Switzerland and China - a Historical Perspective
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SPECIAL FEATURE Switzerland and China – a Historical Perspective In view of the 50th anniversary of the establishment of ment of the relations between Switzerland and China. We Swiss-Chinese diplomatic relations and the 20th an- highly recommend to the readers to take their time for niversary of the foundation of the Swiss-Chinese Cham- the reading, since we are convinced that most of them are ber of Commerce – both events coming up in September not familiar with this perspective; a perspective which is in the Year of the Dragon – we are proud and greatful to vital for the mutual unterstanding and the successful present to our readers a feature exclusively written for shaping of the future in the new millennium. And besides, this special issue of our Bulletin. it’s also a fascinating journey. We thank the author, Konrad Specker, for his out- For the sake of clarity and authenticity, the article is standing contribution and the Federal Office for Foreign printed in German (an English summary is included). Affairs for its support. For further information turn to the note about the author. Readers will find most valuable and interesting infor- mation and will learn from the roots about the develop- Susan Horvath Aspekte der Beziehungen zwischen der Schweiz und China – eine historische Perspektive von Konrad Specker Einleitung Le mérite de M. Petitpierre c’est d’avoir conduit le Con- Ce qui est certain, Mesdames et Messieurs, c’est qu’ici seil fédéral, et ça n’était pas si naturel, à oser s’écarter nous allons suivre avec un intérêt exceptionnel, attentif de l’habitude de lenteur et du comportement précau- et amical l’évolution de cet Etat qui réunit près d’un mil- tionneux qui était jusqu’alors la règle……Ainsi la Suisse liard d’hommes. Une évolution que nous souhaitons marquait sa volonté d’agir de son propre mouvement, de d’autant plus heureuse que, sans aucun doute, elle in- prendre des décisions autonomes plutôt que de se fluencera nécessairement et d’une manière décisive réfugier ou de s’abriter, comme très souvent, dans le l’évolution du monde. cortège des autres nations, et c’est ainsi qu’elle fut, en 1950, avec le Danemark et la Suède, l’un des seuls Etats (Auszug aus der Rede von Alt-Bundesrat Pierre Graber de l’hémisphère occidental à reconnaître la République zum 30. Jahrestag der diplomatischen Anerkennung der populaire de Chine et à établir avec elles des relations Volksrepublik China durch die Schweiz, 1980.) diplomatiques. (…) Alt-Bundesrat Pierre Graber hatte in dieser Rede die besondere Bedeutung der frühen diplomatischen An- About the author erkennung der Volksrepublik China durch die Schweiz, die Eigenständigkeit und Originalität des chinesischen Konrad Specker, born 1957 in Thun, Switzerland, Entwicklungsweges, das Interesse am Dialog und Aus- 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 studied history and graduated with a dissertation in the tausch mit China sowie die globale Bedeutung Chinas SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE field of 19th century colonial history at the University hervorgehoben. All diese Aspekte sind heute noch im- of Zurich. From 1985 to 1990 he worked as delegate mer von grosser Aktualität und Pierre Grabers Rede of the International Committee of the Red Cross in wirkt auch 50 Jahre nach der diplomatischen Anerken- Pakistan and India. Since 1991 he is working at the nung noch immer inspirierend. Swiss Agency for Development & Cooperation as pro- gramme officer for South-East and East Asian coun- Die vorliegende Studie versteht sich als ein Arbeitspapier tries. He is involved in cooperation programmes with und versucht, Aspekte der Beziehungen zwischen der China since 1994. Schweiz und China in einen geschichtlichen Zusammen- The views expressed in this paper are those of the hang und in den Rahmen grösserer Entwicklungstrends author and do not necessarily represent those of the in China zu stellen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit Swiss Agency for Development and Cooperation nor beleuchtet die Studie einzelne Elemente dieser Beziehun- of the Swiss Ministry of Foreign Affairs. gen und versucht, Ereignisse und Anliegen der Beziehun- gen in ihrem breiteren Kontext zu erörtern. For further information: Als Grundlage für die Studie dienten die Lektüre von konrad.specker@deza.admin.ch Literatur und Akten sowie persönliche Erfahrungen. Die 30 Studie ist in drei Abschnitte unterteilt:
SPECIAL FEATURE Meeting in Beijing, on the 9th of May 1973 between Prime Minister Zhou Enlai and Max Petitpierre, former Presi- dent of the Confederation and Minister for Foreign Affairs of Switzerland. On the 14th of September in 1950 Prime Minister Zhou Enlai and at that time President of the Confederation, Max Petitpierre, decided the establishment of diplomatic relations between the People’s Republic of China and Switzerland. ● In einem ersten Abschnitt wird die Entwicklung seit denen Unterricht in der Handhabung der Waffen erteilt dem Auftauchen der ersten Schweizer in China im 17. wird. Wenige von denen, die darin vollkommen geübt Jahrhundert bis zur Gründung der Volksrepublik 1949 sind, bleiben zu Hause; die meisten wandern in fremde erläutert. Die Beschreibungen in diesem Abschnitt Gegenden aus, deren Fürsten sie als Diener oder haben zum Teil anekdotischen Charakter. Schwertträger gebrauchen. ● In einem zweiten Abschnitt wird die Entwicklung der Diese Beschreibung über die Schweiz stammt aus einem Beziehungen zur Volksrepublik China beleuchtet. chinesischen zwölfbändigen Werk über fremde Völker Besonderes Gewicht wird der diplomatischen An- aus dem 18. Jahrhundert, das von Kaiser Kien-Long in 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 erkennung der Volksrepublik gewidmet. In diesem Ab- Auftrag gegeben wurde. Er zeigt, dass der Ruf der Ei- SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE schnitt wird auch eine Gesamtwürdigung der diplo- dgenossen als Söldner in fremden Diensten bis nach matischen Beziehungen gewagt. China gelangte. Es waren dann auch Söldner, die zu den ersten Schweizern in China gehörten. ● In einem abschliessenden Abschnitt werden die wichtigsten Aussagen der Studie zusammengefasst Die ersten Schweizer in China sind aus dem 17. Jahrhun- und einige Elemente für einen Ausblick erwähnt. dert bekannt. Es waren Söldner in fremden Heeresdien- sten und jesuitische Missionare. I. Historische Entwicklung bis zur Gründung der Volksrepublik Albrecht Herport, aus einem vornehmen Bern- ergeschlecht, stand im Dienste der Holländisch-Ostin- Die ersten Schweizer in China dischen Kompanie. Er kämpfte 1661-62 auf der Seite der Holländer in Formosa (Taiwan) gegen die kaiserlichen Das Land Ho-la-weit-tscha-ya (Helvetia) ist dem Reiche Truppen. Holland verlor dabei die Insel Formosa, aber Sche-li-ma-ni-ya (Germania) untertan. Seine Bewohner Herport überlebte die äusserst verlustreichen sind gross und stark und ihrer Tapferkeit wegen überall Schlachten. Ein anderer in holländischen Diensten ste- berühmt. Das Land besitzt öffentliche Lehranstalten, in hender Schweizer war der Schiffsarzt Johann Jakob 31
