Toxische Leber - erkrankungen durch Medikamente und Naturheilmittel - Deutsche Leberhilfe e. V.

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Toxische Leber - erkrankungen durch Medikamente und Naturheilmittel - Deutsche Leberhilfe e. V.
Toxische Leber-
erkrankungen durch
Medikamente und
Naturheilmittel

     Deutsche Leberhilfe e. V.
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Inhalt
                                                                Vorwort                                              S.   2
                                                                DILI – was ist das?                                  S.   4
                                                                Leber und Arzneimittel: meistens Routine,            S.   5
                                                                manchmal ein Problem
                                                                Überdosierungen                                      S.   6
                                                                Wechselwirkungen                                     S.   7
Ingo van Thiel                        Prof. Dr. Andreas Geier   Qualitätsmängel                                      S.   8
Redaktion                             medizinische Beratung     Leberschäden trotz „normaler“ Medikamenten-          S.   8
                                                                einnahme
Sehr geehrte Damen und Herren,                                  Wie häufig ist DILI?                                 S. 10
toxische Schäden können sowohl durch Medikamente als            Leberschäden durch alternative Mittel: Wie kann      S. 18
auch durch Naturheil- und Nahrungsergänzungsmittel              das sein?
entstehen. Es ist wichtig, dies möglichst früh zu erkennen,     Wie diagnostiziert man ein DILI?                     S.   24
um die jeweilige Substanz schnell abzusetzen. Die Diagno-       DILI diagnostiziert, was nun?                        S.   29
se ist selbst für erfahrene Fachärzte nicht einfach: Oft gibt   Akutes Leberversagen                                 S.   30
es keinen einzelnen, typischen Laborwert und keine einzel-      Chronische Schädigung durch DILI                     S.   31
ne Untersuchung, welche dies bereits eindeutig feststellen      Ich bin chronisch leberkrank. Welche Mittel darf     S.   33
kann. Die Ursachensuche ist ein komplexes Puzzle aus            ich nehmen?
Laborwerten, organischen Untersuchungen, Befragung der          Toxische Leberschäden melden!                        S.   38
Betroffenen und dem Ausschluss anderer Ursachen.                Fazit                                                S.   39
Diese Broschüre wendet sich an mehrere Gruppen:                 Weitere Informationen                                S.   40
– Menschen mit Anzeichen einer Leberschädigung, bei             Nachwort                                             S.   41
    denen die Diagnose noch abgeklärt werden muss,              Kurz und knapp: häufige Fragen und Irrtümer          S.   42
– Menschen, bei denen bereits ein toxischer Leber-
    schaden diagnostiziert wurde,
– chronisch Leberkranke, die befürchten, mit bestimmten
    Medikamenten ihre Leber weiter zu schädigen,
– Ärzte, welche sich zusätzlich informieren möchten,
– allgemein Interessierte.
Wir hoffen, dass Ihnen diese Broschüre bei der Orien-
tierung weiterhilft. Ein Arztgespräch und eine individuelle
Abklärung kann dieser Ratgeber natürlich nicht ersetzen.
Ihre Deutsche Leberhilfe e. V.                                                                     Stand: September 2019

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DILI: Was ist das?                                               Leber und Arzneimittel: meistens
Wenn bei Ihnen der Verdacht auf einen Leberschaden               Routine, manchmal ein Problem
durch Arznei- oder Naturheilmittel besteht, begegnet
Ihnen vielleicht auch der Begriff „DILI“. DILI ist eine Abkür-   Kaum ein Organ nimmt im Körper so viele Aufgaben wahr
zung für den englischen Begriff „drug-induced liver              wie die Leber. Mit 1,5 Kilogramm ist sie das größte und
injury“, also ein durch ein Medikament (drug) bedingter          schwerste Organ. Jede Minute strömen anderthalb Liter
(induced) Leberschaden (liver injury).                           Blut aus dem Magen-Darm-Trakt durch die Leber, welche
Ein DILI kann sich auf unterschiedliche Art zeigen. Bei          Nährstoffe verarbeitet und speichert. Die Leber spielt
manchen Betroffenen werden die Leberzellen (Hepato-              zudem eine wichtige Rolle im Hormonstoffwechsel, der
zyten) akut oder chronisch geschädigt. Bei anderen               Verdauung, dem Immunsystem und der Blutgerinnung.
Betroffenen tritt ein akuter oder chronischer Gallestau auf.
Es gibt zudem Mischformen, wo sowohl Leberzellen ge-
schädigt werden als auch ein Gallestau auftritt. Wie ernst
ein DILI für die Leber wird, ist je nach Mensch sehr unter-
schiedlich. Bei manchen Betroffenen sieht man nur eine
leichte Erhöhung von Leberwerten im Blutbild. Bei anderen
kommt es zum massiven Untergang von Leberzellen oder
sogar zum lebensgefährlichen Leberversagen.
Auch eine Leberverfettung kann bei verschiedenen
Medikamenten auftreten. Bei einigen HIV-Medikamenten
wurde dies ebenso beobachtet wie unter Chemotherapien
oder Behandlungen mit Prednisolon. Der Einfluss kann
sowohl direkt vom Medikament über den Stoffwechsel
erfolgen, aber auch indirekt – so kann z. B. Prednisolon zu
Heißhungerattacken führen, die dann eine Gewichts-
zunahme und dadurch auch eine Verfettung der Leber zur           Zu den vielen Aufgaben der Leber gehört auch die Ver-
Folge haben können.                                              arbeitung von Arzneimitteln. Diese werden im Magen-
Nicht jeder erhöhte Laborwert bei Medikamentenein-               Darm-Trakt aufgenommen und über das Blut der Leber
nahme ist dabei schon ein Grund zur Sorge: Wenn z. B. die        zugeführt. In den Leberzellen werden Medikamente umge-
Gamma-GT als einziger Wert erhöht ist, sollte dies zwar          baut: Bei einigen Arzneimitteln ist dies ein notwendiger
abgeklärt werden, beweist aber noch keinen Leberschaden.         Schritt, durch den diese überhaupt erst ihre Wirksamkeit
Die Gamma-GT kann auch durch andere Organe wie Herz,             entfalten können. Andere Bestandteile werden dagegen
Nieren und Bauchspeicheldrüse beeinflusst werden. Bei            inaktiviert und so umgewandelt, dass sie anschließend
DILI sind häufig mehrere Leberwerte auffällig erhöht.            über Nieren oder die Galle ausgeschieden werden können.

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Wenn Medikamente mit dem Blut zum ersten Mal durch           b) Wechselwirkungen
die Leber gespült werden, werden diese oft noch nicht
vollständig verarbeitet und abgebaut; dies erfolgt häufig    Manche Arznei- und Naturheilmittel können sich gegen-
erst, wenn sie später erneut über den Blutkreislauf die      seitig in ihrer Wirkung behindern oder Nebenwirkungen
Leber erreichen. Diese verzögerte Verarbeitung ermöglicht    verstärken. Viele Medikamente steigern die Aktivität der
es Arzneimitteln, auch die anderen Organe im Körper zu       Enzyme, welche für den Abbau zuständig sind. Dadurch
erreichen und dort zu wirken. Bei vielen Menschen funk-      wird gleichzeitig der Arzneimittelstoffwechsel angeregt.
tioniert die Verstoffwechselung ohne Probleme. Der weit      Umgekehrt kann aber der Stoffwechsel auch gehemmt
verbreitete Glaube, dass Medikamente immer leberschäd-       werden: Dies passiert insbesondere, wenn mehrere Sub-
lich sein müssten, stimmt so also nicht.                     stanzen gleichzeitig in die Leber gelangen und sich dort
Allerdings kann es unter bestimmten Umständen dennoch        die Abbauenzyme streitig machen. Dies kann in einigen
zu toxischen Leberschäden kommen. Dies ist nicht nur         Fällen dazu führen, dass auch die Wirksamkeit oder die
durch chemisch definierte Arzneimittel möglich, sondern      Nebenwirkungen eines Medikaments erheblich verschlech-
auch durch Naturheilmittel und andere Substanzen.            tert werden. Naturheilmittel und insbesondere Johannis-
Kommt es zu solchen Leberschäden durch Arznei- oder          kraut können den Abbau vieler Arzneimittel behindern.
Naturheilmittel, dann meist unter folgenden Umständen:       Alkohol kann ebenfalls die Verstoffwechslung von
a) Überdosierungen,                                          Arzneimitteln verändern und toxische Nebenwirkungen
b) Wechselwirkungen,                                         auf die Leber verschlimmern. Auch Grapefruit kann den
c) Qualitätsmängel und                                       Medikamentenstoffwechsel beeinflussen.
d) unvorhersehbare Schäden trotz „normaler“ Einnahme.
Die Grenzen sind oft fließend, so können z. B. Überdosie-
rungen auch durch Wechselwirkungen oder Qualitäts-
mängel entstehen.

a) Überdosierungen

Diese können entstehen,
– wenn ein Medikament in zu hoher Menge eingenom-
   men wird. Besonders bekannt ist z. B. akutes Leber-
   versagen durch Paracetamol-Überdosierungen;               Wechselwirkungen entstehen oft dadurch, dass verschie-
– wenn sich ein Medikament aus anderen Gründen in            dene Arzneimittel sich in der Leber die Abbauwege streitig
   erhöhter Menge im Körper anreichert. Bei fortgeschrit-    machen. Dies ist vergleichbar mit dem Straßenverkehr:
   tener Zirrhose und gestörter Leberfunktion werden zum     Wenn nur ein Auto die Ausfahrt blockiert, kommen auch
   Beispiel viele Medikamente schlechter verstoffwechselt.   andere Autos nicht mehr ans Ziel und stauen sich zurück.

