TRANSPORT ZU LANDE | DAS ALTERNATIVE ANTRIEBSKONZEPT SCHORR POWER NET
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TRANSPORT ZU LANDE | DAS ALTERNATIVE ANTRIEBSKONZEPT SCHORR POWER NET Foto: Angelika Schorr Rechnen und planen: Charly Schorr will die Energie für Mobilität unter die Straße bringen. 28 LT-MANAGER | JANUAR-FEBRUAR
Strom dort abnehmen, wo er benötigt wird – das Schorr Power Net will das Akku-Problem der Elektromobilität meistern. Der Revolutionär Setzt sich die Idee von Charly Schorr durch, wird man eines Tages die oberfränkische Kleinstadt Bad Staffelstein nicht nur “Gottesgarten am Obermain“ nennen, sondern auch Heimat des Vaters der Revolution. Einer Revolution, die den Straßenverkehr für immer verändern und die Antipoden Elektro und Mobilität miteinander versöhnen würde. Und wie? LT-MANAGER | JANUAR-FEBRUAR 29
TRANSPORT ZU LANDE | DAS ALTERNATIVE ANTRIEBSKONZEPT SCHORR POWER NET chorrs Idee ist kühn: Er will auf den “Akkus sind zu schwer, S Straßen unterirdisch Stromkabel verlegen und darüber per Indukti- onsantrieb die Autos und Lkw mit elek- zu teuer und zu voluminös.“ trischer Energie versorgen: das Schorr Power Net. Der Weg zur Heimatstadt des Charly Schorr, Unternehmer und Erfinder über die Vaters der Revolution von morgen führt herkömmliche Speichertechnologie bei Elektromobilität. erst mal nach Lichtenfels. Lichtenfels liegt bei Bad Staffelstein und hat dem gen Punkten und Kommas unterbrochen pich, einem Sofa in Altrosa und einer Gottesgarten nicht nur den höherklassi- wird. Man lehnt sich zurück, kaum ange- mehrere Quadratmeter großen Fotota- gen Fußballverein, sondern auch einen kommen, hört zu und denkt: Der Mann pete einen historischen Eindruck. Nur ICE-Haltepunkt voraus. Am Bahnhof, der hat eine Mission und will von vornehe- zwei griffbereit neben dem Schreibtisch an einem Vormittag im Spätsommer lan- rein den Fokus auf diese legen. Also nicht abgestellte schwarze Pilotenkoffer, Meter destypisch ausgestorben wirkt, steht der auf das, was er ist, wo er herkommt und an Computerfachbüchern im Regal und 65-jährige Unternehmer Charly Schorr, was er bereits in seinem bisherigen ein quicklebendiger Charly Schorr auf ein freundlicher älterer Herr, und winkt. Leben erreicht hat, sondern allein auf dem altrosa Sofa passen nicht ins Bild. Wenn er die Revolution ist, wird sie mit das, was kommen wird. So soll es sein, Kaum angekommen, nimmt der Unter- perfektem Understatement die Paläste auch hier wird zunächst von der Idee die nehmer zum ersten Mal das Wort Elek- stürmen. Im Firmenwagen, einem Opel Rede sein und dann vom Menschen. tromobilität in den Mund, das sich in Omega, geht es in Richtung Schorrs Büro seinem weichen fränkischen Dialekt wie im einige Kilometer entfernten besagten Alter Teppich, neue Ideen „Eleggdromobilidäd“ anhört. Bad Staffelstein. Nach einer kurzen Autofahrt geht es über Es wird spannend, als sein Schorr Dessen berühmtester Bürger ist ein menschenleeres Firmengelände in Power Net, das im Moment nur auf dem Adam Riese, der Vater des modernen den vierten Stock des dazugehörigen Bü- Papier existiert – und beim Patentamt Rechnens. Noch. Noch? Man weiß es rogebäudes. Betriebsferien, es ist mucks- liegt – Gestalt annimmt. Der Oberfranke nicht, den Gedankengang unterbricht mäuschenstill auf den Gängen. Im verfolgt einen an sich simplen Ansatz Schorr bereits beim Ausparken mit den Treppenhaus der PVC-Charme der Sieb- und stößt mit zunächst wenigen Sätzen ersten Sätzen eines mehrere Stunden ziger, Schorrs Büro macht dank Stoff- en passant die Idee, in den Fahrzeugen währenden Monologs, der nur von weni- tapeten mit Palmenmuster, altem Tep- die elektrische