SPECIAL FEATURE Bossart. Bossart geriet 1696, anlässlich eines der vielen Schweizer Uhren in grösseren Mengen nach China opferreichen Vorstösse der Holländer zur Rückgewin- brachten. nung von Formosa, in chinesische Gefangenschaft, wo er schwere Entbehrungen und Leiden ertrug. Bossart Der Genfer Uhrenhändler Charles de Constant de Re- wurde aus dem Gefängnis geholt, als der Kaiserhof öf- becque reiste im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts fentlich nach einem mit Zahnausreissen vertrauten Mann mehrmals nach China. Von 1789 bis 1794 verblieb er suchen liess, um Kaiser Kangxi von schrecklichen Zahn- sogar in Kanton, konnte sich jedoch neben den konzes- schmerzen zu befreien. Als Dank für die erfolgreiche sionierten europäischen Handelsniederlassungen, die Zahnoperation wurde Bossart vom Kaiser 1699 be- ihre Privilegien mit Eifersucht hüteten, nicht durchset- gnadigt und auf freien Fuss gesetzt. zen. Lange konnten sich die Schweizer Uhren gegen die Konkurrenz der englischen Uhren nicht behaupten. Erst Die europäischen Jesuiten-Missionare fassten anfangs mit der Imitation englischer Uhren durch Genfer Uhren- des 17. Jahrhunderts in China Fuss und konnten sich hersteller und der Kombination nachgeahmter englischer dank ihrer Gelehrsamkeit eine gute Stellung und kaiser- Uhrengehäuse mit billigeren Neuenburger Uhrwerken lichen Schutz sichern. Unter diesen Jesuiten befanden gelang den Genfer Uhrenhändlern der Durchbruch für sich auch Schweizer. Der Schweizer Jesuit Johannes den Export von Schweizer Uhren nach China. Schreck kam 1619 nach China, wo er sich durch die Übersetzung von wissenschaftlichen Bücher ins Chine- Genfer und Neuenburger Luxusuhren und Automaten, sische hervortat. Ein weiterer, namens Jakob Rho (?) die sich im kaiserlichen Palast in Peking grosser Be- wurde 1628 Hofastronom. Einer der bekanntesten liebtheit erfreuten, gelangten im 18. Jahrhundert aus- Schweizer Jesuiten in China war Franz Ludwig Stadlin schliesslich über englische Handelshäuser in den Kaiser- aus Zug. Er begründete eine kaiserliche Werkstatt für palast. Hauptlieferant war das Neuenburger Haus Uhren, Automaten und astronomische Instrumente. Er Jacquet-Droz. Zu den Lieferanten zählten aber auch die leistete einen entscheidenden Beitrag an die Förderung Genfer Häuser Maillardet und Leschot sowie Frisard in der Uhren-Handwerkskunst. In der kaiserlichen Hof- Biel. Einige dieser Uhren und Automaten sind heute uhrenwerkstatt wurden nicht nur die von den Jesuiten noch im Museum des Kaiserpalastes erhalten. eingeführten Uhren repariert und gewartet, sondern auch nachgeahmt. Er lebte bis zu seinem Tode während 33 Zu den Pionieren des schweizerischen Ostasienhandels Jahren in Peking, wo heute noch sein Grab mit folgender gehörte auch Charles-Henry Petitpierre aus dem Val-de- chinesischer Grabinschrift existiert: Travers. Er gehörte sozusagen zum Reisegepäck der Lord Macartney Mission von 1793, mit der die Eng- Master Lin was called Jige (Franciscus)........In the 46th länder die Beziehungen zum Qing-Hof zu regeln und die year of the Kangxi reign (1707) he came to China and Öffnung mehrerer chinesischer Häfen zu erzielen ver- went to the capital in order to serve in the Imperial suchten. Petitpierres Aufgabe in der englischen Mission palace. He died on the 18th day of the 3rd month of the war es, die Uhren und Automaten sowie die astronomi- 5th year of the Qianlong reign (14.4.1740) and was schen und physikalischen Instrumente, die von der granted by the Emperor 200 taels of silver and ten large Gesandtschaft als Geschenk für den Kaiser mitgenom- bolts of silk from the Imperial Treasury (for his funeral). men wurden, auf dem Platz zu installieren und in Gang zu bringen. Petitpierre kehrte aber nicht mit der Anfänge und Entwicklung der Wirtschaftsbezie- Gesandtschaft zurück. Er versuchte, sich von Macao aus hungen der englischen Handelskonkurrenz zu entziehen und im Schutze der Portugiesen und Holländer direkte Handels- Mit der Expansion des europäischen Überseehandels seit geschäfte mit China zu tätigen. Dieser Versuch aber Ende des 18. Jahrhunderts setzte ein neues Kapitel in den scheiterte. Später setzte sich Petitpierre nach Manila und Beziehungen zwischen Europa und China ein. Der Batavia ab, von wo aus er vielseitigen Handel mit Gen- Drang nach dem chinesischen Markt spitzte sich zu. fer und Neuenburger Uhren und Automaten trieb. Kanton wurde zum Handelszentrum und zum ersten 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 Kristallisationspunkt für europäische Handelsniederlas- Die Anfänge des schweizerischen Handels mit China SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE sungen in China. Diese Entwicklung war auch für die zeigen, dass sich dieser nur im Gefüge des sich heran- aufkommenden Handelsbeziehungen der Schweiz zu bildenden kolonialen Handelssystems entwickeln China von grosser Bedeutung. konnte. Die verschiedenen Versuche zur Etablierung eigenständiger direkter Handelsbeziehungen blieben un- Uhren und Automaten spielten von allem Anfang an eine bedeutend. Es gab kein Vorbeikommen an den engli- zentrale Rolle in den schweizerischen Handelsbeziehun- schen Handelshäusern, die im Schutz der englischen gen mit China. Die Uhrenindustrie in Genf und Neuen- Ostindien-Kompanie standen. Anfangs des 19. Jahrhun- burg erhielt durch die Flucht der Protestanten aus derts schränkten die europäische Kontinentalsperre und Frankreich nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) einen grossen Aufschwung. Die protestantische Einwanderung gab auch dem Genfer Bankgeschäft einen On the right: The dragon and its pocket-watch grossen Aufschwung. Genfer Bankiers unterhielten enge in cloisonné enamels, a unique timepiece by Beziehungen zu den englischen und holländischen Ost- Bovet created in the noblest tradition of the indienkompanien und beteiligten sich an der Fi- hand-crafted pocket-watches commissioned nanzierung von deren Operationen. Es waren dann auch last century by the Emperor of China and 32 diese beiden Handelsgesellschaften, die als erste eminent dignitaries of the “celestial empire”.
