MISSION - Von der L ast u des Vergleichens - Liebenzeller Mission

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MISSION - Von der L ast u des Vergleichens - Liebenzeller Mission
ausgabe 5/6 – mai / Juni 2020

MISSION
         Japan:
   bloß nicht aus der
      reihe tanzen
      ecuador:
die mischung macht’s
      Bangladesch:
     „welchen rang
       hast du?“

                                  Von der Luast
           Mit
                 -
         Sonder on
                v
        beitrag as
                                des Vergleichens
          thom
            Wirth

        www.liebenzell.org
MISSION - Von der L ast u des Vergleichens - Liebenzeller Mission
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das erwartet mich

                                6                                                 8                                         18
darum geht’s                               sonderbeitrag zum thema            das empFehlen wir
4 Japan: bloß nicht aus                    18 Vergleichen? Was uns wirklich   21 Fernsehsendung zum thema,
  der reihe tanzen                            stark macht!                       predigten und Vorträge
  S. Priscilla Kunz                           Thomas Wirth                    22 buchtipps zum thema
                                                                                 und neuerscheinungen
    6 Frankreich: aus dem                  editorial
      ehe-nähkästchen geplaudert                                              28 weltweit hoffnung schenken
                                            3 Unvergleichlich
      Claudia Bolanz                          Johannes Luithle                29 tipps und termine
                                                                              31 tV-programm
    8 Sambia: schmetterling
      oder schnecke?                       liebenzeller mission aktuell
      Margit Schwemmle                     21 der gewöhnungsbedürftige        zum thema dieser
                                              Vortrag                         „mission weltweit“
10 Bangladesch:                            21 Gott sieht weiter und tiefer    32 Miriam Josua
   „welchen rang hast du?“                 23 Gemeinsam dinge
   Benedikt und Verena Tschauner              vorwärtsbringen                 31 impressum
                                           24 das Spendenverhalten
12 Interkulturelle teams
                                              der deutschen
   deutschland:
                                           27 Geschlüpft
   hinter dem Vorhang
                                           29 trotz Corona: Gottesdienste
   Christian Danneberg
                                              und krankentransporte
14 Chile: wenn die Vergleichsfalle
                                           mit impact erlebt
   zuschnappt
   Andrés Vergara                          25 An Grenzen kommen
                                                                                                schwerpunkte
                                              und Gott erleben                                  das tun unsere Missionare weltweit:
16 deutschland: das kann ich gut!
   Jana Kontermann
                                           persÖnliches                                         GEMEINDEN GRÜNDEN
17 ecuador: die mischung macht‘s           26 neue missionare vorgestellt
   Tabea Ruf                               27 missionare unterwegs
                                                                                                MENSCHEN DIENEN
                                           27 Familiennachrichten

                                                                                                PARTNERSCHAFT LEBEN

     Titelbild: Im Gespräch, Montpellier/Frankreich
                                                                                                MISSION FÖRDERN
     Foto: Herrmann Stamm
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                                                                                                      editorial

                                    unvergleichlich
                                    ständig sind wir am Vergleichen. die vergangenen wochen
                                    beschäftigten uns täglich corona-Vergleiche. welches land hat
                                    die meisten Fälle? wie hoch sind die jeweiligen sterberaten?

                            25
                                    im globalen, aber auch im persönlichen, stellen wir Vergleiche an.

                                    Beim Einkaufen oder bei der Vergabe von Aufträgen muss selbstverständlich
                                    verglichen werden. An anderer Stelle ist vergleichen strengstens untersagt. Gott
                                    gibt zu bedenken: „Mit wem wollt ihr mich vergleichen?“ (vergleiche Jesaja
                                    40,18.25; 44,7; 46,5). Er kritisiert, dass wir Menschen so schnell bereit sind,
                                    eigene Götter zu gestalten und uns Gott zurechtschnitzen.

aktuelle inFos                      Manchmal geschieht dies ganz still und heimlich. Wir haben unsere Vorstellun­
O im Internet unter:                gen von Gott und wissen oft schon im Vorfeld, was er in unserem Leben und in
  www.liebenzell.org                dieser Welt zu tun und zu lassen hat. Wir stehen in der Gefahr, Gott den Platz
O in der wöchentlichen              zuzuweisen, den wir ihm zugedacht haben. Und wenn Gott nicht das tut, was wir
  Gebetsmail (bitte anfordern):     von ihm erwarten, sind wir von ihm enttäuscht oder wenden uns gar von ihm ab.
    www.liebenzell.org/
  gebetsanliegen                    Jesaja hilft uns aus diesem Irrglauben heraus, indem er uns zum Sternenhim­
O in der LM-App „meine mission“     mel führt und fragt: Wer hat das alles geschaffen? „Der HERR, der ewige Gott,
  unter www.liebenzell.org/app      der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde und matt, sein Verstand ist
                                    unausforschlich.“ (Jesaja 40,28)

spenden                             Unser Gott ist unvergleichlich.
liebenzeller mission                Er ist alternativlos.
sparkasse pforzheim calw            Keiner kann ihm das Wasser reichen. Aber er reicht uns das Lebenswasser.
iban: de27 6665 0085 0003 3002 34   Keiner kann es mit ihm aufnehmen. Aber er ist bereit, jeden aufzunehmen.
bic: pzhsde 66                      Wie gut, dass er uns unvergleichlich liebt.

die liebenzeller mission ist als    In der Mai/Juni­Ausgabe, die Sie in Händen halten, kommen Missionare zu
gemeinnützig anerkannt. spenden,    Wort, die in unvergleichbarer Weise aus ihrem Arbeits­ und Lebensalltag berich­
schenkungen und Vermächtnisse       ten. Sie zeigen uns auf, welche Chancen und welche Grenzen Vergleiche haben.
müssen nicht versteuert werden.     Und sie erinnern uns daran, dass Gott uns einzigartig gemacht hat.
                                    Unvergleichlich.

                                    Gottes Segen sei mit Ihnen!

                                    Ihr

                                    Pfarrer Johannes Luithle, Direktor

                                    PS: Wie gut, dass wir in dieser besonderen Zeit über unsere Medien in
                                    Kontakt bleiben können. Bitte nutzen Sie die vielfältigen Online­Angebote
                                    der Liebenzeller Mission.
mission weltweit 5–6/2020
MISSION - Von der L ast u des Vergleichens - Liebenzeller Mission
4    darum geht’s               Japan

Vor etlichen Jahren kehrte Renate Paulokat mit
ihrer Familie aus dem Missionsdienst nach
Deutschland zurück. Sie packte ihren Hausrat
zusammen und schenkte den Frauen in unserer
Gemeinde deutsches Geschenkpapier. Ich brei­
tete es auf einem großen Tisch aus und meinte,
dass sich jede Frau ein oder zwei Bogen aussu­
chen könnte. Alle waren begeistert von den ver­
schiedenen Mustern und Farben.
Doch die Frauen zerschnitten die großen Bogen
in gleich viele kleine Teile, sodass jede von
jedem Papier etwas mitnehmen durfte. Ich
konnte es nicht fassen, dass sie das schöne
Papier auf diese Art und Weise unter sich auf­
teilten.
Meine Mutter erzählte mir von ihrem ersten
Erlebnis als junge Missionarin. Für die Weih­
nachtsfeier sollten die Frauen der Gemeinde
                                                   Foto: priscilla kunuZ

Plätzchen backen. Meine Mutter schlug vor,
dass jede eine andere Sorte mitbringt. Die Frau­
en konnten sich jedoch nicht einigen, und mei­
ne Mutter verstand den Grund nicht. Da wurde
ihr erklärt: „Wenn wir nicht alle gleich sind,
werden wir innerlich nicht ruhig.“ Die Frauen
wollten nicht, dass jede eine andere Sorte macht
– sondern am liebsten alle miteinander und

                                                                           bloß nicht
gemeinsam drei bis fünf Sorten backen. So könn­
te niemand sagen: „Deine Sorte ist ja viel schö­
ner und schmeckt viel besser als meine.“
„Wenn wir nicht alle gleich sind, werden wir
innerlich nicht ruhig.“ Dieser Satz spiegelt die
japanische Seele wider. Wir haben ihn bei uns in
der Familie immer wieder zitiert, wenn wir
                                                                           aus der reihe
                                                                           tanzen
Mühe hatten, die Japaner in ihrer Andersartig­
keit zu verstehen.

