Technische Universität Berlin

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                                                Fakultät III
                                                Prozesswissenschaften
                                                __________________________________________

                                                Referat für Lehre und Studium
                                                __________________________________________

                                                          OWL-Projekt
                                                          Studienabbruch

              OWL – „Offensive Wissen durch Lernen“

                    Abschlussbericht

                       zum OWL-Projekt

                 Studienabbruch 2.-4. Semester:
Statistische Erhebung, sozialwissenschaftliche Untersuchung und
           Maßnahmen in zentralen Großveranstaltungen

                     Projekt-Nr. 9935/33/50
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Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                 2

Projekt-Team

Leitung
Silke Müllers, Helmut Schubert

Studentische Mitarbeit
Christian Bockisch, Sirkka Jacobsen, Susann Klemcke, Maria Norkus, Julia Schaufler

Das Projektteam bedankt sich für die freundliche und hilfreiche Unterstützung

seitens der zentralen Universitätsverwaltung
Horst Henrici, Sabine Kinzel, Karin Lech, Erhard Zorn

sowie für die wissenschaftliche Beratung
Nina Baur

Redaktion

Christian Bockisch, Silke Müllers, Maria Norkus, Helmut Schubert
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Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                          3

                                       Inhaltverzeichnis

1   Vorstellung des Projekts „Studienabbruch“                                            5
    1.1 Ziel des Projekts                                                                5
    1.2 Problemdarstellung                                                               5
    1.3 Methodisches Vorgehen                                                            6
2   Forschungsfeld und Begriffsdefinition „Studienabbruch“                               8
    2.1 Begriffsdefinition                                                               8
    2.2 Forschungsstand und aktuelle Erklärungsansätze                                   8
3   Projektdurchführung                                                                 10
    3.1 Statistische Untersuchungen                                                     10
        3.1.1 Abbruchanalyse                                                            10
              3.1.1.1    Anteile der Abbrecher/innen an Erst- und Neuimmatrikulierten   10
              3.1.1.2    Verteilung der Abbrecher/innen über die Fachsemester           12
        3.1.2 Studiengangswechsel                                                       13
        3.1.3 Analyse der Moses-Daten aus dem Bereich Mathematik                        15
              3.1.3.1    Notenspiegel aller Studiengänge zusammengefasst                16
              3.1.3.2    Gesamt-Durchfallqoute nach Studiengang und Fach                17
              3.1.3.3    Gesamt-Durchfallqoute nach Geschlecht und Fach                 17
              3.1.3.4    Anmeldung und „nicht erschienen“ zum Prüfungstermin            17
              3.1.3.5    Überprüfung von Mathematik als möglichem Abbruchgrund          18
    3.2 Gruppendiskussion                                                               20
        3.2.1 Durchführung                                                              20
        3.2.2 Ergebnisse                                                                20
    3.3 Fragebogen zum Studienabbruch                                                   23
        3.3.1 Grundlage und Durchführung                                                23
        3.3.2 Ergebnisse der Analyse des Fragebogens                                    24
              3.3.2.1    Soziale Integration                                            24
              3.3.2.2    Leistungsdefizite                                              26
              3.3.2.3    Überforderung                                                  26
              3.3.2.4    Erwerbstätigkeit                                               27
              3.3.2.5    Falsche Studienfachentscheidung                                28
              3.3.2.6    Interessenwechsel                                              29
              3.3.2.7    Ausstattung an der Universität                                 29
              3.3.2.8    Studienorganisation                                            30
              3.3.2.9    Lehre und Lehrende                                             31
              3.3.2.10   Persönliche und familiäre Probleme                             33
              3.3.2.11   Soziale Herkunft                                               34
              3.3.2.12   Finanzielle Probleme                                           34
              3.3.2.13   Zusammenfassung                                                35
4   Projektergebnisse                                                                   38
    4.1 Zusammenfassung der Einzelergebnisse                                            38
    4.2 Handlungsfelder                                                                 44
    4.3 Selbsteinschätzung zu diesem OWL-Projekt                                        47
5   Anhang                                                                              48
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    5.1 Abbildungsverzeichnis                               48
    5.2 Literaturhinweise                                   49
    5.3 Merkblatt zur Gruppendiskussion                     50
    5.4 Leitfaden zur Gruppendiskussion                     51
    5.5 Zusammenfassung der Gruppendiskussionen             52
    5.6 Interview mit der Psychologischen Studienberatung   56
    5.7 Fragebogen                                          57
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1         Vorstellung des Projekts „Studienabbruch“

1.1       Ziel des Projekts

Das OWL – „Offensive durch Lernen“ – Projekt hat zur Aufgabe, das Studienabbruchverhal-
ten der Studierenden der Fakultät III Prozesswirtschaften in den letzten vier Jahren zu unter-
suchen. Ziel des Projekts ist eine Analyse des Abbruchverhaltens als Basis für die Qualitäts-
verbesserung von Lehre und Studium sowie begleitender Maßnahmen und damit die Erhö-
hung der Erfolgsquote der einzelnen Studiengänge.

Die Fakultät III „Prozesswissenschaften“ bietet die Bachelorstudiengänge Energie- und Pro-
zesstechnik, Technischer Umweltschutz und Werkstoffwissenschaften an, außerdem den
Studiengang Lebensmittelchemie (Abschluss Staatsexamen oder Diplom) sowie die Diplom-
studiengänge Biotechnologie, Lebensmitteltechnologie, Energie- und Verfahrenstechnik,
Gebäudetechnik und Werkstoffwissenschaften.

Der Studienabbruch im 2. bis 4. Semester steht im Fokus der Untersuchungen.

1.2       Problemdarstellung

Aufbauend auf mathematisch-naturwissenschaftliche Grundlagen beinhalten die Studienkon-
zepte der Fakultät III einen gemeinsamen ingenieurwissenschaftlichen Bereich. Viele Pro-
bleme - angefangen von Standortwechsel, ungewohntem Zwang zur Selbstorganisation,
Stressfähigkeit, Zweifel am Studienziel, begrenzte oder mangelnde Ausstattung der Praktika,
didaktische Probleme der Großveranstaltungen bis hin zu Orientierungsproblemen in einem
neuen sozialen Umfeld - kommen hier zusammen. Es ist anzunehmen, dass dies die zen-
tralen Gründe für den Studienabbruch sind. Genaue Ursachen, Anteile oder Zusammen-
hänge sind jedoch nicht bekannt.

Als Arbeitshypothese wird das Abbruchverhalten in verschiedene Fallgruppen gegliedert, die
auf unterschiedlichen Gründen basieren und verschiedene Gegenmaßnahmen ermöglichen:

      • externe Gründe wie Familie, Ortwechsel, Krankheit etc.
        (nicht durch die TU Berlin zu beeinflussen)
      • Qualität der Serviceveranstaltungen
        (darauf hat die Fakultät III nur begrenzten Einfluss)
      • Geplanter Studiengangswechsel aufgrund von Zulassungsbeschränkungen in einem
        anderen Studiengang (typische Wechselkonstellationen innerhalb der Fakultät)
      • „Fehlpassung“ zwischen Studierverhalten und Studienangebot

Die so genannte „Fehlpassung“ ist das Hauptfeld der Untersuchung, zumal die Fakultät da-
rauf den größten Einfluss hat. Hier spielen Faktoren wie Finanzmangel, fehlende personelle
Ausstattung und Räumlichkeiten, didaktische Unzulänglichkeiten und eine Vielzahl admini-
strativer Regularien einerseits und Orientierungsschwierigkeiten, ungeschicktes Zeitmana-
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gement, mangelnde Gruppenbildung und soziale Vernetzung, falsche Einschätzung des
Schwierigkeitsgrades bzw. der eigenen Leistungsfähigkeit, mangelnde Motivation und Hin-
wendung zu anderen Lebensinhalten andererseits eine Rolle.