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c) Qualitätsmängel                                             Form von DILI eine eigene Leitlinie verfasst. Eine solche
                                                               Medikamentenschädigung mit unklarer Ursache wird auch
Qualitätsmängel treffen eher selten auf chemisch definier-     als „idiosynkratisches DILI“ bezeichnet. Die Diagnose ebenso
te Substanzen zu, deren Produktion streng kontrolliert         wie die Betreuung sind eine Herausforderung für Ärzte.
wird. Ähnliches gilt für Generika, da es sich hier um eta-     Während Überdosierungen oft schnell innerhalb von Stunden
blierte Medikamente handelt, die in gleicher Weise und         oder weniger Tage ihre toxische Wirkung zeigen, dauert dies
Qualität hergestellt werden wie Originalpräparate.             beim idiosynkratischen DILI viel länger: Die Latenzzeit zwi-
Häufiger wird dieses Problem bei alternativen Substanzen       schen erster Medikamenteneinnahme und den ersten An-
beobachtet, deren Produktion z. T. weniger streng kontrol-     zeichen eines Leberschadens (z. B. erhöhte Leberwerte, Gelb-
liert wird. Betroffen sind insbesondere Naturheilmittel,       sucht, Übelkeit, Oberbauchschmerzen, Bewusstseinseintrü-
Nahrungsergänzungsmittel und Anabolika. Die Zusammen-          bung) kann dort mehrere Tage oder Wochen betragen.
setzung und Menge der Inhaltsstoffe kann schwanken. Oft        Ganz unbeteiligt scheint die Dosis auch beim „idiosynkra-
sind Inhalts- und Zusatzstoffe gerade bei „alternativen“       tischen DILI“ nicht zu sein: 2019 erklärte die europäische
Präparaten mit ungeprüfter Herkunft falsch oder unvoll-        Fachgesellschaft EASL, dass in vielen dieser Fälle eher hohe
ständig angegeben. Bei Kräutermischungen unbekannter           statt niedrige Normaldosierungen eingenommen wurden.
Herkunft wurden zum Teil Verunreinigungen mit In-              Ein fortgeschrittenes Lebensalter und weibliches Ge-
dustriegiften, Schwermetallen oder sogar Beimischungen         schlecht erhöhen wahrscheinlich ebenfalls das Risiko,
von hochwirksamen chemischen Medikamenten gefunden.            durch Medikamente oder Naturheilmittel einen toxischen
                                                               Leberschaden zu erleiden.
                                                               Das Immunsystem und menschliche Gene könnten bei die-
d) Leberschäden trotz normaler Medikamen-                      ser Form von Leberschaden ebenfalls mitbeteiligt sein.
teneinnahme (idiosynkratisches DILI)                           Bestimmte Genveränderungen machen das Immunsystem
                                                               mancher Menschen weniger anpassungsfähig. Bei man-
Mitunter kommt es zu toxischen Leberschäden, obwohl ein        chen DILIs schädigen nicht (allein) direkte toxische Effekte
Arznei- oder Naturheilmittel so eingenommen wurde wie          die Leberzellen, sondern auch autoimmune Reaktionen, bei
vorgeschrieben und keine anderen Risikofaktoren erkenn-        denen das Immunsystem irrtümlicherweise körpereigene
bar sind. Mögliche Gründe können ein langsamerer               Zellen angreift. Dieses Problem kennt man auch von
Stoffwechsel und eine gestörte Immunreaktion durch ver-        Autoimmunkrankheiten wie z. B. einer autoimmunen
änderte Gene sein, aber auch ein direkter toxischer Einfluss   Hepatitis, deren Ursachen bis heute im Dunkeln liegen.
des Medikaments auf die Leber.                                 DILI ist nicht das Gleiche wie eine Autoimmunkrankheit,
Diese Form von DILI ist zwar selten, aber tückisch: In sol-    aber kann manchmal ebenfalls zu immunbedingten
chen Fällen können Leberschäden einen lebergesunden            Schäden führen: Dies macht die Unterscheidung in einigen
Menschen ohne jede Vorwarnung treffen, obwohl die              Fällen schwierig. Bei autoimmunen Lebererkrankungen
Medikamente wie vorgeschrieben eingenommen wurden.             gibt es ebenfalls eine genetische Komponente, ebenso wie
Die europäische Lebergesellschaft EASL hat allein für diese    eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Manchmal kann

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Toxische Leber - erkrankungen durch Medikamente und Naturheilmittel - Deutsche Leberhilfe e. V.
eine autoimmune Lebererkrankung (die möglicherweise         Herstellerfirmen und Arzneimittelbehörden melden. Mehr
schon vorher vorlag) erstmals nach einem toxischen          zu Nebenwirkungsmeldungen finden Sie auf Seite 38.
Leberschaden offen ausbrechen.                              Wenn ein Arzneimittel häufig zu lebertoxischen Schäden
                                                            führt, wird dies oft schon früh in den klinischen Studien
                                                            erkannt, obwohl die Teilnehmerzahlen dort begrenzt sind.
                                                            In den meisten Fällen wird die Entwicklung dann bereits
Wie häufig ist DILI?                                        gestoppt oder – falls die Schädigung dosisabhängig war –
                                                            das Arzneimittel nur noch in deutlich niedrigeren Dosie-
Es ist schwierig, die tatsächliche Verbreitung von Leber-   rungen weiter untersucht.
schäden durch Arznei- oder Naturheilmittel einzuschätzen.   Seltener, dadurch schwerer vorhersehbar und kaum ver-
Viele dieser Schäden werden nicht als solche erkannt und    meidbar sind dagegen die idiosynkratischen DILI: Diese
tauchen gar nicht erst in der Statistik auf.                toxischen Nebenwirkungen werden häufig erstmals beob-
Bei zugelassenen Substanzen ist man auf Ärzte und           achtet, wenn ein Arzneimittel schon zugelassen ist und bei
Patienten angewiesen, welche solche Ereignisse den          größeren Patientengruppen angewendet wird. Wenn ein
                                                            Medikament bei 1.000 Studienpatienten noch gut verträg-
                                                            lich und sicher aussieht, ist dies zwar erst einmal erfreulich
                                                            und beruhigend – aber wenn 100.000 Menschen dieses
                                                            Präparat erhalten, können trotzdem noch neue Neben-
                                                            wirkungen und Komplikationen auftreten. Aus diesem
                                                            Grund werden gerade neu zugelassene Medikamente von
                                                            den Arzneimittelbehörden besonders überwacht. Dies wird
                                                            im Beipackzettel oft durch ein schwarzes Dreieck und
                                                            einen Warnhinweis kenntlich gemacht.
                                                            Oft lassen sich DILI nur in rückblickenden Studien feststel-
                                                            len, wenn diese Leberschäden also bereits eingetreten sind.
                                                            Solche Fallberichte sind nicht immer leicht einzuordnen,
                                                            weil diese je nach Mensch unter unterschiedlichen Um-
                                                            ständen eintraten (Alter, Begleiterkrankungen, Begleitme-
                                                            dikamente etc.). Dies macht es bislang auch schwer bis un-
                                                            möglich, bei einem einzelnen Menschen vor der Einnahme
                                                            eines Arzneimittels zu wissen, ob es ausgerechnet hier zu
                                                            einem toxischen Leberschaden kommen könnte.
                                                            Es gibt ebenfalls keine eindeutige Antwort auf die Frage,
DILI durch Arznei- und Naturheilmittel: Wir sehen wahr-     ob chemisch definierte Arzneimittel oder Naturheilmittel
scheinlich nur die Spitze des Eisbergs.                     häufiger zu lebertoxischen Nebenwirkungen führen:

