UTSCHE SARKOM STIFTUNG - Diagnose Weichgewebesarkom? - Wir geben Antworten!
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UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST Diagnose Weichgewebesarkom? Wir geben Antworten! Ausgabe 2021
Diagnose Weichgewebesarkom Sie haben Fragen? Wir geben Antworten! Egal, ob Sie Patient, Familienmitglied oder Freund sind: Die Diagnose „Sarkom“ ist eine neue, unerwartete und beängstigende Erfahrung! Es gibt plötzlich viel zu verstehen, zu lernen und zu bewältigen. Doch es gibt Menschen wie Sie, die vor der Diagnose niemals das Wort „Sarkom“ gehört haben, die wissen, wie es ist, Antworten zu suchen, auf Befunde zu warten, endlich DEN Sarkom-Experten zu finden oder sich zwischen Therapieoptionen entscheiden zu müssen. Einige dieser Menschen haben sich in der Deutschen Sarkom-Stiftung Bereich Patienten-Hilfe (bis 2019 in der Patientenorganisation „Das Lebenshaus“) zusammen gefunden. Hier arbeiten Patienten, Patientenvertreter, aber auch Experten aus den deutschen Sarkom-Zentren eng zusammen. Unser Ziel ist es, die Forschung voran zu treiben, die Versorgungs- und Behandlungsqualität zu verbessern oder Informationen bereitzustellen. Zu diesen Informationen zählt auch diese Broschüre. Sie bietet verständliche Informationen über Sarkome, Diagnose, Behandlung und Nachsorge. Sie soll Ihnen als Hilfe und „Lotse“ auf Ihrem Weg mit einem Sarkom dienen. Denn die Diagnose „Sarkom“ bedeutet nicht automatisch das Schlimmste, sondern vor allem ein neues, anderes Leben mit der Erkrankung. Sollten Sie weitere Informationen oder ein offenes Ohr benötigen, dann wenden Sie sich gerne an den Bereich Patienten-Hilfe der Deutschen Sarkom-Stiftung: Hier treffen und sprechen Sie mit Menschen, die Sie verstehen. Werden Sie aktiv – nehmen Sie Kontakt mit uns auf! Ihre „Patienten-Hilfe Sarkome/GIST“ der Deutschen Sarkom-Stiftung Hinweis: Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in dieser Broschüre überwiegend die männliche Form gewählt. Die weibliche Form ist der männlichen Form natürlich gleichgestellt. 2 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST 1. Sarkome verstehen Sarkome sind seltene Tumoren, die entweder in den Knochen oder in den Weich geweben auftreten. Dazu gehören das Muskel-, Fett-, Knorpel- und Bindegewebe, aber auch Gefäße. Sarkome umfassen über 100 verschiedene, bösartige (maligne) Tumoren (Stand 2019). Diese unterscheiden sich teilweise deutlich in ihrem biologischen Verhalten, ihrer Prognose und ihrem Ansprechen auf unterschiedliche Therapien. Man schätzt die Zahl der Neuerkrankungen in Deutschland auf bis zu 6.000 pro Jahr. Dabei entfällt der Großteil auf Weichgewebetumoren (exkl. GIST) – etwa 3.500 bis 4.000 Menschen werden jedes Jahr damit diagnostiziert. Sarkome des Knochens sind noch deutlich seltener und treten gehäuft bei Kindern und Jugendlichen auf. Etwa 800 Menschen erkranken jährlich an Knochensarkomen (umgangssprachlich auch „Knochenkrebs“ genannt). Übrigens: Der Begriff „Sarkom“ stammt aus dem Griechischen: Er setzt sich aus „sarcos“ Fleisch und „oma“ Geschwulst zusammen. Sarkom-Basisbroschüre 3
1. Sarkome verstehen INFO 1.1. Klassifizierung Grob lassen sich drei Hauptgruppen unterteilen: Tumoren: l Weichgewebesarkome: Ca. 75 % aller Sarkome sind Unter einem Tumor versteht man entartete Weichgewebesarkome Körperzellen, die sich schnell und unkontrolliert l Knochensarkome: Etwa 10 % aller Sarkome vermehren. Bei bösartigen Tumoren haben diese entstehen im Knochen Zellen zudem die Eigenschaft, sich von ihrem ur l Gastrointestinale Stromatumoren (GIST): sprünglichen Zellverband zu lösen, in Ein spezielles Weichgewebesarkom im umliegende Gewebe überzusiedeln (Infiltration) Magen-Darm-Trakt, das etwa 15 % aller oder über das Lymphsystem oder den Blutkreislauf Sarkome ausmacht in entfernte Gewebe (Organe) abzuwandern und sich dort anzusiedeln (Metastasierung). Innerhalb dieser Klassifizierung kann man die In der Regel haben die Tumorzellen ihre ursprüng Tumoren nach ihrem jeweiligen Ursprungsgewebe liche Funktion verloren und beeinträchtigen durch bzw. ihrer Ähnlichkeit zu vorhandenen Gewebstypen ihr Wachstum die Funktionen des gesunden weiter unterteilen. Sie entstehen aus Zellen des Gewebes und der Organe, in denen sie wachsen. Fett-Gewebes, des Muskel-Gewebes des peripheren Nervengewebes, des Gelenk-Gewebes, der Blut- und Lymph-Gefäße, des Faser-/Bindegewebes oder sind sogar unklaren Ursprungs (Gewebetyps). Beispiel: Lipo bedeutet „Fett“. Ein Liposarkom ist ein bös artiger (maligner) Tumor des Fettgewebes. Weichgewebesarkome können nahezu im gesamten Binde- und Stützgewebe vorkommen: Beispielsweise in der glatten Muskulatur, in der quer gestreiften Muskulatur, im Fettgewebe, im Bindegewebe, in knochenbildenden Zellen, in Gelenk-Kapselzellen, in Knorpelzellen, in Blutgefäßen, in Lymphgefäßzellen, in Nerven schützenden/stützenden Zellen… Sarkome kennen keine Grenzen: Weit über 150 Subtypen können nahezu überall im Körper in sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen auftreten. 4 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST Beispiele zum Verständnis der Benennung Abgrenzung Knochensarkome bösartiger Weichgewebesarkome Name: Sarkomart / Knochensarkome, auch primärer Knochenkrebs Ursprungsgewebe: genannt, sind äußerst selten. Sie machen etwa < 0,2 % aller bösartigen Tumore aus, obgleich die Leiomyosarkom Glatte Muskulatur Zahlen je nach Land variieren. Wie der Name schon Liposarkom Fettgewebszellen sagt, befallen bösartige Knochentumore die Knochen Fibrosarkom Bindegewebszellen des Körpers, sie können jedoch auch im Knorpel auftreten. Osteosarkom Knochenbildende Zellen Synovialsarkom Gelenkkapselzellen Zu den häufigsten Knochensarkomen zählen Rhabdomyosarkom Quer gestreifte Muskulatur Osteosarkome, Ewing-Sarkome, Chondrosarkome, Riesenzelltumore und Chordome. Bei mehr als der Angiosarkom Blutgefäße Hälfte aller diagnostizierten bösartigen Knochen Chondrosarkom Knorpelzellen tumore handelt es sich um Osteosarkome oder Neurofibrosarkom Nerven schützende/ Chondrosarkome. stützende Zellen Lymphangiosarkom Lymphgefäßzellen l Das Osteosarkom ist der häufigste primäre Kno- chenkrebs. Man geht davon aus, dass jährlich von einer Millionen Menschen etwa 2-3 neu daran Angesichts dieser Aufzählung von nur einigen erkranken. Es tritt gehäuft bei Jugendlichen im Subtypen wird schon jetzt deutlich, dass es sich bei Alter von 15-19 Jahren auf – hier macht es >10 % den Sarkomen um eine Gruppe sehr unterschied aller soliden Tumore aus – sowie bei Menschen im licher (heterogener) Erkrankungen handelt. Sie Alter von > 70 Jahren. Männer