1.3        Methodisches Vorgehen

Es stehen keine sozialwissenschaftlichen Methoden zur Verfügung, die zielgenau zu den
oben genannten Fällen passen. Letztlich lässt sich nur eine Untersuchung durchführen, die
ein möglichst bereites Spektrum an Gründen erfasst, um diese in einer anschließenden
Auswertung zu sichten. Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen:

      • Welche Faktoren behindern den Studienfortschritt und was sind Gefahren in den
          ersten Semestern?
          Zielgruppe: Studierende der ersten Semester.
      • Wer wechselt innerhalb der Studiengänge der Fakultät III, aus diesen heraus oder in
          diese hinein und zu welchem Zeitpunkt?
          Zielgruppe: 1. - 7. Semester
      • Wenn abgebrochen wurde, was sind die Gründe?
          Zielgruppe: Studienabbrecher/innen

Die Wahl der Methoden der Abbruchanalyse wurde mit Frau Prof. Nina Baur vom Fachgebiet
Methodenlehre der Fakultät VI diskutiert. Demnach erfolgte die Analyse des Studienab-
bruchverhaltens an der Fakultät III methodisch durch die Verknüpfung qualitativer und quan-
titativer Verfahren:

      •   Erhebung und Auswertung statistischer Daten:
             - zum Studienabbruch
             - zum Studiengangswechsel
             - zu Prüfungsergebnissen im Fach Mathematik
      •   Gruppendiskussionen mit Studierenden der Fakultät III
      •   Fragebogen zum Studienabbruch

Die Akteure dieser Analyse sollten über ein Mindestmaß an methodischen soziologischen
Grundkenntnissen verfügen.

Frau Sirkka Jacobsen, Studentin der Energie und Verfahrenstechnik, hat Vorlesungen zur
Sozialforschung belegt, die sie in die Lage versetzten, strukturierte Gruppendiskussionen
vorzubereiten, durchzuführen und auch auszuwerten, gemeinsam mit Frau Müllers vom Re-
ferat für Lehre und Studium und Frau Richter, Mitarbeiterin im OWL-Projekt GiNUT (Gender
in Natur-, Umwelt- und Technikwissenschaften) und für die Berücksichtigung von Gender-
aspekten in allen Evaluationen der Fakultät III zuständig.

Für eine Analyse des Studiengangwechsels sollte die Zahl der Studierenden ermittelt wer-
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den, die die Studiengänge der Fakultät III verlassen, außerdem wohin sie wechseln. Hier war
der Zugriff auf Daten der Abt CD hilfreich. Diesbezüglich wurde in Absprache mit Herrn Dr.
Thurian (SC3), Frau Dr. Kinzel (CD) sowie der Datenschutzbeauftragten Frau Röthig eine
Datenanalyse ausgeführt. Für diesen Bereich wurde Herr Bockisch, Student der Biotechno-
logie, eingestellt, der bei Frau Dr. Kinzel die Handhabung des Statistikprogramms SPSS ver-
tiefte. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass dies unter Einhaltung der Datenschutzrichtli-
nien erfolgte und die Fakultät III zu keinem Zeitpunkt direkten Zugriff auf personenbezogene
Daten oder Adressen hatte.

Letztlich sollte erfasst werden, welche Gründe von Abbrecher/innen angegeben werden.
Hierzu wurde mit Herrn Dr. Henrici (I A) vereinbart, die entsprechenden Personen in der
Adressdatenbank zu identifizieren und ihnen einen eigens entwickelten Fragebogen zu
schicken, dessen Beantwortung auch online ermöglicht wurde. Für die Entwicklung und
Auswertung des Fragebogens wurden drei Studentinnen der Soziologie, Frau Maria Norkus,
Frau Julia Schaufler und Frau Susann Klemcke, eingestellt.

Im Folgenden sind diese drei Einzelmaßnahmen als Berichte zu finden. Es schließt sich eine
Bewertung an, aus der die Projektmitarbeiter/innen Handlungsempfehlungen ableiten.
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2        Forschungsfeld und Begriffsdefinition „Studienabbruch“

2.1      Begriffsdefinition

Als Studienabbrecherinnen oder Studienabbrecher werden Personen bezeichnet, die das
Studium an der Fakultät III Prozesswissenschaften der TU Berlin beginnen und ohne Ab-
schluss beenden. Als Abbrecher/innen gelten in diesem Fall auch Studierende, die nach dem
Abbruch ein anderes Studienfach an einer anderen Fakultät der TU oder einer anderen Uni-
versität beginnen oder aber das gleiche Studienfach an einer anderen Universität fortsetzen.

Die Untersuchung umfasst Studierende der Fakultät III, die ihr Studium innerhalb der letzten
sieben Jahre abgebrochen oder innerhalb der Fakultät gewechselt haben.

2.2      Forschungsstand und aktuelle Erklärungsansätze

Der aktuelle Forschungsstand ist breit gefächert und schwer überschaubar. Die Forschungs-
ergebnisse sind ebenso unterschiedlich wie die Forschungsfragen, die den Studienabbruch
behandeln, und die Methoden, die zur Datengenerierung genutzt werden.

Die Erklärungsansätze, die aus den verschiedenen Theorien zum Studienabbruch extrahier-
bar sind, sind vielfältig. Es wird besonderes Augenmerk auf folgende Problematiken gelegt,
die im Folgenden kurz dargelegt werden sollen.

Genderaspekte
Eine nicht unbedeutende Zahl der Untersuchungen zum Thema Studienabbruch beschäftigt
sich mit der Frage, inwieweit Geschlecht eine Kategorie ist, an der sich unterschiedliches
Studienabbruchverhalten ausmachen lässt. Es gibt zwar kaum Unterschiede in den Zahlen,
dafür aber Studienabbruchgründe, die viel deutlicher bei Frauen auftreten. Dazu zählen
familiäre Probleme. Besonders Kindererziehung ist ein wichtiger und sehr ausschlaggeben-
der Grund für Frauen, ihr Studium zu beenden. Ein Motiv, das bei Männern eine weit weniger
große Rolle spielt. Frauen sind immer noch hauptverantwortlich für die Kindererziehung und
auch viel häufiger allein erziehend. Offensichtlich ist die Vereinbarkeit von Familie und Stu-
dium für Frauen sehr viel schwerer zu bewerkstelligen. Auch das Berufsfeld, auf das die uni-
versitäre Ausbildung vorbereiten soll, ist stark männlich geprägt. Gründe für einen Studien-
abbruch könnten demnach schlechte Berufsaussichten für Frauen sein.

Soziale Herkunft
Besonders die soziale Herkunft ist ein Feld, mit dem sich viele Studien beschäftigen. Die Zu-
gehörigkeit zu einer bestimmten, sozialen Schicht bedingt den Bildungszugang, dementspre-
chend die Hochschulvoraussetzungen sowie den Verbleib an der Hochschule und die Karrie-
reaussichten. Die Hürden, einen Studienplatz an der Universität zu bekommen, sind für
Menschen aus sozial schwächer gestellten Gruppen schwerer zu überwinden, da soziale
Selektionsmechanismen bereits in der Schulzeit wirken. Laut HIS-Studie 2003 kommen nur
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11% der Studierenden aus einer niedrigen sozialen Herkunftsgruppe, 81% aus gehobenen
Schichten1. Studierende aus unteren sozialen Herkunftsgruppen haben häufig finanzielle
Probleme, da der Finanzierungsrahmen bei ihnen enger gestrickt und durch kleine Schwan-
kungen aus dem Gleichgewicht zu bringen ist. Aber auch kulturelle Probleme spielen eine
Rolle. Unterstützung und Hilfe sind unerlässlich, um die Motivation zu erhalten und Krisen zu
bewältigen. Dies ist in bildungsferneren Schichten seltener gegeben, da hier das Studium
eher als Risiko betrachtet wird und von der eigenen Lebensrealität weit entfernt ist. Studie-
rende aus bildungsferneren Schichten fällt es schwerer, sich an Hochschule und ihr soziales
System zu gewöhnen und möglicherweise auftretende Studienprobleme zu bewältigen.

