Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
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Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosität für ATLAS am LHC Diplomarbeit am Fachbereich Physik der Justus Liebig Universität in Gießen vorgelegt von Sascha Hoffmann geboren in Magdeburg II. Physikalisches Institut Justus Liebig Universität April 2008
Bacon legt in der Forschung dem Experiment einen hohen Wert bei; er weiß aber von dessen Bedeutung nichts; er hält es für ein mechanisches Werkzeug, welches in Bewegung gesetzt, das Werk aus sich selbst herausmacht; aber in der Naturwissenschaft ist alle Forschung deduktiv oder apriorisch; das Experiment ist nur Hilfsmittel für den Denkprozeß, ähnlich wie die Rechnung; der Gedanke muß ihm in allen Fällen und mit Notwendigkeit vorausgehen, wenn es irgend eine Bedeutung haben soll. Eine empirische Naturforschung in dem gewöhnlichen Sinne existiert gar nicht. Ein Experiment, dem nicht eine Theorie, d.h. eine Idee, vorhergeht, verhält sich zur Naturforschung wie das Rasseln mit einer Kinderklapper zur Musik. Justus von Liebig, Über Francis Bacon und die Methode der Naturforschung, München 1863. Leider können wir nicht mehr so werden wie die Kinder; stattdessen müssen wir mit ansehen, daß die Kinder so werden wie wir. Erich Kästner, Berlin 1929.
Zusammenfassung The LHC at CERN ist the world largest collider machine. It was designed to produce proton-proton collisions at a maximum energy of 14 T eV . ATLAS is one of the main detecting devices at the LHC and is situated at the interaction point (IP) 1. Its most famous purpose is the hunt for the Higgs Boson, for instance with the “golden channel“ pp → H 0 → ZZ → 4l. Not only for this task, but any dedicated reaction, the luminosity, which is a measure for the beam intensity, has to be known with the highest possible accuracy. The ATLAS Detector at the CERN will use an internal monitor to measure the relative luminosity at the interaction point 1 (IP) of the LHC. This device is called LUCID and consists of two Cerenkovdetectors situated at ±17 m from the IP 1. For the calibration of this system an additional detector named ALFA, Absolute Luminosity For Atlas, has been proposed. This detector is designed to measure Coulomb scattering at very small angles and is therefore placed in Roman Pot stations situated at ±240 m from the IP 1. The ALFA System will altogether consist of eight such Roman Pots and uses scintillating fiber trackers as detecting devices. These detectors will be able to move down to 1.5 mm from the nominal beam axis and measure elastic scattering in the Coulomb-Nuclear-Interference region. Due to the dedicated symmetry of the ALFA system, the measurement of the scattered tracks, respectively their coordinates, gives a handle on the momentum transfer. The latter can be described via the Lorentz invariant Mandelstam value t. From the fact that this value can be formulated theoretically as a function of the luminosity L it follows, that measuring the t-spectra is a convenient way to derive L. The goal of ALFA is to meassure absolute values of the luminosity with an accuracy of 3 %. The first part of this work will show several different approaches to measure L and show the measurement principle used by ALFA and the setup at LHC. It will also give a detailed description of the detector itself. The second part deals with data from the CERN testbeam 2006. Here the focus is placed on the achievable spatial resolution of the tracker. Also presented is the constrution and assembly of the ALFA prototype A0 tracker.
INHALTSVERZEICHNIS I Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2 Elastische Streuung und Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1 Optisches Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.2 Messung des totalen Wirkungsquerschnittes am LHC . . . . . . . . . . 16 2.3 Bestimmung der Luminosität mit Coulomb Wechselwirkung . . . . . . 20 3 Experimentelle Methoden zur Bestimmung der Luminosität . . . 24 3.1 Maschinenparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.2 Van der Meer Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.3 Luminosität aus Produktionsprozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.4 TOTEM Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3.5 ALFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4 Der ALFA Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4.1 Roman Pot Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4.2 Der Tracker aus szintillierenden Fasern . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.3 Overlap Detektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4.4 ALFA Prototypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5 CERN Testbeam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.1 Experimenteller Aufbau des CERN Testbeams . . . . . . . . . . . . . 53 5.2 Prinzip der Spurrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 5.3 Systematische Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5.3.1 Auflösungsvermögen mit ALFA Messungen . . . . . . . . . . . 59 5.3.2 Vergleich der Algorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.3.3 Auflösungsvermögen mit MHL . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.3.4 Befund aus den Histogrammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.4 Vergleichsmessungen mit Silizium Teleskop . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.4.1 Systematische Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5.4.2 Analyse der BonnT Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5.4.3 Bestimmung des Auflösungsvermögens von ALFA . . . . . . . . 64 5.4.4 Ortsauflösung mit Hough Transformation . . . . . . . . . . . . 65 6 Bau des ALFA Prototypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 6.1 Modulproduktion für CERN und DESY . . . . . . . . . . . . . . . . 76 6.2 Neue Module . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 6.3 Montage eines ALFA Modules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 6.3.1 Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 6.3.2 Positionierung auf dem Arbeitsrahmen . . . . . . . . . . . . . . 80 6.3.3 Ausrichtung der Fasern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 6.3.4 Vorbereitung des Kapillarklebens . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 6.3.5 Kapillarkleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 6.3.6 Faser-Positionierung nach dem Kapillarkleben . . . . . . . . . . 86 6.3.7 Reinigung und Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Sascha Hoffmann, 2008
INHALTSVERZEICHNIS 1 6.3.8 Bearbeitung der 45◦ Fasern und Metrologie . . . . . . . . . . . 88 6.3.9 Auflösungsvermögen des Prototypen . . . . . . . . . . . . . . . 89 6.3.10 Modulmontage auf dem Steckerrahmen . . . . . . . . . . . . . . 92 Sascha Hoffmann, 2008
3 Kapitel 1 Einleitung Die moderne Physik der Elementarteilchen demonstriert auf eindrucksvolle Weise das Zusammenspiel von Theorie und Experiment in der Grundlagenforschung. Abbildung 1.1: Luftaufnahme des CERN, am rechten Bildrand ist der Genfer Flughafen zu erkennen. Skizziert ist der Verlauf des SPS (7 km) und des LEP/LHC Tunnels (27km) [1]. Die experimentellen Werkzeuge sind spektroskopische Untersuchungen von Objek- ten auf subatomarer Ebene und Streuexperimente mit Elementarteilchen als Son- den. Für diese Streuexperimente werden im wesentlichen zwei Hauptkomponenten benötigt. Dies sind zum einen Beschleunigeranlagen, die Elementarteilchen auf na- hezu Lichtgeschwindigkeit und dann zur geordneten Kollision bringen können und zum anderen Detektorsysteme, welche diese Kollisionen registrieren und aufzeich- nen. 1952 wurde das Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire von Vertre- tern 11 europäischer Nationen gegründet. Das Ziel dieser Einrichtung war es, durch Sascha Hoffmann, 2008
4 KAPITEL 1. EINLEITUNG die Bündelung von finanziellen und wissenschaftlichen Ressourcen die Basis für eine Großforschungseinrichtung unweit des Genfer Sees zu schaffen. Die offizielle Grundsteinlegung fand 1955 in der Nähe von Meyrin an der schweizerisch-französischen Grenze statt. Heute erstreckt sich das CERN-Gelände über mehrere Kilometer beiderseits der Grenze und versinnbildlicht so am ehesten seinen internationalen Charakter. Beginnend mit einem kleinen Protonensynchro- tron entwickelte sich der des CERN zu einem verzweigten System von Detektoren, Beschleunigern und Speicherringen (siehe Abb. 1.2). Abbildung 1.2: Schematische Darstellung des Maschinenpark am CERN. Eingetragen sind die Standorte der vier grossen Experimente sowie das System der Vorbeschleuniger und Teile der Infrastruktur. Der ALFA testbeam fand 2006 in der North Area des SPS statt [1]. 1989 nahm dort LEP, der Large Electron Positron Collider√seine Arbeit auf. Zu die- sem Zeitpunkt war es mit einer Schwerpunktsenergie von s ≈ 100 GeV das größte Instrument, das der Hochenergiephysik zur Verfügung stand. Der Tunnel für LEP hat einen Umfang von 27 km und erstreckt sich in etwa 100 m Tiefe vom Aéroport international de Genève bis zu den Hängen des Massif du Jura. Die Planungen für den Large Hadron Collider begannen Mitte der neunziger Jah- Bau eines Luminositätsdetektors.
