Suspiria (Spielfilm, DVD/Blu- ray/4K + Bluray/2 Blu-ray + DVD/Ultimate Edition)

Die Seite wird erstellt Kuno Heinemann
 
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Suspiria (Spielfilm, DVD/Blu- ray/4K + Bluray/2 Blu-ray + DVD/Ultimate Edition)
Suspiria (Spielfilm, DVD/Blu-
ray/4K + Bluray/2 Blu-ray +
DVD/Ultimate Edition)
Kaum ist Luca Guadagnino mit „Call Me By Your Name“
vielleicht der Film des noch laufenden Jahrzehnts gelungen,
begibt sich der italienische Filmemacher in die nächste
bedenkliche Fallhöhe. Nicht genug, dass er nach einer
gelungenen (!) Romanze mal eben den Schwenk auf die andere
Seite der Gefühlsklaviatur zum Horror wagt, es handelt sich
odendrein auch noch um ein Remake des Genre-Klassikers
„Suspiria“ von Dario Argento, an dem sich schon so manch wer die Zähne
ausgebissen haben. Auf diese Herausforderungen entgegnet Guadagnino ein
sperriges, verrätseltes Gesamtkunstwerk aus Film, Tanz und Musik, das – bei all
seinen Längen – durch seinen Mut zur kompletten Neuinterpretation besticht.

Knallige Farben, ein märchenhaftes Setting und literweise Blut, das sind die
ersten Assoziationen mit „Suspiria“, wie sie der 1977 veröffentlichte Kultfilm (im
doppelten Wortsinn) basierend auf die Essaysammlung „Suspiria de profundis“
von Thomas de Quincey aus dem Jahr 1845 in die Filmgeschichte einschrieb. Viele
wollten sich an einem Remake versuchen, nachdem die Rechte daran bereits vor
Jahren erworben wurden, immer wieder platzte das Vorhaben. Luca Guadagnino
traut sich nun und wenn die oben angelegten Maßstäbe an den neuen Film
angelegt werden, der dieser Tage für das Heimkino erscheint, könnte man sich
zunächst als Opfer des in der DVD-Welt verbreiteten Etikettenschwindels
wähnen. Statt beschauliches Freiburg wird graues Mauer-Berlin geboten, statt
buntem Märchen eher verwunschenes Sagen-Flair. Auch Original-Regisseur Dario
Suspiria (Spielfilm, DVD/Blu- ray/4K + Bluray/2 Blu-ray + DVD/Ultimate Edition)
Argento zeigt sich wenig begeistert von der Neufassung. Wiederzuerkennen ist
zunächst nur die Ausgangsprämisse: Die junge Amerikanerin Susie Bannion
(Dakota Johnson) reist für ein Vortanzen bei einer bekannten deutschen
Tanzschule an.

Bei genauerer Betrachtung spielt Guadagnino schon zu Beginn mit einigen
Momenten aus dem Original: Statt Susie die Flucht von Patricia Hingle (hier
Chloë Grace Moretz) beobachten zu lassen, kommt Letztere im Epilog in die
Praxis von Dr. Lutz Ebersdorf (ja, es ist Tilda Swinton), bei dem sie schon einige
Zeit in psychologischer Behandlung zu sein scheint. Zunächst wären „sie“ gut zu
ihr gewesen, doch nun habe sie erkannt, es sind Hexen! Patricia flieht und lässt
einen verdutzten Doktor zurück, der das Ganze weiterhin als psychotisches
Hirngespinst abtut. Es ist das Vorspiel zu einer fast zweieinhalbstündigen
Spurensuche in sechs Akten.

                          Susie kommt in unruhigen Zeiten nach Berlin, der
                          „Deutsche Herbst“ hat seinen Höhepunkt erreicht, die
                          Terrorangst ist allgegenwärtig. Seit Patricia weg ist,
                          herrscht auch in der Tanzschule gedrückte Stimmung,
                         die Protagonistin des nächsten Stücks Olga (Elena
Fokina) legt sich mit der leitenden Lehrerin Madame Blanc (ebenfalls Tilda
Swinton) an. Für Susie ergibt sich gleich die Chance, in die erste Reihe
vorzurücken, denn Madame Blanc spürt die Besonderheit der jungen,
schüchternen Tänzerin. Auch Susie spürt während ihrer Performance, ihrer
Improvisation etwas und blüht auf: Die Hosen werden kürzer, die Bewegungen
lasziver. Später wird sie Madame Blanc eröffnen, dass sie eine Präsenz gespürt
habe… und es sich anfühlte wie mit einem Tier zu kopulieren.