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Toxische Leber - erkrankungen durch Medikamente und Naturheilmittel - Deutsche Leberhilfe e. V.
Möglicherweise hängt dies mit davon ab, wie häufig oder
selten bestimmte Arznei- oder Naturheilmittel je nach
Land und Gesellschaft konsumiert werden. In Europa und
                                                                  Fallberichte: Leberschäden
den USA gelten chemisch definierte Arzneimittel nach wie        durch zugelassene Arzneimittel
vor als häufigste DILI-Ursache; in Asien sollen dagegen
                                                                    Hinweis: Dies ist keine Verbotsliste! Die Einnahme
komplementäre und alternative Arzneien öfter der Grund                sollte individuell ärztlich besprochen werden.
sein, wie die EASL-Leitlinie erklärt.
Im DILIN-Register (Drug Induced Liver Injury Network) aus                 vorhersehbare Leberschäden z. B. bei
den USA, welches Fallberichte sammelt und auswertet,                       Überdosierung (intrinsisches DILI):
waren im Jahr 2014 noch 80 % der DILI-Fallberichte durch
                                                                 Amiodaron*                             HIV-Medikamente (HAART)
chemisch definierte Arzneimittel bedingt. Der Anteil ande-
                                                                 Anabolika                              Heparin
rer Substanzen (Naturheil- und Nahrungsergänzungsmittel
                                                                 Antimetabolite                         Nikotinsäure
sowie Anabolika) lag bei 20 %; dieser Anteil scheint zuzu-
                                                                 Cholestyramin**                        Paracetamol
nehmen, da er zehn Jahre zuvor noch bei 7 % lag.
                                                                 Cyclosporin                            Statine*
Auf den folgenden Seiten finden Sie zwei Tabellen. Die
                                                                 Valproinsäure                          Tacrin**
erste vergleicht vorhersehbare und unvorhersehbare Leber-
schäden bei zugelassenen Arzneimitteln. Die zweite gibt
                                                                   seltene, unvorhersehbare, auch in Normaldosis
einen Überblick, welche Arten von Leberschäden unter be-
                                                                     mögliche Schäden (idiosynkratisches DILI):
stimmten Medikamenten beobachtet wurden. Dies waren
meist seltene, aber zum Teil ernste Einzelfälle. Die Tabellen    Allopurinol                Flutamid                   Phenytoin
sollen im Verdachtsfall bei der Ursachensuche helfen.            Amiodaron*                 Halothan                   Pyrazinamid
Wichtiger Hinweis: Dies sind keine Verbotslisten und             Amoxicillin-               Isoniazid                  Propylthiouracil
bedeuten auch nicht, dass jeder Mensch durch diese Mittel         Clavulansäure             Ketoconazol                Statine*
Leberprobleme bekäme! Manchmal haben selbst Leber-               Bosentan                   Leflunomid                 Sulfonamid
kranke zusätzliche Begleiterkrankungen, welche die Ein-          Dantrolen                  Lisinopril                 Terbinafin
nahme mancher dieser Mittel erforderlich machen können.          Diclofenac                 Lapatinib                  Ticlopidin
Im Einzelfall muss die Einnahme daher ärztlich geklärt           Disulfiram                 Methyldopa                 Tolvaptan
werden.                                                          Felbamat                   Minocyclin                 Toclapon
                                                                 Fenofibrat                 Nitrofurantoin             Trovafloxacin
                                                                 Flucloxacillin             Pazopanib

                                                                 * Diese Medikamente tauchen in beiden Kategorien auf.
                                                                 ** leicht erhöhter Leberwert (GPT) ohne Gelbsucht

                                                                Tabelle modifziert nach: EASL Clinical Practice Guidelines: Drug-induced
                                                                liver injury. J Hepatol (2019), https://doi.org/10.1016/j.jhep.2019.02.014

12 • Deutsche Leberhilfe e. V.                                                                           Deutsche Leberhilfe e. V. • 13
Toxische Leber - erkrankungen durch Medikamente und Naturheilmittel - Deutsche Leberhilfe e. V.
Verschiedene Formen von toxischen Leberschäden je nach Arzneimittel (1)
  Art der Schädigung       Was ist das?                                     Bei welchen Arzneimitteln/Substanzen beobachtet?

  idiosynkratisches DILI   unerwartete/untypische Leberschä-                antimikrobielle Substanzen: Amoxicillin-Clavulanat, Erythro-
                           digung durch ein Mittel trotz nor-               mycin, Flucloxacillin, Interferon alpha/Peginterferon, Isoniazid,
                           maler Einnahme, welche Leberzellen,              Ketoconazol, Minocyclin, Nevirapin, Nitrofurantoin, Pyrazinamid,
                           Gallengänge oder beides betrifft.                Rifampicin, Cotrimoxazol und Sulfonamide
                           Ob eher Leberzellen oder Gallengänge oder        zentrales Nervensystem: Carbamazepin, Chlorpromazin, Dantrolen,
                           beide betroffen sind, wird anhand von zwei       Halothan, Phenytoin und Valproate
                           Laborwerten bei der ersten Untersuchung ein-
                                                                            kardiovaskulär: Amiodaron, Hydralazin, Methyldopa, Quinidine,
                           geschätzt: der GPT und der alkalischen Phos-
                           phatase (AP) sowie dem Verhältnis der beiden     Statine (Atorvastatin und Simvastatin)
                           Werte zueinander (GPT/AP-Verhältnis).            immunomodulatorisch: Azathioprin/6-Mercaptopurin, Infliximab,
                           hepatozelluläres Muster (Leberzellen):           Interferon beta, Methotrexat und Thioguanin
                           – AP normal, aber GPT mindestens fünffach        antineoplastisch: Busulfan, Floxuridin und Flutamid
                             erhöht oder
                                                                            rheumatologisch: Allopurinol, Auronofin/Goldverbindungen,
                           – GPT geteilt durch AP = größer oder gleich 5
                                                                            Diclofenac, Ibuprofen, Nimesulid and Sulindac
                           cholestatisches Muster (Gallestau):
                           – GPT normal, aber alkalische Phosphatase        endokrin: anabolisch androgene Steroide, Östrogene/Progestine
                             mindestens zweifach erhöht oder                und Propylthiouracil
                           – GPT geteilt durch AP = kleiner oder gleich 2   andere: Disulfiram und Ticlopidin
                           gemischtes Muster: GPT geteilt durch AP =
                           größer als 2 und kleiner als 5
                           chronisches DILI: zunächst akutes DILI und ein
                           Jahr später weiterhin aktive Leberschädigung

  DRESS-Syndrom            schwere Arzneimittelreaktion mit                 Antikonvulsiva (Carbamazepin, Phenytoin und Phenobarbital),
                           Fieber, Hautausschlag, hohen Leber-              Minocyclin, Allopurinol, Abacavir und Nevirapin
                           werten und Beteiligung mehrerer
                           Organe (z. B. Leber, Herz, Lunge,
                           Nieren)

  autoimmune Hepatitis     akutes DILI und Laborwerte und/oder              Diclofenac, Halothan, Indomethacin, Infliximab, Methyldopa,
                           Zellveränderungen in der Leber-                  Minocycline, Nitrofurantoin und Statine
                           punktion, die typisch für eine auto-
                           immune Hepatitis sind                                                          Fortsetzung auf den nächsten beiden Seiten
Toxische Leber - erkrankungen durch Medikamente und Naturheilmittel - Deutsche Leberhilfe e. V.
Fortsetzung von der vorherigen Seite:

Verschiedene Formen von toxischen Leberschäden je nach Arzneimittel (2)
    Art der Schädigung          Was ist das?                                     Bei welchen Arzneimitteln/Substanzen beobachtet?

    Sekundär sklerosie-         akutes DILI und Befund in der                    Amiodaron, Atorvastatin, Amoxicillin-Clavulanat, Gabapentin,
    rende Cholangitis           Biopsie und/oder Magnetresonanz-                 Infliximab, 6-Mercaptopurine, Sevofluran und Venlafaxin
    (SSC)                       Cholangiopankreatkografie, der
                                ähnlich wie bei einer Primär sklero-
                                sierenden Cholangitis (PSC) aussieht

    Vanishing Bile Duct         chronischer Gallestau mit Verlust                Azathioprin, Androgene, Amoxicillin-Clavulanat, Carbama-
    Syndrome (VBDS)             der Gallengänge                                  zepin, Chlorpromazin, Erythromycin, Estradiol, Flucloxacillin,
                                                                                 Phenytoin, Terbinafine und Co-trimoxazol

    granulomatöse               in der Biopsie Leberentzündung mit               Allopurinol, Carbamazepin, Methyldopa, Phenytoin, Quinidin
    Hepatitis                   kleinen Zellknötchen (Granulomen)                und Sulphonamid
                                aus mononukleären Zellen in der
                                Leber

    akute Fettleber             seltenes Syndrom, Gefahr von Leber-              Amiodaron, Didanosin, Stavudin, Valproat und Zalcitabin
                                und Multiorganversagen, gleichzeitig
                                massive mikrovesikuläre Leberverfet-
                                tung. Dies ist nicht das Gleiche wie
                                die allgemeine Diagnose „Fettleber“!

    arzneimittelbedingte        durch Arzneimittel bedingte, nicht-              Methotrexat, 5-Fluorouracil, Irinotecan, Tamoxifen, Cortico-
    Fettlebererkrankung         alkoholische Fettlebererkrankung                 steroide, Lomitapid und Mipomersen

    noduläre regenera-          kleine Regeneratknoten in der Leber,             Azathioprin, Busulphan, Bleomycin, Cyclophosphamid, Chlor-
    tive Hyperplasie            aber keine Zirrhose: Die Portalfeld-             ambucil, Cystein-Arabinosid, Carmustin, Doxorubicin, 6-Thio-
                                architektur bleibt gewahrt.                      guanin und Oxaliplatin

    Lebertumoren                Leberzelladenome oder Leberzell-                 anabole androgene Steroide und orale Kontrazeptiva
                                karzinome (HCC) in Bildgebung

 Hinweis: Diese Tabelle beruht auf Fallberichten, aber ist keine Verbotsliste. Einige der hier genannten Mittel werden – in Absprache mit ihren Ärzten –
 sogar von chronisch Leberkranken eingenommen.

