Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC

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Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
Bau eines Detektors
zur Bestimmung der absoluten Luminosität
          für ATLAS am LHC

                 Diplomarbeit
               am Fachbereich Physik
            der Justus Liebig Universität
                      in Gießen

                    vorgelegt von

                  Sascha Hoffmann
               geboren in Magdeburg

           II. Physikalisches Institut
           Justus Liebig Universität
                  April 2008
Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
Bacon legt in der Forschung dem Experiment einen hohen Wert bei; er weiß aber
von dessen Bedeutung nichts; er hält es für ein mechanisches Werkzeug, welches in
Bewegung gesetzt, das Werk aus sich selbst herausmacht; aber in der
Naturwissenschaft ist alle Forschung deduktiv oder apriorisch; das Experiment ist
nur Hilfsmittel für den Denkprozeß, ähnlich wie die Rechnung; der Gedanke muß
ihm in allen Fällen und mit Notwendigkeit vorausgehen, wenn es irgend eine
Bedeutung haben soll.
Eine empirische Naturforschung in dem gewöhnlichen Sinne existiert gar nicht.
Ein Experiment, dem nicht eine Theorie, d.h. eine Idee, vorhergeht, verhält sich
zur Naturforschung wie das Rasseln mit einer Kinderklapper zur Musik.

                                                                 Justus von Liebig,
              Über Francis Bacon und die Methode der Naturforschung, München 1863.

Leider können wir nicht mehr so werden wie die Kinder; stattdessen müssen wir
mit ansehen, daß die Kinder so werden wie wir.
                                                                   Erich Kästner,
                                                                        Berlin 1929.
Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
Zusammenfassung
The LHC at CERN ist the world largest collider machine. It was designed to produce
proton-proton collisions at a maximum energy of 14 T eV . ATLAS is one of the main
detecting devices at the LHC and is situated at the interaction point (IP) 1. Its
most famous purpose is the hunt for the Higgs Boson, for instance with the “golden
channel“ pp → H 0 → ZZ → 4l. Not only for this task, but any dedicated reaction,
the luminosity, which is a measure for the beam intensity, has to be known with the
highest possible accuracy. The ATLAS Detector at the CERN will use an internal
monitor to measure the relative luminosity at the interaction point 1 (IP) of the
LHC. This device is called LUCID and consists of two Cerenkovdetectors situated at
±17 m from the IP 1. For the calibration of this system an additional detector named
ALFA, Absolute Luminosity For Atlas, has been proposed. This detector is designed
to measure Coulomb scattering at very small angles and is therefore placed in Roman
Pot stations situated at ±240 m from the IP 1. The ALFA System will altogether
consist of eight such Roman Pots and uses scintillating fiber trackers as detecting
devices. These detectors will be able to move down to 1.5 mm from the nominal beam
axis and measure elastic scattering in the Coulomb-Nuclear-Interference region. Due
to the dedicated symmetry of the ALFA system, the measurement of the scattered
tracks, respectively their coordinates, gives a handle on the momentum transfer.
The latter can be described via the Lorentz invariant Mandelstam value t. From the
fact that this value can be formulated theoretically as a function of the luminosity
L it follows, that measuring the t-spectra is a convenient way to derive L. The goal
of ALFA is to meassure absolute values of the luminosity with an accuracy of 3 %.
The first part of this work will show several different approaches to measure L and
show the measurement principle used by ALFA and the setup at LHC. It will also
give a detailed description of the detector itself. The second part deals with data
from the CERN testbeam 2006. Here the focus is placed on the achievable spatial
resolution of the tracker. Also presented is the constrution and assembly of the ALFA
prototype A0 tracker.
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INHALTSVERZEICHNIS                                                                                                      I

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                     5
2 Elastische Streuung und Anwendungen . . . . . . . . . . .                                    .   .   .   .   .   .   13
  2.1 Optisches Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                            .   .   .   .   .   .   13
  2.2 Messung des totalen Wirkungsquerschnittes am LHC . . . .                                 .   .   .   .   .   .   16
  2.3 Bestimmung der Luminosität mit Coulomb Wechselwirkung                                   .   .   .   .   .   .   20
3 Experimentelle Methoden zur Bestimmung der                           Luminosität                        .   .   .   24
  3.1 Maschinenparameter . . . . . . . . . . . . . . . .               . . . . . . . . .                   .   .   .   24
  3.2 Van der Meer Methode . . . . . . . . . . . . . .                 . . . . . . . . .                   .   .   .   26
  3.3 Luminosität aus Produktionsprozessen . . . . . .                . . . . . . . . .                   .   .   .   27
  3.4 TOTEM Methode . . . . . . . . . . . . . . . . .                  . . . . . . . . .                   .   .   .   29
  3.5 ALFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             . . . . . . . . .                   .   .   .   29
4 Der ALFA Detektor . . . . . . . . . . . .        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   36
  4.1 Roman Pot Design . . . . . . . . . . . .     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   38
  4.2 Der Tracker aus szintillierenden Fasern      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   43
  4.3 Overlap Detektoren . . . . . . . . . . .     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   46
  4.4 ALFA Prototypen . . . . . . . . . . . .      .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   47
5 CERN Testbeam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                          .   .   .   .   .   .   .   .   52
  5.1 Experimenteller Aufbau des CERN Testbeams . . . . .                              .   .   .   .   .   .   .   .   53
  5.2 Prinzip der Spurrekonstruktion . . . . . . . . . . . . . .                       .   .   .   .   .   .   .   .   56
  5.3 Systematische Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                      .   .   .   .   .   .   .   .   58
      5.3.1 Auflösungsvermögen mit ALFA Messungen . . .                              .   .   .   .   .   .   .   .   59
      5.3.2 Vergleich der Algorithmen . . . . . . . . . . . . .                        .   .   .   .   .   .   .   .   60
      5.3.3 Auflösungsvermögen mit MHL . . . . . . . . . .                           .   .   .   .   .   .   .   .   60
      5.3.4 Befund aus den Histogrammen . . . . . . . . . .                            .   .   .   .   .   .   .   .   61
  5.4 Vergleichsmessungen mit Silizium Teleskop . . . . . . .                          .   .   .   .   .   .   .   .   61
      5.4.1 Systematische Studien . . . . . . . . . . . . . . .                        .   .   .   .   .   .   .   .   62
      5.4.2 Analyse der BonnT Daten . . . . . . . . . . . . .                          .   .   .   .   .   .   .   .   63
      5.4.3 Bestimmung des Auflösungsvermögens von ALFA                              .   .   .   .   .   .   .   .   64
      5.4.4 Ortsauflösung mit Hough Transformation . . . .                            .   .   .   .   .   .   .   .   65
6 Bau des ALFA Prototypen . . . . . . . . . . . . . . .                        .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   76
  6.1 Modulproduktion für CERN und DESY . . . . . .                           .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   76
  6.2 Neue Module . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                  .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   78
  6.3 Montage eines ALFA Modules . . . . . . . . . . . .                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   80
      6.3.1 Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . .                   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   80
      6.3.2 Positionierung auf dem Arbeitsrahmen . . . .                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   80
      6.3.3 Ausrichtung der Fasern . . . . . . . . . . . .                     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   83
      6.3.4 Vorbereitung des Kapillarklebens . . . . . . .                     .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   84
      6.3.5 Kapillarkleben . . . . . . . . . . . . . . . . .                   .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   84
      6.3.6 Faser-Positionierung nach dem Kapillarkleben                       .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   86
      6.3.7 Reinigung und Kontrolle . . . . . . . . . . . .                    .   .   .   .   .   .   .   .   .   .   87

                                                                               Sascha Hoffmann, 2008
Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
INHALTSVERZEICHNIS                                                           1

     6.3.8 Bearbeitung der 45◦ Fasern und Metrologie . . . . . . . . . . . 88
     6.3.9 Auflösungsvermögen des Prototypen . . . . . . . . . . . . . . . 89
     6.3.10 Modulmontage auf dem Steckerrahmen . . . . . . . . . . . . . . 92

                                                         Sascha Hoffmann, 2008
Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
2                                   INHALTSVERZEICHNIS

Bau eines Luminositätsdetektors.
Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
3

Kapitel 1
Einleitung

Die moderne Physik der Elementarteilchen demonstriert auf eindrucksvolle Weise
das Zusammenspiel von Theorie und Experiment in der Grundlagenforschung.

Abbildung 1.1: Luftaufnahme des CERN, am rechten Bildrand ist der Genfer Flughafen
zu erkennen. Skizziert ist der Verlauf des SPS (7 km) und des LEP/LHC Tunnels (27km)
[1].

