Terrestrisches Fernsehen und Free-TV in Metropolen - ein internationaler Vergleich - Medienanstalt ...
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Terrestrisches Fernsehen und Free-TV in Metropolen – ein internationaler Vergleich theinformationsociety.org Hamburg – Kiel – Wien Christian Möller Yuliya Kolesnikova Juni 2013 www.theinformationsociety.org www.facebook.com/infsocblog www.twitter.com/infsocblog
Abstract The switchover to digital terrestrial television (DTT) has been completed in many countries, often experiencing great technical and regulatory challenges. Most remaining countries will follow suit in due time. But even after the analogue switch-off (ASO) of terrestrial television, DTT is not necessarily a success story. This study – commissioned by the Berlin- Brandenburg media regulatory authority mabb and convened by the research group theinformationsociety.org – looks at the DTT situation in metropolitan areas worldwide, including Rio de Janeiro, New York City, London, Paris and Moscow. Two main factors have been identified for the success of DTT in urban areas: firstly the share of analogue terrestrial television platform and the satellite and cable penetration before the ASO, and secondly the number and quality of DTT channels after the ASO, namely features such as HD, PVR and pay TV on DTT platforms. Higher costs for cable, satellite or IPTV reception, though, do not seem to increase DTT take-up. Research shows that DTT faces problems in many urban regions, amplified by growing competition by HD channels on cable, satellite and IPTV and a shrinking advertisement market that is rendering DTT more and more unattractive to commercial broadcasters, especially in areas where DTT is not the primary TV platform and thus has a smaller audience share. IPTV and WebTV, which might offer future alternatives for DTT as the platform for free TV reception, does not yet reach a relevant audience share in most areas worldwide, maybe with the exception of France. As DTT is often used by more vulnerable parts of society, this development poses regulatory challenges and might result in a paradigm shift for regulatory authorities from licensing frequencies as a scarce resource to guaranteeing a basic TV service obligation for all parts of society. Möller, Christian/Kolesnikova, Yuliya (2013) Terrestrisches Fernsehen und Free-TV in Metropolen – ein internationaler Vergleich. Juni 2013. theinformationsociety.org. Hamburg. Im Auftrag der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). 2
Inhalt Abstract ................................................................................................................................................... 2 Key Findings ............................................................................................................................................ 5 1. Einführung....................................................................................................................................... 6 1.1 Studie ...................................................................................................................................... 7 2. Terrestrisches Fernsehen und Free-TV in Metropolen................................................................... 9 2.1 Rio de Janeiro .......................................................................................................................... 9 2.2 New York City ....................................................................................................................... 12 2.3 London .................................................................................................................................. 15 2.4 Paris ....................................................................................................................................... 18 2.5 Kiew ....................................................................................................................................... 23 2.6 Moskau .................................................................................................................................. 28 2.7 Singapur ................................................................................................................................ 32 3. Ergebnisse ..................................................................................................................................... 34 3.1 Verbreitungswege & Sendervielfalt ..................................................................................... 34 3.2 Technik & Regulierung .......................................................................................................... 40 4 Fazit ............................................................................................................................................... 43 5 Annex ............................................................................................................................................ 45 5.1 Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... 46 5.2 Glossar ................................................................................................................................... 47 5.3 Liste der Interviewpartner .................................................................................................... 48 5.4 Übersicht der DTT-Sender in den einzelnen Städten .......................................................... 49 5.5 Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 58 3
Key Findings Auch nach dem Analogue Switch-off (ASO) sieht sich digitales terrestrisches Fernsehen (DTT) in vielen Metropolen weltweit einer Reihe von Problemen gegenüber, die oftmals multi-faktoriell, sich gegenseitig verstärkend und miteinander verknüpft sind. Vor allem in Regionen, in denen die terrestrische Verbreitung vor dem Switchover nicht die primäre Empfangs-Plattform war, ist der Erfolg von DTT nicht garantiert. Die Wirtschafts- und Werbekrise führt dort zusammen mit der geringen Reichweite von DTT in der werberelevanten Zielgruppe zu einem sich selbst verstärkenden Prozess, der zu einem abnehmenden Interesse der kommerziellen Rundfunkanbieter an DTT führt. Der Wettbewerbsvorteil durch die Kostenersparnis von DTT gegenüber dem TV- Empfang über Kabel, Satellit oder IPTV ist für viele Nutzer nicht ausschlaggebend. Inwiefern die Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten, die DTT bieten kann (HD, On-demand-Dienste, PVRs, HbbTV-Hybridmodelle), den Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Plattformen aufwiegen kann, ist unklar. Diskussionen um die Nutzung des 700 und 800 MHz-Bandes tragen nicht zur Planungssicherheit unter den Anbietern bei. Insgesamt deutet sich ein Paradigmenwechsel in der Regulierung weg von einer Vergabe und Lizenzierung der Frequenzen als knappes Gut hin zu einer Sicherstellung der Grundversorgung mit frei empfangbarem Fernsehen für alle Teile der Bevölkerung – insbesondere der sozial schwächeren und technikferneren Bevölkerungsteile, die besonders auf den kostengünstigen DTT-Empfang angewiesen sind – an. Schlüssige regulatorische Antworten auf ein mögliches Marktversagen von DTT gibt es in keiner der untersuchten Metropolen. Vielmehr ist die Frage, ob und wie Regulierung vor dem Hintergrund der technischen und ökonomischen Gegebenheiten wirkmächtig eingesetzt werden kann. Die Substituierung von DTT durch IPTV oder WebTV (OTT) zur Sicherstellung einer kostenfreien Grundversorgung mit frei empfangbarem Fernsehen in Metropolen wird mittelfristig kaum gesehen. Außerhalb von Ballungsräumen stellt sich die Situation aufgrund einer oftmals schlechteren Breitbandpenetration noch verschärft dar. 5