5 re, noch während am LEP versucht wurde durch Aufrüsten der Beschleuniger die Nachweisgrenze in den Bereich der Masse des Higgs Teilchens zu erweitern. Im Jahr 2000 wurde LEP dann abgeschaltet und mit einem bewilligten Budget von etwa 2,5 Milliarden Euro wird seitdem am Umbau zum LHC gearbeitet. Der Large Hadron Collider befindet sich im gleichen Tunnel wie LEP und kann somit auf vorhandene Infrastruktur zurückgreifen. Zwei gegenläufige Protonenstrahlen sollen dort bis zu einer Schwerpunktsenergie von 14 T eV beschleunigt werden. Es gibt insgesamt vier große Detektorsysteme die im LHC installiert werden; dieses sind ATLAS, CMS, LHCb und ALICE. Während die ersten beiden multifunktionale Detektoren sind, deren Anspruch das Vermessen von Spuren und Energieen möglichst aller Reaktionsprodukte einer P roton − P roton Kollision ist, haben die anderen speziellere Aufgaben. ALICE, A Large Ion Collider Experiment, wurde zur Untersuchung von P b − P b Kollisionen entwickelt und man hofft hier Quark-Gluon-Plasmen generieren und we- sentliche Merkmale dieses Aggregats messen zu können. LHCb wird sich fast ausschließlich der Produktion von bottom-quarks widmen und Eigenschaften von B-Mesonen bestimmen. Der Detektor ist als fixed target Experi- ment aufgebaut und weist deswegen nicht die Symmetrie der anderen Systeme auf. CMS, der Compact Muon Solenoid, ist wie ATLAS (A Toroidal LHC ApparatuS) ein Allrounddetektor. Beide Systeme sind komplementär konzipiert und haben das höchste Potential zur Identifizierung des Higgs Teilchens. Das Design des LHC er- laubt eine maximale Luminosität von 1034 cm−2 s−1 , die allerdings erst ein paar Jahre nach dem Hochfahren der Anlage im Jahr 2008 erreicht werden wird. Doch auch für eine um einige Größenordnungen geringere Luminosität kann mit ATLAS eine Reihe wichtiger Prozesse innerhalb des Standardmodells untersucht werden. Hierzu gehören Messungen leptonischer Zerfallskanäle von W und Z Bosonen und die Produktion schwerer Quarks. Zu den exotischeren Aufgaben werden die Suche nach SUSY Teilchen und soge- nannten miniblackholes gezählt. Da es sich hierbei um Programme jenseits des Standardmodells handelt, ist es von großer Wichtigkeit vorher den Detektor und die Strahlbedingungen intensiv zu studieren. Ein weiterer Bereich, der ebenfalls von ATLAS abgedeckt werden wird, sind Refe- renzmessungen im Hochenergiespektrum der kosmischen Strahlung und bei Schwe- rionenkollisionen mit einer Luminosität von L = 1027 cm−2 s−1 . Die meisten Erwar- tungen weckt ATLAS in Bezug auf die Entdeckung des Higgs Teilchen. Dieses Aus- tauschboson der elektroschwachen Wechselwirkung läßt sich mit Hilfe des Goldstone- Theorem postulieren, wenn man von einer globalen zu einer lokal eichinvarianten Formulierung der Theorie übergeht. Die Konsequenzen dieses Mechanismus sind wohldefinierte Massenterme für vier reelle Austauschbosonen der schwachen Wech- selwirkung. Der erste Nachweis des neutralen Z gelang 1975 mit Hilfe der GARGA- MELLE Blasenkammer. Am LEP konnten dann zwar die Massen von Z 0 und W ± bestimmt werden, doch der Nachweis eines vierten Bosons ist nicht mit hinreichen- der Sicherheit gelungen. Dieser Aufgabe, dem Nachweis des Higgs Bosons, wird sich die ATLAS Kollaboration insbesondere widmen. ATLAS ist mit einer Länge von 46 m und einem Durchmesser von 25 m einer der Sascha Hoffmann, 2008
6 KAPITEL 1. EINLEITUNG größten Teilchendetektoren der Welt, und mit 7000 Tonnen Gesamtgewicht ist er fast so schwer wie der Pariser Eiffelturm. Abbildung 1.3: Skizze des ATLAS Detektors, markiert sind die wichtigsten Subsysteme, zum Vergleich der Ausmaße wurden Personen in Lebensgrösse dem Bild hinzugefügt [1]. Wie bei den meisten multifunktionalen Detektoren in Kollisionsexperimenten ist auch ATLAS zylindersymmetrisch zur Strahlachse und zum IP1 aufgebaut. Möglichst nah am Wechselwirkungspunkt sind Spurdetektoren angebracht, die mit hoher Ortsauflösung die Vertizes und Teilchenbahnen bestimmen. Für ATLAS bil- den SCT1 , Pixel und TRT2 zusammen den inneren Detektor, dessen Aufgabe darin besteht, Impulse elektrisch geladener Teilchen zu messen. Das zentrale Instrument, der Pixeldetektor, hat über 1700 Einzelmodule, die mit jeweils 46000 Einzelpixeln ausgestattet sind und der somit über 80 Millionen Kanäle verfügt. Aufgrund der Granularität eines einzelnen Pixels beträgt die auflösbare Fläche etwa 14 × 115 µm2 . Um den Pixeldetektor herum ist der SCT angebracht. Dessen Auflösung beträgt 17 µm in der R − φ Ebene und 580 µm entlang der z-Achse. Der äußere der inneren Detektoren ist der TRT, der Übergangsstrahlungsdetektor. Über Cerenkovstrahlung wird hier eine erste Teilchenunterscheidung zwischen Leptonen und Hadronen durch- geführt. Das nächste Element ist das elektromagnetische Kalorimeter, hier werden geladene Hadronen und Leptonen, sowie Photonen durch ihre Schauer nachgewiesen. Diese entsprechen im Wesentlichen den deponierten Energieen der Teilchen. Bei ATLAS ist das innere, mit flüssigem Argon bei −183◦ C betriebene LAr Kalorimeter aus 110.000 Kanälen zusammengesetzt. Daran schließt sich das Tile Kalorimeter zum 1 Semi Conductor Tracker 2 Transition Radiation Tracker Bau eines Luminositätsdetektors.
