GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND

 
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GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
15-1/2
März 2015
€ 14,30
ISSN 1015-6720

                                      Herausgegeben von Museumsbund Österreich

                      GEGENWART UND
                       ZUKUNFT VON

                 U N I V ERS I TÄTS
                 SAMMLUNGEN
GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
EDITORIAL

        Liebe Leserinnen,
        liebe Leser,
        das Museumsjahr 2015 hat medial sehr
        turbulent begonnen: Die Redimensionierung
        des Weltmuseums Wien – nach bereits
        erfolgter Finanzierungszusage – wirft ein-
        mal mehr die Frage auf, wie nachhaltig
        Planungen im Museumsbereich sind und wie
        selbstständig die Museumsverantwort-            21. Jahrhunderts anstreben? Wir stehen
        lichen im politischen Umfeld agieren können.    jedenfalls als Diskussionspartner zur
        Und für das wiederbelebte Projekt „Haus         Verfügung!
        der Geschichte“ versucht man sich an einem          Da wir als Quartalszeitschrift nicht ta-
        neuen Konzept.                                  gesaktuell berichten können, Sie aber über
            Zwei Aspekte sind dabei vielleicht zu be-   alle Entwicklungen in dieser und anderen
        tonen, die letztendlich ineinander greifen:     Angelegenheiten am Laufenden halten
        Das Museum als Institution ist aus unserer      wollen, dürfen wir Ihnen ein weiteres Mal
        Sicht gefragt, Mehrwert für die Gesellschaft    neben den Museumsnews auf unserer
        zu schaffen, ein grundsätzliches Verständ-      Website auch unsere Web 2.0-Kanäle ans
        nis für die Vielfalt der Welt und ihrer Kul-    Herz legen.
        turen aufzuzeigen. Gerade in einer kultu-           Dank der Unterstützung unserer Partner-
        rell-pluralistischen Gesellschaft mit den       museen, der Mitgliedsmuseen und der
        damit verbundenen Konfliktpotenzialen           Museumsgütesiegelträger konnten wir zu-
        scheint es kulturpolitisch fahrlässig, nicht    dem unser Serviceangebot erweitern:
        alle Möglichkeiten der Museen und ihre          Ihre moecard hat eine Überarbeitung und
        Sammlungen auszuschöpfen: verankert in          gleichzeitig eine Erweiterung erfahren.
        einer starken lokalen Community weltoffen       Über 270 österreichische, Südtiroler und
        eine Inklusion aller zu fördern. Das Weltmu-    Liechtensteinische Museen gewähren
        seum Wien in Kooperation mit dem ZOOM           unseren Mitgliedern überwiegend freien
        Kindermuseum hätte sicherlich einiges dazu      Eintritt. Nutzen Sie diese Gelegenheit,
        beitragen können.                               sich mit Kolleginnen und Kollegen zu ver-
            Gleichzeitig wirft das mögliche Haus der    netzen, sich auszutauschen und von den
        (österreichischen) Geschichte – an der          Erfahrungen anderer zu lernen.
        Schnittstelle zwischen Museum, Archiv und
        Bibliothek – viele Fragen auf. Wie sinnvoll     In diesem Sinne wünsche ich Ihnen namens
        ist im 21. Jahrhundert die Gründung einer       des Vorstandes des Museumsbundes
        Einrichtung, die eine nationale Identität de-   Österreich einmal mehr eine anregende
        monstriert, die möglicherweise auf ver-         Lektüre,
        alteten nationalstaatlichen Ideen basiert?
        An einem imperialen Ort, ohne Sammlung,
        Wien-zentriert ...? Sind nicht alle unsere      Ihr
        Museen in ganz Österreich mit ihren viel-
        fältigen Beständen Häuser einer österreichi-
        schen Geschichte? Und wenn man schon
        so mutig ist, sollte man dann nicht einen
        zeitgemäßen Museumsbau als Zeichen der
        österreichischen Zivilgesellschaft des          Wolfgang Muchitsch
GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
8                                                                            63

                                                THEMA UNIVERSITATSSAMMLUNGEN
                                                     Viele Universitäten unterhalten Sammlungen, die zum Teil bereits im
                                                     19. Jahrhundert öffentlich zugänglich waren, zum Teil aber ausschließ-
                                                     lich Wissenschaft und Unterricht dienten. In den letzten Jahren rück-
                                                     ten diese Sammlungen in den Fokus des museologischen Interesses:
                                                     Wo liegt die Zukunft der universitären Sammlungen? Welche Gemein-
                                                     samkeiten haben universitäre und museale Sammlungen? Wo ist
                                                     ein Kooperation sinnvoll, wo eine kooperative Koexistenz? Wie unter-
INHALT                                               schiedlich sind die Wissensräume, die die Sammlungen füllen?

MÄRZ 15

                                                8
                                                     Bettina Habsburg-Lothringen
                                                     Andere Ausgangslage, vergleichbare Fragen

                                                12
                                                     Sarah Elena Link & Cornelia Weber
                                                     Potenziale sichtbar und nutzbar machen

                                                16
                                                     Hendrik Baumbach
                                                     Musealisierung universitärer Sammlungen

                                                20
                                                     Martina Dlugaiczyk
1                                           7        ›Science goes public‹ um 1900                                                64                                                                                 125   126                                                144

1         EDITORIAL                             24                                                                                SCHAUPLATZE                                                                              126 APROPOS MUSEUM
                                                     Peter Scherrer & Nikolaus Reisinger im Interview mit Doris Griesser
                                                     ›Universitätsmuseen‹ als Grazer Marke

                                                28                                                                                64 Museum ist immer Gegenwart
                                                     Celia Di Pauli & Lisa Noggler-Gürtler & Eric Sidoroff                                Sabine Fauland
                                                     Gestaltungsansichten. „Räume der Wissenschaft“ am
4         JOURNAL                                    Institut für Gestaltung an der Universität Innsbruck                                                                                                                  128 BALLHAUSENS
                                                                                                                                  68 Erdöl & Erdgas. Neuer Ausstellungsbereich                                                 TRICORDER
                                                                                                                                         Neu im Technischen Museum Wien

                                                32
          Alpenverein-Museum geschlossen ·           Buchtipp
          Bestattungsmuseum wiedereröff-
          net · Sandor Wolf Gedenkraum · Neu:        Archäologische Unisammlungen in Österreich                                          in der Dauerpräsentation ›Energie‹
          Viktor Frankl Museum · Danielle
          Spera bis 2020 verlängert · EMYA-

                                                34                                                                                72                                                                                       132 TERMINE
          Nominierungen 2015 · Neue Welt-            Claudia Feigl                                                                       Rotraut Krall & Doris Prenn
          raumhalle im Haus der Natur · „Aus-
          trian Barcode of Life Initiative”          Wohin mit unserem Sammlungsgut?                                                     Mit Händen Bilder sehen
          gestartet · NHM-Generaldirektion
          bis 2020 verlängert · Filmleihe

                                                40                                                                                76
          zum Vorzugspreis für MÖ-Mitglie-           Brigitta Schmid & Christian Köberl                                                  John Falk in an interview with Christian Waltl
          der · EU-Projekt im Weltmuseum ·
                                                     Naturhistorisches Museum Wien und Universitäten                                     Museums will need to explicitly move in the
                                                                                                                                                                                                                           134 AUSSTELUNGS-
          Christian Bauer übernimmt Lei-
          tung für das neue Kunstmuseum
          in Krems · Kunsthalle Krems feiert                                                                                             direction of being more responsive to their publics
                                                44                                                                                                                                                                             KALENDER
          20 Jahre · Neue Außenstelle im             Patrick Werkner
          HGM · Ab April: Literaturmuseum
          in Wien · Kraus bleibt im mumok            Dynamik an der Angewandten:
                                                     Kunstsammlung und Archiv
                                                                                                                                  84     MUSEUMSGUTESIEGELTRAGER
                                                48                                                                                                                                                                         142 IM NACHSTEN HEFT
                                                     Christiane Druml, Dominika Flomyn, Moritz Stipsicz
                                                     Das Josephinum – Sammlungen und Geschichte                                          Liszt-Haus Raiding · Schloss Esterhazy · Arheološki romarski muzej Globasnica
                                                                                                                                         Archäologisches Pilgermuseum Globasnitz · Österreichisches FreimaurerMuse-
                                                     der Medizin                                                                         um Schloss Rosenau · Ars Electronica Center · Museum in der Schule · Heimat-
                                                                                                                                         haus-Stadtmuseum Perg · Webereimuseum im Textilen Zentrum Haslach · Mar-                Schwerpunkt: Forschung im Museum · Georg
                                                                                                                                         mormuseum Adnet · Residenzgalerie Salzburg · Botanischer Garten Graz ·                  Leyrer, Kurier, über die Schwierigkeit, Aus-