1. Einführung Digitales Antennenfernsehen, DVB-T oder DTT (Digital Terrestrial Broadcasting), ersetzt weltweit nach und nach die analoge terrestrische Fernsehausstrahlung. Der Übergang ist dabei verschieden weit fortgeschritten. In einigen Ländern ist die Umstellung und die vorübergehende gleichzeitige Ausstrahlung von analogen und digitalen Programmen (Simulcast) bereits abgeschlossen, in anderen Ländern ist die Abschaltung der analogen Ausstrahlung (ASO – analogue switchoff) in den nächsten Jahren geplant. In Europa ist die Umstellung weitgehen abgeschlossen. In Deutschland erfolgte der ASO bereits 2008, in Frankreich 2011, in Großbritannien 2012. In den USA wurde die Mehrheit der analogen Sender 2011 eingestellt. In weiteren Ländern ist die terrestrische Analogabschaltung in den kommenden Jahren geplant, verzögert sich jedoch oftmals. Abb. 1: Zeitpunkt des abgeschlossenen Switchovers in verschiedenen Ländern (Ofcom 2012) Insgesamt ist die Umstellung von analogem Fernsehen zu DTT (Switchover) ein komplexer technischer und regulatorischer Vorgang. Die Einführung wird meist von umfangreichen Kampagnen begleitet, die von allen Stakeholdern getragen werden (Sendern, Infrastrukturbetreibern, Regulierungsbehörden etc.) und die neben der öffentlichen Information auch die Unterstützung von schwächeren Bevölkerungsgruppen bei der Umstellung durch Sachmittel oder Dienstleistungen beinhalten. Doch auch nach abgeschlossenem Switchover ist DTT in vielen Städten und Ländern nicht unbedingt eine Erfolgsgeschichte. Die Untersuchung ergab, dass der Erfolg von digital- terrestrischem Fernsehen vor allem von zwei Faktoren abhängig ist: 1. den traditionellen und etablierten Verbreitungswegen (neben terrestrisch vor allem Kabel und Satellit); 6
2. dem Mehrwert, den DTT gegenüber diesen Verbreitungswegen bietet und den Inhalten, die zu empfangen sind. In Deutschland gibt es im internationalen Vergleich eine große Zahl frei empfangbarer, qualitativ hochwertiger Fernseh-Angebote. Ein derzeit stattfindender Rückzug der privaten Programmanbieter aus der DVB-T-Verbreitung würde für die meisten Haushalte in Berlin einen Wechsel zu den Abonnementmodellen von Kabel und IPTV notwendig machen, um diese Sender weiter zu empfangen.1 Der Wegfall eines konkurrierenden Übertragungsweges könnte auch zu Preissteigerungen für die Verbraucher führen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und sich verändernden Rahmenbedingungen von DVB-T in Deutschland erschien ein internationaler Vergleich geboten. Die Studie hat gezeigt, dass DTT in vielen Städten und Regionen weltweit vor Problemen steht. In der Konsequenz könnte dies zu einem Paradigmenwechsel der Medienregulierung von der Lizenzierung von Frequenzen als einem knappen Gut hin zur Sicherstellung der Grundversorgung von allen Bevölkerungsteilen als öffentliche Aufgabe führen. Die Entwicklung und Bedeutung von IPTV und WebTV (OTT) wird in dieser Studie nur am Rande betrachtet, da dies Gegenstand eigener Betrachtungen und Forschungsvorhaben wären. 1.1 Studie Im Folgenden wird die Situation der Free TV-Verbreitung in einigen Städten, die für diese Studie exemplarisch ausgewählt wurden, beschrieben. Grundlage für die Analyse sind verfügbare Studien und Literatur, Angaben von Regulierungsbehörden sowie qualitative persönliche, Telefon- und Email-Interviews, die als Hintergrundinformationen in die Ergebnisse eingeflossen sind. Die vorliegende Studie wurde im Zeitraum von April bis Juni 2013 durch theinformationsociety.org für die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) erstellt. Es wurde unter anderem untersucht, wie die wichtigsten privaten werbefinanzierten Fernsehprogramme üblicherweise in diesen Metropolen verbreitet werden und in welchem Verhältnis die verschiedenen Übertragungswege in diesen Ballungsräumen zueinander stehen sowie eine mögliche Grundverschlüsselung. Auch die Akzeptanz durch die Nutzer und die Position der Anbieter wurden im Rahmen der Möglichkeiten mit abgefragt. Aus den beobachteten Gegebenheiten und den Expertenbefragungen wurden allgemeine Trends und Entwicklungen deduziert. 1 DigiTAG (17.01.2013) 7
Bei aller Sorgfalt in der Zusammenstellung kann diese Studie nur einen ersten Überblick über Entwicklungen und Trends in den genannten Metropolen beschreiben – für eine detaillierte diachrone oder synchrone Analyse wäre schon alleine aufgrund der Dynamik des Untersuchungsgegenstandes eine erweiterte Studie mit einem längeren Untersuchungszeitraum sowie vertiefende Interviews notwendig. Die vorliegende Untersuchung stellt also eher den Beginn einer längerfristigen Forschung über die Situation von DTT in Metropolen nach dem ASO dar als eine letztgültige Ergebnissammlung. Zu den untersuchten Städten, die in Absprache mit dem Auftraggeber exemplarisch ausgewählt wurden, gehörten Rio de Janeiro, New York City, London, Paris, Kiew, Moskau und Singapur. Diese Städte weisen bewusst unterschiedliche Fernsehlandschaften und Regulierungsmodelle auf, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten der DTT-Situation weltweit zu betrachten. Darüber hinaus wurden exemplarisch noch weitere Städte und Länder herangezogen, um Entwicklungen und Trends zu verdeutlichen. Aktuelle Entwicklungen in weiteren Ländern wie Österreich oder Japan konnten in der vorliegenden Studie nicht berücksichtigt werden; diese seien hiermit jedoch am Rande erwähnt.2 Abb. 2: DTT-Standards weltweit und untersuchte Metropolen (WikiCommons, eigene Bearbeitung) 2 Mouyal (2013) 8