Die experimentellen Werkzeuge sind spektroskopische Untersuchungen von Objek-
ten auf subatomarer Ebene und Streuexperimente mit Elementarteilchen als Son-
den. Für diese Streuexperimente werden im wesentlichen zwei Hauptkomponenten
benötigt. Dies sind zum einen Beschleunigeranlagen, die Elementarteilchen auf na-
hezu Lichtgeschwindigkeit und dann zur geordneten Kollision bringen können und
zum anderen Detektorsysteme, welche diese Kollisionen registrieren und aufzeich-
nen.
1952 wurde das Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire von Vertre-
tern 11 europäischer Nationen gegründet. Das Ziel dieser Einrichtung war es, durch

                                                              Sascha Hoffmann, 2008
Bau eines Detektors zur Bestimmung der absoluten Luminosit at f ur ATLAS am LHC
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die Bündelung von finanziellen und wissenschaftlichen Ressourcen die Basis für eine
Großforschungseinrichtung unweit des Genfer Sees zu schaffen.
Die offizielle Grundsteinlegung fand 1955 in der Nähe von Meyrin an der
schweizerisch-französischen Grenze statt. Heute erstreckt sich das CERN-Gelände
über mehrere Kilometer beiderseits der Grenze und versinnbildlicht so am ehesten
seinen internationalen Charakter. Beginnend mit einem kleinen Protonensynchro-
tron entwickelte sich der des CERN zu einem verzweigten System von Detektoren,
Beschleunigern und Speicherringen (siehe Abb. 1.2).

Abbildung 1.2: Schematische Darstellung des Maschinenpark am CERN. Eingetragen
sind die Standorte der vier grossen Experimente sowie das System der Vorbeschleuniger
und Teile der Infrastruktur. Der ALFA testbeam fand 2006 in der North Area des SPS
statt [1].

1989 nahm dort LEP, der Large Electron Positron Collider√seine Arbeit auf. Zu die-
sem Zeitpunkt war es mit einer Schwerpunktsenergie von s ≈ 100 GeV das größte
Instrument, das der Hochenergiephysik zur Verfügung stand. Der Tunnel für LEP
hat einen Umfang von 27 km und erstreckt sich in etwa 100 m Tiefe vom Aéroport
international de Genève bis zu den Hängen des Massif du Jura.
Die Planungen für den Large Hadron Collider begannen Mitte der neunziger Jah-

Bau eines Luminositätsdetektors.
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re, noch während am LEP versucht wurde durch Aufrüsten der Beschleuniger die
Nachweisgrenze in den Bereich der Masse des Higgs Teilchens zu erweitern. Im Jahr
2000 wurde LEP dann abgeschaltet und mit einem bewilligten Budget von etwa 2,5
Milliarden Euro wird seitdem am Umbau zum LHC gearbeitet. Der Large Hadron
Collider befindet sich im gleichen Tunnel wie LEP und kann somit auf vorhandene
Infrastruktur zurückgreifen.
Zwei gegenläufige Protonenstrahlen sollen dort bis zu einer Schwerpunktsenergie von
14 T eV beschleunigt werden. Es gibt insgesamt vier große Detektorsysteme die im
LHC installiert werden; dieses sind ATLAS, CMS, LHCb und ALICE. Während die
ersten beiden multifunktionale Detektoren sind, deren Anspruch das Vermessen von
Spuren und Energieen möglichst aller Reaktionsprodukte einer P roton − P roton
Kollision ist, haben die anderen speziellere Aufgaben.
ALICE, A Large Ion Collider Experiment, wurde zur Untersuchung von P b − P b
Kollisionen entwickelt und man hofft hier Quark-Gluon-Plasmen generieren und we-
sentliche Merkmale dieses Aggregats messen zu können.
LHCb wird sich fast ausschließlich der Produktion von bottom-quarks widmen und
Eigenschaften von B-Mesonen bestimmen. Der Detektor ist als fixed target Experi-
ment aufgebaut und weist deswegen nicht die Symmetrie der anderen Systeme auf.
CMS, der Compact Muon Solenoid, ist wie ATLAS (A Toroidal LHC ApparatuS)
ein Allrounddetektor. Beide Systeme sind komplementär konzipiert und haben das
höchste Potential zur Identifizierung des Higgs Teilchens. Das Design des LHC er-
laubt eine maximale Luminosität von 1034 cm−2 s−1 , die allerdings erst ein paar
Jahre nach dem Hochfahren der Anlage im Jahr 2008 erreicht werden wird. Doch
auch für eine um einige Größenordnungen geringere Luminosität kann mit ATLAS
eine Reihe wichtiger Prozesse innerhalb des Standardmodells untersucht werden.
Hierzu gehören Messungen leptonischer Zerfallskanäle von W und Z Bosonen und
die Produktion schwerer Quarks.
Zu den exotischeren Aufgaben werden die Suche nach SUSY Teilchen und soge-
nannten miniblackholes gezählt. Da es sich hierbei um Programme jenseits des
Standardmodells handelt, ist es von großer Wichtigkeit vorher den Detektor und die
Strahlbedingungen intensiv zu studieren.
Ein weiterer Bereich, der ebenfalls von ATLAS abgedeckt werden wird, sind Refe-
renzmessungen im Hochenergiespektrum der kosmischen Strahlung und bei Schwe-
rionenkollisionen mit einer Luminosität von L = 1027 cm−2 s−1 . Die meisten Erwar-
tungen weckt ATLAS in Bezug auf die Entdeckung des Higgs Teilchen. Dieses Aus-
tauschboson der elektroschwachen Wechselwirkung läßt sich mit Hilfe des Goldstone-
Theorem postulieren, wenn man von einer globalen zu einer lokal eichinvarianten
Formulierung der Theorie übergeht. Die Konsequenzen dieses Mechanismus sind
wohldefinierte Massenterme für vier reelle Austauschbosonen der schwachen Wech-
selwirkung. Der erste Nachweis des neutralen Z gelang 1975 mit Hilfe der GARGA-
MELLE Blasenkammer. Am LEP konnten dann zwar die Massen von Z 0 und W ±
bestimmt werden, doch der Nachweis eines vierten Bosons ist nicht mit hinreichen-
der Sicherheit gelungen. Dieser Aufgabe, dem Nachweis des Higgs Bosons, wird sich
die ATLAS Kollaboration insbesondere widmen.
ATLAS ist mit einer Länge von 46 m und einem Durchmesser von 25 m einer der

                                                              Sascha Hoffmann, 2008
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größten Teilchendetektoren der Welt, und mit 7000 Tonnen Gesamtgewicht ist er
fast so schwer wie der Pariser Eiffelturm.

Abbildung 1.3: Skizze des ATLAS Detektors, markiert sind die wichtigsten Subsysteme,
zum Vergleich der Ausmaße wurden Personen in Lebensgrösse dem Bild hinzugefügt [1].

Wie bei den meisten multifunktionalen Detektoren in Kollisionsexperimenten
ist auch ATLAS zylindersymmetrisch zur Strahlachse und zum IP1 aufgebaut.
Möglichst nah am Wechselwirkungspunkt sind Spurdetektoren angebracht, die mit
hoher Ortsauflösung die Vertizes und Teilchenbahnen bestimmen. Für ATLAS bil-
den SCT1 , Pixel und TRT2 zusammen den inneren Detektor, dessen Aufgabe darin
besteht, Impulse elektrisch geladener Teilchen zu messen. Das zentrale Instrument,
der Pixeldetektor, hat über 1700 Einzelmodule, die mit jeweils 46000 Einzelpixeln
ausgestattet sind und der somit über 80 Millionen Kanäle verfügt. Aufgrund der
Granularität eines einzelnen Pixels beträgt die auflösbare Fläche etwa 14 × 115 µm2 .
Um den Pixeldetektor herum ist der SCT angebracht. Dessen Auflösung beträgt
17 µm in der R − φ Ebene und 580 µm entlang der z-Achse. Der äußere der inneren
Detektoren ist der TRT, der Übergangsstrahlungsdetektor. Über Cerenkovstrahlung
wird hier eine erste Teilchenunterscheidung zwischen Leptonen und Hadronen durch-
geführt.
Das nächste Element ist das elektromagnetische Kalorimeter, hier werden geladene
Hadronen und Leptonen, sowie Photonen durch ihre Schauer nachgewiesen. Diese
entsprechen im Wesentlichen den deponierten Energieen der Teilchen. Bei ATLAS
ist das innere, mit flüssigem Argon bei −183◦ C betriebene LAr Kalorimeter aus
110.000 Kanälen zusammengesetzt. Daran schließt sich das Tile Kalorimeter zum
    1
        Semi Conductor Tracker
    2
        Transition Radiation Tracker

Bau eines Luminositätsdetektors.
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Bestimmen der hadronischen Schauer an. Dieses äußere, zylinderförmige Kalorime-
ter enthält etwa 500.000 einzelne Szintillatoren.
Das Myonensystem ist aus vier verschiedenen Kammern aufgebaut und besteht im
Wesentlichen aus konzentrischen Zylindern in der Nähe des IP1 und fächerartigen
Kreisflächen an beiden Enden. Diese Geometrie stellt sicher, dass jedes vom IP
kommende Myon mindestens drei dieser Einzeldetektoren durchfliegen muß. In al-
len Myonenkammern werden verschiedene Detektortypen benutzt und die maximal
erreichbare Auflösung liegt im bereich von 60 µm.