SPECIAL FEATURE die europäischen Kriegswirren dann aber dem schweize- direkt zwischen Fleurier und Kanton abgewickelt und rischen Uhrenhandel auch diesen indirekten Zugang weiter ausgebaut. Während des Opiumkrieges verblie- nach China sehr stark ein. Gleichzeitig baute England ben die Vertreter von Bovet Frères als einzige Europäer seine wirtschaftliche Dominanz aus. Die einzige Chance in Kanton. Ihrer Präsenz war es weitgehend zu ver- für den Schweizer Handel mit China im sich entfaltenden danken, dass die fünf Häfen, die im Nankinger 19. Jahrhundert bestand darin, die Geschäfte innerhalb Friedensvertrag von 1842 den Engländern, Franzosen des englisch dominierten Handelssystems zu ent- und Amerikanern zugänglich wurden, auch der Schweiz wickeln. Der Versuch dazu gelang und die Schweizer geöffnet wurden. Andere Firmen folgten dem Erfolg der Handelsinteressen profitierten dabei voll von der China- Gebrüder Bovet. Erfolgreich war die Firma Vaucher Politik der Grossmächte und den ungleichen Verträgen, Frères mit Niederlassungen in Shanghai, Hongkong und die diese China aufzwangen. Tientsin. Damit begann die Gründung von Schweizer Firmen in China, was in der Folge rasch zunahm. Der erste erfolgreiche Versuch zur Etablierung anhal- tender Handelsbeziehungen zu China wurde von den Ge- Die wirtschaftlichen Beziehungen mit China im 19. brüdern Bovet aus Fleurier (Val-de-Travers) unternom- Jahrhundert beschränkten sich im Wesentlichen auf men, die, von wirtschaftlicher Not bedrängt, nach Uhren und auf den Textilbereich. Mehrere schwei- England auswanderten. Einer der drei Brüder wurde als zerische Händler und Kaufleute waren in ausländischen Uhrenmacher in der Niederlassung einer englischen Firmen tätig. So etwa der Basler Adolf Krayer, der 1860- Handelsfirma in Kanton angestellt. Dieser ermutigte 68 als Seideninspektor der englischen Firma Bowes Han- bald seine beiden in London zurückgebliebenen Brüder, bury & Co. in Shanghai arbeitete. Ideale Anstellungsbe- eine englische Handelsfirma zu gründen, Uhren nach dingungen hielten ihn davon ab, sich selbstständig zu seinen, dem chinesischen Geschmack entsprechenden, machen. Ein anderer Schweizer, Ulrich Spalinger, kam Zeichnungen in Fleurier herstellen zu lassen und diese 1897 als Seideninspektor im Dienst der englischen Firma unter dem Schutz der englischen Ostindien-Kompanie Jardine Matheson & Co. nach Kanton, wo er sich 1906 nach China zu exportieren. Damit wurde die "montre selbstständig machte. Die Firma U. Spalinger & Co. chinoise” geschaffen, die der Uhrenfabrikation im Val- betätigte sich erfolgreich im Import-/Exportgeschäft. de-Travers zu einer neuen und andauernden Blüte ver- Ulrich Spalinger lebte in der britisch-französischen half. Das Haus Bovet Frères Fleurier - London - Kanton Konzession. Von 1922 bis zu seiner durch die entwickelte sich zu einer der bekanntesten Uhrenexport- Kriegswirren verursachten Abreise 1939 amtierte er firmen jener Zeit. Nach der Abschaffung des Monopols auch als schweizerischer Honorarkonsul in Kanton. der englischen Ostindien-Kompanie 1832 wurde das Londoner Haus aufgelöst. Künftig wurden die Geschäfte Zu den seit dem 19. Jahrhundert in China tätig werden- den Schweizer Firmen gehörte auch die Winterthurer Welthandelsfirma Volkart, die sich seit ihrer Gründung 1851 im Baumwollhandel eine international führende Stellung aufbaute. Seit 1878 kümmerte sich ein Agent in Shanghai um die Interessen der Firma in China. Die Agentur wurde 1901 zur Volkart Brothers Agency und 1904 zu einer selbstständigen Filiale umgewandelt. Die Filiale wurde allerdings vier Jahre später wegen un- genügender Resultate geschlossen. Nachdem ein Ver- such zur Wiedereröffnung in der Mitte des Ersten Weltkrieges mangels qualifiziertem Personal gescheitert war, wurde die Volkart Brothers Agency 1921 in Shang- hai wieder eröffnet. Um sich den chinesischen Bedin- gungen anzupassen, wurde 1924 eine selbstständige Firma gegründet, die Fohka Swiss-Chinese Trading Co. 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 Ltd., mit 40% chinesischer Kapitalbeteiligung. Die SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE Firma musste aber 1927 wegen grosser Verluste liqui- diert werden. Die Volkart-Geschäfte in China wurden dann vollumfänglich von der Filiale in Shanghai betreut, bis diese schliesslich 1954 geschlossen wurde. Die Ak- tivitäten von Volkart in Shanghai standen seit dem späten 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem wach- senden indischen Baumwollexporten nach Ostasien. In der Zwischenkriegszeit kam das Baumwollgeschäft von Volkart in China zu einer neuen Blüte, nachdem die Firma 1930 einen Vertrag zur Alleinvertretung der Amer- ican Cotton Cooperative Association in China erhalten hatte. Und als im Verlaufe der dreissiger Jahre die Tex- tilfabriken in Shanghai sich vermehrt mit chinesischer Baumwolle beliefern liessen, eröffnete Volkart auch Portrait of a Chinese lady: Enamel-painted pocket watch Baumwoll-Einkaufsagenturen im Landesinnern. Eine 34 made by Bovet for the Chinese market, about 1860. Zweigniederlassung wurde in Tientsin unterhalten.
SPECIAL FEATURE The Siber Hegner Shanghai office team with guests from Switzerland. Photograph taken in December 1934. So wuchs seit dem späten 19. Jahrhundert die Schweizer 1943 verzeichnete das schweizerische Handelsregister Kolonie in Shanghai heran. In den 1870er Jahren lebten für China 67 Eintragungen. In China selber waren 1948 maximal zehn Schweizer in Shanghai, um die Jahrhun- 18 Schweizer Firmen registriert. Dazu kamen 16 Firmen dertwende waren es 35, danach stieg deren Anzahl kon- in vollem Schweizer Besitz mit chinesischer Rechts- tinuierlich auf über 200 bis 1936 an. Schweizer Firmen- fähigkeit. Am stärksten vertreten waren Handelshäuser und Handelsvertreter liessen sich auch in anderen (Volkart, Trachsel China Ltd., Siber Hegner & Co, Städten wie Tientsin, Hankow, Harbin und Kanton Charles Rudolph & Co) und Exportindustrien (Ciba, nieder. Hoffmann-La Roche, Nestlé, Sulzer, u.a.). Andere Fir- men ohne eigene Niederlassungen liessen ihre Interessen Bei den Shanghai-Schweizern handelte es sich um eine durch die in Shanghai ansässigen Firmen vertreten. Die heterogene Gruppe von Firmen- und Han- Schweizer Wirtschaft in Shanghai bot auch dem Rück- 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 delshäuservertretern ohne inneren Zusammenhalt. Die versicherungsgeschäft einen interessanten Markt. Im SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE Shanghai-Schweizer stellten sich seit der Mitte des 19. Bankgeschäft hingegen war die Schweiz kaum präsent. Jahrhunderts unter französischen, später auch unter deutschen konsularischen und gerichtlichen Schutz. Erst Bis zum Zweiten Weltkrieg wies die Güterzusam- mit dem 1918 unterzeichneten Sino-Schweizerischen mensetzung des schweizerisch-chinesischen Handels Freundschaftsvertrag entstand eine einheitliche