2. Terrestrisches Fernsehen und Free-TV in Metropolen 2.1 Rio de Janeiro Land: Brasilien 3 Einwohner Brasilien: 192 Millionen (2011) Einwohner Rio de Janeiro: 6,3 Millionen (2010) Sprache: Portugiesisch Press Freedom Index 2013: Platz 108 (von 179) Regulierungsbehörde: Agência Nacional de Telecomunicações (Anatel) www.anatel.gov.br 4 Fernsehempfang: 46 % Satellit 44 % Terrestrisch 10 % Kabel Rio de Janeiro ist die zweitgrößte Stadt Brasiliens und Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates. Bis 1960 war Rio de Janeiro die Hauptstadt Brasiliens und trat danach diese Funktion an Brasília ab, bleibt aber nach São Paulo bedeutendstes Handels- und Finanzzentrum des Landes. Im administrativen Stadtgebiet leben rund 6,3 Millionen Menschen. Die Metropolregion hat 11,9 Millionen Einwohner. Fernsehen spielt im brasilianischen Alltag eine große Rolle. Der größte Free-TV-Sender des Landes, Globo TV, erreicht Marktanteile von bis zu 50 Prozent. Der Sender gehört zum Medienkonzern Organizações Globo, der seinen Hauptsitz in Rio hat und zu dem neben zahlreichen Zeitungen wie O Globo und anderen Publikationen auch Rede Globo, das drittgrößte Fernsehnetzwerk der Welt gehört. Auch unter den Pay-TV-Abonnenten spielt der Free-TV-Sender Globo TV eine große Rolle. Die traditionelle 21-Uhr-Telenovela auf Globo TV ist häufig Stadtgespräch. Rede Globo gilt als das größte TV-Netzwerk Südamerikas und versorgt alleine in Brasilien 80 Millionen Menschen. Die terrestrische Ausstrahlung. ist traditionell von großer Bedeutung in Brasilien, vor allem für sozial schwächere Haushalte. Derzeit werden in Brasilien noch analoge und digitale terrestrische Angebote ausgestrahlt (Simulcast). Die Abschaltung der analogen Ausstrahlung ist für einzelne Städte für Ende 2015 geplant, landesweit wird die Abschaltung jedoch nicht vor 2018 stattfinden5. 3 Estimativas da populacao residente no Brasil 2011 4 Ofcom (2012) 5 NexTVLatam (27.04.2013) 9
In der Region Rio de Janeiro gibt es sieben Free-TV-Sender, wobei TV Globo Spitzenreiter ist. Das öffentlich-rechtliche TV Brasil erreicht einen Marktanteil von nicht mehr als 2 Prozent. Daneben gibt es mit NET (Kabel) und Sky (Satellit) zwei Pay-TV-Anbieter sowie eine Reihe von kleineren Pay-TV-Anbietern (Oi, GVT, Claro TV, Telmex), die ihr Angebot über Kabel oder Satellit verbreiten. Die Kabel- und Satellitenausstrahlung wurde bereits weitgehend durch die Unternehmen digitalisiert. Vor allem in Favelas gibt es trotz der Bemühungen seitens der Regierung illegale Kabelnetzbetreiber (Gatonet), die die Infrastruktur betreiben und unlizenziert das Programm des Kabelanbieters NET gegen Entgelt weiter verbreiten. In Brasilien wird seit Juni 2006 – wie in weiten Teilen Südamerikas – eine modifizierte Version des japanischen ISD-B-T Standards (H.264/MPEG-4 AVC) unter dem Namen ISDB- Tb (bzw. SBTVD) genutzt. Als Betriebssystem kommt die brasilianische Entwicklung Ginga zum Einsatz. ISDB-T wurde vor allem gewählt, da es sich gut für den mobilen Empfang eignet. Set Top-Boxen für die brasilianische Version (SBTVD) dieses japanischen Standards sind seit November 2007 im Handel. Die Akzeptanz von DVB-T unter der Bevölkerung ist groß, die Migration verläuft jedoch langsamer als geplant. Die digitale terrestrische Ausstrahlung begann offiziell am 2. Dezember 2007 in São Paulo. Im September 2009 wurden unter anderem die Ballungsräume São Paulo, Rio de Janeiro, Belo Horizonte und Brasilia mit DVB-T versorgt. 2013 soll das digitale Signal im gesamten Land empfangbar sein, die Abschaltung des analogen Signales war für den 30. Juni 2016 geplant, verzögert sich jedoch offenbar bis 2018. Grund hierfür sind technische Schwierigkeiten, unter anderem in Rio de Janeiro, Campinas und Belo Horizonte. Zudem sind die Preise für Set Top-Boxen oder Fernseher mit DVB-T Receiver für Teile der Bevölkerung offenbar zu hoch.6 Anders als in der Ukraine scheint auch die kommende Fußballweltmeisterschaft keinen Entwicklungssprung bei der Verbreitung von DTT ausgelöst zu haben. Nach Medienberichten waren im August 2012 lediglich 16 Millionen der 160 Millionen brasilianischen Fernsehgeräte für den DVB-T-Empfang geeignet. Einige Rundfunkveranstalter forderten daher eine Verschiebung der Abschaltung des digitalen Signals um mehrere Jahre.7 Die Regierung hat daraufhin im April 2013 zugesichert, dass es keine Abschaltung des analogen Signales geben wird, solange nicht sichergestellt sei, dass die gesamte Bevölkerung die Möglichkeit hat, DVB-T zu empfangen. Das brasilianische 6 dvb.org (2013) Brazil 7 telecompaper.com (31.08.2013) 10
Kommunikationsministerium hat daher angekündigt, die Anschaffung von Set Top-Boxen für die Empfänger staatlicher Sozialleistungen (BolsaFamiliar) zu subventionieren.8 Die Mittel hierfür könnten aus dem Verkauf des 700 MHz-Bandes für die Mobilfunknutzung genutzt werden, der für das erste Quartal 2014 geplant ist. Wie überall nimmt auch in Rio de Janeiro das Internet einen zunehmend größeren Stellenwert in der Versorgung der Bevölkerung mit Inhalten ein. Vor allem die jüngere Generation legt Wert auf zeitunabhängige Ausstrahlung und Video-on-Demand. Dennoch werden Satellitenempfang sowie digitales terrestrisches Free-TV nach Expertenmeinung auch auf absehbare Zeit Spitzenreiter in der Mediennutzung in Rio de Janeiro bleiben. IPTV spielt in Brasilien derzeit noch keine Rolle. Smart TV-Endgeräte sind nicht weit verbreitet. Allerdings gibt es eine Reihe kleinerer Web-TV Angebote, beispielsweise Porta dos Fundos, die jedoch eher episodenhafte Formate und kein Vollprogramm anbieten. Die lokale Regierung betreibt in Rio de Janeiro einige öffentliche Hotspots an touristischen Orten und in einigen ärmeren Stadtteilen. Die Zahl und Abdeckung seien jedoch nach Expertenangaben im Vergleich zur Größe der Stadt in der Betrachtung zu vernachlässigen. Perspektivisch wird DTT in Rio de Janeiro einen bedeutenden Stellenwert einnehmen und zusammen mit der Satellitenverbreitung der wichtigste Empfangsweg bleiben. Momentan verläuft die weitere Digitalisierung allerdings schleppend. 8 NexTVLatam (11.05.2013) 11
