TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESRATES - Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014) - Österreichisches Parlament

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TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESRATES - Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014) - Österreichisches Parlament
TÄT I G K E I T S B E R I C H T D E S B U N D E S R AT E S
Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014)
TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESRATES - Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014) - Österreichisches Parlament
Impressum:
Herausgeberin, Medieninhaberin, Herstellerin: Parlamentsdirektion
Adresse: Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien, Österreich
Redaktion: Susanne Bachmann, Barbara Blümel, Katharina König, Ute Krycha-Weilinger
Bildredaktion: Ute Krycha-Weilinger, Bernhard Zofall
Coverfotos: © media wien, Olga Posaškova, Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Jacqueline Godany, Leo Hagen, Mike Ranz,
Parlamentsdirektion/HBF/Julia Weichselbaum, Parlamentsdirektion/Michael Buchner
Grafische Gestaltung (Layout, Grafik, Fotobearbeitung): Dieter Weisser
Druck: die 2gstelle Fulfillment OG

Wien, im Juli 2014
TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESRATES - Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014) - Österreichisches Parlament
Reinhard Todt                                                  Michael Lampel
Dem Bundesrat als föderalistisches                             Das Burgenland hat seinen Vorsitz
Instrument der Länder obliegt                                  in der Landeshauptleutekonferenz
die Aufgabe der Gesetzgebung,                                  und im Bundesrat unter das
in einem demokratischen Land                                   Motto "Starke Regionen. Unsere
wie Österreich eine wesentliche                                Zukunft!" gestellt. Starke Regionen
Einrichtung, um Grundwerte und                                 sind der Garant für eine bürgerna­
Grundrechte für alle BürgerInnen                               he Politik und für eine Demokratie
zu gewährleisten und damit                                     der Nähe – sie stehen auch für
die Basis für ein gedeihliches © Parlamentsdirektion/WILKE     eine Vielfalt, die es gerade in © Parlamentsdirektion/WILKE
Miteinander zu fördern.                                        einem Europa der Zukunft zu pfle­
Es war mir während meiner Präsidentschaft ein persönli­        gen und zu erhalten gilt.
ches Anliegen, die Interessen aller Bundesländer in diesem     Der Föderalismus ist ein fester Bestandteil der
Sinne verstärkt weiter zu entwickeln und zu unterstützen.      Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik. Und ich bin
Ein Schwerpunkt meiner Präsidentschaft hat sich aus mei­       davon überzeugt, dass der Föderalismus – verbunden
ner beruflichen Tätigkeit im Dienste der älteren Generation    mit den notwendigen Reformen – auch künftig wesent­
ergeben: Ich wollte und will mich vor allem dafür einsetzen,   lich zu einer positiven Entwicklung Österreichs bei­
die Armut in dieser Bevölkerungsgruppe zu bekämpfen            tragen wird. Der Bundesrat soll dabei, wie dies auch
und existenzsichernde sozialpolitische Maßnahmen für die       die Bundesregierung als Ziel formuliert hat, in seinen
Pensionisten/innen zu fördern.                                 Aufgaben gestärkt werden. Ein moderner Föderalismus
Den föderalistischen Gedanken als Wiener, aber auch            muss eine klare Aufgabenteilung zwischen Bund
die Sicht der Österreicherin und des Österreichers, die        und Ländern ebenso beinhalten wie die Möglichkeit
aus ländlichen Bereichen in zentrale Ballungszentren zie­      einer effektiveren Mitwirkung des Bundesrates an der
hen, habe ich einer intensiveren politischen Betrachtung       Gesetzgebung des Bundes. Der Bundesrat hat auch
unterzogen und Möglichkeiten der Integration in unseren        seine Aufgaben als Europakammer im Zusammenhang
Städten beleuchtet. Gerade diese Maßnahmen sollten             mit den Subsidiaritätsverfahren sehr aktiv wahrgenom­
darauf abzielen, das Miteinander zu fördern und Barrieren      men und damit wichtige Beiträge zur Umsetzung des
abzubauen.                                                     Subsidiaritätsprinzips geleistet.
Nationalratswahlkampf und Regierungsbildung haben              Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt des burgenländi­
meine Präsidentschaft natürlich beeinflusst; als Beitrag der   schen Vorsitzes im Bundesrat ist das Thema Nachhaltigkeit
Länderkammer habe ich eine Direktwahl der Mitglieder des       und die Nutzung erneuerbarer Energie. 2013 hat das
Bundesrates im Rahmen der jeweiligen Landtagswahlen            Burgenland die Energiewende bei der Stromversorgung
zur Diskussion gestellt. Nicht zuletzt waren und sind mir      geschafft, womit das Burgenland eine europaweite
die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit des Bundesrates        Modellregion ist. Ich sehe darin ein Musterbeispiel für die
ein besonderes Anliegen, deren Verbesserung auch               erfolgreiche Nutzung regionaler Stärken. Nachhaltigkeit
Eingang in das Reformpapier der LandtagspräsidentInnen         ist somit auch ein Schwerpunktthema in diesem
und Landeshauptleute zum Bundesrat gefunden hat. Alles         Tätigkeitsbericht, der darüber hinaus umfassend über die
Gute für den Bundesrat als wichtiger Mediator zwischen         Vielzahl an Aktivitäten, die der Bundesrat innerhalb eines
Bundes- und Landespolitik!                                     Jahres gesetzt hat, Auskunft gibt.
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Statements der Fraktionsvorsitzenden
BR als "Länderhebel"                                                                   Föderalismus als Eckpfeiler
bei EU-Mitgestaltung                                                                   unserer Demokratie

                                                         © Parlamentsdirektion/WILKE

                                                                                                                                                 © Parlamentsdirektion/WILKE
Die Debatten und Diskussionen                                                          Der mittlerweile dritte Tätig-
über       Reformen        oder                                                        keitsbericht zeigt deutlich
Abschaffung des Bundesrates                                                            den Umfang und die große
in den vergangenen neun­                                                               thematische Bandbreite im
zig Jahren sind legendär.                                                              Bundesrat. Es wurde wieder
Die letzte Debatte dieser Art                                                          viel bewegt, und auch in der
wurde bemerkenswerter Weise                                                            Ländervertretung selbst fanden
von NR-Präsidentin Barbara            Gottfried Kneifel                                wichtige Veränderungsprozesse            Christian Füller
Prammer unmittelbar nach Vorsitzender der                                              statt. Diese Reform ist absolut geschäftsführender SPÖ-
der Nationalratswahl 2013 aus­ ÖVP-Bundesratsfraktion                                  notwendig und muss daher Fraktionsvorsitzender im
gelöst. Die darauffolgenden                                                            mit voller Kraft vorangetrie­ 2. Halbjahr 2013
Debattenbeiträge hatten eine andere Qualität als die meisten                           ben werden. Allen Tendenzen,
vorherigen Artikel und Kommentare. Erstmals wurden die                                 den Bundesrat in seinen
BundesländervertreterInnen herausgefordert, zu erklären, wel­                          Mitbestimmungsrechten einzu­

