophie und
Sinnfragen nachzudenken, nehmen sich die Menschen keine Zeit. Sie kümmern sich um die Beschaffung
der Droge und wenn die Droge vorhanden ist, tauchen sie in ihrer Scheinwelt ein. (vgl. Regine Wilms et
al., S. 23-24).

4 . Die Grundhaltung der Aktivierungsfachperson

4.1 Empathie, Akzeptanz und Kongruenz
Carl Rogers der humanistische Psychologe erfasste die Grundhaltung der personenzentrierten
Gesprächstherapie mit drei Wörter: Empathie, Akzeptanz und Kongruenz. Diese Grundhaltung sollten
Aktivierungsfachleute gegenüber den Patientinnen aufbringen. Ich kann mich durch diese Grundhaltung
identifizieren, darum möchte ich dieses Thema in meiner Diplomarbeit aufgreifen und den Umgang zur
Theorie mit abhängigen Menschen vergleichen. Kurz beschreibe ich auch für Fachpersonen
Empathie, Akzeptanz und Kongruenz:
Empathie bedeutet das einfühlende Verständnis der Aktivierungsfachperson für die Probleme und
Anliegen der Patienten. Wichtig ist, dass die Fachpersonen eine nichtwertende Haltung einnehmen. Die
Validation gehört zur empathischen Kommunikationsweise.
Akzeptanz bedeutet, die bedingungslose Wertschätzung des Patienten. Dazu kommt die Loyalität,
Solidarität und Hilfestellung gegenüber dem zu therapierenden Menschen.
Kongruenz bedeutet dass der Therapeut gegenüber dem Patienten authentisch ist. Eine therapeutische
Beziehung ist nur möglich, wenn ein Therapeut gegenüber seinem Patienten sich selbst ist.
Diese Begriffe sind die Basis, um den therapeutischen Beziehungsaufbau zwischen den Patienten und
der Aktivierungsfachperson zu bilden. (vgl. Doris Ostermann, Osnabrück, et al., 2003).

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4.2 Die Therapeutische Grundhaltung im Umgang mit suchtkranken Menschen
Ein notwendiger Aspekt ist, dass die Aktivierungsfachpersonen den Patienten mit Respekt, vorurteilslos
und autonom ansehen. Besonders bei suchterkrankten Menschen ist die Grundhaltung der Therapeuten
gefragt. Die Empathie und das einfühlende Verständnis für die Patienten für ihre Lage aufzubringen,
darüber zu kommunizieren und evaluieren. Suchterkrankte Menschen haben schwere Situationen in
ihrem Leben zu meistern, hierfür ist ein offenes Ohr der Therapeuten gefragt.
Die Anwendung des aktiven Zuhörens ist eine grosse Unterstützung. Nachfragen, Paraphrasieren und
das Verbalisieren der Emotionen. Die nichtwertende Haltung ist in meinen Augen wichtig.
Suchterkrankte Menschen werden von der Gesellschaft verstossen und meist negativ gewertet. Aus
Aussagen von Fachpersonen ist es darum besonders wichtig, dass Fachleute die wertfreie Haltung
einnehmen und wiedergeben.
Akzeptanz und Wertschätzung gegenüber den Patienten ist ein Muss. Dazu gehört das Ermutigen und
Unterstützen der Patienten. Die Wertschätzung sollte im Umgang mit suchterkrankten Menschen
aufgebracht werden. Sehr wichtig finde ich es, wenn suchterkrankte Menschen ihre meist schweren
Schicksalsschlägen und Biografie mit uns Therapeuten teilen. Da ist die Verbalisierung der
Wertschätzung ideal. Kongruenz, die Echtheit und Ehrlichkeit der Fachperson. Patienten merken, ob
die Therapeuten ihnen etwas vorspielen oder sich selbst sind. Aus diesem Grund ist das kongruente
Auftreten der Therapeuten der Kern des therapeutischen Beziehungsaufbaus.
Die ehrliche Kommunikation mit den Patienten ist auch darin enthalten. Eine Fachperson sollte
gegenüber den Patienten transparent und menschlich auftreten. (vgl. Regine Wilms et al. 2005, S. 52-
53).