Möglichst alle gleich
Im Alltag begegnet es mir immer wieder, dass
Menschen in Japan sich am besten fühlen, wenn
                                                                           „wenn wir nicht alle gleich sind, werden wir
sie „alle gleich“ sind oder dasselbe bekommen.
Ein Beispiel: Nach dem Kochkurs oder dem                                   innerlich nicht ruhig“, beschrieb eine Frau das
Gemeindemittagessen bleibt einiges übrig. Am                               lebensgefühl der Japaner. ist es auch heute
liebsten wird das Essen so verteilt, dass jeder                            noch so, dass alle derselben norm genügen
von jedem etwas mit nach Hause nehmen darf,
                                                                           wollen? wird in Japan nicht verglichen?
auch wenn es nur ein Minirest ist. In unserer
westlichen Kultur würde sich eher jeder etwas
aussuchen, also entweder Beilagen, Salat oder
Kuchen.
Japaner denken nicht individualistisch, sondern
gruppenorientiert. Deshalb tragen Schüler in
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Japan                            darum geht’s          5

                      Abschlussfeier nach der
                      sechsjährigen Grundschule
                      mit den Lehrern (vorne),
                      Schülern in ihrer Schul-
                      uniform und den Eltern
                      (hinten)

                                                                                                                                                              Foto: priscilla kunuZ
der Mittel­ und Oberstufe Schuluniformen. Nie­
mand soll herausragen, alle sollen möglichst
gleich sein – getreu dem japanischen Sprich­
wort: „Den Nagel, der aus dem Brett herausragt,
muss man einschlagen.“
Neulich las ich einen Artikel über „Randoseru“
(Schulranzen). Seit mehr als 100 Jahren hat sich
die Form der Schultaschen in Japan nicht verän­
dert. Alle japanischen Kinder benutzen densel­
ben Ranzen während der sechsjährigen Grund­                                                                                 Lange gab es nur

                                                                                                      Foto: tabitha oyagi
schulzeit. Bis vor 15 Jahren gab es nur zwei                                                                                Schulranzen in
Farben, schwarz für die Jungen und rot für die                                                                              Schwarz und Rot,
Mädchen. Heute dagegen kann man aus mehr                                                                                    mittlerweile
als 20 Farben wählen. Wollen also nicht mehr                                                                                stehen mehr
alle gleich sein? Tendieren die Japaner nun                                                                                 Farben zur Wahl.
doch zum Individualismus? Ja und nein.
                                                     Selbst die kleinste Blume auf dem Feld leuchtet,
eine Million Menschen auf dem rückzug                weil sie Gottes Liebe empfängt.
Äußerlich scheint alles gleich zu sein, aber         Sie empfängt die überfließende Gnade
innerlich und im Hintergrund wird sehr viel mit­     des HERRN immer und immer wieder.
einander verglichen. Wer den Normen und Leis­        Die Rose blüht wie eine Rose.
tungen nicht entsprechen kann, zieht sich            Das Veilchen blüht wie ein Veilchen.
zurück, bis dahin, dass man ein „Hikikomori“         Auch ich will dem HERRN nachfolgen,
wird. So werden Menschen bezeichnet, die sich        so wie ich bin.
einschließen und von der Gesellschaft ausschlie­
ßen. Ein japanischer Experte, T. Saito, ging im      Die Vögel, die am Himmel fliegen,
September 2019 davon aus, dass es in Japan           hören nicht auf, von der Liebe Gottes zu singen.
1,15 Millionen „Hikikomori“ gibt. Ich nehme          Sie singen mit überfließendem Dank
an, dass diese Zahl höher ist als die der Christen   und Freude immer und immer wieder.
in Japan (weniger als ein Prozent von 127 Mil­       Der Adler singt wie ein Adler.                                            Schwester Priscilla kunz
lionen). Wenn man sich also mit anderen ver­         Der Spatz singt wie ein Spatz.                                            ist als missionarskind in
gleicht und nicht mehr mit der Gruppe mithal­        Auch ich will immer und immer wieder                                      tokio geboren und arbeitet
ten kann, zieht man sich freiwillig in seine vier    ein Loblied für den HERRN singen.                                         seit 1995 in Japan. nach ihrer
Wände zurück und pflegt seine individuellen                                                                                    ausbildung und berufstätig-
Bedürfnisse. Oft sind es Kinder und Jugendliche,     Dieses Lied wähle ich oft für evangelistisch aus­                         keit als ernährungsberaterin
die dann nicht mehr in die Schule gehen und als      gerichtete Frauentreffen. Es ist leicht verständ-                         in der schweiz besuchte
Erwachsene keinen Anschluss in der Gesell­           lich und gut zu singen. Diese Nachricht der                               sie die bibelschule und trat
schaft finden.                                       Bibel, dass Gott jeden unterschiedlich geschaf­                           in die schwesternschaft der
                                                     fen hat und den Einzelnen in seiner Einzigartig­                          liebenzeller mission ein.
Sein können, wie man ist                             keit annimmt, wie er ist, hat schon vielen Japa­                          bis zur ersten ausreise war
Die japanische Musikgruppe „Noah“ hat ein            nern geholfen, freier zu werden und sich nicht                            schwester priscilla im lie-
Lied geschrieben mit dem Titel „Ich darf so sein,    immer mit anderen zu vergleichen.                                         benzeller gemeinschaftsver-
wie ich bin“. Es ist eigentlich ein Kinderlied,      Wie Frau E., die einmal im Monat bei uns im                               band, bezirk karlsruhe, tätig.
doch auch Erwachsene lieben und singen es ger­       Gottesdienst die Lieder begleitet. Ihr Klavier­                           nach dem fünften Japan-
ne. Es bringt zum Ausdruck, was in der japani­       spiel ist oft unsicher, und oft passieren ihr auch                        einsatz ist sie zurzeit im
schen Gesellschaft fehlt: dass man so sein kann,     Fehler. Doch obwohl es zwei Frauen gibt, die                              heimataufenthalt. im sep-
wie man ist. Die Musiker von „Noah“ sind Chris­      besser begleiten können, will Frau E. sich nicht                          tember reist sie wieder aus,
ten. Ihre Botschaft ist: Bei Gott müssen wir uns     mit ihnen vergleichen. Sie hat den Mut, mit                               um zusammen mit einem
nicht vergleichen, jede/r darf so sein, wie er/sie   ihrem nicht perfekten Spiel der Gemeinde und                              japanischen pastor weiterhin
ist. Der Text geht so:                               Gott zu dienen – und sie ist damit ein Vorbild.                           in chikusei zu arbeiten.
                                                                                      S. Priscilla Kunz l

mission weltweit 5–6/2020
MISSION - Von der L ast u des Vergleichens - Liebenzeller Mission
6   darum geht’s           Frankreich

                                                                                                                                  Foto: tobias hitZFeld
        aus dem ehe-
        nähkästchen
        geplaudert
         6:30 Uhr Der Wecker klingelt. Claudi ist schon vorher top­
         fit. Unter der Dusche beginnt ihre „Stille Zeit“, sie betet
         und singt halbwegs leise vor sich hin. Während des Haar­
         föhnens checkt sie die ersten Nachrichten auf dem Han­
         dy. Das „Kontakten“ ist ihre große Stärke. Währenddes­
         sen dreht sich Nick schlaftrunken im Bett herum und
         betet: „Jesus, warum bin ich noch so müde?“ Dann öffnet
         er seine Bibel und macht Stille Zeit.
         7:00 Uhr Wir sitzen auf dem Sofa im Wohnzimmer und
         beten gemeinsam – einer der ruhigsten und erfüllendsten
         Momente des Tages. Joy liegt daneben, eingekuschelt in einer
         Wolldecke. Sie hört zu, weil sie morgens genauso topfit ist wie
         Mama. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
         7:15 Uhr Nick weckt Luca, der mindestens so schwer aus dem Bett
         kommt wie Papa. Gleich wird wegen irgendetwas gequengelt.            So oder ähnlich sieht unser Alltag aus. Wir ken­
         Dann schon um diese Uhrzeit die erste tiefgründige Frage des Fünf­   nen wenige Ehepaare, die so unterschiedlich
         jährigen: „Ihr sagt, dass Gott oben im Himmel wohnt. Warum           sind wie wir. Klaus­Dieter Mauer predigte bei
         sehen wir ihn denn dann nicht, wenn wir im Flugzeug fliegen?“        unserer Trauung über „E­H­E“: Zwei Egoisten
         7:40 Uhr Als Nick die Milch aus dem Kühlschrank holen will,          finden zusammen, dazwischen ist der Herr das
         bleibt er am Griff hängen. Der ist klebrig, weil Claudi nicht        Verbindungsglied. Jesus verbindet uns. Wir hät­
         gemerkt hat, dass sie Honig an den Fingern hatte, nachdem sie        ten nicht „Ja“ zueinander gesagt, wenn der
         Lucas Milch mit Honig vorbereitet hat. Claudi lässt das Frühstück    andere nicht Jesus als seine Nummer eins im
         ausfallen, weil sie schon beim Anblick von Essen zunimmt, wäh­       Leben gehabt hätte. Unsere gemeinsame Beru­
         rend Nick ein Nutellabrot nach dem anderen genießt, ohne auch        fung, ihm zu dienen, mit und für Jesus alles zu
         nur ein Gramm zuzulegen. Während der Rest der Familie früh­          geben, schweißt uns zusammen.
         stückt, versucht Claudi, die ersten beruflichen Dinge zu klären.
         Aber es bleibt beim Versuch. Nick hat noch keinen Kopf dafür.        der Nachdenkliche und der Aktive
         9:00 Uhr Teamsitzung. Claudis Anteil an der „Bolanz­Gesprächs­       Manchmal vergleichen wir uns mit den beiden
         quote“ beträgt 80 Prozent. Nick gelingt es, mit den restlichen 20    Jüngern Petrus und Johannes. Einer der letzten
         Prozent mindestens ebenso viel Inhalt und Sinn beizutragen. Es       Sätze, die Jesus zu Petrus sagte, war: „… folge
         hat Hand und Fuß, was er sagt, und es ist schon durchdacht, bevor    DU mir nach!“ (Johannes 21,22). In dieser Situ­
         er überhaupt den Mund aufmacht.                                      ation wollte sich Petrus mit Johannes verglei­
         19:00 Uhr Zeit für die Kinder. Nick macht nach einem langen          chen. Möglicherweise hat Petrus manchmal
         Arbeits­ und Sprachschultag Quatsch mit den Kids. Es wird            gedacht: „Johannes kommt einfach nicht in die
         gequietscht und gekreischt, aber beim Spielen ist das nicht so       Pötte! Er ist so kontemplativ, redet oft stunden­
         schlimm. Vor dem Schlafengehen gibt es noch die obligatorische       lang mit einem einzigen Menschen, dabei gibt es
         Kuscheleinheit mit Mama.                                             doch noch so viele andere, die noch nie etwas
         23:00 Uhr Sobald wir im Bett liegen, will Nick schlafen. Claudi      von der Frohen Botschaft gehört haben!“ Hinge­
         fallen gerade dann noch wichtige Sachen ein. Aber es ist zu spät.    gen könnte Johannes über Petrus gedacht haben:
         Nick hat seine Ohropax drin und hört nichts mehr.                    „Manchmal kann ich gar nicht hinschauen,
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Frankreich          darum geht’s                7