typisch koloniale Züge auf: Die Schweiz exportierte Regelung für schweizerischen konsularischen Schutz in hauptsächlich Uhren, Textilien, Werkzeuge, Maschinen, China. Dieser Vertrag gewährte den Schweizern in China pharmazeutische und chemische Produkte und bezog Extraterritorialität, womit diese der chinesischen von China im wesentlichen Seide, Textilien und Rechtssprechung entzogen waren. Die Extraterritoria- Nahrungsmittel. lität war aber nicht de-jure, weil sie chinesischerseits nie ratifziert wurde. De-facto aber funktionierte die Während des Zweiten Weltkrieges schlossen sich 32 schweizerische Konsulargerichtsbarkeit bis 1946 Schweizer Firmen in China, zum Schutz ihrer Interessen unangefochten. Bis 1946 war somit die Schweizer gegenüber der japanischen Besatzungsmacht, in der Präsenz in China in die von den westlichen Gross- "Swiss Merchant Association” zusammen. Daraus er- mächten im 19. Jahrhundert etablierte koloniale Privi- wuchs nach dem Krieg die Vereinigung Schweizerischer legienstruktur eingebunden. Handelskammern in Shanghai, die an die Stelle der 1946 35
SPECIAL FEATURE geschlossenen Agentur der Schweizerischen Zentrale für aufgebaut. Die Basler Mission war die wichtigste Handelsförderung trat. schweizerische Missionsgesellschaft in China. Sie be- trieb Primar- und Mittelschulen sowie Priesterseminare. Die Schweizer Wirtschaftsvertreter in Shanghai haben Vertreter der Basler Mission haben auch namhafte sowohl während des Zweiten Weltkrieges, unter japani- Beiträge an die Chinakunde geleistet. scher Besatzung als auch in den Bürgerkriegsjahren und trotz Misswirtschaft sowie Korruption seitens der Kuom- Nebst der Basler Mission liessen sich auch die Schweiz- intang an ihrer Präsenz in China und an der Hoffnung auf erische Ostasienmission, die Bethlehem-Mission und einen sich regenerierenden Chinamarkt festgehalten. andere kleinere schweizerische Missionsgesellschaften Rückblickend kann aber der zwischen 1945 und 1950 in in China nieder. Schweizerischen Handelskreisen herrschende Optimis- mus, angesichts des tatsächlich Erreichten, nur als über- Die Missionen haben zweifellos bedeutende kulturelle schwenglich bezeichnet werden. Insgesamt erwies sich und humanitäre Arbeit geleistet. Etliche Missionare das Chinageschäft, verglichen zum Gesamthandelsvolu- sympathisierten auch mit den Zielen der chinesischen men, als recht marginal. Der Anteil der Schweiz am Nationalisten. Dies kann aber nicht darüber hin- Gesamt-Chinahandel war unbedeutend: 1946 bezog wegtäuschen, dass die Missionen als Teil des auslän- China lediglich 1,8% seiner Einfuhren aus der Schweiz dischen Imperialismus wahrgenommen und bekämpft und nur 0,5% von Chinas Exporten gingen in die Schweiz. wurden. Das Auftreten der Missionen in China war eng mit dem Eindringen der imperialistischen Mächte ver- Zusammenfassend lässt sich aus einer historischen Be- bunden. Die Missionen stützten sich auf die Rechte und trachtung die Schlussfolgerung ableiten, dass: Privilegien der ungleichen Verträge ab und standen unter ausländischem militärischen Schutz. Diese engen Be- – sich die wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz ziehungen zu den ausländischen Kolonialmächten mit China seit dem späten 18. Jahrhundert im Rahmen machte die christlichen Missionen zur Zielscheibe des des sich herausbildenden kolonialistischen Han- gegen ausländische Dominanz gerichteten Boxerauf- delssystems und der imperialistischen Chinapolitik standes von 1900. Die Basler Mission wurde von der der Grossmächte entwickelt haben. Boxer-Rebellion schwer getroffen. Der Schutz der Englischen Ostindien-Kompanie und en- Die Missionen litten schwer unter den Folgen des glischer Handelshäuser, ebenso wie die ungleichen chinesisch-japanischen Krieges 1938–45 und des Bür- Verträge und später die Extraterritorialität waren für die gerkrieges zwischen Kuomintang und Kommunisten. Entwicklung der schweizerischen Handels- und Missionare wurden der Kollaboration mit den Japanern Wirtschaftsinteressen in China bestimmend. Dement- und der Kuomintang angeklagt und zu langen Haft- sprechend war die wirtschaftliche Präsenz der Schweiz strafen verurteilt. Missionsstationen wurden ge- am Vorabend des Zweiten Weltkrieges in die imperialis- schlossen und nach dem Ende des Bürgerkrieges wurden tischen Strukturen eingebunden und ohne diese im die nicht angeklagten Missionare des Landes verwiesen. gegebenen Ausmass nicht denkbar. Die Schweiz sollte daher auch nicht von den Folgen des durch den west- Anfänge und Entwicklung des kulturellen Aus- lichen Imperialismus hervorgerufenen chinesischen tausches Demütigungsgefühls und des nach dem Krieg wieder- erstarkenden chinesischen Selbstbewusstseins verschont Im 19. Jahrhundert entwickelte sich ein wachsendes In- bleiben. teresse im Westen an China, an dem sich auch Schweizer aktiv beteiligten. Träger dieser wachsenden Chinakunde Die Aufgabe der Extraterritorialitätsrechte war eine der waren Missionare, Chinareisende und Sinologen. Hauptherausforderungen an die Schweiz nach dem Schweizer bereisten China zu Studienzwecken in ver- Krieg. Die Schweiz gehörte zu den letzten Ländern, die schiedenen Bereichen. Speziell nennenswert ist der Win- diese Privilegien aufgaben. terthurer Hartmann Heinrich Sultzberger, der sich u. a. 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 mit der Opiumfrage beschäftigte. Er wurde persönlicher SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE Die Schweizerische Wirtschaftspräsenz in China war Berater eines chinesischen Diplomaten, auf dessen auch Teil jener Strukturen, die sich die sozialistische Wunsch Sultzberger erfolglos versuchte, den damaligen Revolution zu überwinden zum Ziel gesetzt hatte. Dies Bundespräsidenten zu einer Vermittlungsaktion im chi- führte zu den Verstaatlichungen im ersten Jahr der Volks- nesisch-japanischen Krieg von 1894/95 zu gewinnen. republik, von denen auch die schweizerischen Wirtschaftsinteressen wesentlich betroffen waren. Lange Zeit konnte sich die Sinologie an den schweizeri- schen Hochschulen nicht etablieren. Schweizer Sinolo- Präsenz von Schweizer Missionsgesellschaften in gen aber übersetzten chinesische Werke und leisteten China auch namhafte Beiträge an ausländischen Hochschulen und Akademien. Edouard Chavannes (1885–1918) war Zu den Schweizern, die sich seit dem 19. Jahrhundert in Mitbegründer der modernen Sinologie in Frankreich. China niederliessen, gehörten nebst den Wirtschafts- Eduard Huber (1879–1914), Sinologe und Indochina- vertretern auch Missionare. Die Evangelische Basler Forscher, arbeitete an der Ecole Française d’Extrème Missionsgesellschaft liess sich vornehmlich in Südchina Orient in Hanoi. Letzterer hat das chinesische Werk, aus nieder. Bis zur Jahrhundertwende hatte die Basler Mis- dem die eingangs zitierte Beschreibung der Schweiz 36 sion in China ein verzweigtes Netz von 11 Stationen stammt, bekannt gemacht.