sind etwas häufiger verbindet eigentlich nur der gemeinsame Ursprung betroffen. aus den so genannten „mesenchymalen Zellen“. l Das Ewing-Sarkom (ES) ist das dritthäufigste Knochensarkom. Vor allem Kinder und Jugendliche INFO sind betroffen, es wird jedoch auch bei jungen Erwachsenen beobachtet. Bei der Diagnose stellung sind die Patienten durchschnittlich Mesenchymales Gewebe 15 Jahre alt, Männer sind häufiger betroffen als Der menschliche Körper besteht aus einer Vielzahl Frauen. Das ES befällt vor allem die Becken verschiedener Gewebearten. Diese Gewebe gehen knochen sowie die Beinknochen, kann aber im Verlauf der embryonalen Entwicklung aus grundsätzlich alle Knochen sowie das Weich verschiedenen „Urgeweben“ hervor. gewebe betreffen. Letzteres tritt jedoch vor Das Ektoderm bildet den Ursprung für Zellen von wiegend bei Erwachsenen über 30 Jahren auf. Haut, Haaren, Gehirn, Nerven und Sinnesorganen. Aus dem Endoderm entstehen u.a. die Oberflächen l Das Chondrosarkom ist das häufigste Knochen- (Schleimhäute) der Lunge, der Harnblase und des sarkom im Erwachsenenalter. Von einer Millionen Verdauungstraktes sowie Brustdrüse, Leber und Menschen sind etwa zwei Personen betroffen. Bauchspeicheldrüse. Tumoren, die aus diesen Meist werden sie im Alter von 30 bis 60 Jahren Geweben entstehen, werden als Karzinome diagnostiziert. bezeichnet. Aus dem Mesoderm gehen u.a. der Stütz- und l Riesenzelltumore sind aggressiv, streuen (meta Bewegungsapparat (Knochen, Muskeln), die Weich stasieren) jedoch selten in andere Organe. Sie gewebe und das Blut- und Lymphgefäßsystem treten am häufigsten bei jungen Erwachsenen auf, hervor. Diese Gewebetypen werden im ausgereiften Frauen sind am stärksten betroffen. Zustand als mesenchymale Gewebe bezeichnet. Nahezu alle malignen (bösartigen) Tumoren, die aus l Chordome sind seltene Wirbelsäulentumore, die solchen mesenchymalen Geweben entstanden sind, am häufigsten im Hals- oder Beckenbereich werden als Sarkome bezeichnet. (Kreuzbein) zu finden sind. Sie treten mit einer Häufigkeit von ~0,5 Personen/Millionen Einwohner pro Jahr auf. Sarkom-Basisbroschüre 5
1. Sarkome verstehen 1.2. Differenzierung 1.5. Aufteilung der Sarkome in drei Hauptgruppen: Tumore kann man nicht nur nach dem Ursprungs Weichgewebesarkome gewebe einteilen. Man kann sie auch nach dem Grad l Ca. 3.500 – 4.000 Neuerkrankungen pro Jahr der Ähnlichkeit mit dem Herkunftsgewebe (einschl. GIST) unterscheiden. Sind sich Tumor- und Gewebezellen des Ursprungsgewebes ähnlich, so spricht man von GIST (Gastrointestinale Stromatumoren) differenzierten Tumorzellen. Sind die Tumorzellen l Ca. 800 bis 1.200 Neuerkrankungen pro Jahr so entartet, dass ihre Herkunft und das Ursprungs gewebe nicht mehr bestimmt werden können, so Knochensarkome (Osteosarkome, Ewing-Sarkome, werden sie als „dedifferenziert“ oder „undifferenziert“ Chondrosarkome, Chordome, Riesenzelltumoren) bezeichnet. Der Grad der Differenzierung ist l Ca. 800 Neuerkrankungen pro Jahr zusammen mit der Größe, der Lage und dem Vorhan- densein von Tochtergeschwülsten (Metastasen) für die Behandlungsplanung von großer Bedeutung. Je Häufigkeit von Weichgewebesarkomen differenzierter und kleiner ein Tumor ist und je in verschiedenen Sarkom-Registern weniger Metastasen er gebildet hat, desto eher kann Sarkom-Subtyp: Häufigkeit: mit einem Behandlungserfolg gerechnet werden. Malignes Fibröses Histiozytom (MFH) 15 – 25% (Heute: Pleomorphes Sarkom / NOS) 1.3. Geschlecht und Alter Leiomyosarkom 15 – 25% Liposarkom 10 – 15% Sarkome treten bei Männern und Frauen in etwa gleich häufig und in allen Altersgruppen auf. Weich- Synovialsarkom 6 – 10% gewebesarkome betreffen jedoch häufiger Menschen Mal. Periph. Nervenscheidentumor 3 – 5% über 40 Jahre, bei Kindern sind sie extrem selten. Bei (MPNST) den unter 18-jährigen bilden die jüngeren Kinder – Angiosarkom 2 – 3% hier vor allem mit der Diagnose Rhabdomyosarkom – Fibrosarkom 2 – 3% die größte Gruppe. Rhabdomyosarkom ~ 2% Endometriales Stromasarkom (EMS) 1 – 2% 1.4. Häufigkeit Alveoläres Weichgewebesarkom ~ 1% Viele Geschwüre in den Weichteilen sind gutartig Klarzellsarkom ~ 1% (benigne) und weisen nach chirurgischer Entfernung Desmoide/Aggressive Fibromatose < 1% eine hohe Heilungsrate auf. Man bezeichnet sie dann DFSP Dermatofibrosarcoma < 1% allerdings nicht als „Sarkome“, sondern als benigne, Protuberans mesenchymale Tumoren. Sie kommen mindestens 100-mal häufiger vor als die Sarkome. Gemäß Schätzungen treten sie bei 3.000 pro 1 Mio. Einwohner auf. 1.6. Symptome Man schätzt die Zahl der Neuerkrankungen bei Häufig ist das erste und vielleicht auch einzige Sarkomen (Weichgewebe und Knochen) auf etwa Symptom eines Weichgewebesarkoms eine so 4.800 Menschen in Deutschland jährlich. Im Vergleich genannte Raumforderung, also ein Knoten, eine zu den häufigen Krebserkrankungen wie z.B. Brust- Schwellung oder Wucherung, oftmals ohne weitere krebs mit knapp 70.000 oder Prostatakrebs mit Beschwerden. Die Tatsachen, dass es oft kaum ca. 57.000 Neuerkrankungen pro Jahr (Robert-Koch- charakteristische Symptome gibt, und Tumoren sich Institut 2013/2014) sind die Weichgewebesarkome als in Körperregionen entwickeln, in denen man sie unter selten einzustufen. Deshalb werden sie auch unter Umständen erst spät bemerkt, führen leider häufig „Seltene Krebsarten“ (engl. = Rare Cancers) geführt zu einer späten Diagnose. Aus diesem Grund haben und haben oft den Status einer „Orphan Disease“ etwa 10 bis 20% der Patienten bei Erstdiagnose (engl. orphan = Waise, und disease = Krankheit). bereits einen lokal fortgeschrittenen Tumor oder Metastasen. 6 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST Allgemeine Tumorsymptome können z.B. sein: WICHTIG l Appetitlosigkeit bzw. vorzeitiges Sättigungsgefühl l Gewichtsabnahme (z.B. > 10% des Körper gewichtes, oftmals ohne erkennbare Ursache) Sarkome gehören in Expertenhände! l Allgemeine Schwäche und Leistungsabfall Sarkome und auch Verdachtsfälle sollten unbedingt l Schmerzen (Tumor drückt z.B. auf Nerven in erfahrenen Sarkom-Zentren abgeklärt werden – oder umliegende Organe) VOR möglichen Eingriffen! l Temperaturerhöhung oder Fieber Dazu gehören alle Pläne und Versuche, die Knoten, l Anämie (Blutarmut) Schwellungen oder Raumforderungen zu öffnen, l Symptome bei Tumoren im Gastrointestinal-Trakt Gewebeproben (Biopsien) zu entnehmen oder den (Magen-Darm-Bereich) könnten z.B. sein: Tumor in einer eilig organisierten Operation zu Völlegefühl, Schmerzen (Stiche), Blutungen entfernen! Studien haben gezeigt, dass Ihre (Teerstuhl), Übelkeit, Verstopfung Prognose und Ihre Chancen maßgeblich verbessert