                                                                               Gemeinde: tabuthema ehe
                                                                               Es ist eine Utopie zu glauben, dass jede christli­
                                                                               che Ehe perfekt ist oder dass es in einer guten
Foto: claudia bolanZ

                                                                               Ehe nie Streit gibt. Manchmal wird versucht,
                                                                               „den harmonischen Schein zu wahren“ und in
                                                                               der Öffentlichkeit oder zumindest in der
                                                                               Gemeinde so zu tun, als ob alles im Lot sei. Erst
                                                                               kürzlich haben wir von der Trennung von Freun­
                                                                               den erfahren, die für uns völlig überraschend
                                                    Die Geschmäcker            kam, weil sie sich zuvor niemandem geöffnet
                                                    sind verschieden …         oder sich Hilfe gesucht haben. Leider ist so
                                                                               etwas kein Einzelfall. Wie es in einer Ehe läuft,
                                                                               ist in vielen Gemeinden ein Tabuthema. Man
                                                                               scheint Angst davor zu haben, persönliche Pro­
                                                                               bleme miteinander zu teilen.
                                                                               Wir haben bisher gute Erfahrungen damit
                                                                               gemacht, unsere Ehe authentisch zu leben. Das
                                                                                   macht uns nahbar und echt. Weshalb Freun­
                                                                                      den nicht auch mal erzählen, wenn man
                                                                                        gerade eine Auseinandersetzung hatte?
                                                                                          Das birgt die Chance, dass sich im          Nikolai (Nick) und Claudia
                                                                                           Gegenzug auch das Gegenüber traut,         (Claudi) Bolanz leben mit ih-
                                                                                           sich zu öffnen, anstatt den perfekten      ren kindern luca (5) und Joy
                                                                                            Schein zu wahren. In eine gute Ehe        (4) seit 2018 in montpellier/
                                                                                            muss investiert werden, sie entsteht      südfrankreich, um dort eine
                                                                                            nicht automatisch.                        gemeinde zu gründen. nick
                                                                                                                                      studierte am theologischen
                                                                                           eHe: das Zentrum muss stimmen              seminar der liebenzeller
                                                                                          Die Unterschiede in unserer Ehe kön­        mission, war danach in
                                                                                         nen ganz schön nervenaufreibend sein.        berlin teil eines gemeinde-
                                                                                       Letztlich ist es aber zweitrangig, wie         gründungsteams und leitete
                                                                                     verschieden wir sind, solange im Zentrum         anschließend ein sozial-
                                                                                 unseres Lebens und Handelns der Herr (eHe)           missionarisches projekt in
                                                                               steht, der unser Herz mit Liebe für unseren            neubrandenburg. claudia ist
                       wenn Petrus mal wieder in Fahrt ist. Er ist ein         Nächsten füllt. Wenn wir liebevoll miteinander         lehrerin und ausgebildete
                       richtiger Haudrauf! Könnte er nicht mal etwas           umgehen, verletzen wir den anderen weniger.            lebensberaterin. seit 2013
                       einfühlsamer mit den Menschen umgehen?“                 Wenn wir unsere Unterschiede nicht negativ, son­       unterstützt sie nick bei der
                       Doch wir erinnern uns, dass Jesus gesagt hat:           dern als Chance betrachten, einander zu ergän­         gemeindegründung.
                       „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet.“   zen, werden wir einander wertvoller. Wenn wir
                       (Matthäus 7,1)                                          uns nicht als „zwei Egoisten“ ansehen, sondern
                                                                               als EINE Eheperson, dann hat diese Person ein
                       Absichtlich unterschiedlich                             enormes Spektrum an Gaben. Dieses kann uns in
                       Sicherlich hatten Petrus und Johannes immer             der Nachfolge Jesu helfen, ein Leben zu führen,
                       die besten Absichten. Beide wollten Menschen            in dem es gelingt, nicht nur seinen Ehepartner,
                       für das Reich Gottes gewinnen. Aber durch ihre          sondern ganz grundsätzlich seinen „Nächsten“
                       unterschiedliche Art waren sie – wie auch wir           von Herzen zu lieben. Das gilt nicht nur für die
                       manchmal in unserer Ehe – versucht, negativ             Ehe, sondern für alle Beziehungen, die wir füh­
                       über das Handeln des anderen zu denken. Ob              ren: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“
                       Jesus gerade deshalb so verschiedene Jünger             (Johannes 15,12)                  Claudia Bolanz l
                       ausgewählt hat, damit die gegensätzlichen Cha­
                       raktere jeweils andere Menschen ansprechen
                                                                                                                                                 Foto:claudia bolanZ

                       können? Jesus fragte Petrus dreimal hinterein-
                       ander: „Liebst du mich?“ Die Liebe überbrückt
                       alle Unterschiedlichkeit. Und was uns fasziniert:
                       Obwohl Petrus und Johannes in der Bibel als
                       sehr unterschiedlich beschrieben werden, arbei­
                       teten sie zusammen, sogar über den Tod von
                       Jesus hinaus! Da hätten sie die Flinte ins Korn
                       werfen und ihre eigenen Wege gehen können.
                       Aber die Liebe zu Jesus trieb sie an.

                       mission weltweit 5–6/2020
MISSION - Von der L ast u des Vergleichens - Liebenzeller Mission
8    darum geht’s          sambia