Studienbedingungen
Schlechte Studienbedingungen sind oft Kristallisationspunkt der Kritik. Sowohl von Seiten
Studierender und Studienabbecher/innen wie auch der Öffentlichkeit wird immer wieder Kritik
an den Studienbedingungen laut. Obwohl stark bemängelt, führen schlechte Studienbedin-
gungen nicht zwangsläufig zu einem Studienabbruch. Allerdings entstehen im Zuge
schlechter Studienbedingungen oft Motivationsverluste, welche den Studienabbruch begün-
stigen. Schlechte Betreuung an der Universität, mangelnde technische Ausstattung, unüber-
sichtliche Studienorganisation, veraltete Lehrmethoden, schlechte Didaktik, Massenveran-
staltungen, fehlende Lern- und Pausenräume werden von Studierenden seit Jahren bemän-
gelt und können dazu führen, dass sie sich nicht in das System Hochschule integrieren kön-
nen und an institutionellen Rahmenbedingungen scheitern, obwohl sie kognitiv gut aufge-
stellt sind. Besonders deutlich wird die Kritik, wenn es um die Ausstattung der Hochschule
geht. Die Ausstattung der Labore, aber auch ungenügende Pausen und Aufenthaltsräume
sowie überfüllte Hörsäle sind nur einige der Kritikpunkte, die immer wieder von Studierenden
und Studienabbrecher/innen genannt werden.

Persönliche Gründe
Besonders in den Naturwissenschaften und den technischen Fächern werden eigene Lei-
stungsdefizite und Prüfungsversagen als Hauptgründe für den vorzeitigen Austritt aus der
Universität angeführt. Viele Studierende scheitern an persönlichen Problemen, die sich dem
universitären Einflussbereich fast gänzlich entziehen. Zu persönlichen Problemen gehören
beispielsweise eigene Krankheit, Konflikte innerhalb der Familie oder im Bekanntenkreis. Die
Aufnahme eines Studiums ist verbunden mit einer Neugestaltung der Lebenssituation.
Verbunden ist die Aufnahme des Studiums zumeist mit einem Ortswechsel, dem Verlust von
Freunden und Familie und den komplexen Anforderungen der Organisation des Studienall-
tags. Gerade junge Menschen, die frisch aus der Schule kommen, finden sich in dieser Situ-
ation nur schwer zurecht.

1
 Heublein, Ulrich/Sommer, Dieter, Spangenberg, Heike: Ursachen des Studienabbruchs. Analyse
2003. URL: http://www.bmbf.de/pub/ursachen_des_studienabbruchs.pdf (abgerufen am 06.09.08)
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3        Projektdurchführung

3.1      Statistische Untersuchungen

3.1.1    Abbruchanalyse

Die Abbruchanalyse umfasst aufgrund der zum Zeitpunkt der Untersuchung vorhandenen
Daten nur die Semester WiSe 00/01 bis SoSe 07. Der Begriff Abbrecher/in kann verschieden
definiert werden. Hier wird ein/e Abbrecher/in als Studierende/r definiert, die/der ohne be-
standene Hauptdiplomprüfung abbricht. Dabei gilt als Abbrecher/in, wer ohne Vordiplom oder
Hauptdiplom abgebrochen hat, unabhängig davon, ob eine Prüfung endgültig nicht bestan-
den worden ist und aus welchen Gründen das Studium abgebrochen wurde. Im Gegensatz
dazu gilt jemand nicht als Abbrecher/in, wenn ein Wechsel innerhalb der Fakultät III stattfin-
det.

Da die Prüfungsdatenbank als Ausgang genutzt wird, liegt mindestens eine Prüfungsanmel-
dung vor. Damit ist ausgeschlossen, dass sich jemand nur eingeschrieben und keinerlei Ak-
tivitäten vorgenommen hat. Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass Studierende sich
zwar zur Prüfung anmelden, aber auch wieder abmelden. Zur Analyse wurden die Daten aus
der Prüfungs-, Studienverlaufs- und Stammdatenbank herangezogen, um die notwendigen
Daten zu generieren. Es sind Fehler in den Datenbanken bekannt, und mögliche geringe
Fehler wurden einkalkuliert. Daher muss man auch davon ausgehen, dass nur eine Stich-
probe und nicht die Grundgesamtheit untersucht wurde, da es durchaus sein kann, dass we-
gen Fehleinträgen nicht alle Fälle oder Prüfungen untersucht wurden konnten. Leider hat
sich im Verlauf des Projektes gezeigt, dass aus den Daten kein direkter Exmatrikulations-
grund, wie z. B. ein bestimmtes Fach, herzuleiten ist.

3.1.1.1 Anteile der Abbrecher/innen an Erst- und Neuimmatrikulierten

Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, waren der Frauen- und Männeranteil im WiSe 2000/01 na-
hezu gleich. Danach ging die Frauenquote der Neuimmatrikulierten deutlich zurück, gefolgt
von einem erneuten Anstieg bis zum SoSe 07, in dem wieder fast gleich viele Männer wie
Frauen immatrikuliert wurden.

Um Verfälschungen durch Schwankungen der absoluten Neuimmatrikulationszahlen bzw.
Abbrecherzahlen in der Zeitreihe zu vermeiden, wurde in der Analyse (Abbildung 2) der An-
teil der Abbrecher von den Neuimmatrikulierten anhand des Startsemesters (Verbindungs-
merkmal) untersucht. Deshalb ist auch nur ein kleinerer Zeitraum (WiSe 00/01 bis WiSe
03/04) dargestellt. Außerdem wurde nur das Wintersemester berücksichtigt. Zu erwähnen ist,
dass Fehleinträge in der Datenbank zur Neuimmatrikulation (rückgemeldet statt neu immatri-
kuliert) bei einem Studiengangwechsel nicht berücksichtigt werden können.
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Abbildung 1:   Prozente nach Geschlecht und Nationalität von gesamt Neuimmatrikulierten

Abbildung 2 macht deutlich, dass die Abbruchquoten nicht steigen, im Gegenteil, sie fallen
sogar. Erklärung: Es sind die Anteile der Abbrecherfraktionen (m, w, d, n. d.) an den Neuim-
matrikuliertenfraktionen (m, w, d, n. d.) dargestellt, d. h. 34% der männlichen Erst- und
Neuimmatrikulierten über alle Studiengänge der Fakultät III im WiSe 00/01 haben innerhalb
des Untersuchungszeitraumes nach Definition abgebrochen.

Abbildung 2:   Veränderung des Anteils von Abbrecher/inne/n (nach Geschlecht und Nationalität) an den
               entsprechenden Erst‐ und Neuimmatrikulierten über die Zeit (Startsemester)

Die Abbildung zeigt, dass die Frauen deutlich geringere Abbruchquoten aufweisen als die
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Männer. Die Abbruchquote der deutschen Studierenden ist höher als die der nicht deutschen
Studierenden. Das allgemeine Zurückgehen der Abbruchquoten darf nicht fehlbeurteilt wer-
den, da nicht alle Abbrecher bereits nach dem ersten Semester abbrechen. Jedoch wurde
festgestellt, dass im Durchschnitt nach dem 3. FS bereits 50% der absoluten Abbrüche er-
reicht sind (siehe Abbildung 3). Aus den genannten Gründen kann die Darstellung auch nur
bis zum WS03/04 erfolgen.

3.1.1.2 Verteilung der Abbrecher/innen über die Fachsemester

Abbildung 3 zeigt deutlich, dass bis zum Fachsemester 3 bereits über 50 % der Abbrüche
geschehen. Die Analyse hat ergeben, dass dieses Verhältnis über die Jahre innerhalb der
Semesterarten (WiSe, SoSe) relativ konstant bleibt. Lediglich ab dem WiSe 04/05 zeigt sich
eine Verschiebung zu späteren Fachsemestern, d. h die Studierenden brechen nicht schon
in FS1 und 2 ab, sondern bleiben etwas länger. Wie sich die Abbruchquote in der Zeitreihe
verhält, ist schwer zu sagen, da in den „neueren“ untersuchten Semestern noch nicht alle
potentiellen Abbrecher/innen erfasst sind.