                                                                                             Tabelle modifziert nach: EASL Clinical Practice Guidelines: Drug-induced liver
                                                                                                        injury. J Hepatol (2019), https://doi.org/10.1016/j.jhep.2019.02.014
Toxische Leber - erkrankungen durch Medikamente und Naturheilmittel - Deutsche Leberhilfe e. V.
mittel werden ebenfalls von pharmazeutischen Unterneh-
Leberschäden durch alternative                                   men hergestellt. Manche Hersteller bieten sowohl alter-
Mittel: Wie kann das sein?                                       native als auch chemisch definierte Arzneimittel an.
                                                                 Bei toxischen Leberschäden durch alternative Substanzen
Naturheil- und Nahrungsergänzungsmittel genießen bei             gibt es viele Gemeinsamkeiten mit Leberschäden durch
breiten Teilen der Bevölkerung den Ruf, aufgrund ihrer           chemisch definierte Arzneimittel: Überdosierungen oder
natürlichen Bestandteile immer gesund und harmlos zu             Wechselwirkungen sind in beiden Fällen riskant. Mensch-
sein. Leider ist aber auch die Natur nicht immer unschäd-        liche Gene könnten bei Naturheilmitteln ebenso wie
lich: So finden sich in der Natur nicht nur lebenswichtige       Arzneimitteln das individuelle Risiko erhöhen, ein idiosyn-
Nahrungsmittel und medizinisch wirksame Kräuter, son-            kratisches DILI zu erleiden – also völlig überraschend einen
                                                                 Leberschaden zu entwickeln, obwohl ein Mittel wie vorge-
                                                                 schrieben in normaler Dosis eingenommen wurde.
                                                                 Es gibt jedoch auch Unterschiede; diese betreffen z. T. die
                                                                 Herstellungsprozesse und Informationsbeilagen alternativer
                                                                 Substanzen. Kommunikationsfehler und falsche Erwartun-
                                                                 gen im Alltag führen zudem dazu, dass Leberschäden durch
                                                                 alternative Mittel häufig erst später erkannt werden.
                                                                 Der alternativmedizinische Markt ist insgesamt weniger
                                                                 reguliert als der Markt der chemisch definierten Arznei-
                                                                 mittel. In der Regel wird ein neues Arzneimittel über viele
                                                                 Jahre in Tierexperimenten und Menschenstudien auf seine
                                                                 Wirksamkeit und Sicherheit geprüft, bevor die Hersteller-
                                                                 firma überhaupt eine Zulassung beantragen darf. Hierfür
dern auch einige der tödlichsten Gifte (z. B. Tollkirsche oder   muss die Firma ihre vollständigen Studiendaten bei der
Knollenblätterpilz). Individuelle Unverträglichkeiten sind       zuständigen Arzneimittelbehörde einreichen. Die Behörde
grundsätzlich auch bei natürlichen Substanzen möglich.           prüft diese Daten und entscheidet anschließend über die
Für Naturheil- und Nahrungsergänzungsmittel gibt es              Marktzulassung. Nur etwa eine von 5.000 Substanzen im
einen großen Markt – ähnlich wie für chemisch definierte         Labor besteht alle klinischen Prüfungen und landet als fer-
Arzneimittel. In Deutschland wurden laut der Wirschafts-         tiges Medikament in der Apotheke. Nach der Zulassung
plattform Statista im Jahr 2018 mit alternativmedizini-          wird die Sicherheit eines Arzneimittels weiter überwacht.
schen Mitteln Umsätze von gut zwei Milliarden Euro               Treten im Praxisalltag neue Nebenwirkungen oder Kompli-
gemacht. Wie groß Angebot und Nachfrage im Alternativ-           kationen auf, müssen Ärzte ebenso wie die Hersteller-
bereich sind, zeigt der Blick in das breite Sortiment von        firmen umgehend eine Verdachtsmeldung an die Arznei-
Onlineanbietern und die vollen Regale in Apotheken und           mittelbehörden machen. Dieses System der Arzneimittel-
Drogeriemärkten. Naturheil- und Nahrungsergänzungs-              überwachung nennt sich „Pharmakovigilanz“ und ist in

18 • Deutsche Leberhilfe e. V.                                                                  Deutsche Leberhilfe e. V. • 19
Deutschland seit 1978 gesetzlich verankert. Wenn sich ein    Besonders riskant sind Produkte unklarer Herkunft, welche
Verdacht auf eine neue Nebenwirkung erhärtet, hat dies       über das Internet angeboten und häufig an sämtlichen
Konsequenzen: Mal wird der Beipackzettel um Warnhin-         Kontrollinstanzen vorbei verkauft werden. Einige Kräuter-
weise ergänzt, manchmal verschickt die Herstellerfirma       mischungen werden von Hand hergestellt und die Wirk-
auch ein Rundschreiben an Ärzte („Rote-Hand-Brief“) und      stoffmengen sind sehr unterschiedlich zusammengesetzt.
weist auf die neu erkannte Neben- oder Wechselwirkung        Bei Laboruntersuchungen wurden in einigen Fällen Verun-
hin. In Extremfällen kann die Zulassung eines Medikaments    reinigungen mit Schwermetallen und Umweltgiften ent-
eingeschränkt oder ganz zurückgezogen werden.                deckt. Mitunter wurden sogar heimliche Beimischungen
Diese Vorgaben gelten eigentlich gleichermaßen für che-      von hochwirksamen, chemischen Arzneimitteln gefunden.
mische und pflanzliche Arzneimittel: Toxische Leber-         Viele Betroffene denken zunächst nicht an die Möglichkeit,
schäden führten im Jahr 2000 zur Marktrücknahme des          dass ausgerechnet ihr Naturheil- oder Nahrungsergän-
Diabetesmittels Troglitazon und 2010 des Lungenarznei-       zungsmittel die Ursache ihrer Beschwerden sein könnte.
mittels Sitaxentan. Rezeptfreie pflanzliche Kava-Kava-Prä-   Manche Patienten erhöhen sogar noch die Dosis in der
parate gegen Angstzustände wurden 2007 vom deutschen         Hoffnung, dass es ihnen dann schneller wieder besser gehe.
Markt genommen, nachdem es umstrittene Verdachtsfälle        Auch im Arztgespräch geben Patienten oft nicht die Ein-
von Leberschäden gab, und erst 2015 als rezeptpflichtige     nahme alternativer Substanzen an, entweder weil sie gar
Mittel unter strengen Sicherheitsauflagen wieder zugelas-    nicht daran denken, oder weil sie verständnislose bzw.
sen. Seit 2018 darf das Schöllkraut-haltige Magenmittel      negative Reaktionen ihrer Ärzte befürchten. Toxische
Iberogast® laut Beipackzettel nicht mehr eingenommen         Leberschäden durch alternative Mittel werden daher oft
werden, wenn Patienten schwanger oder leberkrank sind        noch später entdeckt als Arzneimittelschäden.
bzw. andere leberbelastende Medikamente benötigen.           Im amerikanischen DILIN-Register war nur eine Minderheit
Einzelne Hersteller alternativer Mittel haben in der         (20 %) der gemeldeten Leberschäden durch alternative
Vergangenheit versucht, die Vorgaben zu umgehen, indem       Substanzen verursacht. Wenn es zu solchen Schäden kam,
sie ihre Produkte nicht als Heilmittel, sondern als          gab es im Verhältnis aber mehr schwere und tödliche
„Nahrungsergänzungsmittel“ deklarierten (z. B. Nonisaft).    Verläufe als bei chemisch definierten Arzneimitteln; dies
Nahrungsergänzungsmittel unterliegen weniger strengen        könnte zumindest teilweise auf verspätete Diagnosen,
Regelungen, allerdings darf für diese keine medizinische     späteres Absetzen oder Überdosierungen dieser Mittel
Wirksamkeit versprochen oder suggeriert werden.              zurückgehen.
Ein weiteres Problem: Inhaltsstoffe werden bei Naturarz-     Daher empfiehlt die europäische EASL-Leitlinie allen
neien, Nahrungsergänzungsmitteln und auch Bodybuilding-      Fachärzten, ihre Patienten aktiv nach der Einnahme von
Produkten oft ungenau oder unvollständig angegeben.          alternativen Mitteln zu befragen. Umgekehrt sollten
Selbst vorsichtige Verbraucher, welche die Beipackzettel     Patienten ihre behandelnden Ärzte über alles informieren,
oder Verpackungsangaben lesen, können dann nicht             was sie einnehmen: rezeptfreie Arznei-, Naturheil- und
erkennen, ob ihr Mittel möglicherweise noch weitere Sub-     Nahrungsergänzungsmittel sowie andere (ggf. auch nicht
stanzen enthält.                                             legale) Substanzen.