 Schmetterling oder Schnecke?
                                                                                                                    Unter „ferner liefen“ oder
                                  „man kann nicht alle über einen kamm                                              unter den „top ten“?
                                                                                                                    Im September 2019 kursierte bei uns an der
                                  scheren. Äpfel darf man nicht mit
                                                                                                                    Universität die Nachricht, wir seien bei einem
                                  birnen vergleichen.“ wir kennen diese                                             Vergleich von Universitäten irgendwo zwi­
                                  redensarten und neigen trotzdem                                                   schen Platz 130 und 150 aufgeführt.
                                  dazu, ungleiches zu vergleichen. margit                                           Anfang Januar 2020 kamen zwei Studenten
                                                                                                                    einer staatlichen Universität bei mir im Büro
                                  schwemmle schildert, wie Vorgaben,
                                                                                                                    vorbei. Sie brauchten Angaben für eine
                                  grenzen und charaktere eine beurtei-                                              Abschlussarbeit ihres Studiums und hatten
                                  lung erschweren und Fragen aufwerfen.                                             eine Statistik dabei, in der wir als eine der
                                                                                                                    zehn besten Privatuniversitäten in unserer
                                  Neulich in meinem Garten: Ich beobachte, wie                                      Region angeführt wurden.
                                  eine kleine Schnecke über ein grünes Blatt                                        Welcher Statistik glaube ich denn nun? Ran-
                                  kriecht. Es geht nur sehr langsam voran. Aber es                                  gieren wir irgendwo weit abgeschlagen oder
                                  ist ein schönes Bild: das frische Grün und die                                    doch in den Top 10? Beide Statistiken basie-
                                  Schnecke mit ihrem Haus.                                                          ren auf bestimmten Informationen, die aber
                                  Wenige Minuten später fliegt ein Schmetterling                                    nicht dieselben sein müssen. Nur sagt mir das
                                  an mir vorbei. Es ist Regenzeit, die Blumen blü­                                  ein „Ranking“ nicht. Ich sehe nur die eine
                                  hen, und mein Weihnachtsstern verändert gera­                                     Zahl. Aber es steckt viel mehr dahinter, und
Margit Schwemmle ist seit         de seine Farbe. Ich sehe, wie der Schmetterling                                   ich muss mir die Mühe machen und heraus­
2014 dozentin an der „evange-     von einer Blüte zur anderen fliegt, sich kurz                                     finden, welche Informationen für welche Sta-
lical university“ in ndola und    niederlässt und dann wieder weiterflattert. Es ist                                tistik verwendet wurden.
begleitet junge sambier in ih-    schwer, ihn mit der Kamera einzufangen, zu
rer theologischen ausbildung      unruhig sind das Flügelschlagen und die schnel­
                                                                                                                Unterricht am Evangelical College (EU)
als mentorin. im Juni 2016        len Bewegungen.
hat sie zusätzlich die studien-   Ich vergleiche die langsame, bedächtige Schne­
leitung übernommen. die           cke und den unruhigen Schmetterling. Aber halt,
frühere Finanzbeamtin hat         das geht doch gar nicht, man kann Äpfel nicht
die bibelschule brake absol-      mit Birnen vergleichen! Das eine passt nicht
viert und war danach mit          zum anderen. Dann aber stelle ich fest, dass ich
der liebenzeller mission in       das sehr oft mache: Dinge miteinander verglei­
                                                                                       Foto: margit schwemmle

malawi und in der pionier-        chen, die eigentlich gar nicht zueinander passen
mission in sambia im einsatz.     oder miteinander verglichen werden können.
MISSION - Von der L ast u des Vergleichens - Liebenzeller Mission
sambia       darum geht’s            9

                          Besser hier und da Abstriche machen?                                                                  Was eine Bewertung erschwert
                          Vor mir liegt ein Stapel Ausarbeitungen. Ich                                                          Zwei- bis dreimal im Jahr wird der Unterricht aller Dozenten
                          habe „Frauen in der Kirchengeschichte“ unter­                                                         bewertet. Unsere Studenten können ihre Meinung über Unter­
                          richtet und bin gespannt auf kurze Biografien                                                         richtsstil und Kurs­inhalt abgeben. Auch Verbesserungsvorschläge
                          über verschiedene Frauen, die in der Vergangen­                                                       sind erwünscht. Ich mache diese Bewertungen entweder selbst oder
                          heit eine Rolle gespielt haben.                                                                       bekomme die Berichte nach einer Kursauswertung auf meinen
                          Nachdem ich einige Arbeiten der Studentinnen                                                          Schreibtisch. Eine Zusammenfassung geht an den Schulleiter.
                          gelesen habe, stelle ich fest, dass die Ausarbei­                                                     Der eine Dozent macht es gut, der andere wird von den Studenten
                          tungen sehr unterschiedlich sind. Die meisten                                                         eher schlecht beurteilt. Woran liegt es, und wie oft muss ich nach­
                          entsprechen unseren Standards für die Forma­                                                          fragen, um wirklich ein ausgewogenes Bild zu erhalten? Bekomme
                          tierung: Die Ränder haben die richtige Breite,                                                        ich überhaupt eine ausgewogene Meinung? Sind die Beurteilungen
                          der Zeilenabstand passt, sogar Fußnoten sind                                                          nicht viel mehr von persönlichen Empfindungen der Studenten
                          eingefügt und belegen Hintergrundinformatio­                                                          abhängig? Oder davon, ob ein Dozent eher bessere Noten gibt,
                          nen aus verschiedenen Büchern. Auch das Eng­                                                          obwohl die Leistungen dem nicht unbedingt entsprechen?
                          lisch ist gut verständlich. Dann lese ich die                                                         Wie gehe ich als Studienleiterin mit solchen Bewertungen um?
                          nächste Ausarbeitung: Keine Einleitung, der Zei­                                                      Dozenten haben unterschiedliche Persönlichkeiten, die beim
                          lenabstand ist auf der ersten Seite anders als auf                                                    Unterrichten zum Ausdruck kommen. Gott hat uns alle mit unter­
Fotos: margit schwemmle

                          der zweiten, die Schriftart ist nicht durchgängig                                                     schiedlichen Charakteren geschaffen und sich etwas dabei gedacht.
                          gleich; und es fällt mir schwer, den Inhalt zu                                                        Kann ich das beim Vergleichen einfach außer Acht lassen?
                          erfassen, weil das Englisch recht holperig ist.
                          Wie wichtig ist das alles? Muss ich für alle Arbei­
                          ten dieselben Regeln anwenden? Kann ich nicht
                          einfach in Betracht ziehen, dass ganz unter­
                          schiedliche Frauen im Kurs waren? Einige waren
                                                                                      Foto: archiv der evangelical university

                          lange nicht mehr in der Schule, andere kommen
                          gerade vom Abitur. Kann ich nicht hier und da
                          Abstriche machen und den persönlichen Hinter­
                          grund in die Bewertung einfließen lassen?
                          Wie gerne würde ich das machen, weil ich weiß,
                          wie die Studentinnen gerade mit diesen akade­
                          mischen Aspekten kämpfen. Aber wir sind eine
                          staatlich anerkannte Privatuniversität und brau­
                          chen Standards, um unsere Akkreditierung nicht
                          zu verlieren. Es ist meine Aufgabe in der Studien­
                          leitung, die abgegebenen Arbeiten mit den Vor­
                          gaben zu vergleichen und sicherzustellen, dass
                          die Qualität unserer Ausbildung gehalten wird.

                                                                                                                                                                              Sally Kalaba beendet
                                                                                                                                                                              dieses Jahr ihr Studium
                                                                                                                                                                              an der EU und arbeitet
                          Zurück zur Schnecke und zum Schmetterling.            den, dass Gott sie zu seiner Ehre gebrauchen
                                                                                                                                                                              dann als Grundschul-
                          Muss ich die beiden überhaupt miteinander ver­        kann? Hier kann Vergleichen Ansporn sein, das,
                                                                                                                                                                              lehrerin.
                          gleichen? Beide haben ihre Berechtigung und           was wir machen, gut zu machen. Dabei will ich
                          ihren Platz in der Natur. Beide sind von Gott         aber die unterschiedlichen Persönlichkeiten
                          geschaffen – ich brauche also gar keinen Ver­         nicht außer Acht lassen.
                          gleich anzustellen.                                   Gott hat uns Menschen geschaffen, damit wir
                          Muss ich Dozenten und ihren Unterrichtsstil           „etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit“ (Epheser
                          vergleichen und bewerten? Ist es notwendig, die       1,12). Wenn mein Vergleichen dazu dient, dass
                          Arbeiten unserer Studenten mit Standards abzu­        ich oder andere angespornt werden, dieses Ziel
                          gleichen? Als Studienleiterin sage ich: „Ja.“         zu erreichen, will ich gerne weiter vergleichen.
                          Beobachten, bewerten und vergleichen geben            Ich will aber auch lernen, mehr und mehr dar­
                          mir die Grundlage, Hilfestellung zu geben. Wor­       auf zu achten, dass ich nicht Äpfel mit Birnen
                          in sind wir gut? Und was muss geändert werden,        vergleiche und Menschen in ihrer Unterschied­
                          damit der Unterricht unseren Standards ent­           lichkeit wahrnehme und achte.
                          spricht und die Studenten so ausgebildet wer­                                     Margit Schwemmle l

                          mission weltweit 5–6/2020
MISSION - Von der L ast u des Vergleichens - Liebenzeller Mission
10     darum geht’s            bangladesch

                               „welchen rang hast du?“
                               der advent ist die zeit im Jahr, in der man sich auf die wiederkunft von Jesus
                               vorbereitet. Vorfreude, plätzchenduft und weihnachtsmusik liegen in der luft.
                               es ist eine zeit der besinnung und der erwartung. doch halt! was haben
                               weihnachtliche gedanken mit dem thema „Vergleichen“ zu tun?