Abbildung 3:   Anteil der Abbrecher/innen je Fachsemester (WS00/01 SS07); gestapelt

Anmerkung: Die Stapelung ergibt keine 100 Prozent, da sich der Rest der Abbrecher/innen
bis zum 46. Fachsemester zieht.

Wie in Abbildung 4 noch einmal deutlich zu sehen ist, findet nach dem 2. Fachsemester über
ein Viertel und damit der größte Teil der Abbrüche statt.
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Abbildung 4:   Anteil der Abbrecher/innen je Fachsemester (WS00/01 SS07)

3.1.2     Studiengangswechsel

Die Auswertung beruht ausschließlich auf den Studierendendaten, da korrekte Prüfungsda-
ten zum Zeitpunkt noch nicht zur Verfügung standen. Der untersuchte Zeitraum liegt zwi-
schen WiSe 99/00 und WiSe 07/08 mit Stand vom 10.02.2008.

Insgesamt fanden 367 Studiengangswechsel innerhalb der Fakultät III statt. Aus der Fakultät
III wechselten 363 Studierende in andere Fakultäten der TU, während 373 Studierende aus
anderen Fakultäten in die Fakultät III wechselten. Fakultät III ist also ein leichter Wande-
rungsgewinner.

Abbildung 5 zeigt, dass Lebensmittelchemie (Staatsexam.), Energie- und Verfahrenstechnik
und Lebensmitteltechnologie die „Spenderstudiengänge“ mit den größten Häufigkeiten sind.
Abbildung 6 zeigt, dass Lebensmittelchemie (Ergänzung/Aufbaustudium), Biotechnologie
und Chemie die „Empfängerstudiengänge“ mit den größten Häufigkeiten sind.

Die Beziehung zwischen Lebensmittelchemie (Staatsexam.) und Lebensmittelchemie (Erg.)
ist darin zu sehen, dass viele Studierende die Möglichkeit nutzen, zwei Abschlüsse zu be-
kommen. Während sie auf einen Prüfungstermin für das Staatsexamen bei der zuständigen
Behörde warten, nutzen sie die Zeit, um ein Aufbaustudium in Lebensmittelchemie zu absol-
vieren. Daher sind diese Wechsel nicht als problematisch anzusehen.

Die Analyse zeigt weiterhin, dass rund 50% der Wechsel innerhalb der Fakultät III stattfin-
den. Der Anteil an Studierenden, die von einem Diplom-Studiengang zu einem anderen
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Diplom-Studiengang wechseln, beträgt 77,5%. Drei Viertel der Diplom-Studierenden bleiben
also dem Abschluss treu. Die meisten Wechsel finden nach dem 2. Fachsemester (FS) statt,
gefolgt vom 1. FS (siehe Abbildung 7). Studiengänge, aus denen sehr früh (Median der
FS=2) gewechselt wird, sind Energie- und Verfahrenstechnik, Gebäudetechnik und Werk-
stoffwissenschaften, gefolgt von Lebensmitteltechnologie mit Median (FS)=3. Auffällig ist der
hohe Median (FS)=9,5 bei Lebensmittelchemie(Staatsexamen). Der erneute Anstieg der
Wechsel in FS 9-11 ist wieder auf die Wechsel von Lebensmittelchemie (Staatsexamen) zu
Lebensmittelchemie (Erg.) zurückzuführen, da meistens in diesen Semestern die Anmeldung
zum Staatsexamen vollzogen wird.

Der Studiengang Energie- und Verfahrenstechnik gibt vor allem an die Studiengänge Tech-
nischen Umweltschutz, Chemie, Physikalische Ingenieurwissenschaften und Gebäudetech-
nik ab. Lebensmitteltechnologie gibt überwiegend an die Biotechnologie ab und Technischer
Umweltschutz gibt überwiegend an Energie- und Verfahrenstechnik ab. Die Vermutung, dass
LMT als „Parkstudium“ für BT genutzt wird, ist damit bestätigt; jedoch muss man beachten,
dass 63 Wechsler/innen in 16 Semestern nur knapp 4 Wechsel pro Semester sind. Die Ver-
mutung, dass viele von EVT zu TUS wechseln, ist hingegen nicht bestätigt. In dem unter-
suchten Zeitraum wechselten 19 Studierende von EVT zu TUS und 35 von TUS zu EVT.

Abbildung 5:   Spenderstudiengänge ‐ Studiengangwechsel (WS99‐WS07) nach Geschlecht und Nationalität
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Abbildung 6:   Empfängerstudiengänge ‐ Studiengangwechsel (WS99‐WS07) nach Geschlecht und Nationalität

Abbildung 7:   Kennwerte der Fachsemesteranzahl beim Studiengangwechsel (WS99‐WS07)

Eine geschlechterspezifische Untersuchung bzw. Auswertung ist hier leider nicht möglich, da
die zur Verfügung gestellten Daten lediglich die absoluten Zahlen der Wechsler/innen bein-
halteten, welche nicht die Frauen/Männer-Verteilung in den einzelnen Studiengängen und
Semestern berücksichtigen. Gleiches trifft für das Merkmal Nationalität zu.

3.1.3     Analyse der Moses-Daten aus dem Bereich Mathematik

MOSES stellte freundlicherweise Häufigkeitstabellen von einigen erfassten Prüfungsdaten
der Fächer Analysis I für Ingenieure (ANA I), Analysis II für Ingenieure (ANA II) und Lineare
Algebra für Ingenieure (LinA) zur Analyse zur Verfügung. ANA I und LinA finden laut Stu-
dienverlaufsplan im 1. Semester statt und ANA II im 2. Semester. Eigentlich sollten diese
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Daten mit anderen „Nicht-Mathe-Fächern“ verglichen werden, was aber nicht möglich war, da
die Datenerfassung anderer Fächer bei MOSES erst ab einem späteren Zeitpunkt erfolgte.

Die erhaltenen Daten beinhalten das Fach, das Prüfungsdatum, den Studiengang, das Ge-
schlecht und den Notenspiegel. Untersuchungszeitraum war 2003 - 2008. Dabei konnten aus
zeitlicher Verschiebung in der geschlechterspezifischen Analyse noch zusätzliche Prüfungs-
termine mit einbezogen werden. Das Merkmal Nationalität wird bei MOSES nicht erfasst und
kann daher nicht untersucht werden. Die analysierten Studiengänge waren: Dipl.-Ing. Bio-
technologie (Dipl-BT), Dipl-Ing. Energie- und Verfahrenstechnik (Dipl-EVT), Dipl.-Ing. Ge-
bäudetechnik (Dipl-GT), Dipl.-Ing. Lebensmitteltechnologie (Dipl-LMT), Dipl.-Ing. Technischer
Umweltschutz (Dipl-TUS), Dipl.-Ing. Werkstoffwissenschaften (Dipl-WeWi), Bachelor of
Science Energie- und Prozesstechnik (BSc-EPT), Bachelor of Science Technischer Umwelt-
schutz (BSc-TUS), Bachelor of Science Werkstoffwissenschaften (BSc-WeWi). Der Daten-
umfang der Bachelor-Studiengänge war teilweise zu gering, um eine Einzelanalyse zu voll-
ziehen. Im Folgenden werden nur noch die Abkürzungen verwendet. Diese Daten wurden zu
den folgenden Auswertungen aufbereitet.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass es keine Veränderung der Durchfallquoten in den drei
genannten Mathe-Fächern in der Zeitreihe gibt. Teilweise gibt es starke Schwankungen der
Durchfallquoten zwischen den einzelnen Prüfungsdaten, aber ein Trend zu geringeren oder
höheren Durchfallquoten ist nicht ersichtlich.

3.1.3.1 Notenspiegel aller Studiengänge zusammengefasst

In Abbildung 8 ist der Notenspiegel aller analysierten Studiengänge nach Fächern
zusammengefasst dargestellt. Es wird deutlich, dass Analysis I mit 58 % die höchste Durch-
fallquote hat, gefolgt von Lineare Algebra mit 42% und Analysis II mit 38%. Ein „Nicht-
Erscheinen“ zum Prüfungstag wird als 5,0 gewertet, aber gesondert erfasst. Diese Fälle sind
also in den Notenspiegeln nicht enthalten, so dass keine Verzerrung entsteht.

