UMSATZSTEUER-PRAXIS UMSATZSTEUERSENKUNG FÜR DEN ZEITRAUM 1. JULI 2020 BIS 31. DEZEMBER 2020 - AUSWIRKUNGEN AUF DIE PRAXIS VON STB EGID ...

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Umsatzsteuer-Praxis

Umsatzsteuersenkung für den
Zeitraum 1. Juli 2020 bis
31. Dezember 2020
– Auswirkungen auf die Praxis

Von StB Egid Baumgartner, LL.M., München

Stand: 29.06.2020
Inhalt

1      Hintergrund und Gesetzgebungsverfahren..................................................................................... 2
2      Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungszeitpunkts............................................................. 4
3      Auswirkungen auf die Umsatzsteuerpraxis ..................................................................................... 6
    3.1 Umstellung bei Ausgangsrechnungen........................................................................................... 6
    3.2 Umstellung bei der Rechnungseingangskontrolle ........................................................................ 7
    3.3 Umstellung der Buchhaltungssysteme, Steuerfindung und Prozesse .......................................... 8
    3.4 Überprüfung von Verträgen die als Dauerrechnung gelten ......................................................... 9
    3.5 Auswirkungen auf den Buchhaltungs- und Deklarationsprozess.................................................. 9
4      Sonderfälle ...................................................................................................................................... 9
    4.1 Skonto ........................................................................................................................................... 9
    4.2 Warenrücksendung („Retoure“) ................................................................................................. 10
    4.3 Gutscheine .................................................................................................................................. 10
5      Bestandsaufnahme & Testlauf ...................................................................................................... 10

Egid Baumgartner                                                                            © Deubner Verlag 2020

                                                                                                                             1
1 Hintergrund und Gesetzgebungsverfahren

Befristet für Leistungszeiträume ab dem 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 wer-
den die allgemeinen Umsatzsteuersätze von 19% auf 16% (Regelsatz) und von 7%
auf 5% (ermäßigter Satz) gesenkt.

Das Gesetzgebungsverfahren wurde im Eiltempo durchgeführt und lässt sich in
die folgenden Phasen gliedern.
    •   Koalitionsausschuss (3. Juni 2020): Am 3. Juni 2020 hatte der Koalitions-
        ausschuss ein umfassendes Konjunkturpaket politisch beschlossen, wel-
        ches u.a. eine Absenkung der Umsatzsteuer von 19% auf 16% (Regelsatz
        gem. § 12 Abs. 1 UStG) bzw. von 7% auf 5% (ermäßigter Steuersatz gem. §
        12 Abs. 2 UStG) vorsieht. Die Absenkung ist temporär befristet beginnend
        vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020.
    •   Formulierungshilfe des BMF (6. Juni 2020): Am 6. Juni 2020 hatte das
        BMF einen „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher
        Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-
        Steuerhilfegesetz) - IV A 2 - S 1910/20/10062 :002“ vorgestellt. Die zeitlich
        befristete Absenkung der Umsatzsteuer-Sätze (§ 12 UStG) normiert das
        Gesetz in § 28 UStG.
    •   Regierungsentwurf (12. Juni 2020): Am 12. Juni 2020 wurde ein Regie-
        rungsentwurf zum Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz beschlossen.
    •   Entwurf eines BMF-Schreibens (12./23. Juni 2020): Mit Datum vom 12.
        Juni 2020 wurde parallel zum eigentlichen Gesetzgebungsverfahren der
        Entwurf eines begleitenden BMF-Schreibens veröffentlicht, auf dessen
        wesentliche Inhalte mit Stand des aktualisierten Entwurfs vom 23. Juni
        2020 im folgenden themenspezifisch eingegangen wird. Inhaltlich weist
        dieses große Ähnlichkeit mit dem Anwendungsschreiben vom 11. August
        2006 anlässlich der damaligen Erhöhung der Umsatzsteuer von 16% auf
        19% (Regelsatz) auf.
    •   Beschluss durch den Bundestag und Zustimmung des Bundesrates (29.
        Juni 2020): Am 29. Juni 2020 hat der Bundestag das Gesetz verabschiedet
        und der Bundesrat diesem in einer Sondersitzung zugestimmt.

