Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität

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Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
                                                       1

Technologisch souverän
die Z
    ­ ukunft gestalten
BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
Inhalt                                                                                                                                                                                    1

Inhalt
1.         Einleitung: Warum technologische Souveränität für uns wichtig ist                                                                                                       2
2. Leitlinien: Was technologische Souveränität bedeutet                                                                                                                            3
2.1.       Technologische Souveränität erfordert gezielte Investitionen in Schlüsseltechnologien.......................... 3
2.2.       Technologische Souveränität braucht europäische und internationale Zusammenarbeit.......................... 4
2.3.       Technologische Souveränität erfordert einen ganzheitlichen Politikansatz.................................................. 5

3. Leitinitiativen: Wo wir technologische Souveränität erreichen wollen                                                                                                            8
3.1.       Elektronik der nächsten Generation....................................................................................................................... 9
3.2.       Zurück an die Weltspitze der Kommunikation................................................................................................... 11
3.3.       Software und Künstliche Intelligenz souverän entwickeln............................................................................. 12
3.4.       Datentechnologien – für die souveräne Datenökonomie und -gesellschaft ............................................... 14
3.5.       Ein Quantencomputer „Made in Europe“............................................................................................................ 15
3.6.       Die Zukunft der Wertschöpfung technologisch souverän mitgestalten....................................................... 16
3.7.       Kreislaufwirtschaft: Neue Technologien für mehr Ressourceneffizienz und Rohstoffsicherheit............ 18
3.8.       Materialinnovationen: Basis für Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand ......................... 19
3.9.       Batterieforschung – Eine Innovationspipeline für die Rückkehr an die Weltspitze................................... 21
3.10.      Grüner Wasserstoff – Deutschland zum Leitmarkt und weltweiten Leitanbieter machen....................... 22
3.11.      Souveränität in der Impfstoff-Forschung und -Entwicklung ......................................................................... 23
3.12.      Etablierung neuer und starker Partnerschaften für Deutschland und Europa............................................ 24

4. Ausblick: Der weitere Weg                                                                                                                                                 26
Impressum............................................................................................................................................................................. 27
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
2                                                                       TECHNOLOGISCH SOUVERÄN DIE ZUKUNFT GESTALTEN

1. Einleitung: Warum technologische Souveränität für
   uns wichtig ist
Technologien sind eine wichtige Grundlage unseres                 Der Erhalt und Ausbau von technologischer ­Souveränität
Wohlstands. Sie ermöglichen Innovationen, sichern                 ist essentiell für die Zukunftsfähigkeit unseres
Wettbewerbs­fähigkeit und Beschäftigung und ­leisten              ­Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells. Für die interna­
einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung globaler                   tionale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und euro­
Herausforderungen, wie dem sich beschleunigenden                   päischen ­Wirtschaft, die Vorsorgeaufgaben des Staates
Klimawandel oder der aktuellen Covid-19-Pandemie.                  und die Resilienz von Wirtschaft und ­Gesellschaft
Derzeit verschärft sich der ­internationale Technologie-           bildet die souveräne ­Entwicklung und Anwendung
wettbewerb zunehmend. Regionen wie China, Indien                   von ­Schlüsseltechnologien eine wichtige ­Grundlage.
oder Lateinamerika streben ­wirtschaftlich und politisch           Diese sind auch erforderlich, um ­Veränderungen
nach einer stärkeren Rolle im Weltgeschehen – und                  wie die ­Digitalisierung oder die ­Umstellung auf eine
sehen Technologien als den Schlüssel dazu. Etablierte              ­nachhaltigere, ressourcen- und ­klimaschonende
Nationen wie die USA verteidigen ihre Position. Der                 Wirtschafts- und Lebensweise im Sinne unserer
aktuelle Wettstreit um Mikrochips ist nur ein ­Beispiel für         Werte gestalten zu können. Aspekte wie Sicherheit,
die möglichen Folgen dieser Konkurrenz.                             ­Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit oder Energie- und
                                                                     Ressourceneffizienz müssen dafür bei der ­Entwicklung
Wir müssen auch zukünftig in der Lage sein, die                      neuer Technologien und ihren ­Anwendungen
­Entwicklung und Anwendung von Schlüsseltechno­logien                ­konsequent berücksichtigt werden.
­international auf Augenhöhe und im Sinne unserer
 Werte mitzugestalten. So können wir dazu beitragen,              Dabei ist klar, dass nationale Alleingänge nicht erfolg-
 Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Wohlstand in             versprechend sind. Die Marktmacht des europäischen
 Deutschland zu sichern, ohne dabei Kompromisse zu                Binnenmarkts ist eine wichtige Voraussetzung, um für
 Lasten unserer Werte wie ­Freiheit, Rechtsstaatlichkeit          innovative Ideen aus der EU einen umfassenden Zugang
 und Nachhaltigkeit zu machen. Dies ist der Kern von              zu den globalen Märkten zu sichern und Standards zu
 technologischer Souveränität. Sie ist ein wichtiger Teil der     setzen. Ein einzelner europäischer Staat kann aufgrund
 Antwort auf die Frage, wovon wir künftig leben ­wollen.          seiner relativen Größe im Vergleich zu Wirtschafts- und
 Nur eine überzeugende Antwort hierauf ermöglicht uns             Innovationsräumen wie den USA oder China keine
 auch eine souveräne Entscheidung darüber, wie wir leben          global wirksamen ­Impulse geben. Innerhalb der EU ist
 wollen. Die Beantwortung der Frage nach dem „Wovon“              Deutschland als wirtschafts- und innovationsstärkstes

                                   „
 und nach dem „Wie“ wir künftig leben wollen, sind zwei           Land ein zentraler Treiber für Innovationen.
 Seiten derselben Medaille.

                                           Nur wenn wir technologisch souverän sind, ­halten wir die Wert­schöpfung und Arbeitsplätze

                                                                                                                              “
                                           in unseren Breiten und können auch unsere hohen Standards der Sicherheit und des
                                           ­Persönlichkeitsschutzes wahren. Wir haben es selbst in der Hand, die technologische
                                            Souveränität der Europäischen Union in diesem Jahrzehnt ­spürbar auszubauen, um auch
                                            künftig ­unsere ­europäische Lebensweise selbst­bestimmt ­erhalten und gestalten zu können.

                                           Anja Karliczek
                                           Mitglied des Deutschen Bundestages
                                           Bundesministerin für Bildung und Forschung
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
Leitlinien: Was technologische Souveränität bedeutet                                                                    3

Das BMBF versteht sich als Taktgeber zur Stärkung der         und Innova­tionsstrategie der Bundesregierung, welche
technologischen Souveränität Deutschlands und Euro-           diesen Ansatz mit Nachdruck verfolgt. Im vorliegenden
pas. Denn das Fundament von technologischer Souverä-          Impulspapier stellt das BMBF Leitlinien für die Stärkung
nität liegt in unseren Kompetenzen, in der ­Erforschung       von technologischer Souveränität durch Bildungs- und
neuer Technologien, im ­Technologietransfer und in            Forschungspolitik zur Diskussion und zeigt anhand
der Anwendung, die das BMBF maßgeblich fördert.               ­verschiedener konkreter ­Handlungsfelder beispielhaft
Die Technologieförderung ist dabei eingebettet in eine         auf, wo in den nächsten Jahren weitere Fortschritte
ganzheitliche Innovationspolitik: ­Technologische und          ­erreicht werden sollten. Das Papier basiert dabei auch
Soziale Innovationen werden zusammen vorange­trieben            auf Diskussionen mit zentralen Stakeholdern aus
und gehen dabei Hand in Hand mit ­Investitionen in Aus-         Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Wir
und Weiterbildung, um die Menschen auf ­anstehende              werden diesen Diskussionsprozess in den nächsten
Veränderungen vorzubereiten. Die Förderung technolo-            Monaten fortsetzen und unsere Programmatik für die
gischer Souveränität leistet damit einen wichtigen              Stärkung von technologischer Souveränität sukzessive
Beitrag zur Hightech-Strategie 2025, der Forschungs-            ­weiterentwickeln.

