Tagungsband VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM - und 5. März 2021 - Ressourcen Forum Austria
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VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM Tagungsband Neustart in eine ressourcenschonende Zukunft oder zurück in die Vergangenheit? 4. und 5. März 2021 www.ressourcenforum.at
Foto: Leube RUDOLF ZROST PRÄSIDENT RESSOURCEN FORUM AUSTRIA Wertschöpfung und Nachhaltigkeit – eine Vision? Doch ist die Ressourcenübernutzung keineswegs nur ein Neustart in eine ressourcenschonende ökologisches Problem, sondern auch ein langfristiges Zukunft oder zurück in die Vergangenheit? Problem für die Wirtschaft. Die Materialkosten in der pro- duzierenden Wirtschaft sind hoch, Preisschwankungen ver- Der Titel unseres Programms in diesem Jahr lautete: mindern Planungssicherheit, Versorgungsunsicherheiten „Neustart in eine ressourcenschonende Zukunft oder und Knappheiten von Rohstoffen führen dazu, dass das zurück in die Vergangenheit?“ – Warum? Nun, die letzten Thema Ressourcenversorgung mittlerweile zu den größten Monate waren wirtschaftlich wie gesellschaftlich durch Herausforderungen für produzierende Betriebe zählt. Die die Corona-Pandemie geprägt. Alle Hoffnungen stehen aktuelle Situation mit großen Lieferengpässen bei Conta- auf einer Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen für inern und Kostensteigerungen um das 10-fache in nur 1 Gesellschaft und Wirtschaft im Jahr 2021. Doch auch die Jahr zeigt das deutlich! Für die Landwirtschaft stellen sich Klima- und Ressourcenkrise ist nach wie vor ungelöst. Herausforderungen wie der Verlust von Böden, die Klima- Der wirtschaftliche Neustart nach Corona bietet eine änderung oder die Endlichkeit künstlicher Dünger. Chance, auch dieser zweiten großen Krise zu begegnen. Gerade Krisen bieten oft auch Chancen, Bestehendes zu Ressourcenwende hinterfragen. Wie kann das „Hochfahren“ nun gleichzei- tig zu mehr Nachhaltigkeit führen? Denken Sie zurück Deshalb bedarf es sowohl aus ökonomischer wie auch an die leeren Städte und Autobahnen im März 2020. Die aus ökologischer Motivation heraus einer Ressourcen- Corona-bedingten Einschränkungen zeigten zu Beginn der wende – also einer Wende zu ressourcenschonenderem Pandemie einmal mehr die vermeintliche Unvereinbarkeit Wirtschaften mit gleich hoher Wertschöpfung. Um das zu wirtschaftlicher Aktivität und dem Schutz der Natur auf. erreichen, werden aktuell drei miteinander verbundene Doch das war nur ein temporärer Effekt. Und muss das Lösungsansätze diskutiert: Ressourceneffizienz, Kreislauf- überhaupt so sein? Sind wirtschaftliche Entwicklung und wirtschaft und Bioökonomie. Ressourcen-Effizienz meint Schutz der Lebensgrundlagen unvereinbar? Wir denken, alle Maßnahmen, die einen geringeren Materialeinsatz je sie sind vereinbar! produzierter Einheit bringen. Kreislaufwirtschaft meint das Schließen von Material- und Energiekreisläufen durch Wertschöpfung und Ressourcenverbrauch u.a. Wiederverwendung, Recycling, Überholen bestehender Produkte, Vermeidung von Abfällen, Wiederverwendung Gesellschaftliches Handeln und Wertschöpfung stehen fast als Sekundärrohstoffe. Bioökonomie meint den kontinu- immer im Austausch mit der Natur. Ganz ohne Material ierlichen Ersatz von fossilen Rohstoffen durch nachwach- geht es nicht, natürliche Ressourcen sind die Basis von sende Rohstoffe (zB biobasierte Kunststoffe statt Kunst- Wirtschaft und Gesellschaft. Landwirtschaft, Handwerk, stoffe aus Erdöl). Alle drei Konzepte und ihre Maßnahmen Industrie und Dienstleistung schöpfen unterschiedliche sind miteinander verbunden und voneinander abhängig! Werte. Aber so unterschiedlich diese Bereiche auch sein Gemeinsam haben Sie eines: Die Achtsamkeit gegenüber mögen, die meisten haben gemeinsam, dass natürliche dem Material, das uns die Natur zur Verfügung stellt, um Rohstoffe verwendet, verarbeitet, veredelt – eben ver- unsere Zivilisation in Schwung zu halten. Wie diese außer braucht werden. Schwung geraten kann, haben wir in den letzten Monaten Unser aller Ressourcenverbrauch ist bei weitem zu hoch nur allzu heftig präsentiert bekommen. Wir waren gezwun- und absolut nicht nachhaltig, weder in Österreich noch gen unsere Lebens- und Arbeitsweisen anzupassen. Die global. Unsere Bedürfnisbefriedigung und die natürliche Online-Welt des kontaktlosen Handels hat das Verbrau- Regenerationsfähigkeit der Natur sind nicht im Einklang. cherverhalten für immer verändert. Globale Lieferketten Die dadurch entstehende Überschreitung ökologischer sind ins Stocken geraten. Die aufgrund der Globalisierung Grenzen resultiert in Instabilitäten und Problemen wie entstandenen Abhängigkeiten von manchmal weit ent- dem Klimawandel und dem Artensterben. fernten LieferantInnen wurden teilweise zum Problem.