20 • Deutsche Leberhilfe e. V.                                                             Deutsche Leberhilfe e. V. • 21
Fallberichte: Leberschäden durch pflanzliche                                pflanzliche Mittel aus Asien                                 Welcher Schaden:
   Mittel und Nahrungsergänzungsmittel                                      (chinesisch, japanisch, ayurvedisch):
                                                                            Lycopodium serratum (Jin Bu Huan)                            AHH, ACH, ALV
Hinweis: Dies ist keine Verbotsliste (mit Ausnahme illegaler oder nicht
zugelassener Mittel). Das Risiko-Nutzen-Verhältnis ist aber z . T. nicht    Ephedra (Ma Huang)                                           AHH mit Autoimmunität
  eingehend untersucht, und wir raten grundsätzlich zur Vorsicht:           Sho-Saiko-To (Xiao-Chai-Hu-Tang;                             AHH/chronische
  Bevor Sie hiervon etwas nehmen, suchen Sie bitte ärztlichen Rat!          komplexe Mischung)                                           Hepatitis
                                                                            Dai-Saiko-To (komplexe Mischung)                             AHH mit Autoimmunität
pflanzliche Mittel:                            Welcher Schaden:             Chaso und Onshido                                            AHH, ACH, ALV
Pyrrolizidinalkaloide, z. B. in Crotalaria,    venöse okklusive Leber-      Boh-Gol-Zhee/Bu Ku Zi                                        ACH
Senecio, Heliotropium, Symphytum offici-       krankheit (akut oder
                                                                            Polygonum multiflorum (Shou-Wu-Pian)                         AHH, ACH
nale (Beinwell)                                chronisch)
                                                                            Ganoderma lucidum (Linghzi)                                  AHH
Gamander (Teucrium chamaedrys)                 AHH, ACH, ALV,
                                               chronische Hepatitis,        Brena officinalis (Chi R Yun)                                AHH
                                               Zirrhose, Cholangitis        Dysosma pleiantha (Boh-Gol-Zhee)                             AHH
Polei-Gamander (Teucrium polium)               AHH, ACH, ALV
Leimdistel (Atractylis gummifera L.)           AHH, ACH, ALV                Nahrungsergänzungsmittel:                                    Welcher Schaden:
Südafrikanische Ox-Eye Daisy                   AHH, ALV                     Usninsäure mit anderen Inhaltsstoffen:
(Callilepis laureola L.)                                                    – LipoKinetix®                                               AHH, ALV
Polei-Minze/Flohkraut (Mentha pulegium)        AHH, ACH, ALV                – UCP-1®                                                     AHH, ALV
Frauenminze (Hedeoma pulegioides)              AHH, ACH, ALV                – Oxy ELITE®                                                 AHH, ALV
Schöllkraut*, z. B. in Iberogast®              AHH, ACH, ALV, chron.        Hydroxycut®                                                  AHH, ACH, ALV,
(Chelidonium majus)                            Hepatitis, Cholangitis                                                                    AHH mit Autoimmunität
Kava-kava (Piper methysticum)                  AHH, ACH, ALV,               Linolsäure                                                   AHH
                                               chronische Hepatitis         Plethoryl® (Vitamin A)                                       AHH, ACH, chronische
Grüntee-Extrakt (Camellia sinensis)            AHH, ACH, ALV                                                                             Hepatitis, Zirrhose
Traubensilberkerze (Actaea racemosa)           AHH, ACH                     illegale Anabolika                                           AHH, ACH, Leberadenom,
                                                                                                                                         HCC, venöse okklusive
Nonisaft (Morinda citrifolia)                  AHH, ACH, ALV
                                                                                                                                         Leberkrankheit
Sägepalme (Serenoa)                            ACH
Niembaum (Azadirachta indica)                  Mikrovesikuläre Steatose      Abkürzungen:
Khat (Catha edulis)                            AHH, ACH, ALV                 ACH = akute cholestatische Hepatitis, Leberentzündung mit Gallestau
Borretsch (Borago officinalis)                 AHH, ACH                      AHH = akute hepatozelluläre Hepatitis, Leberentzündung der
Sennes (Cassia angustifolia)                   AHH, ACH                      Hepatozyten ––– ALV = akutes Leberversagen

Kreosotbusch (Larrea tridentata)               AHH, ACH, Cholangitis,      * Schöllkraut-haltige Mittel sind bei bestehenden oder stattgehabten Lebererkrankungen,
                                               chronische Hepatitis,         Einnahme anderer lebertoxischer Arzneimittel sowie Schwangerschaft kontraindiziert.

                                               Zirrhose                    Tabelle modifziert nach: EASL Clinical Practice Guidelines: Drug-induced liver injury.
                                                                           J Hepatol (2019), https://doi.org/10.1016/j.jhep.2019.02.014
ment schon vergleichbare Fälle von Leberschäden bekannt
Wie diagnostiziert man ein DILI?                              sind.
Es ist nur bei bestimmten Medikamenten wie z. B. verschie-    Je mehr Aspekte zusammenpassen, desto wahrscheinlicher
denen Tumor-, HIV- oder Immuntherapien üblich, vorsorg-       oder sicherer ist die Diagnose. Wichtig sind eine Befragung
lich die Leberwerte zu überwachen. Daher fällt zum Teil       der Betroffenen oder ihrer Angehörigen, wie lange das
erst durch Symptome wie z. B. eine Gelbfärbung der Haut       Medikament in welcher Dosis eingenommen wurde, ob es
und Augen, Übelkeit, Druckschmerzen im rechten Ober-          Begleitmedikationen gibt und wann erste Beschwerden
bauch oder gar Bewusstseinseintrübungen auf, dass even-       auftraten. Laboruntersuchungen sind dringend notwendig,
tuell etwas mit der Leber nicht stimmt. Bei Medikamenten      je nach Art der Erkrankung auch organische Untersuchun-
mit bekanntem Leberrisiko sollten Ärzte ihre Patienten über   gen. Ultraschall gehört immer dazu. Ob spezifischere, inva-
mögliche Symptome informieren und anweisen, dann              sive Untersuchungen wie eine Leberpunktion nötig sind,
                                                              hängt im Einzelfall davon ab, in welche Richtung der
                                                              Verdacht geht.
                                                              Laborwerte können einen ersten Hinweis liefern, ob eher
                                                              die Leberzellen (Hepatozyten) betroffen sind, ob es sich um
                                                              einen Gallestau handelt oder eine Mischform aus beiden
                      DILI oder                               Erkrankungen. Stark erhöhte GPT (ALT) und GOT (AST) fin-
                      andere                                  den sich eher, wenn die Leberzellen, also die Hepatozyten
                                                              geschädigt werden. Eine stark erhöhte Gamma-GT (γ-GT,
                      Ursache?                                GGT) und alkalische Phosphatase (AP) weisen eher auf
                                                              Probleme mit den Gallengängen bzw. Gallestau hin, also
                                                              eine Cholestase. Endgültige Antworten liefern diese Labor-
                                                              werte zwar nicht und können auch bei zahlreichen ande-
                                                              ren, nicht toxischen Lebererkrankungen erhöht sein; sie
schnell vorstellig zu werden, um weitere Untersuchungen       liefern aber einen wichtigen Puzzlestein für die Diagnose.
zu veranlassen.                                               Auf der folgenden Seite finden Sie eine Übersicht, welche
Meist gibt es keinen einzelnen Laborwert und keine einzelne   Art von Leberschädigung bei unterschiedlichen Substanzen
organische Untersuchung, welche einen toxischen Leber-        eher im Laborbild beobachtet wurde.
schaden sofort eindeutig feststellen könnte; nur selten ist   Ein Großteil der DILI-Diagnostik besteht darin, zunächst
die Situation schnell so eindeutig wie nach einer Parace-     andere Erkrankungen auszuschließen. Die Leber kann auch
tamol-Überdosierung. Die Diagnose eines DILI ist an-          durch Infektionskrankheiten, Alkohol sowie durch autoim-
spruchsvoll und umfasst sowohl Laboruntersuchungen,           mune oder Stoffwechselerkrankungen geschädigt werden,
organische Untersuchungen, den Ausschluss anderer             wodurch z. T. ähnliche Symptome und Krankheitszeichen
Erkrankungen, eine individuelle Erhebung der Krankenge-       entstehen können. Die Unterscheidung ist wichtig, da
schichte und eine Recherche, inwieweit für ein Medika-        andere Erkrankungen ganz anders behandelt oder beglei-