werden, wenn die Behandlung in erfahrenen Zentren In folgenden Fällen besteht der Verdacht und nach Leitlinien erfolgt! auf ein Sarkom: l alle Knoten, die größer als 5 cm sind l alle neu entstandenen Knoten Tochtergeschwüre in der Lunge. Dies betrifft ins l alle Knoten, die sich in den tiefen Gewebe besondere Patienten mit dem Primärtumor in den schichten befinden Armen oder Beinen. Weitere Zielorgane sind die Leber l alle schnell wachsenden Knoten/Schwellungen - vor allem bei einem Primärtumor im Bauchraum l alle tiefen, großflächigen Blutergüsse (Hämatome) und Retroperitoneum/hinter dem Bauchfell –, die Knochen und bei bestimmten Untergruppen die Häufige erste Verdachtsdiagnosen können sein: Lymphknoten. Diese treten z.B. beim Rhabdomyo Hämatom, Sportverletzung, gutartige Tumoren sarkom, dem epitheloiden und dem Synovialsarkom (Bsp. Lipom, Fibrom, Leiomyom), Bakerzyste u.v.m. auf. Insbesondere bei größeren und aggressiveren 1.7. Lokalisation Tumoren (undifferenzierte G2/G3–Tumoren, tief lokalisiert, größer als 5 cm) muss trotz lokaler Tumor- Weichgewebesarkome kennen keine Grenzen - sie kontrolle mit der Entwicklung von Metastasen können überall im Körper entstehen, z.B. im Weich gerechnet werden. gewebe, der Haut und verschiedenen Organen. Am häufigsten treten Sarkome in den Extremitäten, also Beinen und Armen auf (ca. 43 %), aber auch im INFO Körperstamm (Organe und Bauchwand, ca. 29 %), dem Bauchraum (Retroperitoneum: hinter dem Peritoneum/Bauchfell, ca. 15 %) sowie im Kopf-Hals- Metastasen: Bereich (ca. 9 %). Das Herz pumpt pro Minute etwa 5 bis 6 Liter Blut durch den Körper. Das bedeutet, dass einzelne Tumorzellen, die ins Blut gelangen, sehr schnell über 1.8. Metastasierung den ganzen Körper verteilt werden. Tumorzellen gelangen z.B. dann ins Blut, wenn ein Tumor Einzelne Tumorzellen können sich vom Primärtumor aufbricht und innere Blutungen verursacht. Das lösen und über die Blut- oder Lymphbahnen im kann passieren, wenn der Tumor zu spät entdeckt Körper verbreiten. So können sie sich in entfernten wird oder im Rahmen von Operationen oder Geweben festsetzen und neue Geschwüre – so unsachgemäß durchgeführten Gewebeentnahmen genannte Tochtergeschwüre oder Metastasen – (Biopsien). bilden. Ist ein Tumor in der Lage, Metastasen zu Deshalb ist es äußerst wichtig, dass diese Eingriffe – bilden, dann verschlechtert dies in vielen Fällen die Operationen und auch Biopsien – von erfahrenen Prognose. Sarkomexperten durchgeführt werden. Bei den Weichgewebesarkomen steht die Metasta sierung über den Blutstrom im Vordergrund. Vor Als Metastase (griechisch meta = weg und stáse = die Stelle, der Ort – allem betroffen ist dabei die Lunge: Über 50 % der also etwa die Übersiedelung an einen anderen Ort) wird Patienten mit Weichgewebesarkomen entwickeln die Absiedelung eines bösartigen Tumors bezeichnet. Die lateinische Bezeichnung ist Filia (dt.: die Tochter, Pl.: Filiae) und bedeutet „Tochtergeschwulst“. Sarkom-Basisbroschüre 7
1. Sarkome verstehen 1.9. Dignität 1.10. Ursachen/Risikofaktoren Die Dignität (hier Wertigkeit) beschreibt die Die Ursachen für die Entwicklung von Weichgewebe- Eigenschaft von Tumoren: Man unterscheidet sarkomen sind bisher weitgehend ungeklärt. Der gutartige (benigne) und bösartige (maligne) Tumoren. übermäßige Kontakt mit einigen Industriegiften Gutartige Tumore wachsen lokal begrenzt und (z.B. Dioxin, Arsen, Holzschutzmittel oder Herbizide) dringen nicht in benachbarte Strukturen ein, können sowie die verstärkte Einwirkung von Polyvinylchlorid jedoch durch ihre Größe Probleme verursachen. („PVC“) oder Asbest scheinen Risikofaktoren zu sein. Bösartige (maligne) Tumoren (Krebs) können den l Nach vorangegangener Strahlentherapie können Organismus massiv schädigen. Wesentlich für die Sarkome im Bereich der bestrahlten Körperregion Einordnung als maligne ist die Fähigkeit, zu beobachtet werden (strahleninduzierte Sarkome). metastasieren und in andere Gewebe einzudringen Beispiel: Angiosarkome – sie können Jahre nach (invasives Wachstum). vorangegangener Bestrahlung bei Brustkrebs (Mammakarzinom) entstehen. l Außerdem werden Sarkome bei bestimmten Dignität I angeborenen Gen-Defekten beobachtet, die dann l Benigne (gutartig) häufig zur Ausbildung verschiedener Tumoren l Keine oder nur sehr selten Lokalrezidive führen. Diese „Syndrome“ sind aber sehr selten l Keine Entwicklung von Metastasen und machen nur einen sehr geringen Anteil der l Beispiel: Lipom Sarkome aus. l Die meisten Sarkome treten „spontan“ auf – ein Dignität II konkreter Auslöser lässt sich in den allermeisten l Intermediär (lokal aggressiv) Fällen nicht finden. Die Ursache vieler Sarkome l Lokal aggressiv: Häufig Lokalrezidive sind sogenannte „somatische Mutationen“, also l Keine oder nur selten Entwicklung von Metastasen eine Veränderung des Erbguts. l Beispiel: Aggressive Fibromatose (Desmoid) Viele Krebserkrankungen – so auch etliche Sarkome – Dignität III treten erst im Alter auf. Dies hat mit dem natürlichen l Maligne (bösartig) Alterungsprozess des Körpers zu tun. Das heißt: l Häufig Rezidive Je älter man wird, desto weniger widerstandsfähig l Metastasen möglich wird der Körper und „Reparatur-Mechanismen“ l Beispiel: Myxofibrosarkom funktionieren evtl. schlechter als in jungen Jahren. Dignität IV l Maligne (bösartig) l Häufig Rezidive l Risiko für Fernmetastasen WICHTIG l Systemerkrankung anzunehmen l Beispiel: Alveoläres Rhabdomyosarkom Dieses Thema ist sehr wichtig für Sie als Betroffene/r! Denn: Es gibt keine Antworten auf die Fragen „Warum habe ausgerechnet ICH ein Sarkom INFO bekommen?“ „Was war der Auslöser in meinem Leben?“ „Was habe ich falsch gemacht?“. Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass bestimmte Unter einer Mutation (v. lat. mutatio „Veränderung“) Persönlichkeiten Sarkome oder andere Krebsarten versteht man eine Veränderung des Erbgutes einer bekommen oder dies durch schmerzliche Lebens Zelle. Was passiert? Durch in der Regel unbekannte erfahrungen ausgelöst wird. Selbst wenn Sie durch Einflussfaktoren oder Auslöser kommt es zur Ihre Lebensführung die wenigen wissenschaftlich Veränderung des Erbgutes in einer Zelle. belegten Risikofaktoren für Krebs gefördert hätten Das Zellwachstum gerät außer Kontrolle und Zellen – wie z.B. durch Rauchen: Für das weitere Leben mit ohne natürliche Stoppfunktion – wachsen einem Sarkom ist es besser, wenn Sie sich von unkontrolliert und entwickeln sich zu Zellverbänden Fragen nach den Gründen oder sogar Vorwürfen (Gewebewucherungen). völlig frei machen. 8 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST 1.11. Chancen auf Heilung „Wie hoch sind die Chancen auf eine Heilung bei BEISPIEL einem Sarkom?