Technologieübersicht Erneuerbares Heizen und Kühlen
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Dossier Technologieübersicht Technologieübersicht Erneuerbares Heizen und KühlenDossier Erneuerbares Heizen und Kühlen Zusammenstellung deutscher Erfahrung im Hinblick auf die Übertragung in die Türkei Zusammenstellung deutscher Erfahrung im Hinblick auf die Übertragung in die Türkei
2 Impressum Herausgeber Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) Chausseestraße 128 a 10115 Berlin Tel: +49 (0)30 66 777 - 0 Fax: + 49 (0) 66 777 - 699 E-Mail: info@dena.de Internet: www.dena.de Autoren Oliver Buchin Heiner Wilkens Auftraggeber Dr. Karsten Lindloff, dena Susanne Schmelcher, dena Maike von Krause-Kohn, dena Peter Pannier, dena Stand: 03/2020 Alle Rechte sind vorbehalten. Die Nutzung steht unter Zustimmungsvorbehalt der dena.
3 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ..................................................................................................................................................................... 3 Abkürzungen ............................................................................................................................................................................. 5 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................................................................. 6 Tabellenverzeichnis .................................................................................................................................................................. 7 1 Einleitung.......................................................................................................................................................................... 8 1.1 Hintergrund ................................................................................................................................................................... 8 1.2 Zielsetzung des Dossiers.............................................................................................................................................. 8 1.3 Erneuerbares Heizen und Kühlen in der Türkei ........................................................................................................ 9 1.4 Technologieübersicht ................................................................................................................................................. 10 1.5 Struktur der Steckbriefe und Bewertung der Konzepte ........................................................................................ 11 2 Steckbrief Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme ............................................................................................... 14 2.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 14 2.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 16 2.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 17 2.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 17 2.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 18 2.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 18 2.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 19 3 Steckbrief Heizen mit Ab- und Umweltwärme........................................................................................................... 20 3.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 20 3.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 22 3.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 23 3.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 23 3.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 23 3.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 24 3.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 25 4 Steckbrief Heizen mit Biomasse und Solarthermie .................................................................................................. 26 4.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 26 4.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 28 4.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 29 4.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 29 4.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 30 4.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 30 4.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 31 5 Steckbrief Solarthermisches Kühlen ........................................................................................................................... 32
4 5.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 32 5.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 35 5.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 35 5.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 36 5.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 37 5.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 37 5.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 38 6 Steckbrief Geothermisches Heizen und Kühlen ........................................................................................................ 39 6.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 39 6.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 41 6.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 41 6.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 41 6.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 42 6.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 43 6.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 44 7 Steckbrief Solarelektrisches Kühlen ............................................................................................................................ 45 7.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 45 7.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 48 7.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 48 7.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 48 7.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 49 7.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 49 7.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 50 Quellenverzeichnis ................................................................................................................................................................. 51 Glossar ..................................................................................................................................................................................... 52
5 Abkürzungen AHK Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer BAFA Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BHKW Blockheizkraftwerk BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BWP Bundesverband Wärmepumpe e. V. COP Leistungszahl (engl. Coefficient of Performance) dena Deutsche Energie-Agentur EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz EEWärmeG Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz FKW halogenierter Fluorkohlenwasserstoff Fm Festmeter HFKW teilhalogenierter Fluorkohlenwasserstoff JAZ Jahresarbeitszahl KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KWKK Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung MAP Marktanreizprogramm ORC Organic Rankine Cycle PV Photovoltaik SGK Sorptionsgestützte Klimatisierung WP Wärmepumpe