Abbildung 1.4: Aufnahme aus der ATLAS cavern. Zu sehen ist der Detektor entlang der
Strahlachse z mit den ringförmig angeordneten zylindrischen Toroidal-Magneten [1].

Einer der wichtigen Faktoren beim Design von ATLAS war die Geometrie und An-
ordnung der Magnetfelder. Ein Magnetsystem soll durch Lorentzkräfte elektrisch
geladene Teilchen ablenken und es ermöglichen, die unterschiedlichen Krümmungs-
radien der Bahnen zu messen und damit deren Impulse zu berechnen.
Das Axialfeld von 2 Tesla im Zentrum von Atlas wird von einem zylindrischen Sole-
noidmagnet mit einer Länge von 5,3 m und 2,4 m Durchmeser bereitgestellt. Um die
Beeinträchtigung der inneren Detektoren so gering wie möglich zu halten beträgt
die Wandstärke nur 4,5 cm. Trotzdem wiegt der Solenoid über 4 Tonnen. Die beiden
äußeren Toroidalmagnete erreichen mit mehr als 20 kA ein Feld in der Größenord-
nung von 4 Tesla [2].
Eine der fundamentalen Kenngrößen aller physikalischen Prozesse am LHC ist die
Luminosität. Sie kann interpretiert werden als ein Maß für die Strahlintensität und
geht zusammen mit einer gemessenen Reaktionsrate in die Berechnung des Wir-
kungsquerschnittes eines physikalischen Prozesses ein.

                                                               Sascha Hoffmann, 2008
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Es gibt mehrere, prinzipiell unterschiedliche Zugänge zum Ausmessen der Größe L.
So kann man sie z.B. rein aus Maschinenparametern extrahieren oder mit Hilfe theo-
retisch gut bekannter Reaktionen berechnen.
Innerhalb der ATLAS Kollaboration gibt es ein Detektorsystem, dessen Aufgabe
im Ausmessen der Luminosität besteht. Im Normalbetrieb wird dies im Wesent-
lichen von LUCID (LUminosity measurement via Cerenkov Integrated Detector)
geleistet werden. Dieser Detektor wird innerhalb von ATLAS symmetrisch in ±17 m
Abstand zum IP1 und nahe an der Strahlachse untergebracht. Das Grundkonzept
dieses Systems beruht auf dem linearen Zusammenhang zwischen der Luminosität
und der dort gemessenen Ereignisrate. Um den Strahlparameter L mit ausreichender
Genauigkeit überwachen zu können ist ein stufenweises Kalibrieren dieses Detektors
erforderlich. Die erste Stufe, das Ausmessen der Absoluten Luminosität f ür ATLAS
übernimmt der ALFA Detektor. Dieser ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

Bau eines Luminositätsdetektors.
9

Kapitel 2
Elastische Streuung und
Anwendungen

Dieses Kapitel soll einen kurzen Einblick in die Theorie der elastischen Streuung
geben und skizziert die Herleitung des mathematischen Zusammenhanges zwischen
der Luminosität und den mit ALFA direkt zu messenden geometrischen Größen.
Zum Vergleich wird die TOTEM1 Methode dargestellt. Dort wird die Messung ela-
stischer Streuung ebenfalls mit Roman Pot Detektoren am LHC erfolgen, aller-
dings beschränkt sich die Analyse auf den hadronischen Anteil und die Verwendung
des optische Theorems. Im Unterschied dazu berücksichtigt ALFA elastische Cou-
lombstreuung und wird Daten aus dem Bereich des t-Spektrums liefern, in dem
beide Amplituden die gleiche Größenordnung haben und interferieren.

2.1 Optisches Theorem
Das Optische Theorem beschreibt einen Zusammenhang zwischen dem Imaginärteil
der Vorwärtsstreuamplitude und dem totalen Wirkungsquerschnitt einer Reaktion.
Ursprünglich entstammt dies der elektromagnetischen Wellenoptik, wird hier aller-
dings auch auf den Bereich der hadronischen Wechselwirkungen übertragen. Die
hier dargestellte Argumentation folgt im Wesentlichen [3]. Jeder einfache Streupro-
zess kann durch eine resultiernde Wellenfunktion Ψ(r) beschrieben werden, welche
als Summe eines einfallenden, ungestreuten und eines gestreuten Anteils formuliert
wird. Im Falle ebener Wellen läßt sich das schreiben als
                                                        
                                       ikr         1 ikr
                         Ψ(~r) = A e + f (θ, k) e          .                   (2.1)
                                                   r

Hierbei beschreibt f (θ, k) die Amplitude der gestreuten Welle. Die Normierung 1r
kann in dieser Formulierung dem gestreuten Anteil von Ψ zugeschrieben werden. Die
Forderung nach Teilchenzahlerhaltung führt auf eine Beziehung der Streuamplitude
zum gestreuten Teilchenstrom innerhalb eines Raumwinkelbereiches. Der differenti-
elle Wirkungsquerschnitt kann definiert werden als

                                         dσ
                                            = |f (k, θ)|2.                                   (2.2)
                                         dΩ
Eine bewährte Methode zur Darstellung von Wellenfunktionen ist ihre Repräsenta-
tion durch die vollständigen, orthogonalen Kugelflächenfunktionen. Überträgt man
  1
      Total Cross Section, Elastic Scattering and Diffraction Dissociation

                                                                             Sascha Hoffmann, 2008
10              KAPITEL 2. ELASTISCHE STREUUNG UND ANWENDUNGEN

diese Idee auf die Streuamplituden, so spricht man von einem Partialwellenansatz,
der ebenfalls auf einer Entwicklung nach Drehimpulseigenfunktionen, analog zu den
Lösungen für Ψ, beruht. Die mathematische Darstellung erfolgt durch Pl . Dies sind
die Legendre-Polynome zur Drehimpuls-Quantenzahl l
                                          ∞
                                     i X
                         f (k, θ) =        (2l + 1)(1 − ηl )Pl (cos θ).           (2.3)
                                    2k l=0

Hierbei wird der reelle Phasenwinkel δ durch η eingefügt

                                      ηl = |ηl | · exp(2iδl ).                    (2.4)

Unter Verwendung von
                                             dσ
                                        f ∗ (θ)f (θ) =                 (2.5)
                                             dΩ
und der Orthogonalität der Legendre Polynome P (cos θ) kann man den totalen
Wirkungsquerschnitt beschreiben als
                            X       X π
                     σtot =    σl =      2
                                           (2l + 1)|1 − ηl |2 .        (2.6)
                             l       l
                                       k

Nimmt man nun den Fall rein elastischer Streuungen an2 und verwendet die für
reelle δ gültige Beziehung
                                                     i
                                 exp(iδ) · sin δ =     (exp(2iδ)) ,               (2.7)
                                                     2
so findet man
                                  i X
                      f (θ) =         (2l + 1) (1 − exp 2iδl Pl (cos θ)) ,
                                 2k l
                                 1X
                       f (θ) =       (2l + 1) exp(iδl ) · sin δl Pl (cos θ).      (2.8)
                                 k l
Daraus läßt sich allgemein folgern, dass gilt:
                                            4π X
                            Z
                      σtot = |f (θ)|2 dΩ = 2    (2l + 1) sin2 δl .                (2.9)
                                            k l

Für die Streuamplitude f (θ) lassen sich nun zwei Spezialfälle diskutieren. Zum einen
kann man als ein notwendiges Kriterium ausschließlich nur Vorwärtsstreuung, also
θ ≈ 0 betrachten (a). Andererseits lassen sich hinreichend Streuungen nur mit S-
Wellen (b), also reinen Zuständen mit präpariertem Drehimpuls l = 0 fordern3 .
Da für alle Legendre Polynome Pl (1) = 1 gilt, nimmt in Gl. 2.8 der Faktor Pl für
beide Fälle den Wert 1 an. Mit

                                   exp(iδl ) = cos δl + i sin δl                (2.10)
     2
     hierbei gilt dann |ηl | = 1 bzw. |k| = const.
     3
     Im Fall (a) erhählt man aus der Näherung θ → 0 ⇒ Pl (cos(θ) = 1).
Für (b) ergibt sich P0 (cos θ) = 1.