                                                54
                                                     Ernst Seidl & Frank Duerr                                                           Evangelisches Diözesanmuseum in der Steiermark · Museum im Alten Rathaus ·              stellungen zu kritisieren und über das Museum
                                                                                                                                         Universalmuseum Joanneum · Museum der Völker · Heilerin vom Gurgltal · Ötz-             zu schreiben · Das Salzburg Museum zeigt einen
                                                     MAM|MUT-Aufgaben. Studierende erfassen,                                             taler Heimat- und Freilichtmuseum & Gedächtnisspeicher Ötztal · Montafoner              Blick in die Neuaufstellung seiner umfangreichen
                                                                                                                                         Museen · vorarlberg museum · Uhrenmuseum · ZOOM Kindermuseum                            historischen Musikinstrumentensammlung aus
                                                     digitalisieren und machen eine Ausstellung                                                                                                                                  vier Jahrhunderten · Weltmuseum ohne Europa.
                                                                                                                                                                                                                                 Haus der Geschichte? Was nun? Wolfgang
                                                                                                                                                                                                                                 Muchitsch im Gespräch mit Steven Engelsman

                                                58
                                                     Thomas Ballhausen                                                                                                                                                           und Matthias Beitl

                                                     Gespenstisches ›Lost & Found‹
GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
JOURNAL   Alpenverein-Museum geschlossen                           Bestattungsmuseum
                                                                   wiedereröffnet
                                                                                                                           Danielle Spera bis 2020 verlängert                   EMYA-Nominierungen 2015                                              Neue Weltraumhalle im
                                                                                                                                                                                                                                                     Haus der Natur

                                  © Alpenverein-Museum Innsbruck                                                                                            © Josef Polleross                                                © Günter Richard Wett

                                                                                                  © B&F Wien/EvaKelety                                                                                                                                                             © Haus der Natur/Kressl
          Die seit 2007 in der Hofburg Innsbruck ge-                                                                       Die Direktorin des Jüdischen Museums Wien            Zwei österreichische Museen sind heuer für
          zeigte Dauerausstellung „Berge, eine unver-              Mehr als 250 Originalobjekte auf 300 m2                 wurde für eine weitere Amstszeit verlängert.         den „European Museum of the Year Award“                              Der Ausstellungsteil zum Thema Weltraum
          ständliche Leidenschaft“ wurde im Oktober                zeigt das seit Oktober 2014 wiedereröffnete             Zum 25-Jahr-Jubiläum des Museums konnte              nominiert: das vorarlberg museum und das                             wurde nach 30 Jahren erneuert und im No-
          2014 geschlossen. Das Alpenverein-Muse-                  Bestattungsmuseum am Wiener Zentral-                    sie 2013 die neue Dauerausstellung „Unsere           Alpinarium Galtür. Das Gewinnermuseum                                vember 2014 wieder eröffnet.
          um ist auf der Suche nach einem neuen                    friedhof. Für 2,5 Millionen Euro wurden das             Stadt! Jüdisches Wien bis heute“ eröffnen.           wird im Rahmen der Jahreshauptversamm-                               Rund 400.000 , wurden in sechs Monaten
          Standort. Über 300.000 Besucher/innen                    historische Gebäude adaptiert und die                                                                        lung des Europäischen Museums Forums                                 investiert. Mit vielen interaktiven Elementen
          haben das Museum in den vergangenen                      Dauerausstellung realisiert. In Zukunft sind              www.jmw.at                                         vom 13. bis 16. Mai 2015 in Glasgow ver-                             können die Geheimnisse und rätselhaften
          sieben Jahren besucht.                                   neben Sonderausstellungen auch zahl-                                                                         kündet.                                                              Phänomene unseres Universums erkundet
                                                                   reiche Veranstaltungen geplant.                                                                                                                                                   werden.
            www.alpenverein.at/portal/museum-kultur                                                                                                                               www.europeanmuseumforum.info
                                                                     www.bestattungsmuseum.at                                                                                                                                                          www.hausdernatur.at

          „Austrian Barcode of Life Initiative”                    Neu: Viktor Frankl Museum                               Sandor Wolf Gedenkraum                               Filmleihe zum Vorzugspreis                                           NHM-Generaldirektion
          gestartet                                                                                                                                                             für MÖ-Mitglieder                                                    bis 2020 verlängert

                                                                                              © Kai Stania & Clemens Dus                                       © KSB/Weiss

                                         © NHM Wien, Greilhuber                                                                                                                 © Technisches Museum Wien, Peter Sedlaczek                           © NHM Wien, Hischam Momen
                                                                   Ab 26. März wird dem österreichischen Arzt              Seit 1939 ist das 1926 gegründete Landes-
          Das neu gestartete Wissenschafts-Projekt                 und Philosophen sowie Begründer der Logo-               museum Burgenland in der Museumgasse                 Motion Picture Licensing Company (MPLC)                              Generaldirektor Christian Köberl und Vize-
          ABOL hat zum Ziel, die biologische Vielfalt              therapie und Existenzanalyse Viktor Frankl              zu finden. Das Haus gehörte dem jüdischen            ist mit der Einräumung eines rechtmäßigen                            direktor Herbert Kritscher wurden von
          der Flora und Fauna des Landes in ihrer                  (1905–1997) in der Wiener Mariannengasse                Weingroßhändler Sandor Wolf, der als Be-             Zugangs zu urheberrechtlich geschützten                              Kulturminister Ostermayer um eine weitere
          gesamten Bandbreite zu digitalisieren. Die               ein Museum gewidmet, das sich den Sinn-                 gründer der Museumssammlung gilt. In                 Filmen von über 400 Filmstudios und unab-                            Amtszeit bis 2020 verlängert. Aus insge-
          Erhebung und Erforschung genetischer                     und Existenzfragen des Menschen stellt.                 seiner einstigen Bibliothek ist ein neuer            hängigen Filmproduzenten betraut, u. a.                              samt 16 Bewerbungen für die wissenschaft-
          Vielfalt, verknüpft mit anderen Forschungs-              Es ist das weltweit erste und bis dato ein-             Gedenkraum eingerichtet, in dem sich Be-             Warner Bros., Walt Disney, Paramount                                 liche und kaufmännische Leitung hatte eine
          feldern (z. B. Ökologie, Systematik, Evolu-              zige Museum, das sich dem Autor des Welt-               sucher auf Spurensuche begeben können.               Pictures, 20th Century Fox, Touchstone                               Findungskommission, der u. a. NHM-Kura-
          tionsforschung), eröffnet die volle Bandbrei-            erfolgs „Trotzdem Ja zum Leben sa-                                                                           Pictures, Columbia Pictures, Dreamworks,                             toriumsvorsitzender Christian Cap und die
          te der Biodiversitätsforschung. Die Fülle an             gen“ widmet.                                              www.landesmuseum-burgenland.at                     Universal Pictures, Sony Pictures, MGM,                              Leiterin des Österreichischen Archäolo-
          erhobenen Daten kann zukünftig für ver-                                                                                                                               Miramax und viele weitere. Die Vorteile                              gischen Instituts (ÖAI), Sabine Ladstätter,
          schiedene Zwecke genutzt werden, z. B. in                  www.franklzentrum.org                                                                                      der MPLC Lizenz: unbegrenzte Anzahl an                               angehörten, eine Vorauswahl getroffen.
          Naturschutz, Forensik, Schädlingsbekämp-                                                                                                                              Vorführungen am registrierten Lizenzort!
          fung oder Lebensmittelkontrolle. Partner                                                                                                                              Der Preis pro Jahr beträgt pro Bildschirm                              www.nhm-wien.ac.at
          sind neben der Veterinärmedizinischen                                                                                                                                 298 ,, pro Leinwand 348 ,, monatliche
          Universität Wien und der Karl-Franzens-Uni-                                                                                                                           Lizenzen möglich. Nähere Informationen
          versität Graz das Naturhistorische Museum                                                                                                                             anfordern über info@museumsbund.at.
          Wien und die Tiroler Landesmuseen.
                                                                                                                                                                                  www.mplc.at
            www.abol.ac.at

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GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
EU-Projekt im Weltmuseum                                Christian Bauer übernimmt Leitung                             Kunsthalle Krems feiert 20 Jahre

                                                                                                                                                                                  Liebe,
                                                        für das neue Kunstmuseum in
                                                        Krems
                                                                                                                                                                                                       Es ist