6 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Entwicklung der Wärmeerzeugung in der Türkei nach Brennstoffen ....................................................... 9 Abbildung 2 Entwicklung des Stromverbrauchs in der Türkei .......................................................................................... 9 Abbildung 3 Technologiekombinationen .......................................................................................................................... 10 Abbildung 4 Beispiel eines „Performance Wheel“ ............................................................................................................ 11 Abbildung 5 Wärmepumpenanlage am GALAB-Unternehmensstandort in Hamburg ............................................... 14 Abbildung 6 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme“ ................................. 14 Abbildung 7 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse bei der gebäudeintegrierten Wärmepumpe ................... 15 Abbildung 8 Heizzentrale mit Wärmepumpe und Puffer-speicher und Hybridkollektoren ....................................... 19 Abbildung 9 Großwärmepumpe in Berlin-Lichtenberg ................................................................................................... 20 Abbildung 10 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen mit Abwärme und Umweltwärme“ .................................. 20 Abbildung 11 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse bei der Großwärmepumpe ................................................ 21 Abbildung 12 Komponenten der Großwärmepumpe in der Kraftwerksanlage Wien Simmering ............................... 24 Abbildung 13 Hackschnitzelverbrennung und -lager......................................................................................................... 26 Abbildung 14 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen mit Biomasse und Solarthermie“ ..................................... 26 Abbildung 15 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse beim Heizen mit Biomasse und Solarthermie ................. 27 Abbildung 16 Die Abbildung entspricht dem Konzept des Bioenergiegenossenschaft Mengsberg ............................ 30 Abbildung 17 Absorptionskälteanlage als Kernkomponente des solarthermischen Kühlens...................................... 32 Abbildung 18 Gesamtbewertung für das Konzept „Solarthermisches Kühlen“.............................................................. 32 Abbildung 19 Hauptkomponenten und Energieflüsse beim solarthermischen Kühlen ................................................ 32 Abbildung 20 Solarthermische Vakuumröhrenkollektoren auf einem Gebäude ........................................................... 34 Abbildung 21 Schwimmbad als Anwendungsbeispiel für sorptionsgestützte Klimaanlagen ....................................... 35 Abbildung 22 Solarkollektorfeld im Umweltbundesamt Dessau ..................................................................................... 38 Abbildung 23 Das Nesjavellir-Geothermie-Kraftwerk in Thingvellir, Island .................................................................... 39 Abbildung 24 Gesamtbewertung für das Konzept „Geothermisches Heizen und Kühlen“ .......................................... 39 Abbildung 25 Hauptkomponenten und Energieflüsse beim geothermischen Kühlen .................................................. 40 Abbildung 26 Energiezentrale der Geothermieanlage Unterföhring und Bohrung der Dublette ................................ 43 Abbildung 27 PV-Anlage und Splitmodul zum Kühlen auf einem Dach .......................................................................... 45 Abbildung 28 Gesamtbewertung für das Konzept „Solarelektrisches Kühlen" .............................................................. 45 Abbildung 29 Hauptkomponenten und Energieflüsse beim solarelektrischen Kühlen ................................................ 46 Abbildung 30 Kompressionskälteanlage in prozesstechnischer Anwendung und Splitgeräte .................................... 46
7 Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Bewertungsmatrix zum „Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme“ ......................................................... 19 Tabelle 2 Typische Temperaturniveaus von Wärmepumpen ....................................................................................... 21 Tabelle 3 Bewertungsmatrix zum „Heizen mit Abwärme und Umweltwärme“ .......................................................... 25 Tabelle 4 Bewertungsmatrix zum „Heizen mit Biomasse und Solarthermie“ ............................................................. 31 Tabelle 5 Typische Temperaturniveaus in Absorptionskälteanlagen ........................................................................... 34 Tabelle 6 Bewertungsmatrix zum „Solarthermischen Kühlen” ..................................................................................... 38 Tabelle 7 Bewertungsmatrix zum „Geothermischen Heizen und Kühlen“ .................................................................. 44 Tabelle 8 Bewertungsmatrix zum „Solarelektrischen Kühlen“ ...................................................................................... 50
8 1 Einleitung Das Deutsch-Türkische Energieforum wurde im Jahr 2012 von den Regierungen beider Länder gegründet. Seitdem arbeitet die Deutsche Energie-Agentur (dena) für das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit zahlreichen Akteuren aus Politik und Wirtschaft beider Länder in den Handlungsfeldern erneuerbare Energien, Energieeffizienz sowie Energieinfrastruktur und Sektorkopplung zusammen und trägt zu einem strukturierten Austausch sowie Wissenstransfer bei. Als Co-Chair in diesen Arbeitsgruppen bearbeitet sie gemeinsam mit den Vertretern des türkischen Energieministeriums und in Kooperation mit der Deutsch-Türkischen Handelskammer (AHK) die Themen in den drei von der dena betreuten Arbeitsgruppen. 