                               In Bangladesch bedeutet Weihnachtszeit immer          Für uns ist dieses Schulsystem fremd
                               auch Prüfungszeit. Das Schuljahr endet Mitte          Wir fragen uns, was dieses frühe Vergleichen
Benedikt und Verena            Dezember mit den jährlichen Abschlussprüfun­          und der Prüfungsstress mit den Schülern macht.
tschauner studierten „theo-    gen. So heißt es zuvor für die Schülerinnen und       Werden sie verängstigt? Wird ihnen beizeiten
logie und soziale arbeit im    Schüler: lernen, lernen und nochmals lernen.          das Gefühl vermittelt, dass sie Versager sind?
interkulturellen kontext“      Danach geht es in die ersehnten Ferien, bevor         Oder werden sie stolz und überheblich, weil sie
an der internationalen         Mitte Januar das neue Schuljahr beginnt.              viel besser sind als andere?
hochschule liebenzell. ein     Exzellente Prüfungsergebnisse sind für einen          Die Prüfungszeit ist eine Zeit der Anspannung,
verlängertes praxissemester    erfolgreichen Berufsweg von großer Bedeutung;         Kinder und Eltern stehen unter großem Druck:
führte sie nach bangladesch.   ohne sie sinken die Chancen auf einen gut             Ist alles gelernt? Weiß man die richtigen Ant-
es wuchs eine große liebe      bezahlten Job deutlich. Im bengalischen Schul­        worten? Hat man die Chance auf einen vorderen
zu land und leuten, sodass     system zählen aber nicht nur die Noten in den         Platz? Es kommt vermehrt vor, dass in der Lern­
sie anfang 2018 dorthin        einzelnen Fächern. Wichtig ist auch der Platz         und Prüfungszeit Spaß und Spiel verboten sind.
zurückkehrten. Zunächst        insgesamt. Alle Schüler bekommen mitgeteilt,          Es geht nur ums Lernen. Um beste Ergebnisse zu
sprach- und kulturtraining     an welcher Stelle sie innerhalb ihres Jahrgangs       erreichen, finanzieren Eltern ihren Kindern
in khulna. mittlerweile        stehen. Wenn die Prüfungsergebnisse kommen,           zusätzliche Nachhilfestunden. Denn oft wird im
leben sie mit ihren beiden     ist die häufigste Frage: „Welchen Rang hast du?“      regulären Unterricht nicht alles gelehrt.
kindern in dinajpur. dort im   Vom besten Schüler bis zum schwächsten sind           Pathor (Name geändert) erzählte uns, dass sein
norden arbeiten sie an der     alle aufgelistet, und die auf den ersten drei Plät­   Vater vor einigen Jahren starb und seine Fami­
christlichen schule, in zwei   zen werden bei der Bekanntgabe der Ergebnisse         lie verarmte. Mit viel Mühe ermöglichte die
schülerheimen, im gemein-      öffentlich geehrt. Ab dem vierten Lebensjahr          Mutter dem Jungen den Schulbesuch. Pathor
debezirk und in der tee-       werden die Kinder eingeschult, und bereits in der     konnte bis zum Abschluss der 10. Klasse bei uns
arbeit mit.                    Vorschule gibt es Prüfungen und „Siegesplätze“.       im christlichen Internat in Dinajpur leben und

     Der Leistungsdruck
     beginnt früh.
bangladesch              darum geht’s        11

                                       von dort zur Schule gehen. Mittlerweile ist er im
                                       letzten Jahr am College. In seinem Fall war zwar
                                       das Geld für die Schulgebühren vorhanden, aber
                                       keines für zusätzliche Nachhilfestunden. So
                                       bereitete sich Pathor selbstständig auf die Prü­
                                       fungen vor – und staunte immer wieder, wie
                                       gnädig Gott zu ihm war. Auch ohne Nachhilfe
                                       sind seine Noten sehr gut, und er ist einer der
                                       besten in seinem Jahrgang.

                                       Vergleichen oder dienen?
                                       Nicht nur im bengalischen Schulsystem wird
                                       verglichen. Schon unter den Jüngern war es ein
                                       Thema. Sie wollten sich einen der besten Plätze
                                       direkt neben Jesus auf Ewigkeit sichern. Das ist
                                       nachvollziehbar. Wer will nicht für seine Diens­
                                       te und Leistungen geehrt werden? Müssen des-
                                       halb Vergleiche angestellt werden?
                                       Lukas 22,24 berichtet vom Streit der Jünger, als
                                                                                                      Laufwettbewerb beim Sporttag
                                       sie darüber sprachen, wer von ihnen der Größte
                                       wäre. Nach Markus 9,33f schämten sie sich, weil          diese Welt kam, um uns mit seinem ganzen
                                       sie unterwegs darüber gesprochen hatten. Sie             Leben zu dienen. Seine Hingabe und Liebe sind
                                       erkannten also, dass Vergleichen schadet. Und            unvergleichlich. Von ihm selbst können wir ler­
                                       was macht Jesus? Er ruft alle zusammen und               nen, dass wir nicht zum Vergleichen, sondern
                                       empfiehlt (Markus 9,35): „Wenn jemand der Erste          zum Dienen berufen und beauftragt sind. Das
                                       sein will, soll er der Letzte sein von allen und aller   ist keine Advents­ oder Weihnachtsbotschaft,
                                       Diener.“ Welche Herausforderung: Dienst statt            sondern eine für alle 366 Tage in diesem Jahr.
                                       Vergleich! Der Blick auf die anderen kann uns
                                       stolz und überheblich machen und führt weg               Vergleichen raubt kraft
                                       von unserer Berufung, anderen Menschen zu                Als Familie waren wir als Zuschauer und Moti­
                                       dienen. Dieser Dienst hat für Jesus eine große           vatoren beim jährlichen Sporttag der „William
                                       Bedeutung, denn er verstärkt seine Aussage in            Carey Memorial High School“ in Dinajpur dabei.
                                       Markus 9,43 noch einmal!                                 Es gab dort Seilhüpfen für die jüngeren Jahrgän­
                                       Als seine Jünger Jakobus und Johannes später             ge, Laufwettbewerbe, Kugelstoßen, Speerwurf
                                       fragten, ob sie in der Herrlichkeit neben Jesus          und anderes mehr. Wir erlebten hier, dass sich
                                       sitzen dürften, mahnt Jesus alle Jünger (Markus          bei Wettkämpfen das Vergleichen als Nachteil
                                                                                                                                                     Auf dem Siegertreppchen
                                       10,43f): „Aber so soll es unter euch nicht sein. Son-    erweisen kann. Während des Rennens muss der
                                       dern wer unter euch groß werden will, der soll euer      Blick nach vorne gerichtet sein. Trotzdem schau­
                                       Diener sein; und wer unter euch der Erste werden         ten viele Kinder aus der Spitzengruppe mehr­
                                       will, der soll aller Knecht sein.“                       fach nach hinten. Sie wollten sehen, wie viel
                                       Diese Herausforderung gilt auch uns heute: Wir           Vorsprung sie hatten, verglichen ihre Position
                                       sollen das Vergleichen, das Menschen klein               mit der der anderen – und merkten nicht, wie sie
                                       macht, hinter uns lassen. Wir sollen eine dienen­        dadurch Geschwindigkeit einbüßten. Sie hatten
                                       de Haltung einnehmen, unsere Mitmenschen                 in diesem Moment nicht im Blick, dass sie ihr
                                       unterstützen, sie fördern und ihr Bestes suchen –        bestes persönliches Ergebnis erzielen wollten.
                                       weil Jesus, der Sohn Gottes und unser Herr, auf          Ihr Bestreben war: besser als der andere sein
                                                                                                und auf dem Siegertreppchen stehen. Und so
                                                                                                kam es, dass bei manchen Wettbewerben nur
                                                                                                drei oder vier Läufer über die Ziellinie rannten.
                                                                                                Die anderen gaben unterwegs auf.
Fotos: benedikt und verena tschauner

                                                                                                Auch hierzu ein Impuls aus der Bibel (Philipper
                                                                                                3,13–14): „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und
                                                                                                strecke mich aus nach dem, was vorn ist, und jage
                                                                                                nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Siegespreis      Internate und Schule in
                                                                                                der himmlischen Berufung durch Gott in Christus.“      dinajpur: die liebenzeller
                                                                                                Vergleichen ist nicht zielführend. Es muss uns         mission finanziert die
                                                                                                vielmehr darum gehen, zielstrebig unsere Beru­         schulausbildung und die
                                                                                                fung zum Dienen im Blick zu behalten. Welch            internatsunterbringung
                                                                                                ein Privileg, dass Jesus nicht vergleicht!             von 70 bedürftigen mädchen
                                       Freunde trotz Konkurrenzkampf:                                           Benedikt und Verena Tschauner l        und Jungen.
                                       Schüler in ihrer Uniform

                                       mission weltweit 5–6/2020
12   darum geht’s        interkulturelle teams deutschland

                                                                                                                                  Foto: istockphoto/baona
                           Hinter dem Vorhang
                            Ein Lied soll gesungen werden. Einer kommt nach vorne, setzt sich ans Klavier
                            und begleitet uns. Eine ganz normale Sache eigentlich. Vordergründig. Doch
                            hinter meinem inneren Vorhang baut sich eine verzweigte Gedankenwelt auf.