Parallel dazu besteht durch das sog. Erste Corona-Steuerhilfegesetz für den
Bereich der Gastronomie („für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit
Ausnahme der Abgabe von Getränken“, vgl. hierzu weiterführend Oldiges, DB
2020, S. 1140 ff.) eine überlappende Sonderregelung für einen 12-
Monatszeitraum (1. Juli 2020 - 30. Juni 2021). Damit gelten in der Gastronomie
(nur für Speisen, mit der Ausnahme von Getränken) abhängig vom Zeitraum
folgende verschiedene Steuersätze:

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Zeitraum                                     Umsatzsteuer-Satz
bis 30. Juni 2020                                        19%
ab 1. Juli 2020                                          5%
vom 1. Januar 2021 bis 30. Juni 2021                     7%
ab 1. Juli 2021                                          19%

Mögliche betriebs- und volkswirtschaftliche Wirkungen: Insbesondere könnten
von der temporären Steuersatzsenkung folgende Wirtschaftsteilnehmer profitie-
ren:
    •   Verbraucher: Verbraucher sind aufgrund fehlender umsatzsteuerlicher
        Unternehmereigenschaft nicht vorsteuerabzugsberechtigt und die Um-
        satzsteuer stellt für diese eine finale Belastung dar, welche sich durch die
        Senkung des Steuersatzes reduzieren kann. Voraussetzung hierfür ist, dass
        die anbietenden Unternehmen diesen Vorteil in Form von gesunkenen
        Bruttopreisen auch an die Verbraucher weitergeben. Dies hängt von ver-
        schiedenen Faktoren ab, darunter Wettbewerb, allgemeines Konsumkli-
        ma, Preistransparenz sowie Preiselastizität der Nachfrage. Laut der For-
        mulierungshilfe des BMF vom 6. Juni 2020 soll die Kaufkraft derjenigen
        Wirtschaftssubjekte gestärkt werden, die von der Corona-Pandemie be-
        sonders betroffen waren und eine besonders hohe Konsumneigung ha-
        ben: „Der Gesetzgeber erwartet durch die Absenkung des Umsatzsteuer-
        satzes eine Stimulierung der Nachfrage und eine Belebung der Konjunktur.
        […] Die Absenkung der Umsatzsteuersätze intendiert, dem Konsum einen
        kräftigen Impuls zu geben. Das kommt besonders Beziehern von kleineren
        Einkommen zugute, die einen größeren Anteil Ihres Einkommens für den
        Konsum ausgeben.“ Dabei wird mit einem Haushaltseffekt von bis zu EUR
        20 Mrd. gerechnet. Unternehmen wie bspw. die Deutsche Bahn AG haben
        bereits angekündigt, den Preisvorteil aus dem spezifischen Steuersatz für
        den Schienenverkehr (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG) vollständig an die Endkun-
        den weitergeben zu wollen (vgl. Widmann, DB 2020, Heft Nr. 22, M 5).

           Hinweis
           Der äußerst kurzfristige zeitliche Vorlauf ist zwar denkbar ungünstig, was
           den Umstellungsaufwand auf Seite der Unternehmen angeht (vgl. bspw.
           die Stellungnahme des IDW zum Eckpunktepapier eines Konjunkturpa-
           kets des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020 vom 8. Juni 2020), an-
           dererseits hätte bei einem zu langen zeitlichen Vorlauf die Gefahr be-
           standen, dass aus verhaltensökonomischer Sicht einige Konsument-
           scheidungen nur bis zum 2. Halbjahr 2020 aufgeschoben worden wären
           (Nachholeffekt). Umgekehrt könnte sich aus dem ab dem 1. Januar 2021
           wieder auf das Vorniveau anzuhebenden Steuersatzhöhe ein positiver

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Vorzieheffekt ergeben (vgl. die Aussage von Prof. Dr. Sebastian Dullien
          in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 22. Juni 2020).

    •   Unternehmen auf der Angebotsseite: Die Senkung der Umsatzsteuer
        könnte sich bei gleichermaßen gesenkten Bruttopreisen in einer erhöhten
        Nachfrage oder bei gleichbleibenden Bruttopreisen in einer erhöhten Ge-
        winnmarge niederschlagen.
    •   Unternehmen auf der Nachfrageseite: Anders als vollständig zum Vor-
        steuerabzug berechtigte Unternehmer stellt die Umsatzsteuer für nicht
        vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen (z.B. den Fi-
        nanzdienstleistungssektor (§ 4 Nr. 8 UStG iVm. § 15 Abs. 2 UStG) oder
        Gesundheitssektor (§ 4 Nr. 14 UStG iVm. § 15 Abs. 2 UStG) eine zumin-
        dest teilweise finale Kostenbelastung dar. Die Umsatzsteuer ist in diesem
        Fall keinesfalls ein „durchlaufender Posten“. Durch die Umsatzsteuersatz-
        senkung könnten diese Branchen beim Einkauf von Produkten und Dienst-
        leistungen direkt profitieren.