2. Leitlinien: Was technologische Souveränität bedeutet
Unter technologischer Souveränität versteht das BMBF          2.1. Technologische Souveränität erfordert gezielte
den Anspruch und die Fähigkeit zur k   ­ ooperativen               Investitionen in Schlüsseltechnologien
­(Mit-)­Gestaltung von Schlüsseltechnologien und techno­
logiebasierten Innovationen. Dies umfasst die Fähig­          Technologische Entwicklungen, die heute und ­künftig
keiten, ­Anforderungen an Technologien, Produkte und          eine Schlüsselfunktion für die wirtschaftliche und
Dienstleistungen entsprechend der eigenen Werte zu            ­gesellschaftliche Entwicklung haben, müssen ­verstärkt
formulieren, Schlüsseltechnolo­gien entsprechend dieser        staatlich unterstützt werden. Dabei geht es nicht darum,
Anforderungen (weiter) zu entwickeln und herzu­stellen         eine weltweit führende Position auf allen Technologie­
sowie Standards auf den ­globalen ­Märkten mitzube-            feldern zu erreichen. Die Einbindung in globale
stimmen. Technologische Souveränität kann dabei                ­Wissens- und Innovationsnetzwerke und Lieferketten
auch erfordern, Schlüsseltechno­logien und technologie­         bleibt ein wichtiger Faktor, von dem Deutschland
basierte Innovationen in Europa eigenständig zu                 weiter ­profitieren soll. Zudem begrenzen zunehmend
­entwickeln und hierfür eigene Produktionskapa­zitäten          ­komplexere Innovations-prozesse die Möglichkeiten
 aufzubauen, wenn dies zum Erhalt der staatlichen                eines einzelnen Staates. Erforderlich ist daher eine kluge
 Handlungsfähigkeit oder zur Vermeidung einseitiger              Auswahl der relevanten Technologien basierend auf
 ­Abhängigkeiten notwendig ist. Dies stellt die offenen          einer Diskussion der Fragen, welche Technologien heute
  weltweiten Wirtschafts- und Wissenschaftsbeziehungen           und in ­Zukunft eine Schlüsselfunktion haben und unter
  ­Deutschlands nicht in Frage. Arbeitsteilung, ­Vernetzung      welchen Voraussetzungen der Staat die Technologie­
   und multilaterale Kooperation sind zentrale Bausteine         entwicklung unterstützen sollte.
   für die Fähigkeit Deutschlands und Europas, globale Ent­
   wicklungen nach eigenen Vorstellungen und ­Interessen
   mitzugestalten. Im Folgenden werden Leitlinien der
   Bildungs- und Forschungspolitik für den Erhalt und
   Ausbau von technologischer Souveränität dargelegt.
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
4                                                                   TECHNOLOGISCH SOUVERÄN DIE ZUKUNFT GESTALTEN

Herangezogen werden sollten hierfür verschiedene               Wissen und Importen, da sie die wirtschaftliche oder
Kriterien:                                                     politische Handlungsfähigkeit signifikant einschränken
                                                               können.
• Schlüsseltechnologien zeichnen sich durch eine
  hohe, technologiefeld- und branchen-­übergreifende           Die Aufgabe ist dabei nicht statisch, sondern d ­ ynamisch.
  ­Anwendungsbreite und ein hohes Innovations­                 Das Portfolio an Schlüsseltechnologien und die K   ­ riterien,
   potenzial aus.                                              an denen sich die öffentliche Technologieförderung
• Sie sind eine wichtige Grundlage für die Wettbewerbs­        orientiert, müssen regelmäßig vor dem Hintergrund
  fähigkeit einer Volkswirtschaft und/oder für die             ­aktueller wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und
  ­Erfüllung ­zentraler gesellschaftlicher Bedarfe und          ­politischer Entwicklungen überprüft und Handlungs­
  damit zusammenhängender staatlicher Vorsorgeauf-               optionen neu bewertet werden.
   gaben (z. B. Gewährleistung der zivilen Sicherheit,
   Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsversorgung,
   Betrieb kritischer Infrastrukturen).                        2.2. Technologische Souveränität braucht euro­
                                                                    päische und internationale Zusammenarbeit
• Sie sind forschungsintensiv und durch einen hohen
  Bedarf an Kapital und spezifischen Fähigkeiten in
                                                               Technologische Souveränität ist abzugrenzen von
  ­Entwicklung und Anwendung gekennzeichnet.
                                                               ­Bestrebungen, Technologieführerschaft in allen
• Sie erfordern die Sicherstellung der kompletten               Schlüssel­technologien zu erreichen, Wertschöpfungsket-
  Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung              ten vollständig in Deutschland abzubilden und letztlich
  bis zur Marktreife. Als zentrale Quelle für Ideen,            die Abhängigkeit vom interna­tionalen Handel zu
  Methoden und Technologien sind eine auskömmlich               reduzieren. Gerade für Deutschland als Export­nation
  finanzierte Grundlagen­forschung sowie spezifische            sind die ­Vorteile des Freihandels ­unbestritten.
  Maßnahmen, um die dort entstehenden Potenziale                ­Tatsächlich entstehen diese Vorteile vorrangig aus der
  zu heben, wichtige Elemente.                                   stetigen Weiterentwicklung und dem freien Austausch
                                                                 von ­technologiebasierten Innovationen. Technologische
• Sie sind zukunftsfähig, d. h. auf Jahre hinaus ­bedeutsam.
                                                                 Souveränität erfordert daher grenzüberschreitende
  Erforderlich sind daher insbesondere ­Methoden, um
                                                                 ­Zusammenarbeit und ermöglicht sie gleichermaßen.
  neu aufkommende Technologiefelder und Wertschöp-
  fungsmodelle frühzeitig zu identifi­zieren und
                                                               Erforderlich sind dafür Kompetenzen, ­Expertisen und
  aufzugreifen sowie die kontinuierliche Beobachtung
                                                               Marktpositionen für eine internationale Zusammen-
  internationaler Trends. Die Daten- und Plattform-
                                                               arbeit auf ­Augenhöhe, ohne substantielle Macht- und
  ökonomie sowie klima- und ressourcenschonende
                                                               Informationsasymmetrien. Beispielsweise müssen
  Technologien sind hier bedeutende ­Beispiele.
                                                               importierte ­Komponenten auf die Erfüllung der eigenen,
Weitere Kriterien werden u. a. in der Außenwirtschafts­        wertegetriebenen und sicherheitsgewährleistenden
verordnung und der EU-Screening-Verordnung                     Anforderungen geprüft und in ­komplexe Systeme
­aufgeführt. Die Kriterien sind dabei nicht immer komple-      integriert werden können. Ein gutes Beispiel ist die
mentär zueinander und müssen insofern ausbalanciert            Elektronik, in der Asien ein wichtiger ­Anbieter ist.
 und ­gegeneinander abgewogen werden. Zudem müssen             Zudem erfordern zunehmend komplexer werdende
 stets die Fähigkeiten des Marktes und privatwirtschaft-       Technologien und Innovationprozesse sowie ­globale
 licher Akteure in den ­betroffenen Technologiefeldern         ­Herausforderungen wie der Klimawandel die Zusam-
 bewertet werden, um zu entscheiden, inwiefern der             menarbeit über Ländergrenzen hinweg. Hierbei nehmen
 Staat aktiv werden sollte. Dies kann beispielsweise die        die ­Forschungsinfrastrukturen eine Vorreiterrolle ein:
 gezielte Kooperation mit Unternehmen erfordern, um             Als Ermöglichungsinstrumente für die Beantwortung
 neue Märkte zu entwickeln, Nachteile in Bereichen mit          grundlegender Fragestellungen sind sie zugleich Antrieb
 hohen Netzwerk- oder Skaleneffekten zu überwinden              und Werkzeug in der Entwicklung neuer ­Technologien.
 oder Innovations­ökosysteme aufzubauen. ­Vermieden             Die Kollaboration in etablierten internationalen
 werden sollten zudem einseitige Abhängigkeiten                 ­Netzwerken ist dabei selbstverständlich und bei großen
 Deutschlands bzw. Europas von außereuropäischem                 Forschungsinfrastrukturen die Regel.
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
Leitlinien: Was technologische Souveränität bedeutet                                                                       5