SPECIAL FEATURE Im Zuge der Konfrontation Chinas mit der militärischen Volksrepublik unter dem Eindruck des Kalten Krieges und technischen Überlegenheit des Westens nahm in radikal ändern. China seit dem späteren 19. Jahrhundert auch das chine- sische Interesse für westliche Technik, Kultur und Poli- Entwicklung der diplomatischen Beziehungen tik zu. Zahlreiche westliche Werke wurden ins Chinesis- che übersetzt, u. a. auch Werke des Schweizer In Bern machte man sich erstmals 1858 Gedanken über Staatsrechtlers Johann Kaspar Bluntschi, von Jean die Frage einer ständigen Vertretung in China. In den fol- Jacques Rousseau und Heinrich Pestalozzi sowie des genden Dekaden kam das Thema periodisch wieder auf. Historikers Jakob Burckhardt. Die allgemein noch schwach entwickelte diplomatische und konsularische Präsenz der Schweiz im Ausland, die In der Zwischenkriegszeit entwickelte sich der kulturelle spärliche Informationsgrundlage des Bundesrates über Austausch zwischen der Schweiz und China weiter. Zwar China sowie widersprüchliche Signale von den Shang- blieb die Anzahl chinesischer Studenten, im Unterschied hai-Schweizern und aus Handelskreisen verursachten in zu Frankreich und England, an schweizerischen dieser Frage jedoch Unentschiedenheit. Schliesslich Hochschulen sehr gering. Zwischen 1914 und 1939 wur- wurde bis zum Ersten Weltkrieg bevorzugt, die den aber 22 Dissertationen von chinesischen Studenten Schweizer in China unter ausländischem konsulari- in der Schweiz veröffentlicht. schem Schutz (inklusive Gerichtsbarkeit) – hauptsäch- lich Frankreichs und Deutschlands – zu belassen. Auf chinesische Initiative wurde 1933 in Genf eine der drei Bibliothèques Sino-Internationales eingerichtet (die Eine erste offizielle Verbindung zwischen den beiden anderen beiden waren in Shanghai und New York). Sie Ländern entstand 1911 mit der Etablierung einer Han- umfasste 1936 rund 300'000 Bände chinesischer Werke, delsagentur in Shanghai. Dabei handelte es sich aber um sinologische Arbeiten und europäische Bücher. Mit der eine rein kommerzielle Vertretung. Die Handelsagentur Bibliothek wurde beabsichtigt, dem Westen Zugang zu aber blieb ohne Erfolg und sie wurde 1914 wieder Literatur, Kunst und Wissenschaft Chinas zu verschaffen geschlossen. und chinesische Studenten in der Schweiz mit europäi- scher Literatur bekannt zu machen. In den frühen fünf- Mit der Revolution von 1911 und der Beseitigung des ziger Jahren wurde die Bibliothek wegen Finanzmangels Kaisertums setzte ein neues Kapitel der Beziehungen ins Ausland verkauft. Die Bibliothèque Sino-Interna- zwischen China und dem Westen ein. Die Anerkennung tionale darf als ein Zeichen des erstarkten chinesischen der Republik China war eine politisch heikle Frage, denn Selbstbewusstseins und einer aktiven Bemühung zur die westlichen Mächte wollten sicherstellen, dass die Bekanntmachung der chinesischen Kultur im Ausland neue Republik die früheren Verträge und die damit ver- verstanden werden. bundenen Privilegien respektiert. Unter Rücksicht- nahme auf die Schutzmächte Frankreich und Deutsch- Der Wille zur Überwindung der imperialistischen Demü- land schreckte die Schweiz dann auch vor einer tigung und zum Ausbruch aus einer Situation der eigenständigen Anerkennungspolitik zurück, obwohl Schwäche sowie das wachsende Selbstbewusstsein man von einer frühen Anerkennung Vorteile für den Chi- haben in China auch zu einem verstärkten Interesse an nahandel erwartete. 1913 anerkannte die Schweiz, im westlichen Institutionen und westlichem Wissen geführt. Gefolge von Frankreich und Deutschland, die neu Der Vater und Führer der chinesischen republikanischen gegründete Chinesische Republik. Bewegung und der in China noch heute gross angesehene Staatsmann Sun Yatsen, hatte sich auch mit dem schwei- Zu den ersten direkten diplomatischen Kontakten kam es zerischen Staatswesen auseinandergesetzt. anschliessend anlässlich des Besuches des chinesischen Aussenministers Cheng Hsian in Bern. Obwohl dieser In den zwanziger und dreissiger Jahren nahm auch das einen nachhaltigen positiven Eindruck hinterliess, fol- wissenschaftliche Interesse an China weiter zu. gten der Anerkennung keine weiteren Schritte. Weder Schweizer Wissenschaftler waren an chinesischen Hoch- wurden diplomatische Beziehungen aufgenommen noch 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 schulen tätig und führten bedeutende archäologische und wurde ein Konsulat eingerichtet. Dieser Zustand führte SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE geographisch-geologische Expeditionen durch. im Ersten Weltkrieg für die in China lebenden Schweizer zu schwierigen Situationen. Die Wahrnehmung ihrer In- Während sich die Beziehungen der Schweiz zu China in teressen durch die westlichen Schutzmächte wurde den wirtschaftlicher und missionarischer Hinsicht im Rah- Prärogativen der Krieg führenden Nationen untergeord- men der kolonialen Strukturen der westlichen Gross- net. So wurden zum Beispiel Schweizer Firmen, deren mächte entwickelten, zeigt die Geschichte der kul- Vertreter unter deutschem konsularischen Schutz turellen und wissenschaftlichen Beziehungen seit dem standen, von den Vertretern der Alliierten Mächte als späteren 19. Jahrhundert ein Bild wachsenden gegen- feindlich eingestuft. seitigen Interesses. Erst als 1918 der Sino-Schweizerische Freundschaftsver- Das durch den kulturell-wissenschaftlichen Austausch in trag unterzeichnet wurde, erhielten die Schweizer in China der Zwischenkriegszeit sich herausbildende positive einen direkten Schutz. Dieser Vertrag beinhaltete Bestim- China-Bild erhielt durch eine ausgeprägte Sympa- mungen über die gegenseitigen diplomatischen und kon- thiewelle für die chinesischen Leiden unter japanischer sularischen Vertretungen. Er regelte auch die Bedingun- Besatzung im Zweiten Weltkrieg einen eigentlichen gen der Konsulargerichtsbarkeit, womit Schweizer in 38 Höhepunkt. Dies sollte sich nach der Gründung der China der chinesischen Rechtssprechung entzogen waren.