                                                                                                                                                 © Parlamentsdirektion/WILKE
che Aufgaben der Bundesrat für die Bundesländer erfüllt – auch                         schränken oder ihn gar völlig
innerhalb der Europäischen Union.                                                      abzuschaffen, müssen wir eine
Europa als neue Aufgabe                                                                klare Absage erteilen. Denn
Niemals zuvor wurde mehr über diese jüngste Kompetenz des                              dies hätte eine Schwächung
Bundesrates – die indirekte und direkte Mitwirkung an der                              unseres Staatsgefüges zur
EU-Rechtsetzung und EU-Willensbildung – diskutiert. Der sog.                           Folge. Der Bundesrat ist für
Lissabon-Vertrag der EU hat die nationalen Parlamente, und                             unsere Demokratie unver­
                                                                                                                                 Reinhard Todt
damit auch den Bundesrat, mit völlig neuen Aufgaben und                                zichtbar, er ist die starke
Kompetenzen ausgestattet. Die Länderkammer sichert damit                               Vertretung der Bundesländer, Vorsitzender der
auch die Mitsprache der österreichischen Bundesländer im                               die Stimme der Regionen. Diese Bundesratsfraktion der SPÖ
europäischen Gesetzwerdungsprozess. So kann der Bundesrat                              Mitbestimmung ist gelebter Föderalismus. Daher muss der
innerhalb von acht Wochen nach Übermittlung des Entwurfes                              Bundesrat als gesetzgebendes Gremium weiter gestärkt, auf­
eines Gesetzgebungsaktes darlegen, weshalb der Entwurf                                 gewertet und in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter
seines Erachtens mit dem Subsidiaritätsprinzip nicht vereinbar                         gemacht werden. Im Bundesratsreformgesetz wurde eine
ist. Der Bundesrat hat von dieser Möglichkeit einer begründe­                          Reihe von Vorschlägen zusammengefasst. Dieses muss nun
ten Stellungnahme allein im Jahre 2013 sechs Mal Gebrauch                              gemeinsam, fraktionsübergreifend, in einem breiten Dialog
gemacht. Er koordiniert auch die Länder-Stellungnahmen                                 vorangetrieben werden. Denn eines steht fest: Der Bundesrat
und kann Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips beim                                  ist bereit für Veränderungen, er ist bereit, Reformen zu wagen,
Europäischen Gerichtshof in Luxemburg einklagen. Der                                   aus denen er gestärkt hervorgehen kann. Wie unverzicht­
Bundesrat als verlängerter Arm der Länder nach Brüssel. Neue                           bar ein starker Bundesrat, und damit ein starkes Bekenntnis
Arbeit für die MandatarInnen – aber besonders wichtig für ein                          zum Föderalismus für die Gesetzgebung, und damit für die
besseres Europa näher bei den BürgerInnen!                                             Demokratie, in Österreich ist, zeigt auch dieser Bericht.
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Heimat – lokal                                                                                Kritisches Selbstbild
und in Europa                                                                                 und europäische Aufgabe

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Wo immer man hinschaut merkt                                                                  Obwohl der Bundesrat nie auf
man, wie wichtig den Menschen                                                                 einmal neu gewählt wird, weil
ihre engste Heimat ist. Der Platz,                                                            sich die Zusammensetzung
an dem man geboren ist und an                                                                 der Länderkammer durch
dem man lebt, kommt immer                                                                     die Landtagswahlen ergibt,
zuerst. Alles, was weiter weg ist,                                                            hat eine Wahl der Schwester-
kommt später. Bei der Enquete                                                                 kammer, des Nationalrates,
zum Thema "Zukunft Land:               Monika Mühlwerth                                       natürlich Auswirkungen auf           Marco Schreuder
Trends, Herausforderungen Vorsitzende der                                                     die Arbeit des Bundesrates. Vorsitzender der
und Lösungen" wurde deut­ Bundesratsfraktion der FPÖ                                          Wenn bundesweit Wahlkampf Bundesratsfraktion der Grünen
lich, dass die Menschen weg-                                                                  angesagt ist und nach der
ziehen, wenn die Bedingungen wie Wohnen, Arbeit,                                              Wahl eine Regierung erst gebildet werden muss, gibt es
Kinderbetreuung, Schule, Freizeit nicht mehr im entsprechen­                                  kaum Gesetze, die zu beschließen wären.
den Ausmaß vorhanden sind. Diese Entscheidung treffen v.a.                                    Allerdings hört die Arbeit nicht auf und es fallen weiterhin
Frauen. Es haben fast alle Teilnehmer festgestellt, dass, wenn                                zukunftsweisende Entscheidungen, etwa auf Europa-
die Frauen weggehen, die Gemeinde stirbt.                                                     Ebene, an. Genau hier schlägt die Stunde des Bundesrates:
Daher ist es so wichtig, dass die Politik nahe am Bürger ist                                  Der EU-Ausschuss des Bundesrates ist enorm fleißig und
und die Rahmenbedingungen stimmen. Die niedrige Wahl-                                         schafft sich mittels Mitteilungen und Subsidiaritätsrügen
beteiligung bei der letzten EU-Wahl lässt den Schluss zu,                                     Gehör in Europa. Damit ist der österreichische Bundesrat
dass für die Menschen Brüssel weit weg ist. Dort werden                                       diesbezüglich die zweitfleißigste Kammer unter den 39
zwar wichtige Gesetze beschlossen, die ganz Europa betref­                                    parlamentarischen Kammern in der EU. So konnten auch
fen, aber die meisten Menschen fühlen sich davon offen­                                       umstrittene Vorhaben wie etwa die Saatgutverordnung
sichtlich nicht wirklich angesprochen. Und sie haben auch                                     kritisch hinterfragt und sogar verhindert werden – außer
nicht wirklich das Gefühl, mit ihrer Stimme mitentscheiden                                    eine neue Kommission startet einen weiteren Versuch.
zu können, was in Brüssel oder Straßburg geschieht.                                           Womit der Bundesrat immer beschäftigt ist, ist seine eige­
Der EU-Ausschuss des Bundesrates hat sich sehr inten­                                         ne Rolle. Auch in diesem Arbeitsjahr war die Abschaffung
siv mit Verordnungen und Entwürfen der Europäischen                                           oder Reform der Länderkammer mediales Schlachtfeld.
Kommission beschäftigt. Nach Schweden kamen die meisten                                       Allerdings ist eine (berechtigte!) Institutionendiskussion
Subsidiaritätsrügen aus unserem Bundesrat. In Zusammen-                                       besser an das Ende einer viel wesentlicheren Debatte
arbeit mit anderen EU-Ländern konnte so z.B. die Kon-                                         zu stellen: Wie will Österreich zukünftig Föderalismus
zessionsrichtlinie gekippt werden, die unter anderem vorgese­                                 effizient organisieren? Wenn diese Frage beantwortet
hen hätte, dass unser Wasser privatisiert wird. Es ist wichtig, diese                         wurde, stellt sich auch die Frage über die Existenz des
Arbeit den Menschen in den Ländern näher zu bringen, sie ent­                                 Bundesrates neu.
sprechend zu kommunizieren. Als Politiker müssen wir darauf
achten, Bedingungen zu schaffen, die es den Menschen mög­
lich machen, ihre engste Heimat als lebenswert zu betrachten.
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Inhalt
Grußworte der Präsidenten
Statements der Fraktionen
Aktives Altern
  BR-Enquete: Aktives Altern als gesamtgesellschaftlicher Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                        5
Erneuerbare Energien
  Johann Binder Energiestrategie Burgenland 2020+ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                 12
  Burgenländisches Landesentwicklungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                     15
  Energiewende bei der Stromversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                        16
  BR-Enquete: Erneuerbare Energien und lokale Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                               18
Wiener Präsidentschaft – Die Schwerpunkte
  Antrittsrede von BR-Präsident Reinhard Todt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                          20
  Landtagspräsidentenkonferenz in Riegersburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                              20
  BR-Enquete zum Internationalen Tag der älteren Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                           21
  Hearing zum "Österreichischen Städtetourismus" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                22
  Internationale Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     23
  Buchpräsentationen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   25
  Resümee über die Kernpunkte der Wiener Präsidentschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                          27
Stimmen aus Wien
  Brigitte Bailer Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                     28
Burgenländische Präsidentschaft – Die Schwerpunkte
  Michael Lampel Moderner Föderalismus als Modell für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                 30
  Zur Rolle des Bundesrates in der Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                  30
  Internationale Kontakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     32
  Unterstützung für das Projekt "Verbindende Hände" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                   35
  Gedenktag 5. Mai 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .     36
  Jugendparlament 6. Mai 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             38
  BR-Enquete: Ein Blick Richtung Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                    39
  Resümee über die Kernpunkte der burgenländischen Präsidentschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                      41
Stimmen aus em Burgenland
  Hans Niessl Starke Regionen – unsere Zukunft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                           42
  Vielfältige Kunst aus Neufeld an der Leitha  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                      43
Statistik
TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESRATES - Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014) - Österreichisches Parlament
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Aktives Altern als gesamtgesellschaftlicher Gewinn
Wichtige Enquete des Bundesrates zum Thema                                stellen aber auch große Herausforderungen an Gesell-
                                                                          schaft, Politik und Wirtschaft. Um auf die Chancen und