24 • Deutsche Leberhilfe e. V.                                                               Deutsche Leberhilfe e. V. • 25
Laborwerte bei DILI: Schädigungs-
                                                                                                                        tet werden; und natürlich will man keine wichtigen Medi-
muster je nach Mittel                                                                                                   kamente aufgrund eines falschen Verdachts absetzen.
                                                                                                                        Manche vermeintlichen Arzneimittelschäden entpuppen
  Leberzellen                                 Gallestau                               Mischung aus                      sich stattdessen als Infektionen mit Hepatitis-C- oder
(hepatozellulär)                           (cholestatisch)                               beidem                         Hepatitis-E-Viren. Antikörper gegen diese Infektionen wer-
 Allopurinol                               Amoxicillin-                              Allopurinol                        den oft erst nach mehreren Wochen oder gar Monaten
 Clindamycin                                 Clavulansäure                           Azathioprin                        positiv. Neuinfektionen mit diesen Viren können daher
 Clopidogrel                               Anabolika                                 Carbamazepin                       zunächst übersehen werden, falls sich die Diagnostik auf
 Disulfiram                                Captopril                                 Chlorpromazin
                                                                                                                        die normalerweise üblichen Antikörpertests beschränkt. In
 Fluoxetin                                 Cefazolin                                 Clindamycin
                                                                                                                        den ersten Wochen lassen sich solche Infektionen nur
 Flutamid                                  Chlorpromazin                             Cyproheptadin
 Imatinib                                  Cyproheptadin                             Doxycyclin                         durch einen kostenaufwendigen PCR-Test erkennen, der
 Interferon alpha                          Enalapril                                 Methimazol                         direkt nach diesen Viren sucht und von Krankenkassen nur
   und beta                                Griseofulvin                              Mycophenolat                       unter bestimmten Umständen erstattet wird.
 Irbesartan                                Macrolide                                   mofetil                          Zur Ausschlussdiagnose gehören auch Fettlebererkrankun-
 Isoniazid                                 Metamizol                                 Phenobarbital                      gen; diese betreffen etwa ein Viertel der Bevölkerung und
 Ketoconazol                               Orale Kontrazeptiva                       Phenytoin                          können bei schwerer Ausprägung ebenfalls zu Symptomen
 Lamotrigin                                Östrogene                                 Sulfonamide
                                                                                                                        und erhöhten Werten führen.
 Levofloxacin                              Sulfonylurea                              Trimethoprim-
                                                                                                                        Erbliche Stoffwechselerkrankungen wie z. B. eine Eisen-
 Lisinopril                                Terbinafin                                  sulfamethoxazole
                                                                                                                        speicherkrankheit (Hämochromatose), Kupferspeicher-
 Losartan                                  Ticlopidin                                Verapamil
 Methotrexat                               Trimethoprim-                                                                krankheit (Morbus Wilson) oder Alpha-1-Antitrypsinmangel
 Methyldopa                                 sulfamethoxazol                                                             müssen ebenso ausgeschlossen werden.
 Minocyclin                                Verapamil                                                                    Besonders schwer ist es, zwischen einem DILI und einer
 Mycophenolat                                                                                                           akuten autoimmunen Hepatitis (AIH) zu unterscheiden,
   mofetil                                                                                                              denn sowohl Laborwerte, Autoantikörper und sogar eine
 Nitrofurantoin                                                                                                         Lebergewebsprobe können bei beiden Erkrankungen gleich
 NSAIDs
                                                                                                                        aussehen. Spezielle Gentests sind in der Praxis noch nicht
 Omeprazol
                                                                                                                        üblich, aber könnten in Zweifelsfällen helfen, früher zwi-
 Paracetamol
 pflanzliche Mittel
                                                                                                                        schen einem DILI und einer autoimmunen Hepatitis zu
 Pyrazinamid                                                                                                            unterscheiden. Die EASL-Leitlinie von 2019 listet hier eini-
 Propylthiouracil                                                                                                       ge Genmutationen mit langen, unaussprechlichen Namen
 Rifampicin                                                                                                             auf: Die HLA-Genmutationen DRB1*03:01 und/oder
 Valproinsäure                                                                                                          DRB1*04:01 finden sich häufiger bei einer autoimmunen
                                                                                                                        Hepatitis. Andere Genmutationen lassen in solchen Situa-
DILI sind selten, aber wenn es dazu kommt, sieht das Blutbild
                                                                                                                        tionen eher einen toxischen Leberschaden vermuten: Dazu
oft je nach Substanz unterschiedlich aus. Bei Leberzellschä-
                                                                                                                        gehören unter anderem HLA DRB1*15:01, B*57:01, A*31:01,
digungen sind eher GPT und GOT stark erhöht, bei Gallestau
eher die Gamma-GT und alkalische Phosphatase (vgl. S. 14).
Tabelle nach: Marrone G et al.: Drug-induced liver injury 2017: the diagnosis is not easy but always to keep in mind.
European Review for Medical and Pharmacological Sciences. 2017; 21 (1 Suppl): 122-134
                                                                                                                                                       Deutsche Leberhilfe e. V. • 27
A*33:01, B*35:02 sowie eine Reihe von Mutationen von            DILI diagnostiziert, was nun?
DRB1*16:01 bis DQB1*05:02.
Cortison kann sowohl eine toxische Leberentzündung als          Bei fast allen toxischen Schäden muss das verantwortliche
auch eine autoimmune Hepatitis abmildern. Mitunter zeigt        Mittel sofort und dauerhaft abgesetzt werden, um weitere
erst der weitere Verlauf, welche der beiden Krankheiten         Schädigungen möglichst zu vermeiden. Ausnahmen, wel-
vorliegt: Schleicht man Cortison bei AIH aus, flammt die        che jedoch im Einzelfall genau geprüft werden müssen,
Entzündung oft schnell wieder auf. Verringert man die           kann es bei bestimmten lebenswichtigen Therapien geben.
Cortison-Dosierung bei DILI und setzt dieses schließlich        In den meisten Fällen ist es brandgefährlich, wenn das
ganz ab, bleibt in der Regel alles ruhig.                       gleiche Mittel absichtlich oder unabsichtlich weiter bzw.
Bei einem DILI-Verdacht muss auch geprüft werden, ob für        wieder eingenommen wird (Reexposition), da dies zu einer
das jeweilige Arznei- oder Naturheilmittel schon solche
Nebenwirkungen bekannt sind. Auf der englischsprachigen
Internetseite livertox.nlm.nih.gov werden Informationen
zu bekannten lebertoxischen Schäden verschiedener
Arznei-, Naturheil- und Nahrungsergänzungsmittel ge-
sammelt und erklärt.
Dies kann ebenfalls helfen, einen Verdacht zu erhärten
oder auch zu entkräften. Wenn z. B. für ein Arzneimittel
bekannt ist, dass dieses erst nach mehrmonatiger Ein-
nahme zu Gallestau führen kann, ein Patient aber schon
nach einer Woche plötzlich eine Leberentzündung
bekommt – ohne Gallestau – dann passt hier etwas nicht
zusammen! Entweder wird hier gerade eine neue Neben-
wirkung dieses Medikaments entdeckt, was durchaus               noch rascheren und schwereren Leberschädigung führen
möglich ist, sehr viel häufiger stellt sich aber heraus, dass   kann als beim ersten Mal und das Risiko für Tod oder Trans-
der Betroffene aus einem anderem Grund leberkrank               plantation hier erheblich steigt.
geworden ist.                                                   In vielen Fällen reicht es bereits, das verdächtige Medi-
                                                                kament, Naturheil- oder Nahrungsergänzungsmittel abzu-
                                                                setzen: Häufig stoppen dann auch die leberschädlichen
                                                                Vorgänge innerhalb weniger Tage oder Wochen und die
                                                                Leber kann sich ganz oder teilweise erholen.
                                                                In seltenen Fällen kann das DILI aber chronisch werden und
                                                                die Leberschädigung weiter bis zu Zirrhose und Leberver-
                                                                sagen voranschreiten, obwohl das verantwortliche Medi-
                                                                kament abgesetzt wurde. Bei bestimmten Schädigungen