Abbildung 8:   Notenspiegel aller analysierten Studiengänge nach Fächern zusammengefasst in %
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3.1.3.2 Gesamt-Durchfallqoute nach Studiengang und Fach

Die folgende Abbildung zeigt die unterschiedlichen Durchfallquoten der Studiengänge in den
drei „Mathe-Fächern“ über den Untersuchungszeitraum. Die Bachelor-Studiengänge wurden
hier bewusst nicht berücksichtigt, da die Grundgesamtheit noch zu gering war, um eine Aus-
sage zu treffen. Es ist deutlich ein Unterschied zwischen den einzelnen Studiengängen er-
kennbar. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Alle sind den gleichen Anforderungen in den
jeweiligen Fächern ausgesetzt.

Abbildung 9:   Durchfallquoten nach Studiengängen und Fach in % der Gesamtprüfungsteilnehmern

3.1.3.3 Gesamt-Durchfallqoute nach Geschlecht und Fach

Abbildung 10 zeigt deutlich, dass Frauen immer eine höhere Erfolgsqoute aufweisen als
Männer.

Abbildung 10: Durchfallquoten nach Geschlecht und Fach in % der Gesamtprüfungsteilnehmer

3.1.3.4 Anmeldung und „nicht erschienen“ zum Prüfungstermin

Diese Untersuchung sollte zeigen, wie viele Studierende sich zu einer Mathematikprüfung
anmelden, dann aber zur Prüfung ohne Abmeldung nicht erscheinen. Die jeweiligen Pro-
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                              18

zentzahlen in Abbildung 11 spiegeln den Anteil der Studierenden an der am Prüfungstag
vorliegenden Anmeldungszahl wieder. Abmeldungen, die innerhalb der Abmeldefrist getätigt
wurden, sind in den Anmeldungen nicht mehr enthalten. In Abbildung 11 sind die Anteile der
zur Prüfung nicht erschienenen Studierenden von der Gesamt-Anmeldungszahl nach Fä-
chern dargestellt unter Berücksichtigung aller analysierten Studiengänge. Es gibt keine gra-
vierenden Unterschiede, jedoch ist der Anteil mit rund 20 % allgemein recht hoch.

Normalerweise wird ein „Nichterscheinen“ zur Prüfung mit 5,0 bewertet. Es besteht jedoch
die Möglichkeit, ein ärztliches Attest vorzulegen und somit keinen „nicht bestandenen Prü-
fungsversuch“ zu haben. Der Grund dieser doch recht hohen Anteile ist nicht erforscht. Ne-
ben gesundheitlichen und anderen Gründen sind Prüfungsangst oder Angst, die Prüfung
nicht zu bestehen und somit einen Prüfungsversuch zu verlieren, in Betracht zu ziehen.

Abbildung 11: Anteil Nicht Erschienen von Gesamt‐Anmeldungen nach Fächern in %

Ein jahreszeitbedingtes erhöhtes Fernbleiben von der Prüfung (grippale Infekte o. ä.) konnte
in einer weiteren Analyse ausgeschlossen werden. Es gibt durchaus unterschiedliche Werte
in verschiedenen Jahren, aber innerhalb eines Jahres konnte kein Trend erkannt werden.
Jedoch zeigt sich wie in Abbildung 11 ersichtlich ein Unterschied zwischen den Fächern.

3.1.3.5 Überprüfung von Mathematik als möglichem Abbruchgrund

Ursprünglich sollte diese Analyse auch dazu dienen, vermutete Gründe für den Abbruch zu
beweisen. Ein in der Gruppendiskussion immer wieder erwähnter Abbruchgrund war die
hohe Belastung durch die Mathematik-Module. Leider war es mit den vorliegenden Daten
NICHT möglich, den Abbruch eines Studierenden auf dessen Misserfolg oder die Anzahl der
Prüfungsversuche in bestimmten Prüfungen (vermutet waren ANAI, ANAII und LinA), sta-
tistisch zurückzuführen. Um dennoch einen möglichen Zusammenhang zu verdeutlichen,
sind in Abbildung 12 die Verteilungen der Prüfungsversuche einiger Fächer dargestellt. Es
wird deutlich, dass im ersten Prüfungsversuch in Analysis I (50%) und LinA (64%) die ge-
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                                19

ringsten Erfolgsquoten liegen. Lediglich Analysis II liegt im Erfolgsbereich der anderen Fä-
cher. Dazu muss angemerkt werden, dass die hier dargestellten Fächer aus dem Vordiplom
alle als „schwer“ angesehen werden.

Als Abbruchgrund ausgeschlossen werden kann das endgültige Nichtbestehen im dritten
Versuch, da über den gesamten Untersuchungszeitraum (WS00/01 bis SS07) von allen Stu-
dierenden in ANA I nur 18, in ANA II nur 1 und in LinA nur 7 Studierende die dritte mündliche
Prüfung nicht bestanden haben. Diese Zahlen sind in Anbetracht der Gesamtprüfungsteil-
nehmer/innen sehr gering.

Abbildung 12: Verteilung der Prüfungsversuche ausgewählter Fächer
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                            20

3.2        Gruppendiskussion

3.2.1      Durchführung

Die Gruppendiskussionen fanden - getrennt nach Studiengängen - an vier Terminen in der
Woche vom 21. - 24. Januar 2008 statt. Die Studiengänge Biotechnologie und Lebensmittel-
technologie wurden in derselben Diskussionsrunde erörtert, ebenso die Studiengänge Ener-
gie- und Verfahrenstechnik und Gebäudetechnik.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeder Diskussion sollten sich aus Studienanfängerin-
nen und –anfängern, Studierenden höherer Semester und Studierenden, die über einen Stu-
dienabbruch nachdenken oder diesen bereits vollzogen haben, zusammensetzen. Es war
trotz umfassender Werbung für das Projekt schwierig, Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu
finden.

„Echte“ Studienabbrecherinnen und –abbrecher nahmen nicht teil, sehr wohl aber Studie-
rende, die solche kannten.

Die Zahl der Studierenden lag je nach Studiengang zwischen drei und sieben. Es wurde dar-
auf geachtet, dass an jeder Diskussion Frauen und Männer teilnahmen sowie Studierende
aus Grund- und Hauptstudium bzw. Bachelor. Einige Studierende hatten bereits einen Stu-
diengangswechsel hinter sich oder eine abgeschlossene Berufserfahrung.

3.2.2      Ergebnisse

Ein ausführliches Protokoll über alle Gruppendiskussionen befindet sich im Anhang. Dabei
wurden vier Themenbereiche, die in allen Diskussionen angesprochen wurden, identifiziert
und zusammengefasst:

      •   Klima an der Universität
      •   Psychische Belastung
      •   Qualität von Studium und Lehre
      •   Außeruniversitäre Gründe

Innerhalb der Fakultät gab es aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen der Stu-
diengänge mehr oder weniger starke Ausprägung dieser Bereiche.

In allen Diskussionen wurde betont, wie wichtig der Kontakt zu anderen Studierenden ist.
Dieser wird durch Gruppenarbeit gefördert, was insbesondere im Studiengang Technischer
Umweltschutz geschätzt wurde. Hier stehen eigene Arbeitsräume für Studierende zur Verfü-
gung. Der Kontakt zu den Lehrenden wurde unterschiedlich bewertet, die Professorinnen
und Professoren überwiegend als schwer erreichbar eingeschätzt und wenig aufgeschlossen
gegenüber Verbesserungsvorschlägen.

Die psychische Belastung war für die Studierenden aller Studiengänge hoch. Hier wurde die
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                             21

Unklarheit im Bezug auf die Eignung zum Studienfach und den eigenen Wissensstand ge-
nannt. Letzterer wurde zumindest im Grundstudium erst viel zu spät über die Klausurergeb-
nisse deutlich; hier fehlte den Studierenden Feedback.