                                                                                                                                                                                           die uns
                             © KHM mit MVK und ÖTM                                                                                              © APA-Fotoservice/Ian Ehm, 2010     zusammenführt.              Die Liebe zur Kunst vereint uns zu Ihrem Vorteil:
                                                                                                                                                                                                                Aon und Barta & Partner schließen sich zusammen.
                                                                                                                                                                                                                Kraft und Dynamik des weltweit größten Versicherungs-
Das Weltmuseum Wien startet das EU-Pro-                                                                               Im Gebäude einer ehemaligen Tabakfabrik
                                                                                           © Studio Finepix Digital                                                                                             maklers treffen auf das Know-how des renommierten
jekt „SWICH – Sharing a World of Inclusion,                                                                           des 19. Jahrhunderts mit 1.500 m2 Ausstel-
                                                                                                                                                                                                                Experten im Bereich Kunstversicherung. Unser Credo:
Creativity and Heritage”. Das Projekt wurde             Insgesamt 43 Bewerber/innen haben sich                        lungsfläche inszeniert das Team der Kunst-
                                                                                                                                                                                                                Second to none insuring Art.
gemeinsam mit 20 weiteren Projekten aus                 um die künstlerische Leitung des neuen                        halle Krems seit 20 Jahren zeitgenössische
insgesamt 74 Einreichungen ausgewählt und               niederösterreichischen Kunstmuseums                           Kunst. Die Kunsthalle ist nicht nur Ausstel-
wird mit 2 Millionen , gefördert. Im Rahmen             beworben, das im Herbst 2017 in Krems an                      lungshaus, sondern „eine Stätte des Stau-
von SWICH werden sich 10 europäische                    der Donau mit ca. 3.300 m2 Ausstellungs-                      nens und Lernens, an der kunsthistorische
Partnermuseen von November 2014 bis Sep-                fläche eröffnet werden soll.                                  sowie gesellschaftsrelevante Fragestellun-
tember 2018 mit aktuellen Fragen über die                                                                             gen in Permanenz neu verhandelt werden“,
Rolle ethnografischer Museen in einer                     www.kunsthalle.at                                           so Leiter Hans Peter Wipplinger.
zunehmend differenzierten europäischen
Gesellschaft auseinandersetzen.                                                                                         www.kunsthalle.at

    www.weltmuseumwien.at

Neue Außenstelle im HGM                                 Ab April: Literaturmuseum in Wien                             Kraus bleibt im mumok
                                                                                                                      © mumok / Andrea Kemper

                            © HGM/MI Manfred Litscher                       © ÖNB/APA/Hinterramskogler

Das Heeresgeschichtliche Museum hat die                 Das Literaturmuseum der Österreichischen                      Aus 38 Bewerbungen wurden die wissen-
im Burgenland gelegene Schauanlage Unger-               Nationalbibliothek öffnet am 18. April 2015.                  schaftliche Direktion und die kaufmännische
berg (U3) als eigene Außenstelle übernom-               „Es ist das erste Museum, das die ganze                       Geschäftsführung Mitte Februar besetzt.
men, um sie als Relikt des „Kalten Krieges“ in          Vielfalt der österreichischen Literatur vom                   Die bisherige Direktorin Karola Kraus wurde
der Originalausstattung zu bewahren und                 Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegen-                   um eine weitere Amtszeit verlängert, als
der Nachwelt als Mahnmal zugänglich zu                  wart vermittelt. Beheimatet im Grillparzer-                   kaufmännische Leitung zur Seite gestellt
machen. 1959/60 errichtet, sollte dieser                haus, dem generalsanierten, denkmalge-                        wurde ihr Cornelia Lamprechter, bisher Ge-
Bunker mit weiteren dazu dienen, eine erste             schützten ehemaligen k. k. Hofkammerar-                       schäftsführerin der Kunstmeile Krems.
Verteidigungslinie bei möglichen Angriffen              chiv in der Wiener Johannesgasse 6, wird                      „Mir ist es ein Anliegen, auch in Zukunft mit
zu bilden.                                              es auf zwei Stockwerken Autor/innen und                       einer gelungenen Mischung aus österrei-
                                                        Phänomene des literarischen Lebens thema-                     chischen und internationalen Positionen,
    www.hgm.at                                          tisieren, die innerhalb der jeweiligen Grenzen                anspruchsvollem Diskurs und Berücksichti-
                                                        Österreichs Relevanz hatten“, so Direktorin                   gung aktuellster Tendenzen in einen Dialog
                                                        Johanna Rachinger.                                            mit einem breiten Publikum und einem dezi-
                                                                                                                      dierten Fachpublikum zu treten.", so Kraus.
                                                          www.onb.ac.at
                                                                                                                        www.mumok.at

6                                                                                                                                                                                 www.aon-austria.at                            www.bartaart.com
GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
ANDERE
AUSGANGSLAGE,
  VERGLEICHBARE
      FRAGEN.
     UNIVERSITÄRE
SAMMLUNGEN AUS
   MUSEO-                                                                                                                                                                     Bettina Habsburg-Lothringen

 LOGISCHER                         Die Sichtbarkeit akademischer und
                                   wissenschaftshistorischer Sammlun-
                                                                         G
                                                                                     anz grundsätzlich sind Museen in ihrer Vielfalt, was Spar-
                                                                                     tenzugehörigkeit, Größe, Trägerschaft oder Sammlung
                                                                                     anbelangt, in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar, auch
                                                                                                                                                  Museum ist, sind es heute auch die Finanz-, Marketing- und Presse-
                                                                                                                                                  abteilungen.Teil dieser Machtverschiebung ist auch die Diskus-
                                                                                                                                                  sion, ob Museum von der Sammlung oder von der Gesellschaft her

  PERSPEK-
                                                                                     nicht, wenn es um ihre gesellschaftlichen Aufgaben geht:     zu denken ist. Im deutschsprachigen Raum gibt es eine Tradition,
                                   gen hat in den letzten Jahren im      Museen der Kunst haben andere Bedingungen als Häuser der Natur.          Museen im Dienst der Objekte und weniger im Dienst des Publikums
                                   deutschsprachigen Raum stark zu-      Ein großes technisches Museum hat andere Möglichkeiten als ein           zu sehen. Nun hat sich dieses Museumsbild in den letzten Jahren
                                                                         kleines regionales in der Provinz. Eine zeithistorische Einrichtung      quasi umgekehrt: Im Zentrum stehen heute Fragen nach Besuchero-
                                   genommen und vielerorts suchen ihre

   TIVE
                                                                         hatte immer schon eine andere Voraussetzung als eine kunstge-            rientierung und öffentlicher Sichtbarkeit. Mit einem Nachvollziehen
                                   Verantwortlichen nach zukunftswei-    werbliche Sammlung, eine private Einrichtung möglicherweise              dieser Forderungen haben die Vermittlungsabteilungen an Bedeu-
                                                                         einen anderen Auftrag als eine öffentlich finanzierte. Und dennoch       tung gewonnen und mit ihr die Öffentlichkeit, die Museen erreichen
                                   senden Konzepten zwischen Samm-       gibt es bestimmte Tendenzen, die übergreifend wirken:                    wollen. Mangelnde Besucherfreundlichkeit war gestern, die Ange-
                                   lung-Bleiben und Museum-Werden.          So wird heute, wenn über Museen gesprochen wird, häufig über          bote für das Publikum haben sich in den letzten Jahren vervielfacht
                                                                         Unternehmen und Geld gesprochen. Wirtschaftliche Rentabilität            und existieren heute für jede nur erdenkliche Zielgruppe und Nei-
                                   Der folgende Beitrag widmet sich –    und Effizienz scheinen zum Maßstab für erfolgreiche Museumsar-           gung. Diese Öffnung der Museen ist positiv, wo neue Gruppen ange-
                                   entlang einzelner, ausgewählter       beit geworden und die Existenz von Museen wird über ihren Wert           sprochen und erneut ein Nachdenken über die gesellschaftliche
                                                                         als Standortfaktor, Beitrag zur Wirtschaftsbelebung oder touristi-       Rolle der Institution eingesetzt hat, sie ist dort fragwürdig, wo eine
                                   Beobachtungen – der Frage, welche     schen Profilierung legitimiert. Auch in den Museen selbst haben wir      verstärkte Außenorientierung bloß in den Dienst zu steigernder
                                   Anregungen sie möglicherweise aus     uns an bestimmte Begriffe und Argumentationsweisen gewöhnt,              Besuchszahlen gestellt wird.
                                                                         was sich aus einer weitgehenden Machtverschiebung innerhalb der             Begleiterscheinung der verstärkten Außenorientierung ist in
                                   aktuellen Museumsentwicklungen        Häuser erklären lässt: Haben für einen Gutteil der öffentlichen          jedem Fall ein tendenzielles Zerfallen des Museums in eines vor und
                                   und -debatten gewinnen können.        Museumsgeschichte in erster Linie Wissenschafter definiert, was          eines hinter den Kulissen, mit teils gänzlich anderen Museumsbil-