28 • Deutsche Leberhilfe e. V.                                                                 Deutsche Leberhilfe e. V. • 29
der Gallengänge trat in Einzelfällen ein Vanishing Bile Duct   Teil werden auch Corticosteroide eingesetzt, wobei unklar
Syndrome auf – ein Syndrom, bei dem die Gallengänge            ist, inwieweit dies die Überlebenschancen ohne Trans-
weiter zerstört werden und verschwinden.                       plantation erhöht.
Es gibt keine Therapie, die gegen jede Form von DILI wirkt.
In manchen Fällen wurden gezielt bestimmte Mittel einge-
setzt, was aber sehr von der Art des toxischen Leber-
schadens abhängt. Wenn Leflunomid oder Terbinafin zum
Leberschaden führen, kann eine kurze, gezielte Choles-
tyramin-Therapie die schädlichen Einflüsse ausbremsen.
Wenn Valproat zur Leberschädigung führt, kann eine intra-
venöse Behandlung mit Carnitin den Verlauf abmildern. Bei
Paracetamol-Schädigung wird N-Acetylcystein oft erfolg-
reich eingesetzt; inwieweit N-Acetylcystein auch bei ande-
ren toxischen Leberschädigungen schützt, ist bislang nicht
ausreichend belegt.
Unklar ist derzeit, wie wirksam Ursodeoxycholsäure gegen
cholestatische Arzneimittelschäden ist.
Bei schweren toxischen Leberschädigungen, an denen das
Immunsystem beteiligt ist, kann Cortison die Entzündung
stoppen. Die Entscheidung sollte idealerweise im Einzelfall
                                                               Chronische Schädigung durch DILI
von einem Ärzteteam aus verschiedenen Fachrichtungen           Derzeit gibt es keine Therapie, welche eine chronische
(inklusive Hepatologen) getroffen werden.                      Leberschädigung (z. B. Fibrose oder Zirrhose) durch DILI
                                                               oder andere Leberkrankheiten zurückbilden kann. Solche
                                                               Mittel zu finden, ist ein Ziel der Forschung.
                                                               Viele Betroffene nehmen Mariendistel- oder Artischocken-
                                                               präparate in der Hoffnung ein, ihre Leber damit zu schüt-
Akutes Leberversagen
                                                               zen. Die Wirksamkeit bei DILI ist nicht untersucht und wird
Akutes Leberversagen ist lebensgefährlich und eine             von Fachärzten bezweifelt, immerhin sind bislang keine
Lebertransplantation häufig die aussichtsreichste Behand-      Leberschäden durch diese Substanzen bekannt.
lung. Im frühen Stadium des akuten Leberversagens kann         Für Artischocken kennen wir keine brauchbaren Daten.
N-Acetylcystein verhindern, dass Begleiterscheinungen wie      Mariendistelpräparate wurden bei anderen Lebererkran-
z. B. schwere Hirnstörungen durch Giftstoffe (hepatische       kungen wie z. B. Hepatitis C, PBC oder Alkoholschäden in
Enzephalopathie) entstehen; möglicherweise hat die             Studien über begrenzte Zeiträume untersucht: Hier wirk-
Substanz auch gewisse schützende Effekte für die Nieren,       ten Mariendistelpräparate leider nicht besser als ein
die bei DILI oft in Mitleidenschaft gezogen werden. Zum        Placebo.

30 • Deutsche Leberhilfe e. V.                                                                Deutsche Leberhilfe e. V. • 31
Ich bin chronisch leberkrank.
                                                             Welche Mittel darf ich nehmen?
                                                             Menschen mit chronischen Lebererkrankungen sind ver-
                                                             ständlicherweise besonders vorsichtig bei der Einnahme
                                                             von Medikamenten. Besonders verunsichernd ist die ver-
                                                             meintliche Volksweisheit „Medikamente belasten doch alle
                                                             die Leber“, welche so nicht ganz richtig ist. Viele Medi-
                                                             kamente werden in der Tat über die Leber verarbeitet, aber:
                                                             Der Leber Arbeit zu geben, ist nicht automatisch das
                                                             Gleiche, wie die Leber zu schädigen!
                                                             Viele Lebererkrankungen erfordern eine gezielte medika-
Für Betroffene, die ihrer Leber „etwas Gutes tun“ wollen,    mentöse Behandlung, die sich nach der Ursache richtet.
sind dies unbefriedigende Nachrichten.                       Hierzu gehören z. B. antivirale Medikamente gegen
Derzeit bleibt nur der Rat, nach einem DILI-Ereignis mög-    Hepatitis-B- und -C-Infektionen, bestimmte Gallensäuren
lichst leberschonend zu leben: An erster Stelle steht, das   für die autoimmune Gallenwegserkrankung PBC, Immun-
verantwortliche Mittel ebenso zu meiden wie Alkohol und      suppressiva bei autoimmuner Hepatitis oder Lebertrans-
Nikotin. Eine Impfung gegen Hepatitis A und B kann rat-      plantierten: Diese notwendigen Medikamente schützen die
sam sein, da diese Infektionen bei einer vorgeschädigten     Leber und bewahren sie vor weiteren Schädigungen. Der
Leber besonders problematisch sein können. Eine allgemein    Nutzen überwiegt hier bei der großen Mehrzahl der
gesunde, ballaststoffhaltige Ernährung mit ausreichend       Patienten mögliche Nebenwirkungen.
Flüssigkeit, Gemüse und Obst schont die Leber, während       Kann ein Medikament für Leberkranke dennoch leber-
Junkfood diese zusätzlich belastet. Der Konsum von Kaffee    schädlich statt schützend wirken? In seltenen Fällen ist
ist zumindest für die Leber erlaubt und könnte laut          dies leider möglich. Bei fortgeschrittener Leberzirrhose, bei
Studien in geringem Maße sogar leberschützend sein.          der die Leberfunktion schon eingeschränkt ist, dürfen
Der Verlauf des Leberschadens sollte zudem weiter beob-      daher Proteasehemmer nicht eingesetzt werden (in
achtet werden. Falls die Erkrankung zu einer fortgeschrit-   bestimmten Hepatitis-C-Medikamenten enthalten). Das
tenen Zirrhose voranschreitet, kann eine begleitende         PBC-Medikament Obeticholsäure darf bei Zirrhose mit ein-
Behandlung von Komplikationen wie z. B. Wasserbauch          geschränkter Leberfunktion nur in deutlich reduzierter
oder Tumoren erforderlich werden, in einigen Fällen auch     Dosis gegeben werden. Das AIH-Medikament Budesonid ist
eine Transplantation.                                        schon bei anfänglicher Leberzirrhose kontraindiziert, da
Bei vielen DILI-Betroffenen bleibt die Leber jedoch nach     Nebenwirkungen hier drastisch zunehmen.
dem Absetzen des verantwortlichen Mittels stabil oder        Manche Arzneimittel wie z. B. das Azathioprin (u. a. bei
kann sich teilweise bzw. sogar ganz erholen.                 autoimmuner Hepatitis eingesetzt) schützen die Mehrheit

32 • Deutsche Leberhilfe e. V.                                                               Deutsche Leberhilfe e. V. • 33
der Betroffenen vor Leberschäden, können aber in einzel-
nen Fällen auch den gegenteiligen Effekt haben: Wenn
unter Azathioprin die Leberwerte ansteigen statt zu fallen,
liegt der Verdacht auf eine lebertoxische Wirkung nahe
und das Medikament wird dann in der Regel schnell abge-
setzt. Ähnliches gilt für Cyclosporin, welches z. B. bei
Lebertransplantierten oft sehr erfolgreich Abstoßungen
verhindert, aber selten auch lebertoxisch wirken kann.
Häufig fragen Leberkranke bei uns nach einer allgemein-
gültigen Liste, welche Medikamente und Naturheilmittel
sie einnehmen dürfen und welche tabu sind. Andere Pa-
tienten haben ein bestimmtes Arzneimittel verschrieben
bekommen und wollen wissen, ob sie dieses denn über-
haupt nehmen dürfen. Betroffene erhoffen sich dann eine
einfache Antwort oder ein Nachschlagewerk, durch wel-
ches sie bei allen Medikamenten und Naturheilmitteln
genau nachlesen können „Dies darf ich immer nehmen, das
hier niemals“. Doch leider müssen wir diese Erwartungen
regelmäßig enttäuschen: Die Verträglichkeit von Arznei-
und Naturheilmitteln ist von Mensch zu Mensch sehr
unterschiedlich – selbst bei Leberkranken mit der gleichen
Grunddiagnose. Daher kann es keine seriöse Erlaubt-
Verboten-Liste geben, die für alle gleichermaßen gilt.        fortgeschrittene Zirrhose im Stadium Child-Pugh B oder C,
Ein sehr häufiges Missverständnis entsteht für chronisch      in welchem die Leberfunktion schon in bedenklichem Maß
Leberkranke beim Lesen des Beipackzettels: Manchmal           abnimmt. Ein genauer Blick in den Beipackzettel oder ggf.
steht dort die Formulierung, man solle das Arzneimittel       die ausführliche Fachinformation ist daher wichtig.
„nicht bei mäßigen oder schweren Leberfunktionsstö-           Nur selten findet sich im Beipackzettel pauschal die Emp-
rungen“ einnehmen. Das Wort „Leberfunktionsstörungen“         fehlung, ein Mittel bei jeglichen und selbst leichten Formen
wird häufig anders verstanden als es gemeint ist:             von Lebererkrankungen gar nicht einzusetzen (z. B. bei Schöll-
Chronisch Leberkranke mit leicht geschädigter Leber füh-      kraut-haltigen Mitteln). Wenn Sie allerdings im Beipackzettel
len sich ebenso vermeintlich angesprochen wie Menschen        solche Hinweise oder die Aufforderung finden, „bei Leber-
mit erhöhten Leberwerten, Fettleber oder einer harmlosen      erkrankungen“ vor der Einnahme mit Ihrem Arzt Rückspra-
Stoffwechselstörung namens Meulengracht. Tatsächlich          che zu halten, befolgen Sie bitte unbedingt diesen Rat!
bezieht sich die Formulierung „Leberfunktionsstörungen“       Chronische Lebererkrankungen erhöhen in bestimmten
aber nur auf schwer Leberkranke: Meist haben diese eine       Fällen tatsächlich das Risiko, dass bestimmte Medikamente