1.1 Hintergrund Winter kalt und trocken. Die Niederschlagsmenge variiert ebenfalls stark je nach Region von 250 mm im Die Arbeitsgruppen des Deutsch-Türkischen Energie- Südosten bis zu 2.500 mm im Nordosten und in den forums verfolgen das Ziel, zu aktuellen Fragen der Gebirgsebenen. Zudem ist zu beachten, dass die Türkei Energiepolitik einen intensiven Austausch zu den in vielen Gebieten erdbebengefährdet ist. zentralen Fragen der Energiewende aufzubauen und in den zentralen Handlungsfeldern für die Moderni- Dieses Dossier stellt Technologien und deren Poten- sierung und die gesteigerte Wertschöpfungskette des tiale im Bereich des erneuerbaren Kühlen und Heizens türkischen Energiesektors einzusetzen. dar, ordnet sie bestimmten Klimazonen zu und gibt Hinweise zu den in Deutschland geltenden Regulie- Die weitere Erschließung der großen Potentiale an rungen zu bestimmten Anwendungen sowie auf die erneuerbaren Energien in der Türkei, der erheblichen Marktsituation. Potentiale für Energieeffizienz in allen Verbrauchs- sektoren sowie die Ausgestaltung der Energieinfra- 1.2 Zielsetzung des Dossiers struktur und die Integration erneuerbarer Energien in den Energiemarkt versprechen einen wichtigen Beitrag Zielstellung des Dossiers ist es, relevante Informatio- für die Erreichung der Energieziele der türkischen nen zu Technologien für das erneuerbare Heizen und Regierung zu leisten. Kühlen in kompakter Form zu vermitteln. Der Begriff Technologie bezeichnet in diesem Dossier das in Form Die durch die Arbeitsgruppen unterstützte Aktivierung von technischen Bauteilen oder technischen Anlagen und Einbindung von Unternehmen und Institutionen umgesetzte Wissen zur Energieumwandlung. Beispiele aus beiden Ländern soll sicherstellen, dass Ideen eines für Technologien sind Solarthermieanlagen, welche breiten Stakeholder-Kreises eingebunden und ihre Solarstrahlung auf Heizmedien übertragen, oder Sorp- Expertise und Praxiserfahrungen berücksichtigt tionskälteanlagen, die einen warmen Wasserstrom werden. nutzen, um Kaltwasser bereitzustellen. Das Potential für den Einsatz von erneuerbaren In einem Energiekonzept werden geeignete Energien zum Heizen und Kühlen ist sehr groß. Hierfür Technologien miteinander verknüpft, um Energie- stehen verschiedene Technologien zur Verfügung, die dienstleistungen bereitzustellen. Energiedienst- in Deutschland bereits erfolgreich eingesetzt werden. leistungen können das Heizen oder Kühlen von Eine besondere Herausforderung stellt das Kühlen dar: Räumen, das Erwärmen von Trinkwasser oder die Heute werden in der Türkei 16 Prozent des Strom- Luftentfeuchtung sein. So wird im Konzept solar- verbrauchs zur Kühlung verwendet. Solares Kühlen thermisches Kühlen die Technologie der Solarthermie- kann bis zu 60 Prozent des Energieeinsatzes einsparen. anlage mit der Technologie der Sorptionskälteanlage Zudem gibt es hierfür viele verschiedene Technologien, zu einem Energiekonzept verknüpft, um mit Solar- deren Verwendung je nach Ausgangssituation sinnvoll strahlung zu kühlen. Erneuerbare Energiekonzepte ist. Solares Kühlen hat ein großes Potential in sonnigen nutzen hauptsächlich erneuerbare Energiequellen. Regionen, da dort das Kühlen einen noch größeren Gegenüber Standardtechnologien lässt sich durch Anteil am Energieverbrauch hat. diese Konzepte eine signifikante Reduktion der CO2 Emissionen erreichen. Beispielsweise kann das Aufgrund der Größe des Landes gibt es in der Türkei Konzept „solarthermisches Kühlen“ mit nur etwa 10 eine große Anzahl unterschiedlicher Klimazonen. In Prozent der CO2-Emissionen des Alternativkonzeptes den Küstenregionen überwiegt ein mediterranes Klima. „Kühlen mit Erdgas“ umgesetzt werden. Milde und feuchte Winter sowie lange und heiße Sommer dominieren. In Zentralanatolien sind die
9 Ein praxisorientierter Ansatz wird verfolgt, indem sinnvolle Technologiekombinationen in beispielhaften erneuerbaren Energiekonzepten dargestellt werden. Es werden sechs Konzepte in Form von Steckbriefen dargestellt. Die gewählte Darstellungsform ermöglicht es, die Technologien bezüglich der Kriterien Nach- haltigkeit, Resilienz, Regionalität und Wirtschaft- lichkeit zu bewerten. Zusätzlich werden Hinweise für die Übertragbarkeit der Konzepte und Technologien in die Türkei gegeben. 1.3 Erneuerbares Heizen und Kühlen in der Türkei Abbildung 1 Entwicklung der Wärmeerzeugung in der Im Zuge der Energiewende erreichen zunehmend mehr Türkei nach Brennstoffquellen; Daten IEA Technologien und Konzepte eine technische Entwick- lungsreife, durch welche ihr Einsatz energetisch und Laut Daten der IEA werden weltweit ca. 6 Prozent des wirtschaftlich in Betracht gezogen wird. Während die Strombedarfs für die Klimatisierung aufgewendet. Erzeugung erneuerbaren Stroms bereits weit verbreitet Selbst unter Einbezug zukünftiger Effizienzsteige- ist, rücken die Nutzungsmöglichkeiten für erneuerbare rungen der aktuell verwendeten Technologien wird für Wärme derzeit in den politischen Förderfokus. Wohn- und Nichtwohngebäude ein Sprung von Aufgrund der geografischen Lage wird das Potential für weltweit 2.020 TWh im Jahr 2016 auf 6.200 TWh im die Nutzung erneuerbarer Energien als hoch Jahr 2050 projiziert. Der Anteil des Endenergiebedarfs eingeschätzt (Deutsche Energie-Agentur GmbH, 2013). an Strom, welcher für die Klimatisierung eingesetzt wird, kann abhängig von der Region auf 10 Prozent bis Das Land liegt auf Höhe des 40. Breitengrades fast 16 Prozent steigen (IEA Data Services, 2020). südöstlich von Europa, wobei ein Großteil des Landes dem asiatischen Kontinent zugeordnet wird. Die nördliche Grenze bildet das Schwarze Meer, im Süden und Westen befindet sich das Mittelmeer. Auf Höhe von Istanbul sowie in der nördlichen Türkei grenzen die eurasische und die anatolische Platte aneinander. Solare Potentiale sind aufgrund der nördlichen Lage zum Äquator im Süden höher als im Norden des Landes. Im Schnitt werden sie mit ca. 1.300 kWh/m²a angegeben. Das Potential für Energiepflanzen wird auf 75 PJ/a (ca. 21 TWh/a) geschätzt. Das technische Potential zur Wärmegewinnung aus Geothermie wird auf 31.500 MW (276 TWh) beziffert, wobei ein Großteil der Quellen im Westen vorhanden sind (alle Werte, (Deutsche Energie-Agentur GmbH, 2013)). Abbildung 2 Entwicklung des Stromverbrauchs in der Der türkische Endenergiebedarf hat sich seit 2000 Türkei; Daten IEA erhöht. Der Wärmebedarf ist von ca. 4,5 TWh/a 2000 auf ca. 14,5 TWh im Jahr 2010 gestiegen. Seit 2010 ist der Anteil von anderen Quellen (Biogas, Abwärme, Diese Entwicklungen sind für die Energieversorgung Weitere) für die Wärme gegenüber Gas und fossilen der Länder auf verschiedenen Ebenen eine Heraus- Primärenergieträgern (Öl, Kohle) weiter gestiegen. Der forderung. Um das Stromnetz zu entlasten und Bruttostromverbrauch stieg stetig von rund 2.311 (im Lastspitzen abfangen zu können, sind neue Konzepte Jahr 2010) auf 2.896 (im Jahr 2016) kWh je Einwohner notwendig. Das Erschließen der regenerativen (Wirtschaftskammer Österreich, 2019). Energiequellen zum Heizen und Kühlen ist mittels verschiedener Konzepte möglich, welche sich in Marktreife und Erprobungsstand z. T. deutlich unterscheiden.