D     er amerikanische Industrielle Henry Ford meinte: "Nimm
      die Erfahrung und die Urteilskraft der Menschen über 50
heraus aus der Welt, und es wird nicht genug übrigbleiben, um
                                                                          Herausforderungen, die sich durch den demographi­
                                                                          schen Wandel ergeben, aufmerksam zu machen und um
                                                                          die spezifische Lebenssituation von älteren Menschen
ihren Bestand zu sichern." Weise Worte, die dem unschätzba­               weltweit stärker in den Fokus zu bringen, haben die
ren Wert der älteren Generation für die gesamte Gesellschaft              Vereinten Nationen im Jahr 1990 den 1. Oktober zum
treffend Ausdruck verleihen. Denn eines steht völlig außer                Internationalen Tag der älteren Generation erklärt.
Zweifel: Alle Generationen, unser ganzes Land profitiert vom              Dementsprechend hielt der Bundesrat an diesem Tag eine
Erfahrungsschatz und dem Wissen der älteren Generation. Es                Enquete im Parlament ab mit dem Titel: "Der Anteil der älte­
vollzieht sich ein fundamentaler gesellschaftlicher Wandel.               ren Menschen steigt in der österreichischen Gesellschaft
Nicht nur durch die demographische Entwicklung, die stei­                 stetig an – welche Auswirkungen hat dies auf die ver­
gende Lebenserwartung, sondern v.a. durch eine neue Form                  schiedenen Lebensbereiche der älteren Menschen, welche
des Alterns. Die SeniorInnen des frühen 21. Jahrhunderts sind             Herausforderungen stellen sich für die österreichische
aktiver, gesünder und besser ausgebildet als alle Generationen            Politik?".
vor ihnen, und sie wollen und sollen auch eine immer größere              Unser gemeinsames Ziel muss es sein, in unserem Land
aktive Rolle in allen Lebensbereichen spielen.                            eine Kultur des aktiven Alterns zu schaffen. Aber auch
Diese gewonnenen Jahre bergen unendlich viel Potenzial,                   jede/r einzelne ältere Mitbürger/in muss für sich seinen/

Der Vorsitzende der ÖGB PensionistInnen, Werner Thum, am Rednerpult © Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz

                                                                                                                                         5
TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESRATES - Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014) - Österreichisches Parlament
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    ihren eigenen Beitrag leisten. Aktivität und Prävention sind             wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Mitwirkung
    der Schlüssel, um ein langes, erfülltes Leben, ein Leben in              und Mitbestimmung älterer BürgerInnen und müsse inten­
    körperlicher und geistiger Fitness bis ins hohe Alter führen             siv unterstützt werden. Deswegen sei das Stimmrecht die­
    zu können. Durch bewusstes Fordern von Körper und Geist,                 ser Beiräte gesetzlich zu verankern, präzisierte Todt. Nicht
    durch moderate Bewegung, durch aktive Teilhabe an allen                  zuletzt sei es notwendig, das Verständnis zwischen der
    Lebensbereichen, durch Neugier und Weiterbildung kön­                    jungen und der älteren Generation zu fördern.
    nen die späten Jahre erfüllt und sinnstiftend erlebt werden.
    Oder – wie uns ein weises Sprichwort zu lehren pflegt –:                 Beschäftigung, Pensionen,
    "Man ist nur einmal jung. Aber wie lange dieses eine Mal                 Pflege – Zukunftsfragen von großer Brisanz
    dauert, das ist die Frage."                                              Sozialminister Hundstorfer beleuchtete in seinem Referat
                                                                             die Auswirkungen des demographischen Wandels v.a.
    Die Politik muss stärker auf die Interessen älterer                      auf die Bereiche Pensionen, Pflege und Beschäftigung.
    Generationen Bedacht nehmen, immerhin wird der                           Grundsätzlich sei es natürlich "ganz toll", in einem Land zu
    Anteil der über 65-Jährigen im Jahr 2030 auf 24% der                     leben, in dem die Lebenserwartung der Menschen ständig
    Gesamtbevölkerung angestiegen sein.                                      steigt, sagte er. Durch diese Entwicklung ergäben sich aber
    Bundesratspräsident Todt betonte, es gelte, im Sozialstaat               eine Reihe von Herausforderungen für die Politik und die
    Österreich gegen Altersarmut zu kämpfen und existenzsi­                  Gesellschaft, die man offen ansprechen müsse. Viele wich­
    chernde sozialpolitische Maßnahmen für PensionistInnen                   tige Maßnahmen seien bereits in den letzten Jahren einge­
    durchzusetzen. "Das ist – zweifelsohne – eine der wichtigsten            leitet worden – wie z.B. die Einführung des Pensionskontos
    politischen Aufgaben der Gegenwart". Vorrangiges Ziel sei                oder die Abschaffung der befristeten Invaliditätspension –,
    dabei die noch bessere Einbeziehung des Seniorenrates in                 erinnerte Hundstorfer, aber es gebe noch Einiges zu tun.
    alle die ältere Generation betreffende Maßnahmen. Zudem                  Ab dem 1. Jänner 2014 werde zudem die Änderung der
    sei die Arbeit der Beiräte in den Sozialversicherungen ein               Langzeitenversichertenregelung wirksam, die u.a. eine
                                                                             Staffelung des Antrittsalters bringt. Positiv vermerkte
                                                                             der Minister, dass die ÖsterreicherInnen im letzten Jahr
                                                                             erstmals später, und zwar um insgesamt fünf Wochen,
                                                                             in Pension gegangen sind. Auch wenn dieser Fortschritt
                                                                             relativ gering erscheine, so handle es sich dabei um eine
                                                                             echte Trendwende, die dazu geführt habe, dass um € 125
                                                                             Mio. weniger Bundeszuschuss erforderlich war.
                                                                             Als eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft sah
                                                                             Hundstorfer die Verringerung der Invaliditätspensionen
                                                                             an, da sie derzeit ein Drittel der insgesamt 96.000
                                                                             Pensionsantritte pro Jahr (ohne BeamtInnen) ausmachen.
                                                                             Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, habe man
                                                                             bereits einige wichtige Projekte – z.B. "Fit to Work", die
                                                                             Gesundheitsstraße oder den Rechtsanspruch auf beruf­
    Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf
                                                                             liche Rehabilitation – gestartet, zeigte der Minister auf,
    Hundstorfer am Rednerpult © Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/   weitere müssen seiner Meinung nach folgen. Es müsse
    Mike Ranz                                                                alles getan werden, damit ältere ArbeitnehmerInnen