Internationale Zusammenarbeit kann zum Abbau von                Foresight-­Ergebnissen, um gemeinsame Interessenslagen
Informationsasymmetrien und zur Etablierung einer               für Technologiefelder der Zukunft zu identifizieren, sind
­Kooperation auf Augenhöhe beitragen. Dies gilt vor             ein wichtiger ­Baustein, um ein technologisch souveränes
 allem für die Kooperation mit Ländern, mit denen               Europa zu fördern.
 ­Deutschland eine Wertepartnerschaft verbindet.
  ­Grundlagen sind die Freiheit und Selbstorganisation
   der Wissenschaft und sichere und transparente Rahmen-        2.3. Technologische Souveränität erfordert einen
   bedingungen. Multilaterale Organisationen und Foren               ganzheitlichen Politikansatz
   bilden einen ­übergeordneten ­Austausch-, ­Orientierungs-
   und Regulierungsrahmen. Bilaterale Abkommen zur              Bildung und Forschung sind unverzichtbar, um techno­
   Wissenschaftlich-­Technologischen Zusammenarbeit             logische Souveränität zu erhalten und auszubauen.
   (WTZ) und bilaterale WTZ-Sitzungen führen zur Konkre­        Not­wendig ist hierfür ein integrierter Politikansatz, der
   tisierung und Identifizierung von ­Technologie- und          die verschiedenen Stufen der Innovationskette und die
   Themenfeldern, die gemeinsam gefördert werden sollen.        v­erschiedenen Akteure im Innovationsprozess
   Durch den länderübergreifenden ­Dialog von Unterneh-         ­ganzheitlich betrachtet.
   men, Akteuren der Wissenschaft und der Forschungs­
   organisationen in gemeinsamen Projekten, ­Workshops          Durch Wissenschaft und Forschung entwickeln sich nicht
   und Veranstaltungen entstehen neue Wissensströme und         nur bestehende Technologien ­kontinuierlich ­weiter,
   verzweigte Innovationsnetzwerke. Ziel ist die E
                                                 ­ tablierung   ­sondern entstehen auch neue und ­disruptive Technolo­
   von nachhaltigen Kooperationsbeziehungen und                  gien sowie das Basiswissen für die ­übernächsten
   Wertepartnerschaften. Auf diese Weise weiten sich für         Technologien. So war Deutschland im ­vergangenen
   deutsche Akteure Mitwirkungs- und Gestaltungsräume.           Jahrhundert in der Produktion ­hochqualitativer
                                                                 Unterhaltungs­elektronik und ­Consumeroptik ­führend,
Internationale Partnerschaften müssen dabei auf ein              bis Halbleitertechnologien aus den USA und Asien einen
vorher für die jeweilige Schlüsseltechnologie ­definiertes       grundlegenden Wandel ­einleiteten. Heute ­versprechen
­innovations- und industriepolitikstrategisches ­Leitbild        Künstliche Intelligenz und Quantentechno­logien neue
 einzahlen. Kooperationspartnerschaften sind so zu               Möglichkeiten für Sensorik, ­Kommunikation oder
 ­wählen und ­anzulegen, dass die Interessen deutscher           ­Datenanalytik. Die Grundlagenforschung in ­Deutschland
  und europäischer Akteure bestmöglich zum Tragen                 ist in ­diesen Bereichen bereits sehr ­aktiv. Techno­logische
  kommen. ­Insbesondere ein nachteiliger Wissensabfluss,          Souveränität erfordert dabei, die Technologie­pipeline
  der die technologische Souveränität Deutschlands bzw.           kontinuier­lich gefüllt zu halten, neue Erkenntnisse in
  Europas etwa durch die ­Preisgabe von strategisch               der Grundlagenforschung zu gewinnen, frühzeitig
  relevanten Wissen bzw. Kompetenzen schwächt, ist zu             aufzugreifen und in Richtung Anwendung weiterzu­
  vermeiden.                                                      entwickeln. Dabei ist permanente Weiterentwicklung
                                                                  exzellenter Grundlagenforschung und die Gewährleis-
Von zentraler Bedeutung für die technologische                    tung ihrer ­wissenschaftlichen ­Handlungsfähigkeit
Souverä­nität ist zudem der Europäische Binnenmarkt,              essentiell. ­Zudem kommt es aufgrund der ­zunehmenden
­damit die technologieorientierte Wirtschaft Europas im           ­Komplexität von Forschungs- und
 internationalen Vergleich eine kritische Masse ­erreicht.         ­Entwicklungsprozessen gerade auf disziplin-, akteurs-
 Die ­Schaffung eines europäischen Forschungs- und                  und länderübergreifende Zusammenarbeit an.
 Wirtschaftsraums ist der Schlüssel, um die EU in
 Konkurrenz mit den USA und China wettbewerbsfähig              Erst durch den Transfer von Technologien in die ­breite
 zu halten. Dabei können sich Deutschland und Europa            Anwendung werden deren Potenziale für Wertschöpfung,
 insbesondere dann schnell und erfolgreich entwickeln,          Wettbewerbsfähigkeit und bessere Lebensumstände von
 wenn sich nationale und europäische Strategien                 Bürgerinnen und Bürger realisiert und die zuvor
 ergänzen. Die Zusammenarbeit im ­Europäischen                  ­formulierten Anforderungen zur Geltung gebracht.
 Forschungsrahmenprogramm bietet hierfür eine                    Technologische Souveränität erfordert daher, den
 verlässliche Basis. Die unter der deutschen                     ­Transfer von Ideen aus der Wissenschaft in ­Innovationen
 ­Ratspräsidentschaft 2020 angestoßene Dynamisierung              zu befördern, die Entstehung neuer G
                                                                                                     ­ eschäftsmodelle
  des EFR und eines systema­tischen Austausches zu                und neuer Unternehmen ­voranzutreiben und die
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
6                                                                   TECHNOLOGISCH SOUVERÄN DIE ZUKUNFT GESTALTEN