2 Bestimmung des umsatzsteuerlichen Leistungszeitpunkts

Entscheidend für die Höhe des Steuersatzes ist der Leistungszeitpunkt (vgl. Ab-
schn. 13.1 UStAE sowie Entwurf eines BMF-Schreibens, Tz. 4):
    •   Lieferung (d.h. Warenlieferung): Zeitpunkt des Beginns der Lieferung
        bzw. des Transports, d.h. Zeitpunkt des Versands beim Lieferanten (Ab-
        schn. 13.2 Abs. 2 S. 2 UStAE). Dies gilt unabhängig von etwaigen Versand-
        handelsregelungen (z.B. Incoterms ©).
    •   Sonstige Leistung (d.h. Dienstleistung): Beendigung der vollständigen
        Leistung, d.h. z.B. mit Abnahme der Leistung bzw. am letzten Tag (vgl.
        auch Abschn. 13.1 Abs. 3 UStAE). Bei Jahresbeiträgen ist dies der letzte
        Tag im Jahr, d.h. der 31.12. (und damit im Jahr 2020 im 2. Halbjahr 2020).
        Bei sog. Teilleistungen gelten Besonderheiten (vgl. unten).

          Beispiel
          Vertraglich vereinbart wurde die Errichtung eines schlüsselfertigen Bau-
          werks, Teilabnahmen sind nicht vorgesehen. Falls Fertigstellung und Ab-
          nahme des Objektes in das 2. Halbjahr 2020 fallen, fällt für den gesam-
          ten Rechnungsbetrag nur die ermäßigte Umsatzsteuer iHv. 16% an, auch
          wenn der Baubeginn bereits vor dem 1. Juli 2020 lag.

    •   Werklieferungen: bei Abnahme (Abschn. 13.2 Abs. 1 UStAE).

Hinweis
Falls sog. Teilleistungen (Abschn. 13.4 UStAE) vorliegen (z.B. monatliche Büromie-
te oder Mitgliedsbeitrag sowie abgenommener Baufortschritt, liegt der Leistungs-
zeitpunkt in dem Moment vor, in dem z.B. der relevante Monat abgelaufen ist
bzw. die Abnahme der Teilleistung erfolgt ist. Insbesondere bei Bauleistungen
liegen die Voraussetzungen für Teilleistungen in der Praxis jedoch häufig nicht vor,

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da Teilleistungen im Vorhinein weder vereinbart noch wirksam abgenommen
worden sind. Vertraglich werden Teilabnahmen iSd. „VOB“ (Vergabe- und Ver-
tragsordnung für Bauleistungen) zudem häufig ausdrücklich ausgeschlossen.

Die Bestimmung des genauen Leistungszeitpunktes hängt stets vom konkreten
Geschäftsvorfall ab. Leitlinie kann z.B. eine Abnahme sein. In jedem Fall sollten
gerade bei hohem Volumina sowie Massenvorfällen (z.B. immer gleicher Bestell-
prozess über die Website des Unternehmens) geeignete Dokumentationen zur
Bestimmung des Leistungszeitpunkts erstellt und vorgehalten werden.
Nicht entscheidend sind damit gem. § 27 Abs. 1 UStG folgende Zeitpunkte (vgl.
Entwurf eines BMF-Schreibens, Tz. 4):

    •   Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Bestellung
        Bei gegebenem Leistungszeitpunkt hat bspw. die Stornierung einer Bestel-
        lung und anschließende Neu-Beauftragung ab dem Juli 2020 keinen Ein-
        fluss auf die Höhe des anzuwendenden Umsatzsteuersatzes.