Bau eines Luminositätsdetektors.
2.2. MESSUNG DES TOTALEN WIRKUNGSQUERSCHNITTES AM LHC                                        11

läßt sich die Streuamplitude schreiben als
                                 1X
                   f (θ = 0) =       (2l + 1) · sin δl cos δl + i sin δl · sin δl .       (2.11)
                                 k l

Zusammen mit Gl. 2.9 ergibt sich dann

                                          1X                      k
                      Im (f (θ = 0)) =        (2l + 1) sin2 δl =    · σtot .              (2.12)
                                          k l                    4π

Dies ist das Optische Theorem. Ein Vergleich mit der Wellenoptik zeigt die an-
schauliche Bedeutung, denn dort beschreibt der Imaginärteil des Brechungsindex
des Streupotentials das Maß der Absorption der Welle. Etwas allgemeiner formu-
liert liefert das Optische Theorem einen Zusammenhang zwischen der Dämpfung in
Vorwärtsrichtung und dem totalen Wirkungsquerschnitt einer elastischen Reaktion.
Diese Methode eignet sich deshalb sehr gut zur Bestimmung von σtot . Eine ausführ-
lichere und allgemeinere Herleitung unter Verwendung der Streumatrixformulierung
und deren Unitarität findet sich in [4].

2.2 Messung des totalen Wirkungsquerschnittes
    am LHC
Zwischen der Reaktionsrate und dem physikalischen Wirkungsquerschnitt besteht
der Zusammenhang
                                 N = L · σ.                            (2.13)
Der Proportionalitätsfaktor L, die Luminosität, ist ein Strahlparameter, welcher für
Kollisionsexperimente beschrieben werden kann4 durch
                                                    N1 N2
                                        L=f ·n             .                              (2.14)
                                                   4πσx σy

Hierbei ist f die Umlauffrequenz der Pakete (bunches), n die Anzahl der bunches
in einem Strahl, Ni die Anzahl der Teilchen per bunch und σ die geometrische
Strahlaufweitung am Wechselwirkungspunkt. Betrachtet man nun die gesamte Re-
aktionsrate N als Summe eines elastischen und inelastische Anteils, so läßt sich der
totale Wirkungsquerschnitt beschreiben als

                                         Nel + Nin
                                                   = L.                                   (2.15)
                                            σtot
Hieraus ergibt sich die experimentelle Anforderung wirklich alle Reaktionen auszu-
messen, das heißt eine Detektion über idealerweise den vollen Raumwinkel von 4π
durchzuführen. Weiterhin muss eine Möglichkeit gefunden werden, den elastischen
  4
      aus systematischen Gründen wird hierauf in Kapitel 3 eingegangen

                                                                           Sascha Hoffmann, 2008
12                     KAPITEL 2. ELASTISCHE STREUUNG UND ANWENDUNGEN

Anteil der Reaktionen aus pp Kollisionen hinreichend gut theoretisch zu beschreiben.
Mit der Mandelstamvariablen
                                                    
                                     2      2    2  θ
                       t = (p1 − p3 ) = −4k sin        = q2,                  (2.16)
                                                    2

ist der lorentzinvariante Impulsübertrag einer Zwei-Teilchen Reaktion5 unter einem
Streuwinkel θ mit Impuls k im Schwerpunktsystem definiert. Da sowohl Wechsel-
wirkungsraten als auch Wirkungsquerschnitte offensichtliche Funktionen von t sind,
kann man auch schreiben
                                     1 dN     dσ
                                            =     .                           (2.17)
                                     L dt      dt
Aus experimenteller Erfahrung heraus wird der hadronische Wirkungsquerschnitt
parametrisiert dargestellt als
                                          
                              dσh      dσh
                                  =            · exp(Bt).                     (2.18)
                               dt       dt t=0

Hierbei ist B6 ein Parameter mit dem die Steigung des t-Spektrums in logarithmi-
scher Darstellung beschrieben wird. Mit Gl. 2.2 läßt sich die Abhängigkeit von t
beschreiben durch
                          dσh     π
                              = 2 |Re(fh ) + Im(fh )|2 .                     (2.19)
                           dt    k
Benutzt man nun das optische Theorem in der Form
                                                      4π
                                             σtot =      Im(fh )t=0 ,
                                                       k
und betrachtet den Wirkungsquerschnitt für t → 0
                                                    2
                        dσ          ρ + i · Im(fh )t=0
                                =                         ,
                         dt t=0              k

dann läßt sich die hadronische Amplitude7 schreiben als
                                                   σtot          B|t|
                                            fh =        (ρ + i)e− 2 .                         (2.20)
                                                   4π
Unter Verwendung natürlicher Einheiten und zusammen mit Gl. 2.17 und Gl. 2.2
ergibt sich durch reine Umformung

                                1 16π(~c)2 dN
                                               
                            2
                          σtot = ·                   .                 (2.21)
                                L 1 + ρ2      dt t=0

Somit stehen unter Vernachlässigung des Coulombanteils die zwei Formeln 2.21 und
2.15 zur Verfügung die σtot und L verknüpfen. Dies wird vom TOTEM Experiment
     5
         hierbei sind p1 und p2 die Teilchen Impulse vor, und p3 und p4 die Impulse nach der Reaktion
     6
         nuclear slope, angegeben in GeV −2
     7        Re(f )
         ρ=   Im(f )         ist ein dimensionsloser Parameter
                       t→0

Bau eines Luminositätsdetektors.
2.2. MESSUNG DES TOTALEN WIRKUNGSQUERSCHNITTES AM LHC                                13

am LHC als eine luminositätsunabhängige Methode zur Bestimmung des totalen
Wirkungsquerschnittes benutzt.

                                  16π(~c)2 dN
                                            
                                            dt t=0
                               σ=                   .                            (2.22)
                                   1 + ρ2 Nel + Nin

Aus Vorhersagen der Theorie läßt sich für den LHC eine Größenordnung von
σtot ≈ 100mb abschätzen (siehe Abb. 2.1).
TOTEM ist zusammen mit CMS am IP 5 untergebracht, dort wird auch die Mes-
sung der inelastischen Rate Nin erfolgen. Die elastische Streuung wird, wie beim
ALFA System, mit symmetrisch zum IP eingebauten Roman Pots vermessen.
Die Bestimmung der Reaktionsrate für t → 0 wird durch Extrapolation im logarith-
mischen t-Spektrum erfolgen. Ebenso läßt sich analog zu Gl. 2.22 die Luminosität
als Funktion messbarer Reaktionsraten ausdrücken

                             (Nel + Nin )2       2        1
                          L=               (1 + ρ  )  dN
                                                            .                   (2.23)
                               16π(~c)2                 dt t=0

Abbildung 2.1: Von der COMPETE Kollaboration zusammengestellte Übersicht der mo-
dellierten Vorhersagen des totalen Wirkumgsquerschnittes für pp Kollisionen bei einer
                          √
Schwerpunktsenergie von s. σtot ist hier in Einheiten von mb angegeben. Die jeweils
unterste und oberste Kurve geben die Grenzen an, die sich aus statistischen und systema-
tischen Fehlern ergeben [5].

                                                                 Sascha Hoffmann, 2008
14                  KAPITEL 2. ELASTISCHE STREUUNG UND ANWENDUNGEN

2.3 Bestimmung der Luminosität mit Coulomb
    Wechselwirkung
Im Gegensatz zu TOTEM berücksichtigt ALFA die Coulomb Wechselwirkung und
die sich daraus ergebenen Interferenzen. In den Darstellungen der t-Spektren (siehe
Abb. 2.2 und 2.3) ist dies durch den asymptotischen Anstieg bei t → 0 repräsentiert.
Im Wesentlichen lassen sich anhand des Kurvenverlaufes drei Bereiche unterschei-
den: der rein elektromagnetische Anteil mit ∝ t12 , der rein hadronische Anteil der
exponentiell mit dem Parameter B eingeht und dazwischen der CNI8 Bereich, in
dem die beiden Amplituden interferieren.
In dieser Region sehr kleiner Impulsüberträge wird ALFA messen.

Abbildung 2.2: Modelliertes t-Spektrum unter Berücksichtigung verschiedener Amplitu-
den. Die Kurve für α = 0 vernachlässigt die Coulombwechselwirkung und entspricht der
Extrapolation der elastischen Rate, wie sie in der TOTEM Methode verwendet wird [5].