8   THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN                                                                                                                                               THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN            9
GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
dern und Geschwindigkeiten und einem schwindenden Verständnis
für das, was die jeweils anderen tun. Die Folgen sind ein Aufeinan-
derprallen unterschiedlicher Vorstellungen, Frust, tendenziell hinter
den Kulissen, wo Kustoden, Restauratoren und Registrare Museum
im hergebrachten Sinn betreiben und nun im Extremfall in Gefahr
geraten, ein Museum vor den Kulissen, das von externen Beratern,
Kuratoren oder Medienfachleuten vorangetrieben wird, nur noch
bedienen zu müssen. Stellenzuwächse, tendenziell in medien- und
publikumsnahen Arbeitsbereichen, mögen schnelle Effekte im Hin-
blick auf die Außenwahrnehmung eines Museums bringen, schon
mittelfristig betrachtet kann diese Entwicklung aber fatal sein:        Praktiken oder die ethischen Standards einzelner Disziplinen. Sie
Wenn immer weniger Personen Sammlungen überhaupt noch lesen             belegen Debatten und richtungsweisende Neuerungen oder zeigen
und qualitativ entwickeln können, droht der Institution Stillstand      Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen
und Amnesie. Verstärkt wird diese Gefahr durch einen mangelnden         und jenen der Wissenschaft. Sie dokumentieren den Forschergeist,
Bezug vieler, vor allem kleiner und mittelgroßer Museen zu den          das Selbstverständnis oder die Weltbilder einzelner Schulen und
Universitäten, zu aktueller Forschung und theoretischen Debatten,       Forscherpersönlichkeiten.
vor allem aber zum wissenschaftlichen Nachwuchs, der künftig                Für das Laienpublikum geben Wissenschaftsmuseen wie andere
nur auf der Basis heute erworbenen Expertenwissens die kostenin-        Museen auch Einblick in eine Welt von gestern, ohne die die Welt
tensive Erhaltung der Sammlungen überhaupt wird argumentieren           von heute nicht denkbar wäre. Sie vermitteln einen Eindruck, wie
können. Marktwirtschaftliches Denken einer Bildungsinstitution,         Forschung passierte und Wissen entstand, sie geben Auskunft
Bedeutungsverlust der Wissenschaft und das Auseinanderfallen von        über Erklärungsmodelle und Denksysteme. Sie lassen uns durch                                                                               werden, um Themen nah am Menschen und/oder der Gegenwart zu
Archiv und Schaufenster in einer zunehmend außenorientierten Insti-     Anschauung an etwas teilhaben, dessen wir ansonsten nicht                                                                                  formulieren. Dass dabei ggf. für die Konstruktion einer Aussage oder
tution, Isolierung und mangelnder Bezug zu weiteren Forschungs-         einsichtig werden könnten. Bildung und Wissensvermittlung im                                                                               Bedeutung stärker auf Architektur, gestalterische Maßnahmen
einrichtungen: Welche Relevanz hat diese Diagnose für die Universi-     Kontext universitärer Sammlungen kann auch die Weitergabe von                                                                              und künstlerische Installationen gesetzt wird als auf die Sammlun-
tätssammlungen? Welche Forderungen ergeben sich daraus für ihre         aktuellem Sachwissen bedeuteten: Das frühe Museum war u. a.                                                                                gen, wäre vor dem Hintergrund heutiger musealer Praxis nahelie-
Verantwortlichen?                                                       Volksbildungsstätte und wurde genutzt, um beispielsweise neue                                                                              gend und legitim. Eine weitere Strategie zur Vermittlung akade-
    Wie klassisch-museale Sammlungen sind akademische Samm-             Erkenntnisse aus dem Feld der Gesundheitsförderung ins Volk                                                                                mischer Wissensbestände könnte die Personalisierung sein, also die
lungen sehr divers. Neben Objekten aus Kunst, Kultur und Natur,         zu tragen, eine Funktion, zu deren Erfüllung gerade Wissenschafts-                                                                         Vermittlung von Inhalten anhand von Personen und ihren (Arbeits-)
die man durchaus in öffentlichen Museen erwarten dürfte, bestehen       museen auch heute geeignet wären. Ebenso haben ihre Verant-                                                                                Biografien. Besonders naheliegend sind angesichts der Diversität
sie aus Geräten und Instrumenten, Modellen und Lehrtafeln, Präpa-       wortlichen die Kompetenz, Neuerungen und Entwicklungen z. B.                                                                               universitärer Sammlungen schließlich spartenübergreifende Schauen
raten oder Abgüssen. Was sie verbindet, ist, dass sie für die For-      in den Technik- und Naturwissenschaften kritisch zu begleiten         Die klassischen Museen haben sich im Bereich des Ausstellens in      im Sinne des Auflösens hergebrachter Disziplinen und der Grenze
schung angelegt bzw. in ihrem Rahmen entwickelt worden sind. Was        und Menschen dabei zu unterstützen, diese in ein Ordnungssystem       den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten dynamisch entwickelt und         hin zur Kunst.
sie auch verbindet, ist ihr Eingebunden-Sein in die Lehre und den       einbetten und besser beurteilen zu können. Der direkte Bezug          gerade in der Vermittlung kultur- und naturgeschichtlicher Inhalte      Vor dem Hintergrund dessen, wie Museum und Museum als Aus-
Studienbetrieb sowie ihr bislang weitgehend nicht öffentliches          zur laufenden Forschung und den handelnden Personen sollte dabei      gibt es Neuerungen, die auch für die Präsentation universitärer      stellungsbetrieb heute funktioniert, steht am Ende die Aufforderung
Dasein.                                                                 Qualität und Aktualität der Inhalte garantieren.                      Sammlungen von Belang sind. So ist es heute legitim, Ausstellun-     an die Verantwortlichen von Universitätssammlungen, sich bewusst
    In einer Phase, da sich ihre Verantwortlichen nun überlegen, ob         Insgesamt gilt es, sich dieses Potenzials und der Möglichkeiten   gen nicht mehr ausschließlich über den Schauwert und das Zeigen      zu halten, dass sie sich in einem Markt bewegen und von Beratern
und wie aus ihren Beständen öffentliche Museen entstehen sollen         als Wissenschaftsmuseum bewusst zu werden, ehe man Politiker          auratischer Dinge zu definieren, sondern ihre Aufgabe in der best-   und Experten umgeben sind, die etwas verkaufen möchten. Dabei
und können, scheint es wichtig, eingehend über die angestrebte          und Medien, Geldgeber und Öffentlichkeit überzeugen möchte,           möglichen Aufbereitung von Wissen bzw. einer zu vermittelnden        bringt ggf. der kollegiale Austausch und der Blick in die Praxis ande-
institutionelle Identität und die eigene gesellschaftliche Bedeutung    die oft wenig Vorwissen haben und Qualitätsbegriffe im Feld der       Botschaft zu sehen. Die wichtigste Frage wäre demzufolge nicht       rer mehr als der x-te Beratungstermin zu einer Werbelinie oder die
nachzudenken: Worin liegt der Wert und Nutzen einer wissen-             Universitätsmuseen erst entwickeln müssen.                            mehr, was gezeigt wird, sondern warum und wie.                       realistische Einschätzung bezüglich Sponsorenleistungen, Besuchs-
schaftshistorischen Sammlung für Fachkollegen und Auszubilden-              Die Frage ist nun, wie Wissenschaftsmuseen in der Folge konkret      Anknüpfungspunkt für Wissenschaftsausstellungen könnte            zahlen oder Medienaufmerksamkeit. Profitieren Sie von den Erfah-
de? Warum überhaupt sollte man sie einer Laienöffentlichkeit            nach außen treten können und ob sich ihre Bedingungen – man           weiters ein seit geraumer Zeit zu beobachtendes Spiel mit herge-     rungen anderer und lassen Sie sich Zeit: Sich als Sammlung oder
zugänglich machen? Für die Expertinnen und Experten erfüllen aka-       denke konkret an das Ausstellungswesen – von jenen klassischer        brachten musealen (Ausstellungs-)Formaten bieten. Die traditions-    Museum neu zu finden, dauert. Institutionelle Identität muss wach-
demische Sammlungen die Funktion eines Sacharchivs. Sie sind            Museen unterscheiden.                                                 reiche Differenzierung zwischen Depot, Studiensammlung, Dauer-       sen und kann nicht bestellt werden wie etwa eine Klimavitrine. ■
der Ort, an dem die gegenständlichen Reste der Wissenschaftsge-             Erwartungsgemäß unterscheiden sich die Herausforderungen im       und Sonderausstellung erscheint heute für viele Kuratoren und
schichte erhalten geblieben sind und als solches der Speicher des       Ausstellen teils gravierend, denn während Objekte der Kunst immer     Gestalter nicht mehr zwingend und die Vielzahl neuer Formen wie      Bettina Habsburg-Lothringen
universitären Gedächtnisses. Sie machen Forschungsprozesse              schon geschaffen worden sind, um präsentiert und betrachtet zu        semipermanente Angebote, Schaudepots, Interventionsprojekte,         Leiterin Museumsakademie Joanneum
nachvollziehbar und das Wissen einer Zeit anschaulich, geben            werden, verhält es sich mit Anschauungsmaterialien für die Lehre,     ortsbezogene Arbeiten, Aktionen im Stadtraum oder partizipatori-     und der Abteilung Kulturgeschichte,
Auskunft über die technischen Entwicklungen, die Methoden und           mit Objekten zur Geschichte der Mathematik, Chemie oder Physik,       sche Initiativen könnten auch in den entstehenden Wissenschafts-     Universalmuseum Joanneum, Graz
                                                                        mit einer Sammlung von Algenkulturen oder Teilen einer Großrech-      museen erprobt werden, um herauszufinden, mithilfe welcher Kon-
                                                                        neranlage möglicherweise bis sehr wahrscheinlich anders. Vor dem      zepte und Gestaltungslösungen die unterschiedlichen Sammlungen
                                                                        Hintergrund der Vielfalt universitärer Sammlungen kann es die         ideal aufbereitet werden können. Der didaktische und ästhetisch
                                                                        eine perfekte Lösung für ihre Darstellung ohnehin nicht geben, es     motivierte Einsatz von audiovisuellen Medien zur inhaltlichen
                                                                        wäre aber ein guter Auftakt, sich die museologischen Debatten         Vertiefung und Kontextualisierung könnte dabei ebenso versucht
                                                                        zum Thema vorzunehmen, um sich z. B. als Leiter einer Universitäts-   werden wie die Neuperspektivierung „sperriger“ Bestände unter
                                                                        sammlung klarer darüber zu werden, wo die jeweiligen Möglichkeiten    kulturwissenschaftlichen Fragestellungen: Die Modelle und Instru-
                                                                        für einen bestimmten Objektbestand liegen und welche Mittel bzw.      mente würden dann nicht nur der Veranschaulichung von Erfindun-
                                                                        Strategien sich eignen, um das Wissen der Objekte bestmöglich ans     gen, fachwissenschaftlichen Erkenntnissen und Zusammenhängen
                                                                        Licht zu bringen.                                                     oder Funktionsweisen dienen, sondern zum Anlass genommen