Praxistransfer
5. Wieso ist die Aktivierungstherapie geeignet

In der Aktivierungstherapie wird ressourcenorientiert gearbeitet. Die noch vorhandenen Fähigkeiten der
Patienten werden gefördert und für zielorientiertes Arbeiten genutzt. Mittels dieser Art von Therapie
ermöglichen Aktivierungsfachpersonen den Menschen Erfolgserlebnisse und Erstarken des
Selbstvertrauens. Dies ist besonders wichtig für suchterkrankte Menschen, da sie oft ein niedriges
Selbstwertgefühl haben, emotionale Labilität oder auch keinen Sinn und keine Struktur im Leben finden.
Meistens werden sie von grossen Schuldgefühlen gegenüber der Familie, den Angehörigen und sich
selbst geplagt. Eine therapeutische Beziehung zu suchterkranken Menschen zeigt sich auf der einen
Seite labil und auf der anderen Seite von hoher Bedeutung. Meistens sind Geborgenheit und Zuneigung
erwünscht. Wenn die Drogen nicht mehr vorhanden sind empfinden die Betroffenen eine grosse Leere.
Ihr ganzer Lebensinhalt ist nicht mehr vorhanden. Dies kann den Patientinnen Angst machen, daher wird
eine Bindung und Beziehung zu anderen Menschen vom Betroffenen gesucht. Aus diesem Grund ist die
Aktivierungstherapie wichtig. Bei suchterkrankten Menschen ist es wichtig, ihnen einen neuen Sinn im
aufzuzeigen Leben. Die Aktivierungsfachpersonen sind die idealen Therapeuten. Sie haben das
notwendige Wissen, um den suchterkrankten Menschen die nötige individuelle Unterstützung zu bieten.
Dies kann zum Beispiel ein neues Hobby sein, eine Aufgabe, eine Tagesstruktur, usw.
Aktivierungsfachleute arbeiten in musischen, gestalterischen, kognitiven Bereichen und Aktivitäten des
täglichen Lebens. Daher können Aktivierungsfachpersonen in verschiedenen Bereichen die passende

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Aktivität und Tätigkeit anbieten. Wenn suchterkrankte Menschen den Suchtdrang das «craving» (die
Gier) verspüren, ist es notwendig, dass die Menschen eine neue Strategie «Skills» (Kompetenzen)
entwickeln, damit sie dem Drang Kokain oder Heroin widerstehen können. Suchterkrankte Menschen
können sich mit aktivierungstherapeutischen Aktivitäten ablenken. Möglicherweise können Patienten
sogar in der Aktivierungstherapie neue Aktivitäten kennenlernen und erlernen. Durch die Teilnahme an
der Aktivierungstherapie erhalten die Patienten eine Struktur, Orientierung und Sicherheit im Alltag. Mit
den Gruppentherapien entstehen soziale Kontakte zu anderen Patienten, die möglicherweise die
gleichen Herausforderungen erleben. Somit können sich die Patienten untereinander austauschen,
unterstützen und von erfolgreichen Bewältigungsstrategien profitieren. In Einzeltherapien bietet sich die
Gelegenheit individuelle Interessen, Bedürfnisse und Wünsche der Patienten umzusetzen. Auf bewährte
Aktivitäten werde ich später genauer eingehen und eine Ideensammlung mit Beispielen darstellen.