10 1.4 Technologieübersicht sorptionsgestützten Klimatisierung (Sorptionsent- feuchtung) Anwendung finden. Auf dieses wird Wie der Titel des Dossiers bereits vermittelt, lassen sich ebenfalls innerhalb des Steckbriefes eingegangen. die Konzepte in die Bereiche Heizen und Kühlen unterteilen. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungs- Geothermisches Heizen und Kühlen ist in der Türkei merkmal ist der Gebäudebezug. Werden erneuerbare in den geothermisch aktiven Gebieten interessant. Die Quellen in unmittelbarer Nähe des zu konditionie- Großtechnologie ist für die netzbasierte Versorgung renden Gebäudes erschlossen, werden diese Konzepte von dichten Siedlungsstrukturen geeignet. Der als gebäudeintegrierte Konzepte bezeichnet. In Steckbrief beleuchtet die Risiken der geothermischen dichten Siedlungsstrukturen sind netzbasierte Technologien und zeigt auf, welche sich davon Konzepte meist vorteilhafter, weil die zentralen nachhaltig implementieren lassen. Erschließungstechnologien im größeren Maßstab effizienter und wirtschaftlicher umsetzbar sind. Das Konzept Solarelektrisches Kühlen ist sowohl netzbasiert als auch gebäudeintegriert umsetzbar und Die gewählten Konzepte beinhalten Kerntechnologien wird im letzten Steckbrief erläutert. Grundlegend sind für das erneuerbare Heizen und Kühlen. Das Heizen Photovoltaikanlagen, die Kompressionskälteanlagen mit gebäudenaher Umweltwärme ist ein gebäude- antreiben. integriertes Konzept zur Wärmeversorgung und Trinkwasserbereitung von Ein- und Mehrfamilien- Weitere Technologiekombinationen sind möglich und häusern insbesondere in weniger dichten Siedlungs- eine umfassende Darstellung der Vielzahl an Umwand- gebieten. Die Kerntechnologie Wärmepumpe lungstechnologien ist im Rahmen dieses Dossiers nicht ermöglicht es, Umweltwärme gebäudenah aufzu- darstellbar. Der Vollständigkeit halber sollen jedoch werten. Die Wärmepumpe gilt daher als Schlüssel- weitere Kombinationen von erneuerbaren Quellen und technologie der Wärmewende. Sie ermöglicht eine Umwandlungstechnologien aufgezeigt werden. Verknüpfung der Wärmeerzeugung mit einer auf erneuerbaren Quellen beruhenden Stromerzeugung. Im Steckbrief werden die vielfältigen Varianten der Wärmepumpen und aktuelle Entwicklungen präsentiert. In dichten Siedlungsstrukturen mit bestehenden Nah- und Fernwärmenetzen ist das Heizen mit Abwärme und Umweltwärme und die Einbindung von Solar- thermie ein geeigneter Ansatz, um bestehende Fern- wärmenetze nachhaltiger zu nutzen. Mit Großwärme- pumpen kann die Abwärme von Kraftwerks- und Industrieprozessen oder die Energie von Flusswasser oder dem Erdreich genutzt werden, um über das Leitungsnetz größere Quartiere mit Wärme zu versorgen. Gleichzeitig können fossile Kraftwerke effizienter betrieben werden. Abbildung 3 Technologiekombinationen, G = gebäude- integriert, N = netzbasiert, Farben: rot = Heizen, In kleineren Siedlungsstrukturen ist das Heizen mit blau = Kühlen. Fett umrandete Kombinationen werden im Biomasse und Solarthermie geeignet, weil oft Dossier behandelt. entsprechende land- und forstwirtschaftliche Strukturen vorhanden sind. Auch hier können Wie der Matrix zu entnehmen ist, werden die Nahwärmenetze vorteilhaft genutzt werden. Der Technologien zur Erschließung der ersten sechs Steckbrief fokussiert auf die Nutzung von Biomasse in Quellen in den Steckbriefen erläutert. Bis auf die größeren Kesselanlagen für die netzbasierte Gasabsorptionswärmepumpe werden auch alle Wärmeversorgung. Umwandlungstechnologien mit abgedeckt. Diese Technologie wurde als Brückentechnologie zur Solarthermisches Kühlen wird durch die Kombination effizienteren Nutzung von Erdgas entwickelt, konnte von Solarwärme- mit Sorptionsanlagen ermöglicht. Es sich allerdings am Markt nicht durchsetzen. können damit Klima- oder Prozesskälte erneuerbar Erneuerbare Gase, wie Biogas und Wasserstoff und die bereitgestellt werden. Die Technologievarianten der damit verbundenen Technologien, wie Blockheiz- thermisch angetriebenen Kälteerzeugung werden für kraftwerk und Brennstoffzellen als Kraft-Wärme- gebäudeintegrierte Konzepte dargestellt. Bei einem Kopplungstechnologien werden im Rahmen dieses hohen Entfeuchtungsanteil bei der Klimatisierung kann auch das technologisch verwandte Verfahren der
11 Dossier nicht behandelt, da die anderen Technologien Um sowohl für die konkreten Praxisprojekte als auch für die Türkei interessanter erscheinen. für die generischen Handlungskonzepte eine einheit- liche Bewertung zu ermöglichen, die eine indikative Als Grundsatz aller technologischen Konzepte sollte die Aussage zur Werthaltigkeit eines Ansatzes sowie eine Maximierung der Energieeinsparungen auf der daraus abgeleitete Priorisierung erlaubt, wird mit Hilfe Nutzerseite gelten. Das bedeutet, dass Maßnahmen der Likert-Skala eine Bewertung in die folgenden fünf ausgenutzt werden, um den Wärmebedarf und/oder Bewertungsgruppen vorgenommen. den Kältebedarf eines Gebäudes durch passive Maßnahmen zu reduzieren. Als passive Maßnahmen Gruppe 1: Nachhaltigkeit gelten u.a. die Gebäudedämmung, das Ausnutzen von Gruppe 2: Resilienz solaren Gewinnen, Verschattung, Nachtlüftung, Aus- Gruppe 3: Regionalität nutzung von natürlicher Konvektion und nächtlicher Abstrahlung. In vielen Fällen kann durch eine geeignete Gruppe 4: Wirtschaftlichkeit Kombination der passiven Maßnahmen auf die techno- Gruppe 5: Übertragbarkeit logischen Energiedienstleistungen verzichtet werden. Bestandteil dieser Bewertungsgruppen sind jeweils vier 1.5 Struktur der Steckbriefe und unterschiedliche Merkmale, zu denen eine positive Bewertung der Konzepte Bewertungsthese ausformuliert ist. Die Bewertung der Aussage wird anhand der folgenden Skala gemessen und mit Punkten quantifiziert: Die Steckbriefe beschreiben zuerst die Funktionsweise der Kerntechnologien. Dies beinhaltet ein Funktions- trifft nicht zu (0 Punkte) schema, die Beschreibung wichtiger Komponenten und Kennzahlen sowie Hinweise zu Betriebsgrenzen und trifft eher nicht zu (1 Punkt) alternativen Technologien. teils-teils (2 Punkte) trifft eher zu (3 Punkte) Alle Steckbriefe sind mit einem vereinfachten Schema trifft zu (4 Punkte) illustriert, um die wesentlichen Energieströme darzu- stellen. Hierbei kennzeichnen Pfeile die Energie- Zwischen den Merkmalen einer Bewertungsgruppe ströme. Die Richtung der Pfeile symbolisiert die Fließ- findet keine Gewichtung statt. Die gesammelten richtung der Energie, beim Kühlen von der gekühlten Informationen werden in übersichtlicher Form anhand Umgebung zur Kühltechnologie, beim Heizen von der eines „Performance Wheel“, eines kreisförmigen Heizquelle zum Abnehmer, bei der Stromquelle vom Balkendiagramms, dargestellt. Die Höhe der Balken Netz zum Verbraucher. Die Stärke der Pfeile kann als entspricht der Bewertung der einzelnen Merkmale maßstäbliche Größe der transportierten Energiemenge innerhalb der Gruppen. Jeweils am Ende der Steck- verstanden werden, sodass die Verhältnisse der briefe befindet sich die ausführliche Bewertungs- Energiemengen leicht erfasst werden können. tabelle. Die Farbgebung der Pfeile symbolisiert die relevanten Temperaturniveaus. ➡ Rote Pfeile weisen auf hohe Temperaturen hin, die entweder durch eine Umwandlungs- technologie benötigt werden oder direkt zum Heizen genutzt werden können. ➡ Grüne Pfeile weisen auf ein niedriges Tem- peraturniveau hin, welches nicht zum Heizen oder Kühlen genutzt werden kann. Beispiele sind Umwelt- und Abwärme. ➡ Blaue Pfeile weisen auf nutzbare Energie- ströme mit niedrigen Temperaturen zum Kühlen hin. Abbildung 4 Beispiel eines „Performance Wheel“ ➡ Gelbe Pfeile zeigen einen elektrischen Strom- fluss und werden aufgrund der Energieform Als Bewertungsgrundlage in den fünf Kategorien zusätzlich mit einem Blitzsymbol (↯) dienen die folgenden, näher ausgeführten, gekennzeichnet. Bewertungsmerkmale.