                           Da singen wir gemeinsam ein Lied zur Ehre Got­      nicht viel passiert. Aber hinter dem Vorhang:
                           tes mit einem eindrücklichen Text, doch in mir      ein ganzes Bilderbuchkino. Das gute Ansinnen,
                           menschelt es: Ich kategorisiere, beurteile und      einfach zu spielen, wird zur Belastung oder zum
                           messe mich. Schließlich bin ich ja auch Klavier­    selbstgefälligen Rausch. Würde es mir besser
                                          spieler. Es gelingt mir dieses Mal   gehen, wenn mich keiner wahrnimmt? Wohl
                 Das, was ich nicht       nicht, „einfach so“ zuzuhören und    kaum.
                    kann, schreit         mitzusingen. Stattdessen spielen     Während es außen klingt, bauen sich hinter mei­
                                          verschiedene Gedanken hinter         nem inneren Vorhang Träume und Ziele auf. Ich
                 gewöhnlich lauter        meinem inneren Vorhang mit.          möchte mich weiterentwickeln, auch mal so wie
               als das, was ich kann. Und das bestimmt nicht nur bei           der oder die spielen können oder zumindest in
                                          mir. Deshalb ist es verständlich,    diese Richtung gehen. Indem ich loslaufe, mer­
                           dass mancher Musikliebhaber „einfach nur für        ke ich, dass diese Reise niemals aufhört. Sobald
                           sich“ musizieren will. Denn nach vorne treten       ich meine, ein mir gestecktes Ziel erreicht zu
                           heißt, sich auszusetzen – der Beurteilung durch     haben, kann ich es kaum noch feiern oder genie­
                           andere und der Beurteilung durch mich selbst.       ßen. Denn das, was ich nicht kann, schreit
                                                                               gewöhnlich lauter als das, was ich kann.
                            Ich trete in die Manege und werde beurteilbar
                            Worüber ich zuvor noch leicht hinwegsehen          Nach Höherem streben wird mich letztlich
                            konnte – es schmerzt im Rampenlicht. Warum         nicht beruhigen
                            ärgern wir uns so, wenn einmal etwas nicht so      Die Frage ist vielmehr, wer hinter meinem Vor­
                            gut läuft? Rein nüchtern betrachtet ist doch       hang in diesem orchestralen Gewirr das Sagen
interkulturelle teams deutschland                      darum geht’s         13

hat. Gerne hatte ich die Moral als inneren Diri­      tion. Musik ist eine Brücke zu Menschen gewor­
genten vorgeschoben, der mit strenger Stimme          den, eine Möglichkeit, ihnen zu dienen.                    es ist tragisch,
Einhalt gebieten sollte. Oder ich hatte mir eine      Gaben wollen aufgebaut und erarbeitet sein.                 wie sehr uns
innere Jury bestellt, ähnlich wie in Casting­         Wir können sie feiern und Applaus genießen.             die be-/verurteilung
Shows, um mich selbst klein zu halten.                Aber zur Erfüllung kommen sie dann, wenn wir               unserer selbst
Doch je mehr ich das Menschliche aus mir her­         sie in den Dienst stellen. Es ist tragisch, wie sehr
                                                                                                             die Freude an unseren
auslösen will, desto mehr merke ich, wie sehr         uns die Be­/Verurteilung unserer selbst die Freu­
ich doch daran hänge. Die Bewertungsskalen,           de an unseren Gaben und Geschenken Gottes                    gaben und
unter denen ich leide, habe ich doch umarmt.          madig machen kann. Menschen dienen geschieht             geschenken gottes
Ich will sie nicht loslassen, weil sie mir auch       jenseits davon, weil wir den anderen im Blick           madig machen kann.
Zustimmung und Applaus brachten.                      haben und weniger uns selbst.

Ich bin so dankbar, dass ich mir selbst nicht
ausgeliefert bin
Gott gibt mir einen Schatz in die Hand, der wirk­
samer ist als Moral und Gericht über mich selbst.
Einen Schatz, der die Wogen glättet und meine
Füße auf weiten Raum stellt: Es ist seine Freude
an mir. Eine Freude, die sich von dem nährt, was
Gott mir gab und in diesem Moment gibt. Zum
ersten Mal seit Langem höre ich wieder die
Schwingung des Instruments, die Energie des
Tons. Ich lausche dem Klang und der Einzigar­
tigkeit des Moments, nicht den Fertigkeiten.

                                                                                                                                               Foto: christian danneberg
Ach, würden wir die Freude mehr erleben! Es
gibt sie nur jenseits unserer inneren Beurtei­
lungswerte. Sie hebt uns aus unserem inneren
Argwohn und der Unsicherheit; wir sind nicht
mehr angekettete Zuschauer voller Angst vor
der Bewertung der anderen und von uns selbst.
Wir treten ins Licht, obwohl wir dabei alles
                                                                                                             Gaben entfalten in der
andere als perfekt befunden werden. Aber liegt        Wenn Menschen sich versammeln, entstehen
                                                                                                             Musikarbeit „Lubu beatz“
hier nicht gerade das Bezaubernde? Schönheit          Bühnen! Für alle, die sich trauen, die sich aus­
ist wichtiger als Perfektion.                         setzen, zu sich stehen und Einfluss nehmen; für
                                                      alle, die Demut nicht mit Zurückhaltung ver­
Ich wollte ein guter Musiker werden                   wechseln und den Mut haben, ihr Bestes zu
Hinter dem Vorhang, am Ort meiner Schwach­            geben, mehr aber auch nicht: Was du tust, ist so
heit, ist der Ort der Begegnung mit Gott. Hier        wichtig! Lass dich nicht kleinkriegen!
prägt er mich, von hier aus zieht er mit mir los.     Es hat mir selbst so geholfen, dass die Wahrheit
Das hat mein Leben vor dem Vorhang verändert.         Gottes mehr wiegt als alles, was sich hinter mei­
Ich wollte ein guter Musiker werden und hatte         nem Vorhang abspielt. Wenn nur die reinen
mich sehr dafür eingesetzt. Leidenschaftlich und      Motive gesegnet werden könnten, wäre es wohl
verbissen hatte ich Ziele vor Augen und es bis        schon dunkel um uns. Aber Gott ist größer als
zum Konservatorium geschafft. Doch Gott nahm          unser Menschliches, er umarmt unser Menschli­
mich an der Hand: Heute mache ich Musik mit           ches, er kennt uns – vor und hinter dem Vorhang.       Christian und Bettina
Jugendlichen aus bildungsfernen Milieus und           Wohl dem Menschen, der versöhnt ist durch den          danneberg gehören seit 2012
aus unterschiedlichen kulturellen Hintergrün­         unendlich liebevollen göttlichen Zuspruch. Bei­        zu den interkulturellen teams
den. Dabei kann ich von meinem Glauben erzäh­         des, das Innere und das Äußere, sind in Christus       deutschland und sind in
len. Es sind Jugendliche, die kaum einen tiefe­       getragen und vereint. Ich bin geliebt.                 ludwigsburg tätig. christian
ren Bezug zu Christen haben.                                                                                 leitet hier die interkulturelle
                                                      Ein Lied soll gesungen werden. Da kommt einer          musikarbeit „lubu beatz“.
Musik ist eine Brücke geworden,                       nach vorne, setzt sich ans Klavier und begleitet       vor seiner ausbildung am
Menschen zu dienen                                    uns. Eine ganz normale Sache eigentlich, vor­          theologischen seminar der
Es ist nicht so, dass das eine falsch und das ande­   dergründig. Doch heute werde ich Zeuge der             liebenzeller mission war er
re richtiger gewesen wäre. Dennoch ist dieser         Schöpfung Gottes: ein einzigartiger Mensch, der        industriekaufmann und
Weg, den ich heute beschreiten darf, interessan­      sich einzigartig und unverwechselbar mitteilt.         studierte zwei semester Jazz-
terweise wohltuender für mich. Ich muss es mir        Mein Herz fängt an zu tanzen, und die Skalen           und popularmusik. bettina
und anderen nicht mehr beweisen. Ich werde            und Messlinien in meinem Inneren sind ver­             ist erzieherin von beruf.
herausgeholt aus meiner selbstgebauten Isola­         wischt.                    Christian Danneberg l       sie haben vier kinder.

mission weltweit 5–6/2020
14    darum geht’s           chile

                                     wenn die Vergleichs-
                                     falle zuschnappt
                                     haben sie folgende situation schon einmal erlebt? sie haben mit einem
                                     team eine gemeindeveranstaltung organisiert. bei der nachbesprechung
                                     listet eine person detailliert auf, was sie alles getan und wie toll sie sich
                                     eingebracht hat. als reaktion darauf macht der nächste mitarbeiter genau
                                     dasselbe. irgendwann versucht jeder, den anderen mit seinem beitrag
                                     zum gelingen des ganzen zu übertreffen.