“ Dies ist für einen Betroffenen natür- lich die wichtigste Frage. Gleichzeitig ist sie für die Ärzte einschließlich ausgewiesener Sarkom-Experten Ein amerikanischer Mediziner hat es einmal sehr die Frage, die am schwierigsten zu beantworten ist. plastisch formuliert: „Ein Sarkom zu diagnostizieren, Grundsätzlich gilt, dass niemand mit Bestimmtheit sein Verhalten vorauszusagen und es zu therapieren, für den einzelnen Patienten zu Beginn der Erkrankung ist vergleichbar mit der Situation einen großen Sack sagen kann, ob die Erkrankung geheilt werden kann. zu bekommen – mit dem Hinweis „Hier scheint eine Katze drin zu sein“. Es gibt Hunderte von Katzen Die Aussicht auf Heilung hängt sehr vom Erkrankungs- arten – mit völlig unterschiedlichen Verhaltens stadium ab: Je früher ein Sarkom entdeckt wird, also weisen. Sie wissen anfangs zunächst nicht, ob da ein je kleiner der Primär- oder Haupttumor und je kleines zahmes Hauskätzchen oder ein extrem weniger er anderes Gewebe angegriffen hat, desto aggressiver Königstiger drin ist. Erst durch Nach besser ist auch die Aussicht auf einen Behandlungs- schauen, Bestimmen der Art, Untersuchen des erfolg. Sind umgebende Lymphknoten befallen oder Verhaltens u.v.m. stellen Sie fest, was es ist und wie haben sich bereits Metastasen in weiter entferntem Sie damit umgehen müssen. Die große Kunst besteht Gewebe gebildet, verschlechtert sich die Prognose. nun darin, mit der Katze zu leben bzw. sie zu zähmen oder den lebensgefährlichen Tiger für immer – bzw. Unter Heilung versteht man, dass die Tumoren so lange wie möglich – ruhig zu stellen.“ komplett entfernt wurden und über einen Zeitraum von fünf Jahren kein neuer Tumor aufgetreten ist. Nach fünf Jahren „Tumorfreiheit“ ist die Wahrschein- lichkeit, dass der Tumor wiederkommt (Rezidiv) oder Metastasen auftreten, vergleichsweise gering. Dennoch ist auch noch nach fünf Jahren das Wieder- auftreten eines Tumors möglich. Daher sollten auch weiterhin regelmäßig Kontroll-Untersuchungen wahrgenommen werden. Ganz allgemein kann man sagen: Ein erheblicher Teil aller Patienten mit einem Weichgewebesarkom, die bei Erstdiagnose keine Metastasen aufweisen, bleibt nach fachgerechter Behandlung des Ersttumors langfristig tumorfrei. Die Chancen auf eine Heilung sind somit gut. Haben sich bereits Metastasen gebildet, sind die Chancen auf eine dauerhafte Tumorfreiheit deutlich geringer. Abhängig vom Risikoprofil (Wachstums eigenschaften des Tumors, Anzahl, Größe und Lokalisation der Metastasen, Begleiterkrankungen) können aber auch in dieser Situation unter bestimmten Voraussetzungen noch Heilungschancen vorhanden sein. Sarkom-Basisbroschüre 9
2. Sarkome diagnostizieren Diagnose, Behandlung und Verlaufskontrolle von Sarkomen erfordern eine enge Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher medizinischer Fachrichtungen (inter- oder multidisziplinäre Kooperation). Dies sind im Wesentlichen: Medizinische Onkologen, Chirurgen, Pathologen, Radiologen (medizinische Bildgebung) und Radioonkologen (Strahlentherapie). Je nach Alter, Erkrankungsstadium sowie Art und Lokalisation des Tumors können jedoch auch weitere Spezialisten aus anderen klinischen Bereichen wie z.B. der Pädiatrie/Kinderonkologie, Gastroenterologie, Urologie, Gynäkologie oder der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie u.a. am Diagnose- und Behandlungsprozess beteiligt sein. INFO Tumor-Board: Regelmäßige Treffen von Medizinern unterschied licher Fachrichtungen, um gemeinsam die optimale diagnostische und therapeutische Vorgehensweise bei besonderen Tumorkrankheiten zu besprechen. In Sarkom-Zentren werden regelmäßig Sarkom-Boards durchgeführt. Hier werden die Patientenfälle vorgestellt, gemeinsam diskutiert und die erforderliche Behandlung festlegt. 10 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST 2.1. Diagnostik 2.2. Bildgebende Diagnostik Die Diagnose (griech. = Durchforschung, im Sinne von Bildgebende Verfahren erzeugen Bilder vom einer Entscheidung oder Einordnung auf Basis von Körperinneren. Die wichtigsten Verfahren, die heute Erkenntnissen) ist die genaue Zuordnung von im Bereich der Weichgewebesarkome eingesetzt Anzeichen oder Symptomen zu einer Erkrankung. Es werden, sind die Kernspintomographie (MRT) und handelt sich also um die Entscheidung für eine die Computertomographie (CT). Die Ultraschall bestimmte Krankheit oder Verletzung anhand der untersuchung (Sonographie oder Echographie) kann erhobenen bzw. beobachteten Daten, Befunde oder im Diagnoseprozess unter Umständen hilfreich sein, Symptome. Die Methoden der Diagnosefindung ersetzt aber niemals eine Schnittbildgebung werden mit dem Begriff der Diagnostik zusammen (MRT, CT). gefasst. Dazu gehören Anamnese, körperliche Unter- suchung, Anwendung bildgebender Verfahren, Man unterscheidet bei diesen Untersuchungen Labor-Analyse des Blutes und anderer Körperflüssig- grundsätzlich zwischen der „Detektion“ des Tumors keiten sowie Gewebeuntersuchungen. und dem „Staging“. Unter Detektion versteht man den Beleg, dass tatsächlich ein Tumor im Weichgewebe Um die bestmögliche Behandlungsentscheidung vorhanden ist. Staging hingegen bedeutet, dass die treffen zu können, müssen vor allem folgende Bildgebung dazu genutzt wird, festzustellen, ob und Fragen bei einem Weichgewebesarkom beantwortet wie sich die Erkrankung ausgebreitet hat. So werden werden: z.B. die genaue Position des Tumors, seine Größe und l Um welchen Sarkom-Subtyp handelt es sich? eventuell vorhandene Metastasen bestimmt. l Wo ist er lokalisiert? l Wie groß ist er? Die Ergebnisse der bildgebenden Verfahren sind für l Wie schnell wächst er? die weitere Therapieplanung notwendig. Vor allem für l Sind verschiedene Gewebe oder eine eventuelle Gewebeentnahme (Biopsie) und eine Organe betroffen? spätere Operation müssen die Bilder zur Verfügung l Handelt es sich um einen einzelnen Tumor oder stehen. gibt es bereits Metastasen? Ultraschall (Sonographie) Folgende Untersuchungsmethoden können im Unter Sonographie versteht man die Anwendung von klinischen Alltag in der Phase der Diagnosestellung Ultraschall zur Untersuchung von organischem bei Sarkomen grundsätzlich eingesetzt werden: Gewebe – das entstandene Bild nennt man l Ultraschall (Sonographie), Endosonographie Sonogramm. Bei der Sonographie handelt es sich um (Ultraschall von innen) eines der am häufigsten eingesetzten bildgebenden l Spiegelungen (…oskopien) – auch mit bestimmten Verfahren der Medizin. Kontrastmitteln Die Endosonographie ist eine Variante der Sono l Röntgen graphie, bei welcher der Schallkopf in den Körper l MRT = Magnet-Resonanz-Tomographie oder auch eingeführt wird, häufig mit Hilfe eines Endoskops. Kernspintomographie genannt l CT = Computertomographie Computertomographie (CT) l DSA = Angiographie ggf. mit Intervention CT ist ein Röntgenverfahren, mit dem der mensch l Knochen-/Skelett-Szintigraphie liche Körper in Querschnittbildern (Schnittbild l PET = Positronen-Emissions-Tomographie verfahren) dargestellt wird. Im Gegensatz zum l Histologische Untersuchung konventionellen Röntgen wird der Patient beim CT l Ermittlung der Laborwerte nicht nur aus einer Richtung durchstrahlt, sondern er wird durch eine sich drehende Röntgenröhre aus Sind die o.g. wesentlichen Fragen beantwortet, allen Richtungen schichtweise „abgetastet“. In werden Sarkome nach der TNM-Klassifikation manchen Fällen wird dem Patienten vorab ein eingestuft. So erhalten die Ärzte Anhaltspunkte für Kontrastmittel verabreicht, um das zu untersuchende die Art und die Intensität einer möglichen Organ besser von anderen abgrenzen zu können. Behandlung und können die Chancen auf eine eventuelle Heilung besser einschätzen. Sarkom-Basisbroschüre 11
2. Sarkome diagnostizieren 2.3. Gewebeentnahme (Biopsie) Kernspintomographie, Magnetresonanztomographie Bei einer Biopsie entnimmt der Arzt Tumorgewebe, (MRT) das anschließend genau untersucht wird. Geprüft MRT ist ein bildgebendes Verfahren zur Darstellung wird, ob der feingewebliche Aufbau krankhafte des menschlichen Körpers. Auch sie gehört zu den Veränderungen aufweist (Pathohistologie). Schnittbildverfahren. Sie arbeitet im Gegensatz Insbesondere die Fragestellung, ob es sich um einen zum CT oder zum Röntgen nicht mit Röntgenstrahlen, bösartigen oder gutartigen Tumor handelt und sondern mit Magnetfeldern und Radiowellen. welcher Sarkom-Subtyp vorliegt, kann in der Regel nur durch eine Biopsie geklärt werden. Diese erfolgt Das MRT liefert insbesondere von wasserhaltigen entweder an einem Resektat, das heißt an dem Geweben genaue Darstellungen, z.B. von inneren bereits herausoperierten Tumor oder an einer Organen, Gelenkknorpel, Meniskus, Rückenmark oder entnommenen Gewebeprobe (Biopsat). Gehirn. Auch hier kommt in manchen Fällen Kontrastmittel zum Einsatz, zur genaueren Besteht schon im Vorfeld der Probenentnahme Darstellung des Tumors oder möglicher Metastasen. (Biopsie) der Verdacht auf ein Sarkom, sollte diese – wenn irgendwie möglich – in einem spezialisierten Sarkom-Zentrum durchgeführt werden. Selbst der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Eingriff, der bei einer Biopsie notwendig ist, kann PET gehört zu den nuklearmedizinischen bildgeben- bereits eine große Bedeutung für die weitere den Verfahren: Mithilfe winziger, radioaktiv markierter Behandlung des Sarkoms haben. Teilchen und einer speziellen PET-Kamera werden Stoffwechselvorgänge im Inneren des Körpers Deshalb wird in Abhängigkeit von der Lage des sichtbar gemacht. Die PET eignet sich bei bestimmten Tumors, dem Blutungsrisiko und dem Verdachtsgrad Krebserkrankungen zur Früherkennung und zur des Arztes auf die Bösartigkeit des Tumors eine Beurteilung. Strategie zur Gewebegewinnung festgelegt. Dabei wird der operative Zugang zum Tumor für eine eventuell nötige Entfernung des kompletten Tumors Szintigraphie bereits mitberücksichtigt. Als Szintigraphie bezeichnet man ebenfalls eine nuklearmedizinische Untersuchungsmethode. Dabei werden dem Patienten radioaktiv markierte Stoffe gespritzt, die sich in bestimmten Organen anreichern und mit Hilfe einer Gammakamera aufgenommen werden. Dadurch können bestimmte Körpergewebe sichtbar gemacht werden, vor allem Knochen/Skelett und Schilddrüse. 12 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST 2.4. Feingewebliche Diagnostik (Pathologie) Pathologie ist die Lehre von den Krankheiten – Biopsie genauer von den krankhaften Veränderungen der Zellen, Gewebe und Organe. Die Zelle zu identifizie- ren, aus welcher der Krebs entstand, ist eine Wissen- Resektat schaft für sich. Die Ärzte, die diese Arbeit machen, nennt man Pathologen. Zu den Aufgaben des Pathologen gehört es, eine exakte morphologische Nachresektat(e) und pathologische Diagnose zu stellen und bei der Beurteilung der Prognose zu unterstützen. Rezidiv Eine korrekte Behandlung hängt immer von der jeweiligen Krebsart ab. Der Pathologe ist also auch bei den Sarkomen eine Art „Lotse der Therapie“. Seine Ergebnisse und Diagnose stellen die Weichen für die anschließende Therapie, die für bestimmte Sarkom-Subtypen sehr unterschiedlich sein kann. Die einzige sichere Diagnosemethode bei Sarkomen WICHTIG ist die Untersuchung einer Probe des Tumors unter dem Mikroskop (Histologie). Dies erfordert viel Erfahrung des Pathologen. Erst seit ein paar Jahren Auch eine Biopsie sollte von einem mit weiß man mehr über die Pathologie, Molekulargenetik Sarkomen erfahrenen Arzt durchgeführt werden! und die Behandlung von Sarkomen. Da die Bewertung des Pathologen enorm wichtig für die nachfolgende Behandlung ist, kann es manchmal sinnvoll sein, eine Zweitmeinung durch einen anderen Pathologen, z.B. INFO eines Referenzzentrums für Sarkome, einzuholen. Die Immunhistochemie ist eine bestimmte Methode Biopsien: zur Untersuchung der Gewebeprobe. Dabei trägt der Meist werden Biopsien mit Spezialkanülen durch Pathologe sogenannte Antikörper auf die Gewebe- geführt. Je nach verwendetem Instrument spricht probe auf. Diese Antikörper reagieren mit spezifi- man beispielsweise von Nadelbiopsie, Stanzbiopsie schen Eiweißen (Proteinen) auf der Zelloberfläche – oder Feinnadelbiopsie. Auch die Wortkombination sofern diese auf der Gewebeprobe vorhanden sind. aus „Biopsie“ und dem zu untersuchenden Organ ist Verbindet sich dieser Antikörper mit dem spezifischen üblich – beispielsweise Muskelbiopsie. Man spricht Protein auf der Zelloberfläche, dann entsteht ein von einer „Inzisionsbiopsie“, wenn lediglich ein Fleck oder eine Farbveränderung in der Gewebe- kleiner Teil eines Tumors (Probe) entfernt wird, und probe. Die Gewebeprobe wird dann als „Fleckpositiv“ von einer „Exzisionsbiopsie“, wenn der komplette gewertet. So können Tumorzellen, die bestimmte Tumor bei der Probenentnahme entnommen wird. Antigene, also Proteine ausbilden, identifiziert werden. Tumor Neben der Immunhistochemie setzen erfahrene Sarkom-Pathologen auch folgende Untersuchungs- methoden ein, um Sarkom-Subtypen anhand ihrer Mutationen zu identifizieren: FisH-Test (FisH = Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung): Gewebe Bereits wenige Tage nach einer Zellentnahme können bestimmte Chromosomenbesonderheiten mit recht hoher Sicherheit nachgewiesen werden, sofern geeig- netes Zellmaterial vorlag. Sarkom-Basisbroschüre 13