Es passiert viel in diesem Film, im Bezug auf die Omnipräsenz des
hintergründigen RAF-Terrors vielleicht zu viel, doch trotz der Möglichkeit eines
ökonomischeren Schnitts wirft Guadagnino genug Widerhaken aus, um sein
Publikum in diesem bieder-grauen Setting für den Plot zu engagieren. Worum es
in „Suspiria“ geht, bleibt verschlüsselt, lässt aber genügend anregend gestalteten
Interpretationsspielraum. Guadagnino nimmt seine eigene Rezeption des Films
auf, der 1977 in ebenjenem „Deutschen Herbst“ erschien und parallelisiert
mehrere Erzählstränge. Susie erinnert sich immer wieder an ihre Kindheit in
einem Amisch-Haushalt in Ohio und ihrem Traum von Berlin und Madame Blancs
Stücken. Dr. Ebersdorf hat seine Frau seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr
wiedergesehen, als sich die Wege zwischen jüdischen und arischen PartnerInnen
trennte, so wie im Anschluss der west- und ostdeutschen . Die Seniorinnen der
Tanzschule wohnen derweil einem latenten Machtkampf zwischen Madame Blanc
und „Mutter Markos“ (auch die gespielt von Tilda Swinton) bei, der
Namensgeberin der Tanzschule.

Mit dem Thema „Vergangenheitsbewältigung“ lässt
sich einer von vielen roten Interpretationsfäden
spinnen, geht es doch um den Umgang mit dem
Geschehenen beziehungsweise um die bisherige
Unfähigkeit zu ebenjenem. In Susies Bewusstsein
dringt plötzlich die Erinnerung, dass sie von ihrer
Mutter beim Masturbieren erwischt und brutal
bestraft wurde. Madame Blanc schickt ihr des Nachts
Träume, lädt praktisch zur schlummernden
Therapiesitzung, will das Verdrängte (vielleicht auch
manipulativ verändert) energetisch in Wut umwandeln
und in die zweckmäßigen Bahnen der Hexen leiten. Ähnliches passiert vor der
Haustür: Lange Jahre verweigerten sich die Mächtigen in Deutschland zur
Aufarbeitung der Nazi-Zeit zu schreiten und so rebellieren Jugendgruppen, da sie
das Verdrängte mit brutalen Mitteln ins kollektive Bewusstsein rufen wollten.

Beide Gruppierungen bedienen sich dafür jedoch brutaler Machenschaften und
der Manipulation der eigenen Gefolgschaft, was die Frage aufwirft, inwieweit hier
nicht Feuer mit Feuer bekämpft und nicht minder ideologisch vorgegangen wird,
wie bei den Zusammenschlüssen im Zentrum ihrer Kritik und ihres Zwecks.
Ebersdorf steht dabei für die Elterngeneration, die einfach weitergemacht hat,
obwohl sie sich mindestens mit der Schuldfrage hätte auseinandersetzen müssen.
Während die Hexen an einem alten, hinter dem Fassaden spendenden Image der
Magie geheim gehaltenen Kult festhalten, die sich Revolution versagt und das
Leben aus den sexuell erwachenden, jungen Frauen saugt, um sich und ihre
Unsterblichkeit zu bewahren, beansprucht die RAF die Wahrheit für sich, indem
sie eine linksextremistische Rebellion gegen die vorherrschenden Verhältnisse
anzettelt.

Einzig Susie scheint ein Selbstbewusstsein auszubilden, das ihr die Emanzipation
ermöglicht und einen Vorschlag formulieren und performieren lässt,
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenzudenken, um daraus
Gestaltungskraft zu generieren. Der letzte Seufzer ihrer Mutter auf ihrem
Sterbebett ist ihr Fluch, doch auch wenn sich dieser nicht brechen lässt, so kann
er abgeschwächt oder die Kraft in etwas Fruchtbares umgesetzt werden. Wenn
denn die Bürde der eigenen Mündigkeit angenommen und der persönlich wie
kollektive unersetzliche Platz der eigenen Mutterschaft eingenommen wird. Oder
wenn Verwandtschaft hinter sich gelassen und (auch geistige)
Wahlverwandtschaft eingegangen wird. Ergänzend oder parallel dazu bietet die
Crew hinter dem Projekt verschiedene interessante Interpretationsansätze an,
beispielsweise die Angst vor dem Tod, die nach Thom Yorks Sicht durch das
Lebendige des Tanzes ausgestochen werden soll. Oder auch die Entwicklung der
weiblichen Macht durch riskante Arbeit im Privaten, im Geheimen, da das
Öffentliche des Kriegs und der Politik ihnen als männliche Domäne zu dieser Zeit
nicht offenstand. „Suspiria“ bietet aber weiterhin genug Details (alleine in der
Besetzung), um die eigenen Deutungstheorien mehrfach sich selbst zur Prüfung
vorzulegen.