                                     Wenn Sie das noch nie erlebt haben, dann wün­
                                     sche ich Ihnen, dass Sie es nicht erleben müssen.
                                     Ich finde: Es gibt kaum etwas Schlimmeres, als
                                     wenn Menschen versuchen, sich durch Verglei­
                                     che besser darzustellen als andere. Oder wenn
                                     sie sich in ein gutes Licht rücken, indem sie
                                     andere schlecht machen. Oder wenn sie nur
                                     dann einen guten Eindruck von sich haben,
                                     wenn sie im Vergleich mit anderen besser
                                     abschneiden.
                                     Derartige Vergleiche erlebt man in der Missions­
                                     arbeit oder in der Kirche genauso wie bei Nicht­
                                     christen. Ein solches Verhalten ist ansteckend.
                                     Einer beginnt, und bald tun es alle in der Grup­
Andrés und katrin Vergara            pe. Das, was ich oben geschildert habe, erlebten Zunächst müssen wir verstehen, was hinter die­
leben mit ihren beiden               wir erst vor Kurzem in unserem Team …             sem Verhalten steckt. Es ist mehr als ein schlech­
kindern seit Juli 2017 in chile.     Sich beweisen, sich in den Vordergrund schie­ tes Selbstwertgefühl, es geht um Identität. Die
sie bereiten junge südame-           ben, sich mit anderen vergleichen, um besser Gesellschaft, in der wir leben, sagt uns, woher
rikaner auf den missions-            dazustehen: All das gehört seit                                 wir unsere Identität beziehen sol­
dienst vor. andrés unter-            dem Sündenfall – dem Bezie­                                     len: von der Familie, dem Status,
                                                                           Jesus wurde am kreuz
richtet an bibelschulen und          hungsbruch des Menschen mit                                     dem Beruf, dem Einkommen und
leitet die einjährige aus-           Gott – zum Verhalten des Men­              ein niemand,         Vermögen, der Leistung. Selbst im
bildung von „provisión“ in           schen. Es hat seinen Ursprung in damit wir, die niemand frommen Umfeld kann man sich
santiago de chile, katrin das        seinem Herzen, wie wir in den            waren, durch ihn       durch Fleiß einen Namen machen.
kurzzeitprogramm „impact             Berichten über Adam und Eva, vor gott jemand sein Auch wer im hauptamtlichen
chile“. vor seinem b.a.-             Kain und Abel, Jakob und Esau,                                  Dienst ist, bleibt nicht davor
                                                                                   können.           bewahrt, sich durch sein Engage­
theologiestudium in bad              Saul und David, dem „Verlorenen
liebenzell arbeitete                 Sohn“ und seinem „Verlorenen                                    ment zu definieren. Unsere Leis-
andrés in seiner chileni-            Bruder“, bei den Jüngern Jakobus und Johannes tungsgesellschaft wirkt sich bis in unsere
schen heimat als buchhalter.         sehen. Diese Beispiele zeigen, wie das Herz des Gemeinden und Mitarbeiterteams hinein aus.
katrin kommt aus nagold              Menschen „kontaminiert“ ist, verschmutzt und
und ist bankfachwirtin.              verseucht. Es neigt immer dazu, die Augen auf Weshalb wir uns vergleichen
                                     sich selbst und auf andere zu richten und in die Der Mensch ist auf der Suche nach etwas oder
                                     Falle des Vergleichens zu tappen.                 jemandem, der ihm sagen kann, wer er ist und
                                     Wie reagieren wir, wenn sich in unserem Team wie er ist. Er will sich einen Namen machen,
                                     eine wie oben beschriebene Dynamik entwi­ eine Rolle spielen, die unsere tiefe Sehnsucht
                                     ckelt? Wenn auf einmal alle in der Vergleichs- nach Anerkennung erfüllt. Wenn wir Vergleiche
                                     spirale stecken und diese die Stimmung und die anstellen, erfahren wir etwas über uns. Doch bei
                                     Beziehungen bestimmt?                             dieser Suche bleiben viele Fragen offen.
chile       darum geht’s       15

                                                                                                                                    ProVisión bereitet auf
                                                                                                                                    den Missionseinsatz vor,
                                                                                                                                    hier im Unterricht.

                                                                             Weshalb wir uns nicht vergleichen müssen               Bilder links:
                                                                             Woher hatte Jesus diese starke Identität? Mit          Gebetsgemeinschaft
                                                                             Sicherheit aus seiner persönlichen Zeit mit sei­
                                                                                                                                    Bild unten:
                                                                             nem Vater. Aber wir finden auch Belege, dass
                                                                                                                                    Das Team von ProVisión
                                                                             der Vater selbst vom Himmel klar und deutlich
                                                                             sagte: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohl-
                                                                             gefallen habe.“ (Matthäus 3,17)
                                                                             Was hilft uns das jetzt bei unserer Neigung zum
                                                                             Vergleichen? Gott sei Dank war sich Jesus so
                                                                             sicher über seine Identität, dass er sogar ans
                                                                             Kreuz ging. Nicht nur das. Er ertrug es am Kreuz,
                                                                             dass der Vater ihn verließ, damit wir Menschen
                                                                             uns nie wieder verloren und ohne Identität füh­
                        Auch Christen fällt es schwer, nicht fremdbe­        len müssen. Jesus wurde am Kreuz ein Niemand,                 „ProVisión“ möchte dazu
                        stimmt zu leben, sondern so, wie Gott sich das       damit wir, die niemand waren, durch ihn vor                   beitragen, dass viel mehr
                        Leben für uns vorgestellt hat. Wie dieses aus­       Gott jemand sein können.                                      chilenische gemeinden
                        sieht, sieht man bei Jesus: Er ist „jemand“. Trotz   Wer zu Jesus kommt und ihn am Kreuz trifft, der               missionare aussenden. Jetzt
                        allen Umständen in seinem Leben auf dieser           findet Identität und braucht sich nie wieder mit              unterstützen im durch-
                        Erde wusste er das genau, und er hat auch dem­       anderen zu vergleichen – weil er weiß, dass der               schnitt 100 gemeinden
                        entsprechend gehandelt. Sein Start ins Leben         von Gott verlassene Sohn durch seinen Tod und                 einen missionar. ziel ist
                        war nicht einfach gewesen. Seine Mutter wurde        seine Auferstehung uns zu Kindern Gottes                      es, das Verhältnis auf zehn
                        schwanger, als sie noch nicht verheiratet war.       gemacht hat. Das ist genug! Andrés Vergara l                  gemeinden/ein missionar zu
                        Das war damals sehr kritisch. Trotzdem ließ                                                                        erhöhen. deshalb bereitet
                        Jesus sich davon nicht bestimmen. Später hatte                                                                     proVisión junge südamerika-
                        er die Chance, Ehre und Ruhm zu bekommen –                                                                         ner auf den kulturübergrei-
                        er hätte nur auf das Angebot des Teufels einge­                                                                    fenden missionsdienst vor.
                        hen müssen. Aber er tat es nicht, weil er wuss­                                                                    zum einen gibt es regionale,
                        te, wer er ist – und weil es ihm sein Vater selbst                                                                 übergemeindliche schu-
                        kurz vor dieser Versuchung noch einmal                                                                              lungen in verschiedenen
                        bestätigte.                                                                                                          landesteilen. zum anderen
                        Auch als seine Familie ihn kritisierte, blieb                                                                         wird in der hauptstadt
                        Jesus fest und konsequent und handelte                                                                                 santiago de chile eine
Fotos: andrÉs vergara

                        so, wie es seiner Identität als Sohn Got­                                                                               berufsbegleitende Vor-
                        tes entsprach. Er war sich dieser so                                                                                     bereitung angeboten.
                        sicher, dass er ungefragt seinen Jüngern                                                                                 der unterricht findet
                        die Füße wusch – eine Aufgabe, die nor­                                                                                abends und an wochen-
                        malerweise der unbedeutendste Diener                                                                                  enden statt und umfasst
                        des Hauses übernahm.                                                                                                   mehrere module. etliche
                                                                                                                                              missionare konnten
                                                                                                                                              bereits vorbereitet und
                                                                                                                                             ausgesandt werden.
                        mission weltweit 5–6/2020
16   darum geht’s               deutschland

                                  das kann ich gut!
                                  es ist Freitagnachmittag, das erste treffen vom tauf- und konfirmandenkurs für
                                  teens steht an. zusammen mit zwei weiteren mitarbeitern leite ich den kurs.
                                  heute in der ersten einheit geht es darum, dass wir uns gegenseitig kennenlernen.