12 1.5.1 Nachhaltigkeit B - Netzunabhängigkeit: „Das System ist nicht auf eine Netzinfrastruktur angewiesen.“ Es werden folgende Bewertungsmerkmale Energiequellen werden von dem System selbst genutzt herangezogen: (Solarthermie, Umweltwärme). Dadurch besitzt das System einen hohen Selbstversorgungsanteil. Die A - CO2-Neutralität: „Das Konzept ist so wie Netzinfrastruktur ist nicht oder nur in sehr geringem beschrieben CO2-neutral.“ Maße für den Betrieb erforderlich und dient nicht als Das Konzept verursacht innerhalb der Bilanzgrenze Backupsystem. keine CO2-Emissionen. CO2-Emissionen des vorgelagerten Energieerzeugungssystems sind nicht C - Netzeinspeisung: „Das Konzept ermöglicht eine berücksichtigt. Einspeisung ins Netz.“ Regenerativ erzeugte Überschüsse können in das Netz B - Treibhausgase: „Die Emission von weiteren eingespeist werden. Dadurch kann die Verwendung Treibhausgasen wird vermieden.“ fossiler Primärenergieträger für den Energiemix Neben CO2 werden keine weiteren Treibhausgase in reduziert werden. den Konzepten freigesetzt (F-Gase, Methan, Schwefelhexaflourid). F-Gase werden z. B. in D - Robustheit: „Die Technologie ist wenig störanfällig Kompressionskälteanlagen und Kompressions- und wartungsarm.“ wärmepumpen verwendet. Methan entsteht Die Teilkomponenten sind im Einsatz erprobt und hauptsächlich bei der Biogaserzeugung und kann bei weisen nur geringe Störanfälligkeit auf. Die Techno- der Förderung von Thermalwasser in geothermischen logie ist wartungsarm und kann im Zweifel mit ein- Kraftwerken freigesetzt werden. fachen Mitteln instandgesetzt werden. C - Systemunabhängigkeit: „Die Erzielung einer CO2- 1.5.3 Regionalität Reduktion ist unabhängig vom Energiesystem.“ Eine Abhängigkeit ist beispielsweise gegeben, wenn Es werden folgende Bewertungsmerkmale heran- Einflüsse durch einen veränderten Strommix einen gezogen: Effekt auf die Höhe der CO2-Vermeidung der Maßnahme haben. Ein erneuerbares Versorgungs- A - Schadstoffreduktion: „Lokal werden keine Schad- konzept (z. B. mit einer Wärmepumpe) kann durch eine stoffe emittiert.“ Transformation des Energieversorgungssystems Das Konzept hilft bei der Senkung der lokalen Schad- insgesamt CO2-neutral werden. stoffemissionen, bspw. durch die Vermeidung des Ausstoßes von Feinstaub. D - Umweltverträglichkeit: „Das Konzept hat keine nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt.“ B - Akzeptanz: „Das Konzept wird breit akzeptiert oder Die Anwendung des Konzeptes hat neben der lässt sich mit Zusatznutzen umsetzen.“ Treibhauswirkung keine negativen Umwelteinflüsse. Das Konzept besitzt nur wenige negative Auswirkungen Bestandteile und technische Komponenten können in und wird daher von der Bevölkerung positiv aufge- bestehende Infrastruktur (Keller, Dächer) integriert nommen. Beispielsweise können Energiezentralen mit werden. Begegnungsstätten zum Erfahrungsaustausch (z. B. zum Energiesparen) kombiniert werden. Der Aufbau 1.5.2 Resilienz von Wärme- oder Kältenetzen kann mit dem Ausbau anderer leitungsgebundener Infrastruktur kombiniert Es werden folgende Bewertungsmerkmale heran- werden. gezogen: C - Lokale Wertschöpfung: „Die lokale Wirtschaft A - Netzdienlichkeit: „Energiebedarf oder –bereit- profitiert durch das Konzept.“ stellung können an äußere Bedingungen angepasst Die lokale bzw. kommunale Wertschöpfung wird werden.“ gesteigert. Es entstehen Arbeitsplätze in der Region Flexibilitätsoptionen bestehen bspw. durch zeitliche und es ist davon auszugehen, dass die Steuerein- Lastverschiebung, kurzfristige Energiespeicherung oder nahmen steigen. Verschiebung von Energieflüssen zu anderen Energie- infrastrukturen. Dadurch kann die Auslastung der D - Erzeugung: „Regenerative Quellen werden vor Ort bestehenden Energieinfrastrukturen verbessert und genutzt.“ der Anteil regenerativer Energien erhöht werden. Regenerative Quellen werden für das Konzept lokal genutzt. Der Energiebedarf kann vor Ort bereitgestellt und gesichert werden.