7 Bestimmen der hadronischen Schauer an. Dieses äußere, zylinderförmige Kalorime- ter enthält etwa 500.000 einzelne Szintillatoren. Das Myonensystem ist aus vier verschiedenen Kammern aufgebaut und besteht im Wesentlichen aus konzentrischen Zylindern in der Nähe des IP1 und fächerartigen Kreisflächen an beiden Enden. Diese Geometrie stellt sicher, dass jedes vom IP kommende Myon mindestens drei dieser Einzeldetektoren durchfliegen muß. In al- len Myonenkammern werden verschiedene Detektortypen benutzt und die maximal erreichbare Auflösung liegt im bereich von 60 µm. Abbildung 1.4: Aufnahme aus der ATLAS cavern. Zu sehen ist der Detektor entlang der Strahlachse z mit den ringförmig angeordneten zylindrischen Toroidal-Magneten [1]. Einer der wichtigen Faktoren beim Design von ATLAS war die Geometrie und An- ordnung der Magnetfelder. Ein Magnetsystem soll durch Lorentzkräfte elektrisch geladene Teilchen ablenken und es ermöglichen, die unterschiedlichen Krümmungs- radien der Bahnen zu messen und damit deren Impulse zu berechnen. Das Axialfeld von 2 Tesla im Zentrum von Atlas wird von einem zylindrischen Sole- noidmagnet mit einer Länge von 5,3 m und 2,4 m Durchmeser bereitgestellt. Um die Beeinträchtigung der inneren Detektoren so gering wie möglich zu halten beträgt die Wandstärke nur 4,5 cm. Trotzdem wiegt der Solenoid über 4 Tonnen. Die beiden äußeren Toroidalmagnete erreichen mit mehr als 20 kA ein Feld in der Größenord- nung von 4 Tesla [2]. Eine der fundamentalen Kenngrößen aller physikalischen Prozesse am LHC ist die Luminosität. Sie kann interpretiert werden als ein Maß für die Strahlintensität und geht zusammen mit einer gemessenen Reaktionsrate in die Berechnung des Wir- kungsquerschnittes eines physikalischen Prozesses ein. Sascha Hoffmann, 2008
8 KAPITEL 1. EINLEITUNG Es gibt mehrere, prinzipiell unterschiedliche Zugänge zum Ausmessen der Größe L. So kann man sie z.B. rein aus Maschinenparametern extrahieren oder mit Hilfe theo- retisch gut bekannter Reaktionen berechnen. Innerhalb der ATLAS Kollaboration gibt es ein Detektorsystem, dessen Aufgabe im Ausmessen der Luminosität besteht. Im Normalbetrieb wird dies im Wesent- lichen von LUCID (LUminosity measurement via Cerenkov Integrated Detector) geleistet werden. Dieser Detektor wird innerhalb von ATLAS symmetrisch in ±17 m Abstand zum IP1 und nahe an der Strahlachse untergebracht. Das Grundkonzept dieses Systems beruht auf dem linearen Zusammenhang zwischen der Luminosität und der dort gemessenen Ereignisrate. Um den Strahlparameter L mit ausreichender Genauigkeit überwachen zu können ist ein stufenweises Kalibrieren dieses Detektors erforderlich. Die erste Stufe, das Ausmessen der Absoluten Luminosität f ür ATLAS übernimmt der ALFA Detektor. Dieser ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Bau eines Luminositätsdetektors.
9 Kapitel 2 Elastische Streuung und Anwendungen Dieses Kapitel soll einen kurzen Einblick in die Theorie der elastischen Streuung geben und skizziert die Herleitung des mathematischen Zusammenhanges zwischen der Luminosität und den mit ALFA direkt zu messenden geometrischen Größen. Zum Vergleich wird die TOTEM1 Methode dargestellt. Dort wird die Messung ela- stischer Streuung ebenfalls mit Roman Pot Detektoren am LHC erfolgen, aller- dings beschränkt sich die Analyse auf den hadronischen Anteil und die Verwendung des optische Theorems. Im Unterschied dazu berücksichtigt ALFA elastische Cou- lombstreuung und wird Daten aus dem Bereich des t-Spektrums liefern, in dem beide Amplituden die gleiche Größenordnung haben und interferieren. 2.1 Optisches Theorem Das Optische Theorem beschreibt einen Zusammenhang zwischen dem Imaginärteil der Vorwärtsstreuamplitude und dem totalen Wirkungsquerschnitt einer Reaktion. Ursprünglich entstammt dies der elektromagnetischen Wellenoptik, wird hier aller- dings auch auf den Bereich der hadronischen Wechselwirkungen übertragen. Die hier dargestellte Argumentation folgt im Wesentlichen [3]. Jeder einfache Streupro- zess kann durch eine resultiernde Wellenfunktion Ψ(r) beschrieben werden, welche als Summe eines einfallenden, ungestreuten und eines gestreuten Anteils formuliert wird. Im Falle ebener Wellen läßt sich das schreiben als ikr 1 ikr Ψ(~r) = A e + f (θ, k) e . (2.1) r Hierbei beschreibt f (θ, k) die Amplitude der gestreuten Welle. Die Normierung 1r kann in dieser Formulierung dem gestreuten Anteil von Ψ zugeschrieben werden. Die Forderung nach Teilchenzahlerhaltung führt auf eine Beziehung der Streuamplitude zum gestreuten Teilchenstrom innerhalb eines Raumwinkelbereiches. Der differenti- elle Wirkungsquerschnitt kann definiert werden als dσ = |f (k, θ)|2. (2.2) dΩ Eine bewährte Methode zur Darstellung von Wellenfunktionen ist ihre Repräsenta- tion durch die vollständigen, orthogonalen Kugelflächenfunktionen. Überträgt man 1 Total Cross Section, Elastic Scattering and Diffraction Dissociation Sascha Hoffmann, 2008
10 KAPITEL 2. ELASTISCHE STREUUNG UND ANWENDUNGEN diese Idee auf die Streuamplituden, so spricht man von einem Partialwellenansatz, der ebenfalls auf einer Entwicklung nach Drehimpulseigenfunktionen, analog zu den Lösungen für Ψ, beruht. Die mathematische Darstellung erfolgt durch Pl . Dies sind die Legendre-Polynome zur Drehimpuls-Quantenzahl l ∞ i X f (k, θ) = (2l + 1)(1 − ηl )Pl (cos θ). (2.3) 2k l=0 Hierbei wird der reelle Phasenwinkel δ durch η eingefügt ηl = |ηl | · exp(2iδl ). (2.4) Unter Verwendung von dσ f ∗ (θ)f (θ) = (2.5) dΩ und der Orthogonalität der Legendre Polynome P (cos θ) kann man den totalen Wirkungsquerschnitt beschreiben als X X π σtot = σl = 2 (2l + 1)|1 − ηl |2 . (2.6) l l k Nimmt man nun den Fall rein elastischer Streuungen an2 und verwendet die für reelle δ gültige Beziehung i exp(iδ) · sin δ = (exp(2iδ)) , (2.7) 2 so findet man i X f (θ) = (2l + 1) (1 − exp 2iδl Pl (cos θ)) , 2k l 1X f (θ) = (2l + 1) exp(iδl ) · sin δl Pl (cos θ). (2.8) k l Daraus läßt sich allgemein folgern, dass gilt: 4π X Z σtot = |f (θ)|2 dΩ = 2 (2l + 1) sin2 δl . (2.9) k l Für die Streuamplitude f (θ) lassen sich nun zwei Spezialfälle diskutieren. Zum einen kann man als ein notwendiges Kriterium ausschließlich nur Vorwärtsstreuung, also θ ≈ 0 betrachten (a). Andererseits lassen sich hinreichend Streuungen nur mit S- Wellen (b), also reinen Zuständen mit präpariertem Drehimpuls l = 0 fordern3 . Da für alle Legendre Polynome Pl (1) = 1 gilt, nimmt in Gl. 2.8 der Faktor Pl für beide Fälle den Wert 1 an. Mit exp(iδl ) = cos δl + i sin δl (2.10) 2 hierbei gilt dann |ηl | = 1 bzw. |k| = const. 3 Im Fall (a) erhählt man aus der Näherung θ → 0 ⇒ Pl (cos(θ) = 1). Für (b) ergibt sich P0 (cos θ) = 1. Bau eines Luminositätsdetektors.