SPECIAL FEATURE Mit dem damit erworbenen Recht, in China eine Lan- desebene-Jurisdiktion auszuüben, reihte sich die Schweiz Chronologie in die Reihe der Kolonialmächte ein, die sich diese Vor- rechte für ihre Bürger schon Mitte des 19. Jahrhunderts er- 1. Oktober 1949 Gründung der Volksrepublik worben hatten. Die Schweiz war das letzte Land, das für China seine Bürger in China diese Rechtsbevorzugungen erhal- 1950–1953 Koreakrieg, Intervention der ten hat. Man kommt nicht darum herum, dies als his- torischen Anachronismus zu bezeichnen, stammen doch Chinesen die Extraterritorialitätsprivilegien aus der Epoche der un- 1956–1957 Kampagne der „Hundert gleichen Verträge im 19. Jahrhundert, die im Gefolge des Blumen“ Erwachens des chinesischen Nationalismus und Repub- 1958 Der „Grosse Sprung vor- likanismus im Ersten Weltkrieg ihrem Ende zuging. Unter wärts“ Verweis auf die politische und rechtliche Unsicherheit in 1959 Aufstand in Tibet; Flucht China hielten die Westmächte, und mit ihnen die Schweiz, des Dalai Lama nach Indien jedoch an diesen Vorrechten fest. 1959–1961 Die „3 bitteren Jahre“ Im Gefolge des Sino-Schweizerischen Vertrages wurden (Rezession, Hungersnot) die diplomatischen Beziehungen etabliert. 1919 wurde 1960–1961 Bruch mit der UdSSR; eine chinesische Mission in Bern eröffnet. 1921 wurde Abzug der sowjetischen die neue Schweizerische Handelsagentur in Shanghai in Techniker ein Generalkonsulat umgewandelt, das 1932 zu einer 1966–1976 Kulturrevolution vollen diplomatischen Vertretung aufgewertet wurde. 1971 Beitritt Chinas zur UNO Ohne sich nach 1925 um die Frage der Anerkennung (Übernahme des Vetorechts einer der beiden Bürgerkriegsparteien (Kuomintang und von den Nationalchinesen) Kommunisten) zu kümmern und ohne zu den Ereignis- 1972 US-Präsident Nixon in sen in China Stellung zu nehmen, sah sich die Schweiz China defacto in der Situation, in Bern mit der nationalchine- 1976 Tod Zhou Enlais; Tod Mao sischen Mission weiterzuarbeiten. Dies kam einer Zedongs; Sturz der stillschweigenden Anerkennung der Kuomintang gleich. „Viererbande“ Diese de-facto-Anerkennung dauerte bis 1949 an. 1977 Rückkehr Deng Xiaopings Während der japanischen Besetzung wurden die 1978 (Dezember) Lancierung der Politik der Beziehungen zur Nationalregierung in China durch die Öffnung und der Wirtschafts- herrschenden Umstände praktisch unterbrochen. Denn reformen. als Chiang Kaishek sich 1937 vor den heranrückenden 1978 (Nov.) – „Pekinger Frühling“ Japanern nach Chonquing zurückzog und ihm die meis- 1979 (März) ten diplomatischen Vertretungen folgten, beliess die 1982 Deng Xiaoping kommt an Schweiz ihre Vertretung in Shanghai, um den Schutz der die Macht China-Schweizer und ihrer Interessen weiterhin wahrnehmen zu können. Die Schweizer Vertretung in 1984 „Sino-British Declaration Shanghai übernahm auch Schutzmachtaufgaben für on the Question of Hong Angehörige jener Länder, die sich mit der Besatzungs- Kong“ macht Japan im Krieg befanden. 1987 Sino-portugiesisches Abkommen (Rückgabe Nach der Niederlage der Japaner, eröffnete die Schweiz Macaos an China im Jahr 1945 in der neuen Hauptstadt der nationalchinesischen 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 Regierung, Nanking, eine Gesandtschaft. SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE 1999) 1989 Unterdrückung der Studen- 1945–1950 waren dann die bestimmenden Jahre für den tendemonstrationen Wandel in den diplomatischen und konsularischen („Tiananmen“) Beziehungen der Schweiz mit China. Zwei Meilensteine 1992 Neulancierung der Wirt- waren dabei wichtig: schaftsreformen durch Deng Xiaoping ● Als eines der letzten Länder gab die Schweiz nach dem 1997 Tod von Deng Xiaoping. Krieg ihre Extraterritorialitätsrechte auf. Dies be- deutete, dass Schweizer Bürger, Unternehmungen und Rückgabe Hongkongs an Vereinigungen in China fortan der chinesischen China (1.7.1997) Rechtssprechung unterstanden. 1999 (1.10.) Fünfzigster Jahrestag der Gründung der Volksrepublik ● Als Vorbote einer Anerkennung der Volksrepublik leis- 1999 (20.12.) Rückgabe Macaos an China tete die Schweiz 1949 dem Aufruf der Kuomintang, die diplomatischen Vertretungen in Nanking nach Tai- 40 wan zu verlegen, keine Folge.
SPECIAL FEATURE August 1974 in Beijing: Deng Xiaoping and Federal Councillor Pierre Graber (Foreign Minister). II. Beziehungen mit der Volksrepublik China findung als einmalig gilt und, angesichts seiner Trag- weite, für die Schweiz als ausserordentlich zu bezeich- Diplomatische Beziehungen: Von der Anerkennung nen ist. Acht Monate nach der Anerkennung wurden am der Volksrepublik bis zur Gegenwart 14. September die diplomatischen Beziehungen offiziell aufgenommen. Le Président de la Confédération Suisse a l’honneur d’informer Son Excellence Monsieur le Président Mao Die Bedeutung des schweizerischen Vorgehens zu einer Tsé Toung que le Conseil fédéral a décidé de donner suite frühen Anerkennung ist auch daran zu messen, dass die à la lettre du 4 octobre par laquelle le Gouvernement Schweiz (wohlweislich aufgrund der bundesrätlichen central de la République populaire a attiré son attention Überzeugung, dass die völkerrechtlichen Bedingungen für sur l’intérêt que présenterait pour les deux pays l’étab- eine Anerkennung erfüllt sind und dass sich insbesondere lissement de relations diplomatiques. Il a reconnu au- die von der Regierung der Volksrepublik ausgeübte Staats- 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 jourd’hui de jure le Gouvernement central de la gewalt über beinahe das gesamte chinesische Territorium SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE République populaire chinoise avec lequel il est prêt à ausdehnt) von der üblichen Praxis der Anerkennung von établir des relations diplomatiques. Il saisit cette occa- Staaten statt Regierungen abwich. Es handelte sich um eine sion pour former le vœux que continuent à l’avenir les ausdrückliche Anerkennung der Regierung der Volksre- excellentes relations qui ont toujours existées entre la publik. Und zur Etablierung diplomatischer Beziehungen Chine et la Suisse. mit der Volksrepublik mussten die Beziehungen zur na- tionalchinesischen Kuomintang abgebrochen werden. Mit diesem Telegramm vom 17. Januar 1950 informierte Bundespräsident Max Petitpierre den Vorsitzenden der Die Schweiz gehörte zu den ersten westlichen Ländern, Zentralen Volksregierung, Mao Tse-tung, über den bun- die die Volksrepublik anerkannten. Ebenfalls im Monat desrätlichen Entscheid zur de-jure-Anerkennung der Januar 1950 – aber vor der Schweiz – haben in der west- Volksrepublik. Am selben Tag zitierte Bundespräsident lichen Hemisphäre Grossbritannien, Dänemark, Norwe- Petitpierre den Gesandten der nationalchinesischen gen und Schweden die Volksrepublik anerkannt. Es war Regierung zu sich, um ihm mitzuteilen, dass sein Man- eine Mischung von politischen sowie wirtschaftlichen dat beendet sei. Damit wurde ein diplomatischer Akt be- Interessen und von politischer Weitsicht einzelner Ak- siegelt, der in den diplomatischen Annalen der Schweiz teure, welche die Schweiz in der damaligen komplexen in Bezug auf die eigenständige und rasche Entscheid- internationalen Situation zu diesem Schritt führte. 41