6. Therapeutische Überlegungen und Umgang

6.1 Aktivierungstherapeutisches Angebot in der Psychiatrie
Im psychiatrischen Bereich sind vielfältige Therapieangebote für die Patienten wiederzufinden.
Aktivierungstherapie, Ergotherapie, Physiotherapie, Maltherapie, Bewegungstherapie, Kunsttherapie und
psychotherapeutische Gesprächsgruppen. Das therapeutische Angebot in der Psychiatrie wird von
spezifischen Fachpersonen angeboten. Teilweise fallen gewisse Bereiche der fünf therapeutischen Mittel
für Aktivierungsfachpersonen weg.
Es gibt aber viele Vorteile, wenn man als Aktivierungsfachperson im psychiatrischen Bereich arbeitet.
Den Interdisziplinären Rapport schätze ich sehr. Es findet ein regelmässiger Austausch über die
Patienten mit allen Fachgruppen statt. Gemeinsam werden Lösungen und Wege gesucht. Die
Beobachtungen der Aktivierungsfachpersonen werden geschätzt, da wir in den Therapien die Patienten
allumfassend erleben. Mit der Informationssammlung erfassen wir die Ressourcen, Wünsche und
Bedürfnisse der Patienten, dies sind wichtige Informationen für andere Berufsdisziplinen. Z.B.: Ist es
noch möglich, dass ein Patient sein Haushalt selbständig führt, kann jemand für sich sorgen? Ist es nötig,
dass die Spitex Pflege integriert wird? Ist ein Eintritt ins Pflegeheim unumgänglich, usw.?
Ich arbeite auf einer geriatrischen Akut Station, der Aufenthalt der Patienten dauert von ca. drei Wochen
bis einige Monate. Auf der Station werden verschiedene Aktivitäten von den Aktivierungsfachpersonen
angeboten. Z.B. Gedächtnistraining, Backen, Themengruppen, Gestalten, Aktivitäten des Täglichen
Lebens, Feste feiern und vieles mehr. Anders als im Altersheim entfällt ein fixer, starrer Wochenplan.
Die aktivierungstherapeutischen Angebote müssen sich den Patienten und deren Niveau, Interessen,
Bedürfnissen, Wünschen und Ressourcen anpassen. Es ist noch zu erwähnen, dass in Psychiatrien mit
ärztlichen Verordnungen gearbeitet wird. Das heisst, nach den Erstgesprächen mit den Patienten, wird
gemeinsam entschieden, welches Therapieangebot für den Patienten sinnvoll ist. Hier ist die Zielsetzung
und Begründung der Aktivierungsfachperson gefragt. Wiederum fliessen die Interessen, Ressourcen,
Bedürfnisse, Wünschen und die Biographie der Patienten mit ein. Durch den behandelnden Arzt wird
eine Verordnung erstellt, an welchen Therapien die Patienten teilnehmen. Diese Verordnungen werden
stets evaluiert und angepasst.

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6.2 Tagesablauf
Bei suchterkrankten Menschen ist der Tagesrhythmus auf dem Kopf gestellt. Häufig wird die Nacht zum
Tag. Weil Betroffene die Müdigkeit durch den Konsum nicht mehr wahrnehmen. Das ist beim
Kokainkonsum bekannt. Man wird aktiv und vital. Daher schlafen suchterkrankte Menschen am Morgen
länger. Therapiegruppen sind nicht am frühen Morgen anzubieten, ausser wenn eine Reintegration das
Ziel ist. Somit wird den Patienten bewusst die Tagesstruktur aufgezeigt.
Wenn dies nicht der Fall ist, wie zum Beispiel bei langzeitabhängigen Menschen, sollten die Therapien
auf den späten Vormittag, Nachmittag oder Abend verlegt werden. Fachpersonen gehen immer vom
Therapieziel der Patienten aus, um Therapiezeiten festzulegen.