                           Ob das mit der Hexerei nun ernst und nicht nur
                           symbolisch gemeint ist, braucht der Film gar nicht
                           festzulegen, bezieht er doch gerade seinen Reiz aus
                           dem Paranormalen, aus der Uneindeutigkeit, der nicht
                         zu greifenden Verhältnisse und ist in diesem Sinne ein
Genre-Film im besten Sinne. Auch weil „Suspiria“ den Horror unterschiedlich zu
definieren versucht und Grenzen auslotet, was den Mainstream-Horror-
Guckenden aus seiner Sicht langweilen wird, aber eben gerade nur aus diesem
Grund innovativ sein kann. In diesem Vorhaben mag Guadagnino zuweilen
scheitern, doch überwiegt auf der anderen Seite das Gelungene deutlich. Selbst
als zum blutigen Finale angesetzt wird, ist das nicht nur einfach Blut und Terror,
sondern ein psychedelisches Gedärme-Fest sondergleichen. Und wer sich fragt,
wie eigentlich der Morgen nach solch einem Heidenspaß aussieht: Auch darauf
hat der Filmemacher eine augenzwinkernde Antwort.

Trotz des Genre-Debüts ist Guadagninos Handschrift bei genauerer Betrachtung
gut zu erkennen. Das beginnt mit dem Thema Sexualität und auch mit Liebe, die
der Regisseur ein weiteres Mal kontrovers und facettenreich verhandelt, ohne ihr
Potenzial als Schlüssel zu einer besseren Welt aus den Augen zu lassen. Wer auf
sein Herz hört oder es gar entblößt, dem mag Schreckliches zustoßen, doch noch
schwerer wiegt es, seine Liebe zu verleugnen, egal ob man selbst oder in Form
der Erbsünde. Liebe, Wut und Schuld liegen nah beieinander, wenn es um die
Frage der Vergebung geht und wem sie gewährt wird. Außerdem setzt
Guadagnino auf einen fast ausschließlich weiblichen Cast, Männer treten nur
peripher in Erscheinung. Möglich machen das unter anderem die tragenden
Leistungen von Dakota Johnson, die sich hier auch von ihrem „50 Shades Of
Grey“-Image lösen kann, Ingrid Caven als Fassbinder-Freundin und filmische
Aufarbeiterin der 1970er-Jahre sowie Tilda Swinton, die eindrucksvoll zeigt, dass
sie sich tatsächlich noch selbst übertreffen kann. Drei Rollen übernimmt sie,
wobei sie als Lutz Ebersdorf komplett den Vogel abschießt, in dem sie nicht nur
die Illusion aufrechterhalten konnte, dass es sich in der Rolle tatsächlich um
einen unbekannten alten Mann handelt, sondern auch noch Englisch mit
deutschem Akzent spricht!

Wäre das nicht schon genug, konnte Guadagnino auch
noch zahlreiche Schwergewichte hinter der Kamera
versammeln, um ein interdisziplinäres, konsistentes
Gesamtkunst zu schaffen. Wieder dabei ist nach „Call
Me By Your Name“ Thailänder Sayombhu
Mukdeeprom, seines Zeichens Stammkameramann von
Apichatpong Weerasethakul, der vor allem das Geisterhafte aus diesen
Zusammenarbeiten auf „Suspiria“ übertragen konnte. Tatsächlich essenziell ist
für diesen Film die Arbeit von Damien Jalet, der bereits 2013 eine vom „Suspiria“-
Original inspirierte Tanzchoreografie entwickelte und aufführte, die dem Film
eine professionelle Ernsthaftigkeit verleiht. Und last but not least kann Thom
Yorkes Beitrag gar nicht überhört werden. Der erste Soundtrack des Radiohead-
Frontmanns ist auf der Solo-Ebene ein Befreiungsschlag, macht sich Yorke doch –
trotz der großen Fußstapfen, die Goblin durch das Original hinterließen – frei von
allen Erwartungen und ließ sich erst von der Vorlage und dann von den Bildern
Guadagninos inspirieren. Ergebnis ist der vielleicht bemerkenswerteste
Soundtrack der letzten Jahre und das obwohl das Fach der Filmmusik dieser Tage
keineswegs kränkelt. Wer sich von dieser Horror-, Electro-, Piano-, Klassik-,
Chroal-Tonspur nicht einnehmen lässt, wird auch mit dem Film nichts anfangen
können, so stark ist die Symbiose.