Ressourcen-Effizienz und Kreislaufwirtschaft können hier einen Beitrag leisten, um Unternehmen und Standorte widerstandsfähiger und unabhängiger zu gestalten. Zukunft der Gesellschaft Um unsere VerbraucherInnen-Gesellschaft in eine ressour- Inhalt censchonende Zukunft zu führen, braucht es vor allem Motivation. Der Schriftsteller und Historiker Philipp Blom hat vor einiger Zeit sinngemäß gesagt: „Eines der größten 4 Grußworte Probleme ist es, wenn eine Gesellschaft keine Verbesse- 6 Keynote | Ressourcenproduktivität – rung mehr in der Zukunft erwartet und deshalb nur will, Europas nächstes Geschäftsmodell dass die Gegenwart nicht aufhört.“ Was wir also brauchen 10 Forum Gemeinden und Regionen ist: Hoffnung auf Verbesserung in der Zukunft. Deshalb müssen wir trotz Pandemie und Klimakrise ein positives 14 Forum Wirtschaft Zukunftsbild entwerfen. Ein Zukunftsbild, in dem ressour- 18 Forum Landwirtschaft censchonendes Wirtschaften ein Wettbewerbsvorteil ist. 20 Forum Bildung Keynote und Programm 22 Interview | Aus Wollen Können machen 24 Zukunftsdialog | Neustart in eine Ein solches Zukunftsbild für Europa entwarf Keynote-Spea- ressourcenschonende Zukunft oder zurück ker Martin Stuchtey für uns, als er über Ressourcen-Pro- in die Vergangenheit? duktivität als Europas zukünftigem Geschäftsmodell sprach (Eine Zusammenfassung seines Vortrags finden 26 Impuls | Ressourcennutzung in Österreich Sie ab Seite 6). Außerdem diskutierten am Nationalen 29 Diskussion | Welche Rolle spielen Ressourcenforum ExpertInnen und PraktikerInnen aus globale Wertschöpfungsketten, Wirtschaft, Landwirtschaft, Gemeinden und Regionen der Standort und die Finanzmärkte für sowie Bildung, wie wir die Ressourcenwende in alle Teile einen ressourcenschonenden Neustart? unserer Gesellschaft tragen können. Denn eines ist klar: Ressourcen-Schonung geht uns alle an. Nicht nur die Wirt- 32 Plenum | Ökobilanz des täglichen Lebens schaft, auch alle KonsumentInnen und auch wir selbst als 33 Interview | Ressourcenschonendes MultiplikatorInnen im eigenen Umfeld sind gefragt. Nur Bauen und Wohnen – ein Muss! gemeinsam schaffen wir die Ressourcenwende! Unser Ziel muss es sein, in der Praxis aufzuzeigen, dass Wohlstand 36 Plenum | „Gesucht: Das Geschäftsmodell und Entwicklung vom Naturverbrauch erfolgreich ent- der Zukunft“ koppelt werden können. Dazu muss Kreislaufwirtschaft, 38 Interview | Der Wasser(zähler)kreislauf Ressourcen-Effizienz und Bioökonomie Teil der Philosophie von uns allen werden. Und dafür steht das Ressourcen 39 Ausblick Forum Austria! Ihr Rudolf Zrost
Grußworte FOTO: BMLRT / PAUL GRUBER CHRISTIAN HOLZER SEKTIONSLEITER SEKTION V – UMWELT UND KREISLAUFWIRTSCHAFT, BUNDESMINISTERIUM FÜR KLIMASCHUTZ, UMWELT, ENERGIE, MOBILITÄT, INNOVATION UND TECHNOLOGIE Ich bedanke mich sehr herzlich für die Einladung zum diesjährigen Die Europäische Kommission hat mit Green Deal Paket, mit seinen Nationalen Ressourcenforum! Zwischen dem Ressourcen Forum umfassenden Initiativen und Programmen - die von Klima, Ener- Austria und dem Klimaschutzministerium besteht schon seit Jah- gie, Bauen, Industrie, Digitalisierung, Kreislaufwirtschaft bis hin zu ren eine wertvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit! Ich freue mich Biodiversität reichen - eines der ambitioniertesten Umwelt-, Klima- zudem sehr, dass am Vierten Nationalen Ressourcenforum auch ak- schutz- und Wirtschaftsprogramme für die nächsten Jahrzehnte tuelle Vorhaben des Klimaschutzministeriums präsentiert werden auf dem Weg gebracht. konnten.“ Mit dem Green Deal verfolgt die Kommission eine effiziente Res- Die Welt steht vor tiefgreifenden ökologischen, ökonomischen und sourcennutzung durch einen Übergang zu einer innovativen, wett- sozialen Herausforderungen: das sind insbesondere die Klima- und bewerbsfähigen und kreislauforientierten Wirtschaft und damit eine Ressourcenkrise, der rasante technologische Wandel, die Globalisie- Entkoppelung des Ressourcenverbrauchs und Abfallaufkommens rung sowie die Urbanisierung. Diese sind heutzutage sehr deutlich sicht- vom Wirtschaftswachstum. Die Kreislaufwirtschaft ist ein entschei- bar: Erderwärmung, schnell ansteigende Ressourcen- und Material- dender Hebel um die Klimaneutralität in der EU bis 2050 zu reali- verbräuche und wachsendes Abfallaufkommen. Damit verbunden sieren, die Biodiversität wiederherzustellen sowie Emissionen und sind hohe Treibhausgasemissionen sowie hoher Druck auf Umwelt, Umweltbelastungen deutlich zu reduzieren. Mit diesem Ansatz wer- Wasser und Artenvielfalt. Dazu einige Eckdaten aus Österreich1: den die Synergien zwischen Kreislaufprinzip und Klimaneutralität verstärkt. n In Österreich hat sich der Ressourcenverbrauch in den letzten Jahren auf sehr hohem Niveau eingependelt und liegt derzeit bei Einer der wichtigsten Bausteine des Green Deals ist der neue Akti- rund 19 Tonnen pro Kopf und übersteigt damit die planeta- onsplan Kreislaufwirtschaft mit Maßnahmenvorschlägen, die die rischen Grenzen. Kernbereiche der Produkt-, Verbraucher-, und Abfallwirtschafts- n Der österreichische Materialfußabdruck inklusive Importe liegt politik betreffen: bei 33 Tonnen/Kopf, weit über dem europäischen Durchschnitts- wert von 23 Tonnen/Kopf. Durch die globale Verkettung ist Ös- Nachhaltige Produkte als Norm in der EU: Das bedeutet neue n terreichs Konsum großteils mitverantwortlich für den Ressour- Vorgaben für eine nachhaltige Produktpolitik um sicherzustel- cenverbrauch in anderen Teilen der Welt. len, dass Produkte so konzipiert sind, dass sie über eine längere n Anderseits hat Österreich eine gut ausgebaute Abfallwirtschaft Lebensdauer verfügen, leichter wiederverwendet, repariert und und verfügt über eine führende Position in der EU-Recyclingwirt- recycelt werden können und einen größtmöglichen Anteil recy- schaft. So werden zum Beispiel 58% der Siedlungsabfälle in Ös- celter Materialien statt Primärrohstoffe enthalten. Die Verwen- terreich recycelt. dung von Einwegprodukten soll eingeschränkt werden. n Die Rate der Wiederverwendung und Rückführung von Ma- n S tärkung der Rechte der Verbraucher*Innen: Das heißt die terialen liegt jedoch derzeit in Österreich mit bei rund 12 % im KonsumentInnen sollen Zugang zu zuverlässigen Umweltinfor- EU-Durchschnitt. mationen von Produkten haben, damit sie ökologisch nachhaltige Entscheidungen treffen können oder Schaffung eines „Rechts auf Diese Fakten zeigen ein enormes Potential in den Bereichen Res- Reparatur“. sourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft sowie einen großen n Bei der Vermeidung von Abfall wird der Schwerpunkt darauf Handlungsbedarf für eine langfristige strategische Neuausrich- liegen, die Entstehung von Abfall zu vermeiden und ihn in hoch- tung der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft für eine nach- wertige Sekundärressourcen umzuwandeln, die von einem gut haltige Zukunft. funktionierenden Markt für Recyclingstoffen profitieren. 4 VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband
n Weitere Maßnahmen konzentrieren sich auf ressourceninten- gungsicherheit bei Produkten und Grundstoffen von einem Tag auf sive Sektoren mit hohem Kreislaufpotenzial wie etwa: Elek- den anderen nicht mehr länger gegeben ist. Diese neue Lage schafft tronik & IKT, Batterien & Fahrzeuge, Verpackungen, Kunststoffe, Raum für zusätzliche Anreize, um auf regionaler und kommunaler Textilien (EU-Kommission arbeitet derzeit an einer Textilstrate- Ebene eine Kreislaufwirtschaft zu stimulieren. Das würde die Ab- gie), Bauwirtschaft & Gebäude sowie Lebensmittel, Wasser & hängigkeit von internationalen Liefer- und Produktionsketten deut- Nährstoffe. lich verringern und zu gleicher Zeit Möglichkeiten bieten, Arbeits- plätze und Wertschöpfung zu schaffen und zu erhalten. Im aktuellen Regierungsprogramm sind die EU-Entwicklungen mit dem Maßnahmenpaket „Kreislaufwirtschaft fördern und Abfall- Die neuen EU-Rahmenbedingungen und die Umsetzung des Regie- politik gestalten“ prominent miteingeflossen. Die Umsetzung läuft rungsprogramms sind ein klarer Wendepunkt für einen Neustart derzeit mit Nachdruck wie beispielsweise: für einen grünen Konjunkturaufschwung, für eine lebensfähige, gesündere und ökonomisch robuste Zukunft. Es gibt kein Zurück n Entwicklung einer Kreislaufwirtschaftsstrategie in ein Handeln wie bisher! n Weiterentwicklung und Aktualisierung des Abfallvermeidungs- programms n Maßnahmen zur Lebensmittelverschwendung n Maßnahmenpaket zur Reparatur, wobei die steuerliche Begünsti- gung von kleinen Reparaturdienstleistungen bereits umgesetzt wurde n Maßnahmenpaket für den Einsatz von Sekundärrohstoffen bei Industrie, Verpackungen (z.B. differenzierte Lizenzentgelte) und Baustoffen Seit dem Vorjahr verursacht die Covid-19 Pandemie massive Ver- änderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie wurde seitens der EU die Aufbau- und Resilienzfazilität in der Höhe von 672,5 Mrd. Euro eingerichtet. Derzeit arbeiten die Mitgliedsstaaten an der konkreten Ausgestaltung der Pläne, mit dem Schwerpunkt, 1) BMK, BMLRT: Ressourcennutzung in Österreich 2020 Band 3, Wien 2020. den grünen und digitalen Übergang zu fördern und eine widerstands- fähige Wirtschaft und Gesellschaft aufzubauen. Mindestens 37% der Zuweisung jedes Plans müssen den grünen Übergang vor allem im Klimaschutz und mindestens 20% die digitale Transformation unterstützen. Die Pandemie hat uns schonungslos die Verletzlichkeit von einer stark globalisierten Welt gezeigt, wo, durch komplexe Abhängig- keiten in weit verzweigten Liefer- und Produktionsketten, die Versor- VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband 5
Keynote Ressourcenproduktivität – Europas nächstes Geschäftsmodell „Im Kontext von Green Deal und internationa- kapitalverbrauch. Die Kosten dieses Naturkapitalverlusts werden lem Ressourcenwettbewerb rückt eine neue täglich spürbarer: Luftverschmutzung, Flächenzersiedlung, Boden- Kompetenz ins Blickfeld: Wohlstandsgenerie- verlust, Artenschwund und natürlich der Klimawandel. Wir erleben eine beinahe vollständige Marginalisierung der natürlichen Welt: nur rung getrieben durch Dematerialisierung und mehr 3% aller Wirbeltiere sind Wildtiere, die planetaren Belastungs- Dekarbonisierung. In einer solchen Welt wird grenzen sind weit überzogen, auf 3kg Fisch in den Weltmeeren kom- Ressourcenproduktivität zum politischen Leit- men bereits 1kg Plastik. indikator. Ein entkoppeltes Industriemodell er- fordert mehr als effizienteres Wirtschaften, es Problemlösung Wachstum? erfordert einen systemischen Umbau.“ Bekommt Wachstum diese Probleme langfristig in den Griff, wie uns die Hypothese von der abnehmenden Umweltbelastung der Um- Bis Mitte der 80er Jahre entwickelten sich alle Leitindikatoren welt-Kuznets-Kurve glauben macht? Ich denke, dieses Verständnis von Gesellschaft und Wirtschaft parallel und aufwärts. Ab diesem von grünen Wachstum irrt. Wie das International Ressource Panel Zeitpunkt kam es zu einem Bruch, den man als Ausgangspunkt aufzeigt, kommt es trotz zunehmender globaler Tertiärisierung nicht einer dann einsetzenden „großen Divergenz“ bezeichnen könnte. zu einer Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und Ressourcen- Wirtschaftliche Entwicklung und echter Fortschritt, beispiels- verbrauch. Die globale Ressourcenproduktivität sank zuletzt, anstatt weise gemessen durch den Genuine Progress Indicator – gingen zuzunehmen. nicht mehr im Gleichschritt sondern gerieten außer Takt. Seitdem Mit unserem herkömmlichen Wachstumsverständnis kommen wächst zwar nach wie vor die Arbeitsproduktivität, die Wirtschaft wir also nicht weiter. Gehen wir aber davon aus, dass sich und auch die Beschäftigung, doch hinken die durchschnittlichen unmittelbar etwas an unserem Hunger nach Ressourcen ändern Haushaltseinkommen wie insbesondere der gesamtgesellschaft- muss – und diesen Anspruch verfolgt zumindest die europäische liche Wohlstand hinterher. Ein Riss zwischen dem Nutzen und den Politik, indem Sie sich mit dem Green Deal auf anspruchsvolle Kosten unseres Wachstum ist aufgebrochen. Wir wachsen uns Klimaziele und Ressourcenproduktivität verpflichtet hat – dann zunehmend arm. Dies resultiert in großen wirtschaftlichen Dispa- erleben wir gerade dadurch auch zusätzlich einen sogenannten ritäten, welche unter anderem das Aufkommen politischer Popu- Minsky-Moment und ein Problem der stranded assets. Was lismen und gesellschaftliche Spannungen zu verantworten haben. meine ich damit? Konjunkturzyklen leben von der (überzogenen) Verbunden ist diese Entwicklung zudem mit einem massiven Natur- Zuversicht von Investoren. Minsky, ein amerikanischer Ökonom Die grosse Divergenz Quelle: Stuchtey, et al (2015), Federal Reserve Bank of St. Louis, Brynjolfsson and McAfee, Kubiszewski et al. (2013) 6 VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband
FOTO: MARTIN STUCHTEY/SYSTEMIQ Martin Stuchtey Professor für Ressourcenstrategien und -management an der Universität Innsbruck, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von SYSTEMIQ beobachtete, dass zu Beginn eines Zyklus sichere Investitionen stemische Änderungen, könnte dafür aber gerade in der jetzigen durchführen, je länger ein Aufschwung andauert, sie zuneh- Krisensituation ein wichtiger Baustein eines Konjunktur- und mend spekulativ handeln, weil sie (zu) große Zuversicht in die Zukunftsprogrammes für Europa und Österreich werden. Viel- herkömmlichen Anlageformen haben. So lange, bis es zu einem leicht gerade deshalb findet das Konzept der Circular Economy Minsky-Moment kommt, also einem Zeitpunkt wo das Vertrauen auch zunehmend in Politik und Betrieben Unterstützung. Denn schlagartig zurückgeht, weil die zugrundeliegenden Produkte es verspricht geringere Ressourcenverbräuche und systemische und Dienstleistungen nicht mehr benötigt werden – sei es durch Einsparmöglichkeiten gleichermaßen. Um das zu verstehen, einen Technologiewandel oder eine Änderung des Konsum- muss man sich die sechs wesentlichen Ressourcenentkopp- musters. Diese herkömmlichen Anlagen sind im aktuellen Fall lungshebel ansehen, die passenderweise das Akronym Resolve fossile Energieträger und der ressourcenintensive industrielle bilden: REgenerate (Die Regneration und Wiederherstellung der Sektor. Große Öl- und Kohleunternehmen werden in einer Gesundheit der Ökosysteme), Share (Die intensivere Nutzung solchen Umschwungsphase massiv an Wert verlieren – übrig durch Teilen, Wiederverwenden und Instandhalten), Optimise bleiben dann deren stranded assets: Fördertürme, Flugzeug- (Die Erhöhung der Effizienz und Eliminierung von Verschwen- friedhöfe, Industrieruinen und Geisterökonomien. Auch deshalb dung), Loop (Die stoffliche Kreislaufführung), Virtualise (Die können wir den Übergang zu einem zirkularen regenerativen dematerialisierte Befriedigung von Bedürfnissen) und Exchange Industriesystem nicht mehr ignorieren. Wir brauchen also ein (der Einsatz fortschrittlicher Materialien, Technologien, Services neues Paradigma! und Produkte). Verständlicher wird die Logik dieser Hebel, wenn man Sie Auf der Suche nach einer neuen Logik auf die großen ressourcenverbrauchenden Bedürfnisse einer Volkswirtschaft, nämlich Mobilität, Lebensmittel und Wohnraum Und diese Suche nach einem neuen wirtschaftlichen Paradigma anlegt und sich die Frage stellt, wie dadurch ein demateria- und eines alternativen gesellschaftlichen Metabolismus geht lisiertes Alternativmodell entstehen kann: Beispielsweise die jeden an: Jede/n BürgerIn, LandwirtIn, UnternehmerIn und Überführung des heutigen Verkehrs in ein Mobilitätssystem, das PolitikerIn! Jeder steht vor der Herausforderung: Investieren verbunden, elektrifiziert, geteilt, autonom und basierend auf wir im Einzelnen und als Gesellschaft jetzt in die Vergangenheit cradle-to-cradle-Prinzipien ausgerichtet ist. Oder die Einführung oder die Zukunft. Kein Weg führt also mehr an einem zirkulären, dematerialisierter Lösungen statt heutigen Wegwerfprodukten: regenerativen Wertschöpfungssystem vorbei, denn es ist not- öffentliche Wasserspender statt verkaufter Plastikflaschen. wendig, attraktiv, möglich, verlangt von uns zwar deutliche sy- Die globale Ressourcenproduktivität nimmt ab, nicht zu Quelle: Global Footprint Network, 2012; UNDP, 2014; Global Resources Outlook 2019, IRP VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband 7
Dabei orientieren sich die AkteurInnen einer Kreislaufwirtschaft petenz ins Blickfeld: Wohlstandsgenerierung getrieben durch zunehmend weniger an Produkten und ihren Kosten, sondern Dematerialisierung und Dekarbonisierung. In einer solchen Welt an deren Nutzen und den konkreten Dienstleistungen. Statt des wird Ressourcenproduktivität zum politischen Leitindikator. Ein Verkaufs von Autos, stehen die Personenkilometer im Mittelpunkt entkoppeltes Industriemodell erfordert mehr als effizienteres oder eben die Kalorie gesunde Ernährung. Circular Economy Wirtschaften, es erfordert einen systemischen Umbau. bietet also nicht nur eine Möglichkeit, um Ressourcen zu sparen und das Klima zu schützen, sondern auch ein enormes Einspa- Dreifache Entkopplung als Geschäftsmodell rungspotenzial. Es stellt somit ein Instrument dar, um unsere Lebenshaltungskosten günstiger zu machen. Und die so erhöhte In der Vergangenheit ging es darum, möglichst viel wirtschaft- Ressourcenproduktivität wirkt als wirtschaftlicher Stimulus. Das liche Aktivität zu generieren (Wirtschaftswachstum). In der lässt sich auch bereits empirisch zeigen, denn je ressourcenpro- Zukunft sind massive Entkopplungen das Ziel. Wir müssen das duktiver ein Land, desto reicher ist es. Je mehr Wohlstand aus Wohlbefinden des Menschen entkoppeln von seiner wirtschaft- einer Ressource geschöpft werden kann, desto erfolgreicher ist lichen Aktivität, die wirtschaftlichen Aktivitäten vom Ressour- ein Land. Dies ist die Wohlstandsformel der Zukunft. cenverbrauch und den Ressourcenverbrauch wiederum von den Umweltauswirkungen. Diese dreifache Entkopplung muss das neue Geschäftsmodell Europas und der Welt werden. Dafür Dematerialisierung als neues Wachstumsmodell – brauchen wir geänderte Rahmenbedingungen. Der Green New „Kapitalismus ohne Kapital“ Deal ist dabei der erste Schritt, da er erstmals das Soziale, Und Circular Economy ist deswegen auch attraktiv, weil es eine das Ökologische und das Wirtschaftliche in einer Zielfunktion neue Technologieoption – die Dematerialisierung der industri- zusammenführt. Realistisch ist er nur, wenn wir geänderte ellen Produktion - aufgreift. Auch ganz ohne Ressourcen- und systemische Voraussetzungen schaffen. Dafür haben wir den Klimadebatte stellen wir fest, dass industrielle Wertschöpfung System Change Compass entwickelt, der als Navigationsinstru- zunehmend dematerialisiert. Bis zu dem Punkt, wo sich Indus- ment für politische Maßnahmen verwendet werden kann und triegesellschaften die Frage stellen, ob wir mit einer klassischen dazu führt, dass wir das System neugestalten und neu abbilden, Ausstattung industrieller Produktionsinfrastrukturen für die Zu- Interventionen entwerfen und implementieren sowie Akteu- kunft gewappnet sind. Deshalb rückt Im Kontext des Green Deal, rInnen mobilisieren und befähigen. des internationalen Ressourcenwettbewerbs, eine neue Kom- Dreifache Entkopplung als Geschäftsmodell Quelle: IRP (2019). Global Resources Outlook 2019 8 VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband
Der System Change Compass als Vorweg, es würde deutlich an Attraktivität gewinnen, wenn Öster- Navigationsinstrument reich 1. seine politischen Entscheidungen jährlich auf einen echten Darüber hinaus geht es nicht nur darum, mit diesem Kompass Fortschrittsindikator ausrichtet, so wie es das deutlich kleinere die alte bestehende Industrielandschaft zu transformieren und Neuseeland tut – und nicht länger nur nach dem BIP, in die Zukunft zu bringen, sondern das Zielsystem ausgehend 2. durch die Umschichtung von Arbeits- auf Ressourcensteuern von den Bedürfnissen rückwärts zu denken. Dazu müssen wir zum Wegbereiter für ein wirtschafts- und arbeitnehmerfreundli- auch über die politische Konstitution in der Breite nachden- cheres Steuersystem wird (wie in Schweden erstmals auspro- ken und nicht nur neue techno-industrielle Systeme schaffen biert), und auf erneuerbare Energien und Wasserstoff setzen. Die 3. einen Transformations- und Innovationsfonds aufsetzt (wie das systemischen Voraussetzungen können wir nur schaffen, wenn viel kleinere Finnland), wir folgende zehn Punkte verwirklichen: Wir müssen erstens 4. eine nationale Klimakommission einrichtet (wie Großbri- Wohlstand neu definieren und dabei auf mehr soziale Fairness tannien) sowie einen BürgerInnenrat (wie in Frankreich) um setzen, denn wir können Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft Langfristigkeit und Akzeptanz der Klimapolitik zu sichern nicht realisieren, wenn unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem 5. die Landwirtschaft im Sinne der Bauern und Konsumenten zu viele Verlierer erzeugt. Wir müssen zweitens Ressourcennutzung nach regenerativen Prinzipien neu ausrichtet, neu definieren und damit Wohlstand von der Nutzung natürlicher 6. das Corona-Konjunkturpaket nutzt, um den Finanzplatz Wien Ressourcen entkoppeln. Wir müssen drittens ein neues Fortschritts- zu einem Leitstandort für nachhaltige Finanzierung zu machen, verständnis entwickeln, welches die Erfüllung gesellschaftlicher 7. sich als Zentrum einer neuen Bauhausbewegung für nach- Bedürfnisse wieder in den Mittelpunkt unserer wirtschaftlichen haltiges Bauen und Stadtentwicklung etabliert, basierend auf Ökosysteme stellt. Viertens müssen wir die bestehenden Metriken (österreichischem) Holzbau und ökologischen Materialien, zur Messung von Wohlstand neu definieren. Fünftens müssen wir 8. die Märkte durch intelligente Regeln nutzt, um grünen Strom, Digitalisierung und intelligenten Wohlstand als Kern europäischer Rezyklate, organische Lebensmittel oder Ökosystemleistungen Wettbewerbsfähigkeit verstehen. Sechstens müssen wir ein System zu produzieren, aus Anreizen schaffen, die den wahren Wert von Sozial- und Na- 9. einen Digitalcluster „Industrie 5.0“ für die Entwicklung ressour- turkapital berücksichtigen. Siebtens müssen wir unsere Konsum- censchonender Produktionsmethoden und Geschäftsmodelle muster fundamental ändern und diese viel stärker am Nutzen und schafft und nicht am Besitzen ausrichten. Achtens müssen wir das Finanz- 10. den Aufbau einer Circular Economy mit weitgehendem Ersatz system zu einem Katalysator der Transformation umgestalten. von Primärrohstoffen durch Sekundärrohstoffe zur langfristigen Neuntens müssen wir die Governance unserer Gesellschaft auf ein Absicherung der Petro- und Metallindustrie des Landes voran- neues systematisches und wissensbasiertes Fundament stellen und treibt. zu guter Letzt zehntens einen neuen Generationenvertrag durch neue Formen der Führung errichten. Ob diese Vorschläge Gehör finden? Ich weiß es nicht. Aber es gibt Augenblicke, in denen sich alle in den Dienst einer großen Sache Chance für Österreich? Aktuelle Krise? der Zukunft stellen sollten und die vor uns liegende Transformation ist ein solcher Augenblick! Nie war der Zeitpunkt so gut wie jetzt! Das hört sich alles komplex und theoretisch an? Erlauben Sie mir Ihnen am Beispiel Österreichs aufzuzeigen, welche konkreten syste- mischen Schritte möglich und nötig wären, um aus Österreich ein ressourcenproduktiveres und umweltgerechteres Land zu machen. Die Aufnahme der Keynote zur Nachschaue finden Sie unter: https://www.ressourcenforum.at/ nachschau-viertes-nationales-ressourcenforum// VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband 9
Forum Gemeinden und Regionen Welche Rolle haben Regionen und Gemeinden in Bioökonomie und effizienter Kreislaufwirtschaft? Landrat Bernhard Kern Berchtesgadener Land Maic Verbücheln Deutsches Institut für Urbanistik Generalsekretär Walter Leiss Österreichischer Gemeindebund Gottfried Lamers Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Margit Krobath Modellregions Managerin, Ökoregion Kaindorf Sarah Reiter Regionalmanagerin EUREGIO Salzburg – Berchtesgadener Land – Traunstein Moderation: Lutz Dorsch FH Salzburg Kreislaufwirtschaftsansätze werden aktuell insbesondere im Zusam- Ansätze, richtige Akteure, Anreize sowie Angebote und Unterstützung menhang mit Großstädten thematisiert. Ein großer Teil der euro- über Förderprogramme, um das Thema in Kommunen systematisch päischen Bevölkerung lebt jedoch in Klein- und Kleinstgemeinden. zu erschließen und in die Breite tragen zu können. Städten, Gemeinden und Regionen wird ein immer größeres Poten- tial bei der Umsetzung der Ressourcenwende zugesprochen. Es gibt Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für die zahlreiche gute Beispiele, wie Projekte im Bereich der Ressourcenef- österreichischen Gemeinden fizienz, Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie bereits vorbildhaft um- gesetzt wurden. Das Forum hat mit unterschiedlichen ExpertInnen Walter Leiss, Generalsekretär des Österreichischen Gemeindebundes, eben diese Rolle, die Regionen und Gemeinden in Bioökonomie und betont in seinem Vortrag, dass es die Verantwortung der Gemeinden effizienter Kreislaufwirtschaft haben, diskutiert und konkrete Praxis- ist, als Wohn-, Lebens-, Arbeits- und Erholungsraum für ihre Bürger- beispiele beleuchtet. Innen attraktiv zu sein. Die möglichen Maßnahmen dazu sind sehr vielfältig. Er nennt einige konkrete Handlungsfelder, in denen Gemeinden als Die Rolle der Kommunen – Akteure und Antriebsmotoren für eine gelungene Ressourcen- und Kreislaufwirt- Handlungsfelder zur Optimierung lokaler Stoffkreisläufe schaft aktiv werden können. Besonders hervor hebt er dabei den Be- Maic Verbücheln, vom Deutschen Institut für Urbanistik, führte in sei- reich der Abfallwirtschaft. Hier sieht er insbesondere im Bereich des nem Impulsreferat in die Rolle der Kommunen im Themenfeld Stoff- Siedlungs- und Haushaltsabfalls, der Bereitstellung der Infrastruktur kreisläufe und Ressourcenschutz ein. Der Großteil der globalen Res- und in der Vernetzung und Kooperation mit der Privatwirtschaft die sourcenströme wird direkt oder indirekt in urbanen Systemen genutzt Kommunen als wesentliche Player mit Vorbild und Vorreiter-Funkti- bzw. konzentriert und gleichzeitig sind Kommunen BereitstellerInnen on. Als herausfordernd sieht er jedoch die nötige Bewusstseins- und regionaler und lokaler Infrastruktursysteme. Sie nehmen daher sehr Verhaltensänderung bei den BürgerInnen zu erreichen, denn „der unterschiedliche Rollen ein: sie sind Initiatoren, Koordinatoren, Mo- beste Abfall ist der, der gar nicht anfällt“. Kritisch merkt Leiss an, deratoren, Umsetzer, Partner, Finanziers, Vernetzer und Begleiter. Sie dass Europa mit den Zielvorgaben für die Kommunen im Handlungs- haben eine bedeutende Vorbildfunktion und durch die Nähe zu den feld überregulierend und die EU-Ziele teils unverhältnismäßig und BürgerInnen eine gute Einschätzung der Potenziale „vor Ort“. kaum erreichbar seien und fordert mehr Handlungsspielraum der Anhand von Beispielen stellt er einige Handlungsfelder und deren Mitgliedsstaaten. Potenziale und Ansatzmöglichkeiten vor: auf der Ebene der kommu- nalen Verwaltung hebt Verbücheln den Bereich der Stadtplanung und Bioökonomie auf kommunaler und regionaler Ebene des Bauens hervor. Hier stehen der Kommune durch z.B. Planung und eine kommunale Liegenschaftspolitik Steuerungsinstrumente Gottfried Lamers, Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, En- zur Verfügung. Auch den Bereich der Beschaffung und Wirtschafts- ergie, Mobilität, Innovation und Technologie, gab anschließend ein förderung betont er als wesentliche Handlungsfelder. Auf der Ebene Update zur Bioökonomiestrategie des Bundes. der kommunalen Unternehmen hebt er insbesondere den Bereich der Nach der Genehmigung der Bioökonomiestrategie im Frühjahr 2019 Abfallwirtschaft hervor. erfolgte der Auftrag, die Strategie mit der breiten Öffentlichkeit zu Ressourceneffizienz beschreibt Verbücheln als ein kommunales diskutieren und ein Maßnahmenpaket zu entwickeln. In 20 Work- Querschnittsthema mit Bedeutungszuwachs. Es braucht integrierte shops mit ca. 400 ExpertInnen quer durch Österreich wurden ca. 250 10 VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband
Maßnahmen erarbeitet und fachlich durch beteiligte Ressorts (BMK, und Energieverbrauchs und seiner Effekte wie bspw. Wertschöpfung, BMLRT, BMBWF) und die Bioökonomie Plattform bewertet– ca. 150 aber auch Abfallproduktion und Treibhausgasemissionen sind, weist sie Maßnahmen davon sollen nun auf lokaler Ebene und in Kooperation insbesondere auf die geringe Distanz zu den BürgerInnen und Unter- mit regionalen AkteurInnen umgesetzt werden. nehmerInnen hin. Dies ermöglicht als Koordinator und Vermittler für Eine dieser Maßnahmen ist beispielsweise die Digitale Sekundärroh- Bewusstsein auch eine Vorbildrolle einzunehmen. stoff-Börse (App), die österreichweit und auf regionale Levels herun- Anhand ganz konkreter Beispiele aus den Bereichen der nachhaltigen tergebrochen, Abfälle, Reststoffe und Nebenprodukte erfasst und Beschaffung, der gemeindeübergreifenden Kooperation, der Abfallwirt- deren Vermarktung ermöglicht. schaft und der nachhaltigen Flächennutzung zeigte sie die Vielfalt der Dass im Regierungsprogramm 2020-2024 dem Thema der Bioökono- Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene auf. mie ein eigenes Kapitel gewidmet ist, begrüßt Lamers sehr und stellt Auszüge mit kommunaler und regionaler Bedeutung dar. In der anschließenden Diskussion wurde hinterfragt, wie Gemeinden in Abschließend stellt er einige, aktuell umgesetzte Leuchtturmpro- der konkreten Umsetzung von Projekten unterstützt werden können. jekte (höhere Förderungen für Bioökonomiemaßnahmen, Waldfonds, Aus guten Praxisbeispielen können Gemeinden voneinander lernen. Plattform grüne Chemie) und die KLIEN Ausschreibung zu einer Bioö- Dem Wunsch nach fertigen, übertragbaren Angeboten ist jedoch schwer konomie Modellregion vor. Folge zu leisten. Vielmehr erforderlich ist, sich die regionalen Begeben- heiten gezielt anzuschauen und darauf aufbauend maßgeschneiderte Praxisbeispiel Ökoregion Kaindorf Projekte zu entwickeln. Das braucht know-how, Vernetzung und regio- nale Verantwortliche. Margit Krobath, stellt anschließend die von ihr gemanagte Ökoregion Kaindorf vor. Unter dem Motto „Warten wir nicht auf die anderen, sondern suchen wir Wege, wie es gehen könnte!“ wurde diese 2007 in der Ost-Steiermark gegründet. Als vereinsrechtlicher Zusammen- schluss von sieben Gemeinden zählt der überparteiliche Verein ca. Take Home Messages n Städte, Gemeinden und Regionen haben als Koordinator, Vermitt- 600 Mitglieder. Neben dem fix installierten Büro mit hauptamtlichen ler für Bewusstsein, Initiator und Vorbild großes Potential bei der MitarbeiterInnen betont sie besonders die ehrenamtliche Arbeit der Umsetzung der Ressourcenwende. neun ArbeitsgruppenleiterInnen im Vorstand. n Es besteht großer Bedarf nach Informationen über Förderprogram- Als Klima- und Energie-Modellregion setzt die Ökoregion seit 2009 me und Unterstützung in der Vernetzung. schwerpunktmäßig Projekte im Bereich Bewusstseinsbildung zum n Es gibt bereits zahlreiche gute Beispiele für bereits umgesetzte Klimaschutz um, aus denen sich die beiden Leuchtturmprojekte „Hu- Projekte auf kommunaler Ebene. Sie zeigen, dass Enthusiasmus und musaufbau Programm“ und „Natur im Garten Steiermark“ heraus Engagement im Kleinen viel bewirken können. entwickelt haben. Als Klimawandelanpassungs-Modellregion werden seit 2017 auch Projekte im Bereich klimafittes Bauen und Sanieren und klimafitte Waldbewirtschaftung forciert. Insgesamt wurden in den letzten 14 Jahren 350 Projekte umgesetzt. Krobath stellt einige davon näher vor und zeigt damit, dass Enthusi- asmus und Engagement im Kleinen viel bewirken können. Projekt RessourcenRegionEUREGIO+ Sarah Reiter, Regionalmanagerin der EUREGIO Salzburg-Berchtesga- dener Land-Traunstein, stellt in ihrem Vortrag das EUREGIO-Kleinprojekt namens RessourcenRegionEUREGIO+ vor. Die zentrale Fragestellung des Projektes lautet: „Wie können wir die Gemeinden im Bundesland Salzburg, Landkreis Berchtesgadener Land und Landkreis Traunstein un- terstützen, das Thema der Kreislaufwirtschaft auf kommunaler Ebene umzusetzen?“. Das aktuelle Forum bildet die Auftaktveranstaltung des Projektes. Reiter betont das große Potential von Städten, Gemeinden und Regi- Dieses Forum ist Teil des Projekts RessourcenRegionEUREGIO+ von Ressourcen onen bei der Umsetzung der Ressourcenwende. Neben der Tatsache, Forum Austria und EUREGIO Salzburg-Berchtesgadener Land-Traunstein und dass Gemeinden und Regionen zentrale Knotenpunkte des Ressourcen- wird über das EU-Programm Interreg VA Österreich/Bayern 2014-2020 finanziell unterstützt. VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband 11
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ENERGIE, DIE MEIN KLIMA SCHÜTZT. Klimaschutz geht auf. Darum setzt die Salzburg AG ausschließlich auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Für die tatkräftige Unterstützung hierbei bedanken wir uns herzlich bei Wasser, Wind und Sonne. salzburg-ag.at/meinklimaschutz VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband 13
Forum Wirtschaft Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft als Beitrag zu Dekarbonisierung und Klimaschutz Erna Etlinger-van der Veeren Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Mario Schmidt INEC Institute für Industrial Ecology, Hochschule Pforzheim Jakob Sterlich ClimatePartner Austria GmbH David Schönmayr Program Lead Sustainability by Design, Fronius International GmbH Walter Rabitsch Werksleiter, Brevillier Urban & Sachs GmbH & Co KG Johannes Fresner STENUM GmbH Michael Riegler Abteilung Klima & Umwelt, Kommunalkredit Public Consulting GmbH Moderation: Irene Schulte Ressourcen Forum Austria Erna Etlinger-van der Veeren leitete als Vertreterin des Klimaschutzmi- ceneffizienz im Betrieb konkret aussehen und was bringt das für das nisteriums die Session ein und betonte die bedeutende Rolle von Kreis- Klima? Schmidt zufolge ist das Bewusstsein und die Kenntnisse über die laufwirtschaftsansätzen für den Klimaschutz. Kreislaufschließungen eigenen Stoffflüsse sowie der Wert von Abfällen bzw. Reststoffen zen- und Materialeinsparungen sind aktiver Klimaschutz. Bewusst ist dem tral, denn oftmals liegt das einzusparende Geld quasi am Betriebshof. Ministerium, dass Green Deal, Aktionsplan Kreislaufwirtschaft, die neue Um dieses Bewusstsein zu heben, wurde