2.2 New York City Land: Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 9 Einwohner USA: 316 Millionen (2012) Einwohner New York City: 8,2 Millionen (2011) Metropolregion: 18,9 Millionen (2010) Sprache: Englisch Press Freedom Index 2013: Platz 32 (von 179) Regulierungsbehörde: Federal Communications Commission (FCC) www.fcc.gov 10 Fernsehempfang: 51 % Kabel 31 % Satellit 11 % Terrestrisch 7 % IPTV New York City liegt an der Ostküste der Vereinigten Staaten im Bundesstaat New York. Mit mehr als 8 Millionen Einwohnern ist sie die bevölkerungsreichste Stadt der USA. Das Stadtgebiet hat eine Landfläche von 785,6 km² (Berlin 891,85 km²), die gesamte Metropolregion, in die die Stadt nahtlos übergeht ist wesentlich größer. Die Stadt erstreckt sich über mehrere Inseln am Hudson River und entlang der New York Bight und besteht aus fünf Verwaltungsbezirken (Manhattan, Brooklyn, Queens, The Bronx und Staten Island) und grenzt an Jersey City. New York ist die Medienhauptstadt der USA und Sitz einer Vielzahl globaler Medienkonzerne wie Time Warner oder Viacom sowie großer Fernseh- und Radionetzwerke (ABC, CBS, FOX, NBC). Die USA sind der weltgrößte Fernsehmarkt. Die USA haben eines der liberalsten Mediensysteme weltweit, das vor allem durch kommerzielle, werbefinanzierte Medien gekennzeichnet ist. Die Freiheit der Medien wird im Ersten Verfassungszusatz der USA weitestgehend garantiert. Tageszeitungen und Printmedien befinden sich in den USA seit einigen Jahren in einer tiefen Krise. Neben der Finanzierung durch Abo-Verkäufe, Werbeeinnahmen und Mitgliedsbeiträge spielt in den USA zunehmend die Unterstützung von Medien durch gemeinnützige Stiftungen (beispielsweise durch die Knight Foundation oder die Sandler Foundation) eine Rolle. Gleichzeitig sind die USA nach wie vor von einer hohen Innovationskraft im Bereich Internet und digitale Medien geprägt. 9 Population Clock 10 Ofcom (2012) 12
Das System des Public Broadcasting Service (PBS) in den USA ist nur bedingt mit den Modellen der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland oder der britischen BBC vergleichbar und finanziert sich nicht durch Rundfunkgebühren. Zwar erhalten PBS und NPR (National Public Radio) Unterstützung der Regierung, finanzieren sich jedoch hauptsächlich durch Sponsoring und Spenden von Privatleuten und Stiftungen. In den USA herrscht seit jeher eine hohe Verbreitung von Kabelempfang (51 %) vor, gefolgt von Satellitenempfang (31 %). Nur 11 % der Haushalte empfangen ihr Fernsehsignal terrestrisch.11 Der ASO für die meisten Fernsehsender erfolgte am 12. Juni 2009, für die verbliebenen 2011. Im Zuge der Digitalisierung wurde der NTSC-Standard durch ATSC (also einen anderen Standard als DVB-T) abgelöst. Eine Weiterentwicklung und Verbesserung dieses Standards ist derzeit ausgeschrieben.12 Seit Februar 2013 gibt es jedoch in Baltimore erste Versuchsprojekte zur Einführung von DVB-T2.13 In den USA gibt es zudem eine starke Lobby von Kabelnetzbetreibern, Mobilfunkanbietern und anderen Akteuren, die DTT gegenüber zögerlich bis ablehnend eingestellt sind. Kabelnetzbetreiber bewerben aggressiv die größere Sendervielfalt gegenüber DTT; Mobilfunkanbieter setzen sich für eine Vergabe des 700 Mhz-Bandes für 3G- und 4G-Dienste ein; Google fordert mit der Kampagne „Free the Airwaves“, die digitale Dividende für die freie Nutzung – etwa für WiFi – freizugeben. Technische Probleme, Verzögerungen bei der Vergabe von Coupons für sozial Schwächere für die Umstellung auf DTT sowie mangelnde Vorbereitung der Nutzer führten zu einer wiederholten Verschiebung des ASO, unter anderem durch den DTV Delay Act, der 2009 von Senat und Kongress verabschiedet wurde.14 In New York City gibt es 16 frei und unverschlüsselt empfangbare kommerzielle und Public Service Sender über DTT (siehe Annex). Der Empfang ist in Teilen der Stadt aufgrund der Abschattung durch Gebäude und innerhalb von Gebäuden oftmals ungenügend. ATSC neigt – bei einer theoretisch besseren Verbreitung in ländlichen Gegenden – in der Stadt offenbar eher zu Interferenzen als DVB-T. Jüngst hat DTT in New York City darüber hinaus Konkurrenz durch einen neuen Anbieter, Aero, bekommen, der terrestrische Free-to-Air Programme im Internet streamed – gegen den Widerstand der Rundfunkanbieter.15 Inwieweit sich dies als ein erfolgreiches Geschäftsmodell erweist und gegen Klagen behaupten kann, wird sich zeigen. Die 11 Ofcom (2012) 12 DigiTAG (26.03.2013) 13 DigiTAG (19.02.2013) 14 DTV Delay Act (2009) 15 Stelter (2013) 13
monatliche Gebühr in Höhe von USD 8, die Aero erhebt, gibt jedoch einen weiteren Hinweis auf die geringe Attraktivität der kostenfreien DTT-Ausstrahlung in New York. Neben der traditionell starken Verbreitung von Kabel- und Satellitenempfang mit einer großen Vielzahl von Sendern stellen die seit Jahren stetig steigende Kabelgebühren offenbar keinen Push-Faktor hin zu DTT dar. Höhere Kosten für den Kabelempfang werden offenbar für eine größere Sendervielfalt und HD-Qualität von weiten Teilen der Bevölkerung in Kauf genommen. Zudem ist Expertenangaben zufolge DTT in großen Teilen der Bevölkerung weitgehend unbekannt oder wird als veraltete Technologie wahrgenommen. Insgesamt fristet DTT in den USA und vor allem New York eher ein Nischendasein. 14
2.3 London Land: Großbritannien Einwohner 63,8 Millionen ( 2013) 16 (Großbritannien): 17 Einwohner (London) 8,1 Millionen (Stadt, 2011) 18 Metropolregion: 13,3 Millionen (2013) Sprachen: Englisch Press Freedom Index 2013 Platz 29 (von 179) Regulierungsbehörde: Office of Communications (Ofcom) www.ofcom.org.uk 19 Fernsehempfang: 44% S 39% T 15% C 1% IPTV In der Hauptstadt des Vereinigten Königreiches leben mehr als 8 Millionen Menschen. London ist damit die bevölkerungsreichste Stadt der Europäischen Union und mit knapp 14 Millionen Einwohnern – neben Moskau und Istanbul – die größte Metropolregion Europas. London ist eines der wichtigsten Kultur-, Finanz- und Handelszentren der Welt mit zahlreichen Universitäten, Hochschulen, Theatern und Museen von Weltrang. Im Jahr 2012 war London Austragungsort der olympischen Sommerspiele. Alle wichtigen Tages- und Wochenzeitungen Englands haben ihren Sitz in London. Die Fleet Street im Zentrum von London ist seit dem 18. Jahrhundert traditionell die Heimat der britischen Presse. Historisch gingen von London und England wichtige Impulse für die Entwicklung einer freien Presselandschaft aus. Mit Reuters hat eine der weltweit größten Nachrichtenagenturen ihren Sitz in der Hauptstadt. London ist Hauptsitz der 1922 gegründeten öffentlich-rechtlichen BBC und weiterer großer Fernsehstationen wir ITV, Channel 4, Five und BSkyB. Die Transition zu digitalem terrestrischen Fernsehen (Switchover) wurde am 24. Oktober 2012 abgeschlossen. In London und der umliegenden Region mit insgesamt beinahe 12 Millionen Zuschauern erfolgte die Abschaltung des analogen Signales am 18. April 2012 rechtzeitig vor den Olympischen Sommerspielen 2012. 16 Statista 17 Office for National Statistics (2012) 18 Statista 19 Ofcom (2012) 15