Energie mit Akkus zu speichern, in die Hölle: „Um in einem Fahrzeug das Energiespeicher-Potenzial INDUKTION: SO FUNKTIONIERT’S von einem Liter Benzin zu ersetzen, Am Fahrzeugboden braucht man rund zehn Kilogramm Li- befindet sich ein Ionen-Akkus. Die Akkus sind zu schwer, Stromabnehmer, der ... zu teuer und zu voluminös. Zudem kön- nen alle Akkus nicht unbegrenzt geladen und entladen werden und brauchen ver- hältnismäßig lange, bis sie wieder aufge- laden sind“, meint Schorr. Was also tun? Verbesserungen des Systems durch Forschung erteilt er erst mal eine Absage: „Es scheinen viele Al- chemisten unterwegs zu sein, die früher aus Blei Gold machten und sich heute ... den in einer Induktions- schleife unter dem Asphalt geführten darauf spezialisieren, Akkus mit unge- Strom abnimmt. Prinzip übrigens: ahnter Energiedichte anzukündigen. Induktionsherd. Man kann es drehen und wenden wie man will: Mit der heute zur Verfügung stehenden Technik wird es nicht gehen.“ Vorhang auf für das Schorr Power Net Dafür aber, so Schorr, mit dem Schorr Power Net: Unter den Fahrbahnen dieser 30 LT-MANAGER | JANUAR-FEBRUAR
Republik müssten in vier Zentimeter Tiefe zwei knapp fingerdicke Stromkabel verlegt werden, die per Induktion an die an der Unterseite der Fahrzeuge ange- brachten Stromabnehmer Energie abge- ben. Kombiniert mit einem telema- tischen System, wäre immer nur der rund 200 Meter lange Abschnitt unter Strom, der gerade von einem Fahrzeug befahren würde. Die Abrechnung? Me- tergenau, dank Telematik. Fährt das Fahrzeug abseits des Schorr Power Nets, würde ein deutlich kleiner dimensionier- ter Akku die Distanz bis zum nächsten Netz überbrücken. Und die Kosten für den zur Fortbe- wegung notwendigen Strom wären immer noch so klein, dass Aufschläge für den Staat (Stichwort Mineralölsteuer!) und den Stromanbieter beziehungsweise denjenigen, der die Leitung verlegt hat, Foto: Angelika Schorr Dünne Kabel, große problemlos möglich wären. „Eine Lizenz Wirkung: Vier Zentimeter zum Gelddrucken“, nennt es Charly unter dem Asphalt vergraben, Schorr. Die Wartung? Einmal verlegt, mi- versorgen die Kabel per nimal. Das Verlegen? „Kostet nicht mehr Induktion darüberfahrende als Leitplanken entlang einer Autobahn Fahrzeuge mit Strom. anzubringen“, meint Schorr und verweist auf eine Maschine zum Verlegen, die er ebenfalls konstruiert haben will. Die Liste der Vorteile gehe noch weiter, so würden sich Fahrzeuge durch den weg- fallenden Verbrennungsmotor und dann unnötiger Komponenten wie Katalysator Fotos (M. und u.): UPS oder Getriebe auch radikal verbilligen. Eine Idee, viele Gegner Schorr trägt diese Ideen in Bad Staffel- stein zwar ohne Punkt und Komma, dafür aber mit viel Fachwissen vor: Man merkt den Tüftler, den Erfinder, auch den Techniker, der anstelle einer Lösung, die Irrweg? Folgt man in seinen Augen einen Pferdefuß hat Schorrs Gedanken, werden (nämlich die benötigte Energie für die beispielsweise Transporter Fortbewegung mit sich in Form von wegen des hohen Akkus zu transportieren) einfach eine an- Gewichts der Elektroakkus dere Lösung entwirft. Sicher jongliert auf absehbare Zeit niemals Schorr mit den Prinzipien von Gleich- mit passabler Reichweite und Wechselstrom, Energiedichten und unterwegs sein – Induktionsschleifen, es ist ihm in Fleisch Pilotprojekte hin oder her. und Blut übergegangen und man merkt, dass der Besucher vom LT-manager nicht der einzige ist, den Schorr in den vergangenen Monaten zu überzeugen versucht hat. → LT-MANAGER | JANUAR-FEBRUAR 31