Eine erfolgreiche Methode pp Streuprozesse zu beschreiben wurde in [6] vorgestellt.
Dort wird das t-Spektrum beschrieben über einen reinen Coulomb Anteil, einen
Interferenzterm und einen reinen hadronischen Anteil
                             dσ   dσc dσch dσh
                                =     +       +     .                       (2.24)
                             dt    dt     dt     dt
     8
         Coulomb-Nuclear-Interference region

Bau eines Luminositätsdetektors.
2.3. BESTIMMUNG DER LUMINOSITÄT MIT COULOMB
WECHSELWIRKUNG                                                                                15

Zur Darstellung der Coulombstreuuung werden hier noch der elektromagnetische
Formfaktor des Protons9 G(t) und die Phase10 Φ(t) benötigt:
                                                    −2
                                             |t|
                                  G(t) =          +1     ,
                                            0.71
                                                  
                                                2
                                  Φ(t) = ln          − Φ0 .
                                              B·t
                 GeV 2
Hier wird t in    c2
                         angegeben11 . Mit den Amplituden12

                                                  G2 (t) iαΦ(t)
                              fc (t) = −8πα~c ·         ·e      ,
                                                   |t|
                                   σtot          B|t|
                                        (ρ + i)e− 2 ,
                                  fh (t) =
                                    ~c
und der Aufteilung in Real- und Imaginärteil
               dσ    1                 1
                        |fc + fh |2 =     Re2 (fc + fh ) + Im2 (fc + fh ) ,
                                                                         
                  =                                                                       (2.25)
               dt   16π               16π
ergibt sich
                                                                        2
                               G2 (t)
                                                               
                 1                                                 B|t|
              =       −8πα~c ·        cos αΦ(t) + σtot ~cρ · exp −
                16π             |t|                                 2
                                                                       2
                                G2 (t)
                                                              
                  1                                               B|t|
               +       −8πα~c ·        sinαΦ(t) + σtot ~c · exp −
                 16π             |t|                               2
Mit 2.17 erhält man daraus die Funktion
                     4
                                    G2 (t)                                     2
                                                                                                     
dN                2 G (t)
                                                 B|t|                   (1 + ρ   )
    = L 4π(α~)            + α~cσtot        exp( 2 ) (sin αΦ − cos αΦ) +
                                               −                                    2
                                                                                   σtot · exp (−B|t|)
                                                                                                        .
 dt                  t2               t                                    16π
                                                                               (2.26)
Dies entspricht der in Gl. 2.24 formulierten Struktur mit den Parametern L, σ, ρ, B.

Mit dem ALFA Detektorsystem werden Reaktionsraten dN        dt
                                                               bei sehr kleinen Im-
pulsüberträgen bis zu tmin ≈ 6 · 10−4 GeV 2 gemessen. Aus dem Fit (siehe Abb. 2.3)
an diese Meßdaten kann dann die Luminosität bestimmt werden.

   9
     der Formfaktor ist die Fouriertransformierte der räumlichen Ladungsverteilung
  10
     hiermit wird die Interferenz der beiden Wechselwirkungen beschrieben
  11
     Eine detaillierte Berechnung des konstanten Beitrages der Phase findet sich in [6].
  12
     die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung wird beschrieben durch die dimensionslose
Feinstrukturkonstante
        e2       1
α = ~c4πǫ  0
             ≈ 137

                                                                       Sascha Hoffmann, 2008
16            KAPITEL 2. ELASTISCHE STREUUNG UND ANWENDUNGEN

Abbildung 2.3: Beispiel für ein Monte-Carlo simuliertes t-Spektrum im Bereich der
Coulomb-Hadron-Interferenz mit den daraus gefitteten Werten. Die Luminosität wird hier
                   1
in Einheiten von mb·∆t angegeben [7]

Bau eines Luminositätsdetektors.
17

Kapitel 3
Experimentelle Methoden zur
Bestimmung der Luminosität

3.1 Maschinenparameter
Eine intrinsche Methode zur Bestimmung der Luminosität ist die Benutzung von
LHC Maschinenparametern mit

                                              f N1 N2
                                         L=           .                               (3.1)
                                               Aef f

Abbildung 3.1: Schematische Darstellung zweier kollidierender Teilchenstrahlen, bzw.
einzelner Pakete (bunches) [8].

Hier sind f die Frequenz der Paket-Kollisionen, Ni die Anzahl der Teilchen pro
Paket und Aef f die effektive Reaktionsfläche in der transversalen Ebene. Wenn nun
in dieser Ebene das Strahlprofil über die Verteilungen gi (x, y, ) beschrieben wird, so
läßt sich Aef f als Überlappintegral schreiben

                            1
                                     Z
                                 =       g1 (x, y, )g2(x, y, )dxdy.                   (3.2)
                           Aef f

Für die Annahme reiner Gauss-Verteilungen, die identische Form für beide Strahlen
haben, ergibt sich:
                                     Aef f = 4πσx σy .                                (3.3)

                                                                      Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER
18                                              LUMINOSITÄT

Sollte das Strahlprofil kreisförmig1 sein, kann die Luminosität beschrieben werden
durch
                                              N1 N2
                                    L=f ·n          ,
                                              4πσr2
wobei hier zusatzlich die Anzahl n der Pakete eingeht. Die Frequenz des Beschleu-
nigerringes ist bekannt und die Teilchendichten lassen sich sehr genau messen. Die
experimentelle Herausforderung liegt hier im Ausmessen des tatsächlichen Beam-
profiles, welches auch zu Diagnosezwecken des LHC benötigt wird. Mit einer detail-
lierteren Rechnung läßt sich der hieraus anfangs resultierende Fehler auf Grund der
Strahlform zu ∆L L
                    ≈ 0.25 abschätzen. Dieser wird jedoch durch weitere systema-
tische Studien während des LHC Betriebs auf etwa 5 % reduziert werden können
[8].

3.2 Van der Meer Methode
Diese Methode wurde als erstes am ISR, ebenfalls eine Hadronen-Beschleunigermaschine
am CERN2 , im Jahr 1974 verwendet und beruht auf einem Profilscan der einzelnen,
kollidierenden Strahlen [9]. Aus der in Abbildung 3.2 dargestellten Geometrie und

Abbildung 3.2: Skizzierte Seitenansicht zweier unter einem Winkel α kollidierender Strah-
len mit den Strömen I1,2 . In dieser geometrischen Darstellung wird die aktive Fläche im
Gegensatz zu Gl. 3.3 als Produkt der Breite W und der Höhe h definiert [10].

     1
    in diesem Fall gilt σr = σx = σy
     2
    Intersection Storage Rings, war in Betrieb von 1971-84 und stellte pp und pp Reaktionen mit
einer Luminosität von bis zu 1032 cm−2 s−1 zur Verfügung

Bau eines Luminositätsdetektors.
3.3. LUMINOSITÄT AUS PRODUKTIONSPROZESSEN                                                 19

der in Gl. 3.1 verwendeten Definition ergäbe sich die Luminosität zu
                                                    I1 I2
                                     L=                           .                      (3.4)
                                           e2   · hef f tan( α2 )

Hierbei kann die effektive Höhe der Strahlen im Überlappbereich beschrieben werden
durch                                R∞          R∞
                                         ρ dz · −∞ ρ2 dz
                                      −∞ 1
                             hef f =    R∞               .                      (3.5)
                                         −∞
                                             ρ 1 · ρ2 dz
die Funktion ρ(z) ist eine Darstellung des Strahlprofils, die zumeist als Gaußvertei-
lung angenommen wird, und unabhängig von ihrer speziellen mathematischen Form
läßt sich zeigen, dass:           √
                               L · < z >2 = const.                              (3.6)
Die experimentelle Idee besteht nun darin, mit einem Luminositätsmonitor, der
sich meistens ebenfalls nahe an der Strahlachse befindet, die Reaktionsrate RM =
σM · L als Funktion der relativen Distanz der beiden Mittelpunkte der Strahlprofile
zu messen. S. van der Meer3 hat gezeigt, dass wegen Gl. 3.6 unabhängig von der
Strahlform gilt                 R
                                  N(z1 − z2 )dz
                                                = hef f .                      (3.7)
                                     Nh=0
Hier ist das Integral die Fläche unter der Kurve des gemessenen relativen beam dis-
placement und der Nenner die absolute Reaktionsrate bei maximal überlappenden
Strahlen (siehe Abb. 3.3). Mit der so bestimmten effektiven Höhe, den gemesse-
nen Strömen und dem Kreuzungswinkel α läßt sich dann die Luminosität mit Gl.
3.4 berechnen. Da die verwendeten Ströme mit hoher Genauigkeit bestimmt wer-
den können, ist die Qualität der Luminositätsmessungen im Wesentlichen durch die
Auflösung der Messungen des beam displacement wie in Abbildung 3.4 bestimmt.
Am ISR wurde mit dieser Methode ein Bereich von ±4% Abweichung erreicht.