    •   Zeitpunkt der Rechnungsstellung bzw. Schlussrechnung
        Hinweis
        Insbesondere im Online-Handel wird der Zeitpunkt der Lieferung häufig
        mit dem Zeitpunkt der Rechnungsstellung gleichgesetzt (einschließlich der
        Rechnungsangabe: „Rechnungsdatum gleich Lieferdatum“), weshalb gera-
        de an dieser Stelle besondere Vorsicht geboten ist. Der Bundesfinanzhof
        (BFH, Urteil v. 15.10.2019 - V R 29/19 (V R 44/16), Rz. 11) hatte dazu ent-
        schieden, dass sich „allein aus der Tatsache, dass die Rechnungen ein
        Rechnungsdatum trügen, […] nicht ableiten [ließe], dass dieses Rech-
        nungsdatum mit dem Zeitpunkt des Abschlusses der ausgewiesenen
        Dienstleistung übereinstimme.“ Entscheidend für die Praxis ist es daher zu
        prüfen, zu welchem Zeitpunkt des Bestell- und Versandprozesses genau
        der Steuersatz angezeigt (z.B. im Online-Bestellvorgang beim „Waren-
        Checkout“) bzw. als Teil der Rechnung generiert wird.

    •   Zeitpunkt einer Anzahlung
        Somit vermag die Leistung einer Anzahlung im 2. Halbjahr 2020 nicht den
        dann noch niedrigeren Steuersatz für eine Leistung sichern, die erst ab
        dem Jahr 2021 ausgeführt wird. Die nachträglich niedrigere bzw. höhere
        Besteuerung von geleisteten Anzahlungen erfolgt in dem Voranmeldungs-
        zeitraum, in welchem die Leistung oder Teilleistung ausgeführt worden ist.

        Beispiel
        Ein Auftrag mit einem Gesamtauftragsvolumen von netto EUR 300.000,00
        wird im September 2020 abgeschlossen und abgenommen, d.h. es kommt
        der abgesenkte Umsatzsteuersatz iHv. 16% (EUR 48.000,00) zur Anwen-
        dung. Zuvor seien insgesamt drei Anzahlungen zu je netto EUR 60.000,00
        geleistet worden: im Februar und Mai 2020 zu je 19% (2 x EUR 11.400,00)
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und im Juli zu 16% (EUR 9.600,00). Insgesamt wurden also bereits EUR
        180.000,00 zzgl. EUR 32.400,00 Umsatzsteuer angezahlt. In der Schluss-
        rechnung stehen daher noch EUR 120.000,00 (EUR 300.000,00 abzgl. EUR
        180.000,00) sowie EUR 15.600,00 Umsatzsteuer (EUR 48.000,00 abzgl.
        EUR 32.400,00) aus. In der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Juli 2020
        ist folglich der Umsatz mit EUR 120.000,00 zu 16% (Kennziffer 35) einzu-
        tragen. Zusätzlich sind die Zahlungen für die Monate Februar und Mai zu
        berichtigen (EUR 3.600,00 = EUR 120.000,00 x 3%), sodass im Ergebnis
        noch Umsatzsteuer iHv. EUR 15.600,00 (EUR 19.200,00 abzgl. EUR
        3.600,00) geschuldet wird.

        Umgekehrt sind Anzahlungen, welche vor dem 1. Juli 2020 erfolgt sind für
        Umsätze, die zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 zu
        erbringen sind (Geltung der abgesenkten Umsatzsteuersätze), noch zu
        den bisherigen Steuersätzen (19% bzw. 7%) zu besteuern (Tz. 2.3 des Ent-
        wurfs eines BMF-Schreibens).
    •   Zeitpunkt des Zahlungseingangs einer Rechnung
        In diesem Fall ist es auch nicht entscheidend, ob der leistende Unterneh-
        mer nach der Sollbesteuerung (Regelfall) oder der sog. Ist-Besteuerung
        behandelt wird (vgl. Entwurf eines BMF-Schreibens, Rz. 6 und 7).

3 Auswirkungen auf die Umsatzsteuerpraxis
3.1 Umstellung bei Ausgangsrechnungen

Falls Ausgangsrechnungen nicht in der Weise angepasst werden, dass ab dem 1.
Juli 2020 nur noch 16% (Regelsatz) bzw. 5% (ermäßigter Steuersatz) ausgewiesen
werden, wird die zu hoch ausgewiesene Steuer dennoch vom leistenden Unter-
nehmer geschuldet (§ 14c UStG).

Die Rechnungstools sowie verwendeten ERP-Systeme (bspw. SAP©, insbesondere
im Online-Handel z.B. auch „Plentymarkets“, „JTL“ oder „Afterbuy“) sind darauf-
hin zu überprüfen, ob im Zeitraum zwischen 1. Juli und 31. Dezember 2020 die
abgesenkten Umsatzsteuersätze in die so generierten Rechnungen übernommen
werden.