2. Sarkome diagnostizieren Die PCR (engl. Polymerase Chain Reaction) Polymerase-Kettenreaktion ist eine Methode, um die Erbsubstanz DNA im Reagenzglas (in vitro) zu vervielfältigen. Gene können durch PCR mit ent sprechenden Hilfssubstanzen vervielfältigt (amplifiziert) und anschließend sequenziert werden, um Mutationen aufzuspüren. DNA-Sequenzierung ist die Bestimmung der DNA- Sequenz, d.h. der Nukleotid-Abfolge in einem DNA-Molekül. 2.5. Differenzierung und Grading 2.6. TNM-Klassifikation Wie bereits erwähnt, stellen die Sarkome eine sehr Die TNM-Klassifikation beschreibt eine Stadien verschiedenartige (heterogene) Gruppe von Tumoren einteilung von Krebserkrankungen. dar. Obwohl sie unter einem Begriff zusammen TNM ist die Abkürzung für: gefasst werden, weisen Sarkome z.T. ein völlig unter- T Tumor, Beschreibung von Ausdehnung und schiedliches Wachstumsverhalten auf. Dabei gilt in Verhalten des Ursprungstumors der Regel: N Nodus = Lymphknoten, l Je mehr die Tumorzellen dabei normalen Fehlen bzw. Vorhandensein von regionalen Gewebezellen ähneln, umso langsamer teilen sie Lymphknotenmetastasen sich. Man spricht daher von einem hohen Grad M Metastasen, Fehlen bzw. Vorhandensein der Differenzierung. von Fernmetastasen l Je schneller sich die Sarkomzellen teilen, desto weniger kann auf das ursprüngliche Gewebe Sind alle Untersuchungen durchgeführt, wird das geschlossen werden. Der Tumor ist also Erkrankungsstadium bestimmt. Es richtet sich nach undifferenzierter und wird als bösartiger der Einordnung der Krebserkrankung in die eingestuft. TNM-Klassifikation. In der feingeweblichen Untersuchung (Histologie) Man unterscheidet vier Stadien von I bis IV. teilt der Pathologe den Tumor grob je nach Grad der Diese werden jeweils noch einmal unterteilt in Differenzierung (Grading) ein. In Europa besteht eine A und B. Welches Erkrankungsstadium vorliegt, Skala von G1 bis G3. hängt davon ab, l ob und wo Metastasen vorliegen (in den Ein gut differenziertes Sarkom kann über viele nächstgelegenen Lymphknoten oder Monate oder sogar Jahre zu beachtlicher Größe in entfernt gelegenem Gewebe) anwachsen ohne Metastasen auszubilden. l wie sehr die Tumorzellen entartet sind Undifferenzierte, sehr bösartige Sarkome können (histopathologischer Befund, Grading) und dagegen bereits in frühen Stadien Metastasen bilden. l wie groß der Primärtumor ist. Dreistufiges Gradingsystem (FNCLCC) Niedriggradig Grad 1 Hochgradig Grad 2 Grad 3 14 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST 3. Sarkome behandeln Sarkome können praktisch in allen Körperregionen entstehen. Entsprechend unterschiedlich sind die Symptome, die bei verschiedenen Subtypen auftreten (sich manifestieren) können. Wichtigstes Ziel ist daher: Jeder Patient muss korrekt diagnostiziert werden und entsprechend seiner speziellen Tumorsituation die geeignetste Therapie erhalten. Dies ist der Grund für die internationale Forderung vieler Experten und Patienten organisationen, Patienten mit solchen Diagnosen unbedingt in spezialisierten Sarkom-Zentren zu behandeln. l Das Einbeziehen verschiedener Fachleute zur Festlegung einer Therapiestrategie (interdisziplinäre Behandlungsplanung) ist bei Sarkomen unabdingbar l Dies sollte unbedingt in Fachzentren für Sarkome und/oder innerhalb von Netzwerken mit multidisziplinärem Fachwissen erfolgen l Solche Zentren sind in der Regel auch an laufenden klinischen Studien beteiligt, die für bestimmte Patienten andere oder sogar neue Optionen bedeuten können l Die Überweisung an solche Zentren sollte sofort dann erfolgen, wenn nach der klinischen Untersuchung der Verdacht auf ein Sarkom besteht. Dies bedeutet, dass alle Patienten mit einer Raumforderung oder mit einer oberflächlichen Weichgewebeläsion > 2 cm in ein Sarkom-Zentrum überwiesen werden sollten. Sarkom-Basisbroschüre 15
3. Sarkome behandeln 3.1. Behandlungsoptionen Für die Behandlung von Weichgewebesarkomen Daneben gibt es weitere, z.T. spezielle medizinische stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfü- Angebote , die in der Regel ergänzend in der Sar- gung, die je nach Sarkom-Subtyp (Art) und kom-Behandlung eingesetzt werden. Dazu gehören Erkrankungss tadium eingesetzt werden. Das gene- z.B.: relle, therapeutische Vorgehen bei Weich l Regionale Tiefen-Hyperthermie gewebesarkomen erfolgt in der Regel „multimodal“. l Isolierte Extremitätenperfusion (ILP) Dies bedeutet nichts anderes, als dass man verschie- l Schmerztherapien dene Therapieverfahren bausteinweise, im l Bekämpfung von Nebenwirkungen von Chemo-, Wechsel und/oder sinnvoll aufeinander abgestimmt Strahlen- oder Target-Therapien miteinander kombiniert. l Psychologische Angebote und Entspannung Die wesentlichen Säulen der Behandlung von Ebenso wie die Erkrankung selbst, kann auch die Weichgewebesarkomen sind: Behandlung einen schwerwiegenden Eingriff in die l Operation körperlichen Abläufe darstellen. Sowohl eine l Bestrahlung Operation einschließlich Vorbereitungen und l Medikamentöse Therapien Nachbehandlungen, als auch Strahlen- und (Chemotherapie und zielgerichtete Therapien) Chemotherapie können entsprechende Neben l Klinische Studie wirkungen und Folgen haben. Daher ist es wichtig, die Behandlungsrisiken genau mit den behandelnden Ärzten zu besprechen. Dabei gilt es abzuwägen, ob der mögliche Nutzen einer Behandlung die Risiken überwiegt. Chirurgie Bestrahlung Chemo- Zielgerichtete Klinische therapie Therapien Studie 16 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST 3.2. Chirurgie 3.3. Strahlentherapie Lokales Therapieverfahren Lokales Therapieverfahren Die Chirurgie spielt eine Ziel der Strahlentherapie ist zentrale Rolle in der es, Tumorgewebe lokal bzw. Behandlung von nahezu allen regional zu zerstören. Weichgewebesarkomen. Sie Grundsätzlich kann sie bei ist die älteste Form der Sarkomen vor, während oder Therapie und sicherlich auch nach der Operation gegeben die wirksamste: Die meisten werden. Für etliche Sarkome Heilungen werden noch gilt die Kombination aus immer durch die Chirurgie (auch: Operation, Operation und Bestrahlung inzwischen als Standard, Resektion) oder durch die Kombination der Chirurgie um den Tumor unter Kontrolle zu bringen. Die mit Bestrahlung und/oder medikamentöser Therapie Bestrahlung zielt z.B. darauf ab, ein lokales/ erreicht. regionales Wiederauftreten ((Lokal-)Rezidiv) zu vermeiden. Solche Rezidive können sich aus So ist die sogenannte R0-Resektion (siehe Info- verbliebenen, mikroskopisch kleinen Zellen Kasten) auch bei den Weichgewebesarkomen noch entwickeln. Strahlentherapie wird aber auch immer der beste