2.2. MESSUNG DES TOTALEN WIRKUNGSQUERSCHNITTES AM LHC 11 läßt sich die Streuamplitude schreiben als 1X f (θ = 0) = (2l + 1) · sin δl cos δl + i sin δl · sin δl . (2.11) k l Zusammen mit Gl. 2.9 ergibt sich dann 1X k Im (f (θ = 0)) = (2l + 1) sin2 δl = · σtot . (2.12) k l 4π Dies ist das Optische Theorem. Ein Vergleich mit der Wellenoptik zeigt die an- schauliche Bedeutung, denn dort beschreibt der Imaginärteil des Brechungsindex des Streupotentials das Maß der Absorption der Welle. Etwas allgemeiner formu- liert liefert das Optische Theorem einen Zusammenhang zwischen der Dämpfung in Vorwärtsrichtung und dem totalen Wirkungsquerschnitt einer elastischen Reaktion. Diese Methode eignet sich deshalb sehr gut zur Bestimmung von σtot . Eine ausführ- lichere und allgemeinere Herleitung unter Verwendung der Streumatrixformulierung und deren Unitarität findet sich in [4]. 2.2 Messung des totalen Wirkungsquerschnittes am LHC Zwischen der Reaktionsrate und dem physikalischen Wirkungsquerschnitt besteht der Zusammenhang N = L · σ. (2.13) Der Proportionalitätsfaktor L, die Luminosität, ist ein Strahlparameter, welcher für Kollisionsexperimente beschrieben werden kann4 durch N1 N2 L=f ·n . (2.14) 4πσx σy Hierbei ist f die Umlauffrequenz der Pakete (bunches), n die Anzahl der bunches in einem Strahl, Ni die Anzahl der Teilchen per bunch und σ die geometrische Strahlaufweitung am Wechselwirkungspunkt. Betrachtet man nun die gesamte Re- aktionsrate N als Summe eines elastischen und inelastische Anteils, so läßt sich der totale Wirkungsquerschnitt beschreiben als Nel + Nin = L. (2.15) σtot Hieraus ergibt sich die experimentelle Anforderung wirklich alle Reaktionen auszu- messen, das heißt eine Detektion über idealerweise den vollen Raumwinkel von 4π durchzuführen. Weiterhin muss eine Möglichkeit gefunden werden, den elastischen 4 aus systematischen Gründen wird hierauf in Kapitel 3 eingegangen Sascha Hoffmann, 2008
12 KAPITEL 2. ELASTISCHE STREUUNG UND ANWENDUNGEN Anteil der Reaktionen aus pp Kollisionen hinreichend gut theoretisch zu beschreiben. Mit der Mandelstamvariablen 2 2 2 θ t = (p1 − p3 ) = −4k sin = q2, (2.16) 2 ist der lorentzinvariante Impulsübertrag einer Zwei-Teilchen Reaktion5 unter einem Streuwinkel θ mit Impuls k im Schwerpunktsystem definiert. Da sowohl Wechsel- wirkungsraten als auch Wirkungsquerschnitte offensichtliche Funktionen von t sind, kann man auch schreiben 1 dN dσ = . (2.17) L dt dt Aus experimenteller Erfahrung heraus wird der hadronische Wirkungsquerschnitt parametrisiert dargestellt als dσh dσh = · exp(Bt). (2.18) dt dt t=0 Hierbei ist B6 ein Parameter mit dem die Steigung des t-Spektrums in logarithmi- scher Darstellung beschrieben wird. Mit Gl. 2.2 läßt sich die Abhängigkeit von t beschreiben durch dσh π = 2 |Re(fh ) + Im(fh )|2 . (2.19) dt k Benutzt man nun das optische Theorem in der Form 4π σtot = Im(fh )t=0 , k und betrachtet den Wirkungsquerschnitt für t → 0 2 dσ ρ + i · Im(fh )t=0 = , dt t=0 k dann läßt sich die hadronische Amplitude7 schreiben als σtot B|t| fh = (ρ + i)e− 2 . (2.20) 4π Unter Verwendung natürlicher Einheiten und zusammen mit Gl. 2.17 und Gl. 2.2 ergibt sich durch reine Umformung 1 16π(~c)2 dN 2 σtot = · . (2.21) L 1 + ρ2 dt t=0 Somit stehen unter Vernachlässigung des Coulombanteils die zwei Formeln 2.21 und 2.15 zur Verfügung die σtot und L verknüpfen. Dies wird vom TOTEM Experiment 5 hierbei sind p1 und p2 die Teilchen Impulse vor, und p3 und p4 die Impulse nach der Reaktion 6 nuclear slope, angegeben in GeV −2 7 Re(f ) ρ= Im(f ) ist ein dimensionsloser Parameter t→0 Bau eines Luminositätsdetektors.
2.2. MESSUNG DES TOTALEN WIRKUNGSQUERSCHNITTES AM LHC 13 am LHC als eine luminositätsunabhängige Methode zur Bestimmung des totalen Wirkungsquerschnittes benutzt. 16π(~c)2 dN dt t=0 σ= . (2.22) 1 + ρ2 Nel + Nin Aus Vorhersagen der Theorie läßt sich für den LHC eine Größenordnung von σtot ≈ 100mb abschätzen (siehe Abb. 2.1). TOTEM ist zusammen mit CMS am IP 5 untergebracht, dort wird auch die Mes- sung der inelastischen Rate Nin erfolgen. Die elastische Streuung wird, wie beim ALFA System, mit symmetrisch zum IP eingebauten Roman Pots vermessen. Die Bestimmung der Reaktionsrate für t → 0 wird durch Extrapolation im logarith- mischen t-Spektrum erfolgen. Ebenso läßt sich analog zu Gl. 2.22 die Luminosität als Funktion messbarer Reaktionsraten ausdrücken (Nel + Nin )2 2 1 L= (1 + ρ ) dN . (2.23) 16π(~c)2 dt t=0 Abbildung 2.1: Von der COMPETE Kollaboration zusammengestellte Übersicht der mo- dellierten Vorhersagen des totalen Wirkumgsquerschnittes für pp Kollisionen bei einer √ Schwerpunktsenergie von s. σtot ist hier in Einheiten von mb angegeben. Die jeweils unterste und oberste Kurve geben die Grenzen an, die sich aus statistischen und systema- tischen Fehlern ergeben [5]. Sascha Hoffmann, 2008
14 KAPITEL 2. ELASTISCHE STREUUNG UND ANWENDUNGEN 2.3 Bestimmung der Luminosität mit Coulomb Wechselwirkung Im Gegensatz zu TOTEM berücksichtigt ALFA die Coulomb Wechselwirkung und die sich daraus ergebenen Interferenzen. In den Darstellungen der t-Spektren (siehe Abb. 2.2 und 2.3) ist dies durch den asymptotischen Anstieg bei t → 0 repräsentiert. Im Wesentlichen lassen sich anhand des Kurvenverlaufes drei Bereiche unterschei- den: der rein elektromagnetische Anteil mit ∝ t12 , der rein hadronische Anteil der exponentiell mit dem Parameter B eingeht und dazwischen der CNI8 Bereich, in dem die beiden Amplituden interferieren. In dieser Region sehr kleiner Impulsüberträge wird ALFA messen. Abbildung 2.2: Modelliertes t-Spektrum unter Berücksichtigung verschiedener Amplitu- den. Die Kurve für α = 0 vernachlässigt die Coulombwechselwirkung und entspricht der Extrapolation der elastischen Rate, wie sie in der TOTEM Methode verwendet wird [5]. Eine erfolgreiche Methode pp Streuprozesse zu beschreiben wurde in [6] vorgestellt. Dort wird das t-Spektrum beschrieben über einen reinen Coulomb Anteil, einen Interferenzterm und einen reinen hadronischen Anteil dσ dσc dσch dσh = + + . (2.24) dt dt dt dt 8 Coulomb-Nuclear-Interference region Bau eines Luminositätsdetektors.
2.3. BESTIMMUNG DER LUMINOSITÄT MIT COULOMB WECHSELWIRKUNG 15 Zur Darstellung der Coulombstreuuung werden hier noch der elektromagnetische Formfaktor des Protons9 G(t) und die Phase10 Φ(t) benötigt: −2 |t| G(t) = +1 , 0.71 2 Φ(t) = ln − Φ0 . B·t GeV 2 Hier wird t in c2 angegeben11 . Mit den Amplituden12 G2 (t) iαΦ(t) fc (t) = −8πα~c · ·e , |t| σtot B|t| (ρ + i)e− 2 , fh (t) = ~c und der Aufteilung in Real- und Imaginärteil dσ 1 1 |fc + fh |2 = Re2 (fc + fh ) + Im2 (fc + fh ) , = (2.25) dt 16π 16π ergibt sich 2 G2 (t) 1 B|t| = −8πα~c · cos αΦ(t) + σtot ~cρ · exp − 16π |t| 2 2 G2 (t) 1 B|t| + −8πα~c · sinαΦ(t) + σtot ~c · exp − 16π |t| 2 Mit 2.17 erhält man daraus die Funktion 4 G2 (t) 2 dN 2 G (t) B|t| (1 + ρ ) = L 4π(α~) + α~cσtot exp( 2 ) (sin αΦ − cos αΦ) + − 2 σtot · exp (−B|t|) . dt t2 t 16π (2.26) Dies entspricht der in Gl. 2.24 formulierten Struktur mit den Parametern L, σ, ρ, B. Mit dem ALFA Detektorsystem werden Reaktionsraten dN dt bei sehr kleinen Im- pulsüberträgen bis zu tmin ≈ 6 · 10−4 GeV 2 gemessen. Aus dem Fit (siehe Abb. 2.3) an diese Meßdaten kann dann die Luminosität bestimmt werden. 9 der Formfaktor ist die Fouriertransformierte der räumlichen Ladungsverteilung 10 hiermit wird die Interferenz der beiden Wechselwirkungen beschrieben 11 Eine detaillierte Berechnung des konstanten Beitrages der Phase findet sich in [6]. 12 die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung wird beschrieben durch die dimensionslose Feinstrukturkonstante e2 1 α = ~c4πǫ 0 ≈ 137 Sascha Hoffmann, 2008
16 KAPITEL 2. ELASTISCHE STREUUNG UND ANWENDUNGEN Abbildung 2.3: Beispiel für ein Monte-Carlo simuliertes t-Spektrum im Bereich der Coulomb-Hadron-Interferenz mit den daraus gefitteten Werten. Die Luminosität wird hier 1 in Einheiten von mb·∆t angegeben [7] Bau eines Luminositätsdetektors.