3.3 Luminosität aus Produktionsprozessen
Unter der Voraussetzung eines sehr sauberen Signals im Detektor besteht weiterhin
die Möglichkeit N = σ · L anhand eines einzigen physikalischen Prozesses zu bestim-
men. Hierfür bietet sich die Leptonenpaarproduktion an, im besonderen die Produk-
tion von Muonen bei einem Zwei-Photon-Austausch. Der Prozess pp → pp + µ+ µ−
ist mit Hilfe der QED sehr gut beschreibbar und ermöglicht eine sehr genaue Be-
rechnung von σ.
Es ist analytisch möglich, diesen Prozess als Paarproduktion aus virtuellen Photonen
mit Hilfe der EquivalentP hotonApproximation (E.P.A.) dazustellen [11].
                                    dσ = dσγ ∗ γ ∗ →ll dn1 dn2 ,
                                          α dω (~qT )2 (d~qT )2
                              dnQED =                                .
                                          π ω (ω 2 γ −2 + (~qT )2 )2
  3
      erhielt 1984 zusammen mit Carlo Rubbia für seine Arbeiten am ISR den Nobelpreis

                                                                         Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER
20                                              LUMINOSITÄT

Hierbei beschreibt q(ω, ~q) den ViererImpuls des virtuellen Photons.
Sowohl der elastische als auch der inelastische Anteil der Streuung können mit Hil-
fe von dnQED und einer jeweiligen EPA Korrektur formuliert werden. Die Beiträge
der virtueller Photonen setzen sich dann aus diesen beiden Anteilen zusammen.
Der Wirkungsquerschnitt für Muonenproduktion ist wesentlich kleiner als der für
Elektron-Positron-Paare und die für den Detektor nötigen Triggerkriterien, wie z.B.
ein Transversalimpuls pT > 1GeV , reduzieren die Messrate erheblich. Allerdings
sind bei pp → pp + µ+ µ− die Untergrundbeiträge aus kosmischer Strahlung und
konkurrierenden Drell-Yan Prozessen wesentlich geringer.
Auf Grund dessen eignet sich diese Reaktion nicht als Monitor für geringe Strahl-
intensitäten, allerdings gibt es Abschätzungen, dass bei Normalbetrieb des LHC im
Luminositätsbereich von 1033 cm−2 s−1 die für L erreichbare Genauigkeit etwa bei
2% liegt [11].

Eine weitere Möglichkeit theoretisch recht gut bekannte Reaktionen zur Lumino-
sitätsmessung zu nutzen, ist die Produktionsrate schwacher Eichbosonen[12]. Die
Beschreibung dieses QCD dominierten Prozesses ist im Wesentlichen von den mo-
dellierten parton distribution functions abhängig. Die erreichbare Genauigkeit wird
durch die Unsicherheit der parametrisierten Gluonverteilungsfunktionen im Proton
bestimmt, die etwa 3 % beträgt.

3.4 TOTEM Methode
Wie in Kapitel 2 dargestellt, besteht die Möglichkeit durch Benutzung des Opti-
schen Theorems und Ausmessen sowohl der elastischen als auch der inelastischen
Reaktionsrate die Luminosität zu bestimmen
                                    −1
                        1       dNel
                   L=       ·            · (Nin + Nel )2 (1 + ρ2 ).
                       16π       dt t=0

Der Parameter ρ muss hierbei extern gewonnen werden. Aus Experimenten am Te-
vatron und ISR [5] wurden verschiedene Abschätzungen präsentiert. Diese geben
eine Größenordnung von ρ = 0, 14 an. TOTEM wird inelastische pp Streuungen
zusammen mit CMS im Vorwärtsbereich des IP5 bestimmen. Die Messung der ela-
stischen Streuung, also kleiner Impulsüberträge, wird allerdings nur bis zu einem
Bereich von t ≈ 10−3 GeV 2 erfolgen. Als Detektoren verwendet TOTEM sogenannte
Roman Pots. Diese Art von Spurdetektoren wird auch von ALFA benutzt und in
Kapitel 4 im Detail erläutert.
Der von einem Detektor abgedeckte Polarwinkelbereich wird häufig in Einheiten
der Pseudorapidität4 angegeben. Auf Grund des Designs von ATLAS ist die η co-
verage für diese Methode bei CMS besser, weshalb die Verwendung des Optischen
Theorems und der Extrapolation der elastischen Streurate am IP1 nicht die nötige
Genauigkeit liefern würde.
     4                 θ
                           
         η = −ln tan   2

Bau eines Luminositätsdetektors.
3.5. ALFA                                                                                21

3.5 ALFA
Die analytische Methode zur Kalibration der absoluten Luminosität für ATLAS un-
ter Berücksichtigung des Coulombbereiches für sehr kleine Impulsüberträge t wurde
ebenfalls im Kapitel 2 vorgestellt. Hier wird nun die experimentelle Umsetzung am
LHC beschrieben.
Das ALFA Detektorsystem wird elastische pp → pp Streuung unter sehr kleinen
Winkeln θ symmetrisch im Abstand von 240 m zum IP 1 vermessen. Wenn p den
Strahlimpuls beschreibt, läßt sich die Impulsübertrag t für kleine θ notieren als

                                       −t = p2 (θ2 ).                                 (3.8)

Wenn u bzw. u’ für die jeweiligen Raumkoordinaten (x,y) und deren Steigung stehen
und δp = ∆p
          p
            den Impulsverlust bezeichnet, dann ist

                                               u(s)∗
                                                   
                                u(s)
                               u′(s)  = M̂  u′(s)∗ 
                                 δp             δp∗

eine Möglichkeit, die Trajektorienposition in einem beliebigen Abstand s zum IP
über die Transportmatrix M̂ zu beschreiben5 .
Mit den Betatronfunktionen β und β ∗6 , deren PhasenunterschiedΨ, sowie den jewei-
ligen räumlichen Ableitungen α ergibt sich:
       s
          β              ∗          ∗
                                        p                ′
   u=       ∗
              (cos Ψ + α   sin Ψ) u   +   ββ ∗ sin Ψ · u∗ = Mu,11 · u∗ + Mu,12 · θu∗ . (3.9)
          β

Hier wird nun die Position der Roman Pots im LHC Tunnel entscheidend, denn
auf Grund der besonderen Symmetrie des ALFA Systems im Bezug auf den IP1
folgt, dass für elastische Streuung die Winkel links und rechts des Vertex betragsi-
dentisch sind und sich nur im Vorzeichen unterscheiden. Mit Hilfe der Differenz der
Spurkoordinaten links und rechts des IP1 ul − ur läßt sich schreiben:
                                              uL − uR
                                      θu∗ =              .                           (3.10)
                                              2Lef f,u,i

Dabei ist der effektive Hebelarm definiert als
                                      p
                               Lef f = βu βu∗ sin Ψu,i.                              (3.11)

Für die Messungen mit ALFA wird eine spezielle high beta Strahloptik benutzt
werden (siehe Abb. 3.7). Diese Aufweitung des Strahls am IP emöglicht das Fo-
kussieren von unter kleinen Winkeln gestreuten Protonen auf die 240 m entfernten
ALFA Detektoren. Mit einem zusätzlichen Phasenunterschied (parallel to point fo-
cus) zwischen β und β ∗ von Ψ = π2 kann somit der Streuwinkel am IP1 direkt aus
der Koordinatenmessung der Spur von elastischen gestreuten Protonen bestimmt

                                                                    Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER
22                                              LUMINOSITÄT

werden. Mit einer Winkelzerlegung in horizontale(x) und vertikale(y) Komponenten
in den jeweiligen RP-Paaren(i), die im gleichen Abstand zum IP1 installiert sind
(siehe Abb. 3.6), läßt sich schreiben:

                                −ti=1,2 = p2 θx,i
                                              ∗2     ∗2
                                                         
                                                  + θy,i   .               (3.12)

Schließlich ergibt sich daraus der Impulsübertrag
                                             1
                                        t=     (t1 + t2 ) .                                (3.13)
                                             2
Aus den dazu gemessenen Ereignisraten dN  dt
                                             und deren Darstellung als parametrisier-
te Funktion läßt sich das t-Spektrum analog zu Abbildung 2.3 konstruieren. ALFA
kann so die absolute Luminosität mit einer Genauigkeit von 3% , sowie die Parameter
σtot , B und ρ bestimmen [7].

     5
    das Symbol ∗ bezeichnet hierbei die Grössen am IP
     6
    diese Beta-Funktionen beschreiben die Oszillation der Teilchen relativ zur nominalen Strahl-
achse, analytisch ergeben sie sich aus Lösungsansätzen zur Bewegung geladener Teilchen in Multi-
polfeldern

Bau eines Luminositätsdetektors.
3.5. ALFA                                                                           23

Abbildung 3.3: Mit der van der Meer Methode gemessenes beam profile displacement
z1 − z2 ,wie es am ISR verwendet wurde. Mit Hilfe dieser Kurve gelang es, die effektive
Höhe des Strahlprofils zu berechnen. [10].

                                                                Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER
24                                              LUMINOSITÄT

Abbildung 3.4: Schematische Darstellung der Messungen zur van der Meer Methode. Zu
sehen ist eine Skizze zur Möglichkeit der Verwendung dieser Methode auch bei Strahlen
mit kreisförmigem Querschnitt (links) und eine damit durchgeführte Messung (rechts) mit
einem Luminositätsmonitor am LEP [8].

Abbildung 3.5: Skizze der zur Leptonenpaarproduktion beitragenden Diagramme. Dar-
gestellt sind hier der elastische (a) und die führenden inelastischen (b und c) Beiträge
[11].

Bau eines Luminositätsdetektors.
3.5. ALFA                                                                            25

Abbildung 3.6: Skizze der Anordnung der ALFA Roman Pots im LHC in Bezug auf
den IP1 und prinzipieller Verlauf der Teilchenspuren elastisch getreuter Protonen in den
punktsymmetrisch angeordneten Detektorpaaren. Es gibt acht einzelne Detektoren, die
paarweise über und unter der Strahlachse angebracht werden. Für jede Messung werden
Signale aus vier einzelnen RP verwendet [13].