TRANSPORT ZU LANDE | DAS ALTERNATIVE ANTRIEBSKONZEPT SCHORR POWER NET Er argumentiert ohne Fanatismus, Kraftstoff. Ich tanke diesen in Nürnberg lich Rücksicht auf den Ladestand seines Agression oder Eitelkeit, sondern steht in mein Auto und fahre während meiner Akkus nehmen und danach seine Fahr- einfach felsenfest auf dem Standpunkt, Fahrt nach Karlsruhe den Sprit quasi ten planen?“ Plakative Ansätze, die aber dass die Elektromobilität mit Akkus spazieren. Der Tanklastzug kehrt leer von ein Stück Wahrheit in sich tragen. nicht zu verwirklichen ist. Eine Art und Nürnberg nach Karlsruhe zurück. Klingt Weise, die durchaus imponiert. Was soll das nach einem sinnvollen System?“ Ein Ansatz, viele Gegner man auch anders sagen, als „Stimmt“, Oder andere Kostprobe: „Für die Deut- Blenden wir also die Wirklichkeit für wenn der Oberfranke ausführt: „Ein schen bedeutet Mobilität, dass man al- einen Moment an diesem Tag in Ober- Tanklastzug transportiert beispielsweise lenfalls mal Eiskratzen muss, bevor man franken aus. Im Geiste malt sich der von Karlsruhe nach Nürnberg fossilen losfahren kann. Und dann soll man plötz- Autor aus, wer sich als Gegner der Idee formieren könnte: die Automobilindus- trie, da ein Großteil ihrer Wertschöpfung GASTKOMMENTAR: VALERIE WILMS im Verbrennungsmotor steckt. Die Zulie- ferer, die Katalysatoren und so weiter lie- DER GESAMTVERBRAUCH fern. Die Politik, weil die Idee mit allem IST ENTSCHEIDEND bricht, was sie derzeit fördert und weil sie Großinvestionen erfordern würde. Die SCHON 1900 PRÄSENTIERTE FERDINAND PORSCHE Akku-Konzepter wie Betterplace, die AUF DER WELTAUSSTELLUNG SEINEN ELEKTRISCHEN jedes Land mit Austausch-Akkus über- LOHNER-PORSCHE. Das Fahrzeug wurde bestaunt – und ziehen wollen und wenig überraschend landete im Museum. Im Laufe der Jahrzehnte haben wir uns damit ausgerechnet in einem Land star- daran gewöhnt, dass innovative Verkehrskonzepte präsen- tiert wurden und wieder in der Versenkung verschwanden. ten, das gerade mal 20.000 Quadratkilo- meter groß ist. Und zuletzt vielleicht auch die Ver- Foto: privat Die Erfindergeschichte zeigt uns, dass sich nicht immer die besten Ideen durchsetzen – sondern viele andere Faktoren braucher, die in eine Technik investieren eine weit entscheidendere Rolle spielen. Sehr entscheidend müssten, bis zu deren Flächendeckung es sind häufig die finanziellen Möglichkeiten: Konzepte für den Jahrzehnte dauern könnte. „Eine Hybrid- Massenverkehr brauchen hohe Anfangsinvestitionen. Lösung, also ein Verbrennungsmotor, der Valerie Wilms ist Hinzu kommt, dass Standards am besten weltweit definiert einen Generator im Auto antreibt, wäre Bundestagsabgeordnete werden müssen, da Insellösungen die Gesamtentwicklung hier zum Übergang denkbar“, meint der (Bündnis 90/Die Grünen) hemmen. Unternehmer und nennt das Eine-Mil- und pendelt zwischen Diese Herausforderungen müssen gelöst werden, bevor die lion-Elektroauto-Programm eine Farce: Wedel und Berlin. Welches Verkehrsmittel sie dabei amUmsetzung neuer Konzepte für Nutzer interessant wird. „Die Industrie glaubt nicht dran. Sie stellt Dem muss sich auch der Ansatz von Charly Schorr stellen. häufigsten benutzt, ist nicht aber dennoch Frau Merkel, wie von ihr überliefert. Entscheidend sind jedoch vor allem klimapolitische Fragen. gewünscht, Elektroautos hin, um danach Ein neuer Antrieb ist nicht automatisch klimaschonend. überrascht zu sagen 'Oh Gott, die will ja Elektroantriebe können nur dann ein echter Beitrag sein, wenn wir damit ein neues keiner kaufen' – nicht ohne vorher die Transportsystem begründen und konsequent auf erneuerbare Energien setzen. Gleich- Forschungsgelder entgegengenommen zeitig müssen wir uns auch von einer Illusion verabschieden: Mobilität bedeutet nicht, zu haben.