In England wird das DVB-T-Angebot unverschlüsselt unter dem Label Freeview verbreitet. Freeview bietet bis zu 50 Free TV-Kanäle, Digitalradio und interaktive Dienste, zudem HD- Programme von BBC, ITV und Channel 4. Freeview+ ist die Bezeichnung für die Möglichkeit mit Hilfe von Set Top-Boxen, Sendungen aufzunehmen und zeitversetzt zu sehen. Das Unternehmen Freeview wurde im Oktober 2002 gegründet und übernimmt die zentrale Verbreitung und Vermarktung des digitalen terrestrischen frei empfangbaren Fernsehens in England. Daneben gibt es mit Top Up TV oder BT Vision terrestrische Pay TV-Anbieter mit Kanälen wie Sky Sports oder ESPN. Technischer Dienstleister für das Betreiben des Sendenetzes ist die Firma Arqiva. Die Einführung von DVB-T in England begann am 15. November 1998. Insgesamt wurden sechs Multiplexe (1, 2, A, B, C und D) lizenziert. Jeder Inhaber einer analogen terrestrischen Frequenz erhielt ein Anrecht auf die Hälfte der Kapazität eines dieser Multiplexe: Multiplex 1 erhielt die BBC, ITV und Channel 4 teilten sich Multiplex 2 und Channel 5 und S4C Multiplex A. Die Multiplexe B, C und D wurden in der Folge versteigert. Nach einigen Marktkonsolidierungen, vor allem im Bereich terrestrischer Pay TV-Angebote, gründete sich das Konsortium Freeview, das heute von BBC, BSkyB, Channel 4, ITV und Arqiva getragen wird. Damit einher ging zum damaligen Zeitpunkt die Maßgabe der Regulierungsbehörde Ofcom, dass alle DVB-T-Programme „free to air“ sein müssen. Da sich nach Ansicht der Ofcom die Situation seit 2002 jedoch grundlegend geändert hat, sind heute auch wieder Pay-TV-Angebote über DVB-T zulässig. Für den Transitionsprozess haben die öffentlich-rechtliche BBC sowie die kommerziellen Anbieter ITV, und Channel 4 sowie der Betreiber der Multiplexe im Jahr 2005 die unabhängige Non-Profit Institution Digital UK gegründet. Mit dem Switchover Help Scheme der BBC gab es für Teile der Bevölkerung, u.a. Personen über 75 Jahre oder Sehbehinderte, Unterstützung bei der Anschaffung der Hardware sowie praktische Hilfe bei der Installation und der Einrichtung der Technik zu Hause. In England wird der DVB-T Standard genutzt. Ein Multiplex wurde in der Zwischenzeit auf DVB-T2 (MPEG-4) und HD-Ausstrahlung (FreeviewHD) umgestellt, weitere könnten folgen. Das FreeviewHD-Paket umfasst die fünf Sender BBC One HD, BBC Two HD, ITV HD und Channel 4 HD. Während die Freeview-Allianz in den letzten zehn Jahren seit 2002 einen beträchtlichen Erfolg mit ihrem DVB-T-Angebot verbuchen konnte, mehren sich auch in London in jüngerer Vergangenheit trotz des attraktiven DVB-T-Angebotes die Probleme. Der DVB-T Pay TV-Anbieter Top Up TV wird unbestätigten Berichten zufolge den Sendebetrieb im Sommer 2013 einstellen. Im Juli 2013 hat Top Up TV bereits ein Sportrechtepaket nicht erneuern können, die weitere Zukunft des Senders ist unklar. Auch der sechste Sendeplatz 16
im HD-Multiplex konnte mangels Interesse seitens kommerzieller Anbieter nicht gefüllt werden und wir zurzeit von BBC Red Button genutzt. Nach einem anfänglichen Scheitern als Pay TV-Modell führte der Zusammenschluss aller Stakeholder unter dem Dach Freeview zu einem Erfolg von DVB-T in England zu einem erfolgreichen Start. Die Marken Freeview+ und FreeviewHD sowie ein vielfältiges Programmangebot zusammen mit sukzessive eingeführten Zusatzdiensten (HD, PVR etc.) machten DVB-T zu einem attraktiven Produkt. Zunehmend sorgen jedoch auch in London nach Expertenangaben die Konkurrenz anderer Verbreitungswege sowie die Werbe- und Wirtschaftskrise zu einem sinkenden Interesse der Programmanbieter an DVB-T als primärer Empfangsplattform und die weitere Entwicklung des Programmangebotes in London bleibt abzuwarten. 17
2.4 Paris Land: Frankreich 20 Einwohner (Frankreich) 63,7 Millionen (2013) 21 Einwohner (Paris) 2,2 Millionen (2010) 22 Ballungsraum: 10,6 Millionen (2013) Sprachen: Französisch Press Freedom Index 2013 Platz 37 (von 179) Regulierungsbehörde: Conseil supérieur de l'audiovisuel (CSA) www.csa.fr Autorité de régulation des communications électroniques et des postes (ARCEP) www.arcep.fr 23 Fernsehempfang 30% T 28% IPTV 24% S 11% C Paris ist die Hauptstadt und mit über zwei Millionen Einwohnern die größte Stadt sowie kulturelles, wirtschaftliches und politisches Zentrum des zentralisiert organisierten Frankreich. Mit drei Flughäfen sowie sechs Fernbahnhöfen ist Paris der größte Verkehrsknotenpunkt des Landes. Paris ist Sitz zahlreicher internationaler Organisationen, unter Ihnen UNESCO, OECD oder der internationalen Handelskammer ICC sowie der NGO Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières). In der gesamten Metropolregion leben über 12 Millionen Menschen. Die Seine teilt die Stadt in einen nördlichen Teil (Rive Droite) und einen südlichen Teil (Rive Gauche). Administrativ ist Paris in 20 Stadtbezirke (Arrondissements) unterteilt. Die Vororte (Banlieus), die in den vergangen Jahren unter anderem durch soziale Spannungen in die Schlagzeilen gerieten, gehören verwaltungsrechtlich nicht zu Paris, sondern zu den umliegenden Départements. DVB-T wird im Französischen als „télévision numérique terrestre“ oder TNT bezeichnet. Die Einführung begann nach einer kurzen Testphase am 31.05.2005. Die Abschaltung des analogen Signales begann in Frankreich im Jahr 2009 und wurde am 30. November 2011 abgeschlossen. DVB-T erreicht damit 97,3 % der Bevölkerung.24 In Paris fand die 20 Statista 21 Statista 22 Statista 23 Ofcom (2012) 24 L’Express (29.11.2011) 18
Umstellung am 8. März 2011 statt. Der Switchover-Prozess wurde vom Interessenverband France Télé Numérique begleitet, der je zur Hälfte durch den Staat und die Fernsehsender finanziert wurde und technische Unterstützung in den Haushalten sowie per Telefon bot. Der Pay TV-Anbieter Canal+ hat sein analoges Signal bereits im November 2010 abgeschaltet. Von den ehemalig analog-terrestrischen Abonnenten des Senders haben sich 74% für DVB-T entschieden, 15% für Satellitenempfang, 7% für IPTV und 4% für Kabel. Insgesamt hatte Canal+ im Jahr 2010 eine Million DVB-T Zahlkunden.25 Es wurden bis heute acht Multiplexe (R1-R8) eingerichtet: fünf strahlen Free TV-Sender in SD aus (R1, R2, R4, R6, R8), zwei sind für die Ausstrahlung von nunmehr 11 HD-Sendern vorgesehen (R5, R7) und einer wird vom Pay TV-Anbieter Canal+ (R3) genutzt. Die SD- Programme werden im MPEG 2-Standard ausgestrahlt, die HD-Programme als MPEG-4. Seit Dezember 2012 müssen alle verkauften Endgeräte MPEG-4 empfangen können. Im Oktober 2008 begann die Ausstrahlung von fünf HD-Programmen (TF1 HD, France 2 HD, Arte HD, M6 HD und Canal+ HD).26 Im Dezember 2012 sind mit Inbetriebnahme des achten Multiplexes sechs weitere HD-Kanäle (D1, L’Equipe 21, 6ter, Numéro 23, RMC Découverte und Chérie 25) hinzu gekommen.27 2012 haben Veranstalter darüber hinaus begonnen, Catch up- und On demand-Dienste über das Internet im HbbTV-Standard anzubieten.28 Momentan bietet DVB-T 19 Free TV-Sender und 8 Pay TV-Dienste mit einer Abdeckung von 97,3 Prozent der Bevölkerung. 61 Prozent der französischen Haushalte nutzen DVB-T für ihr primäres Fernsehgerät.29 In Paris sind über DVB-T 18 nationale und 4 regionale Free TV-Programme zu empfangen, davon zunächst vier Programme in HD (TF1, F2, M6 und Arte) sowie die Pay TV-Kanäle Canal+, Canal+ Sport, Canal+ Cinéma.30 Die 18 kostenlosen TNT-Sender sind gleichzeitig über Satellit in den Paketen TNTSAT und FRANSAT zu empfangen, wofür jeweils eine eigene CI-Smartcard notwendig ist. Die DTT-Ausstrahlung der Free TV-Programme erfolgt unverschlüsselt. Zum Erfolg von DVB-T in Frankreich haben neben dem attraktiven Angebot über DVB-T auch die geringe Penetration von Kabelnetzen sowie ein Verbot des Anbringens von Parabolantennen an Gebäuden in Ballungsgebieten („Schüsselverbot“) geführt. Darüber 25 Broadband TV News (23.11.2010) 26 Mouyal (2012) 27 Tele Satellite Numerique (2013) 28 Mouyal (2012) 29 Mouyal (2012) 30 Le Figaro (06.03.2011) 19