in den 1990er die Methodik Industriestrategie sowie die maßgeblichen nationalen Rahmenbedin- der Materialflusskostenrechnung entwickelt. Sie bietet Betrieben einen gungen Produktionsbetriebe und Handwerk fordern. Etlinger-van der monetären Ansatz zur Berücksichtigung „versteckter“ Kosten auf Basis Veeren plädierte in Ihren Grußworten deshalb für ein gemeinsames der physischen Materialströme und berechnet das Vermeidungspoten- Handeln von öffentlicher Hand und Wirtschaft, um über Kreislaufwirt- tial sowohl für vermeidbare (wie auch für unvermeidbare) Verluste. Vom schaft und Ressourceneffizienz nicht nur die Umwelt zu schonen, son- Rohstoff bis zum Abfall werden in der gesamten Wertschöpfungsket- dern auch Kosten einzusparen und Wettbewerbsvorteile zu generieren. te Massen und Werte zugewiesen. So wird ersichtlich wie viel Materi- al nicht in das Produkt und damit nicht in Wertschöpfung fließt und Wie kann Ressourceneffizienz praktisch zum welche Kosten dabei entstehen (neben den Entsorgungskosten auch Klimaschutz beitragen? Logistik-, Produktions-, Investitions- und Energiekosten. Eine Bewertung der Materialverluste, also jener Materialien, die nicht in das Endprodukt Auch Mario Schmidt, Professor für ökologische Unternehmensführung einfließen ist dann nicht nur in Geld, sondern eben auch im Treibhaus- an der Hochschule Pforzheim schlug in dieselbe Kerbe und thematisier- gasemissionen möglich. Die Materiaflusskostenrechnung bietet dem- te, den wesentlichen Einfluss von Rohstoffbereitstellung und -einsatz nach nicht nur die Möglichkeit zur Einbeziehung der Klimarucksäcke für das Klima und die anderen Umweltprobleme. Wasserstress und Bio- von Vorprodukten und Materialien, sondern auch die Ermittlung der diversitätsverluste sind vor allem durch die Biomassebereitstellung ge- überflüssigen Emissionen durch Materialverluste. Die Materialflusskos- geben. Aber auch die globalen Treibhausgasemissionen sind zur Hälfte tenrechnung stellt somit ein Werkzeug zur Potentialanalyse dar. Eine in- auf die Rohstoffbereitstellung zurückzuführen (und eben nicht nur auf dividuelle Prioritätensetzung zur Abwägung von Optimierungsprojekten Mobilität und Energiesystem. Vielfach ist in Produktionsbetrieben aber erfolgt dann auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse! noch die Konzentration nur auf den Energiebereich vorherrschend. Zu Beginn verwies Schmidt nochmals auf die Dramatik der Entwicklung Wie kommt man zu einer ganzheitlichen unter globaler Perspektive: Der Ressourcenverbrauch ist stark anstei- Klimaschutzstrategie? gend. Pro Kopf verbraucht jeder Mensch aktuell 12 Tonnen Material pro Kopf und Jahr, bei Fortsetzung der aktuellen Entwicklungstendenzen Es ist also wesentlich, auch den Beitrag der Materialien zum Klimawan- liegt der Wert 2060 bei 18 Tonnen. Die BürgerInnen der reichen Indus- del zu berücksichtigen, bestätigte Jakob Sterlich von ClimatePartner triestaaten liegen bereits heute auf einem noch deutlich höheren Ni- Austria – auf betrieblicher Ebene geht das am besten über den Car- veau. bon Footprint. Will man der dramatischen Herausforderung zur Ein- dämmung der globalen Erwärmung und zur Einhaltung des 1,5 Grad Die Welt braucht immer mehr an Rohstoffen, Ziels entsprechen, so sind alle AkteurInnen gefordert ihre absoluten Ressourceneffizienz ist deshalb ein Megathema Emissionen rapide zu reduzieren, so Sterlich. Aktuell emittiert jeder Ös- terreicherIn im Durchschnitt 9 Tonnen CO2, für das 1,5 Grad Ziel wäre Die Ressourcenfrage wurde in der Vergangenheit vor allem aus der eine Reduktion des pro-Kopf-Fußabdrucks auf unter 1 Tonne CO2 pro Knappheitsdiskussion heraus thematisiert, und Ressourceneffizienz so Jahr notwendig. Viele Unternehmen nehmen Ihre Verantwortung be- auch ein zentrales Thema der Wirtschaftspolitik. Wie kann nun Ressour- reits wahr und wollen ganzheitlichen Klimaschutz betreiben. Dieser 14 VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband
setzt zuerst die Messung des Status Quo voraus, um darauf basie- der, sondern auch wirtschaftlicher war. Das Beispiel zeigt einerseits wie rend konsequente Reduktionsmaßnahmen zu setzen oder zertifizierte komplex die Optimierung einzelner Prozessstufen ist und andererseits, Kompensationen durchzuführen. Sterlich schlägt folgende Schritte für wie wichtig es ist, für alle Prozesse relevante Daten zu beobachten, zu eine ganzheitliche Klimaschutzstrategie vor: Zu Beginn steht eine um- erfassen und genau und systematisch zu analysieren. fassende Bestandsaufnahme aller relevanten Emissionsquellen eines Unternehmens entlang der gesamten Wertschöpfungskette (Scope 1-3) Werkzeuge und Förderungen für Ressourceneffizienz sowie auf Produktebene. Darauf basierend ist eine Strategie mit klaren und Kreislaufwirtschaft im Betrieb Zielen und konkreten Reduktionsmaßnahmen zu erarbeiten. Diese Stra- tegie ist dann sukzessive umsetzen, wofür es wichtig ist Verantwort- Johannes Fresner, STENUM GmbH, präsentierte im Anschluss ein neues lichkeiten zuzuweisen, sowie ein laufendes unabhängiges Monitoring Werkzeug, welches produzierende Unternehmen bei der Identifikation zu installieren. Nicht zuletzt ist eine gute Kommunikation der gesetzten von Potenzialen zur Steigerung der Ressourceneffizienz entlang des Pro- Maßnahmen im Sinne eines „Tue Gutes und spreche darüber“ wichtig. duktlebenszyklus unterstützt: den Ressourcen Check für Ressourcen- Auch Sterlich betont wie seine Vorredner die Rolle der Rohstoffe für effizienz und Kreislaufwirtschaft im Betrieb. (Mehr dazu auf Seite 16) die betriebliche Klimabilanz in der Industrie. Rohmaterialien und Ver- Zum Abschluss präsentierte Michael Riegler das Förderungsangebot der packungen weisen häufig das größtes Reduktionspotential auf. Sterlich Umweltförderung für Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffi- untermauerte dies an Beispielen aus der Glas- und Büroartikelindustrie. zienz und dem Einsatz nachwachsender Rohstoffe und konnte anhand von interessanten Projektbeispielen zeigen, wie die angesprochenen Förderungen innovativer Maßnahmen wesentlich zur Reduktion des Optimieren für Börsel und Klima Materialeinsatzes in vielen Branchen der österreichischen Wirtschaft Beispiele aus der betrieblichen Praxis lieferten im Anschluss Vertreter beitragen. von Brevillier Urban & Sachs GmbH & Co KG und Fronius Internatio- nal GmbH. Sie konnten aufzeigen, wie ihr Handeln die Betriebe auf den Weg zur Klimaneutralität bringt. David Schönmayr zeigte Produktnach- Take Home Messages haltigkeit anhand eines konkreten Produktes – eines PV-Wechselsrich- n Der Ressourceneinsatz hat einen wesentlichen Einfluss auf ters - und wie auf jedem einzelnen Wertschöpfungsschritt Maßnahmen überlegt und umgesetzt werden. Konsequent wird dabei bei Fronius auf Umwelt und Klima, Optimierungen und Kreislaufschließungen Effizienz und Kreislaufschließungen von Materialien in der Produktion, können deshalb auch