Die Studierenden fühlten sich zu Beginn des Studiums zeitlich und teilweise auch inhaltlich
überfordert. Gerade die Mathematik stellte besonders hohe, den Studierenden unerklärliche
Anforderungen, wodurch sie Prüfungsangst spürten und die Klausuren in hohem Maße nicht
bestanden oder aber verschoben haben. Dadurch gab es Verzögerungen im Studienverlauf.
Auch war für die Mathematik-Module erheblicher Zeitaufwand erforderlich, so dass den Stu-
dierenden kaum noch Zeit für die anderen Module oder gar für außeruniversitäre Aktivitäten
blieb.

In einigen Studiengängen fühlten sich die Studierenden durch Äußerungen der Hochschul-
lehrer demotiviert; so wurden beispielsweise hohe Abbruchquoten oder Durchfallquoten ein-
zelner Module bekannt gegeben. Auch fehlten persönliche Erfolgsleistungen.

Der Bereich Qualität der Lehre wurde besonders ausführlich diskutiert. Hierunter wurde auch
die Ausstattung gefasst. Die Infrastruktur galt allgemein als unzureichend, Arbeitsräume oder
die Möglichkeiten zu kopieren, waren wenig oder gar nicht vorhanden. Studierende lernten
auf den Fluren der Gebäude. Auch die Zahl der Computerarbeitsplätze reichte nicht aus.
Allgemein wurde der Zustand der Uni, speziell der Räume oder Toiletten, als dreckig be-
zeichnet. Die Räume waren häufig für die entsprechende Lehrveranstaltung viel zu klein, so
dass Studierende stehen mussten, oder aber viel zu groß.

Die Zahl der Praktikumsplätze insbesondere in den Studiengängen Biotechnologie und Le-
bensmitteltechnologie reichte nicht aus, so dass dies zu unfreiwilligen Studienzeitverlänge-
rungen führte. Auch war die Planung von Zeiten und Erhalt eines Platzes unzuverlässig.

Durch die hohe Zahl unbesetzter Professuren konnten die Studierenden nicht das komplette
Lehrangebot belegen oder vertiefen, was zum Wechsel an andere Universitäten führte.

Zu den Studieninhalten wurde kritisiert, dass das Studium zu Beginn sehr „trocken“ war, der
Praxisbezug fehlte und die fachlichen Anforderungen nicht passten. So reichten beispiels-
weise in Physik die Inhalte als Grundlage für das spätere Studium nicht aus, wohingegen in
Mathematik die Anforderungen zu hoch waren und gar nicht alle Inhalte hinterher wirklich
gebraucht wurden. Zudem waren die Übungsaufgaben in Mathematik viel zu theoretisch,
während fachbezogene Aufgaben noch mehr Zeit erforderten.

Es gab Überschneidungen von Praktika und Vorlesungen mit dem Projekt PIW Anfang Ja-
nuar, außerdem in den Semesterferien zwischen Klausuren und dem Chemie-Praktikum.
Auch lagen die Klausuren zu dicht hintereinander.

Die verschiedenen Internet-Konten stifteten Verwirrung und sorgten für Fehler bei der An-
und Abmeldung zu Prüfungen.
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                            22

Die genannten Aspekte sind zum einen persönlich subjektive Faktoren - wie die fehlende
Studienmotivation oder die falsche Studienfachentscheidung - zum anderen zeichnen sich
hier deutlich objektive Gründe ab, die Organisation und Hochschulbedingungen umfassen.
Auch bei dieser Kategoriebildung muss schon an dieser Stelle klar sein, dass sie nicht völlig
voneinander zu trennen sind. So kann fehlende Motivation durchaus aus mangelnden uni-
versitären Bedingungen resultieren.
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                             23

3.3        Fragebogen zum Studienabbruch

3.3.1      Grundlage und Durchführung

Das Datenmaterial der Gruppendiskussion sollte neben den theoretischen Vorannahmen die
Grundlage für die Konstruktion eines Fragebogens sein. Die Erkenntnisse aus der Gruppen-
diskussion konnten genutzt werden, um den Fragebogen zielgerichteter zu formulieren. Aus
der Auswertung der Diskussion wurden deduktiv Fragen und Gründe abgeleitet, um quanti-
tativ Studienabbruchmotive zu erheben. Weiterhin wurden für die Fragebogenerstellung das
Referat für Lehre und Studium einschließlich der studentischen Studienfachberatungen und
die Diplom-Soziologin Dagmar Richter zu Rate gezogen.

Die Motive und Ursachen, die zu einem Studienabbruch führen können, wurden zunächst in
universitäre und außeruniversitäre Gründe getrennt. Diese Trennung erschien aufgrund des
Ziels, die Studiensituation für kommende Studierende besser zu gestalten, sinnvoll.
Anzumerken bleibt auch hier, dass Motive und Ursachen aufgrund von Wechselwirkungen
nicht unabhängig voneinander diskutiert werden können.

Die Problemlagen sind praktisch nicht von einander zu trennen und stellten in diesem Fall
nur eine analytische Unterscheidung dar. Ein abgrenzbares Motiv, das unweigerlich zu
einem Studienabbruch führt, war nicht identifizierbar. Das Phänomen Studienabbruch resul-
tiert aus einer Verkettung von verschieden Problemlagen, die den Austritt aus der Hoch-
schule zur Folge haben können.

Im Fragebogen wurden folgende Variablen abgefragt:

Inneruniversitäre Gründe:

      •   Fragen zu Leistungsdefiziten
      •   Fragen zur Studienbedingungen (Lehre und Lehrende)
      •   Fragen zu Studienbedingungen (Ausstattung und Organisation)
      •   Fragen zur sozialen Integration

Außeruniversitäre Gründe:

      •   Demographische Variablen
      •   Fragen zu persönlichen und familiären Problemen
      •   Fragen zur Erwerbstätigkeit
      •   Fragen bzgl. eines Interessenwechsels (Beruf, Studiengangwechsel)
      •   Fragen zur Information im Vorfeld

Die Ergebnisse des Fragebogens sollten auch unter Berücksichtigung gendertheoretischer
Erkenntnisse analysiert werden. Dies ist in technischen Fächern von besonderer Bedeutung,
da der Frauenanteil in diesen Studiengängen geringer ist.
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                            24

Allgemeines zur Studie

Im Januar 2009 wurden 755 ehemalige Studierende der Fakultät III angeschrieben, die sich
im Zeitraum WiSe 06/07 bis WiSe 08/09 nicht mehr rückgemeldet hatten bzw. exmatrikuliert
wurden und die sich zu diesem Zeitpunkt im Fachsemester 1 bis 7 befanden. Davon waren
317 Frauen und 438 Männer. Die Studienfachwechsler wurden vorher ausgefiltert. Die ange-
schriebenen Personen wurden über das Projekt informiert und gebeten, den Fragebogen in-
nerhalb von drei Wochen postalisch oder via Internet ausgefüllt zurückzusenden. Von den
versendeten Briefen sind 206 Briefe zurückgekommen, da „Empfänger unbekannt verzogen“.
39 Personen haben geantwortet. Insgesamt ergibt sich daraus eine Rücklaufquote von 7%.

Auffallend sind zwei Werte der Studie. Zum einen antworteten deutlich mehr Frauen als
Männer, obwohl mehr Männer angeschrieben wurden, zum anderen kam der Großteil der
Antworten aus dem Studiengang Lebensmitteltechnologie. Beide Werte stehen in keiner
Relation zu den tatsächlichen Abbruchstatistiken.

3.3.2   Ergebnisse der Analyse des Fragebogens

Das Phänomen Studienabbruch zeichnet sich durch seine Komplexität und Vielschichtigkeit
aus. Studierende, die sich entscheiden, ihr Studienfach aufzugeben, tun dies nicht aus
einem einzigen abgrenzbaren Grund; vielmehr ist der Studienabbruch als ein Prozess zu be-
greifen, bei dem im Laufe der Zeit verschiedene Motive zusammenlaufen, die den letztendli-
chen Entschluss zum Studienaustritt bedingen.