hinaus ist im Vergleich zu DVB-T die Zahl der empfangbaren Sender über das frei empfangbare Kabel nicht entscheidend höher. Nichtsdestotrotz gibt es auch in Frankreich wirtschaftliche Probleme unter den Anbietern von DVB-T, vor allem im Pay-Bereich. Von den ursprünglich gestarteten Pay TV-Anbietern haben bereits vier Anbieter (Canal J, AB1, CFoot und TPS Star) ihre DVB-T-Lizenz zurückgegeben und zwei weitere (LCI und Paris Première) beantragt, ihre Pay TV-Lizenz in eine Free TV-Lizenz zu ändern, was jedoch vom CSA abschlägig beschieden wurde. DVB-T Pay TV-Dienste werden momentan von Canal+ und TV Numéric angeboten. Während Canal+ mit geschätzten 1 Million Abonnenten erfolgreich ist, überlegt TV Numéric offenbar den Ausstieg aus dem linearen Sendeangebot hin zu einem On-demand-Angebot.31 Am 18. September 2012 hat Canal+ die Genehmigung der Regulierungsbehörden für die Übernahme der Free TV-Programme Direct 8 und Direct Star erhalten, wobei der Einstieg von Canal+ in den Free TV-Sektor von vielen Free TV-Anbietern mit Sorge beobachtet wird. Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, hat der CSA einige Bedingungen an die Übernahme geknüpft. Unter anderem muss Canal+ eine klare Trennung zwischen seinem Pay- und Free TV-Angebot wahren, ist begrenzt in der Verwertung von Eigenproduktionen und Sportrechten im Free TV und ist verpflichtet in französische Produktionen zu investieren.32 Darüber hinaus geht in Frankreich, das zusammen mit China (Hongkong) als Weltmarktführer in IPTV gilt, eine starke Konkurrenz für DVB-T von IPTV-Anbietern aus, die Kooperationen mit den Satellitenanbietern eingehen und von der Bekanntheit und Qualität der Satellitenbouquets profitieren konnten. Abb. 3: IPTV-Wachstum in Ländern mit min. 4 Prozentpunkten Steigerung 2010-2011 (Ofcom 2012) 31 Mouyal (2012) 32 Mouyal (2012) 20
Frankreich ist mit einer Penetration von 27 % IPTV-Empfang weltweit führend in der IPTV- Verbreitung mit einem starken Wachstum in den letzten Jahren. Die meisten Internet Service Provider in Frankreich bieten ein IPTV-Angebot. Die IPTV-Nutzung in Frankreich ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen (siehe Abbildung) und liegt nunmehr an zweiter Stelle hinter dem terrestrischen Empfang. 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Terrestrisch IPTV Satellit Kabel Abb. 4: Verteilung der verschiedenen Plattformen des Fernsehempfanges in Frankreich 2011 (Quelle: Ofcom 2012, eigene Bearbeitung) Die Gründe für den Erfolg von IPTV in Paris sind zum einen dieselben wie für den Erfolg von DVB-T (niedrige S- und C-Penetration), zum anderen die gute Erschließung mit Breitbandanschlüssen in der Stadt und der Wettbewerb unter den ISPs, von denen viele Triple Play-Pakete anbieten. Im Vergleich zu DVB-T bietet IPTV jedoch noch einmal eine größere Vielfalt an Sendern in hoher Qualität bei vertretbaren Kosten. Während im direkten Vergleich des analogen und digitalen terrestrischen Angebotes letzteres deutlich attraktiver war und vor dem Hintergrund des in jedem Fall stattfindenden terrestrischen ASO in Kombination mit der geringen Verbreitung von Kabelanschlüssen und den restriktiven Bestimmungen zur Montage von Satellitenschüsseln im Ballungsraum Paris erklärt sich der Erfolg von DTT in Paris. Nach dem ASO und bei einer wachsenden Breitbandpenetration und Konnektivität bei einer gleichzeitig unveränderten Situation bei den Plattformen Kabel und Satellit erscheint nunmehr offenbar vielen Nutzern IPTV mit einer höheren Zahl an (HD-) Kanälen und weiteren Zusatzdiensten (PVRs, On-demand-Dienste etc.) als die attraktivere Plattform im 21
Vergleich zu DTT. Etwaige höhere Kosten für den IPTV-Empfang im Vergleich zu DVB-T scheinen – ähnlich wie für den Kabelanschluss in den USA – kein Hindernis für eine Abkehr von DVB-T zu sein. „TNT“ ist in Paris aus den geschilderten Gründen eine Erfolgsgeschichte, die sich durch technische Weiterentwicklungen und eine ständige Erweiterung des Programmbouquets auszeichnet. In jüngster Zeit erfährt DVB-T jedoch eine starke Konkurrenz durch IPTV, das in Paris eine weltweite Spitzenstellung in der Nutzung einnimmt. Dabei geht das IPTV- Wachstum im Ballungsraum Paris vor allem zu Lasten der DVB-T-Nutzung. 22
2.5 Kiew Land: Ukraine 33 Einwohner (Ukraine): 45,6 Millionen (2011) 34 Einwohner (Kiew): 2,8 Millionen (2012) Sprachen: Ukrainisch, Russisch Press Freedom Index 2013: Platz 126 (von 179) Regulierungsbehörde: Nationaler Rat für Fernseh- und Radiosendungen (NRADA) www.nrada.gov.ua Fernsehempfang: 69 % Terrestrisch 26 % Kabel 14 % Satellit Die Ukraine hat knapp 46 Millionen Einwohner, von denen rund 2,8 Millionen in der Hauptstadt Kiew leben. Die Agglomeration um Kiew umfasst etwas über 4 Millionen Einwohner. Kiew (ukrainisch Київ ) gilt als wichtiger Bildungs- und Industriestandort und bildet darüber hinaus den wichtigsten Verkehrsknotenpunkt des Landes. Die Stadt liegt am bis hierhin für kleinere Seeschiffe befahrbaren Fluss Dnepr. Aufgrund ihrer historischen Bedeutung als Mittelpunkt der Kiewer Rus trägt die Stadt oft den Beinamen Mutter aller russischen Städte. Wegen der vielen Kirchen und Klöster und seiner Bedeutung für die orthodoxe Christenheit wird Kiew seit dem Mittelalter außerdem als Jerusalem des Ostens bezeichnet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erhielt Kiew die Auszeichnung einer „Heldenstadt“. Landessprachen sind Ukrainisch und – vor allem in den östlichen Landesteilen – Russisch. Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 und der orangenen Revolution 2004 ist das Land von Transitionsprozessen und innenpolitischen Spannungen geprägt. Die Situation der Medien im Land ist angespannt, wiederholt werden Vorwürfe wegen einer mangelnden Unabhängigkeit der Medien sowie Gängelung und Behinderung durch Justiz und Staatsapparat geäußert.35 In der Ukraine sind 94,6 % (rund 17,8 Millionen) aller Haushalte Fernsehhaushalte. Traditionell ist der analoge terrestrische Empfang die Hauptplattform in der Ukraine. Durch die wachsende Konkurrenz durch Satellit und Kabel ist der Anteil jedoch stetig gesunken, von noch 75 % im Jahr 2007 auf 63 % im ersten Halbjahr 2009. Alle terrestrischen Angebote 33 Statista 34 Statista 35 Kosmehl/Oliinyk (2012) 23