13 1.5.4 Wirtschaftlichkeit Erreichung von Energiewende- und Klimaschutzziele unterstützt. Folgende Bewertungsmerkmale werden herangezogen: 1.5.5. Übertragbarkeit A - Unabhängigkeit: „Die Wirtschaftlichkeit des Projektes ist unabhängig von Förderprogrammen.“ Folgende Bewertungsmerkmale werden herangezogen: Politische Rahmenbedingungen bestimmen den Grad der Wirtschaftlichkeit aller Energiewandlungsformen. A - Marktreife: „Die verwendeten Technologien sind Um das Konzept im Markt zu etablieren und die Kosten erprobt und es besteht eine vielfältige Anbieterbasis.“ durch Skaleneffekte zu reduzieren, werden keine zusätzlichen Förderprogramme benötigt. Die zur Umsetzung des Konzepts benötigten Techno- logien sind (weltweit) am Markt verfügbar, ggf. not- B - Zukunftsfähigkeit: „Unter veränderten wendige Zulassungen liegen vor. Es besteht eine große umweltdienlichen Rahmenbedingungen bleibt der Anbietervielfalt und ausreichend hohe Lieferfähigkeit, Endenergiepreis wettbewerbsfähig.“ um einen breiten Einsatz des Konzepts zu ermöglichen. Viele externe Kosten, welche bei der Energie- Die eingesetzten Technologien bieten eine hohe versorgung anfallen, werden nicht auf den Energiepreis Investitionssicherheit. umgelegt (CO2-Bepreisung, Endlagerung von B - Einsetzbarkeit: „Das Konzept ist kurz- bis Atommüll). Unter der Annahme, dass politische mittelfristig in einer Vielzahl von Orten umsetzbar.“ Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche primär dem Schutz der Natur dienen, ist davon Das Konzept kann in unterschiedlichen Implemen- auszugehen, dass dieses Projekt auch in der Zukunft tierungsumgebungen eingesetzt werden. Es bestehen wirtschaftlich ist. keine spezifischen lokalen, geologischen oder infra- strukturellen Voraussetzungen. Das Konzept passt sich C - Investitionssicherheit: „Das Konzept besitzt ein an lokale Spezifika an. Die Umsetzbarkeit ist nicht von geringes Anwendungsrisiko.“ knappen Ressourcen oder spezifischen Genehmigun- Das Konzept ist technologisch ausgereift und gen bzw. langwierigen Planungsverfahren abhängig. praxiserprobt, sodass geringe finanzielle Risiken C - Herstellung: „Fertigungs- und Produktions- bestehen. knowhow ist vorhanden.“ D - Nutzwert: „Das Konzept ist aus volkswirtschaft- Großteile der für das Konzept benötigten Kompo- licher Perspektive zur Erreichung der Energiewende- nenten könnten innerhalb der Türkei produziert und Klimaschutzziele vorteilhaft.“ werden. Das Konzept verursacht geringere CO2-Vermeidungs- D - Geografie: „Die geografischen Randbedingungen kosten als alternative erneuerbare Konzepte, die eine wirken sich vorteilhaft auf das Konzept aus.“ vergleichbare Energiedienstleistung erbringen. Es hat durch die höhere Kosteneffizient einen positiven Das Konzept besitzt durch die geografischen gesamtwirtschaftlichen Effekt aufweist und die Randbedingungen in der Türkei ein höheres Potential angewandt zu werden als in Deutschland. Eine Übertragung ist allein deshalb vorteilhaft.
14 2 Steckbrief Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme Wärmepumpen stellen eine Kerntechnologie zur regenerativen Wärmeversorgung im Gebäude- bereich dar. Das gebäudeintegrierte Konzept nutzt Umgebungsluft, das Erdreich oder Solar- kollektoren als lokale Wärmequellen. Wärmepumpen werden mit elektrischer Energie ange- trieben. Um als erneuerbar zu gelten, sind diese daher auf einen hohen erneuerbaren Stromanteil im Netz angewiesen. Wärmepumpen sind für alle Leistungsklassen erhältlich. Es ist auf eine möglichst effiziente Wärmeverteilung und auf ein niedriges Temperaturniveau im Verteilsystem zu achten. Reversible Wärmepumpen können auch zum Kühlen genutzt werden. Durch die in der Türkei vorliegenden Randbedingungen mit geringerem Heizenergiebedarf und hohen Kühllasten sind diese Typen besonders geeignet. Wärme an den Heizkreis ab und verflüssigt dabei. Ein elektrisch angetriebener Verdichter (Kompressor) fördert das dampfförmige Arbeitsmittel vom Nieder- druck zum Hochdruck. Wärmepumpen werden nach der Umweltquelle und dem Heizkreisfluid unter- schieden. Übliche Kategorien sind Luft-Wasser-, Wasser-Wasser-, Sole-Wasser- und Luft-Luft-Wärme- pumpen. Abbildung 5 Wärmepumpenanlage am GALAB- Unternehmensstandort in Hamburg (©Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e. V.) 2.1 Funktionsweise Kernkomponente der Wärmepumpe ist ein elektrisch angetriebener Kompressor. Dieser ermöglicht es Energie von einer Quelle niedriger Temperatur auf ein hohes Temperaturniveau zu bringen. Es kann dadurch Umweltwärme genutzt werden, z. B. aus dem Erdreich, Abbildung 6 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen der Luft oder solarer Einstrahlung. Die Wärmepumpe mit gebäudenaher Umweltwärme“ besteht aus zwei wesentlichen Bestandteilen: einem Kompressormodul und einem Wärmekollektor zur Bei einer Luft-Wasser-Wärmepumpe wird Außenluft Aufnahme der Umweltwärme (siehe Abbildung 7). als Wärmequelle genutzt. Diese Wärme wird über den internen Kreisprozess an den Wasserkreis auf hohem 2.1.1 Wärmepumpen Temperaturniveau abgegeben und kann zum Heizen verwendet werden. Vom technischen Aufwand her ist Im Wärmepumpenprozess wird ein Arbeitsmittel die Nutzung der Außenluft am einfachsten, weil sie (ein dampfförmiges bzw. flüssiges Medium) auf einem überall ausreichend verfügbar ist. Luft-Wasser-Wärme- Nieder- und einem Hochdruckniveau genutzt. Auf dem pumpen sind daher die im Neubau aktuell am meisten Niederdruckniveau kann die Flüssigkeit Umweltwärme genutzte Technologie. Nachteilig ist die Temperatur- bei niedrigen Temperaturen aufnehmen und ver- änderung der Außenluft im Jahresverlauf und die ggf. dampft, auf dem Hochdruckniveau gibt der Dampf die störende Geräuschentwicklung.