SPECIAL FEATURE Folgende Hauptgründe waren für das schweizerische * 19. Januar: Aufruf des nationalchinesischen Aussen- Vorgehen bestimmend: ministeriums an die diplomatischen Missionen, mit der Kuomintang aus Nanking wegzuziehen. Die Schweiz ● Perzeption Chinas als künftige Regionalmacht; leistete dem Aufruf keine Folge. 18 Postenchefs verblieben in – am 23. April gefallenen – Nanking, ● Erwartungen über wachsende Handelsbeziehungen; darunter auch der schweizerische Geschäftsträger (seit Januar war die Schweiz nur noch durch einen ● Wille zum Ausbruch aus den starren Fronten des Geschäftsträger a.i. bei der Kuomintang-Regierung Kalten Krieges; vertreten). ● Wille zum Ausbruch aus der internationalen Isolation * 1. Oktober: Proklamation der Volksrepublik. der Schweiz; * 4. Oktober: Schreiben von Aussenminister Zhou Enlai ● Wille zum Schutz der in China lebenden Schweizer an die in Nanking verbliebenen diplomatischen Missio- Staatsangehörigen und schweizerischer Wirtschaftsin- nen zur Etablierung von diplomatischen Beziehungen teressen. der Volksrepublik mit allen Staaten. Dank der guten Kenntnisse, Analysefähigkeit und des re- * 5. Oktober: Hinweis des EPD an die nationalchinesi- alistischen Einschätzungsvermögens der damals für die schen Vertretung in Bern, dass die Schweiz die Beziehungen zu China verantwortlichen Diplomaten be- Regierung der Volksrepublik anerkennen werde. stand im Eidgenössischen Politischen Departement (EPD) eine differenzierte Betrachtungsweise über die * 7. Oktober: Entscheid des Bundesrates, dass die Volks- Verhältnisse in China. Im EPD wurden die Schwächen republik anerkannt werden könne, sobald 20 bis 30 an- der Kuomintang ebenso gut verstanden wie das Potential dere Staaten dies auch getan hätten. Chinas als künftige Regionalmacht. * 18. Oktober: Schliessung der schweizerischen Gesandt- Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich der schaft in Nanking. Ferne Osten im Allgemeinen und China im Speziellen zusehends zum Zentrum des Kalten Krieges und der Bestimmend war sicherlich auch, dass die Schweiz von Auseinandersetzung zwischen der UdSSR und den einer raschen Anerkennung der Volksrepublik Chinas USA. Die Schweizerische Diplomatie war nicht geneigt, Wohlwollen erwartete, das sich positiv auf den Schutz sich in den Strudel des alles dominierenden Ost-West- schweizerischer Wirtschaftsinteressen in China und auf Konfliktes ziehen zu lassen, sondern beanspruchte für die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen auswirken sich eine neutrale Drittposition. Sie befand sich dabei in werde. Tatsächlich pflegte die Schweiz hohe Erwartun- einem Balanceakt. Es musste darauf geachtet werden, gen an wachsende Handelsbeziehungen und an einen sich seitens der westlichen Mächte nicht dem Vorwurf wirtschaftlichen Gewinn aus dem Wiederaufbau Chinas. unüberlegten Opportunismus auszusetzen und von Die Tatsache, dass die Schweiz mit ihrem Anteil an Chi- China nicht ins Lager des anti-kommunistischen Blocks nas Aussenhandel eine unbedeutende Rolle spielte, tat eingereiht zu werden. Berichte und Analysen des EPD diesen Erwartungen keinen Abbruch. zeigen, dass vielschichtige machtpolitische, ideolo- gische, wirtschaftliche und strategische Aspekte der Zwar gingen die übertriebenen wirtschaftlichen Er- Entwicklung Chinas im Spannungsfeld des Kalten wartungen nicht in Erfüllung und die Verstaatlichung Krieges die aussenpolitische Betrachtungsweise in Bern schweizerischen Besitzes nach 1949 war ein schwerer bestimmten. Schlag. Die durch Chinas Grösse und sein Marktpoten- tial motivierte Erwartungshaltung aber blieb bestehen Die Schweiz hat trotz ablehnender Haltung der West- und ist bis heute eine Konstante der Beziehungen der mächte (Ausnahme England) und nationalchinesischer Schweiz zu China geblieben. 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 Warnung vor der kommunistischen Gefahr die Frage der SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE Anerkennung der Volksrepublik eigenständig voran- Der eigenständige Weg in der Chinapolitik 1949 hat der getrieben. Die Notwendigkeit, aus der Isolation, in der Schweiz in einem schwierigen internationalen Umfeld sich die Schweiz nach dem Zweiten Weltkrieg befand, zu einem neuen diplomatischen Profil und Glaub- auszubrechen und aussenpolitisches Profil zu erlangen, würdigkeit verholfen, was sich dann auch günstig auf die dürfte für das entschiedene Vorgehen bestimmend gewe- Rolle der Schweiz in der neutralen Überwachungs-Kom- sen sein. mission in Korea auswirkte. Umgekehrt bedeutete die Anerkennung durch die Schweiz für die chinesische Mit einem Rückblick auf die Chronologie der Ereignisse Volksrepublik eine Verbesserung ihrer Position und im Jahre 1949 lassen sich die einzelnen Schritte, die einen Ausbruch aus der Isolation. schliesslich zur Anerkennung der Volksrepublik führten, wie folgt nachvollziehen: Die schweizerische Anerkennung bot der Volksrepublik die Möglichkeit, ihr diplomatisches Profil im Westen zu * Anfangs 1949: Starke Bedrängnis der Tschiang- manifestieren. Die chinesische Vertretung in der Kaischek-Kuomintang-Regierung in Nanking. Rückzug Schweiz spielte dann während vieler Jahre eine wichtige nach Kanton am 22. April und auf Formosa am 8. Rolle in der Pflege der Beziehungen zu Grossbritannien, 42 Dezember. Frankreich, Deutschland, Italien, u.a., zur Zeit, als diese
SPECIAL FEATURE Länder noch keine diplomatischen Beziehungen mit der In den frühen Jahren der Volksrepublik spielte die Volksrepublik etabliert hatten. Während dieser Zeit war schweizerische Gesandtschaft in Peking auch eine zen- die Schweiz aufgrund ihrer zentralen Lage im Herzen trale und erfolgreiche Rolle im Schutz und in der Repa- Europas und seiner Neutralität die eigentliche triierung schweizerischer und nicht-schweizerischer Drehscheibe für Chinas Europapolitik. Schliesslich bot Missionare. Dabei arbeitete der Schweizer Gesandte auch die 1954 in Genf abgehaltene Indochina-Konferenz Clemente Rezzonico eng mit dem indischen Botschafter eine willkommene diplomatische Plattform, die China K.M. Panikkar zusammen. Panikkar schrieb darüber in sehr gut als Eintritt auf die internationale politische seinen Erinnerungen: Bühne zu nutzen verstand. “Wir arbeiteten Hand in Hand, um die Bedingungen der Nach der Etablierung diplomatischer Beziehungen ver- Angehörigen der Missionen zu verbessern. (...) Rezzon- suchte die schweizerische Gesandtschaft in Peking mit ico und ich bildeten ein inoffizielles Zwei-Mann-Komi- allen Kräften, die Interessen der Schweizer Firmen zu tee, um Angehörigen jener Länder, die in China nicht schützen, sie bei den an sie gestellten Kompensations- vertreten waren, bei der Beschaffung ihrer Ausreisevisa forderungen der Angestellten zu unterstützen und zu helfen und Nachforschungen über ihre Lebensbedin- Schweizern die Ausreise zu ermöglichen. Wie schwierig gungen anzustellen, wenn sie im Gefängnis sassen." Die die Aufgabe war, zeigt das Beispiel der Firma Volkart: Rolle zum Schutz von ausländischen Staatsangehörigen, Bei der Schliessung seines Geschäftes in China zogen deren Länder damals noch keine diplomatischen sich die Verhandlungen über die Kompensations- Beziehungen mit der Volksrepublik unterhielten, hat der forderungen der Angestellten und die Steuerrechnungen Schweiz grosse Anerkennung eingebracht. Panikkar über Monate hinweg. Der Volkart-Manager in Shanghai schrieb dazu: “Unter den Karriere-Diplomaten der erhielt die Bewilligung zur Ausreise 1954 nur nach in- westlichen Staaten war der Schweizer Clemente Rezzon- tensiven Bemühungen seinerseits und der schwei- ico besonders tüchtig und vertrat konsequent eine Poli- zerischen Vertretung in Peking und nach Bezahlung von tik der Neutralität. Sein Hauptanliegen war humanitärer Fr. 100’000.-. Insgesamt zeigte China gegenüber den Art: dafür zu sorgen, dass die Missionare und andere schweizerischen Wirtschaftsinteressen kaum Entge- Ausländer ohne diplomatischen Schutz fair behandelt genkommen. Die Frage der Auflösung schweizerischer wurden oder die Möglichkeit erhielten, China zu ver- Unternehmen in China war auch auf der Tagesordnung lassen.” anlässlich der Treffen von Bundesrat Petitpierre mit Zhou Enlai 1954 und anlässlich seines Chinabesuches Auf chinesischer Seite war die Unterstützung von Aussen- 1961. Erst 1961 kam es zu einer Kompromisslösung über minister Zhou Enlai von zentraler Bedeutung, damit die schweizerische Schadenersatzforderungen. Schweiz diese humanitäre Rolle übernehmen konnte. 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE July 1992 in Beijing: Premier Li Peng with MOFTEC Minister Mme Wu Yi and Federal Councillor Pascal Delamuraz 44 with Ambassador Erwin Schurtenberger.