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TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESRATES - Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014) - Österreichisches Parlament
ken, dass dies Auswirkungen auf den Wettbewerb zwi­
                                                                          schen den Nationen haben wird. Neben den offensichtlichen
                                                                          Herausforderungen, die sich dadurch ergeben, sollte man
                                                                          jedoch immer auch die potenziellen Chancen nutzen. Das
                                                                          Thema "alternde Gesellschaft" betreffe neben den bereits
                                                                          angesprochenen Bereichen Beschäftigung, Pflege oder
                                                                          Pensionen noch zahlreiche andere Gesellschaftsfelder, wie
                                                                          etwa die Mobilität, das Freizeitverhalten, den Tourismus
                                                                          ("barrierefreies Reisen"), den Wohnsektor ("altersgerechtes
                                                                          Wohnen"), die Bildung ("lebenslanges Lernen") oder den
                                                                          Konsum.
                                                                          Was sein Ressort im Konkreten betrifft, so würden im Rahmen
                                                                          der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft eine
Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Reinhold Mitterlehner   Reihe von Maßnahmen gefördert, die sich der altersgerech­
am Rednerpult © Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz       ten Gesellschaftsentwicklung widmen. Als Beispiele nannte
                                                                          er Projekte aus den Bereichen Biotechnologie (Verbesserung
länger in Beschäftigung bleiben. Der Sozialminister                       der Mobilität), Medizin (neue Diagnosemethoden,
schlug in diesem Zusammenhang die Einführung eines                        Verknüpfung von Datenbanken), Pflege (neue Tools zur
Bonus-Malus-Modells sowie – ähnlich wie bei der jun­                      besseren Alltagsbewältigung) sowie Wirtschaft (Entwicklung
gen Generation – einer Beschäftigungsgarantie für ältere                  und Vermarktung neuer Produkte). Mitterlehner wies wei­
ArbeitnehmerInnen vor. Beim Thema Pflege ging es dem                      ters darauf hin, dass der Pflegebereich ein ständig wach­
Minister vorrangig darum, weiterhin zu gewährleisten,                     sender Wirtschaftsfaktor sei, zumal von Bund, Ländern
dass die Menschen möglichst lange selbstbestimmt und                      und Gemeinden jährlich € 4 Mrd. für die Betreuung älterer
selbständig leben können. Österreich sei in diesem Bereich                Menschen ausgegeben werden. Dadurch steige natürlich
Weltmeister, denn rund 5,1 % der Bevölkerung erhalten                     auch der Personalbedarf, und zwar um insgesamt 17.000
Pflegegeld, hob Hundstorfer in diesem Zusammenhang                        Personen bis 2020. Da gerade in dieser Berufssparte die
hervor. Angesichts der demographischen Entwicklungen                      Vereinbarkeit von Beruf und Familie oft sehr schwierig sei,
sei es im Sinne des sozialen Friedens umso wichtiger,                     habe sein Ressort ein spezifisches Auditverfahren entwic­
die einzelnen sozialen Gruppen und Generationen nicht                     kelt, das auch sehr gut angenommen werde. Durch die
gegeneinander auszuspielen, sondern deren Leistungen                      Einführung der Pflegekarenz und der Pflegeteilzeit wollte
anzuerkennen, schloss der Minister.                                       man zudem Lösungen schaffen, um die Angehörigen besser
                                                                          zu unterstützen und zu entlasten.
Herausforderungen und Chancen für                                         Auch der Wirtschaftsminister betonte, dass das faktische
die gesellschaftliche Entwicklung                                         Pensionsantrittsalter, das derzeit noch immer unter 60
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner betonte die                     Jahren liegt, erhöht werden müsse. Als Lösungsansätze dafür
Wichtigkeit des Themas. Derzeit sind 23,7 % der Bevölkerung               konnte er sich eine Abflachung der Gehaltskurven oder die
älter als 60 Jahre, so sein Hinweis, in rund 30 Jahren werde              Einführung von flexiblen Arbeits- und Pensionsmodellen
dieser Anteil aber auf 33 % steigen. Da es sich bei dieser                vorstellen. Als Familienminister lag ihm zudem besonders am
Entwicklung vorrangig um ein europäisches Phänomen                        Herzen, dass vier Jahre als Kindererziehungszeiten voll für die
handle, müsse man aus wirtschaftlicher Sicht auch beden­                  Pension angerechnet werden. Schließlich kam Mitterlehner

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TÄTIGKEITSBERICHT DES BUNDESRATES - Vorsitz Wien (2. Halbjahr 2013) und Burgenland (1. Halbjahr 2014) - Österreichisches Parlament
SCHWERPUNKTTHEMA         AKTIVES ALTERN

    noch auf das Bundesseniorengesetz zu sprechen, dass v.a.
    im Hinblick auf den Ausbau der Mitbestimmungsrechte des
    Seniorenrates weiterentwickelt werden sollte.

    ÖsterreicherInnen leben länger
    und sind länger aktiv
    Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria,
    illustrierte die österreichische Bevölkerungsentwicklung
    im Zeitraum 2000 bis 2025. Die Einwohnerzahl Österreichs
    werde bis 2060 vermutlich um eine Million ansteigen,
    gleichzeitig steige der Altersdurchschnitt und der prozen­
    tuelle Anteil der über Fünfundsechzigjährigen. Bis 2025 ist
    ein Anstieg der ÖsterreicherInnen über 65 Jahren von der­
    zeit 1,55 Mio. bzw. 18 % der Bevölkerung, auf 1,91 Mio. (22 %   Der Generaldirektor der Statistik Austria Konrad Pesendorfer am
    der Bevölkerung) zu erwarten. Pesendorfer wies darauf hin,      Rednerpult © Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz
    dass aufgrund der Abwanderung der Altersdurchschnitt in
    strukturschwachen Regionen stärker ansteigen werde.             da das Durchschnittsalter der österreichischen Bevölkerung
    Klar war auch, dass der wachsende Anteil älterer Menschen       ansteigt. Daher müssten auch die österreichischen Betriebe
    Fragen der nachhaltigen Finanzierung des Pensions- und          ihre Innovationsfähigkeit mit älteren Belegschaften sicher­
    Gesundheitssystems und der Pflege aufwirft. Pesendorfer         stellen. Die besonderen Anforderungen und Bedürfnisse
    unterstrich, dass man dabei die positiven Aspekte dieser        älterer ArbeitnehmerInnen bei Arbeitsumgebung,
    Entwicklung nicht vergessen sollte. Das "subjektive" Alter      Arbeitszeitgestaltung oder Leistungsanforderungen seien
    verändere sich, da mit der Lebenserwartung unter den            dabei zu berücksichtigen. Gesundheitsförderung und
    älteren Menschen auch der Anteil derer, die sich weiterhin      Prävention müssen als wichtige Investitionen in die Zukunft
    gesund fühlen, ansteige. Ältere Menschen stehen in ihrer        begriffen werden.
    Aktivität in der Freizeit jüngeren kaum nach und werden zu      Der ÖGB fordert ein Bonus-Malus-System in Form eines
    einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor. Die Nachfrage nach         Quotenmodells, wonach ein bestimmter Prozentsatz der
    Pflegeunterstützung und intensivmedizinischen Kosten            Beschäftigten in einem Betrieb der Altersgruppe 55+ ent­
    v.a. in den letzten Lebensjahren wird zunehmen. Allerdings      sprechen muss. Unternehmen sollten dadurch zumindest
    müssten die Kosten für Gesundheit und Pflege nicht unbe­        einen kleinen Betrag an die Gesellschaft leisten, wenn sie
    dingt im gleichen Ausmaß steigen wie die Zahl der älteren       ArbeitnehmerInnen vor dem Regelpensionsalter kündigen.
    Bevölkerung, sondern könnten zum Teil durch richtigen
    Einsatz von Innovation und Technologie kompensiert wer­         Betriebe brauchen Unterstützung zur
    den.                                                            Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze
                                                                    Der Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich,
    Altersgerechte Arbeitsplätze sind notwendig                     Richard Schenz, stellte die demographische Entwicklung
    Über die Herausforderung älterer ArbeitnehmerInnen              der EU 28 an den Beginn seiner Überlegungen: Habe 2012
    aus Sicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes              das Verhältnis von Erwerbstätigen gegenüber Menschen
    machte sich Werner Thum (Vorsitzender der ÖGB-                  im Alter 65+ noch 4:1 betragen, werde es 2060 nur mehr
    PensionistInnen) Gedanken. Ein Umdenken sei gefordert,          2:1 sein. Österreich erwarte ein Rückgang der Zahl der