Prognosefaktor. eingesetzt, um benachbarte Läsionen zu zerstören, die operativ nicht entfernt werden konnten. Chirurgische Techniken werden meist aus verschiede- nen Gründen eingesetzt. Ziel kann es z.B. sein, den Bestrahlung wird extrem selten alleine zur Primärtumor oder andere Tumorherde (Läsionen) Behandlung von Weichgewebesarkomen eingesetzt. bzw. Metastasen zu entfernen oder Beschwerden zu Wenn eine Operation nicht möglich ist – Tumoren vermeiden oder zu lindern. sind nicht oder eingeschränkt operabel – kann auch eine Bestrahlung primär sinnvoll sein. INFO INFO Resektionsstufen Die Dosiseinheit in der Strahlentherapie heißt Gray Als Resektion bezeichnet man die komplette oder (Abkürzung Gy). Welche Dosierung notwendig ist, ist teilweise Entfernung eines Organs oder Gewebe abhängig von der Strahlenempfindlichkeit des abschnitts durch eine Operation. Die Resektion von entsprechenden Sarkoms. Meist liegt sie zwischen Tumoren lässt sich unterteilen in: 40 und 70 Gy. Welche Gesamtdosis für den einzelnen R0-Resektion: Entfernung des Tumors im Patienten und seine Erkrankung sinnvoll ist, legt der Gesunden. Der Pathologe kann kein Tumorgewebe behandelnde Radioonkologe vor Behandlungs im Resektionsrand (bezeichnet die Stelle, an der der beginn fest. Diese Gesamtdosis wird in Einzel Schnitt durchgeführt wurde) mehr nachweisen. sitzungen, also „Einzelportionen“ gegeben. R1-Resektion: Makroskopisch wurde der Tumor Man spricht von Fraktionierung. entfernt. In der Histopathologie sind jedoch Tumorzellen im Resektionsrand nachweisbar. R2-Resektion: Größere, vom Operateur sichtbare Teile des Tumors konnten nicht entfernt (reseziert) werden. Sarkom-Basisbroschüre 17
3. Sarkome behandeln 3.4. Medikamentöse Therapien Welche medikamentöse Chemotherapien Therapie zum Einsatz kommt, richtet sich nach Eine Chemotherapie kann, abhängig vom Stadium der verschiedenen Kriterien. Erkrankung, verschiedene Zielsetzungen verfolgen: Dazu gehören: Sie kann eingesetzt werden, um zu heilen (kurativ), l Zulassungsstatus und um vor (neoadjuvant) oder nach der Operation zu Nachweis von Wirksamkeit unterstützen (adjuvant) oder um zu lindern (palliativ). verfügbarer Medikamente Chemotherapien (Zytostatika) wirken systemisch, (ggf. bei bestimmten also auf den ganzen Körper, und können auf Subtypen). verschiedene Art verabreicht werden: l Verfügbare Daten zum Ansprechen einzelner In Tabletten- oder Kapselform, per Spritze oder Medikamente bei bestimmten Sarkom-Subtypen per Infusion. Dies kann sowohl ambulant als auch (Daten aus klinischen Studien). stationär erfolgen. l Erfahrungen der behandelnden Sarkom-Experten, insbesondere bei sehr seltenen Sarkom-Typen. Zytostatika können einzeln (Monotherapie), l Stadium der Erkrankung und die Zielsetzung der kombiniert (Polychemotherapie/Kombinations Behandlung. therapie) oder in einer bestimmten Abfolge l Mögliche vorhandene andere Erkrankungen, (Sequenztherapie) verabreicht werden. welche die Gabe bestimmter Medikamente Die Festlegung der Dosierung erfolgt entweder ausschließen bzw. einschränken. nach Milligramm pro Tag (Tabletten, Kapseln) l Die zu erwartenden Nebenwirkungen und Folgen oder durch Berechnung nach Körperoberfläche der Behandlung, ggf. auch basierend auf (XY mg je m2 Körperoberfläche). vorangegangenen Therapie-Erfahrungen. l Und nicht zuletzt: Lebenssituation, Wünsche, Präferenzen und Einstellungen des jeweiligen Patienten. Diese wird ein erfahrener und verantwortungsvoller Sarkom-Experte in die Therapieempfehlung mit einbeziehen. Zugelassene Zytostatika (Chemotherapien) zur Behandlung von Weichgewebesarkomen: Doxorubicin, Ifosfamid, Dacarbazin (DTIC), PEG-liposomales Doxorubicin (Kaposi-Sarkome) Trabectedin/Yondelis® als Zweitlinientherapie nach Doxorubicin/Ifosfamid Eribulin/Halaven® bei Liposarkomen als Zweitlinientherapie nach Doxorubicin/Ifosfamid Substanzen mit Zulassungen für andere Indikationen aber dokumentierter Wirksamkeit bei Weichgewebesarkomen: Docetaxel/Gemcitabin, Gemcitabin, Paclitaxel, Trofosfamid, Actinomycin D (bei Kindern), Aromataseinhibitoren Bei Sarkomen zugelassene, zielgerichtete Therapien: Larotrectinib/Vitrakvi® bei Sarkomen mit so genanntem NTRK-Fusionsgen (v.a. infantiles Fibrosarkom, ansonsten sehr selten bei Sarkomen bei Erwachsenen) Pazopanib/Votrient® bei allen fortgeschrittenen Weichgewebesarkomen außer Liposarkomen in der Zweitlinie Imatinib/Glivec® bei Gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) und bei Dermatofibrosarcoma Protuberans (DFSP) Sunitinib/Sutent® bei GIST als Zweitlinientherapie Regorafenib1)/Stivarga® bei GIST als Drittlinientherapie 1) Der Hersteller Bayer hat den Vertrieb von Regorafenib in Deutschland eingestellt. GIST-Patienten können das Medikament per Antrag an ihre Krankenkasse und Einzelimport über eine Auslandsapotheke (weiter)erhalten. 18 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST Trabectedin/Yondelis® Eribulin/Halaven® Über viele Jahre gab es bei den Chemotherapien zur Eribulin wurde 2016 zur Behandlung des fort Behandlung von Sarkomen wenig innovative geschrittenen Liposarkoms zugelassen. Voraus Therapien. Im Jahr 2007 erteilte die europäische setzung für den Einsatz des Zytostatikums ist, dass Zulassungsbehörde EMA Trabectedin (Yondelis®) der Tumor nicht operiert werden kann oder schon die Marktzulassung zur Behandlung von fort Metastasen gebildet hat und die Patienten bereits geschrittenen Weichgewebesarkomen. eine Chemotherapie z.B. mit Doxorubicin (ein so „Fortgeschritten” bedeutet, dass der Krebs begonnen genanntes Anthrazyklin) erhalten haben. hat, sich auszubreiten. Trabectedin kann angewendet werden, wenn die Behandlung mit Chemo Eribulin wird als Lösung durch regelmäßige therapeutika der Erstbehandlung (Erstlinientherapie) Injektionen in Zyklen von 21 Tagen und als alleinige nicht mehr wirkt, oder bei Patienten, denen diese Therapie (Monotherapie) verabreicht. Die Dosierung Arzneimittel nicht verabreicht werden können. beträgt 1,23 mg/m2 Körperoberfläche. Bei Weichgewebesarkomen beträgt die empfohlene Die Behandlung mit Eribulin konnte bei diesem Dosis von Trabectedin 1,5 mg pro m2 Körperober Tumortyp und in dieser Situation erstmals einen fläche (berechnet nach Größe und Gewicht des deutlichen (statistisch signifikant) Überlebensvorteil Patienten). Der Wirkstoff wird als Infusion verabreicht zeigen – gerade bei Patienten, die einen aggressiven und kann, im Gegensatz zu anderen Chemo Tumortyp aufwiesen und bereits vorbehandelt waren. therapeutika, so lange gegeben werden, wie ein Nutzen für den Patienten zu beobachten ist. Der Wirkstoff Trabectedin ist eine künstliche (synthetische) Version einer Substanz, die ursprüng- lich aus einem Meerestier, der „Seescheide“ (Ecteinascidia turbinata), gewonnen wurde. Sarkom-Basisbroschüre 19