wesentlich zum Klimaschutz beitragen n Ganzheitliche betriebliche Klimastrategie ist nur auf Basis ei- erhöhte Langlebigkeit durch Servicekonzepte und eigenem Repair Cen- ter sowie Haltbarkeit durch hohe Qualitätsstandards geachtet. Walter ner umfassenden Bestandsaufnahme aller relevanten Emis- Rabitsch zeigte wiederum auf, dass es immer einer ganzheitlichen Be- sionsquellen eines Unternehmens entlang der gesamten trachtung entlang aller Stufen des Produktionsprozesses bedarf. Sonst Wertschöpfungskette (Scope 1-3) sowie auf Produktebene kann es dazu kommen, dass vermeintliche Optimierungen an einer möglich. n Prozessoptimierungen müssen immer systematisch analy- Prozessstufe, zu Effizienzverlusten der gesamten Produktion führen. Die Materialkosten sind bei Brevillier Urban & Sachs GmbH & Co KG, wie bei siert werden. vielen Produktionsbetrieben ein wesentlicher Kostenfaktor, deshalb ist der Einkauf ständig um Kosteneinsparungen bemüht. In einem Projekt bediente man sich deshalb günstiger eingekaufter Materialien, doch wiesen diese über alle Produktionsstufen hinweg eine deutlich höhere Ausschussziffer auf. Trotz Einsparungen von 15% im Einkauf kam es somit zu höheren Herstellkosten aufgrund des erhöhten Ausschusses. Dieser führte zu vermehrten Störungen, einer dadurch verlängerten Maschinenlaufzeit samt höheren Energiekosten und Personaleinsätzen. Zudem stieg auch die betriebliche CO2 Bilanz durch den höheren Mate- Dieses Forum ist Teil der „Webinarreihe zur Förderung von Ressourceneffizienz- rialeinsatz sowie dem höheren Wärme- und Strombedarf. Somit zeigte und Kreislaufwirtschaftsaktivitäten in Österreichs Produktionsbetrieben“ von sich, dass der vermeintlich teurere Input nicht nur ressourcenschonen- Ressourcen Forum Austria und STENUM GmbH und wird finanziert durch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und bildet gemeinsam mit den Webinaren des Schweizer REFFNET ein grenzüberschreitendes Informationsangebot. VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband 15
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DER STIEGL-NACHHALTIGKEITSBERICHT 2020 Nachhaltige Braugerste Mehr zu den Themen „Nachhaltige Braugerste“, Kreislaufdenken und dem verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen in Österreichs führender Privatbrauerei, lesen Sie im aktuellen Stiegl-Nachhaltigkeitsbericht unter www.stiegl.at/nachhaltigkeit VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband 17
Forum Landwirtschaft Bioökonomie als Chance der Landwirtschaft? Das Beispiel Gülle Kasimir Nemestothy Landwirtschaftskammer Österreich & Ressourcen Forum Austria Martin Greimel Zentrum für Bioökonomie, Universität für Bodenkultur Wien Elisabeth Neudorfer Landwirtschaftskammer Salzburg Christian Werni Landwirtschaftskammer Steiermark Franz Kirchmeyr Kompost & Biogas Verband Österreich Alfred Pöllinger HBLFA Raumberg-Gumpenstein Konrad Steiner HBLA Ursprung Thomas Sepperer und Alexander Petutschnigg FH Salzburg, Campus Kuchl Moderation: Matthias Greisberger Landwirtschaftskammer Salzburg Eine Session des Vierten Nationalen Ressourcen Forum beleuchtete ein zur Landnutzung oder Raumordnung, Politikberatung und Monitoring. doch eher unkonventionelles Thema, an dessen bioökonomisches Po- Aber auch Überlegungen zum Themenkomplex „Tank/Trog/Teller“ zur tenzial man im ersten Moment nicht sofort denkt. Doch Gülle ist eines gesellschaftlichen Akzeptanz, Ethik, Kommunikation und Risikofolgen- der bedeutendsten und wertvollsten Produktionsmittel in der viehhal- abschätzung sind zu bedenken. Im konkreten Fall „Bioökonomie und tenden Landwirtschaft. Ohne Nährstoffe kann kein Pflanzenwachstum Gülle“ könnten nach Greimel die vier Teilbereiche in der Abbildung auf stattfinden. Es ist von großer Bedeutung, die Nährstoffe im Kreislauf der folgenden Seite dargestellt werden. Eine wichtige Botschaft ist, zu halten. Bioökonomie kann viel zu einem verbesserten Nährstoff- dass Gülle keinesfalls ein Abfallprodukt darstellt, sondern als wert- management beitragen, war auch der Vizepräsident des Ressourcen volles Betriebsmittel und Nährstoffreservoir in der kreislauforientierten Forums Austria Kasimir Nemestothy bei seinem Eröffnungsstatement Landwirtschaft zu sehen ist. überzeugt. Gülle und Kreislaufwirtschaft Teilbereiche der Bioökonomie Die Nährstoffe der Gülle und anderer Wirtschaftsdünger sollen im Martin Greimel vom Bioökonomie Zentrum der BOKU rückte die Defini- Kreislauf gehalten werden. Über landwirtschaftliche Produkte, wie tion der Bioökonomie in den Fokus. Mit ihr wird grundsätzlich das Ziel Milch oder Fleisch, werden sie jedoch aus dem Kreislauf ausge- verfolgt, von der erdölbasierten Wirtschaft weg und hin zu einer Markt- schleust. Mit zugekauften Futtermitteln, Mineralstoffmischungen oder wirtschaft zu kommen, in der fossile Ressourcen durch verschiedene Zukaufsdünger kann der Nährstoffpool wieder aufgefüllt werden, so nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden. Um die Bioökonomie als die Ausführungen von Elisabeth Neudorfer von der Landwirtschafts- Ganzes voranzutreiben, sollten dabei stets vier Teilbereiche interdiszi- kammer Salzburg. Aber auch Verluste wie die Stickstoffausgasung plinär erforscht und gemeinsam betrachtet werden. Die Teilbereiche durch Ammoniak, die bei der Lagerung und Ausbringung von Gülle „Rohstofferzeugung“ rund um das Pflanzenmanagement vom Anbau auftreten kann, gilt es zu minimieren. Hierbei stellen sich viele Heraus- bis zur Ernte oder das Tiermanagement mit den Themengebieten forderungen am landwirtschaftlichen Betrieb. Bei der Reinigung von Zucht, Fütterung und Haltung und der Bereich „Be- und Verarbeitungs- Stallflächen, der baulichen Gestaltung des Güllelagerbehälters sowie prozesse“ mit Forschung zur Ernteaufbereitung sowie Technologien zur bei der Verdünnung mit Wasser zur Verbesserung der Fließfähigkeit, Biomasseumwandlung stehen vielfach im Fokus von bioökonomischen der Gülleausbringtechnik und bei der Erforschung von Güllezusätzen Aktivitäten. Wie auch in der österreichischen Bioökonomiestrategie und Technologien zur Nährstoffextraktion kann angesetzt werden. festgehalten, sollten von Beginn an auch „Umweltwissenschaftliche Aspekte“ und „Sozialwissenschaftliche Aspekte“ mitbedacht werden. Bioökonomie in der Güllewirtschaft Bei ersterem sollen Themenfelder wie Nachhaltigkeit, kaskadische Nutzung, Ökobilanzierung, Beitrag zu Klimazielen oder Ökosystem- Das EIP-Projekt Ammosafe hat sich zum Ziel gesetzt ein praktisch leistungen berücksichtigt werden. Die „Sozialwissenschaftlichen umsetzbares, technisches, kostengünstiges und mobiles Verfahren Aspekte“ umfassen die Ökonomie, das Konsumverhalten, Trade offs zur Wirtschaftsdüngeraufbereitung zu entwickeln, um mit einer Abscheiderate von über 90 % den Ammonium-Stickstoff aus der Gülle 18 VIERTES NATIONALES RESSOURCENFORUM | Tagungsband
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