8
Erwerbstätigen bis 2030 um etwa 100.000 Personen, ab                  auch die erfolgreiche Eingliederungsbeihilfe des AMS
2017 werden mehr Personen aus dem Beruf ausscheiden,                  für ältere ArbeitnehmerInnen. Schenz nannte als wei­
als ins Berufsleben eintreten.                                        tere Forderungen der Wirtschaft die Abflachung der
Die Anhebung des tatsächlichen Pensionsantrittsalters                 Einkommenskurve zugunsten jüngerer ArbeitnehmerInnen
und der Erwerbsquote der ArbeitnehmerInnen zwischen                   und die Entwicklung von Altersteilzeitmodellen.
50 und 65 Jahren ist für ihn daher unumgänglich, um
die Sozialsysteme tragfähig zu erhalten, das vorhande­                Gegen Horrormeldungen über
ne Arbeitskräftepotenzial zu nützen und die öffentlichen              Aussichten junger Menschen
Haushalte zu entlasten. Ein längerer Verbleib Älterer im              Die Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja
Arbeitsleben schmälere die Chancen der Jugend auf einen               Wehsely, bekannte sich vorweg zum Grundsatz der Diversität
Eintritt ins Arbeitsleben – entgegen diesbezüglich verbrei­           in allen gesundheits- und pflegepolitischen Fragen. Ältere
teter Auffassungen – nicht.                                           Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse und
Um zukunftsfähig zu sein, müsse sich die Führungs-                    brauchen unterschiedliche Problemlösungen, stellte sie
und Unternehmenskultur in den Betrieben ändern. Es                    fest. Gesundes Altern sei eine soziale Frage, weil sozial
sei auf altersgerechte Arbeitsorganisation und betriebli­             schwache Menschen bekanntlich einen schlechteren
che Gesundheitsförderung zu achten. Qualifikation und                 Gesundheitszustand haben.
Weiterbildung auch älterer ArbeitnehmerInnen seien                    Beim Thema Pflege betonte Wehsely die Qualitätssicherung
zu fördern, und es müsse Unternehmensziel sein, den                   und die Notwendigkeit individueller Betreuungsangebote,
Erhalt der Arbeitsfähigkeit zu unterstützen. Unterstützung            denn "Wahlfreiheit" bedeute, zwischen mobilen und statio­
brauchten dabei v.a. kleinere und mittlere Unternehmen,               nären Angeboten wählen zu können. Daher habe Wien sein
sagte Schenz. Die geförderte Betriebsberatung für KMU                 Pflegeangebot wesentlich ausgebaut: Insgesamt stehen
sollte daher auf jeden Fall weitergeführt werden, wie                 für 60.000 Menschen Pflege- und Betreuungsleistungen
auch die Maßnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten                    zur Verfügung, 2013 werden dafür € 742 Mio. aufgewendet.
für über Fünfzigjährige. Verlängert werden müsse                      Wehsely gab ihrer Überzeugung Ausdruck, dass die
                                                                      Betreuung und Pflege älterer Menschen eine Kernaufgabe
                                                                      des Staates darstelle.
                                                                      Da alle Menschen möglichst lange zu Hause bleiben
                                                                      wollen, werden 40.000 Menschen in Wien vom "Fonds
                                                                      Soziales Wien" zu Hause betreut, durch Heimhilfe und
                                                                      Hauskrankenpflege. Zugleich werden Tageszentren, wo
                                                                      derzeit 2.000 Menschen betreut werden, massiv ausgebaut.
                                                                      Sie befinden sich in der Nähe von Pflegeeinrichtungen und
                                                                      Kindergärten, weil es darum gehe, die Menschen nicht
                                                                      irgendwohin an den Stadtrand abzuschieben, sondern
                                                                      mitten im Leben zu halten. Für 22.500 WienerInnen stehen
                                                                      stationäre Betreuungseinrichtungen zur Verfügung, in die
                                                                      das Land € 500 Mio. investiert. Zudem unterstrich Wehsely
                                                                      die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung
Die Stadträtin für Gesundheit und Soziales in Wien Sonja Wehsely am   bei den älteren Menschen und erinnerte an die
Rednerpult. © Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike Ranz     Gesundheitsreform der letzten Gesetzgebungsperiode.

                                                                                                                                   9
SCHWERPUNKTTHEMA     AKTIVES ALTERN

 Abschließend reagierte Sonja Wehsely auf vielfach ver­       große Bedeutung. Mit einer Angebotssteuerung stelle
 breitete Horrormeldungen über angeblich schlechte            es sicher, dass die Menschen bekommen, was sie tat­
 Aussichten junger Menschen für deren Alter. Sie hielt        sächlich brauchen. Als die großen Herausforderungen
 Pessimismus nicht für angebracht, sondern plädierte dafür,   im Pflegebereich identifizierte Schmid Ausbildung und
 das Pensionssystem durch Steigerung der Erwerbsquote         Rekrutierung von Personal, die Entwicklung eines durch­
 zu sichern. Eine hohe Erwerbsquote hänge auch mit der        lässigen Systems, die Sicherung der Finanzierung und
 Professionalisierung von Pflege und Kinderbetreuung und      die Valorisierung des Pflegegelds. Wichtig sind ihr auch
 mit dem Ausbau der ganztägigen Betreuung in der Schule       der Ausbau barrierefreien Wohnens, ambulant betreute
 zusammen, weil dies die Voraussetzungen für eine höhere      Wohnungen und die Errichtung von Mehrgenerationen-
 Erwerbsquote der Frauen seien.                               Wohnanlagen.

 Menschen wollen in ihren                                     Für eine bessere Anerkennung der
 eigenen vier Wänden alt werden                               produktiven Leistungen der SeniorInnen
 Die Vorarlberger Landesrätin Greti Schmid erläuterte die     Andreas Khol, Präsident des Seniorenrates, wies auf die radi­
 Pflegevorsorgestrategie ihres Bundeslandes, die eben­        kale Veränderung der Lebenswelt der älteren Generation
 falls von der Tatsache ausgehe, dass die Menschen in         hin: 74 % würden sich heute einer aktuellen Studie zufol­
 Selbstständigkeit zu Hause alt werden wollen. Aktuell        ge als flotte Senioren bezeichnen, die das Internet nut­
 können in Vorarlberg mehr als 80 % der älteren Menschen      zen, viel reisen und in der Freiwilligenarbeit aktiv sind.
 ambulant betreut werden, berichtete sie, knapp 20% wer­      Demgegenüber würden nur noch 3 % in die Gruppe der
 den in stationären Einrichtungen gepflegt.                   zurückgezogen lebenden und vereinsamten Alten fallen.
                                                              Die 60- bis 85-Jährigen wollen heute mehr, sie wollen als
 Nach dem Motto "aktivierend und selbstbestimmt"              eigene, selbstbestimmte Generation anerkannt werden.
 fördert Vorarlberg die Eigeninitiative der Menschen in       Es gehe daher darum, diesem Umstand Rechnung zu tra­
 der Pflegevorsorge. Dazu gehören regional verfügba­
 re ambulante, teilstationäre und stationäre Dienste, die
 Unterstützung pflegender Angehöriger und der Ausbau
 ehrenamtlicher Dienste. Die Landesrätin erläuterte die
 Besonderheit des 2001 gegründeten Betreuungs- und
 Pflegenetzes in ihrem Land. Vorarlberg setzt dabei schwer­
 punktmäßig auf pflegende Angehörige, die durch ambu­
 lante Dienste, Urlaubs- und Nachtbetreuung, Urlaub von
 der Pflege und durch einen besonderen Pflegezuschuss
 des Landes ab der Pflegestufe 5 unterstützt werden. Sie
 informierte auch über die Arbeit der 23 "Aktion-Demenz"-
 Modellgemeinden und über das flächendeckend ausge­
 baute Hauskrankenpflegemodell, das quasi genossen­
 schaftlich organisiert sei und bereits 61.000 Mitglieder
 sowie einen Eigenfinanzierungsbedarf von 40 % aufweise.      Seniorenratspräsident Karl Blecha und Seniorenratspräsident Andreas
 Für den künftigen Ausbau des Pflegeangebots nach dem         Khol am Rednerpult © Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles KG/Mike
 Motto "ambulant vor stationär" habe das Care-Management      Ranz