15 Abbildung 7 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse bei der gebäudeintegrierten Wärmepumpe. Umweltwärme wird durch die elektrisch angetriebene Wärmepumpe im Gebäude für Heizung und Trinkwarmwasser aufgewertet. Bei sinkenden Außentemperaturen gehen Leistung und Energieeffizienz der Wärmepumpe zurück, JAHRESARBEITSZAHL (JAZ) gleichzeitig steigt der Wärmebedarf für die Gebäude- heizung an. Bei Verdampfungstemperaturen unter 0 °C bildet sich Eis am Luft- Wärmekollektor. Dieser muss dann regelmäßig abgetaut werden, was zu zusätzlichen Effizienzeinbußen führt. Die Jahresarbeitszahl kennzeichnet die Effizienz eines In Luft-Luft-Wärmepumpen wird die Energie direkt Wärmepumpensystems. Sie ist das Verhältnis von auf die Raumluft übertragen. Diese Geräte sind erzeugter Wärme (Nutzen) zur eingesetzten elektrischen entweder auf eine zentrale Lüftungsanlage angewiesen Energie (Aufwand) in einem Jahr. Die Jahresarbeitszahl wird stark durch die Quellentechnologie beeinflusst. oder sie werden nur dezentral zur Einzelraumkondi- Mittlere JAZ von installierten Anlagen und deren Band- tionierung eingesetzt. Mit diesen Anlagen kann kein breite wurden in Feldtests ermittelt (Miara & Günther, Trinkwarmwasser bereitet werden. Derartige Anlagen 2019): sind in Deutschland daher nicht verbreitet. Im Bereich der Raumkühlung kommt der thermodynamische 3,0 (2,6...4,0) für Luft-Wasser-WP Prozess allerdings in Form sogenannter Split- 3,7 (3,2…4,6) für Wasser-Wasser WP und Sole-Wasser Klimageräte zum Einsatz. WP In Wasser-Wasser-Wärmepumpen wird Grundwasser Die Zahlen berücksichtigen den Aufwand für den Verdichter, die Steuerung, den Wärmekollektor (Pumpe, als Wärmequelle genutzt. Für die Nutzung von Grund- oder Ventilator) und die elektrische Nachheizung. Die wasser sind zwei Brunnen erforderlich, einer für die große Bandbreite zeigt, dass für einige Systeme noch Förderung und einer für die Wiedereinbringung des hohes Optimierungspotential besteht. Wassers. Grundwasser hat den Vorteil, dass ganzjährig sehr konstante Temperaturen vorliegen. Die Effizienz der Wärmepumpe ist folglich höher als bei Luft- Wasser-Wärmepumpen. Berücksichtigt werden 2.1.2 Gebäudeintegrierte Stromerzeugung müssen jedoch die Sekundärstromverbräuche für die Förderpumpen. Die elektrisch betriebenen Wärmepumpen können Bei Sole-Wasser-Wärmepumpen wird das Erdreich als sinnvoll mit Photovoltaik (PV)-Anlagen kombiniert Wärmequelle genutzt. Ein Wärmeträgermedium (die werden. Besonders in den Sommermonaten mit hoher Sole) wird durch eine Erdsonde oder durch Erdkol- solarer Stromerzeugung kann der Strom z. B. für die lektoren gepumpt und nimmt die Wärme des Erdreichs Warmwasserbereitung genutzt werden. In diesem Fall auf. Die Temperaturen des Erdreichs sind ähnlich zum kann der eigenerzeugte, günstigere PV-Strom Grundwasser, weshalb die Sole-Wasser-Wärme- verwendet werden. Ein sinnvolles Regelungskonzept pumpen ebenfalls eine hohe Effizienz aufweisen. Eine sollte hier den aktuellen Stromüberschuss neuere Technologie sind Sole-Wasser-Wärmepumpen berücksichtigen. mit im Erdreich verbauten oder mit integriertem Eisspeicher und mit solarthermischen Kollektoren 2.1.3 Weitere Systemkomponenten (vertiefende Erklärung siehe Beispielanwendung). Besondere Systemkomponenten sind nicht erfor- derlich. Insbesondere bei Wärmepumpensystemen beeinflusst das periphere Heizungsverteilsystem die
16 Effizienz entscheidend. Vorteilhaft sind 2.2 Nachhaltigkeit Heizungssysteme, welche die Wärme auf niedriger Temperatur übertragen können. In Frage kommen Wärmepumpen sind eine nachhaltige Form für das Fußboden- und Flächenheizungen, aber auch Konvek- Heizen und Kühlen, wenn der Strom aus erneuerbaren tor-Heizkörper mit Gebläseunterstützung. Wichtig ist, Quellen stammt. Sie könnten bis 2050 etwa 90 Prozent die Heizkörper hydraulisch abzugleichen, so dass alle der Niedertemperaturwärme in Gebäuden bereit- Heizkörper möglichst niedrige Rücklauftemperaturen stellen (Henning & Palzer, 2015). Hierbei ist insbeson- liefern. dere auf den saisonalen Aspekt zu achten. Wird der erneuerbare Anteil im Strommix hauptsächlich aus 2.1.4 Betriebsgrenzen solarer Energie gewonnen, ist eine Gleichzeitigkeit mit dem Wärmebedarf nicht gegeben. Ein massiver Zubau Wärmepumpen im Gebäudebereich sind auf niedrige an Wärmepumpen müsste dann durch eine gesteigerte Rücklauftemperaturen angewiesen. Daher ist gerade Nutzung der anderen Stromquellen kompensiert im Neubau und bei sanierten Gebäuden eine werden. In Deutschland ist erneuerbares Heizen mit Verwendung sinnvoll, weil die Temperaturniveaus im Wärmepumpen daher besonders auf das Potential der Heizungssystem oft geringer sind. Im unsanierten (Offshore-)Windkraft, auf die saisonale Speicherung Gebäudebestand mit sehr hohem Wärmebedarf und solarer Energie (z. B. mittels Carnot-Batterien oder hohen Vorlauftemperaturen ist ein Einsatz mit großen Warmwasserspeichern) oder auf Abwärme sinnvoller Effizienz oft nur schwer zu realisieren. Feste angewiesen. Betriebsgrenzen sind jedoch nicht vorhanden. Das Heizen mit Wärmepumpen ist vorteilhaft, wenn der Ausstoß an Treibhausgasen geringer ist als der der BIVALENZPUNKT Referenztechnologie (z. B. Erdgaskessel). In Deutsch- land liegt der auf die Energiemenge bezogene Emissionsfaktor für CO2 im Mittel bei etwa 500 g CO2 für eine Kilowattstunde Strom (Icha, 2019). Mit einer Wärmepumpe werden aus einer Energieeinheit Strom etwa 3 bis 4 Einheiten Wärme. Für dieselbe Menge an Wärmepumpen werden auf regional typische