10     THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN                                                                                                                                                                                                             THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN          11
GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
Potenziale sichtbar und nutzbar machen
 Die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche
 Universitätssammlungen in Deutschland
                                                                                         Hochschulen, die lange Jahre eher stiefmütterlich       in Deutschland, die ihre Arbeit im April 2012 aufnahm.
                                                                                         behandelt wurden, rücken seit einiger Zeit (wieder)     Sie wird vom Bundesministerium für Bildung und
                                                                                         ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Die      Forschung finanziert und ist am Hermann von Helm-
 Sarah Elena Link & Cornelia Weber
                                                                                         Sammlungen und ihre Objekte stellen faszinierende       holtz-Zentrum für Kulturtechnik angesiedelt, einem
                                                                                         Wissensbestände dar, die immer wieder aufs Neue         Zentralinstitut der Humboldt-Universität zu Berlin, das
                                                                                         untersucht, befragt und verhandelt werden können.       sich seit mehr als 15 Jahren mit universitären Samm-
                                                                                         Die Relevanz wissenschaftlicher Sammlungen formu-       lungen beschäftigt.
                                                                                         lierte nicht zuletzt der Wissenschaftsrat, das wich-
                                                                                         tigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in      Qualitätsentwicklung der Sammlungen
                                                                                         Deutschland, Anfang des Jahres 2011:
                                                                                             „Wissenschaftliche Sammlungen und Objekte stel-     Ziel der Koordinierungsstelle ist es, die Sichtbarkeit
                                                                                         len für die Forschung in zahlreichen wissenschaft-      und Nutzbarkeit der universitären Sammlungen

                                         W
                                                                                         lichen Disziplinen eine unentbehrliche Grundlage dar,   zu erhöhen und sie langfristig als Infrastrukturen für
                                                         as haben Abgüsse antiker        viele Disziplinen sind erst durch Sammlungen ent-       Forschung und Lehre weiter zu entwickeln und zu
                                                         Plastiken, mathematische        standen. Teilweise werden in der Forschung mit und      vernetzen. Die Koordinierungsstelle berät, informiert
                                                         Drahtmodelle, eine Kleinbild-   über Sammlungen herausragende Forschungser-             und unterstützt die Sammlungen dabei in ihren ver-
                                                         diasammlung, Injektionsprä-     gebnisse generiert […]. Objektbasierten Sammlungen      schiedenen Arbeitsbereichen.
                                          parate des Magen-Darm-Traktes, ein Knos-       kommt durch ihre spezifische Materialität eine             In enger Zusammenarbeit mit Sammlungsbeauf-
                                          penherbar und Lötrohrprobierbestecke           besondere Wirkung zu, die in Forschung und Lehre        tragten, Kustodinnen und Kustoden, Fachwissen-
                                          aus dem 18. Jahrhundert gemeinsam? All         nutzbar gemacht wird.“1                                 schaftlerinnen und Fachwissenschaftlern sowie
                                          diese Objekte finden sich in universitären         In seiner Stellungnahme wies das Gremium aller-     Expertinnen und Experten außeruniversitärer
                                          Sammlungen. Das Potenzial dieser mate-         dings auch auf die beachtlichen Probleme gerade         Forschungseinrichtungen erarbeitet das Team der
                                          riellen Objektbestände ist vielfältig und      der universitären Sammlungen hin, deren Potenzial       Koordinierungsstelle Handreichungen und Leit-
                                          noch längst nicht angemessen ausgeschöpft.     „aus unterschiedlichen Gründen – wie unzureichende      fäden für die systematische Qualitätsentwicklung
                                          Doch Erhalt, Pflege und Nutzung der Samm-      Erschließung, Sichtbarkeit, Betreuung, Pflege oder      der Sammlungen. Diese Materialien tragen dazu
                                          lungen stellen viele Universitäten vor große   Unterbringung – nicht angemessen ausgeschöpft           bei, innerhalb der Sammlungsarbeit einheitliche
                                          Aufgaben. Die Koordinierungsstelle für wis-    werden kann“2. Um die Situation der Sammlungen zu       Standards zu festigen und Vorgehensweisen zu
                                          senschaftliche Universitätssammlungen          verbessern, regte der Wissenschaftsrat die Einrich-     vereinheitlichen. Grundlage aller qualitätssichernden
                                          in Deutschland hilft dabei, diese Herausfor-   tung einer zentralen Stelle an: die Koordinierungs-     Maßnahmen bilden die Erfassung und qualitative
                                          derungen anzugehen.                            stelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen     Einordnung einer Sammlung, wie in den Qualitäts-
                                              Universitätssammlungen haben Konjunk-
                                          tur. Die objektbasierten Sammlungen der                                                                                              1
                                                                                                                                                                                   Wissenschaftsrat:
                                                                                                                                                                                                             2
                                                                                                                                                                                                                 Ebda., S. 7
                                                                                                                                                                                   Empfehlungen zu
                                                                                                                                                                                   wissenschaftlichen
                                                                                                                                                                                   Sammlungen als
                                                                                                                                                                                   Forschungsinfrastruk-
                                                                                                                                                                                   turen. Drs. 10464-11,
                                                                                                                                                                                   Berlin 28. Januar 2011,
                                                                                                                                                                                   S. 7