sind Free-to-Air.36 Die Ausstrahlung erfolgt zurzeit unverschlüsselt, dem Plattformbetreiber steht es jedoch frei, eine Verschlüsselung einzuführen.37 An Kabelnetze sind rund 30 % der Fernsehhaushalte angeschlossen, allerdings nehmen nicht alle den kostenpflichtigen Kabelanschluss in Anspruch. Eine Satellitenschüssel haben rund 14 % der Fernsehhaushalte (2007 noch 8%); lediglich 4 % nutzen S-Pay-TV.Der terrestrische Anteil liegt je nach Schätzung bei 63 bis 69 % (analog und digital).38 Die meisten Haushalte, die terrestrisches Fernsehen nutzen, befinden sich in den Dörfern und kleinen Städten. Der Markt für Pay-TV ist bisher aus wirtschaftlichen Gründen überschaubar: Bisher gibt es einen einzigen Anbieter für digitale Pay-TV-Dienste (Volja- Kabel). Doch auch manche Kabelnetzbetreiber können generell als Anbieter von Pay-TV- Diensten betrachtet werden: diese liefern ein Grundpaket an Programmen kostenlos, für das Zusatzpaket muss man bezahlen.39 In der ersten Hälfte des Jahres 2010 hat das Niveau der Digitalisierung des TV in der Ukraine 20% erreicht. Diese Zahl berücksichtigt alle möglichen digitalen Plattformen, also Satelliten-, Kabel-und terrestrischen TV-Empfang. Insgesamt gab es 2011 in der Ukraine nach Angabe der Regulierungsbehörde NRADA 1704 Rundfunkanbieter (Hörfunk und Fernsehen), davon 1225 private, 374 kommunale und 37 staatliche. Die hohe Zahl von kommunalen regionalen und lokalen Fernsehsendern stellte sich als Problem für die mit der DVB-T-Umstellung verbundene Einführung von landesweiten Single Frequency Networks (SFN) heraus. Abb. 5: Dominanz privater Sender/Provider und Ausbau des digitalen Fernsehens in der Ukraine (Quelle: NRADA) 36 Omelianiuk(2009) 37 DigiTAG (17.10.2011) 38 IP Television (2003); Omelianiuk (2009) 39 CIT Publications Limited (Hrsg.): Country Profile: Ukraine, in: The Media Map Data file 2001, May 2000, S. UKR_A1-G1 24
Auf der analogen terrestrischen Plattform wurden 2009 13 nationale, 34 regionale und 647 lokale Fernsehsender verbreitet.40 Die bedeutendsten Sender sind die staatlichen Sender UT-1 und HolosUkrainy sowie die kommerziellen Sender 1+1, Inter, ICTV, STV und Novij Kanal. Nennenswerte Pay TV-Kanäle sind Eurokino, Kino+, Disney, NTV-MIR, KiKo, Kultura, Malyatko TV, Menu TV, Novyny und OK. Es gibt in der Ukraine keinen öffentlich- rechtlichen Rundfunk. Der DSO-Prozess ist in der Ukraine noch nicht abgeschlossen. Ein erstes DVB-T-Pilotprojekt mit einem Multiplex wurde 2002 in Kiew durchgeführt, ein Pilotprojekt mit 4 Multiplexen (DVB-T MPEG-4 AVC) folgte 2006. Das staatliche Programm zur Umstellung auf DVB-T begann 2009, jedoch mit Verzögerungen. Der ASO ist für 2014-2015 geplant. Nachdem die DTT-Einführung zunächst im DVB-T-Standard begann, erfolgt seit 2012 die weitere Umstellung unmittelbar auf den DVB-T2-Standard. Dieser Entscheidung zu Gute kam die geringe bisherige DVB-T- Penetration. Aufgrund des extrem geringen Anteils der DVB-T-Haushalte, seien die ukrainischen TV-Sender zudem lange Zeit nicht an der Zusammenarbeit mit dem Betreiber der DVB-T-Plattformbetreiber interessiert gewesen, so ein Ergebnis der Experteninterviews. Grundlage für den Umstellungsprozess ist das „Staatliche Programm zur Einführung digitalen Fernsehens und Hörfunks“, das per Verordnung Nr. 1085 des Ministerkabinetts vom 26. November 2008 genehmigt wurde. Bereits einen Monat nach der Verabschiedung des Staatlichen Programms durch das Kabinett wurde es per Erlass des Präsidenten der Ukraine vorläufig außer Kraft gesetzt. Das ukrainische Verfassungsgericht entschied jedoch am 3. März 2009, das Staatliche Programm verstoße nicht gegen die Verfassung und machte damit den Weg für die Einführung von DVB-T frei. Das Programm sieht insbesondere vor, „in Übereinstimmung mit dem Regionalplan im Hinblick auf Digitalfernsehvereinbarungen (GE06) 81 Teilgebiete für Digitalrundfunk einzurichten, die den MPEG-4-Standard nutzen, wodurch die Übertragung von bis zu zehn Fernsehkanälen in einem einzigen Frequenzband möglich wird.“ Ziel des Programmes ist unter anderem die Verfügbarkeit von ebenso vielen Fernseh- und Hörfunkprogrammen wie in den Ländern Westeuropas, eine höhere Attraktivität des Rundfunksektors für Investoren, sowie bessere Wettbewerbsbedingungen im Telekommunikationsbereich.41 40 Omelianiuk (2009) 41 Omelianiuk (2009) 25
Lizenzen für die DVB-T-Ausstrahlung werden auf Grundlage von Artikel 23 des ukrainischen Rundfunkgesetzes kompetitiv vergeben. Dabei sollen vorrangig regionale Anbieter sowie Anbieter mit einer Analog-Lizenz, die mindestens 50 Prozent der Bevölkerung erreichen und rund um die Uhr senden, bevorzugt berücksichtigt werden. Am 8. Dezember 2010 lizenzierte die ukrainische Medienregulierungsbehörde NRADA (National Council on Television and Radio Broadcasting) Zeonbud als Plattformbetreiber der vier nationalen Multiplexe (MX-1, 2, 3 und 5). Damit wurde eine frühere Entscheidung revidiert, nach der ursprünglich auch verschlüsselte DVB-T-Angebote möglich gewesen wären. Umstrittene, widersprüchliche und intransparente Lizenzierungs-Entscheidungen sowie die geplante Einführung eines öffentlich-rechtlichen Senders tragen zur Rechts- und Planungsunsicherheit bei der DVB-T-Einführung bei.42 Über einen Kabelanschluss sind heute nach Expertenangaben bis 450 Sender empfangbar, über Satellit 500-600 und über DVB-T 32 Free TV-Sender. Bei den Marktanteilen liegt derzeit Inter an erster Stelle gefolgt von 1+1. In Kiew haben 90,9 Prozent der Haushalte einen digitalen Kabelanschluss, Satelliten- und vor allem terrestrisches Fernsehen werden kaum genutzt.43 In Kiew gibt es derzeit vier DVB- T2 Multiplexe mit jeweils acht unverschlüsselt empfangbaren Free-TV-Sendern in DVB-T2 (siehe Anhang). Die Nachfrage nach digitalem terrestrischen TV in der Ukraine war noch im Jahr 2010 sehr gering, auch im Vergleich zu Kabel- und Satelliten-Empfang. Laut Expertenbefragung ist die Digitalisierung zudem bisher nur in einigen Regionen abgeschlossen, darunter Odessa, Kiew und einige andere größere Städte mit insgesamt drei Millionen Einwohnern. Trotz wachsender Umsätze mit DVT-T tauglichen Fernsehern, betrug der Anteil der Haushalte mit digitalem terrestrischem Fernsehen 2009 noch unter 1 %.44 Die wesentlichen Gründe für die schwache Nachfrage lagen danach am Mangel an Informationen und Marketing-Aktivitäten, um das Interesse des Publikums an DVB-T zu wecken; der geringen Vielfalt von DVB-T im Vergleich zu konkurrierenden Plattformen (C und S) und dem nur langsam voranschreitenden Switchover-Prozess hin zu DVB-T. 42 Rozkladaj(2011) 43 Bericht GfK Ukraine. Es wurden die Haupt-TV im Haushalt betrachtet. Auch die Studie von Expert & Consulting ist auf gleiche Ergebnisse gekommen. 44 Omelianiuk (2009) 26