6.3 Anleitung und Begleitung
Eine Sucht gilt als chronische Erkrankung daher wird mit dem erneuten Konsum gerechnet. Von der
Aktivierungsfachperson ist Geduld, eine hohe Frustrationsgrenze und Aushaltevermögen gefragt.
Wie schon erwähnt ist das Zentrale bei der Zusammenarbeit mit suchterkrankten Menschen der
therapeutische Beziehungsaufbau. Wie man bei der Theorie der 5 Säulen sieht, sind die Beziehungen
für Suchterkrankte zweitrangig und die Droge hat höchste Priorität. Daher muss sich die
Aktivierungsfachperson bewusst sein, dass Suchterkrankte misstrauisch gegenüber Mitmenschen sind
und ein Beziehungsaufbau und Vertrauensaufbau erschwert sein kann. Trotzdem wird der
Beziehungsaufbau geschätzt, wenn die Vertrauensbasis aufgebaut ist.
Die Therapien sollen ein sicherer Ort für die Patienten sein. Fachpersonen sollten an den Patienten
glauben und ihnen Mut machen. Neue Strategien im Umgang mit Stress sollten mit den Patienten
besprochen und aufgezeigt werden. In Stresssituationen greifen Suchterkrankte zur Droge. Wenn die
Abstinenz oder legale Abgabe das Ziel ist, müssen neue Möglichkeiten aufgezeigt werden. Ablenkung
durch Aktivitäten, Musik, Tagebuschschreiben, Stressball kneten, Bewegung, Sport, alles was den
Menschen guttut. Die Strategien sind meist so individuell wie der Mensch selbst.
Der therapeutische Umgang muss den Patienten angepasst werden. Die einen brauchen mehr Struktur
andere weniger, bei anderen Patienten fliesst der Umgang schon ins Pädagogische hinein. Wichtig ist
eine transparente Haltung und auf die Bedürfnisse der Patienten individuell einzugehen.
Dies kann durch Vereinbarungen und Richtlinien, die mit den Patienten besprochen und erarbeitet
ermöglicht werden. Wenn Patienten sich nicht dranhalten, sollten sie auch die Konsequenzen ihres
Handelns spüren und die Verantwortung dafür übernehmen. Als Therapeut muss man das Handeln der
Patienten akzeptieren und offen ansprechen, teilweise hilft es das Verhalten der Patienten zu spiegeln,
damit sie sich ihres Verhaltens bewusstwerden. Durch den Drogenmissbrauch sind Defizite im kognitiven
Bereich keine Seltenheit. Darum sind eine einfache und klare Sprache anzuwenden und eine Schritt für
Schritt Anleitungen. Regelmässig nachfragen, ob die Patienten die Anleitungen nachvollziehen können.
Auf die Kommunikation gehe ich später nochmals ein. Die kommunikativen Fähigkeiten der Patienten zu
fördern und darauf achten, dass sich jeder einbringen und mitteilen kann. Die soziale Interaktion sollte
gefördert werden damit ein Austausch unter den Patienten stattfinden kann. Die Fachperson sollte den
suchterkrankten Menschen auf Augenhöhe begegnen. Ihnen Eigenverantwortung übergeben und den
Klienten ihren eigenen Weg gehen lassen. Die Aktivierungsfachpersonen müssen ihr Verhalten
gegenüber den Patienten immer wieder reflektieren und evaluieren.