12    THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN                                                                                                                                                             THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN    13
GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
Wissenschaftliche Sammlungen digital einen eigenen        glieder des Netzwerkes regelmäßig, um Ideen und
                                                                                                                                  Beitrag für die verbesserte digitale Sichtbarkeit und     Erfahrungen auszutauschen und Zukunftskonzepte zu
                                                                                                                                  Nutzbarkeit der Sammlungen. Das Portal macht Infor-       entwickeln. Auf gemeinsamen Workshops werden
                                                                                                                                  mationen zu den universitären Sammlungen, ihren           praxisnah aktuelle Fragestellungen diskutiert, die sich
                                                                                                                                  Beständen, Aktivitäten und Akteuren sowie Metada-         aus der täglichen Arbeit in und mit universitären
                                                                                                                                  ten und Digitalisate von Objekten sichtbar, recher-       Objektbeständen ergeben. Eine Arbeitstagung der
                                                                                                                                  chierbar und wissenschaftlich nutzbar. Sie ist die        Koordinierungsstelle beispielsweise geht im Mai 2015
                                                                                                                                  erste Informationsressource, die dem besonderen           der Frage nach, wie sich der Stellenwert wissen-
                                                                                                                                  Status wissenschaftlicher Sammlungen gerecht              schaftlicher Sammlungen in der Lehre erhöhen und
                                                                                                                                  wird und ihre gleichzeitige Verortung im Bereich des      nachhaltig etablieren lässt.11 Auf der jährlichen Samm-
                                                                                    Schaffung universitätsweiter Arbeitskreise    Kultur- und Naturerbes sowie als wissenschaftliche        lungstagung im September 2015 wird unter anderem
                                                                                    oder Verabschiedung einer Sammlungsord-       Infrastrukturen berücksichtigt. Die Plattform, in         diskutiert werden, nach welchen Kriterien aktuell
                                                                                    nung, in der sich die Universität zu ihren    der derzeit knapp 800 Universitätssammlungen in           genutzte wissenschaftliche Objekte für die Zukunft
                                                                                    Sammlungen bekennt, sind erfolgverspre-       Deutschland verzeichnet sind, erhöht deren Bekannt-       gesammelt werden sollten.12
                                                                                    chende erste Schritte in diese Richtung.      heit, stärkt ihre Wahrnehmung als relevante Ressour-          Dank dieser Aktivitäten ist es gelungen, die Samm-
                                                                                                                                  cen nachhaltig und trägt so zur langfristigen Siche-      lungscommunity intensiv zu beleben und zu vernetzen
                                                                                    Digitalisierung                               rung der Bestände bei.7                                   sowie über Fächer- und Institutionengrenzen hinaus
                                                                                                                                                                                            ein Bewusstsein für die gemeinsamen Belange der
                                                                                    Forschung und Lehre sowie die Nutzung des     Netzwerk Universitätssammlungen                           Sammlungen zu schaffen. Nur durch den engagierten
                                                                                    kulturellen Erbes erfolgen zunehmend                                                                    Einsatz aller Beteiligten können Abgüsse, Modelle,
                                    kriterien für wissenschaftliche Universitäts-   virtuell. Digitale Werkzeuge, Verfahren und   Die Koordinierungsstelle fördert den Austausch der        Kleinbilddias, Präparate, Herbare und Instrumente als
                                    sammlungen3 und der Statusbestimmung            Infrastrukturen haben daher eine große        einzelnen Sammlungen untereinander und unterstützt        materielle Quellen für Forschung und Lehre an den
                                    für wissenschaftliche Universitätssamm-         Bedeutung für die Weiterentwicklung univer-   den Aufbau eines gemeinsamen Netzwerks. Über              Universitäten erhalten bleiben und langfristig genutzt
                                    lungen4 dargestellt. So können Aussagen         sitärer wissenschaftlicher Sammlungen.        Website8, Newsletter9 und Mailingliste10 der Koordi-      werden. ■
                                    zur Relevanz und Nutzung einer Sammlung         Sie ermöglichen digitales Erschließen von     nierungsstelle stellen die Sammlungen ihre vielfälti-
                                    getroffen und, darauf aufbauend, zielge-        Sammlungsbeständen nach wissenschaft-         gen Aktivitäten, Best-Practice-Beispiele und Projekte     Sarah Elena Link, Cornelia Weber (Leitung),
                                    richtete Maßnahmen zu ihrer Verbesserung        lichen Kriterien, forschungsgerechtes Digi-   vor und nutzen die Möglichkeit der virtuellen Vernet-     Koordinierungsstelle für wissenschaftliche
                                    und Weiterentwicklung erarbeitet und be-        talisieren der Objekte sowie das Zugäng-      zung. Im Rahmen von Tagungen treffen sich die Mit-        Universitätssammlungen in Deutschland, Berlin
                                    gründet werden. Mithilfe des Leitfadens         lichmachen der Daten im Internet und ihre
                                    Sammlungskonzept und Leitbild5 werden           Verknüpfung untereinander. So können
                                    Funktion und Perspektive einer Sammlung         Sammlungsbestände sichtbar und digital                                     3
                                                                                                                                                                   http://wissenschaftli-
                                                                                                                                                                                            4
                                                                                                                                                                                                http://wissenschaftli-   8
                                                                                                                                                                                                                              http://wissenschaftli-
                                                                                                                                                                                                                                                        11
                                                                                                                                                                                                                                                             Arbeitstagung
                                    präzisiert sowie deren zukünftige Samm-         nutzbar gemacht werden. Viele der universi-                                    che-sammlungen.de/           che-sammlungen.de/            che-sammlungen.de/             „Objekte wissenschaft-
                                                                                                                                                                   de/qualitaetskriterien       de/statusbestimmung           de [Zugriff: 5.1.2015]          licher Sammlungen
                                    lungspolitik und -nutzung definiert. Die        tären Sammlungen haben dies als Chance                                         [Zugriff: 5.1.2015]           [Zugriff: 5.1.2015]                                           in der universitären
                                    Koordinierungsstelle steht den Sammlun-         erkannt und nehmen die von der Koordi-                                                                                               9
                                                                                                                                                                                                                              http://wissenschaftli-         Lehre: Praxis, Erfah-
                                    gen bei all diesen Maßnahmen beratend zur       nierungsstelle angebotene Unterstützung                                                                 5
                                                                                                                                                                                                http://wissenschaftli-        che-sammlungen.de/             rungen, Perspektiven“
                                                                                                                                                                                                che-sammlungen.de/            de/nachrichten/                in Kooperation mit
                                    Seite und nutzt ihre Erfahrungen für die        im Bereich der Digitalisierung gerne in                                                                                                                                  der Stiftung Mercator
                                                                                                                                                                                                de/sammlungskonzept           newsletter-abonnie-
                                    beständige Weiterentwicklung der Handrei-       Anspruch.                                                                                                   [Zugriff: 5.1.2015]            ren/ [Zugriff: 5.1.2015]        am 28./29. Mai 2015
                                    chungen, die neben einer Auswahl weiterer           Darüber hinaus leistet die Koordinie-                                                                                                                                in Berlin (http://
                                                                                                                                                                                                                                                             sammlungen-lehre.
                                    sammlungsrelevanter Materialien auf der         rungsstelle mit ihrem Informationsportal                                                                6
                                                                                                                                                                                                http://wissenschaftli-
                                                                                                                                                                                                                         10
                                                                                                                                                                                                                              http://sympa.cms.              hu-berlin.de, Zugriff
                                    Website der Koordinierungsstelle kosten-                                                                                                                    che-sammlungen.de/            hu-berlin.de/sympa/            seit 1. Februar 2015
                                                                                                                                                                                                de/service-material           info/sammlungsnetz-            möglich).
                                    los zur Verfügung stehen.6                                                                                                                                  [Zugriff: 5.1.2015]            werk [Zugriff: 5.1.2015]
                                        Um eine Verankerung der Sammlungen                                                                                                                                                                              12
                                                                                                                                                                                                                                                             http://wissenschaftli-
                                    im Universitätsalltag dauerhaft zu sichern,                                                                                                             7
                                                                                                                                                                                                http://portal.
                                                                                                                                                                                                                                                             che-sammlungen.de/
                                    sind neben der Entwicklung einzelner                                                                                                                        wissenschaftli-
                                                                                                                                                                                                                                                             de/termine/7-samm-
                                                                                                                                                                                                che-sammlungen.de
                                    Sammlungen weitere Anstrengungen nötig.                                                                                                                                                                                  lungstagung [Zugriff:
                                                                                                                                                                                                [Zugriff: 5.1.2015]
                                                                                                                                                                                                                                                             5.1.2015]
                                    So ist beispielsweise die Einbeziehung
                                    der Sammlungen in den gesamtuniversi-
                                    tären Kontext von großer Bedeutung.
                                    Die Einrichtung von zentralen Kustodien,

14   THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN                                                                                                                                                                                                          THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN               15
GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
MUSEALISIERUNG
                       UNIVERSITARER
                       SAMMLUNGEN
                                                                                                    Hendrik Baumbach