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gen und die Mitwirkung und Mitbestimmung der "jungen"         ÖsterreicherInnen werden alt,
Alten in der Gesellschaft zu unterstützen. Er forderte des­   hinken beim gesund Altern aber nach
halb die volle Teilhabe der älteren Menschen im Sinne einer   Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Österreich,
angemessenen Vertretung in allen Vertretungskörpern           berichtete, dass sich die EU-Kommission drei Schwerpunkte
der Republik und plädierte darüber hinaus v.a. für die        im Bereich aktives und würdevolles Altern gesetzt habe. Es
Anerkennung der produktiven Leistungen der über               gehe insbesondere darum, älteren Menschen Chancen am
60-Jährigen, sei dies nun in ehrenamtlicher Form oder in      Arbeitsmarkt zu geben, die Teilhabe älterer Menschen in der
einer Erwerbstätigkeit.                                       Gesellschaft sicherzustellen und ein unabhängiges Leben im
                                                              Alter zu gewährleisten. Er verwies in diesem Zusammenhang
Kultur des aktiven                                            auf ein europäisches Pilotprojekt zum Thema gesund alt
Alterns schaffen                                              werden. Österreich habe im europäischen Vergleich zwar ein
Karl Blecha, Präsident des Seniorenrates, setzte sich auch    hohes durchschnittliches Lebensalter, beim gesund Altern
mit der Rolle der älteren Menschen in der Gesellschaft        hinke das Land anderen Staaten aber hinterher, skizzierte er.
auseinander und rechnete angesichts der stark steigen­
den Lebenserwartung mit erheblichen Auswirkungen              Erwerbstätigkeit und Pflege
auf alle Bereiche des täglichen Lebens. Er sah darin eine     müssen besser vereinbar sein
Herausforderung v.a. für die Arbeitswelt, die Teilhabe        Für Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen-Familie in der
der SeniorInnen am sozialen Leben, die Sicherung der          Bundesarbeitskammer, war die Frage der Vereinbarkeit von
Pensionen und die Generationensolidarität. Es gelte, das      Erwerbstätigkeit und Pflegearbeit besonders wichtig: 436.000
große Potenzial der Alten in den Vordergrund zu stel­         Personen im erwerbsfähigen Alter pflegen Angehörige.
len und eine Kultur des aktiven Alterns zu schaffen.          Mindestens 20.000 davon würden eine Arbeit aufnehmen
Blecha brach in diesem Sinn eine Lanze für eine flexib­       bzw. 10.000 ihre Arbeitszeit ausweiten, wenn ein ausreichen­
lere Pensionierung, für Altersberufe und ehrenamtliche        des Pflegeangebot vorhanden wäre. Moritz erachtet es als
Tätigkeiten als Ausdruck des radikalen Wandels in der         wichtig, den Ausbau der Pflegeinfrastruktur zu forcieren.
Lebenssituation der älteren Generation. Klar war für ihn      Josef Wöss, Abteilungsleiter Sozialpolitik in der Bundes-
dabei, dass durch die neuen agilen, "jungen" Alten die        arbeitskammer, kritisierte, dass in der Diskussion über den
ganze Gesellschaft jünger werde.                              demographischen Wandel die Frage dominiere, wie sich
Mit Nachdruck hob Blecha überdies die Bedeutung               einzelne Altersgruppen zueinander entwickeln. Dabei werde
einer von Gegenseitigkeit, verstärkter Verantwortung          immer wieder unter den Tisch fallen gelassen, dass bei wei­
und Zuwendungsbereitschaft getragenen Generationen-           tem nicht alle Menschen im erwerbsfähigen Alter tatsächlich
gerechtigkeit hervor, wobei er betonte, der Gene-             im Erwerbsleben stehen. Wenn es Österreich bis zu den
rationenvertrag habe immer wieder seine ökonomische           Jahren 2040/50 gelinge, die Erwerbsbeteiligung erwerbsfä­
und politische Stabilität bewiesen.                           higer Menschen an jene anderer europäischer Länder, wie
                                                              etwa Dänemark, anzupassen, würde der demographisch
Was die Pensionen betrifft, äußerte er die Überzeugung,       bedingte Kostenanstieg für den Staat wesentlich geringer
das umlagefinanzierte gesetzliche Pensionssystem              ausfallen. Alle Anstrengungen seien darauf zu richten, die
habe gerade in der Zeit der Krise seine Stärke bewiesen.      Erwerbsintegration zu erhöhen und etwa ältere Menschen
Österreich brauche keine Pensionsreform, sondern eine         besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren und Jüngere besser
Reform der Arbeitswelt, die es den Menschen erlaubt, län­     auszubilden.
ger im Erwerbsleben zu bleiben.                                                   (Quellen: PK-Meldungen Nr. 737 - 739, 1.10.2013)

                                                                                                                                11
SCHWERPUNKTTHEMA      ERNEUERBARE ENERGIEN

 Energiestrategie Burgenland 2020+
 Start mit dem "Energieteam Burgenland"                                                                Der erste Meilenstein,
                                                                                                       die bilanzielle Strom-

 2   009 wurde von Landeshauptmann Hans Niessl das
     "Energieteam Burgenland" ins Leben gerufen, welches
 die Aufgabe hatte, sich mit Schlüsseltechnologien zu den
                                                                                                       autonomie, wurde im
                                                                                                       September 2013 tat­
                                                                                                       sächlich erreicht und
 Schwerpunkten Energieeffizienz und Energieproduktion zu                                               im Rahmen eines
 beschäftigen. Das Energieteam Burgenland hat in den letz­                                             Festaktes in Gols ent­
 ten Jahren etwa vier Mal pro Jahr getagt und Vorschläge zu                                            sprechend gefeiert.
                                                                                     DI. Johann Binder
 den genannten Themen erarbeitet.                                                    © Binder 2012     In der Zwischenzeit
 Die Ergebnisse und Vorschläge des Energieteams Burgenland                                             wird der Ausbau der
 führten schließlich zu den Inhalten und Eckpunkten der                                                Windkraft ständig
 Energiestrategie Burgenland 2020.                              vorangetrieben. Zurzeit sind bereits Anlagen zur Produktion
 2012 erstellte die Fachhochschule Burgenland als wei­          von erneuerbarer Energie mit einer Gesamtleistung von über
 tere Grundlagenarbeit für die gegenständliche Energie-         800 MW installiert. An windreichen Tagen wird bereits jetzt
 strategie drei Szenarien für die Energieentwicklung des        die vierfache Menge des im Burgenland benötigten elektri­
 Burgenlandes bis zum Jahr 2020. Von diesen Szenarien           schen Stromes produziert. Der aktuelle Stromverbrauch und
 wurde das Referenzszenario, welches bis zum Jahr 2020          die Stromproduktion aus erneuerbarer Energie sind online
 einen Anteil von erneuerbarer Energie in der Höhe von          auf der Homepage der Energie Burgenland AG für jeder­
 48% prognostiziert, übernommen und mit etwas ambi­             mann einsehbar.
 tionierteren Vorgaben versehen, sodass bis zum Jahr 2020
 die Verwendung von über 50% erneuerbarer Energie im            Wie sieht der Weg des Burgenlandes in Sachen erneuerbare
 Burgenland angestrebt wird. Die strategischen Ziele wer­       Energie bis zum Jahr 2020 aus?
 den bis zum Jahr 2050 fortgeschrieben, wobei spätestens        Kurz gesagt, der Ausbau der Produktion von erneuerbarer
 2050 für das Burgenland die vollständige Energieautonomie      Energie wird stetig und konsequent vorangetrieben. Das Gros
 erreicht werden soll.                                          der Anlagen wird natürlich den Ausbau der Windkraft betref­
                                                                fen, wobei in den nächsten Jahren eine installierte Leistung
 Energiestrategie Burgenland                                    von über 1.000 MW angepeilt wird. Den Ausbau der Windkraft
 Der Weg des Burgenlandes geht gemäß Energiestrategie           im Burgenland kann man wahrlich als Erfolgsstory bezeich­
 von folgenden Meilensteinen aus:                               nen, die seinesgleichen sucht: Durch Einbezug aller relevan­
  1. 2013 erreicht das Burgenland die bilanzielle "Strom-       ten "Stakeholder" (Gemeinden, Raumplanung, Investoren,
     autonomie". Dies bedeutet, es wird ab 2013 pro Jahr        Wissenschaftler, NGOs zu den Themen Vogelschutz, Natura
     mehr elektrischer Strom produziert als verbraucht wird.    2000, WWF etc.) konnten in einer gemeinsamen Arbeit die
  2. 2020 produziert das Burgenland über 50% (4,85 Mia.         Windeignungszonen des Burgenlandes definiert und ausge­
     kWh) seines gesamten Energieverbrauchs (35.000 TJ          wiesen werden. Dies war der Grundstein eines gezielten und
     bzw. 9,7 Mia. kWh) aus erneuerbaren Ressourcen.            auch verantwortungsbewussten Ausbaues der Windkraft im
  3. In einem "visionären" Ausblick produziert das Burgenland   Burgenland, welcher neben den Naturschutzgebieten und
     spätestens 2050 über 100% der benötigten Energie im        dem aufstrebenden Tourismus im Nordburgenland teilweise
     eigenen Land (Energieautonomie).                           sogar in symbiotischer Koexistenz betrieben wird.