­ iffusion von Technologien in die Breite zu u
D                                             ­ nterstützen.   der Standardisierungsplattform für 5G, „5G ACIA“.
Die Unterstützung von innovations­fördernden                   Daneben werden Standards häufig durch den Erfolg im
­Strukturen, regionalen Innovationsnetzwerken (Clus-           Marktwettbewerb mitbestimmt. Hierfür ist die Markt-
 tern), technologie­orientierten Unternehmens­                 macht von Unternehmen sowie ­Konsumentinnen und
 gründungen ­sowie von Forschung und Entwicklung in            Konsumenten entscheidend. Große Wirtschafts- und
 der ­Wirtschaft, insbesondere in kleinen und mittleren        Innovationsräume, wie Nordamerika, Asien oder
 ­Unternehmen (KMU) sowie größeren Mittelständlern             Europa, sind dabei im Vorteil. Deutschland ist auch
  („Hidden Champions“) sind dafür zentrale Elemente.           ­deshalb auf die europäische Zusammenarbeit angewie-
  ­Insgesamt ist zukünftig noch stärker darauf zu achten,       sen. ­Bestehende Standards wie GSM oder MPEG-4
   dass innovative Unternehmen in Deutschland und               ­zeigen, wie aus der Forschung in Deutschland und
   Europa entstehen, wachsen und langfristig erhalten            ­Europa ­heraus globale Standards entstehen können.
   bleiben.
                                                               Kompetenzen sind zentrale Bausteine auf allen ­Ebenen
Der Transfer von Forschungsergebnissen gelingt                 technologischer Souveränität: Die ­zunehmende
erfahrungs­gemäß dort, wo er von Innovationsöko­               Bedeu­tung und Komplexität von Forschung und
systemen aus ­Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und            Entwick­lung erfordern eine steigende Zahl an adäquat
Gesellschaft getragen wird, die auch in der Standard­          ­ausgebildeten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
setzung Schlagkraft ­entfalten. Technologische Souverä­        lern. Auch der erfolgreiche Technologietransfer setzt
nität erfordert, solche Ökosysteme aufzubauen, mit             eine ausreichende Anzahl gut ausgebildeter Fachkräfte
notwendigen Infrastrukturen auszustatten, national,             ­voraus, die neue Technologien an die Erfordernisse von
europäisch und international zu vernetzen, langfristig           Anwendungs­feldern und die ­Bedürfnisse von
zu betreiben und stetig weiterzuentwickeln. Aktuell              ­Anwendern ­anpassen können und in der Lage sind, sich
stehen insbesondere der Aufbau von Ökosystemen für                stetig an ­technologische Weiterentwick­lungen
die Erfassung, Verknüpfung, Auswertung und den                    ­anzupassen. Und nicht zuletzt benötigen auch Bürger­
Austausch von Daten und die dafür benötigten Techno-               innen und ­Bürger die Kompetenzen, souverän mit
logien (z. B. GAIA-X, Nationale Forschungsdateninfra-              neuen Technolo­gien umgehen, deren Vorteile nutzen
struktur, Gauss Centre for Supercomputing, Nationales              und Risiken a­ bschätzen zu können. Hierzu gehört auch
Hochleistungsrechnen an Hochschulen, Pilotnetz                     die ­Vermittlung von Zukunftskompetenz, im Sinne einer
Quantenkommunikation, ­Aktionsplan ErUM-Data zur                   „future ­literacy“: Die Fähigkeit, sich mit zukünftigen
Digitalisierung in der Grundlagenforschung) sowie für              ­Entwicklungen auseinanderzusetzen und diese mitzu-
die Entwicklung und den Transfer neuer Technologien                 gestalten. ­Dabei schläft die internationale Konkurrenz
(z. B. Forschungsfertigung Batteriezelle, Innovations­              nicht: In ­Ländern wie China verlassen jährlich über eine
labor Logistik) im Vordergrund.                                     ­Million Ingenieu­rinnen und Ingenieure die
                                                                     ­Hochschulen, während bei uns die ­Lücke zwischen
Standards spielen eine wesentliche Rolle für technolo­                offenen Stellen und Bewerbern in den MINT-Berufen
gische Souveränität. Wo sie fehlen, ­entstehen ­Friktionen            stetig wächst. Die Nachwuchs­ausbildung und der Ausbau
und Kosten oder es wird nur eine Nische ­bedient.                     von Forschungs-, ­Transfer- und Anwendungskompeten-
Standardisierungsfragen müssen einerseits entwick-                    zen ist daher eine zentrale Aufgabe für technolo­gische
lungsbegleitend im ­Forschungsprozess verankert sein.                 ­Souveränität. Neben einem guten Aus- und
Beispiele hierfür sind das Referenzarchitekturmodell für               ­Weiterbildungssystem kommt es dabei auch auf
die ­Industrie 4.0 (RAMI 4.0) und das darauf aufbauende                 ­maßgeschneiderte I­ nitiativen an, um den Fachkräfte­
Betriebssystem BaSys für das Internet der Dinge, die im                  bedarf in konkreten ­Technologie- und
Industrial Data Space ­entwickelte Referenz­architektur                  ­Anwendungsfeldern und auch im
für den Datenaustausch sowie das Nationale Referenz-                      ­technologiegetriebenen Strukturwandel decken zu
projekt zur IT-­Sicherheit in ­Industrie 4.0 (IUNO). Zudem                 können. Daneben müssen auch die Rahmenbedingungen
ist die Mitarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft in                       für die G
                                                                                   ­ ewinnung exzellenter Wissenschaftlerinnen und
internationalen Normungs- und Standardisierungs­                           Wissenschaftler aus dem Ausland sowie internationaler
initiativen unabdingbar. Forschungsförderung kann                          Nachwuchskräfte für ein Studium in Deutschland
hier zur notwendigen ­Vernetzung der ­relevanten                           ­geschaffen werden.
­Akteure beitragen, wie zum Beispiel bei der ­Formierung
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
Leitlinien: Was technologische Souveränität bedeutet                                                                           7