17 Kapitel 3 Experimentelle Methoden zur Bestimmung der Luminosität 3.1 Maschinenparameter Eine intrinsche Methode zur Bestimmung der Luminosität ist die Benutzung von LHC Maschinenparametern mit f N1 N2 L= . (3.1) Aef f Abbildung 3.1: Schematische Darstellung zweier kollidierender Teilchenstrahlen, bzw. einzelner Pakete (bunches) [8]. Hier sind f die Frequenz der Paket-Kollisionen, Ni die Anzahl der Teilchen pro Paket und Aef f die effektive Reaktionsfläche in der transversalen Ebene. Wenn nun in dieser Ebene das Strahlprofil über die Verteilungen gi (x, y, ) beschrieben wird, so läßt sich Aef f als Überlappintegral schreiben 1 Z = g1 (x, y, )g2(x, y, )dxdy. (3.2) Aef f Für die Annahme reiner Gauss-Verteilungen, die identische Form für beide Strahlen haben, ergibt sich: Aef f = 4πσx σy . (3.3) Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER 18 LUMINOSITÄT Sollte das Strahlprofil kreisförmig1 sein, kann die Luminosität beschrieben werden durch N1 N2 L=f ·n , 4πσr2 wobei hier zusatzlich die Anzahl n der Pakete eingeht. Die Frequenz des Beschleu- nigerringes ist bekannt und die Teilchendichten lassen sich sehr genau messen. Die experimentelle Herausforderung liegt hier im Ausmessen des tatsächlichen Beam- profiles, welches auch zu Diagnosezwecken des LHC benötigt wird. Mit einer detail- lierteren Rechnung läßt sich der hieraus anfangs resultierende Fehler auf Grund der Strahlform zu ∆L L ≈ 0.25 abschätzen. Dieser wird jedoch durch weitere systema- tische Studien während des LHC Betriebs auf etwa 5 % reduziert werden können [8]. 3.2 Van der Meer Methode Diese Methode wurde als erstes am ISR, ebenfalls eine Hadronen-Beschleunigermaschine am CERN2 , im Jahr 1974 verwendet und beruht auf einem Profilscan der einzelnen, kollidierenden Strahlen [9]. Aus der in Abbildung 3.2 dargestellten Geometrie und Abbildung 3.2: Skizzierte Seitenansicht zweier unter einem Winkel α kollidierender Strah- len mit den Strömen I1,2 . In dieser geometrischen Darstellung wird die aktive Fläche im Gegensatz zu Gl. 3.3 als Produkt der Breite W und der Höhe h definiert [10]. 1 in diesem Fall gilt σr = σx = σy 2 Intersection Storage Rings, war in Betrieb von 1971-84 und stellte pp und pp Reaktionen mit einer Luminosität von bis zu 1032 cm−2 s−1 zur Verfügung Bau eines Luminositätsdetektors.
3.3. LUMINOSITÄT AUS PRODUKTIONSPROZESSEN 19 der in Gl. 3.1 verwendeten Definition ergäbe sich die Luminosität zu I1 I2 L= . (3.4) e2 · hef f tan( α2 ) Hierbei kann die effektive Höhe der Strahlen im Überlappbereich beschrieben werden durch R∞ R∞ ρ dz · −∞ ρ2 dz −∞ 1 hef f = R∞ . (3.5) −∞ ρ 1 · ρ2 dz die Funktion ρ(z) ist eine Darstellung des Strahlprofils, die zumeist als Gaußvertei- lung angenommen wird, und unabhängig von ihrer speziellen mathematischen Form läßt sich zeigen, dass: √ L · < z >2 = const. (3.6) Die experimentelle Idee besteht nun darin, mit einem Luminositätsmonitor, der sich meistens ebenfalls nahe an der Strahlachse befindet, die Reaktionsrate RM = σM · L als Funktion der relativen Distanz der beiden Mittelpunkte der Strahlprofile zu messen. S. van der Meer3 hat gezeigt, dass wegen Gl. 3.6 unabhängig von der Strahlform gilt R N(z1 − z2 )dz = hef f . (3.7) Nh=0 Hier ist das Integral die Fläche unter der Kurve des gemessenen relativen beam dis- placement und der Nenner die absolute Reaktionsrate bei maximal überlappenden Strahlen (siehe Abb. 3.3). Mit der so bestimmten effektiven Höhe, den gemesse- nen Strömen und dem Kreuzungswinkel α läßt sich dann die Luminosität mit Gl. 3.4 berechnen. Da die verwendeten Ströme mit hoher Genauigkeit bestimmt wer- den können, ist die Qualität der Luminositätsmessungen im Wesentlichen durch die Auflösung der Messungen des beam displacement wie in Abbildung 3.4 bestimmt. Am ISR wurde mit dieser Methode ein Bereich von ±4% Abweichung erreicht. 3.3 Luminosität aus Produktionsprozessen Unter der Voraussetzung eines sehr sauberen Signals im Detektor besteht weiterhin die Möglichkeit N = σ · L anhand eines einzigen physikalischen Prozesses zu bestim- men. Hierfür bietet sich die Leptonenpaarproduktion an, im besonderen die Produk- tion von Muonen bei einem Zwei-Photon-Austausch. Der Prozess pp → pp + µ+ µ− ist mit Hilfe der QED sehr gut beschreibbar und ermöglicht eine sehr genaue Be- rechnung von σ. Es ist analytisch möglich, diesen Prozess als Paarproduktion aus virtuellen Photonen mit Hilfe der EquivalentP hotonApproximation (E.P.A.) dazustellen [11]. dσ = dσγ ∗ γ ∗ →ll dn1 dn2 , α dω (~qT )2 (d~qT )2 dnQED = . π ω (ω 2 γ −2 + (~qT )2 )2 3 erhielt 1984 zusammen mit Carlo Rubbia für seine Arbeiten am ISR den Nobelpreis Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER 20 LUMINOSITÄT Hierbei beschreibt q(ω, ~q) den ViererImpuls des virtuellen Photons. Sowohl der elastische als auch der inelastische Anteil der Streuung können mit Hil- fe von dnQED und einer jeweiligen EPA Korrektur formuliert werden. Die Beiträge der virtueller Photonen setzen sich dann aus diesen beiden Anteilen zusammen. Der Wirkungsquerschnitt für Muonenproduktion ist wesentlich kleiner als der für Elektron-Positron-Paare und die für den Detektor nötigen Triggerkriterien, wie z.B. ein Transversalimpuls pT > 1GeV , reduzieren die Messrate erheblich. Allerdings sind bei pp → pp + µ+ µ− die Untergrundbeiträge aus kosmischer Strahlung und konkurrierenden Drell-Yan Prozessen wesentlich geringer. Auf Grund dessen eignet sich diese Reaktion nicht als Monitor für geringe Strahl- intensitäten, allerdings gibt es Abschätzungen, dass bei Normalbetrieb des LHC im Luminositätsbereich von 1033 cm−2 s−1 die für L erreichbare Genauigkeit etwa bei 2% liegt [11]. Eine weitere Möglichkeit theoretisch recht gut bekannte Reaktionen zur Lumino- sitätsmessung zu nutzen, ist die Produktionsrate schwacher Eichbosonen[12]. Die Beschreibung dieses QCD dominierten Prozesses ist im Wesentlichen von den mo- dellierten parton distribution functions abhängig. Die erreichbare Genauigkeit wird durch die Unsicherheit der parametrisierten Gluonverteilungsfunktionen im Proton bestimmt, die etwa 3 % beträgt. 3.4 TOTEM Methode Wie in Kapitel 2 dargestellt, besteht die Möglichkeit durch Benutzung des Opti- schen Theorems und Ausmessen sowohl der elastischen als auch der inelastischen Reaktionsrate die Luminosität zu bestimmen −1 1 dNel L= · · (Nin + Nel )2 (1 + ρ2 ). 16π dt t=0 Der Parameter ρ muss hierbei extern gewonnen werden. Aus Experimenten am Te- vatron und ISR [5] wurden verschiedene Abschätzungen präsentiert. Diese geben eine Größenordnung von ρ = 0, 14 an. TOTEM wird inelastische pp Streuungen zusammen mit CMS im Vorwärtsbereich des IP5 bestimmen. Die Messung der ela- stischen Streuung, also kleiner Impulsüberträge, wird allerdings nur bis zu einem Bereich von t ≈ 10−3 GeV 2 erfolgen. Als Detektoren verwendet TOTEM sogenannte Roman Pots. Diese Art von Spurdetektoren wird auch von ALFA benutzt und in Kapitel 4 im Detail erläutert. Der von einem Detektor abgedeckte Polarwinkelbereich wird häufig in Einheiten der Pseudorapidität4 angegeben. Auf Grund des Designs von ATLAS ist die η co- verage für diese Methode bei CMS besser, weshalb die Verwendung des Optischen Theorems und der Extrapolation der elastischen Streurate am IP1 nicht die nötige Genauigkeit liefern würde. 4 θ η = −ln tan 2 Bau eines Luminositätsdetektors.