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6.4 Arbeitsplatzgestaltung
Bei der Arbeitsplatzgestaltung mit suchterkrankten Menschen sollte man die grundlegenden
therapeutischen Überlegungen beibehalten und vornehmen. Für eine angenehme und sichere
Umgebung sorgen, Lichtverhältnisse anpassen, den Raum lüften, bevor die Therapie stadtfindet, und
dafür sorgen, dass keine Störquellen auftreten, wie z.B. Lärm. den Raum sollte man zur Orientierung den
Jahreszeiten entsprechend dekorieren. Zusätzlich sollte man darauf achten, dass Triggers, z.B. Mehl,
Staub vom Speckstein, Holzstaubreste, etc. vermieden werden. Damit die Verführung zum Konsum nicht
gefördert wird. Desinfektionsmittel und alkoholhaltige Getränke (Essig) sollten versorgt sein.
Grundsätzlich sind die Institutionen darauf ausgerichtet. Meistens sind abschliessbare Schränke
vorhanden, die potenziell, gefährlichen Utensilien sind eingesperrt, ebenso das Geld. Suchterkrankte
Menschen neigen dazu Geld zu entwenden, es besteht oft ein Geldmangel. Anders als bei der
Aktivierungstherapie im geriatrischen Bereich, sind suchterkrankte Patienten für ihre
Arbeitsplatzgestaltung selbst verantwortlich. Die Materialien, Werkzeug werden von den Patienten
selbständig geholt. Ebenfalls sind sie fürs Aufräumen des Arbeitsplatzes zuständig. Somit werden die
Ressourcen der Patienten gefordert, sie können Verantwortung für sich und ihre Umgebung
übernehmen, denn suchterkrankte Menschen sind wenig verantwortungsbewusst. Es ist wichtig, dass bei
Bedarf den Patienten eine Rückzugsmöglichkeit für die Aufrechterhaltung der Privatsphäre geboten wird.