Technologieentwicklung muss durch geeignete                     und Bürger. Methoden solcher Partizipation sind
­rechtliche Rahmenbedingungen flankiert werden. Ein             beispielsweise Co-Creation und Citizen Science. Hierbei
 ­innovations- und investitionsoffenes ­Ordnungsrecht,          sollten u. a. auch ethische, rechtliche und soziale Aspekte
  welches zukunftsweisende Anwendungen und                      frühzeitig berücksichtigt werden.
  ­Geschäftsmodelle frühzeitig in Praxis und Gesellschaft
   bringt, ist daher ein zentraler Erfolgsfaktor für den        In allen Fällen ist eine gute ­Balance ­zwischen themen­
   ­Erhalt und den Ausbau ­technologischer Souverä­nität.       spezifischen und themenoffenen ­Ansätzen ­erforderlich.
    ­Forschungs- und ­Experimentierklauseln ­können gerade      Einerseits müssen gezielt Themen ­vorangetrieben
     in eng regulierten ­Bereichen wie dem Energie­             ­werden, die vom Markt nicht a­ däquat ­angegangen
     wirtschaftsrecht wichtige Impulse ­geben. Das Ord-          ­werden, etwa aufgrund von ­Netzwerk- oder ­Lock-in-
nungsrecht setzt zugleich den Rahmen für die                     ­Effekten, oder bei denen eine w      ­ erteorientierte ­Steuerung
     ­Technologieentwicklung. Normen müssen in diesem             ­gesellschaftlich ­gewünscht ist. ­Andererseits hat die
      Sinne die Entstehung und Verbreitung von                    Bildungs- und Forschungs­politik auch die ­Aufgabe, Rah-
      ­Innovationen ­entlang zentraler verfassungsrechtlicher     menbedingungen zu ­schaffen, um die in der Gesell-
       Wertentschei­dungen gewährleisten und ermöglichen.       schaft vorhandenen Innovationspotenziale möglichst
       So zeigt das neue ­europäische Datenschutzrecht, dass      umfassend zu ­erschließen und neu aufkommenden
       die EU rechtliche Standards setzen kann, die global        Themenfeldern und Ansätzen den ­nötigen Raum zu
       Beachtung finden. Dadurch kann Produkten und               geben. Hierfür ist insbesondere eine ­auskömmliche
       ­Dienstleistungen aus Deutschland und Europa, die die      Grundfinanzierung für Forschung und Entwicklung
        Vorgaben der Datenschutzgrund­verordnung (DSGVO)          notwendig, insbesondere im Bereich der
        auf innovative Weise erfüllen, der Zugang zu anderen      ­Grundlagenforschung. Hierzu trägt das BMBF gemein-
        Märkten erheblich erleichtert werden. Der Green Deal    sam mit den Ländern im Rahmen der GWK maßgeblich
        der Europä­ischen Kommission stellt bereits jetzt die   mit der Unterstützung der DFG, der Hochschulen und
        Weichen für nachhaltige Entwicklung als Treiber von     der außeruniversitären Forschungseinrichtungen bei.
        Wertschöpfung und Innovationspotenzialen in Europa.        Darüber hinaus bedarf es ­gezielter Maßnahmen, um die
                                                                   Potenziale aus der Grundlagenforschung noch systema-
Zentral ist dabei die systematische Einbindung der                 tischer zu heben und in Richtung ­Anwendung
Gesellschaft. Denn gesamtgesellschaftliche                         ­weiterzuführen. Das BMBF wird seine ­Förderansätze
­Anforderungen an Technologien können nur im                        hierzu zielgerichtet weiterentwickeln. Schließlich tragen
 stetigen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern                 auch themenoffene ­Querschnittsmaßnahmen zur
 formuliert ­werden. Die breite Anwendung von Techno-               ­Förderung von Innovation, Vernetzung und ­Transfer
 logien setzt ­Vertrauen sowie Wissen über gesellschaft-             nach dem Bottom-up-Prinzip zur Erschließung n          ­ euer,
 liche ­Bedarfe ­voraus, das nur durch eine frühzeitige und          insbesondere regionaler Innovationspotenziale bei.
 aktive ­Einbindung auf allen Ebenen bei der Ausgestal-              ­Aktuelle B­ eispiele hierfür sind die Zukunftscluster-­
 tung des Innovations­prozesses entsteht. Dabei profitie-             Initiative oder die ­Aktivitäten im Rahmen der
ren alle am Innovations­prozess Beteiligten von der                   ­Programmfamilie „­Innovation und Strukturwandel“.
 Expertise und dem Erfahrungs­wissen der Bürgerinnen
Technologisch souverän die Zukunft gestalten - BMBF-Impulspapier zur technologischen Souveränität
8                                                               TECHNOLOGISCH SOUVERÄN DIE ZUKUNFT GESTALTEN

3. Leitinitiativen: Wo wir technologische Souveränität
    erreichen wollen
Wir wollen in Deutschland und der Europäischen               in überwiegendem und immer höherem Maße durch
Union die technologische Souveränität stärken. Die          ihre Kombination. Diese, auch als T
                                                                                              ­ echnologiekonvergenz
Grundlage bilden dabei Schlüsseltechnologien. Als           ­bekannte Eigenschaft erfordert zunehmend eine
wichtige Grundlagen unserer heutigen Leistungsfähigkeit      technologie- und disziplinübergreifende Forschung und
haben sich z. B. ­erwiesen:                                  Entwicklung und die Kombination verschiedener
                                                             Schlüsseltechnologien in der Anwendung, passfähig
•   Informations- und Kommunikationstechnologien,            zur jeweiligen Domäne.
    insbesondere Mikroelektronik, als Hardware-Basis
    der ­digitalen Transformation, Software-Systeme,         Ansätze zur Stärkung der technologischen ­Souveränität
    die zunehmend in allen Bereiche und Disziplinen          müssen daher in Abhängigkeit vom jeweiligen
    genutzt werden sowie lernende Systeme inklusive         T­ echnologie- und Anwendungsfeld entwickelt werden.
    Künstliche Intelligenz,                                 ­Ausgangspunkt hierfür ist eine Analyse der relevanten
•   photonische Technologien und ihre aktuelle               Technologien und Komponenten, der Forschungs- und
    ­Weiterentwicklung, die Quantentechnologien              Marktposition Deutschlands und Europas im internatio-
    der 2. Generation,                                       nalen Vergleich sowie ggf. existierender Abhängigkeiten
                                                             von internationalen Partnern. Im zweiten Schritt muss
•   Materialinnovationen, als Grundlage nahezu
                                                             eine geeignete Strategie ­festgelegt werden. Mögliche
    ­aller Entwicklungen,
                                                             Ansätze sind bspw. der Ausbau bestehender Stärken, um
•   die Biotechnologie, die Erforschung, Veränderung         eine führende Position zu ­erhalten und auszubauen und
    und Nutzung von lebenden Organismen, Teilen von          die eigene Verhandlungsposition durch die Erzeu­gung
    ihnen oder von biologischen Prinzipien und               wechselseitiger Abhängigkeiten zu verbessern; das
    ­Wirkmechanismen in technischen Anwendungen,             gezielte Beheben von Schwachstellen, um Lücken in der
                                                             Innovationskette zu schließen und Abhängig­keiten zu
•   Produktionstechnologien und -verfahren, wie die
                                                             reduzieren; die Fokussierung auf das Erreichen einer
    additive Fertigung, die viele der genannten Techno-
                                                             führenden Position in der nächsten Technologie­
    logien ­integrieren und mit klassischem ingenieur-
                                                             generation (sogen. „Leapfrogging“) sowie die gezielte
    wissenschaftlichem Know-How verknüpft,
                                                             internationale Zusammenarbeit, um führende Akteure
•   Umwelttechnologien, die gezielte Anwendung               in eigene Innovationsnetzwerke einzubinden, gemein-
    verschiedener Technologien zur Reduzierung               sam notwendige Infrastrukturen aufzubauen und vom
    von ­Umweltbelastungen und als eine wichtige             wechselseitigen Wissensaustausch zu profitieren.
    Grundlage für eine Kreislaufwirtschaft,
•   Nachhaltige Energietechnologien, d. h. klimafreund-     Im Folgenden werden exemplarisch zentrale Handlungs-
    lichen, wettbewerbsfähigen und ­sozialverträglichen     felder für technologische Souveränität dargelegt und zur
    ­Lösungen zu Gewinnung, Umwandlung und                  ­Diskussion gestellt. Die Initiativen unterscheiden sich
     ­Verteilung von Energie,                                dabei in ihrem Fokus: Während einige eher auf die
                                                             Stärkung spezifischer Technologiebereiche und Techno-
•   Analysetechnologien und Messtechnik inklusive            logiepfade abstellen (z. B. in den Bereichen Elektronik,
    Optik, Detektortechnik, Ausleseelektronik z. B.          Material­innovationen oder Quantentechnologien),
    für ­die ­Materialcharakterisierung,                     fokussieren andere auf konkrete Anwendungen, die eine
                                                             Kombination ­verschiedener ­Schlüsseltechnologien
Die Liste erhebt keinen Anspruch auf ­Vollständigkeit und    erfordern (wie Wirtschaften 5.0, Kreislaufwirtschaft oder
ist stetigen Veränderungen durch neue Entwicklungen          Datentechnologien) oder auf ­übergreifende Frage­
unterworfen. Zudem entsteht ein wirtschaftlicher und         stellungen wie die europäische und internationale
gesellschaftlicher Mehrwert von Schlüsseltechnologien        ­Zusammenarbeit.
Leitinitiativen: Wo wir technologische Souveränität erreichen wollen                                               9