3.5. ALFA 21 3.5 ALFA Die analytische Methode zur Kalibration der absoluten Luminosität für ATLAS un- ter Berücksichtigung des Coulombbereiches für sehr kleine Impulsüberträge t wurde ebenfalls im Kapitel 2 vorgestellt. Hier wird nun die experimentelle Umsetzung am LHC beschrieben. Das ALFA Detektorsystem wird elastische pp → pp Streuung unter sehr kleinen Winkeln θ symmetrisch im Abstand von 240 m zum IP 1 vermessen. Wenn p den Strahlimpuls beschreibt, läßt sich die Impulsübertrag t für kleine θ notieren als −t = p2 (θ2 ). (3.8) Wenn u bzw. u’ für die jeweiligen Raumkoordinaten (x,y) und deren Steigung stehen und δp = ∆p p den Impulsverlust bezeichnet, dann ist u(s)∗ u(s) u′(s) = M̂ u′(s)∗ δp δp∗ eine Möglichkeit, die Trajektorienposition in einem beliebigen Abstand s zum IP über die Transportmatrix M̂ zu beschreiben5 . Mit den Betatronfunktionen β und β ∗6 , deren PhasenunterschiedΨ, sowie den jewei- ligen räumlichen Ableitungen α ergibt sich: s β ∗ ∗ p ′ u= ∗ (cos Ψ + α sin Ψ) u + ββ ∗ sin Ψ · u∗ = Mu,11 · u∗ + Mu,12 · θu∗ . (3.9) β Hier wird nun die Position der Roman Pots im LHC Tunnel entscheidend, denn auf Grund der besonderen Symmetrie des ALFA Systems im Bezug auf den IP1 folgt, dass für elastische Streuung die Winkel links und rechts des Vertex betragsi- dentisch sind und sich nur im Vorzeichen unterscheiden. Mit Hilfe der Differenz der Spurkoordinaten links und rechts des IP1 ul − ur läßt sich schreiben: uL − uR θu∗ = . (3.10) 2Lef f,u,i Dabei ist der effektive Hebelarm definiert als p Lef f = βu βu∗ sin Ψu,i. (3.11) Für die Messungen mit ALFA wird eine spezielle high beta Strahloptik benutzt werden (siehe Abb. 3.7). Diese Aufweitung des Strahls am IP emöglicht das Fo- kussieren von unter kleinen Winkeln gestreuten Protonen auf die 240 m entfernten ALFA Detektoren. Mit einem zusätzlichen Phasenunterschied (parallel to point fo- cus) zwischen β und β ∗ von Ψ = π2 kann somit der Streuwinkel am IP1 direkt aus der Koordinatenmessung der Spur von elastischen gestreuten Protonen bestimmt Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER 22 LUMINOSITÄT werden. Mit einer Winkelzerlegung in horizontale(x) und vertikale(y) Komponenten in den jeweiligen RP-Paaren(i), die im gleichen Abstand zum IP1 installiert sind (siehe Abb. 3.6), läßt sich schreiben: −ti=1,2 = p2 θx,i ∗2 ∗2 + θy,i . (3.12) Schließlich ergibt sich daraus der Impulsübertrag 1 t= (t1 + t2 ) . (3.13) 2 Aus den dazu gemessenen Ereignisraten dN dt und deren Darstellung als parametrisier- te Funktion läßt sich das t-Spektrum analog zu Abbildung 2.3 konstruieren. ALFA kann so die absolute Luminosität mit einer Genauigkeit von 3% , sowie die Parameter σtot , B und ρ bestimmen [7]. 5 das Symbol ∗ bezeichnet hierbei die Grössen am IP 6 diese Beta-Funktionen beschreiben die Oszillation der Teilchen relativ zur nominalen Strahl- achse, analytisch ergeben sie sich aus Lösungsansätzen zur Bewegung geladener Teilchen in Multi- polfeldern Bau eines Luminositätsdetektors.
3.5. ALFA 23 Abbildung 3.3: Mit der van der Meer Methode gemessenes beam profile displacement z1 − z2 ,wie es am ISR verwendet wurde. Mit Hilfe dieser Kurve gelang es, die effektive Höhe des Strahlprofils zu berechnen. [10]. Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER 24 LUMINOSITÄT Abbildung 3.4: Schematische Darstellung der Messungen zur van der Meer Methode. Zu sehen ist eine Skizze zur Möglichkeit der Verwendung dieser Methode auch bei Strahlen mit kreisförmigem Querschnitt (links) und eine damit durchgeführte Messung (rechts) mit einem Luminositätsmonitor am LEP [8]. Abbildung 3.5: Skizze der zur Leptonenpaarproduktion beitragenden Diagramme. Dar- gestellt sind hier der elastische (a) und die führenden inelastischen (b und c) Beiträge [11]. Bau eines Luminositätsdetektors.
3.5. ALFA 25 Abbildung 3.6: Skizze der Anordnung der ALFA Roman Pots im LHC in Bezug auf den IP1 und prinzipieller Verlauf der Teilchenspuren elastisch getreuter Protonen in den punktsymmetrisch angeordneten Detektorpaaren. Es gibt acht einzelne Detektoren, die paarweise über und unter der Strahlachse angebracht werden. Für jede Messung werden Signale aus vier einzelnen RP verwendet [13]. Abbildung 3.7: Schematische Darstellung der von ALFA benutzten Strahloptik und der geometrischen Meßgrößen. Eingezeichnet sind der Streuwinkel θ ∗ am IP1, der effektive Hebelarm Lef f , welcher sich aus der verwendeten Strahloptik ergibt und der von den ALFA-RP gemessene geometrische Abstand zur nominalen Strahlachse ydet , sowie der skizzierte Verlauf des vom LHC zur Verfügung gestellten parallel to point focus [13]. Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER 26 LUMINOSITÄT Bau eines Luminositätsdetektors.