Abbildung 3.7: Schematische Darstellung der von ALFA benutzten Strahloptik und der
geometrischen Meßgrößen. Eingezeichnet sind der Streuwinkel θ ∗ am IP1, der effektive
Hebelarm Lef f , welcher sich aus der verwendeten Strahloptik ergibt und der von den
ALFA-RP gemessene geometrische Abstand zur nominalen Strahlachse ydet , sowie der
skizzierte Verlauf des vom LHC zur Verfügung gestellten parallel to point focus [13].

                                                                 Sascha Hoffmann, 2008
KAPITEL 3. EXPERIMENTELLE METHODEN ZUR BESTIMMUNG DER
26                                              LUMINOSITÄT

Bau eines Luminositätsdetektors.
27

Kapitel 4
Der ALFA Detektor

Um die elastische Streuung bis in den Coulombbereich hinein zu detektieren und
Spuren von unter sehr kleinen Winkeln gestreuten Protonen zu messen, mußte eine
Apparatur entwickelt werden, die in der Lage ist, sehr nah an der Strahlachse und
sehr weit entfernt vom IP1 mit sehr hoher Ortsauflösung einzelne Teilchenbahnen
zu detektieren. Im März 2004 wurde der Letter of Intent“ für dieses Programm zur
                                         ”
Luminositätsmessung veröffentlicht, und seit dem arbeiten verschiedene Institute in
einer Arbeitsgruppe zusammen, um das Projekt ALFA zu verwirklichen. Dies sind
im einzelnen:

CERN, Genf (Schweiz)
LAL, Orsay (Frankreich)
Fysika institutionen, Lunds universitet, Lund (Schweden)
LIP, Centro de Fisica Nuclear da Universidade de Liboa, Lissabon (Portugal)
Univerzita Karlova, Matematicko-fyzikálnı́ fakulta, Praha (Tschechien)
DESY, Hamburg und Zeuthen
Humboldt Universität, Institut für Physik, Berlin
Justus Liebig Universität, II. Physikalisches Institut, Gießen

Der Aufbau des ALFA-Detektorsystems im LHC (siehe Abb. 4.1)wird symmetrisch
in einer Entfernung von ca. 240m zu ATLAS und in variablem Abstand von bis
zu 1,5 mm zur LHC Strahlachse erfolgen. Die so detektierbaren Winkel liegen im
Bereich von einigen wenigen µrad.
Die Messung wird bei einer niedrigen Luminosität von L ≈ 1027 cm−2 s−1 erfolgen,
um die Strahlendosis der der Detektor ausgesetzt ist möglichst gering zu halten und
die erforderlichen Strahlbedingungen zu realisieren.

An der RP-Detektorposition beträgt die maximale Strahlaufweitung etwa 130 µm.
Mit Monte Carlo Simulationen wurde gezeigt, dass die räumliche Auflösung von
ALFA im Bereich von etwa 30 µm liegen sollte, damit im gemessenen t-Spektrum
eine hinreichende Genauigkeit erreicht werden kann. Weiterhin setzt der LHC selbst
noch Randbedingungen für ALFA hinsichtlich der Positionierung im Tunnel und der
einzusetzenden Elektronik. Letzteres betrifft sowohl die Taktfrequenz von 40 MHz
als auch den Datenverarbeitungsfluß.
Das hierfür passende Design fand die ALF A Gruppe in den sogenannten Roman
Pots (RP). Diese Art von Detektoren wurden unter anderem schon im UA4 Expe-
riment am SPS benutzt, jedoch mußten wegen der speziellen Anforderungen einige
Änderungen bzw. Erweiterungen vorgenommen werden.

                                                              Sascha Hoffmann, 2008
28                                         KAPITEL 4. DER ALFA DETEKTOR

Abbildung 4.1: Schematische Darstellung des LHC Tunnels ca. 240 m vor IP 1 im Bereich
der Quadrupole Q6 und Q7. Die hier eingezeichnete RP Station besteht aus zwei RP
Einheiten mit je einem RP über und unter der Strahlachse. Denselben Aufbau findet man
symmetrisch bei −240 m auf der anderen Seite des IP1. In dieser Entfernung von ATLAS
befinden sich im LHC zwei gegenläufige Hadronenstrahlen mit einem Abstand von etwa
20 cm [7].

4.1 Roman Pot Design
RP Einheiten werden auch von den Experimenten H1 am DESY und TOTEM am
LHC verwendet. Ihr wesentliches Merkmal ist, dass es sich um seperate Detektorsy-
steme handelt, die von außerhalb an den Strahl heranbewegt werden können. Einfach
ausgedrückt, wird das Strahlrohr an einer Stelle unterbrochen und dort durch eine
RP Einheit ersetzt.

Die RP Einheit wird mechanisch vom LHC Vakuum getrennt sein und in einem
Sekundärvakuum betrieben. Dieses ist auf den Innenraum des Pots beschränkt und
umfaßt somit nur den eigentlichen Tracker und nicht die auf dem RP angebrachte
front end Electronik (FE) Die größten Anforderungen stellt das Roman Pot Design
sicherlich im Bereich der räumlichen Anordnung. Zum einen ist der Platz für eine
RP Einheit selber durch die intrinsischen LHC Elemente begrenzt, zum anderen
stellt die möglichst effiziente Raumnutzung innerhalb eines RP eine Herausforde-
rung dar. Aufgrund der Entfernung zum IP 1, die zum Ausmessen der Streuung bei
sehr kleinen Winkeln nötig ist, wurde für die RPs eine Installation zwischen den
Quadrupolen Q6 und Q7 vorgesehen. Der untere, rechtwinklige Bereich, in dem der
eigentliche Tracker des RP untergebracht ist hat die Dimensionen 125×64×46 mm3.
Darüber befindet sich ein zylinderförmiger Bereich, der zur Faseranordnung gedacht

Bau eines Luminositätsdetektors.
4.1. ROMAN POT DESIGN                                                                  29

Abbildung 4.2: Eine RP Einheit wie sie für ALFA verwendet und im LHC installiert wird.
Links die schematische Darstellung, auf der man deutlich die Öffnungen über und unter
der beam pipe sehen kann, in die später die eigentlichen Detektoren eingebaut werden. Das
rechte Bild ist eine Aufnahme einer RP Einheit aus dem Mechaniktestlabor [14].

ist. Am unteren Rand gibt es noch zwei kleinere symmetrische, rechtwinklige Be-
reiche die zur Aufnahme der sogenannten overlap detectors, OD dienen (siehe Abb.
4.3). Jeder einzelne RP verfügt über einen eigenen Schrittmotor, der die Bewegung
senkrecht zur Strahlachse steuert. Diese sind zusammen mit den Pots in der jewei-
ligen Station untergebracht. Die Schrittweite beträgt 5 µm.
Der Vorteil dieses Faserdetektors besteht unter anderem darin, dass sich der sensi-
tive Bereich bis zum Ende der dem Strahl zugewandten Kante der einzelnen U-V
Ebenen erstreckt. Im Gegensatz zu vielen anderen Detektoren benötigt ALFA keine
eventuellen Aggregate zur Kühlung oder elektrischen Abschirmung, die die minimale
Annäherung an die Strahlachse beeinträchtigen könnten (siehe Abb. 4.4).
Der sensitive Teil eines ALFA RP besteht aus szintillierenden Fasern, die in mehreren
Ebenen hintereinander angeordnet werden (siehe Abb. 4.5). Das von durchfliegenden
Protonen verursachte Licht wird innerhalb einer Faser bis zu einer MultiAnodePhoto-
Multipliertube (MAPMT) geleitet. Hier wird über eine anliegende Beschleunigungs-
spannung in der Größenordnung von 1000 V und Ausnutzung des äußeren Photoef-
fektes ein Elektronenstrom erzeugt, welcher dann von der folgenden FE ausgelesen
und als elektronisches Signal zur Datenverarbeitung weitergegeben wird. Diese Fa-

                                                                  Sascha Hoffmann, 2008
30                                             KAPITEL 4. DER ALFA DETEKTOR

Abbildung 4.3: 3D Zeichnung eines Poman Pot Gehäuses in zwei verschiedenen Ansichten.
Für die Sensitivität des Detektors sind das dünne Fenster auf der Unterseite (thin window )
und die nur 500 µm dicke senkrechte Seitenwand (thinner wall) von großer Wichtigkeit.
Das Fenster besteht aus nur 150 µm starkem Beryllium um den Tracker möglichst nahe
an die Strahlachse zu bewegen, während die Seitenwand direkt aus der sonst 2 mm dicken
Metallwand des RP herausgefräst wird. Zwei dieser dargestellten Gehäuse (siehe Abb. 4.2)
werden punktsymmetrisch zur Strahlachse in einer RP Einheit untergebracht [7].

sern werden in einzelnen Ebenen von 64 Stück angeordnet. Jede dieser Ebenen wird
als Bündel mit Hilfe eines Steckers mit 8 ×8 Steckplätzen am Aluminiumrahmen va-
kuumdicht befestigt. Jedem dieser Stecker innerhalb des Pots ist genau ein MAPMT,
der dann positionssensitiv die 64 Kanäle einer Ebene auslesen kann, zugeordnet.