Praxistipp
Der erhöhte Umsatzsteuerausweis wird nur solange geschuldet, bis eine wirksame
Rechnungsberichtigung erfolgt und der zu hoch vereinnahmte Umsatzsteuerbe-
trag an den Kunden zurückgezahlt worden ist (Abschn. 14c.1 Abs. 5 UStAE).

Die erhöht (bzw. wie in bisheriger Höhe) geschuldete Umsatzsteuer wird gegen-
über Privatkunden („B2C“) mitunter bewusst in Kauf genommen: Abzuwägen sind
die Kosten für die Umstellung von Rechnungen, Buchhaltungssystemen und Steu-
erprozessen gegenüber einer Margenverbesserung bzw. Preisvorteilsweitergabe

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an den Endkunden. Im Inlandsfall besteht gem. § 14 UStG nämlich keine Pflicht
zum Steuerausweis gegenüber Privatkunden.

Praxistipp
Generell sollte im Inlandsgeschäft mit Privatkunden geprüft werden, sogar gänz-
lich auf den Ausweis von Umsatzsteuer zu verzichten und stattdessen lediglich
den Bruttopreis anzugeben. Eine Ausnahme hiervon liegt jedoch z.B. bei Nettoab-
reden vor, welche den Ausweis bloßer Bruttopreise verbieten. Eine Verpflichtung
zum Ausweis von Umsatzsteuer besteht im inländischen B2C-Bereich nicht.

Rechnungen müssen zwar angepasst werden, nicht angepasst werden müssen
jedoch die bloßen Preisauszeichnungen (Ausnahmemöglichkeit des § 9 Abs. 2
Preisangabenverordnung). Hierbei wird die Möglichkeit gewährt, von einer Ände-
rung der Gesamt- und der Grundpreisangabe abzusehen, wenn der Händler fol-
gende Voraussetzungen erfüllt: Die Senkung wird umgesetzt (i) nach Kalenderta-
gen zeitlich begrenzt (auch 6-Monatszeitraum zulässig), (ii) wird durch Werbung
bekannt gemacht und (iii) ist ein genereller Preisnachlass (vgl. das Schreiben des
Bundeswirtschaftsministeriums vom 10. Juni 2020).
3.2 Umstellung bei der Rechnungseingangskontrolle

Bei erhöhtem Steuerausweis bleibt es auf Ebene des Leistungsempfängers dabei,
dass - trotz ggf. vollständiger Begleichung der zu Unrecht erhöht ausgewiesenen
Umsatzsteuer - nur der abgesenkte Steuersatz als Vorsteuer geltend gemacht
werden kann, da nur die gesetzliche geschuldete Umsatzsteuer gem. § 15 UStG
geltend gemacht werden darf (Ausnahme: Leistungsbezug im Juli 2020, vgl. die
Nichtbeanstandungsregelung unten). Insbesondere sollte auf Empfängerseite
kontrolliert werden, welches Leistungs- bzw. Lieferdatum auf der Rechnung und
anderen Versanddokumenten angegeben ist und ob hiermit der angewendete
Umsatzsteuersatz korrespondiert.

Hinweis
Der Entwurf eines BMF-Schreibens (Stand: 23. Juni 2020, Tz. 3.12) hält für den
ersten Monat nach der Umstellung (Juli 2020) eine Nichtbeanstandungsregelung
für den B2B-Bereich bereit. Inhalt der Nichtbeanstandungsregelung ist, dass aus
einer aufgrund der Steuersatzänderung unrichtig mit zu hoher Umsatzsteuer
ausgestellten Rechnung dennoch der volle ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag als
Vorsteuer geltend gemacht werden kann. Eine vergleichbare Nichtbeanstan-
dungsregelung enthielt bereits das BMF-Schreiben vom 22. Januar 2020 betref-
fend die Absenkung des Umsatzsteuersatzes für die Beförderung von Personen im
Schienenbahnverkehr (dort Rz. 19).