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nen trotz ihrer Risiken weitaus öfter Lebenszeit verlängern
                                                              als diese durch toxische Nebenwirkungen verkürzen. Auf-
                                                              grund der Risiken ist die Therapieentscheidung jedoch bei
                                                              chronisch Leberkranken individuell zu stellen, wie die
                                                              EASL-Leitlinie erklärt.
                                                              Ein besonders häufiges Missverständnis betrifft das
                                                              Paracetamol: Dieses ist als „Leberkiller“ bekannt – aller-
                                                              dings bei Überdosierungen. Diese sind die häufigste
                                                              Ursache für akutes Leberversagen in Europa. Überdosie-
                                                              rungen können sowohl absichtlich als auch unabsichtlich
                                                              entstehen, wenn z. B. Menschen verschiedene Paracetamol-
                                                              haltige Erkältungsmittel gleichzeitig in hoher Dosis ein-
                                                              nehmen und nicht auf die Inhaltsstoffe achten. Paracetamol-
                                                              Überdosierungen sind zu Recht berüchtigt: Sie können
                                                              auch bei Gesunden innerhalb kürzester Zeit ein lebensbe-
                                                              drohliches Leberversagen auslösen. Doch Paracetamol-
schlechter vertragen werden oder gar toxische Leberschä-      Normaldosierungen werden oft so gut vertragen, dass
den (DILI) entstehen: Eine chronische Hepatitis-B- oder -C-   selbst Fachärzte für Lebererkrankungen ihren Patienten
Infektion kann z. B. bei bestimmten HIV-Therapien die         diese empfehlen. Viele Patienten sind dann überrascht,
Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass diese lebertoxisch wir-      weil sie glauben, Paracetamol sei generell bei Lebererkran-
ken. Dies bedeutet für diese Patienten aber natürlich kein    kungen verboten.
Verbot für die überlebenswichtige HIV-Behandlung! Aller-      Die gleiche Sorge vieler Leberkranken betrifft Impfungen:
dings brauchen sie erfahrene Fachärzte, welche das Risiko-    Tatsächlich werden einige Impfungen bei chronischen
Nutzen-Verhältnis ihrer Therapien und Begleiterkrankun-       Lebererkrankungen sogar dringend empfohlen, wie z. B.
gen überblicken und entsprechend überwachen.                  Impfungen gegen Hepatitis A und B, Pneumokokken und
Bestimmte neuartige Tumortherapien, insbesondere mit          Influenza; diese Impfungen schützen vor Infektionen, die
sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, können ebenfalls          für chronisch Leberkranke gefährlich werden und insbe-
häufiger zu Leberschädigungen führen. Dieses Risiko steigt    sondere bei fortgeschrittener Zirrhose lebensbedrohlich
noch mehr, wenn Krebspatienten zusätzlich an einer            verlaufen können.
Virushepatitis oder einer autoimmunen Hepatitis leiden.       Menschen mit vorerkrankter Leber sollten auch grundsätz-
Auch hier würden viele erwarten, dass Checkpoint-             lich beachten, dass viele rezeptfreie Mittel wie Husten-
Inhibitoren dann doch sicher bei chronisch Leberkranken       säfte, Kräutertränke sowie Homöopathika oft mit hoch-
generell verboten seien – doch auch dies ist nicht so: Wer    prozentigen Alkohollösungen versetzt sind; werden diese
diese Medikamente braucht, hat bereits eine fortgeschrit-     in hohem Maß eingenommen, kann dies die bereits
tene Tumorerkrankung, und Checkpoint-Inhibitoren kön-         erkrankte Leber ebenfalls zusätzlich belasten.

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Toxische Leberschäden melden!                                  Fazit
Nebenwirkungen können Sie melden und damit auch                Leberschäden durch Arznei-, Naturheil- oder Nahrungs-
andere schützen. Es gibt hierfür mehrere Möglichkeiten:        ergänzungsmittel (DILI) haben viele Gesichter. Überdosie-
– über behandelnde Ärzte oder Apotheken,                       rungen und Wechselwirkungen sind eine häufige Ursache,
– über die jeweilige Herstellerfirma des Präparates; teil-     ebenso Qualitätsmängel bei alternativen Mitteln aus unbe-
   weise bieten Hersteller im Beipackzettel oder auf ihren     kannten Quellen. Seltener und unberechenbarer sind
   Webseiten eigene Hotlines für Patienten an,                 Leberschäden, die bei zugelassenen und geprüften Arznei-
– online über das Portal nebenwirkungen.pei.de des             oder Naturmitteln sogar in Normaldosierung auftreten
   Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und des Bundesinstituts für    können.
   Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM),                   Die Diagnostik ist komplex und selbst für erfahrene
– telefonisch oder per E-Mail über das BfArM, Tel.:            Fachärzte eine Herausforderung, da andere Lebererkran-
   0228/2073900, E-Mail: uaw@bfarm.de                          kungen z. T. zu ähnlichen Befunden führen können. Es ist
– online über das Portal nebenwirkungen.de der Firma           jedoch wichtig, im Einzelfall das verantwortliche Mittel
   Medikura, welches auch anonyme Meldungen ermög-             rasch zu identifizieren, um dieses schnellstmöglich ab-
   licht und ein anonymes Rückfragesystem anbietet.            zusetzen und eine weitere Leberschädigung zu verhindern.
Zugelassene Arznei- und Naturheilmittel werden durch die       Der Blick in den Beipackzettel ist im Einzelfall ebenso
Arzneimittelbehörden fortlaufend und systematisch über-        unverzichtbar und dringend wie eine Rücksprache mit
wacht. Diese Überwachung („Pharmakovigilanz“) dient der        den behandelnden Ärzten! Interessante Informationen
Arzneimittelsicherheit. Werden neue Nebenwirkungen             liefert auch die sogenannte Fachinformation, eine aus-
oder Komplikationen eines Mittels erkannt, kann dies zu        führlichere und wissenschaftlichere Version des Beipack-
zusätzlichen Warnhinweisen im Beipackzettel führen und         zettels. Die Fachinformationen vieler Medikamente sind
in Extremfällen dazu, dass die Zulassung eingeschränkt         über Suchmaschinen im Internet zu finden, indem man
oder sogar ganz entzogen wird.                                 den Namen des jeweiligen Arzneimittels und den Such-
Selbst wenn nur der Verdacht auf eine Nebenwirkung be-         begriff „Fachinformation“ eingibt.
steht, sind Ärzte, Apotheker sowie Herstellerfirmen gesetz-    Die englischsprachige Webseite livertox.nlm.nih.gov kann
lich verpflichtet, eine Verdachtsmeldung an die zuständi-      zusätzliche Informationen liefern, ob ein bestimmtes
gen Arzneimittelbehörden zu machen; diese prüfen dann          Arzneimittel bereits zu Leberschäden geführt hat.
den Verdachtsfall. Je mehr Details zu Dosis, Dauer, Art und    Es gibt keine seriöse Liste von Arznei-, Naturheil- oder
Zeitpunkt der Nebenwirkung Sie angeben können, desto           Nahrungsergänzungsmitteln, welche für Leberkranke
besser. Zudem ist es sehr hilfreich, wenn Sie für Rückfragen   immer erlaubt oder immer verboten sind: Dafür ist der
erreichbar sind. Eine anonyme Meldung ohne Rückfrage-          Stoffwechsel der Menschen zu unterschiedlich. Mitunter
möglichkeit schützt Ihre Identität, kann aber auch dazu        müssen Leberkranke für eine andere schwere Erkrankung
führen, dass Ihre Meldung ggf. nicht genauer überprüft         weitere Medikamente einnehmen, obwohl diese die Leber
und nicht weiter verarbeitet werden kann.                      belasten. Wichtig ist eine offene Kommunikation zwischen

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