S
           eitdem im letzten Jahrzehnt die       sein scheint. Der Entstehungskontext einer         Arbeitstechniken unterliegen jedoch spürba-
           universitären Sammlungen in der       Sammlung und die ursprüngliche Absicht             ren Wandlungsprozessen, die eine Samm-
           deutschen Hochschullandschaft         ihrer Gründer sind damit bisweilen aus dem         lung bereits während ihrer ersten Jahre er-
           wiederentdeckt worden sind,           Blick geraten. Gleichzeitig sind sich Muse-        fassen können, sie spätestens aber mit dem
ist an den Universitäten das Bemühen zu          um und universitäre Sammlung hinsichtlich          Ausscheiden ihres Urhebers rasch einholen.
beobachten, die Bekanntheit der von ihnen        ihrer Tätigkeit und ihrer Rolle in der Wissens-    Ob sich dessen Nachfolger oder die Hoch-
gesammelten Objekte in der Öffentlich-           gesellschaft näher gekommen.                       schule den gesammelten Objekten verbun-
keit zu steigern. Zu diesem Zweck liegen            Einst sind universitäre Sammlungen in           den fühlen, hängt in jedem Einzelfall von
inzwischen etliche Bände vor, die das Spek-      direkter Verbindung zum Wissenschafts-             der neuerlichen Selbstverpflichtung der Ver-
trum solcher Einrichtungen einer Hoch-           betrieb der Hochschulen entstanden – sie           antwortlichen ab, die Sammlung zu erhal-
schule vorstellen.1 Im gleichen Maße präsen-     sollten der Forschung und Lehre zugleich           ten. Ist dieser neuralgische Punkt einmal                                       schulen und Wissenschaftsförderern zur Verfügung             Forschungskooperationen gemeinsam zu nutzen. Auf
tieren sich die Sammlungen in Vortragsrei-       dienen. Keimzellen waren dabei gerade              zum Positiven hin überschritten, stehen sie                                     stehen. Die regelmäßige Aktualisierung einer Samml-          diese Weise sind Datenbeziehungen entstanden, die
hen oder ihre Exponate in eigens konzipier-      diejenigen wissenschaftlichen Fragestellun-        immer wieder vor der Herausforderung,                                           ung mit ihrem reichlich festen Grundbestand an Ob-           der materielle Zustand der Exponate bisher unterbun-
ten Ausstellungen. Indem ihre Leiter, Kura-      gen, der sich ihre professoralen Initiatoren       ihren Bestand zu erweitern und den Nutzen                                       jekten, die tradierten Forschungsfragen folgen, bedarf       den hat. En passant haben die Sammlungen ihre Reich-
toren und Koordinatoren sich zunehmend           verschrieben hatten. Ihr Bezug zur universi-       für ihr Fach stets aktuell zu halten. Gelingt                                   deshalb gehörig innovativer Kraft bei der kompetitiv         weite vergrößert und damit auf die Internationalisie-
disziplinenübergreifend verständigt haben,       tären Ausbildung ist deshalb auch von An-          das nicht, drohen ein Abschluss und die                                         organisierten Mittelverteilung. Diesen Weg beschrei-         rung der Forschung fast aller Fächer reagiert. Eine
ist ein Diskurs zur Kultur des Sammelns          fang an von den Lehrmethoden ihres Faches          Historisierung der Sammlung.2 Diesen fort-                                      ten etliche Universitätssammlungen erfolgreich.              zweite Kategorie von Aktualisierungsstrategien kon-
entstanden, der vom Gegenstand der ein-          zum Zeitpunkt ihrer Gründung bestimmt              währenden Wettlauf behindern gegenwär-                                          Für die Universität Jena hat eine Befragung ergeben,         zentriert sich auf den Bestand der universitären
zelnen Sammlung geradezu unabhängig zu           worden. Diskurse, Wissensbestände und              tig auch die knappen Ressourcen, die Hoch-                                      dass immerhin ein Viertel der Sammlungen um Dritt-           Sammlungen. Solange dem ursprünglichen Zweck
                                                                                                                                                                                    mittel bemüht sind oder sie bereits erfolgreich einge-       einer Sammlung im gegenwärtigen Forschungsdis-
                             1
                                 Vgl. z. B. Entdecken und Staunen! Wissenschaftliche
                                                                                          2
                                                                                              Vgl. Kornelia Grundmann: Gesammeltes Wissen – Zur                                     worben haben.3                                               kurs noch Relevanz zukommt, lässt sich ihr Bestand
                                 Sammlungen. Hamburg 2014. Die Sammlungen der                 Geschichte des Sammelns. In: Christoph Otterbeck,                                        Insbesondere die mit der Digitalisierung einherge-        erweitern oder vervollständigen. Damit bewältigen
                                 Universität Erlangen-Nürnberg. Erlangen 2014. Char-          Joachim Schachtner (Hg.): Schätze der Wissenschaft.
                                 lotte Trümpler (Hg.): Ich sehe wunderbare Dinge.             Die Sammlungen, Museen und Archive der Philipps-                                      henden Möglichkeiten technischer (Er-)Neuerung sind          universitäre Sammlungen durch ihren spezifischen
                                 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität. Ost-            Universität Marburg. Marburg 2014, S. 16–24, hier                                     die Basis, den Sammlungsbestand in einer Datenbank           Sammlungszweck die für Museen oft große Heraus-
                                 fildern 2014. Christoph Otterbeck, Joachim Schacht-          S. 22.                                                                                aufzubereiten oder Maßnahmen zur Erhaltung der Ob-           forderung, zu entscheiden, was denn eigentlich zu
                                 ner (Hg.): Schätze der Wissenschaft. Die Sammlungen,
                                 Museen und Archive der Philipps-Universität Mar-                                                                                                   jekte durchzuführen. Zugleich bietet sich durch das          sammeln sei.4 Sogar wenn sich die Systematisierung
                                 burg. Marburg 2014. Stefan Lehmann (Hg.): Die aka-                                                                                                 Internet die Gelegenheit, die digitalisierten Objekte in     der Objekte inzwischen überholt hat, kann der vor-
                                 demischen Sammlungen und Museen der Martin-
                                 Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle-Witten-                                                                 3                                                             4
                                 berg 2013. Claudia Feigl (Hg.): Schaukästen der                                                                        Vgl. Tilde Bayer, Martin S. Fischer: Wissenschaftliche        Vgl. Henrike Hampe: Welche Zukunft hat das Sam-
                                 Wissenschaft. Die Sammlungen an der Universität                                                                        Sammlungen in Forschung und Lehre. Das Beispiel               meln? Eine museale Grundaufgabe in der globalisier-
                                 Wien. Wien, Köln, Weimar 2012. Dinge des Wissens.                                                                      Jena. In: Cornelia Weber, Klaus Mauersberger (Hg.):           ten Welt. Ein Resümee. In: Claudia Selheim (Hg.):
                                 Die Sammlungen, Museen und Gärten der Universi-                                                                        Universitätsmuseen und -sammlungen im Hochschul-              Welche Zukunft hat das Sammeln? Eine museale
                                 tät Göttingen. Göttingen 2012.                                                                                         alltag. Aufgaben, Konzepte, Perspektiven. Beiträge            Grundaufgabe in der globalisierten Welt. Beiträge
                                                                                                                                                        zum Symposium des Hermann von Helmholtz-Zent-                 der 19. Arbeitstagung Sachkulturforschung und
                                                                                                                                                        rums für Kulturtechnik in Zusammenarbeit mit dem              Museum in der Deutschen Gesellschaft für Volks-
                                                                                                                                                        Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité.              kunde vom 26. bis 28. Januar 2011 im Germanischen
                                                                                                                                                        Berlin 2010, S. 73–78, hier S. 74.                            Nationalmuseum. Nürnberg 2012, S. 120–122, hier
                                                                                                                                                                                                                      S. 122.