6.5 Kommunikation mit suchterkrankten Menschen
Eine transparente und kongruente Kommunikation ist von den Fachpersonen gefordert. Den Menschen
ernst nehmen. Blickkontakt zu den Patienten halten, Tempoanpassung der Sprache, unser Gegenüber
bestimmt das Tempo. Eine klar strukturierte Kommunikation ist von Vorteil, damit die Patienten eine
Fachperson nicht falsch verstehen. Stets nachfragen ob das Gesagte verständlich ist.
Herausforderungen und Probleme ansprechen und eine gewaltfreie Kommunikation anwenden. Man
sollte zuhören, Präsenz und Interesse gegenüber den Patienten aufbringen. Die biographischen
Erzählungen sind enorme Schätze, dementsprechend sollte die nötige Anerkennung gezeigt werden und
den Wert der Interaktion anerkennen und rückmelden. Das Beobachten der Patienten fliesst für mich in
die Kommunikation mit ein. Mimik, Gestik, die Stimmenbetonung und das Nonverbale, paraverbal fliesst
mit ein. Die Anwendung des aktiven Zuhörens ist eine grosse Unterstützung. Nachfragen,
Paraphrasieren, Zusammenfassen, Unklares aufklären und Verbalisieren der Emotionen. Unter den
Patienten ist es förderlich die Interaktionen und Kommunikation zu fördern. Es bietet sich die
Gelegenheit, um neue Lösungswege zu finden. Also das Lernen vom Erfolg anderer und den
Erfahrungsaustausch. Suchterkrankte wenden die Szenensprache an, dies sollte sich während der
Therapiezeit ändern. Damit erreicht man Distanz zur Droge und das craving zu unterbinden. Mit den
Patienten kann auch besprochen werden, ob sie eine Integration ihres Umfeldes schätzen würden, damit
der Beziehungsaufbau mit Angehörigen stattfinden kann. Man sollte den Patienten im Gespräch
aufzeigen, dass sie die Experten für die Entwicklung neuer Lösungsstrategien sind. Gemeinsam kann
nach Lösungen gesucht werden. Fachleute sollten keine Lösungen anbieten, sondern die Patienten auf
ihrem Weg begleiten damit die Lösungen selbständig gefunden werden. Hier bietet sich auch die
Möglichkeit, dass sich der Patient reflektiert und sich mit seinem Krankheitsweg auseinandersetzt.
Relevant finde ich in der Rolle als Fachperson sich abzugrenzen, wenn Erzähltes zu belastend oder zu
herausfordernd ist. Hier fliesst die Kongruenz mit ein. Aktivierungsfachpersonen sollten den Patienten die
Möglichkeit bieten, Gespräche zu führen, damit ihnen bewusst wird, dass sie nicht allein sind.
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6.6 Mögliche Herausforderungen
In der Therapie mit suchterkrankten Menschen muss mit Aggression, Depressionen, Sensibilität,
Impulsivität, Antriebsstörungen, Anpassungsstörungen und Konzentrationsstörungen gerechnet werden.
Da sie ihr Betäubungsmittel eingestellt haben und jetzt mit der Realität konfrontiert sind. Wichtig ist dabei
die Validation anzuwenden und den Menschen auf seiner emotionalen Ebene abzuholen. Genau
beobachten, wann die Emotionen auftreten. Konsumenten neigen dazu ungeduldig zu sein, begonnene
Arbeiten nicht zu Ende zu führen. Hier können die Therapeuten den Patienten motivieren, das Niveau der
Arbeit anpassen und Aktivitäten ohne Druck anbieten. Damit die Patienten ihre Arbeit zu Ende führen
können. Suchtpatienten neigen dazu, die Therapeuten in eine Rolle zu drängen. Es ist daher notwendig,
dass sich die Fachleute nicht auf das «Spiel» einlassen und die Patienten auf einer therapeutischen
Basis gegenübertreten, nicht die Rolle des Kumpels, des Polizisten etc., übernehmen. Wichtig ist es
daher, dies anzusprechen und den Patienten aufzeigen was sie mit ihrem Verhalten bewirken. Alles offen
ansprechen ist die Devise. Viele Patienten probieren die Therapeuten zu Duzen. Je nachdem in welchem
Setting die Therapie stattfindet ist es nicht angebracht. Ich persönlich, bevorzuge das Siezen, damit eine
automatische Distanz gewährt wird.
Man kann auch davon ausgehen, dass suchterkrankte Menschen die Fachleute provozieren und
belügen, es ist wichtig, dass man Provokationen und Lügen nicht persönlich nimmt und fachlich bleibt.
Das Verherrlichen vom Konsum trifft öfters zu. In dieser Situation kann aufgezeigt werden, was der
Konsum von ihnen fordert und welche Folgen er hat.
Ein erneuter Konsum ist zu erwarten. Es ist möglich, dass Patienten während oder vor der Therapie
konsumieren. In den meisten psychiatrieren Kliniken gilt eine Nulltoleranz des Konsums. Sprich, man
muss nüchtern sein, um an den Therapien teilzunehmen. Wenn Aktivierungsfachpersonen den Konsum
beobachten, oder vermuten, muss die Therapiegruppe verlasse werden. Der Konsum wird gemeldet.
Abhängig von der Regelung, Institution und vom Ziel der suchterkrankten Menschen. Ich würde
zusätzlich das Gespräch mit den Patienten suchen und sie mit dem Konsum und die Folgen
konfrontieren. Jedoch seine Würde nicht verletzen.
Man sollte Vorerkrankungen oder Zusatzerkrankungen im Hinterkopf behalten. Die Vorerkrankungen der
Konsumenten können verschiedene psychische Erkrankungen sein. Wie z.B. ADHS, Wahnvorstellungen,
Depressionen, Schizophrenien, Angststörung, Paranoia, Zwänge, Verfolgungswahn und Demenz. Dies
können auch verschiedene herausfordernde Situationen mit sich führen. Mit Selbstverletzen, unreale
Sinneswahrnehmungen, usw. Daher sollt man die Vorerkrankungen der Patienten und den nötigen
Umgang als Therapeutin kennen und anwenden, z.B. Aufzeigen der Realität und ihnen Sicherheit bieten.
Soziale Kontakten zu pflegen sind für suchterkrankte Menschen erschwert. Daher ist die Interaktion zu
anderen Mitpatienten wertvoll und sollte gefördert werden. Es ist möglich, dass Konflikte zwischen
Mitpatienten entstehen, Aktivierungsfachpersonen sollten in solchen Situationen, wenn nötig
intervenieren und den Patienten den nötigen Schutz bieten.
Für die eigene Psychohygiene ist es wichtig, Belastendes im Team zu besprechen und einen
persönlichen Ausgleich zur Arbeit zu finden.

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