Tempera- Wärme müssten mit Erdgas ohne Umwandlungs- turbereiche (in Deutschland ca. -5 °C bis 5 °C Außen- verluste mind. 600-800 g CO2 ausgestoßen werden. Die temperatur) ausgelegt. In diesem Bereich arbeiten sie Wärmepumpentechnologie ist mit 50 g CO2 bezüglich sehr effizient. An besonders kalten Wintertagen reicht die ihres Treibhaus-Potentials bereits leicht im Vorteil und Heizleistung dann jedoch nicht mehr aus. Die Außen- wird diesen zukünftig durch einen höheren Anteil temperatur, an dem die maximale Heizleistung der Wärmepumpe erreicht wird, ist der sogenannte Bivalenz- erneuerbaren Stroms im Netz und durch effizientere punkt. Unterhalb dieses Bivalenzpunktes muss ein zu- Wärmepumpen weiter ausbauen können. sätzliches Heizsystem die restliche Heizlast decken. Oft werden elektrische Heizstäbe, ein Kamin oder Heizkessel Aktuell werden Wärmepumpen fast ausschließlich mit genutzt. fluorierten Kältemitteln (FKW, HFKW) betrieben, die ein sehr hohes Treibhauspotential besitzen, wenn diese durch Leckagen oder bei der Entsorgung in die Atmo- sphäre gelangen. Neue Wärmepumpen können dieses 2.1.5 Alternative Verfahren Risiko durch hermetisch abgeschlossene Verdichter und geringere Füllmengen reduzieren. Alternativen zu den fluorierten Kältemitteln sind natürliche Kältemittel, Als erneuerbare Alternative für gebäudeintegrierte wie Ammoniak, CO2 und die Kohlenwasserstoffe Pro- Konzepte ist auch eine Holzfeuerung mit Scheitholz- pan, Propen und Isobutan. Diese sind weniger klima- oder Pelletkesseln möglich. Vorteilhaft ist in diesem schädlich, sind jedoch mit technischen Herausforde- Fall, dass auch höhere Temperaturen im Wärmenetz rungen, wie Explosionsgefahr und hohen Drücken, erreicht werden können. Hiermit sind dann eher verbunden (Müller, Paatzsch, & Rölling, 2016). Einige Bestandsgebäude mit hohen Vorlauftemperaturen Hersteller arbeiten bereits mit natürlichen Kältemitteln, auszustatten. Nachteilig ist die Bevorratung des jedoch eher bei Wärmepumpen größerer Leistungs- Brennstoffs, der lokale Ausstoß an Feinstäuben und die klasse (z. B. Frigopol, Johnson Controls). nicht vorhandene Kühlfunktionalität.
17 2.3 Resilienz Wärmepumpen sind entwickelt und bei einem Großteil der Wärmepumpen implementiert. Netzdienliche Wärmepumpen erzeugen Wärme (und ggf. Kälte) für Wärmepumpen werden mit dem SG-Ready oder mit vergleichsweise träge Anwendungen. Durch VHPready oder EEBUS Label gekennzeichnet. Ausnutzung dieser Trägheit können Lasten zeitlich verschoben werden. Einerseits können die Wärme- 2.4 Wirtschaftlichkeit pumpen ausgeschaltet werden, wenn zu einem späteren Zeitpunkt mehr Erneuerbare im Netz Die Investitionskosten werden stark von den Erschlie- erwartet werden oder sie können eingeschaltet ßungskosten der Quelle bestimmt: am teuersten sind werden, wenn dadurch das Zuschalten fossiler Erdsonden und Erdkollektoren, Luft ist am günstigsten Kraftwerke reduziert wird. Die Stabilität des Netzes zu erschließen. Die Investitionskosten von Wärme- wird durch diesen Freiheitsgrad erhöht. Die pumpen sind höher als bei Erdgas-Kesseln (Brennwert- Ansteuerung erfolgt durch den Netzbetreiber. Geräte) jedoch geringer als vergleichbare erneuerbare Entsprechende Standards zur Ansteuerung der Technologien. Im Neubau sind Luft-Wasser-Wärme- pumpen mittlerweile die meistverbreitete Heiztech- nologie. SMART-GRID READY LABEL Die Betriebskosten werden von der Effizienz bestimmt und sind somit von den Temperaturniveaus von Quelle und Senke beeinflusst. Wärmepumpen mit Erdsonden, Erdkollektoren und Grundwasser weisen niedrigere Betriebskosten auf, weil sie deutlich effizienter sind als Das Label kennzeichnet Wärmepumpen, die das Strom- Wärmepumpen, die mit Luft als Wärmequelle arbeiten. netz unterstützen können. Durch den Netzbetreiber Eine detaillierte Planung, ordnungsgemäße Bau- können vier Betriebszustände angesteuert werden: ausführung und ein nachgeliefertes Monitoring ist für den effizienten Anlagenbetrieb wesentlich (Miara & 1. Normalbetrieb mit Speicherladung, Günther, 2019). Der Planungsaufwand für die Anlagen- 2. optional verstärkter Betrieb, technik unter üblichen Einsatzbedingungen ist mittler- 3. verstärkter Betrieb und 4. Sperrbetrieb (max. 2 Stunden). weile als gering einzustufen, weil die Planung software- gestützt erfolgt. Auch der Wartungsbedarf der Anlagen- Mit Betriebszustand 2 und 3 können erneuerbare Strom- technik ist als gering einzuschätzen, denn gegenüber überschüsse durch Lastanhebung genutzt werden, d.h. den Verbrennungstechnologien entfällt die regel- erneuerbare Energien müssen nicht abgeregelt werden. mäßige Prüfung des Abgasstrangs. Betriebszustand 4 dient dazu die Last im Netz zu senken und den Verbrauch fossiler Energieträger zu reduzieren. Die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpen ist damit von der Wärmepumpeneffizienz und der Quellenart Das Label wurde vom Bundesverband Wärmepumpe abhängig. Sie ist in einer detaillierten Planung zu (BWP) im Jahr 2013 in Deutschland eingeführt. Mittler- ermitteln. Nachteilig für den breiten Einsatz ist in weile sind über 1.100 Wärmepumpenmodelle von über 40 Herstellern vertreten. Deutschland aktuell der sehr hohe Preisunterschied zwischen Erdgas und Strom. Bei einem Verhältnis der Preise von 1:4 (5,5 ct/kWh für Gas zu 22 ct/kWh für Strom im WP-Tarif) kann ein wirtschaftlicher Betrieb Investitionskosten: Betriebskosten: Wartungskosten: unterdurchschnittlich durchschnittlich überdurchschnittlich
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