Allerdings habe sich dies in den letzten Jahren durch die Umstellung auf DVB-T2 geändert und das Interesse der Sender an DTT sei deutlich gestiegen.45 Zudem hat die Austragung der Fußball-Europameisterschaft 2012 zu einem forcierten Ausbau der Sendekapazitäten geführt, sodass nach Angaben der NRADA Anfang 2012 bereits 95 % der ukrainischen Bevölkerung mit DVB-T2 versorgt waren. Zudem erhielten 2012 800.000 Haushalte subventionierte Set Top-Boxen (STB), 700.000 weitere Haushalte sollten 2013 folgen.46 Im GfK Digitalisierungs-Report für die Ukraine gaben drei Experten ihre Prognosen für die TV-Vertriebsplattformen in der Ukraine für das Jahr 2015 ab. Die Experten sind sich einig, dass die Anteile der Satellit-TV und Pay-Kabel TV in der Ukraine wachsen werden. Ihren Schätzungen zufolge wird sich der Anteil des Satelliten-Empfangs innerhalb von fünf Jahren von 20% auf 30% erhöhen, der Kabel-Empfang von 30% auf 55%. Für die DVB-T-Nutzung gehen die Expertenschätzung weit auseinander. Ein Wettbewerbsvorteil von DVB-T gegenüber DVB-T wird in der Kostenfreiheit gesehen.47 Seit 2012 werden IPTV-Lizenzen durch die Nationale Kommission für staatliche Regulierung im Bereich Kommunikation und Informationswesen (NKRZI) ausgegeben, bisher gibt es jedoch keine Zahlen zur Nutzung der Angebote, aber das Interesse an IPTV unter der ukrainischen Kundschaft wächst. Führende Kommunikationsbetreiber (Ukrtelecom und Kyivstar) bemühen sich um Lizenzprogramme von Inhalteanbietern, um IPTV-Dienste anzubieten.48 Auch perspektivisch wird DVB-T in Kiew keine große Rolle spielen, nicht zuletzt durch die hohe Kabel- und Satellitenpenetration im Ballungsraum (im Gegensatz zu ländlichen Räumen). Trotz eines starken Wachstums in jüngster Zeit behindern eine geringe Marktdurchdringung mit geeigneten Empfangsgeräten sowie widersprüchliche und offenbar politisch beeinflusste Regulierungsentscheidungen das schnelle Wachstum von DVB-T. 45 GfK Ukraine 46 Digital TV Europe (2012) 47 GfK Ukraine 48 GfK Ukraine 27
2.6 Moskau Land: Russische Föderation (GUS) 49 Einwohner:(Russland): 141,9 Mio. (2012) 50 Einwohner (Moskau): 11,6 Mio. (2012) Sprachen: Russisch Press Freedom Index 2013 Platz 148 (von 179) Regulierungsbehörde: Roskomnadsor (Staatsbehörde für Telekommunikation und Informationstechnologie) www.rsoc.ru Fernsehempfang in Moskau: 10-30 %Terrestrisch 70-90 % Kabel 5-25 % Satellit Die Russische Föderation hat 142 Millionen Einwohner, von denen knapp 12 Millionen in der Hauptstadt Moskau (russisch в ) wohnen. Der Ballungsraum gehört mit über 15 Millionen Einwohnern zu den größten Metropolregionen Europas. Moskau ist das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Der Kreml und der Rote Platz im Zentrum Moskaus sind seit 1990 UNESCO-Weltkulturerbe. Mit acht Fernbahnhöfen, drei internationalen Flughäfen sowie drei Binnenhäfen ist die Stadt wichtigster Verkehrsknoten Russlands. Die regionalen Unterschiede innerhalb der Russischen Föderation sowie zwischen städtischen und ländlichen Räumen sind groß. Die beiden staatlichen landesweit ausgestrahlten Fernsehsender Perwy kanal (Erstes Programm) und Rossija haben genau wie der Gazprom-Sender NTW ihren Hauptsitz in Moskau. Unter den Printmedien gilt Iswestija als anerkannte Informationsquelle. Die Nowaja Gaseta ist für einen regierungskritischen und investigativen Journalismus bekannt. Seit der Perestroika Mitte der 1980er Jahre und der einsetzenden Privatisierung der Medien Anfang der 1991 gibt es eine große Anzahl an elektronischen Medien und Printmedien in Russland. Gemäß der russischen Verfassung, Kapitel 2, Artikel 29 ist die Freiheit der Meinung und des Wortes garantiert, so auch die Medienfreiheit. Dennoch unterliegt die Pressefreiheit in Russland verschiedenen Berichten zufolge zahlreichen Einschränkungen mit einem hohen Grad an staatlicher Kontrolle über die Medien. Zudem besteht eine hohe Medienkonzentration in der Hand der Gazprom-Media, einer Tochterfirma des sich mehrheitlich in Staatsbesitz befindenden Konzerns Gazprom. Vor allem das Fernsehen steht 49 Statista 50 Statista 28
heute weitgehend unter staatlicher Kontrolle. Es gibt beispielsweise keinen landesweit ausstrahlenden Sender, der staatsunabhängig ist und regierungskritisch berichtet. Die Aufsichtsbehörde für Massenmedien, Kommunikation und den Schutz des kulturellen Erbes (Roskomnadsor) ist dem Ministerpräsidenten unterstellt, vergibt Lizenzen und kontrolliert alle Medien und Kommunikationsmittel, darunter auch das Internet und die Telekommunikation mitsamt ihrem Inhalt. Laut der Behörde sind im Jahr 2011 in Russland 66.032 Medien gelistet. Darunter finden sich 5.254 TV-Sender, 3.769 Radiosender, 28.449 Zeitungen und 21.572 Zeitschriften.51 Aufgrund seiner geographischen Situation mit 11 Zeitzonen und einer Bevölkerungsstruktur mit großen Gegenden mit geringer Bevölkerungszahl hat Russland ein elaboriertes Fernsehsystem, besonders im Bereich des regionalen Rundfunks.52 Nach Angaben des russischen Meinungsforschungsinstituts WZIOM betrachten 95 Prozent der befragten Russen das Fernsehen als Informationsquelle Nummer Eins, nur fünf Prozent bevorzugen Zeitungen. Das unabhängige Lewada-Zentrum in Moskau fand heraus, dass etwa 30 Prozent der russischen Bevölkerung das Internet nutzen.53 Während auf dem Lande außerhalb der städtischen Ballungsgebiete terrestrisches Fernsehen von großer Bedeutung ist (ca. 30% Kabelempfang und 70% terrestrischer Empfang) ist es in der Hauptstadt umgekehrt: In Moskau nutzt die Mehrheit (nach Expertenangaben zwischen 70-90%) der Haushalte Kabel über die privaten Kabelnetzbetreiber NCC, MTS, Acad oder Beeline oder Satellitenempfang (Tricolor TV, NTV- Plus). Viele dieser Anbieter senden bereits digital.54 Die TV-Landschaft der russischen Hauptstadt ist sehr vielfältig: insgesamt sind rund 20 Free TV-Sender und bis zu 200 weitere in- und ausländische Programme verfügbar, terrestrisch, per Kabel oder Satellit. Der Fernsehsender Perwyj Kanal (Erster Kanal), mehrheitlich in staatlicher Hand, erreicht laut mediaatlas.ru die größte Reichweite, gefolgt von Rossija und NTW (Inhaber: Gazprom).55 Laut dem Plan der Regierung zur Entwicklung des Rundfunks in Russland von 2009 wird die Umstellung des Antennenfernsehens von Analog- auf Digitaltechnik (nach DVB-T Standard) im Jahr 2015 komplett beendet sein. Der erste DVB-T-Betrieb wurde 2011 in der Region Volgograd begonnen.56 Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Kauf von DVB-T- 51 Bundeszentrale für Politische Bildung (2011) 52 European Audiovisual Observatory (2011) 53 Bundeszentrale für Politische Bildung (2011) 54 European Audiovisual Observatory (2008) 55 Bundeszentrale für Politische Bildung (2011) 56 telecompaper (2011) 29
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