Darüber hinaus erheben die unten aufgeführten                   ­Sicherheit“. Das Programm trägt zur technologischen
­Handlungsfelder keinen Anspruch auf Vollständigkeit.           Souveränität in ­sicherheitskritischen Bereichen bei.
 Das BMBF ist auch in weiteren Bereichen zur Stärkung           So treibt das BMBF Forschung und Entwicklung zur
 der technologischen Souveränität aktiv:                        Gestaltung innovativer und zunehmend digita­ler
                                                                und datenbasierter Rettungs- und Sicherheitssyste-
•   Das BMBF ist federführend in der Entwicklung und            me, zum Aufbau und der Absicherung kritischer
    Umsetzung des Rahmenprogramms der Bundesre-                 Versorgungs­infrastrukturen sowie zur Sammlung,
    gierung für die IT-Sicherheitsforschung. Im ­Fokus          der Analyse und dem Austausch sicherheitskritischer
    standen bisher insbesondere die ­Stärkung der               Daten voran.
    IT-­Sicherheitsforschung in Deutschland, die
    Bündelung von Kompetenzen, insbesondere in den          •   Zusammen mit dem Landwirtschaftsministerium
    drei Kompe­tenzzentren für IT-Sicherheit ATHENE,            setzt das BMBF federführend auch die ­Nationale
    ­CISPA und KASTEL und Maßnahmen zur Grün-                   Bioökonomie­strategie der Bundesregierung um.
    dungsförderung und zur Erforschung von                      Über die Konvergenz von Biotechnologie mit
     ­Privatheit. Aktuelle Schwerpunkte liegen auf der          anderen ­Schlüsseltechnologien soll biologisches
      Post-Quanten-Kryptographie und der Quanten-               Wissen für biobasierte Innovationen genutzt und
      kommunikation. ­Zurzeit wird das neue Forschungs-         damit Deutschlands technologische ­Souveränität in
    rahmenprogramm der Bundesregierung für die                  der Entwicklung nachhaltiger Lösungen gestärkt
      Jahre 2021 bis 2026 entwickelt. ­Technologische           ­werden.
      Souveränität wird darin das zentrale Leitbild sein.   Die folgenden 12 Handlungsfelder werden in den
•   Das BMBF unterstützt den Auf- und Ausbau von            kommenden Monaten in besonderer Weise im Fokus
    Infrastrukturen für das Hoch- und Höchstleistungs-      stehen:
    rechnen, insbesondere mit dem Aufbau, Betrieb und
    der Weiterentwicklung des Gauss Centre for
    Supercomputing, der Initiative zum Nationalen           3.1. Elektronik der nächsten Generation
    Hochleistungsrechnen an Hochschulen, gemein-
    sam mit den Ländern sowie der ­Unterstützung            Als technische Basis der digitalen Transformation hat
    europäischer Aktivitäten, wie dem „Joint Underta-       Elektronik eine hohe Hebelwirkung auf die Wettbe-
    king“ EuroHPC.                                          werbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Zudem sind
                                                            Elektronikkomponenten zentral für die Verlässlichkeit,
•   Das BMBF ist federführend in der Entwicklung und        Sicherheit und Nachhaltigkeit digitaler Systeme. Ein
    Umsetzung des Rahmenprogramms der                       Ausbau der technologischen Souveränität im Bereich
    ­Bundesregierung zur „Forschung für die zivile          der Elektronik ist daher zentral.
10                                                               TECHNOLOGISCH SOUVERÄN DIE ZUKUNFT GESTALTEN

Dabei zählt Deutschland in verschiedenen ­Segmenten          der Forschungsstrukturen sowie ein neues
zur Weltspitze (Sensorik, Leistungselektronik, Spezialpro­   ­IPCEI ­Mikroelektronik an.
zessoren mittlerer Leistungsklassen, Systemintegration).
Mit der EUV-Lithografie haben deutsche und nieder­           Insbesondere wird mit den Mitteln des Konjunktur- und
ländische Unternehmen gemeinsam die Weltspitze bei           Zukunftspakets beabsichtigt, eine Forschungsfabrik
Fertigungsmaschinen für Hochleistungschips erreicht. In      Forschungs­infrastruktur) aufzubauen, um Lücken in der
anderen Segmenten bestehen jedoch kritische Abhängig­        Elektronikkompetenz für zukünftige Rechentechnolo-
keiten von außereuropäischen Importen (Prozessoren           gien wie neuromorphes Computing und Quantencom-
hoher Leistungsklassen, Speicher, Hardware für Kommu­        puting zu schließen, industrielle Anschlussfähigkeit zu
nikationsnetze). Auch Elektronik-Komponenten aus             leisten und einen einfachen Zugang für Unternehmen,
deutscher oder europäischer ­Produktion beinhalten           insbesondere auch KMU, zu Hightech-Forschungskom-
meist Fertigungsschritte in Asien oder außereuropä­ische     petenz zu ­ermöglichen. Bereits heute wird im Rahmen
Teilkomponenten. Diese Abhängig­keiten können                der Unterstützung der Kohleregionen das Projekt
Deutschlands Fähigkeit beschränken, die ­Digitalisierung     „Neuro-­inspirierte Technologien der künstlichen
und Bereiche wie Industrie 4.0, autonomes ­Fahren oder       Intelligenz für die Elektronik der Zukunft“ gefördert, um
Kommunikationstechnik selbstbestimmt zu ­gestalten.          bei forschungsintensiver Mikroelektronik den Wissens­
Technologielinien der nächsten Generation (z. B.             zuwachs und -transfer zu beschleunigen sowie den
„­More-­than-Moore“, neuromorphe Chips) eröffnen nun         Strukturwandel im Rheinischen Revier zu ­unterstützen.
einen erfolgversprechenderen Weg zur technologi­schen        Zum Einsatz kommen sollen auch neue Förderansätze,
Souveränität in der Elektronik, als ein Aufholen bei         wie sie beispielsweise im Rahmen des Pilotinnovations-
Produktklassen, in denen Schwächen bestehen. Denn            wettbewerbs „Energiesparendes KI-System“ erprobt
Anwendungstechnologien wie Künstliche Intelligenz,           werden. Durch die gezielte Einbindung von Industrie-
5G/6G oder das Internet der Dinge basieren zunehmend         partnern erhalten diese die Möglichkeit, frühzeitig neue
auf Edge ­Computing und erfordern dafür eine spezifi­        Innovationsbereiche auf dem Gebiet einer potentiell
sche, leistungsstarke, energieeffiziente und vertrauens-     disruptiven Technologie aufzubauen. Auch auf Basis
würdige Elektronik für die Datenverarbeitung vor Ort         neuer Strukturen, wie der Forschungslabore und der
und in Echtzeit. Hierfür sind auch grundlegend neue          Forschungsfabrik ­Mikroelektronik Deutschland wird
Ansätze notwendig. Deutschland und Europa haben              mit Unternehmen sukzessive die Schwerpunktbildung
aufgrund ihrer Stärken und Vorarbeiten hierfür eine          für Elektronikansätze der nächsten ­Generation voran-
gute Ausgangsposition. Zudem ist der Wettbewerb              getrieben. Großer Wert wird dabei auf ein verbindliches
aufgrund der vielfach noch niedrigen Technologie­            Engagement der Unternehmen, die ­Anbindung an
reifegrade noch offen.                                       konventionelle Fertigungsprozesse sowie Klein- bzw.
                                                             Pilotserien gelegt.
Was geplant ist: Mit dem Rahmenprogramm der Bundes­
regierung zur Mikroelektronik, dem IPCEI (Important          Bereits in der BMBF-Digitalstrategie wurde die Leit­
Project of Common European Interest) Mikroelektronik         initiative „Vertrauenswürdige Elektronik“ formuliert. Sie
sowie der Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutsch-          zielt ­darauf ab, eine standardbasierte und ­zertifizierte
land (FMD) und den Forschungslaboren ­Mikroelektronik        vertrauenswürdige Elektronik aus Deutschland
Deutschland (ForLab) wurden in den letzten Jahren            und ­Europa zu realisieren. In einem umfangreichen
wesentliche ­Anstrengungen zum Auf- und Ausbau der           Agenda­prozess unter Beteiligung des Bundesamts für
Forschungs- und Fertigungskapazitäten im Bereich der         Sicherheit in der Informationstechnik und des Bundes-
Mikroelektronik unternommen. Im Fokus stehen dabei           ministeriums des Innern, für Bau und Heimat wurden
auch Elektronikansätze der nächsten Generation sowie         hierzu zentrale Forschungsthemen und Ansatzpunkte
technologieübergreifende Gesamtlösungen bis zu einem         herausgearbeitet. So soll mit der Maßnahme „ZEUS“ die
hohen technischen Reifegrad aus einer Hand für Partner       Erforschung von Konzepten und Lösungen für den Ent-
in Wirtschaft und Wissenschaft. Für die ­kommenden           wurf, die Herstellung sowie die Prüfung von Elektronik­
Jahre wurde das neue Rahmenprogramm für F    ­ orschung      komponenten und -systemen mit einem hohen Maß
und Innovation 2021–2024: „­Mikroelektronik. Vertrauens­     an ­Vertrauenswürdigkeit vorangetrieben werden. Der
würdig und nachhaltig. Für Deutschland und ­Europa.“         ­zweite Förderschwerpunkt ZUSE zielt auf Spezial­
beschlossen. Dieses strebt auch einen ­weiteren ­Ausbau       prozessoren für Edge- und KI-Anwendungen. Auch die
Leitinitiativen: Wo wir technologische Souveränität erreichen wollen                                               11