Wer sich den gruseligen, fordernden Spaß nicht entgehen lassen will, bekommt
gleich mehrere liebevolle Kaufoptionen an die Hand. Neben den handelsüblichen
DVD- und Blu-ray-Editionen (leider nur mit Trailern im Bonus Material) und einer
4K- + Blu-ray-Version erscheint „Suspiria“ zum einen auch als Special Edition
Mediabook, bei dem man sich zwischen zwei Covern entscheiden darf, das eine
zusätzliche Blu-ray mit üppig Bonus Material enthält und die über ein 28-seitiges
Booklet verfügt. Bei gesonderter Wertschätzung und nötigem Kleingeld, gibt es
ab dem 18.04. zum anderen auch gleich die „Ultimate Edition“ zu erstehen, das
10 Discs (2 4K, 3 Blu-rays, 2 DVDs, 3 Soundtrack-CDs), Poster, Artcards und
einen Bildband enthält und bei einem Preis von unter 100€ und einer Auflage von
3.000 Exemplaren keinerlei Wünsche offenlässt.

Fazit: „Suspiria“ ist ein forderndes und sperriges Gesamtkunstwerk, das die
Herausforderung eines Remakes mit dem Konzept einer nahezu kompletten
Neuinterpretation auf beeindruckende Weise schultert. Kommt der Film auf den
ersten Blick grau und bieder daher, gewinnt der Kontrast zum Original schnell an
Charme, da er im veränderten Setting den Schwerpunkt auf andere, ernsthaftere
Themen setzt als der Klassiker. Vergangenheitsbewältigung,
Gegenwartsgestaltung, Tod, Leben, Sex, Liebe, all das lässt sich in „Suspiria“
finden und zusammendenken. Ein experimentelles Gesamtkunstwerk deshalb, da
nicht alles, aber das meiste (Innovative) gelingt und weil der Film erst durch die
Tanzchoreografien von Damien Jalet und die herausragende Filmmusik von Thom
Yorke ganz wird. Für jeden bietet Koch Media das passende Heimkino-Format,
von der Standard bis zur Ultimate Edition und gibt so Anlass, sich selbst auf
Spurensuche einer unruhigen Zeit der deutschen Geschichte zu begeben – und zu
uns selbst.
Cover, Packshot und Szenebilder © Koch Media

       Titel: Suspiria
       Produktionsland und -jahr: ITA/USA 2018
       Genre:
       Horror
       Drama
       Erschienen: 04.04.2019
       Label: Koch Media
       Spielzeit:
       ca. 152 Minuten auf 1 DVD
       ca. 152 Minuten auf 1 Blu-Ray
       Darsteller:
       u.a.
       Dakota Johnson
       Tilda Swinton
       Ingrid Caven
       Mia Goth
       Regie: Luca Guadagnino
       Drehbuch:
       David Kajganich
       Dario Argento & Daria Nicolodi (Charaktere)
       Kamera: Sayombhu Mukdeeprom
       Schnitt: Walter Fasano
       Musik: Thom Yorke
       Extras:
       Standard Edition:
       – Trailer

       Mediabook:
       – 28-seitiges Booklet mit einem Interview mit Luca Guadagnino und einem
       Text von Prof. Dr. Marcus Stiglegger
       – BAFTA-Guru-Masterclass mit Luca Guadagnino (ca. 74 Minuten)
       – Die Oscar-Academy im Gespräch mit Luca Guadagnino und Cast (ca. 11
       Minuten)
       – Interviews mit Cast & Crew (ca. 39 Minuten)
       – Making-of (ca. 4 Minuten)
– Die Kunst des Tanzens (ca. 4 Minuten)
      – Der Look (ca. 4 Minuten)
      – Die Masken (ca. 4 Minuten)
      – Teaser und Trailer (ca. 4 Minuten)

      Ultimate Edition:
      – 10 Discs, 2 Poster, 8 Artcards, 64-seitiger Bildband mit Werbematerial
      und Bildern der beiden Suspiria Filme, dazu ein Interview mit Luca
      Guadagnino und ein Text zum Film von Prof. Dr. Marcus Stiglegger,
      BAFTA-Guru-Masterclass mit Luca Guadagnino (ca.74 Minuten), Die
      Oscar-Academy im Gespräch mit Luca Guadagnino und Cast (ca. 11
      Minuten), Interviews mit Cast & Crew (ca. 39 Minuten), Making-of (ca. 4
      Minuten), Die Kunst des Tanzens (ca. 4 Minuten), Der Look (ca. 4
      Minuten), Die Masken (ca. 4 Minuten), Teaser und Trailer (ca. 4 Minuten),
      Zwei Soundtrack-CDs mit Musik zum Film von Thom Yorke (ca. 81
      Minuten)

      Technische Details (DVD)
      Video: 1,85:1
      Sprachen/Ton: D, GB
      Untertitel: D, GB
      Technische Details (Blu-Ray)
      Video: 1,85:1 (1080p)
      Sprachen/Ton: D, GB
      Untertitel: D, GB
      FSK: 16
      Sonstige Informationen:
      Produktseite

Wertung: 13/15 dpt
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