“ mit einem einzigen Transportmittel wie dem LKW die gesamte Strecke vom Verladen bis zum Entladen zu bewältigen. Wer diese Idee weiterverfolgt, wird scheitern. Dicke Bretter vor sich Für ein zukunftsfähiges Transportsystem müssen wir auf ein ganzes Paket setzen, bei Ob er sich im Klaren sei, dass es kaum di- dem sich die Stärken ergänzen. Hierzu gehören Elektrotransporter für den Zustelldienst, ckere Bretter zu bohren gibt als das, was eine voll elektrifizierte Bahn für den Ferntransport und schließlich auch LKWs, bei denen er sich vorgenommen hat? „Ja“, sagt es jedoch nicht auf den Elektromotor, sondern auf den geringsten und klimaschonends- Schorr, „ich weiß, ich weiß“ und lächelt ten Gesamtverbrauch ankommt. In diesem Rahmen muss das Schorr Power Net bewei- dabei leicht gequält. Wen oder was hat sen, dass es einen Beitrag leisten kann. Schorr also hinter sich? Einen laufenden Patentantrag, der ihm bei Erteilung für Die Chancen für den Durchbruch der Elektromobilität sind da. Leider sind die derzeit ein- die Zukunft den Einfluss auf seine Idee si- gesetzten Mittel der Bundesregierung viel zu gering, um neue Ansätze ernsthaft zu för- chert. Die eigene kleine regionalpoliti- dern. Die Frage bleibt offen, ob die großen deutschen Autobauer wirklich verstanden haben, dass die mobile Zukunft nicht der Cayenne mit Hybridantrieb ist, sondern eine sche Karriere bei der CSU, eine völlig neue Form der Mobilität kommen wird. Bekanntschaft mit Karl-eodor zu Gut- tenberg, den Schorr lange förderte. Wirt- schaftliche Sicherheit, der erfolgreiche 32 LT-MANAGER | JANUAR-FEBRUAR
“Chancen für den Durchbruch zeigen soll, dass seine Idee auch in der Realität funktioniert. der Elektromobilität Auf dem Nachhauseweg lässt die Wir- kung der Ausstrahlung von Charly Schorr nach und weicht einem „Warum eigent- sind vorhanden.“ lich nicht?“-Gedanken. Vielleicht denkt Schorr zu weit und wird altersbedingt Valerie Wilms, MdB (B90/Die Grünen). seine Idee an die nächste Generation übergeben müssen. Vielleicht kommt Unternehmer muss sein Power Net nicht dient. Dann ein Tüftler und Erfinder, der alles anders und das Schorr Power Net an den Mann bringen, um passabel leben nach seinem Eintritt in die Firma der El- wird zur Randnotiz in Chroniken. Viel- zu können. Und eine Idee, für die man tern bereits 1963 nach eigenen Angaben leicht hat er aber auch den Schlüssel für Phantasie braucht, die aber beim jetzigen begann, Maschinen für die Produktion die Zukunft in der Hand. Dann wird Stand der Technik eine Alternative dar- von Pinseln zu entwerfen und zum Ein- Adam Riese als bekanntester Sohn der stellt. „Kommt morgen jemand mit dem satz zu bringen. Stadt Bad Staffelstein auf seinem Podest 100-Kilo-Akku, der für 1.000 Kilometer Die Idee für das Schorr Power Net sei Platz machen müssen. ◆ Reichweite gut ist, packe ich gerne ein. ihm vor drei Jahren „zugeflogen“, vermut- Nur: Es ist niemand in Sicht!“ lich während einer Bahnfahrt, so genau Wer ist also dieser Charly Schorr? Zu- wisse er das nicht mehr. Seitdem arbei- Autor Martin Schrüfer lernte bei seinem erst ein Unternehmer durch und durch, tet er mit einem kleinen Team an der Ausflug nach Bad Staffelstein eine wirk- der mit seiner von den Eltern übernom- Idee, aktuell stehen Gespräche in Ober- lich reizende Landschaft kennen und menen Pinselfabrik, einem Webshop für österreich an. Dort will Schorr eine ins- einen Mann, der trotz einer verrückten Fliegerei-Zubehör und in zahlreichen an- gesamt drei Kilometer lange Teststrecke Idee alles andere ist als verrückt. Eine deren Geschäftsbereichen sein Geld ver- errichten lassen, die bei Dauereinsatz höchst bemerkenswerte Begegnung.
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