                                  Ich teile ein Blatt aus mit der Überschrift „Uni­    von anderen zu entdecken. Mir bricht es oft das
                                  kat“, darunter ist ein Fragebogen. Man kann          Herz, wie andere Menschen schlecht über sich
                                  angeben „Mein Lieblingsort ist …“ oder „Das          denken. Und ja, auch ich selbst brauche immer
Jana kontermann gehört            will ich unbedingt einmal machen ...“. Den           wieder die Ermutigung: Du bist von Jesus
zum team berlin und arbei-        Teens fällt es nicht schwer, die Fragen zu beant­    geliebt, grenzenlos und bedingungslos! Du bist
tet schwerpunktmäßig mit          worten – bis auf eine. Bei „Das kann ich gut …“      begabt!
kindern und teenagern in          hat niemand eine Antwort notiert. Ich schaue
der „Jungen kirche berlin-        die Teens an, wir kommen darüber ins Gespräch        Viel zu oft reden wir darüber, was wir im Ver­
treptow“ im osten der             und mein Herz schmerzt. Denn es fallen Sätze         gleich zu anderen nicht können und worin wir
stadt. sie liebt es, im athe-     wie: „Aber im Vergleich zu Sarah bin ich nicht       nicht gut sind. Ich wünsche mir eine Kultur, in
istisch geprägten kontext         sportlich.“ Oder: „Leon kann besser präsentie­       der wir
gemeinde zu bauen.                ren als ich.“                                        l nicht prahlen, aber ehrlich sagen,
nach ihrer ausbildung zur         Kennen Sie solche Gedanken auch? Ich schon:            was wir können
Jugend- und heimerzieherin        „Mein Kollege kann besser predigen als ich.“         l uns als gegenseitige Ergänzung verstehen
und der Fachhochschulreife        „Die hat eine bessere Figur als ich.“ Wie gehe       l weniger neidisch sind und
hat Jana an der internatio-       ich mit diesen Vergleichen um? Mir hilft es, dass    l unsere Identität in Jesus noch mehr
nalen hochschule lieben-          ich mir immer wieder bewusst mache, wer ich            entdecken.
zell (ihl) „theologie und         in Gottes Augen bin. Sie und ich sind Originale,
soziale arbeit im interkultu-     absolute Unikate, ohne Sie wäre diese Welt är­       Mit Hilfe der Mitarbeiter konnten die Teens im
rellen kontext“ studiert.                  mer! Wir sind wertvoll, weil wir vom        Tauf- und Konfirmandenkurs doch noch notie-
                                                größten Designer mit Fantasie, Lie­    ren, was sie gut können: dass sie begabt sind im
                                                   be, Geschick und Leidenschaft       Ballett, prima Theater spielen können, andere
                                                      gestaltet worden sind. Das ist   zum Lachen bringen, fit sind im Radsport. Ich
                      ich danke dir dafür,              ein Grund zum Feiern.          staunte am Ende über die Vielfalt der Stärken
                                                         Ich werde nicht müde, die     und bin dankbar für so eine bunte Gruppe. Und
                      dass ich wunderbar
                                                          Stärken und das Potenzial    ich bin gespannt auf die nächsten Treffen.
                gemacht bin; wunderbar                                                                              Jana Kontermann l
                 sind deine werke; das
                 erkennt meine seele.

                                                                                                                                              Foto: Jana kontermann
                         psalm 139,14

Jugendweihe: anstelle
der konfirmation feiern
die meisten Jugendlichen
in berlin die Jugendweihe.                                                                                Im Tauf- und Konfirmandenkurs
mit dieser öffentlichen                                                                                   der Jungen Kirchen Berlin-Treptow
Feier werden sie in den
kreis der erwachsenen
aufgenommen. entstan-             AktION!
den ist die Jugendweihe           l zünden sie eine wunderkerze an und danken sie gott, dass er sie wunderbar gemacht hat.
im 19. Jahrhundert als            l ermutigen sie andere in ihrem umfeld, ihre stärken zu entdecken und auszubauen.
ersatz- und gegenveran-           l starten sie den nächsten hauskreis oder das gebetstreffen mit einer runde, in der sie sich
staltung zur kirchlichen            gegenseitig erzählen, welche stärken sie von Jesus bekommen haben.
konfirmation.
ecuador                   darum geht’s         17

die mischung macht’s
die mixer sind heiß gelaufen, und der komposteimer ist voll. endlich bereit
zum genuss: manche sind süß, andere säuerlich, manche durchsichtig, andere
naturtrüb, alle in kräftigen Farben. es ist saft-abend.

Vor einigen Tagen sind die neuen impactler*
eingetroffen, und nach einem Tag auf dem
Markt genießen wir die Früchtevielfalt Ecua­
dors: Guanabana, Naranjilla, Papaya, Ananas,
Maracuja, Mango. Verschiedenste Säfte, ver­
schiedenste Geschmacksrichtungen; zwischen
säuerlich­fruchtig und süßlich­mild ist alles
dabei. Kein Saft schmeckt wie der andere.
Diese Vielfalt haben wir in jedem impact­Team.
Wie sich die Säfte in Farbe, Konsistenz und
Geschmack unterscheiden, sind auch die
„impies“ ganz unterschiedlich. Jeder kommt mit
seinem eigenen Potenzial an Gaben und Eigen­
schaften. Julia organisiert gut, Anna geht gerne
auf Leute zu, Hannah ist kreativ, Lukas ist ein
Praktiker, Viki hat einen Blick für das Ergehen
Einzelner, Paula ist musikalisch, Wiebke sprach­
begabt, Janeck humorvoll.
Doch die Grundlage ist einheitlich: Alle sind von
Gott geschaffen und gewollt. Es gibt bei ihm nur    impactler in Ecuador, von links: Julia, Victoria,
Menschen vom Qualitätstyp 1, keine Missge­          Hannah, Anna, Paula, Wiebke, Lukas, Janeck
schicke oder Unfälle. Dass jeder impactler
anders ist, muss ich dem Team nicht erklären.
Sie haben die anderen bereits „abgecheckt“ und      schaften und Fähigkeiten eventuell zu kurz
Andersartigkeiten bemerkt. Sich mit anderen zu      gekommen zu sein. Ich darf annehmen und
vergleichen, muss nicht falsch oder schädlich       schätzen, was Gott mir geschenkt hat – und
sein. Aber es kommt darauf an, wie man mit den      gleichzeitig wertschätzen, was er in andere Per­
festgestellten Unterschieden umgeht.                sonen gelegt hat. Warum sollte eine Sprachbega­
                                                    bung besser sein als Kreativität? Wie wäre es mit
Gott schafft keine „eier legende                    einem Perspektivenwechsel: Gott danken für die
Wollmilchsau“                                       Begabung des anderen und nicht stehen bleiben
Wir haben die Möglichkeit, neidisch zu reagie­      an nicht vorhandenen eigenen Gaben!
ren: „Warum kommt Anna mit jedem ins                Ich ermutige gerne die impactler (und auch                               Sebastian und tabea ruf
Gespräch und ich nicht?“, „Könnte ich doch nur      mich selbst immer wieder), zu überlegen: Was                             leiten seit sommer 2018 die
so gut singen wie Paula!“, „Keiner lacht über       kann ich vom anderen lernen? Wo darf ich mich                            impact-teams im norden
meine Witze, nur den Janeck feiern sie.“ Neid ist   ergänzen lassen? Gott schafft keine „Eier legen­                         ecuadors und entwickeln
gefährlich, denn er kann unzufrieden und bitter     den Wollmilchsäue“. Sein Ziel ist unsere Einheit                         derzeit mit dem Frauenhaus
machen, Freundschaften zerstören oder gar           in der Vielfalt. Jeder hat etwas zu geben und                            „casa Ágape“ in ibarra ein
nicht erst entstehen lassen. Wer neidisch ist,      etwas, das er von jedem anderen lernen kann.                             neues projekt. sebastian
richtet seinen (selbstzentrierten) Blick auf das,   Die Mischung macht’s. Das erfahren unsere                                hat nach der ausbildung
was er nicht kann oder ist.                         impactler in ihrem Jahr hier in Ecuador. Sie dür­                        zum Forstwirt an der inter-
Eine alternative und gesündere Umgangsweise         fen entdecken, „welcher Saft“ sie sind und welch                         kulturellen theologischen
mit Unterschieden ist die Freude an der Vielfalt.   ein Genuss es ist, Säfte ergänzend zu vermi­                             akademie (ita) studiert,
Gott hat jeden begabt und jedem eine wertvolle      schen.                               Tabea Ruf l                         tabea „theologie und sozia-
Persönlichkeit geschenkt. Das ist Grund zur                                                                                  le arbeit“ an der internatio-
Freude! Es bedeutet, dass Gott sowohl die ande­                                                                              nalen hochschule lieben-
ren als auch mich wunderbar gemacht und                                                                                      zell (ihl). die beiden haben
begabt hat. Ich muss mich also nicht mehr dar­                                                                               eine tochter.
über ärgern, bei der Verteilung guter Eigen­
                                                                                                          Fotos: tabea ruF

* mehr zu impact: seite 25

mission weltweit 5–6/2020
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