Im Folgenden werden zehn Motive dargestellt, die zum Studienabbruch beitragen können.
Diese Motive bedingen sich wechselseitig und wirken aufeinander.

3.3.2.1 Soziale Integration

Das Motiv der fehlenden sozialen Integration wird in vielen Studien als wichtige Ursache für
einen Studienaustritt benannt. Je schwächer die soziale Integration ist, desto höher das Ab-
bruchrisiko. Soziale Integration bezeichnet Variablen der persönlichen Anerkennung durch
Dozenten und Kommilitonen, Bestätigung des eigenen Leistungsvermögens von Kommilito-
nen und Dozenten sowie freundschaftliche Kontakte zu Kommilitonen.

Der Grad der sozialen Integration wurde durch den Variablenkomplex 14 abgefragt. Dabei
stellte sich heraus, dass 78% der Befragten angaben, gute Kontakte zu ihren Kommilitonen
gepflegt zu haben. Weitere 48% stimmten der Aussage zu, oft mit ihren Kommilitonen ge-
lernt zu haben. Diese positiven Ergebnisse sind auf die vor allem im ersten und zweiten Se-
mester häufig durchzuführenden Gruppenarbeiten, beispielsweise bei der Bearbeitung von
Hausaufgaben, zurückzuführen.

30% der untersuchten Studienabbrecher würden sich eher als Außenseiter beschreiben, und
15% stimmten der Aussage zu, dass sie keine Kontakte zu Kommilitonen finden konnten.
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                                                  25

Die Variable „Ich konnte keine Kontakte zu Kommilitonen finden“ impliziert damit auch den
gescheiterten Versuch zur Kontaktaufnahme.

Abbildung 13: Soziale Kontakte im Studium

Besonders Studierende, die über wenig soziale Kontakte innerhalb der Hochschule verfügen,
scheitern eher an Problemen, seien sie fachlicher oder organisatorischer Art. Gute Kontakte
zu Kommiliton/inn/en können helfen, Probleme zu bewältigen, da diese sich oft mit gleichen
Problemlagen konfrontiert sehen. 66,6% Studierende, die angaben, wenig Kontakt zu Kom-
militon/inn/en zu haben, hatten Probleme bei der Bewältigung der Studienorganisation. Auf
gut integrierte Studierende traf dies nur mit ca. 16% zu. Bei den fachlichen Aspekten blieb
dieses Verhältnis erhalten. Studierende, die schlechter sozial integriert waren, hatten grö-
ßere fachliche Probleme, wohingegen ihre stärker integrierten Kommiliton/inn/en Anforde-
rungen besser bewältigen konnten.

Abbildung 14: Probleme im Studium (organisatorisch und fachlich) nach sozialer Integration
              (Werte 1 und 2 auf vierstufiger Skala; 1=trifft vollkommen zu 2=trifft eher zu)

Soziale Integration                                                      Gute soziale             Wenig soziale
                                                                           Kontakte             Kontakte innerhalb
                                                                       innerhalb der Uni             der Uni

Vermehrte Prüfungsmisserfolge                                                  48%                    83,3%

Studienalltag zu anstrengend                                                   10%                     17%

Unübersichtliche Studienorganisation                                           20%                     50%

Leistungsdefizite                                                             37,7%                   83,3%

Ungenügende Vermittlung des Lehrstoffs                                        54,4%                   83,3%

Zu hohe fachliche Anforderungen                                                28%                    100%

Unklare Leistungsanforderungen bzgl. der Prüfungen                             49%                     66,6

Probleme bei selbstständiger Organisation des Studiums                         16%                     66,6

Probleme bei selbstständiger Erarbeitung des Lehrstoffs                        16%                     50%
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                               26

3.3.2.2 Leistungsdefizite

Die Studiengänge der Fakultät III sind sehr leistungsintensiv und stellen sowohl hohe fachli-
che als auch organisatorische Anforderungen an die Studierenden. Das Motiv Leistungsdefi-
zite sollte an dieser Stelle nur fachliche Schwächen behandeln.

40% der Befragten gaben an, dass vermehrte Prüfungsmisserfolge zum Studienaustritt bei-
getragen haben. 7% der Befragten hatten Prüfungen endgültig nicht bestanden und 37% ge-
ben an, dass die fachlichen Anforderungen für sie zu hoch waren.

Zur besseren Aufschlüsselung der fachlichen Problemlagen wurden im Fragebogen die
Grundlagenfächer Mathe, Chemie und Physik hinlänglich der persönlichen Schwierigkeiten
mit diesen auf einer Skala von eins bis sechs abgefragt. Wie schon aus den Ergebnissen der
Gruppendiskussion ersichtlich, gaben viele Befragte an, Schwierigkeiten im Fach Mathema-
tik gehabt zu haben. Keiner der Befragten gab an, in diesem Fach keinerlei Probleme zu ha-
ben, wohingegen neun von 38 Befragten anführten, auf große Schwierigkeiten fachlicher Art
gestoßen zu sein. Auch Physik bereitete größere Schwierigkeiten, während das Grundla-
genfach Chemie besser zu bewältigen schien.

Die Ergebnisse unterstreichen die in der Gruppendiskussion angemerkte Kritik über zu hohe
Leistungsanforderungen und übermäßigen Lern- und Prüfungsstoff, der kaum mehr fachspe-
zifischen Bezug findet.

Leistungsbedingte Überforderung kann aber auch ein Indiz für eine unzureichende schuli-
sche Vorbildung in den Naturwissenschaften sein. 23% der Befragten gaben allerdings an,
dass die falsche Einschätzung des eigenen Wissens als Ursache für den Studienabbruch
beigetragen hat, obwohl eine durchschnittlich gute Abiturnote erworben wurde.

Fehlende Computerkenntnisse, wenig Erfahrung im Umgang mit Technik, mangelnde engli-
sche sowie mangelnde deutsche Sprachkenntnisse bereiteten kaum Schwierigkeiten bei den
Befragten.

3.3.2.3 Überforderung

Überforderungserfahrungen an der Hochschule resultieren nicht nur aus den hohen fachli-
chen Anforderungen. Das System Hochschule verlangt in hohem Maße Selbstständigkeit in
Studienorganisation und der Erarbeitung von Lehrstoff. 27% der Befragten gaben an, sich
während des Studiums überfordert gefühlt zu haben. Überforderungsgefühle traten an dieser
Stelle vor allen Dingen bei jungen Studierenden auf, die sich zum ersten Mal an einer Hoch-
schule zurechtfinden mussten. Sie sahen sich mit einer großen Stoffmenge konfrontiert, und
es fehlte an Strategien, diese bewältigen zu können.

Überforderungen resultieren aber nicht nur aus mangelndem Organisationstalent, sondern
sind auch oft auf institutioneller Ebene, wie Unübersichtlichkeit beim Studienverlaufsplan,
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                                                       27

schlechte Betreuungsangebote oder unklaren Leistungsanforderungen, zu finden.

Abbildung 15: Überforderungen, unübersichtliche Studienorganisation

                                                              trifft überhaupt nicht zu/trifft eher        62,1%
 zu wenig Erholungsphasen                                     nicht zu

                                                              trifft eher zu/trifft vollkommen zu          37,9%

                                                              trifft überhaupt nicht zu/trifft eher        31,2%
 schlechte Informationslage auf TU-Homepage                   nicht zu

                                                              trifft eher zu/trifft vollkommen zu          68,8%

                                                              trifft überhaupt nicht zu/trifft eher        44,1%
 Unklare Leistungsanforderungen bzgl. der                     nicht zu
 Prüfungen
                                                              trifft eher zu/trifft vollkommen zu          55,9%

                                                              trifft überhaupt nicht zu/trifft eher        59,4%
 Studienalltag zu anstrengend                                 nicht zu

                                                              trifft eher zu/trifft vollkommen zu            40,6

Überforderungsgefühle können auch dann auftreten, wenn außeruniversitäre Tätigkeitsfelder
wie Erwerbsarbeit oder Kindererziehung mit den universitären Anforderungen kollidieren. Bei
den Teilnehmer/innen der Gruppendiskussion herrschte Einigkeit darüber, dass die Anforde-
rungen der jeweiligen Studienfächer kaum mehr Zeit für außeruniversitäre Tätigkeiten ließen.
Die Evaluation durch den Fragebogen konnte dies bestätigen. Alle außeruniversitären Tätig-
keiten, die abgefragt wurden, mussten mäßig bis stark eingeschränkt werden.