Es muss unterschieden werden, ob mit dem Kunden eine Brutto- oder eine Net-
topreisvereinbarung getroffen wurde:

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•   Nettopreisabrede: Bei Nettopreisabreden profitieren gerade Unterneh-
        mer, die keine vollständige Vorsteuerabzugsberechtigung haben (z.B.
        Banken und Versicherer), unmittelbar von der Umsatzsteuersenkung.
        Bruttopreisabrede: Da bei einer Bruttopreisabrede lediglich ein fixer Brut-
        topreis vertraglich vereinbart worden ist, profitiert zunächst der leistende
        Unternehmer von der gesunkenen Umsatzsteuer in Form einer höheren
        Marge. Allerdings entsteht bei langfristigen Verträgen ggf. ein zivilrechtli-
        cher Ausgleichsanspruch für die umsatzsteuerlich gesunkene Belastung
        des leistenden Unternehmers (§ 29 UStG, vgl. Entwurf eines BMF-
        Schreibens, Tz. 2.6.3). Solche Verträge können dann vorliegen, wenn diese
        u.a. vor mehr als vier Monaten vor Eintritt der Rechtsänderung abge-
        schlossen worden sind. Zu einem Ausgleich der Mehr- oder Minderbelas-
        tung kann es nur dann kommen, wenn das jeweilige Vertragswerk keine
        abweichenden Regelungen vorsieht (§ 29 Abs. 1 S. 2 UStG), z. B., dass
        Ausgleichsansprüche im Falle einer Anhebung des Steuersatzes ausge-
        schlossen sind (vgl. zuvor schon BMF v. 11.08.2006 - IV A 5 - S 7210 -
        23/06, BStBl. I 2006, S. 477, Tz. 15 sowie Burbaum/Baumgartner in: Offer-
        haus/Söhn/Lange, § 29 UStG, Rz. 9).

          Beispiel
          Ein Bauherr hat für sein privates Einfamilienhaus (d.h. keine Vorsteuer-
          abzugsberechtigung) einen Wintergartenanbau zu einem Bruttopreis
          von EUR 25.000,00 verbindlich in Auftrag gegeben. Über die Umsatz-
          steuer wurde keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen. Der Anbau
          wird termingerecht am 1. August 2020 fertiggestellt und abgenommen.
          Daher kommt nur der gesunkene Umsatzsteuersatz iHv. 16% anstatt
          19% zur Anwendung. Falls der Vertrag zwischen Bauherrn und Bauleis-
          tendem bspw. bereits am 1. Januar 2020 in Auftrag gegeben worden ist,
          steht dem Bauherrn ggf. ein Ausgleichsanspruch aus § 29 UStG zu. Fall
          der Bau jedoch erst am 1. Mai 2020 in Auftrag gegeben worden ist, be-
          steht kein Ausgleichsanspruch.

3.3 Umstellung der Buchhaltungssysteme, Steuerfindung
und Prozesse

Praxistipp

Die bisherigen Steuerkennzeichen sollten nicht einfach mit den übergangsweise
geltenden Steuersätzen überschrieben werden, da es so zu einer doppelten Bele-
gung desselben Steuerkennzeichens für verschiedene Zeiträume kommt. Die
Nachvollziehbarkeit für die jetzt schon zu erwartenden Umsatzsteuer-
Sonderprüfungen wäre bereits absehbar in Frage gestellt.
Stattdessen sollten im Rahmen der Steuerfindung neue Steuerkennzeichen defi-
niert werden. In einigen ERP-Systemen wie bspw. SAP© muss über neue Steuer-

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kennzeichen und neue Konditionssätze das korrekte Leistungserstellungsdatum
und damit der zutreffende Steuersatz gefunden werden. Die geänderten Steuers-
ätze müssen dort gemeinsam mit dem entsprechenden Gültigkeitszeitraum in der
Konfiguration erfasst werden (Einstellungen in SAP©: Work Center  Betriebs-
wirtschaftliche Konfiguration  Aufgabe „Steuer auf Lieferungen und Leistungen“
(sofortige Änderung)  Steuersatztabellen definieren  Land  „DE“). Die auto-
matische Ermittlung des Steuersatzes basiert dabei auf dem Steuerdatum der
jeweiligen Position.