27 Kapitel 4 Der ALFA Detektor Um die elastische Streuung bis in den Coulombbereich hinein zu detektieren und Spuren von unter sehr kleinen Winkeln gestreuten Protonen zu messen, mußte eine Apparatur entwickelt werden, die in der Lage ist, sehr nah an der Strahlachse und sehr weit entfernt vom IP1 mit sehr hoher Ortsauflösung einzelne Teilchenbahnen zu detektieren. Im März 2004 wurde der Letter of Intent“ für dieses Programm zur ” Luminositätsmessung veröffentlicht, und seit dem arbeiten verschiedene Institute in einer Arbeitsgruppe zusammen, um das Projekt ALFA zu verwirklichen. Dies sind im einzelnen: CERN, Genf (Schweiz) LAL, Orsay (Frankreich) Fysika institutionen, Lunds universitet, Lund (Schweden) LIP, Centro de Fisica Nuclear da Universidade de Liboa, Lissabon (Portugal) Univerzita Karlova, Matematicko-fyzikálnı́ fakulta, Praha (Tschechien) DESY, Hamburg und Zeuthen Humboldt Universität, Institut für Physik, Berlin Justus Liebig Universität, II. Physikalisches Institut, Gießen Der Aufbau des ALFA-Detektorsystems im LHC (siehe Abb. 4.1)wird symmetrisch in einer Entfernung von ca. 240m zu ATLAS und in variablem Abstand von bis zu 1,5 mm zur LHC Strahlachse erfolgen. Die so detektierbaren Winkel liegen im Bereich von einigen wenigen µrad. Die Messung wird bei einer niedrigen Luminosität von L ≈ 1027 cm−2 s−1 erfolgen, um die Strahlendosis der der Detektor ausgesetzt ist möglichst gering zu halten und die erforderlichen Strahlbedingungen zu realisieren. An der RP-Detektorposition beträgt die maximale Strahlaufweitung etwa 130 µm. Mit Monte Carlo Simulationen wurde gezeigt, dass die räumliche Auflösung von ALFA im Bereich von etwa 30 µm liegen sollte, damit im gemessenen t-Spektrum eine hinreichende Genauigkeit erreicht werden kann. Weiterhin setzt der LHC selbst noch Randbedingungen für ALFA hinsichtlich der Positionierung im Tunnel und der einzusetzenden Elektronik. Letzteres betrifft sowohl die Taktfrequenz von 40 MHz als auch den Datenverarbeitungsfluß. Das hierfür passende Design fand die ALF A Gruppe in den sogenannten Roman Pots (RP). Diese Art von Detektoren wurden unter anderem schon im UA4 Expe- riment am SPS benutzt, jedoch mußten wegen der speziellen Anforderungen einige Änderungen bzw. Erweiterungen vorgenommen werden. Sascha Hoffmann, 2008
28 KAPITEL 4. DER ALFA DETEKTOR Abbildung 4.1: Schematische Darstellung des LHC Tunnels ca. 240 m vor IP 1 im Bereich der Quadrupole Q6 und Q7. Die hier eingezeichnete RP Station besteht aus zwei RP Einheiten mit je einem RP über und unter der Strahlachse. Denselben Aufbau findet man symmetrisch bei −240 m auf der anderen Seite des IP1. In dieser Entfernung von ATLAS befinden sich im LHC zwei gegenläufige Hadronenstrahlen mit einem Abstand von etwa 20 cm [7]. 4.1 Roman Pot Design RP Einheiten werden auch von den Experimenten H1 am DESY und TOTEM am LHC verwendet. Ihr wesentliches Merkmal ist, dass es sich um seperate Detektorsy- steme handelt, die von außerhalb an den Strahl heranbewegt werden können. Einfach ausgedrückt, wird das Strahlrohr an einer Stelle unterbrochen und dort durch eine RP Einheit ersetzt. Die RP Einheit wird mechanisch vom LHC Vakuum getrennt sein und in einem Sekundärvakuum betrieben. Dieses ist auf den Innenraum des Pots beschränkt und umfaßt somit nur den eigentlichen Tracker und nicht die auf dem RP angebrachte front end Electronik (FE) Die größten Anforderungen stellt das Roman Pot Design sicherlich im Bereich der räumlichen Anordnung. Zum einen ist der Platz für eine RP Einheit selber durch die intrinsischen LHC Elemente begrenzt, zum anderen stellt die möglichst effiziente Raumnutzung innerhalb eines RP eine Herausforde- rung dar. Aufgrund der Entfernung zum IP 1, die zum Ausmessen der Streuung bei sehr kleinen Winkeln nötig ist, wurde für die RPs eine Installation zwischen den Quadrupolen Q6 und Q7 vorgesehen. Der untere, rechtwinklige Bereich, in dem der eigentliche Tracker des RP untergebracht ist hat die Dimensionen 125×64×46 mm3. Darüber befindet sich ein zylinderförmiger Bereich, der zur Faseranordnung gedacht Bau eines Luminositätsdetektors.
4.1. ROMAN POT DESIGN 29 Abbildung 4.2: Eine RP Einheit wie sie für ALFA verwendet und im LHC installiert wird. Links die schematische Darstellung, auf der man deutlich die Öffnungen über und unter der beam pipe sehen kann, in die später die eigentlichen Detektoren eingebaut werden. Das rechte Bild ist eine Aufnahme einer RP Einheit aus dem Mechaniktestlabor [14]. ist. Am unteren Rand gibt es noch zwei kleinere symmetrische, rechtwinklige Be- reiche die zur Aufnahme der sogenannten overlap detectors, OD dienen (siehe Abb. 4.3). Jeder einzelne RP verfügt über einen eigenen Schrittmotor, der die Bewegung senkrecht zur Strahlachse steuert. Diese sind zusammen mit den Pots in der jewei- ligen Station untergebracht. Die Schrittweite beträgt 5 µm. Der Vorteil dieses Faserdetektors besteht unter anderem darin, dass sich der sensi- tive Bereich bis zum Ende der dem Strahl zugewandten Kante der einzelnen U-V Ebenen erstreckt. Im Gegensatz zu vielen anderen Detektoren benötigt ALFA keine eventuellen Aggregate zur Kühlung oder elektrischen Abschirmung, die die minimale Annäherung an die Strahlachse beeinträchtigen könnten (siehe Abb. 4.4). Der sensitive Teil eines ALFA RP besteht aus szintillierenden Fasern, die in mehreren Ebenen hintereinander angeordnet werden (siehe Abb. 4.5). Das von durchfliegenden Protonen verursachte Licht wird innerhalb einer Faser bis zu einer MultiAnodePhoto- Multipliertube (MAPMT) geleitet. Hier wird über eine anliegende Beschleunigungs- spannung in der Größenordnung von 1000 V und Ausnutzung des äußeren Photoef- fektes ein Elektronenstrom erzeugt, welcher dann von der folgenden FE ausgelesen und als elektronisches Signal zur Datenverarbeitung weitergegeben wird. Diese Fa- Sascha Hoffmann, 2008
30 KAPITEL 4. DER ALFA DETEKTOR Abbildung 4.3: 3D Zeichnung eines Poman Pot Gehäuses in zwei verschiedenen Ansichten. Für die Sensitivität des Detektors sind das dünne Fenster auf der Unterseite (thin window ) und die nur 500 µm dicke senkrechte Seitenwand (thinner wall) von großer Wichtigkeit. Das Fenster besteht aus nur 150 µm starkem Beryllium um den Tracker möglichst nahe an die Strahlachse zu bewegen, während die Seitenwand direkt aus der sonst 2 mm dicken Metallwand des RP herausgefräst wird. Zwei dieser dargestellten Gehäuse (siehe Abb. 4.2) werden punktsymmetrisch zur Strahlachse in einer RP Einheit untergebracht [7]. sern werden in einzelnen Ebenen von 64 Stück angeordnet. Jede dieser Ebenen wird als Bündel mit Hilfe eines Steckers mit 8 ×8 Steckplätzen am Aluminiumrahmen va- kuumdicht befestigt. Jedem dieser Stecker innerhalb des Pots ist genau ein MAPMT, der dann positionssensitiv die 64 Kanäle einer Ebene auslesen kann, zugeordnet. 4.2 Der Tracker aus szintillierenden Fasern Abbildung 4.6 zeigt den Bereich eines RP, dessen Konstruktion von der ATLAS Gruppe der JLU Gießen übernommen wurde. Nach dem Bestücken und der Monta- ge der Module, sowie der Positionierung der Faserstecker auf dem Rahmen kann ein einzelner Detektor mit der dazugehörigen FE in einen RP am CERN eingebaut wer- den. Insgesamt acht dieser Pots sollen produziert und bestückt werden, und können dann mit mechanischen Rahmen für eine RP Station während eines maintenance shut down am LHC installiert werden. Szintilliernde Fasern eignen sich besonders zur Detektion ionisierender Teilchen- strahlen, denn sie besitzen eine relativ hohe Strahlungsresistenz und geringe Dich- te. Außerdem sind sie mechanisch flexibel und können so auch in kompakten De- tektorsystemen benutzt werden. Szintillierende Fasern bestehen aus einem inneren Polystyrolkern, in dem durch Ionisation Hüllenelektronen angeregt werden, welche dann unter Aussendung von Szintillationsstrahlung wieder in den Grundzustand zurückgehen. Damit diese Szintillationslicht nicht wieder durch Absorption verloren Bau eines Luminositätsdetektors.