3.3.2.4 Erwerbstätigkeit

Erwerbstätigkeit ist ein wichtiges Mittel zur Studienfinanzierung. 70% der Befragten gaben
an, ständig oder zeitweise erwerbstätig gewesen zu sein. Erreicht die Erwerbstätigkeit ein
Ausmaß, an dem es zu groben Differenzen in der Vereinbarkeit von Studienanforderungen
und der Beschäftigung kommt, resultieren Überforderungsgefühle und damit auch Motivati-
onsverlust und Leistungsdefizite.

Abbildung 16: Probleme im Studium (organisatorisch und fachlich) nach Erwerbstätigkeit
              (Werte 1 und 2 auf vierstufiger Skala; 1=trifft vollkommen zu, 2=trifft eher zu)

 Studienprobleme                                                                  Erwerbstätigkeit

                                                                 ständig oder zeitweise          nicht erwerbstätig
                                                                      erwerbstätig

 zu wenig Erholungsphasen                                                 28,6%                        7,1%

 Prüfungsangst                                                            23,8%                         0%

 Studienalltag zu anstrengend                                             19,1%                         0%

 Gefühl der zeitlichen Überforderung                                       40%                        23,1%
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                                 28

3.3.2.5 Falsche Studienfachentscheidung

Ein erfolgreiches Studium bedarf einer ausreichenden Fachidentifikation. Ist diese nicht ge-
geben, sinkt auch die Motivation zum Absolvieren des Studiums. Fehlende Fachidentifikation
resultiert in den meisten Fällen aus einer unzureichenden Information über das zu studie-
rende Fach im Vorfeld des Studiums. Auch ein Übermaß an extrinsischen Gründen für eine
Studienfachwahl kann zu einem schnellen Motivationsverlust führen. Junge Studienanfän-
ger/innen entscheiden sich häufig nicht anhand ihrer fachlichen Begabung, sondern lassen
sich von äußeren Faktoren wie guter Karriere und Berufsaussichten leiten. Weiterhin führen
hohe NCs häufig zur Wahl des Ausweichstudiums, wenn das eigentlich favorisierte Studium
nicht studiert werden konnte. Für die Fakultät III trifft das auf den Studiengang „Lebensmit-
telchemie“ zu. Der NC liegt hier bei 2,1. Die Annahme, dass Studierende ein anderes Stu-
dienfach beginnen, in der Hoffnung, später in das eigentlich gewünschte wechseln zu kön-
nen, wurde in der offenen Frage bestätigt.

52% der Befragten begannen ihr Studium mit Zweifeln an ihrer Studienfachentscheidung.
Die Zweifel an der Studienfachwahl entstanden zum einen aus persönlichen Defiziten bei der
Informationsbeschaffung, zum anderen führten ungenügende Informationsangebote der
Hochschule dazu, dass potenzielle Studierende nicht in Lage waren, den nötigen Einblick in
die Studienfächer zu erlangen. Die Studienfachbeschreibung bot einen groben Überblick
bzgl. Verlauf, Anforderungen und Ziele des Studienfachs, konnte jedoch keine detaillierten
Einblicke in das Studium bieten. Viele Studierende wünschten sich daher mehr Transparenz
im Vorfeld des Studiums. 11% wünschten sich Einstiegskurse, 24% ein Orientierungsstu-
dium.

Die Vorbereitungskurse, die vor Semesterbeginn angeboten wurden, waren 51% der Studie-
renden nicht bekannt. Weitere 49% der Befragten gaben an, dass die Einführungswoche
nicht hilfreich für ihr Studium war. Die geschaffenen Orientierungsmaßnahmen wie eine
Einführungswoche und Vorbereitungskurse müssen verbessert werden und einfach zugäng-
lich sein. Beeinträchtigte Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung wurden von den Be-
fragten bestätigt, indem 51% der TU-Homepage schlecht aufbereitete Informationen be-
scheinigten.

Die Universität sollte über die spezifische Darstellung des Studienfachs auch nicht verges-
sen, über die grundsätzlichen Anforderungen und spezifische Ausbildungsform durch die
Hochschule zu informieren. 37% der Studierenden gaben als wichtigen Grund für den Stu-
dienabbruch den Wunsch nach einer anderen Ausbildungsart an.
Abschlussbericht zum OWL-Projekt Studienabbruch                                                               29

Abbildung 17: Zweifel vor Beginn des Studiums an Studienfachwahl nach Zustimmung zu den Studienabbruchfaktoren
              (Werte 3+4 auf vierstufiger Skala 1=trifft überhaupt nicht zu 4=trifft vollkommen zu)

 Studienabbruchfaktoren                                         Sicherheit bzgl. Studienfachwahl

                                                          Ich hatte an meiner        Ich wusste genau, was
                                                             Wahl Zweifel              ich studieren wollte

 Unsicherheit bzgl. der grundsätzlichen                          23,5%                        6,7%
 Entscheidung für ein Studium

 Anwachsende Distanz zum Studienfach                             41,1%                       46,6%

 Falsche Einschätzung des eigenen Wissens                        23,5%                        33%

 Berufliche Neuorientierung                                      64,7%                       46,6%

 Unsicherheit bzgl. der beruflichen Eignung                       25%                         6,7%

 Wunsch nach anderem Studienfach                                 76,4%                       46,7%

 Wunsch nach anderer Ausbildungsart                              41,2%                       28,5%

3.3.2.6 Interessenwechsel

Das Motiv Interessenwechsel kann den Studienabbruch maßgeblich bestimmen. Dabei ist
dies nicht auf fehlende Kenntnisse im Vorfeld des Studiums zurückzuführen. Ein Interessen-
wechsel fachlicher oder in Art der Ausbildung stellt sich erst im Laufe des Studiums ein.

20% gaben als Motiv für einen Studienabbruch den Wunsch nach einer praktischen Tätigkeit
an, 20% hatten Zweifel an der grundsätzlichen Entscheidung für ein Studium. Diese Gruppe
empfand die Ausbildungsart durch die Universität als für sie ungeeignet.

Bei den meisten Studienabbrecher/inne/n in der Studie (60%) kam es allerdings zu einer be-
ruflichen Neuorientierung. Diese Gruppe verbleibt in dem System Hochschule, hat aber das
fachliche Interesse gewechselt.

3.3.2.7 Ausstattung an der Universität

Die Kritik zur Ausstattung der Fakultät III der Technischen Universität Berlin fiel, verglichen
mit der harschen Kritik an Lehrenden, Lehre und Organisation, vergleichsweise gut aus. Die
Ausstattung der Labore wurde von 80% der Befragten positiv bewertet. Auch die generelle
technische Ausstattung an der TU hatte kaum Einfluss auf den Studienabbruch. Beanstandet
wurden in diesem Zusammenhang vor allem fehlenden Räume zur Aufbereitung des Lehr-
stoffs sowie fehlende Pausen- und Aufenthaltsräume. Hier gibt es großes Verbesserungs-
potenzial. Räume zum Aufbereiten des Lehrstoffs führten nicht nur zur Leistungsverbesse-
rung, sondern trugen auch zu einer angenehmeren Studienatmosphäre bei, die - wie in
Punkt 5.4 gezeigt - sehr wichtig für ein erfolgreiches Studium ist. Öffentliche Räume beför-
derten den Kontakt der Studierenden untereinander, was indirekt dazu beitrug, Studienpro-
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