EU will im Rahmen von Horizont Europa die digitale            dass die Rechenzentren in Deutschland oder Europa
Souveränität in der Mikroelektronik signifikant stärken,      ­ eheimatet sein ­müssen. Die Integration der Quanten-
                                                              b
insbeson­dere mit der Europäischen Prozessorinitiative        kommunikation ermöglicht neue Dimensionen bei
(EPI). Weitere Forschungsschwerpunkte, insbesondere           der ­Sicherheit, Resilienz und Leistungs­fähigkeit der
an den Schnittstellen verschiedener Technologien, sollen      Netze. Um diese Potenziale zu heben, ist ein holistischer
­sukzessive angegangen werden. Eine gemeinsame Platt-         Politikansatz verbunden mit ­umfangreichen Investitio-
form aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen              nen in Forschung und Entwicklung, den Transfer in die
soll die Projektergebnisse homogenisieren und Dritten         Anwendung sowie den Aufbau von Infrastruktur und
 zur Verfügung stellen, ihre Standardisierung und Zertifi­    Testumgebungen erforderlich. Zudem ist nur ein euro-
 zierung vorantreiben und die Endanwender bei der             päisch und international abgestimmter Weg gangbar.
 Entwicklung von Anforderungen an vertrauenswürdige           Dabei haben Deutschland und Europa bereits gezeigt,
 Elektronik aktiv einbeziehen.                                dass sie aus der Forschung heraus weltweite Standards
                                                              in der Kommunikation setzen können, etwa mit dem
                                                              Mobilfunkstandard GSM.
3.2. Zurück an die Weltspitze der Kommunikation
                                                              Ziel der Leitinitiative ist die Entwicklung vertrauens-
Kommunikationssysteme sind das zentrale Nerven­               würdiger, leistungsfähiger und zugleich energieeffizien-
system einer digitalen Wirtschaft und Gesellschaft. Die       ter ­Komponenten „Made in Germany bzw. EU“, die zu
­Sicherheit, Zuverlässigkeit und Resilienz der digitalen      einer nachhaltigen Kommunikationsinfrastruktur und
 Infrastruktur hängen ebenso von den Eigenschaften            damit auch zur Energiewende und zur Erreichung der
 der eingesetzten ­Kommunikationstechnologien ab, wie         Klimaziele beitragen. Die Lösungen aus der Leitinitiative
 der Datenschutz. Trotz umfangreicher Investitionen in        sollen Grundlage für ein IPCEI werden, über das eine
 die 5G-Forschung in den vergangenen Jahren haben             effiziente Massenfertigung möglich wird. Ein wichtiger
 Deutschland und Europa bei den relevanten Technolo-          Aspekt ist der Aufbau von offenen Ökosystemen, die
 gien den Anschluss an die ­Weltspitze verloren. Die Folge    niedrige Markteintrittsschwellen für kleine und mittlere
 sind große Abhängigkeiten, insbesondere von Anbietern        Unternehmen bieten. Hierfür sind offene Schnittstellen,
 aus Asien und den USA und eine nur noch stückhaft vor-       Systeme und Software sowie ein starker europäischer
 handene industrielle Basis. Die jüngsten ­Diskussionen       Patentpool für 6G-Technologien essentiell. Angestrebt
 um die Einbindung des Netzwerk­ausrüsters Huawei             werden zudem strategische Partnerschaften mit Staaten,
 in den europäischen 5G-Mobilfunknetzen zeigen, wie           die die Werte der deutschen und europäischen Gesell-
 ­kritisch diese Abhängigkeiten sind. Neue Technologie­       schaft teilen.
  entwicklungen wie 6G und ­Quantenkommunikation
  bieten jedoch die Möglichkeit, an die Spitze der interna-   Was geplant ist: Das BMBF erarbeitet derzeit ein Fach-
  tionalen Entwicklungen zurückzukehren und Standards         programm für Kommunikationssysteme. Strategische
  maßgeblich mitzubestimmen. So bedeuten die Anfor­           Ziele des Programms sind die Steigerung der technolo­
  derungen an die Reaktionszeiten eines 6G-Netzwerks,         gischen Souveränität, der Resilienz und Nachhaltigkeit
12                                                             TECHNOLOGISCH SOUVERÄN DIE ZUKUNFT GESTALTEN