12
SCHWERPUNKTTHEMA       ERNEUERBARE ENERGIEN

                                                                     Umwandlung, Logistik und Speicherung von Energie. Fragen
                                                                     wie die intelligente Speicherung von elektrischem Strom,
                                                                     die Umwandlung von Strom in Gas oder Treibstoff, die
                                                                     Umwandlung von biogenen Reststoffen in transportable
                                                                     und speicherbare Energieträger wie Gas, Treibstoff oder
                                                                     Kohle wird die Fachhochschule Burgenland - natürlich in
                                                                     Kooperation mit weiteren Partnern - intensiv beschäftigen.
                                                                     Das Burgenland als Land der Sonne und der Windkraft
                                                                     begrüßt natürlich die aufkommende Elektromobilität;
                                                                     denn Strom, der aus Wind, Sonne oder erneuerbaren bio­
                                                                     genen Energieträgern produziert wird, verursacht weder
                                                                     Treibhausgase noch Feinstaub.
Bundesrat Michael Lampel mit marokkanischer Delegation im Windpark   Selbstverständlich wird das Burgenland bis 2020 auch
Andau, Burgenland © Johann Binder                                    eine Reihe von Maßnahmen zur Energieeffizienz und
                                                                     zum Energiesparen umsetzen. Das Potenzial bei der
Langfristig (bis 2050) setzt das Burgenland aber auch auf            Energiereduktion in Gebäuden ist bei weitem nicht aus­
weitere zur Verfügung stehende Ressourcen zur Produktion             geschöpft. Erste Versuche mit Nullenergiehäusern bzw.
von Erneuerbarer Energie.                                            energieautarken Häusern werden bereits durchgeführt
So wurde 2012 im Burgenland ein vollständiger, auf                   und erprobt - nicht nur im Burgenland, sondern in ganz
Vektordaten basierender Solarkataster erstellt, welcher              Österreich, und es ist jedenfalls davon auszugehen, dass sich
allen BurgenländerInnen ebenfalls online im Internet                 der Energiebedarf in Gebäuden noch wesentlich vermindern
kostenlos zur Verfügung steht. Dabei wurden über 50 Mio.             wird.
m² Dachflächen des Burgenlandes auf ihre Eignung für                 Zugegeben, mit einer Reduktion der Mobilität tut sich spe­
Strom- oder Wärmeproduktion untersucht. Als verblüffen­              ziell das dünn besiedelte Mittel- und Südburgenland sicher­
des Ergebnis stellte sich heraus, dass auf den geeigneten            lich schwerer als dicht besiedelte und mit guter Ausstattung
Dachflächen des Burgenlandes über 2,4 Mia. kWh Strom                 von öffentlichem Verkehr versehene Regionen in Österreich.
produziert werden können; dies macht um 50% mehr Strom               Hier wird man im Burgenland daher verstärkt auf Effizienz
aus als das Burgenland derzeit pro Jahr verbraucht. Was              der Fahrzeuge, Park-and-ride-Anlagen, den Umstieg auf das
für das Burgenland gilt, wird für die anderen ländlichen             Fahrrad bei Kurzstrecken sowie auf den Umstieg von fossilen
Regionen Österreichs und ganz Mitteleuropas nicht falsch             auf erneuerbare Energieträger setzen.
sein: Wir haben gewaltige Potenziale zur Produktion von              Die gerade in Ausarbeitung befindliche FTI (Forschung-
Photovoltaik-Strom auf unseren Dächern.                              Technologie-Innovation)- Strategie des Burgenlandes
Die weiteren Untersuchungen von sonstigen Ressourcen                 hat ebenfalls einen Schwerpunkt "nachhaltige Energie"
erstrecken sich von der Verwertung von biogenen Abfällen             implementiert und wird speziell zu den Themen Effizienz,
oder Reststoffen (Ast-, Strauch-, Baumschnitt) über die geziel­      Produktion und Umwandlung von Energie aktiv werden.
te Verwendung von Energiepflanzen bis hin zur Verwertung             Wenn man bedenkt, dass das Burgenland vor wenigen
von Klärschlamm.                                                     Jahrzehnten, mit Ausnahme des Brennholzes, noch ein
Als konkrete Herausforderungen für die nähere Zukunft                reiner Energieimporteur gewesen ist und 2014 bereits knap­
sehen wir im ländlichen Raum weniger die Ressourcen                  pe 40% seines Energiekonsums aus erneuerbarer Energie
für die Produktion von erneuerbarer Energie als eher die             produziert, so ist ersichtlich, welchen Aufholprozess das

                                                                                                                                13
Burgenland seit dem Beitritt Österreichs zur EU hinge­         Die in der Energiestrategie Burgenland 2020+ formulierten
 legt hat. Weise und umsichtige politische Entscheidungen       Ziele sind mit Augenmaß gesteckt. Das bedeutet, dass die
 haben das Burgenland in mancherlei Hinsicht zu einer           Ziele auch erreichbar sind, ja sogar übertroffen werden
 Vorzeigeregion in Europa geführt, wie auch schon mehrfach      können.
 aus Brüssel bescheinigt wurde. Besonders die Konzentration     Langfristig wird es das Ziel des Burgenlandes sein,
 auf nachhaltige Energie hat sich als weitsichtig erwiesen.     Energielieferant zu werden. Dies bedeutet die Erhöhung
 Das Thema nachhaltige Energie wird Europa und die ganze        der regionalen Wertschöpfung und die Schaffung neuer
 Welt in den nächsten Jahren beschäftigen. Es erfüllt uns       Arbeitsplätze – Green Jobs. Der Weg hat bereits begonnen
 mit Genugtuung, dass im Burgenland frühzeitig auf dieses       und die Weichen sind gestellt. Vor uns liegt die "Erneuerbare
 äußerst wichtige Thema gesetzt wurde und dass in einigen       Energiezukunft!"
 Teilbereichen auch eine Vorreiterschaft erzielt werden konn­
 te, wenn wir nur an die Windkraft, den Solarkataster oder an   Wenn Sie Interesse an der Stromproduktion aus erneuer-barer
 die Biomasseforschung in Güssing und Pinkafeld denken.         Energie oder am Solarkataster des Burgenlandes oder an der
 Jedenfalls ist das Burgenland für die "Energiezukunft" gerü­   Energiestrategie Burgenland 2020+ haben – Informationen
 stet. In der Forschung, der Infrastruktur der Stromnetze,      sind unter folgenden Internet-Adressen zu finden:
 der Raumplanung, der öffentlichen Hand und auch bei der        www.tobgld.at, www.eabgld.at
 Wirtschaftsförderung sind die Weichen in Richtung "nach­                                     *
 haltige Energie" bereits gestellt.                             Zum Autor: DI Johann Binder, Technologiebeauftragter des Landes Burgenland.

 EB Windpark Weiden © Energie Burgenland, Richard Neubauer

14
SCHWERPUNKTTHEMA       ERNEUERBARE ENERGIEN

"Mit der Natur zu neuen Erfolgen!"
Mit dem Landesentwicklungsprogramm 2011 wurden im Burgenland die Eckpunkte, die Grundsätze und ein
Fahrplan für die nachhaltige Entwicklung des Landes und auch der Gemeinden für die nächsten 10 bis 15 Jahre
festgelegt.