SPECIAL FEATURE Der Besuch von Premier- und Aussenminister Zhou En- geworden. Es herrscht zum Teil ein stark sensibilisiertes lai in der Schweiz anlässlich der Genfer Indochina-Kon- innenpolitisches Klima. Proteste begleiten nicht selten ferenz von 1954 und der Gegenbesuch von Bundesrat offizielle Besuche aus China in der Schweiz. Max Petitpierre in Peking 1961 waren wichtige Meilen- steine in der Festigung der Beziehungen zwischen der Zu einem eigentlichen diplomatisch-politischen Zwi- Schweiz und China. Insgesamt ist zu betonen, dass auf schenfall ist es anlässlich des Staatsbesuches von Präsi- chinesischer Seite Zhou Enlai eine führende Rolle dent Jiang Zemin im März 1999 gekommen. Lautstarke gespielt hat bei der Konsolidierung der diplomatischen Tibet-Manifestanten befanden sich auf dem Bundesplatz Beziehungen mit der Schweiz. in unmittelbarer Nähe des ankommenden Präsidenten und auf den Dächern der umliegenden Gebäude. Diese Um- Trotz positiver Entwicklung der offiziellen Beziehungen stände bedeuteten ein Sicherheitsrisiko. Der chinesische blieb der Austausch und die Interaktion zwischen den Präsident reagierte scharf und kritisierte den Bundesrat. beiden Ländern während den fünfziger und sechziger Jahren insgesamt sehr bescheiden. Seit Anfang der Die Ereignisse bei diesem Staatsbesuch haben zwar den siebziger Jahre aber entwickelte sich ein lebendiger Beziehungen zwischen der Schweiz und China auf tech- gegenseitiger Besucherverkehr von Vertretern aus Poli- nisch-sachlicher und wirtschaftlicher Ebene nicht tik, Armee, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Kontakte geschadet. Sie haben aber unter China-Kennern und in haben sich seither stetig erweitert und vertieft. China ein gewisses Unverständnis ausgelöst. Die Ereignisse von 1989 auf dem Tiananmen-Platz hat- Der Bundesrat hat diese Ereignisse bedauert. Anlässlich ten die internationalen Beziehungen Chinas tief erschüt- des Besuches von Bundesrat Couchepin in China Ende tert. Auch die Schweiz setzte einen Marschhalt ein und 1999 wurde bei einem Gespräch mit dem Premierminis- verurteilte die blutige Repression der Studentenproteste. ter Zhu Rongji gegenseitig bekräftigt, dass diese Die Schweiz hatte sich aber bald wieder zu einer Politik Ereignisse die Beziehungen zwischen den beiden Län- des Dialoges entschieden. Seither bildet auch die Men- dern nicht weiter belasten werden. schenrechtsfrage ein Thema in den Beziehungen zwi- schen der Schweiz und China. Dabei interessiert sich die Die Schweiz ist gefordert, zwischen innenpolitischen Schweiz auch für die Menschenrechtssituation in Tibet. Zwängen und einer auf profunden China-Kenntnissen Die Implikationen der Tibet- und Menschenrechtsfra- basierende Chinapolitik eine Brücke zu schlagen, die es gen sind in den neunziger Jahren zu bestimmenden Fak- erlaubt, mit diesem Land einen konstruktiven und zu- toren in der schweizerischen innenpolitischen Szene kunftsorientierten Dialog zu führen. 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE 46 March 1999 in Switzerland: President Jiang Zemin and President Ruth Dreifuss.
SPECIAL FEATURE November 1999 in China: Premier Zhu Rongji and Federal Councillor Pascal Couchepin (Head of Economic De- partment). Würdigung der politischen Beziehungen zwischen tries of different social systems can peacefully coexist. der Schweiz und China seit 1949 Switzerland is a neutral country which has contributed to the preservation of world peace. Switzerland and three Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Volks- other neutral nations participating in the Neutral Na- republik bleiben bis heute von speziellem Interesse und tions Supervisory Commission in Korea have played a bedürfen einer globalpolitischen Betrachtung. Die bei- significant role in safeguarding peace in Korea and the den Länder kennzeichnen sich durch Gemeinsames und Far East.” Trennendes. Die politische Weitsichtigkeit und der persönliche Mut In China trifft die Schweiz auf eine durch Jahrtausende einzelner Akteure der schweizerischen Diplomatie alte Zivilisation geprägte Kultur, ein Land mit einer waren ausschlaggebend für die positive Entwicklung der reichen staatsphilosophischen Tradition, ein Land, das Beziehungen zwischen der Schweiz und der Volksre- von seiner schieren Grösse die schweizerische Vorstel- publik. Bundesrat Max Petitpierre hat mit seiner politi- lungskraft und Denkkategorien bei weitem übertrifft. schen Vision dafür gesorgt, dass die Frage der Aner- 20TH ANNIVERSARY EDITION – BULLETIN 2/00 Tiefschürfende historische Umwälzungen und ge- kennung der Volksrepublik nicht mit typisch SWISS–CHINESE CHAMBER OF COMMERCE sellschaftliche Umbrüche kennzeichnen das China des schweizerischem Zuwarten und Langsamkeit, sondern 20. Jahrhundert. Das politische Leben Chinas und die mit Entschiedenheit verfolgt wurde. Beziehungen zu diesem Land sind gezwungenermassen davon geprägt. Dementsprechend bedarf der Umgang Sven Stiner und Clemente Rezzonico, die ersten in der mit dieser Realität offenes Denken, politischen Spürsinn Volksrepublik akkreditierten Vertreter der Schweiz, und Vision. haben es durch ihre Kapazitäten und ihr Einfüh- lungsvermögen verstanden, das Vertrauen und den Re- Die Rolle der Schweizer Diplomatie in den Anfängen der spekt ihrer chinesischen Partner zu gewinnen. Volksrepublik hat in China Anerkennung erhalten. So sagte Zhou Enlai anlässlich des Bundesfeier-Empfangs Alt-Bundesrat Pierre Graber hat sich mit seiner weit- vom 1. August 1960 auf der Schweizer Botschaft in sichtigen Einschätzung der Entwicklung Chinas über die Peking: Grenzen enger politischer Analyse- und Denkmuster hinweggesetzt und die Bedeutung der Beziehungen mit “China and Switzerland have long established diplo- China in einen globalen politischen Zusammenhang matic relations. It can be said that the relations between gestellt, als er in seiner Rede zum 30. Jahrestag der diplo- China and Switzerland provide an example that coun- matischen Beziehungen mit China sagte: 47
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