4.2. DER TRACKER AUS SZINTILLIERENDEN FASERN 31 Abbildung 4.4: Eine RP Station besteht aus zwei einzelnen Pots (links), die von oben und unten an die Strahlachse herangefahren werden können, der sensitive Teil eines RP (4) befindet sich im schwarz markierten Innenraum zwischen dem unteren Be-Fenster und der dünneren Seitenwand.Rechts ist der Aufbau eines einzelnen Detektors skizziert. Außerhalb des Sekundärvakuums befinden sich die Auslese PMT mit FE (1), ersteres wird nach oben abgeschlossen von einem Aluminumrahmen (2), an welchem auch der eigentliche Tracker (3) mechanisch befestigt ist. Der Pfeil deutet die endgültige Position der Einzelteile innerhalb des RP an.[14] geht, wird das Polystyrol mit einer geringen Menge an WLS1 dotiert. Diese absor- bieren das Szintillationslicht und emittieren es außerhalb des Absorptionsbereiches des Szintillatormaterials. Desweiteren werden die Wellenlängen in den sichtbaren Bereich verschoben und können somit von gebräuchlichen Photomultiplieren detek- tiert werden [15]. Der Polystyrolkern ist von einer Ummantelung2 umgeben. Dort wird bei Überschreiten des Grenzwinkel das Szintillationslicht durch Totalreflexion wieder in den Kern geleitet. Dasselbe Prinzip läßt sich auch mit Mehrfachummante- lung (siehe Abb. 4.7) umsetzten. Hierbei wird die Lichtausbeute erhöht, allerdings auch die numerische Apertur beim Ankoppeln an den Photomultiplier. Dies würde zu erhöhtem optischen crosstalk führen. Idealerweise löst ein durch ALFA fliegendes Teilchen ein Lichtsignal in genau einer Faser in jeder der 20 Ebenen aus. Kennt man nun den Verlauf einer Faser, am besten als Geradengleichung mx + n = y, so 1 wave length shifter, ebenfalls aus organischem Material 2 Polymethylmethacrylate, PMMA Sascha Hoffmann, 2008
32 KAPITEL 4. DER ALFA DETEKTOR Abbildung 4.5: Skizze der von einem ALFA-RP für verwendeten U-V Geometrie. An die in der Mitte verlaufende Strahlachse werden szintillierende Fasern symmetrisch von oben und unten bis zu 1.5 mm herangefahren. Der sensitive Bereich des Detektors wird durch die überlappenden Flächen je einer U und V Lage definiert. [7] ist der Teilchenort in einer Koordinate bestimmt. Fügt man nun noch eine weitere Gerade hinzu (in diesem Fall im rechten Winkel zur ersteren) so läßt sich daraus mit einer zweiten Gleichung die Position des Protons in x und y errechnen. Diese hier verwendete Geometrie wird gerne als U - V Anordnung bezeichnet, wobei es sich um eine Auslenkung von ±45◦ gegenüber der y-Achse handelt. Die für ALFA verwendeten szintillierenden Fasern haben einen quadratischen Quer- schnitt mit einer Seitenlänge von 500 µm. Es handelt sich um Fasern3 , die über eine Einfachummantelung verfügen, welche durch Totalreflexion das enstehende Licht bis zur Auslese an den MAPMT leitet. Auf Grund der 45◦ Anordnung ergäbe sich für die räumliche Auflösung σx,y = 500√µm 2 . Die Aufweitung des Strahles beträgt mit 4 parallel to point focus und high beta etwa 130 µm. Um deutlich unter diesem Wert zu bleiben, werden die Fasern in 10 Ebenen hintereinander und, viel wichtiger, in x-Richtung √ räumlich versetzt angeordnet. Dieses staggering erfolgt in Vielfachen von 50 µm · 2 = 70.7 µm Durch dieses ebenenweise Überlappen erhöht sich das idea- le Auflösungsvermögen des Detektors auf 14, 4 µm [19]. In diese Betrachtung sind noch nicht die Ummantelung der Fasern von etwa 10 µm, etwaige geometrische Ab- 3 Kuraray SCSF − 78 4 ∗ β > 2600 m, β > 70 m Bau eines Luminositätsdetektors.
4.2. DER TRACKER AUS SZINTILLIERENDEN FASERN 33 Abbildung 4.6: Schematische Darstellung des in einem RP eingebauten Spurdetektors. Abgebildet sind der Rahmen (1) zur Aufnahme der MAPMT und FE , der Aluminium- rahmen (2) zur Faserdurchführung mit der 5 x 5 quadratischen Anordnung für die Faser- stecker, der support arm (3) an dem die Detektormodule angebracht werden und welcher die zentrale Position auf dem Rahmen einnimmt, der Tracker aus 10 einzelnen Modulen mit je zwei Ebenen (4), hier ist die aktive Fläche pink dargestellt, der Trigger (5) für dessen Fasern auf dem Aluminiumrahmen die Position links vorne (im Gegensatz zu den restlichen Steckplätzen grau gefärbt) reserviert ist und schließlich die 3 Module des OD (6). Der Faserverlauf ist bei allen Modulen aus Übersichtlichkeitsgründen nur angedeutet. Abbildung 4.7: Skizzierter Verlauf der Strahlen von Szintillationslicht innerhalb einer Faser mit Doppelummantelung [16]. weichungen oder Streueffekte innerhalb des Detektors eingegangen. Das verwendete Szintillationsmaterial ist Polystyrol und hat einem Brechungsidex von n = 1, 59. Die Ummantelung differiert für n je nach Querschnittsfläche, bei kreisrunden Fa- sern mit einer Dopppelummantelung beträgt er etwa 1,42 und bei quadratischen Sascha Hoffmann, 2008
34 KAPITEL 4. DER ALFA DETEKTOR Abbildung 4.8: Skizze eines einzelnen Tracker Moduls mit U-V Design zweier Ebenen aus jeweils 64 Fasern, idealerweise unter einem Winkel von ±45 Grad [17]. Alle Längen- angaben sind in mm. Zu erkennen ist der sensitive Kreuzungsbereich in der Mitte und der prinzipielle Verlauf der Faserebenen. Die Fasern werden an der dem Strahl zugewand- ten Seite auf einer Fläche von (2 × 28)mm2 über das Substrate hinausragen. Dies dient der Gewährleistung der beschriebenen edge sensitivity und ist eine der Herausforderungen bei der Herstellung der Module [18]. Die exakte Geometrie des später verwendeten Titan Substrates findet sich in Abbildung 16. nur 1,49. Die dort auftretende Totalreflexion führt zu einer erhöhten Lichtausbeute, die bei 5, 4 % bzw. 4, 2 % liegt. Zu beachten ist hierbei allerdings auch noch, das quadratische Fasern eine um π4 höhere Weglänge besitzen und somit den Lichtver- lust durch geringere Totalreflexion kompensieren können. Im Falle eines ALFA RP Bau eines Luminositätsdetektors.
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