Auch Kassensysteme sind umzuprogrammieren. Nach Einschätzung des deut-
schen Fachverbandes für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik sei die eigentli-
che Steuersatzumstellung zwar beherrschbar, jedoch seien nur ein Teil der ver-
wendeten Kassensysteme zentral administrierbar bzw. fernwartbar (vgl. öffentli-
che Anhörung des Finanzausschusses am 22. Juni 2020).
3.4 Überprüfung von Verträgen, die als Dauerrechnung gelten

Daneben sind bestimmte Verträge, die bereits per Gesetz als sog. Dauerrechnung
gelten, zu überprüfen. Insbesondere gilt dies bei Gewerbe-Mietverträgen. Das
BMF geht in seinem Entwurf eines BMF-Schreibens (Tz. 3.3.1) zwar darauf ein,
dass solche Dauerrechnungen durch ergänzende Unterlagen angepasst werden
können. Nicht behandelt wird jedoch leider die praxisrelevante Fragestellung, ob
es hierzu die Unterschrift beider Vertragsparteien braucht.
3.5 Auswirkungen auf den Buchhaltungs- und Deklarationsprozess

Anlässlich der Steuersatzsenkung sind in der Buchhaltung ggf. neue Konten einzu-
richten.
Dem Vernehmen nach soll es anlässlich der temporären Absenkung der Steuersät-
ze keine gesonderten Formulare für die einzureichenden Umsatzsteuervoranmel-
dungen bzw. die Jahreserklärung geben. Stattdessen sollen nach einer Informati-
on des Landesamtes für Steuern Bayern die Umsätze zu den neuen, temporären
Steuersätzen in Summe in den Kennzahlen „zu anderen Steuersätzen“ (Kennziffer
35) eingetragen werden. Eine Trennung der Umsätze zum Regelsteuersatz bzw.
zum ermäßigten Steuersatz erfolgt dabei nicht.
Ferner ist an zahlreiche weitere notwendige Anpassungen zu denken, bspw. an
die Anpassung von bei Banken eingerichteten Daueraufträgen bzw. SEPA-
Lastschriftmandaten.

4 Sonderfälle
4.1 Skonto

Falls für eine Eingangsrechnung betreffend eine Leistung, die vor dem 1. Juli 2020
ausgeführt worden ist, ein Skonto in Folge der frühzeitigen Begleichung gezogen
wird, findet auf den Skontoabzug immer noch der bis zum 1. Juli 2020 geltende

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erhöhte Umsatzsteuersatz Anwendung (vgl. Entwurf eines BMF-Schreibens, Tz.
3.4.1).
4.2 Warenrücksendung („Retoure“)

Im Falle einer Warenrücksendung (z.B. im Rahmen eines Fernabsatzvertrags)
sollte der Umsatzsteuersatz relevant sein, der auch bereits bei Versand der ur-
sprünglichen Lieferung gegolten hatte.
4.3 Gutscheine

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Gutscheinen wurde mit Wirkung zum
1. Januar 2019 von Grund auf neu geregelt. Bei Einzweckgutscheinen (§ 13 Abs.
13 und 14 UStG) ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Besteuerung der Leistungs-
fiktion und damit die Bestimmung des zutreffenden Umsatzsteuersatzes die
Gutscheinausgabe. Folglich sind nach Aussage des Entwurfs eines BMF-Schreibens
(Tz. 3.4.3) ausschließlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Ausgabe des Gut-
scheins entscheidend. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn bei Einlösung des
Einzweck-Gutscheins eine Zuzahlung durch den Gutscheininhaber erfolgt. Dann ist
nach Auffassung des BMF die bislang noch nicht versteuerte Differenz nach den
zum Zeitpunkt der Gutscheineinlösung geltenden Umsatzsteuersätzen zu versteu-
ern.
Aus zahlreichen Praktikabilitätsgründen sollten Gutscheine durch den ausgeben-
den Unternehmer jedoch als Mehrzweckgutscheine ausgestaltet werden, z.B.
indem diese für ein Warensortiment eingelöst werden können, welches sowohl
dem regelbesteuerten als auch dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. In diesem
Fall entsteht die Umsatzsteuerzahllast erst bei Einlösung des Gutscheins.

5 Bestandsaufnahme & Testlauf

Im Rahmen einer Bestands-Analyse sollten in einem ersten Schritt insbesondere
die ERP- und Rechnungssysteme daraufhin untersucht werden, an welchen Stellen
bspw. der Umsatzsteuersatz fest eingegeben bzw. einprogrammiert ist, ohne dass
dieser zentral verknüpft abgeändert werden kann.

Im Rahmen eines Testlaufs (bspw. im Online-Handel: Test-Kauf) sollte die Funkti-
onsfähigkeit der vorgenommenen Änderungen mit ihren Auswirkungen auf Buch-
haltung und Rechnungsdokumente getestet werden.

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