D     as Burgenländische Raumplanungsgesetz sieht
      als wesentliches Instrument der überörtlichen
Raumplanung die Erstellung eines Entwicklungsprogrammes
                                                              Wesentliche Grundsätze der räumlichen Entwicklung
                                                              Die wesentlichen Grundsätze der räumlichen Entwicklung des
                                                              Burgenlandes sind:
vor, das die Grundsätze und Ziele für die Entwicklung           eine flächensparende und nachhaltige Raumnutzung,
des Landes festlegt und damit die Grundlage für die               um bestehende und zukünftige Potenziale in ihrer Vielfalt
Landesplanung darstellt. Das per 1.1.2012 wirksam geworde­        und Eigenart optimal entwickeln zu können
ne Landesentwicklungsprogramm des Burgenlandes besteht          die Stärkung der regionalen Identitäten, aus der
aus dem Leitbild "Mit der Natur zu neuen Erfolgen", der           sich für jede Teilregion auch unterschiedliche
Strategie Raumstruktur und dem Ordnungsplan.                      Entwicklungsmöglichkeiten ergeben
Mit dem Landesentwicklungsprogramm wurde den tiefgrei­          eine verstärkte internationale Verflechtung, die sich aus
fenden Veränderungen der vergangenen Jahre Rechnung               der günstigen Lage im erweiterten Europa ergibt
getragen. Mit der Ostöffnung, dem EU-Beitritt Österreichs       Kooperationen zwischen den Gemeinden verstärkt auf­
und der EU-Erweiterung im Jahr 2004 ist das Burgenland            zubauen, um eine faire, ressourcenschonende und the­
von einer Randlage in das Zentrum eines neuen Europas             menübergreifende Raumnutzung zu fördern
gerückt. Als Ziel 1-Gebiet hat das Burgenland maß­
geblich von EU-Fördergeldern profitiert und damit neue        Standorte und Zonen
Strukturen in Wirtschaft und Tourismus geschaffen. Die ver­   Standorte weisen die besonde­
gangenen zwei Jahrzehnte sind geprägt von einem kräfti­       re Eignung einer Gemeinde für
gen Modernisierungsschub in allen Bereichen, wobei dar­       bestimmte Funktionen aus. Es
auf geachtet wurde, dass das wirtschaftliche Wachstum         werden Zentralitätsstandorte,
im Einklang mit ökologischen Interessen erfolgt. Auf dem      Betriebs-,    Gewerbe-      und
Energiesektor hat das Land einen Paradigmenwechsel vollzo­    Industriestandorte        sowie
gen. All diese gravierenden Veränderungen finden im neuen     Tourismusstandorte       ausge­
Landesentwicklungsprogramm Berücksichtigung.                  wiesen. Zonen sind funktional
Das neue Landesentwicklungsprogramm beinhaltet im             abgegrenzte Gebiete, die ent­
Wesentlichen drei wichtige Bereiche: die Europäische Union,   sprechend ihrer besonderen
die gesellschaftlichen Veränderungen und die wirtschaft­      Beschaffenheiten, Eignungen
liche Entwicklung. Die Schwerpunkte sind Arbeit, Bildung/     und/oder Potenziale bestimmte
Forschung und soziale Infrastruktur, Energie und Rohstoffe,   übergeordnete Nutzungs- und
Wirtschaft, Infrastruktur und Mobilität, Natur und Umwelt,    Ent wicklungsschwerpunk te
Tourismus und Kultur sowie Siedlungsstruktur.                 bzw. Schutzinteressen auf­
                                                                                                        © Richard Neubauer
Das LEP 2011 wurde von Gemeinden, Interessenverbänden,        weisen. Festgesetzt werden
der Landesverwaltung und der Bevölkerung intensiv             Tourismuseignungszonen, Windkrafteignungszonen sowie
diskutiert.                                                   groß- und kleinflächige naturräumliche Schutzgebiete.

                                                                                                                         15
Energiewende bei der Stromversorgung
 Im Jahr 2013 feierte das Burgenland das "Jahr der Energiewende". Erstmals konnte das Land mehr Strom aus
 erneuerbarer Energie – vorwiegend Windkraft – erzeugen als es selbst verbraucht.

 A    ls das Burgenland 1997 mit einem Windpark in Zurndorf
      auf den Zug der Windkraftproduktion aufstieg, begann
 eine burgenländische Erfolgsgeschichte. 2006 wurde im
                                                               Der Weg zur Stromautarkie
                                                                 1997 wird im nordburgenländischen Zurndorf der erste
                                                                   Windpark mit 6 Windkraftanlagen errichtet. Dieses
 burgenländischen Landtag beschlossen, dass im Jahr 2013           Pilotprojekt wird bis 2001 auf 13 Anlagen ausgebaut.
 soviel Strom produziert werden soll, wie das Burgenland         2002 kann die 50 Millionen kWh-Marke beim Strom aus
 verbraucht, damit das Bundesland stromautark wird. Dieses         Windkraft überschritten werden.
 Ziel wurde im Vorjahr erreicht. Das Burgenland wird aus­        2003 startet mit der Errichtung des Windparks
 schließlich mit Ökostrom versorgt und ist jenes Bundesland,       Neusiedl/Weiden die erste große Wind-Initiative und
 in dem die meiste Windkraftleistung steht. Ende 2013 stehen       der massive Ausbau der Windkraft.
 im Burgenland 332 Windräder mit einer Leistung von insge­       2006 beschließt der Burgenländische Landtag, dass bis
 samt 775 MW, womit das Land bereits mehr erzeugt, als im          2013 der gesamte Strombedarf des Burgenlandes mit
 Burgenland benötigt wird.                                         erneuerbarer Energie produziert werden soll.
                                                                 2011 startet die zweite burgenländische Wind-Initiative
 Eignungszonen für Windparks                                       mit der Errichtung der beiden weltweit leistungsstärk­
 Vom Land Burgenland wurde in Zusammenarbeit mit                   sten Anlagen in Potzneusiedl.
 dem ÖIR (Österreichisches Institut für Raumplanung) ein         2012 wird in Halbturn, Mönchhof und Nickelsdorf
 "Regionales Rahmenkonzept für Windenergieanlagen” ent­            ein Windpark errichtet, der mit insgesamt 69
 wickelt. Dabei wurden Eignungszonen definiert, die zur            Windenergieanlagen eine Leistung von 207 MW auf­
 Errichtung von Windparks genützt werden können. Dieses            weist. Ebenfalls 2012 beginnt die Errichtung von
 Rahmenkonzept ist die Basis für den Ausbau der Windkraft          Mitteleuropas größtem Windpark in den Gemeinden
 und für die Errichtung von Windparks im Burgenland.               Andau und Halbturn.
 Die Standortauswahl der Windparks hängt von den land­           2013 ist das Burgenland erstmals rechnerisch stromaut­
 schaftlichen Gegebenheiten und den dort herrschenden              ark – mehr als 100% des Strombedarfs wird im Land aus
 Windverhältnissen ab. Vor einer Standortentscheidung müs­         erneuerbarer Energie erzeugt. Und das Burgenland ist
 sen daher umfassende Analysen und Prüfungen durchge­              jenes Bundesland, in dem die meiste Windkraftleistung
 führt werden.                                                     steht.
 Die Auswahl der Standorte richtet sich strikt nach den
 von der Burgenländischen Landesregierung festgelegten         Sauberer Strom und Arbeitsplätze
 Eignungszonen. Diese Eignungszonen werden auf Basis der       Am Ausbau der Windenergie im Burgenland waren bis
 Studie des Österreichischen Instituts für Raumplanung (ÖIR)   jetzt mehr als 4.500 Arbeitskräfte beteiligt. Weitere 400
 definiert. Dabei werden alle Aspekte (Mensch, Tierschutz,     Personen sind mit der Wartung und Betriebsführung
 Natur, Raum, Tourismus, Kultur) berücksichtigt und daraus     beschäftigt. Durch den forcierten Windkraftausbau der
 Standortrichtlinien abgeleitet. So werden beispielsweise      letzten drei Jahre konnten darüber hinaus auch Teile der
 auch die in die Studie eingeflossenen Empfehlungen von        Windradproduktion ins Bundesland geholt werden. Der
 BirdLife Österreich umgesetzt.                                Windkrafthersteller Enercon beschäftigt in Österreich

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