von Kommunika­tionssystemen sowie der Wettbewerbs­         Industrie frühzeitig in die Lage versetzt werden soll,
fähigkeit deutscher Unternehmen in wichtigen               sichere und zuverlässige Komponenten für Quanten­
Zukunfts­feldern und bei der Standardisierung und          kommunikationsnetze und -systeme zu entwickeln. Eine
Etablierung europäischer Lösungen für einen großen         Einbindung von Unternehmen im Bereich des Designs
Markt. Mit den Mitteln des Konjunktur- und Zukunfts-       und der Fertigung von Elektronikkomponenten vervoll-
pakets soll hierfür insbesondere ein Forschungs- und       ständigt die Wertschöpfungskette. Eine zentrale Aufgabe
Verwertungsökosystem für 6G aufgebaut werden, das          der 6G-Forschungshubs ist darüber ­hinaus, Strategien
alle relevanten Technologiefelder umfasst.                 für die Entstehung und das Wachstum von Start-ups
                                                           und eines dafür ­notwendigen Ökosystems zu entwickeln
Aufgebaut werden insbesondere drei Forschungshubs          und umzusetzen. Über strategische Partnerschaften mit
„Zukünftige Kommunikationstechnologien/ 6G“, die           internationalen Konzernen sollen schließlich auch
jeweils eigene Schwerpunkte bei Anwendungs- bzw.           Brücken zu den nationalen 6G-Programmen und zu
Technologiefeldern setzen (z. B. Industrie, Resilienz,     Projekten auf EU-Ebene geschlagen werden. Maßnah-
Energieeffizienz, Stadt der Zukunft). Eine übergreifende   men zur Nachwuchsausbildung sowie zur frühzeitigen
6G-Plattform flankiert die Hubs und bündelt Maßnah-        Einbindung der ­Gesellschaft, etwa um ungerechtfertigte
men zu Transfer, ­Standardisierung, Roadmapping und        Vorbehalte gegenüber 6G-Technologien abzubauen,
Kommunikation mit der Gesellschaft. Hinzu kommen           runden den systemischen Förderansatz ab.
Forschungsprojekte zum Einsatz ­Künstlicher Intelligenz
für die IT-Sicherheit und in Kommunikationsnetzen (5G,
6G). Auf Basis der Forschungshubs und der ­Plattform       3.3. Software und Künstliche Intelligenz
sollen Netzausrüster, Technologieanbieter und -nutzen-          ­souverän entwickeln
de, darunter insbesondere KMU, frühzeitig in industrie­
geführte Forschungsverbünde ­einbezogen werden.            Software ist eine Kernkomponente nahezu aller Maschi-
Ergänzend dazu soll durch die Förderung von ein bis        nen, Systeme und Alltagsgegenstände, mit ­erheblichem
zwei leistungsfähigen und international wettbewerbs­       Anteil an der Wertschöpfung. Dabei greift Software nicht
fähigen Spitzen-Clustern das frühzeitige Aufgreifen von    nur regelnd in technische Prozesse, sondern ­zunehmend
Anwendungsfragen vorangetrieben werden. Geplant ist        ­normativ in Lebensrealitäten ein. Die ­Komplexität
zudem ein enger Austausch mit dem vorgesehenen              von Software-Systemen nimmt weiter zu, da deren
Innovationshub Quanten­kommunikation, mit dem die           Aufgabenvielfalt ebenso wächst, wie das Interagieren
Leitinitiativen: Wo wir technologische Souveränität erreichen wollen                                                13

unterschiedlicher Software- und Hardware-­Systeme             schungs­ökosystems durch den Ausbau, die Verstetigung
miteinander und mit der ­Umgebung. Mit der Breite             und europäische Vernetzung der KI-Kompetenz­zentren,
der Einsatzgebiete steigen auch die Anforderungen an          gezielte europäische P  ­ rojekte, etwa im Rahmen der EU-
Software-Systeme, etwa ­hinsichtlich Flexibilität, Sicher-    REKA-Initiative sowie den Aufbau der „Interna­tionalen
heit, Zuverlässigkeit und Ressourceneffizienz sowie der       Zukunftslabore ­Künstliche Intelligenz“. Mit dem Aufbau
Nachvollziehbarkeit der Entwicklung und Funktions­            von KI-Anwendungshubs und d         ­ eren Verknüpfung mit
weise. Diese Anforderungen haben Konsequenzen                 den K­ ompetenzzentren ­sowie ­gezielten ­Maßnahmen für
für die Software-Fertigung, die auf wirtschaftlich            die Diffusion von KI-­Methoden in KMU (z. B. „­KI4KMU“)
­tragfähiger Weise zu wettbewerbsfähigen, sicheren und        und für KI-basierte Unternehmens­gründungen soll
 zukunftsoffenen Systemen führen muss. Software-­             der ­Transfer in die Anwendung beschleunigt werden.
 Fertigung ist ­dabei als Kern des Systems Engineering        Darüber hinaus ­werden KI-Kompetenzen auf allen
 in nahezu allen Branchen gefordert und somit zuneh-          Ebenen gestärkt, etwa durch die Einrichtung von KI-
 mend eine bedeutsame ­Querschnittskompetenz.                 Professuren inklusive der Gewinnung von ­exzellenten
 Andererseits ist schon heute ein erheblicher Mangel an       Wissenschaftler­innen und ­Wissenschaftlern aus dem
 Fachkräften zu beobachten. Zugleich steht die deutsche       Ausland über die Alexander von Humboldt-­Professur
 Software-­Industrie vor spezifischen Herausforderungen.      für Künstliche Intelligenz, die Bund-Länder-­Initiative
 Fast 90% der Software-Hersteller sind Unternehmen            „KI in der Hochschulbildung“, den Aufbau des
 mit ­weniger als 10 Mitarbeitern. Software-Systeme von       ­KI-Campus sowie gezielte Förderprogramme für Studie-
 großen ­Herstellern sind häufig zu monolithisch. An          rende, Nachwuchswissenschaftlerinnen und Fachkräfte.
 vielen ­Stellen behindert Legacy-Software die Moderni­       Mit der Fortschreibung der KI-Strategie soll der Stand-
 sierung von Prozessen, Verwaltung und Produktion.            ort im internationalen Wettbewerb weiter gestärkt
 Ansätze zum Software Engineering aus der Forschung           werden. Im Fokus stehen insbesondere der Auf- und
 finden wenig bis kaum ihren Weg in die Unternehmen.          Ausbau sowie die Sichtbarkeit von KI-Ökosystemen in
 ­Erforderlich sind deshalb neue Ansätze in der Förderung     Deutschland und Europa sowie die Anwendung von KI
  von Software-Technologien, -Werkzeugen, -Prozessen           in der ­Breite. Eine verantwortungsvolle und gemein-
  und -Kompetenzen.                                           wohlorientierte Entwicklung und Anwendung von
                                                               KI-Systemen soll zum ­Markenzeichen einer „AI Made
Heute versprechen gerade Software-Systeme auf Basis            in Europe“ werden.
von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) neue
Möglichkeiten der Datenauswertung sowie der K    ­ ognition   Auch über KI hinaus stärkt das BMBF die technologische
und Autonomie technischer Systeme und damit großes            Souveränität bei Software-Systemen und Software-­
Potenzial für neue Wertschöpfung und Anwendungen.             Fertigung mit verschiedenen Maßnahmen. Mit dem
KI an sich ist dabei eine Schlüsseltechnologie, die es        International Data Space wurde eine wichtige Grundlage
weiter auszubauen gilt. Deutschland und Europa zählen         für einen ­sicheren und vertrauensvollen Datenaustausch
hier bei den wissenschaftlichen Grundlagen zu den             gelegt. Im Rahmen der Leitinitiative zur Entwicklung
führenden Weltregionen. Bei der Übersetzung in neue           eines europä­ischen ­Betriebssystems für das Internet der
­Anwendungen und Wertschöpfung sind indes meist               Dinge wird aktuell die bereits vom BMBF geförderte
 andere Regionen schneller und erfolgreicher. Zentrale        BaSys-­Technologie ziel­gerichtet weiterentwickelt und in
 Herausforderungen für den deutschen und e­ uropäischen       neuen Anwendungsfeldern zum Einsatz gebracht wer-
 KI-Standort sind ein Mangel an Fachkräften sowie die         den. Im Fokus ­stehen ­darüber hinaus Maßnahmen zur
 hohe Abhängigkeit von außereuropä­ischen Anbietern           Neugestaltung des Software-Entwicklungsprozesses für
 bei zentralen Infrastrukturen.                               autonome, intelligente und e­ ingebettete Systeme, zur ge-
                                                              zielten Förderung von Open Source-Ansätzen sowie für
Was geplant ist: Mit der KI-Strategie hat die Bundes­         Studierende und Forschende der Informatik. Das BMBF
regierung zentrale Weichen für die Stärkung der               wird diese Maßnahmen weiterentwickeln und in einer
­technologischen Souveränität im Bereich KI g­ estellt.       übergreifenden Programmatik bündeln und verzahnen.
 ­Zentral ist dabei insbesondere die Stärkung des For­
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