4.2 Der Tracker aus szintillierenden Fasern
Abbildung 4.6 zeigt den Bereich eines RP, dessen Konstruktion von der ATLAS
Gruppe der JLU Gießen übernommen wurde. Nach dem Bestücken und der Monta-
ge der Module, sowie der Positionierung der Faserstecker auf dem Rahmen kann ein
einzelner Detektor mit der dazugehörigen FE in einen RP am CERN eingebaut wer-
den. Insgesamt acht dieser Pots sollen produziert und bestückt werden, und können
dann mit mechanischen Rahmen für eine RP Station während eines maintenance
shut down am LHC installiert werden.
Szintilliernde Fasern eignen sich besonders zur Detektion ionisierender Teilchen-
strahlen, denn sie besitzen eine relativ hohe Strahlungsresistenz und geringe Dich-
te. Außerdem sind sie mechanisch flexibel und können so auch in kompakten De-
tektorsystemen benutzt werden. Szintillierende Fasern bestehen aus einem inneren
Polystyrolkern, in dem durch Ionisation Hüllenelektronen angeregt werden, welche
dann unter Aussendung von Szintillationsstrahlung wieder in den Grundzustand
zurückgehen. Damit diese Szintillationslicht nicht wieder durch Absorption verloren

Bau eines Luminositätsdetektors.
4.2. DER TRACKER AUS SZINTILLIERENDEN FASERN                                                31

Abbildung 4.4: Eine RP Station besteht aus zwei einzelnen Pots (links), die von oben
und unten an die Strahlachse herangefahren werden können, der sensitive Teil eines RP
(4) befindet sich im schwarz markierten Innenraum zwischen dem unteren Be-Fenster
und der dünneren Seitenwand.Rechts ist der Aufbau eines einzelnen Detektors skizziert.
Außerhalb des Sekundärvakuums befinden sich die Auslese PMT mit FE (1), ersteres wird
nach oben abgeschlossen von einem Aluminumrahmen (2), an welchem auch der eigentliche
Tracker (3) mechanisch befestigt ist. Der Pfeil deutet die endgültige Position der Einzelteile
innerhalb des RP an.[14]

geht, wird das Polystyrol mit einer geringen Menge an WLS1 dotiert. Diese absor-
bieren das Szintillationslicht und emittieren es außerhalb des Absorptionsbereiches
des Szintillatormaterials. Desweiteren werden die Wellenlängen in den sichtbaren
Bereich verschoben und können somit von gebräuchlichen Photomultiplieren detek-
tiert werden [15]. Der Polystyrolkern ist von einer Ummantelung2 umgeben. Dort
wird bei Überschreiten des Grenzwinkel das Szintillationslicht durch Totalreflexion
wieder in den Kern geleitet. Dasselbe Prinzip läßt sich auch mit Mehrfachummante-
lung (siehe Abb. 4.7) umsetzten. Hierbei wird die Lichtausbeute erhöht, allerdings
auch die numerische Apertur beim Ankoppeln an den Photomultiplier. Dies würde
zu erhöhtem optischen crosstalk führen. Idealerweise löst ein durch ALFA fliegendes
Teilchen ein Lichtsignal in genau einer Faser in jeder der 20 Ebenen aus. Kennt
man nun den Verlauf einer Faser, am besten als Geradengleichung mx + n = y, so

   1
       wave length shifter, ebenfalls aus organischem Material
   2
       Polymethylmethacrylate, PMMA

                                                                      Sascha Hoffmann, 2008
32                                          KAPITEL 4. DER ALFA DETEKTOR

Abbildung 4.5: Skizze der von einem ALFA-RP für verwendeten U-V Geometrie. An die
in der Mitte verlaufende Strahlachse werden szintillierende Fasern symmetrisch von oben
und unten bis zu 1.5 mm herangefahren. Der sensitive Bereich des Detektors wird durch
die überlappenden Flächen je einer U und V Lage definiert. [7]

ist der Teilchenort in einer Koordinate bestimmt. Fügt man nun noch eine weitere
Gerade hinzu (in diesem Fall im rechten Winkel zur ersteren) so läßt sich daraus
mit einer zweiten Gleichung die Position des Protons in x und y errechnen. Diese
hier verwendete Geometrie wird gerne als U - V Anordnung bezeichnet, wobei es
sich um eine Auslenkung von ±45◦ gegenüber der y-Achse handelt.

Die für ALFA verwendeten szintillierenden Fasern haben einen quadratischen Quer-
schnitt mit einer Seitenlänge von 500 µm. Es handelt sich um Fasern3 , die über eine
Einfachummantelung verfügen, welche durch Totalreflexion das enstehende Licht bis
zur Auslese an den MAPMT leitet. Auf Grund der 45◦ Anordnung ergäbe sich für
die räumliche Auflösung σx,y = 500√µm
                                      2
                                        . Die Aufweitung des Strahles beträgt mit
                                     4
parallel to point focus und high beta etwa 130 µm. Um deutlich unter diesem Wert
zu bleiben, werden die Fasern in 10 Ebenen hintereinander und, viel wichtiger, in
x-Richtung
         √ räumlich versetzt angeordnet. Dieses staggering erfolgt in Vielfachen von
50 µm · 2 = 70.7 µm Durch dieses ebenenweise Überlappen erhöht sich das idea-
le Auflösungsvermögen des Detektors auf 14, 4 µm [19]. In diese Betrachtung sind
noch nicht die Ummantelung der Fasern von etwa 10 µm, etwaige geometrische Ab-
     3
         Kuraray SCSF − 78
     4 ∗
         β > 2600 m, β > 70 m

Bau eines Luminositätsdetektors.
4.2. DER TRACKER AUS SZINTILLIERENDEN FASERN                                            33

Abbildung 4.6: Schematische Darstellung des in einem RP eingebauten Spurdetektors.
Abgebildet sind der Rahmen (1) zur Aufnahme der MAPMT und FE , der Aluminium-
rahmen (2) zur Faserdurchführung mit der 5 x 5 quadratischen Anordnung für die Faser-
stecker, der support arm (3) an dem die Detektormodule angebracht werden und welcher
die zentrale Position auf dem Rahmen einnimmt, der Tracker aus 10 einzelnen Modulen
mit je zwei Ebenen (4), hier ist die aktive Fläche pink dargestellt, der Trigger (5) für
dessen Fasern auf dem Aluminiumrahmen die Position links vorne (im Gegensatz zu den
restlichen Steckplätzen grau gefärbt) reserviert ist und schließlich die 3 Module des OD
(6). Der Faserverlauf ist bei allen Modulen aus Übersichtlichkeitsgründen nur angedeutet.

Abbildung 4.7: Skizzierter Verlauf der Strahlen von Szintillationslicht innerhalb einer
Faser mit Doppelummantelung [16].

weichungen oder Streueffekte innerhalb des Detektors eingegangen. Das verwendete
Szintillationsmaterial ist Polystyrol und hat einem Brechungsidex von n = 1, 59.
Die Ummantelung differiert für n je nach Querschnittsfläche, bei kreisrunden Fa-
sern mit einer Dopppelummantelung beträgt er etwa 1,42 und bei quadratischen

                                                                   Sascha Hoffmann, 2008
34                                           KAPITEL 4. DER ALFA DETEKTOR

Abbildung 4.8: Skizze eines einzelnen Tracker Moduls mit U-V Design zweier Ebenen
aus jeweils 64 Fasern, idealerweise unter einem Winkel von ±45 Grad [17]. Alle Längen-
angaben sind in mm. Zu erkennen ist der sensitive Kreuzungsbereich in der Mitte und
der prinzipielle Verlauf der Faserebenen. Die Fasern werden an der dem Strahl zugewand-
ten Seite auf einer Fläche von (2 × 28)mm2 über das Substrate hinausragen. Dies dient
der Gewährleistung der beschriebenen edge sensitivity und ist eine der Herausforderungen
bei der Herstellung der Module [18]. Die exakte Geometrie des später verwendeten Titan
Substrates findet sich in Abbildung 16.

nur 1,49. Die dort auftretende Totalreflexion führt zu einer erhöhten Lichtausbeute,
die bei 5, 4 % bzw. 4, 2 % liegt. Zu beachten ist hierbei allerdings auch noch, das
quadratische Fasern eine um π4 höhere Weglänge besitzen und somit den Lichtver-
lust durch geringere Totalreflexion kompensieren können. Im Falle eines ALFA RP

Bau eines Luminositätsdetektors.
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