3. Sarkome behandeln 3.5. Zielgerichtete 3.6. Bekannte zielgerichtete Therapien Therapien Das Prinzip der gezielten Prominente Beispiele von wirksamen „Target- Krebstherapie ist es, Therapien“ in der Onkologie kommen bereits aus dem besondere Merkmale und Bereich Weichgewebesarkome: Patienten mit GIST Eigenschaften von Krebs (Gastrointestinale Stromatumoren) werden seit 2002 zellen zu erforschen, die mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib (Glivec® gesunde Körperzellen nicht oder Gleevec™) mit sehr guten Ergebnissen aufweisen. So kann man behandelt. Seit 2006 bzw. 2014 stehen für diese Medikamente entwickeln, Erkrankung auch die Multikinase-Inhibitoren Sunitinib die gezielt Krebszellen (Sutent®) und Regorafenib (Stivarga®)1) zur Verfügung. bekämpfen und gesunde Zellen verschonen. Dabei Imatinib ist bei GIST sowohl für die metastasierte wird beispielsweise ausgenutzt, dass Krebszellen Situation als auch für die adjuvante (post-operative) meist Veränderungen in ihrer Erbsubstanz Therapie zugelassen. Eine weitere Zulassung von aufweisen (Mutationen), welche zu veränderten Imatinib besteht zur Behandlung des Sarkom-Subtyps Proteinstrukturen der Krebszellen führen. Dermatofibrosarcoma Protuberans (DFSP). Zu diesen neuen, spezifischen Medikamenten zählen 1) Der Hersteller Bayer hat den Vertrieb von Regorafenib in Deutschland eingestellt. GIST-Patienten können das Medikament per Antrag an ihre Krankenkasse und beispielsweise so genannte monoklonale Antikörper. Einzelimport über eine Auslandsapotheke (weiter) erhalten. Sie können sich gegen Proteine richten, die an der Oberfläche von Krebszellen ausgebildet werden und so das Tumorwachstum hemmen. Oder sie hindern den Tumor daran, neue Blutgefäße zu bilden, die der 3.7. Neue zielgerichtete Therapien Krebs für sein Wachstum benötigt (Anti-Angiogenese). Pazopanib (Votrient®) Da diese „tumorspezifischen“ Merkmale auf gesunden Zellen meist kaum oder gar nicht vorkommen, ist Im August 2012 wurde Pazopanib (Votrient®) in die gezielte Krebstherapie in der Regel gleichsam Europa zur Behandlung aller Weichgewebesarkome schonend und wirksam. mit Ausnahme des Liposarkoms, GIST, sowie verschiedener seltener Subtypen, zugelassen. Je besser man also derzeit die unterschiedlichen Erwachsene Patienten mit metastasierter Erkrankung, Mutationen der verschiedenen Sarkom-Subtypen die vorher mit Chemotherapie behandelt wurden, erforscht, desto eher wird man künftig in der Lage oder solche, die innerhalb von einem Jahr nach einer sein, für einzelne Sarkom-Arten zielgerichtete neoadjuvanten Therapie (Behandlung vor Operation) Therapien anbieten zu können. Daher sind auch bei einen Krankheitsfortschritt (Progress) aufwiesen, bestimmten Sarkom-Subtypen diese neueren können mit Pazopanib behandelt werden. Therapien auf dem Vormarsch. Das „Small Molecule“ greift an den Rezeptor-Tyrosin- kinasen VEGF-R, PDGF-R und c-kit an und kann so die Blutgefäßneubildung von Tumoren verhindern (Anti-Angiogenese). Larotrectinib (Vitrakvi®) Im September 2019 hat die Europäische Gesundheits- behörde EMA (European Medicines Agency) den Wirkstoff Larotrectinib zugelassen. Es handelt sich dabei um den ersten oralen Tropomyosin-Rezeptor- Kinase (TRK)-Hemmer. Er kommt bei Tumoren zum Einsatz, die eine sehr seltene Genmutation auf weisen: eine Fusion in den neurotrophen Tyrosin- Rezeptor-Kinase-Genen (NTRK-Genen). Diese seltene, genetische Veränderung kann unter anderem bei Kindern mit der Diagnose „Infantiles Fibrosarkom“ sowie bei etwa 1% der Sarkome im Erwachsenalter vorliegen. 20 Sarkom-Basisbroschüre
UTSCHE BEREICH SARKOM STIFTUNG PATIENTEN-HILFE SARKOME/GIST Die Zulassung von Larotrectinib gilt für erwachsene INFO Patienten und Kinder, die Tumoren mit dieser Gen mutation aufweisen, bereits Metastasen haben, für die eine Operation nicht infrage kommen oder keine Olaratumab (Lartruvo®) alternative Behandlungsmöglichkeit haben. Auch Olaratumab ist ein so genannter (humaner IgG1) Patienten, die nach einer Therapie einen Krankheits monoklonaler Antikörper. In einer Phase-II-Studie fortschritt hatten, können das neue Medikament zeigte sich die Kombinationstherapie Olaratumab erhalten. Drei Studien wurden zu Larotrectinib bei plus Doxorubicin gegenüber der alleinigen erwachsenen Patienten und Kindern durchgeführt. Behandlung mit Doxorubicin deutlich überlegen, vor Die Wirkung war schnell und nachhaltig – sowohl bei allem im Hinblick auf das so genannte Gesamt Erwachsenen als auch bei Kindern. Das Medikament überleben. Damit ist eine Verlängerung des Lebens wurde insgesamt gut vertragen, am häufigsten unabhängig von der Entwicklung, die die Krankheit wurden als Nebenwirkungen ein Anstieg der nimmt, gemeint. Diese Verlängerung des Leberenzyme, Müdigkeit, Erbrechen oder Schwindel Gesamtüberlebens führte zur Zulassung von beobachtet. Olaratumab sowohl in Europa (EMA) als auch in den USA (FDA). Mit dem Medikament hält eine neue Herangehens- Eine im Frühjahr 2019 veröffentlichte Phase III weise in die Krebsmedizin Einzug: Für den behandeln- Folgestudie konnte die positiven Ergebnisse jedoch den Arzt ist nicht in erster Linie die Lage des Primär nicht bestätigen. Der Hersteller hat daraufhin das tumors entscheidend, sondern ob der Tumor eine Medikament vom Markt genommen. bestimmte Mutation – in diesem Falle NTRK – trägt. Man spricht hier von „Präzisionsonkologie“. Wichtig zu wissen ist dabei: Die NTRK-Genfusion, die Basis für den Einsatz von Larotrectinib ist, ist insgesamt extrem selten. Dies stellt die Mediziner vor einige Herausforderungen und unbeantwortete Fragen: So ist noch unklar, welche Patienten tat sächlich auf die Mutation untersucht werden sollten, wer die Untersuchungen durchführt und durchführen kann, wer bzw. ob sie bezahlt werden etc. Aus diesem Grund bitten wir Sarkom-Patienten, sich mit ihren Fragen ausschließlich an ausgewiesene Sarkom- Zentren zu wenden. Hier kann man genau klären, ob Patienten überhaupt getestet werden sollten und ob im weiteren Prozess eine Therapie mit Larotrectinib in Frage kommt. Wir empfehlen Sarkom-Patienten dringend, keine genetischen Tests durchf ühren zu lassen ohne enge Verbindung zu einem Sarkom-Zentrum, also ohne entsprechende Sarkom-Expertise. „Nicht-Experten“ können die Testergebnisse oftmals nicht einordnen, vor allem nicht in Bezug auf die Erkrankungssitua- tion und auf sonstige zur Verfügung stehende Behandlungsoptionen. Sarkom-Basisbroschüre 21
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