16     THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN                                                                                                                                                                                                                             THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN        17
handene Bestand noch umsortiert und rearrangiert            universitären Sammlung bewirkt überdies die allmäh-
werden. Nicht zuletzt neigen universitäre Samm-             liche Musealisierung ihres Bestandes. Dieser Prozess
lungen mit der Zeit auch dazu, ihren Sammlungsge-           meint hier die sukzessive Annäherung ihres Wirkens
genstand im Kern anzupassen. Die natürliche Trieb-          an die originären Kernaufgaben eines Museums. Uni-
feder dieses Prozesses dürften vor allem die sich           versitäre Sammlungen erscheinen von vorneherein
in jeder Generation – von Hochschullehrer zu Hoch-          besonders prädestiniert, sich bisweilen als Museum
schullehrer – wandelnden Forschungsinteressen               zu figurieren, zumal beiden Institutionen die Tätigkeit
darstellen.                                                 des Sammelns sowie die (wissenschaftliche) Erschlie-
    Nicht alle universitären Sammlungen haben es            ßung ihrer Exponate gemeinsam sind. Sie unterschei-
aber vermocht, sich immerfort zu aktualisieren.             den sich jedoch prinzipiell in ihrer gesellschaftlichen
Durch z. T. gar ostentativ vorgebrachte Selbsthis-          Funktion. Während universitäre Sammlungen auf
torisierung erklären sie ihren Bestand zu historischen      zeittypische Forschungskontexte zielen, richtet sich
Zeugen ihres Faches und geben indirekt zu, dass             das museale Angebot an die Öffentlichkeit, der
der Sammlungszweck keine oder allenfalls geringe            es – unumstritten als historisch deklariertes – Kultur-
Bedeutung für die aktuelle Forschung ihrer Disziplin        gut darbieten und vermitteln will. Sophie Elpers und
hat. Adressat und Multiplikator solcher Äußerungen          Anna Palm fragen zu Recht, ob nicht mit der Musea-
ist der in den letzten Jahren ebenfalls kontinuierlich      lisierung selbst die Objekte der Gegenwart zu                                         dazu geführt, dass ihre Nutzer nicht mehr       in der aktuellen Forschung besäßen. Insge-
gewachsene Forschungszweig der Wissenschafts-               einem Teil der Vergangenheit transferiert werden.6                                    vor Ort an den Eingangsstufen kontrolliert      samt vermag der Musealisierungsprozess
geschichte. An den Universitäten lässt sich dieses          Die schmale Differenz zwischen universitärer und                                      werden können. So richtet sich ihr Angebot      auf universitäre Sammlungen aber existenz-
Phänomen anhand von Lehrveranstaltungen und                 musealer Sammlung überdeckt erstere inzwischen                                        längst nicht mehr nur an Wissenschafter.        bedrohend zu wirken. Indem ihr Bestand
Qualifikationsarbeiten beobachten, die die Samm-            mehr und mehr, beispielsweise indem regelmäßige                                           Die Musealisierung der Sammlung einer       durch regelmäßige Entleihung von Expona-
lung gerade in ihrem historischen Wert behandeln.           Öffnungszeiten einer Ausstellung ihres Bestandes                                      Universität ist ein janusköpfiger Trend. Denn   ten oder Dauerleihgaben an externe Museen
So ist Nathalie Scholz in ihrer Magisterarbeit zu           oder öffentliche Führungen angeboten werden.                                          einmal vergrößern universitäre Sammlungen       und Einrichtungen ausgedünnt ist, verschie-
den deutschen völkerkundlichen Universitätssamm-            Auch die populärwissenschaftliche Erschließung                                        auf diesem Wege die öffentliche Aufmerk-        ben sich die positiven Effekte der Musea-
lungen ausdrücklich ihrem Wert für eine „museums-           und Aufbereitung der Objekte spiegeln diesen Pro-                                     samkeit für ihren Gegenstand und verbes-        lisierung auf Dritte. In letzter Konsequenz
ethnologische Ausbildung“ nachgegangen.5 Die                zess wider. Ferner haben die Digitalisierung uni-                                     sern ihr oft schlechtes finanzielles Gebaren.   drohen die Entkoppelung der Sammlung
bewusste oder unbewusste Historisierung einer               versitärer Sammlungen und ihre Präsenz im Internet                                    Beides hilft diesen Hochschuleinrichtungen,     von ihrer Hochschule und die unbefristete
                                                                                                                                                  die Notwendigkeit ihrer Existenz nach außen     und vollständige Übergabe an ein Archiv
                             5
                                 Nathalie Scholz: Völkerkundliche Sammlungen
                                                                                          6
                                                                                              Vgl. Sophie Elpers, Anna Palm: Von Grenzen und      hin zu bekräftigen. Dabei ist es die der        oder Museum. ■
                                 an deutschen Universitäten und ihr Einsatz in der            Chancen des Sammelns von Gegenwart in kulturhis-    Musealisierung zugrundeliegende Histori-
                                 Lehre. Mag.-Arb., Marburg 2009, S. 89–99.                    torischen Museen im 21. Jahrhundert. Eine Einfüh-
                                                                                              rung. In: Sophie Elpers, Anna Palm: Die Museali-    sierung eines Sammlungsbestandes selbst,        Hendrik Baumbach,
                                                                                              sierung der Gegenwart. Von Grenzen und Chancen      die den Sammlungen eine solche Rechtferti-      Koordinator Lichtbildarchiv älterer Origi-
                                                                                              des Sammelns in kulturhistorischen Museen.          gung abverlangt – diese würde wohl fort-        nalurkunden, Philipps-Universität Marburg,
                                                                                              Bielefeld 2014, S. 9–30, hier S. 10.
                                                                                                                                                  fallen, wenn sie allein ausreichend Relevanz    Institut für Mittelalterliche Geschichte

18     THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN                                                                                                                                                                                                             THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN   19
AUSSTELLUNGEN AN
                                TECHNISCHEN HOCHSCHULEN

                      D
Martina Dlugaiczyk                 ie Frage, inwieweit es für die moderne Wis-    sche wie anwendungsbezogene Perspektiven inklu-
                                   senschaft und ihre kulturelle Akzeptanz        sive. Hierfür bietet sich insbesondere das Format der
                                   wesentlich ist, ihre materielle Basis wieder   Ausstellung an, die sich im steten Wechsel aus einer
                                   sicht- und erlebbar zu machen, oszilliert      oder mehreren Sammlungen speist und ihre Plattform
                        seit Jahren durch die Universitäten. Mittlerweile mehr    im Museum der Universität oder einem von der Kusto-
                        oder minder auf breiter Ebene bejaht, vom Wissen-         die bereitgestellten Ort findet.
                        schaftsrat empfohlen und in unterschiedlichem Maße            Dass die sich hier abzeichnende Diskussion bereits   des Volkes. Besonders aber für Studienzwe-      heraus, während der Fokus im Ausstellungs-
                        umgesetzt, rotiert die Diskussion nun verstärkt um        um 1900 geführt wurde, zeigt der Blick zurück in die     cke. Der Inhalt der dieser Aufgabe geweih-      wesen verstärkt auf den Bereichen Kunst
                        das Format der Präsentation. Wie lassen sich – und        sich entwickelnde Museumslandschaft. Analog zu den       ten Museen darf aber nicht dem Zufall über-     und Industrie lag (Anke te Heesen, 2012).
                        zwar jeweils im Singular wie im Plural – Objekte,         Welt- und Gewerbeausstellungen entstand um 1900          lassen bleiben, der Einiges erreichbar macht,      In dieser Gemengelage von neuen, sich
                        Sammlungen, Forschungsbereiche, Wissensräume,             eine Ausstellungskultur, die das Museum in seiner        das Meiste aber unerreichbar versagt. Ein       rasant entwickelnden Möglichkeiten wird
                        Netzwerke oder Personen in ihrer räumlichen wie           Struktur verändern sollte. Nicht mehr Schausammlun-      Museum für Lehr- und Lernzwecke muß             zumeist übersehen, dass sich hierfür eine
                        zeitlichen Mehrschichtigkeit darstellen? Und an wel-      gen, sondern wechselnde Ausstellungen galt es zu         durchaus anders beschaffen sein, als eines      Art experimenteller Vorläufer in akademi-                     Antikensaal des Eidgenös-
                        chem Ort? Griffige Lösungsansätze wurden gesucht          etablieren. Dieses Format wurde – insbesondere für       das der Aufbewahrung von Seltenheiten           schen Lehrsammlungen finden lässt. Dabei                      sischen Polytechnikums in
                                                                                                                                                                                                                                                         Zürich, um 1880
                        und erprobt. Dabei zeigt sich, dass das Universitäts-     die naturkundlichen, gewerblichen wie technischen        dient“ (Herman Grimm, 1890). Unter ande-        richtet sich der Spot explizit auf technische
                                                                                                                                                                                                                                                         Fotografie: entnommen aus: Maurer,
                        museum und -archiv oder museal inszenierte Dauer-         Museen – zum Maßstab des Fortschritts. Aber auch         rem wurde etwa angedacht, den kulturge-         Hochschulen und deren Lehrsammlungen,                         Bruno, „Lehrgebäude. Gottfried Semper
                                                                                                                                                                                                                                                         am Züricher Polytechnikum“, in: Gott-

                        präsentationen, zudem losgelöst vom angestammten          in den anderen Sparten nahm die Rotation Fahrt auf.      schichtlichen Kontext eines Objektes oder       insbesondere die der Architekturfakultäten.
                                                                                                                                                                                                                                                         fried Semper 1803–1879. Architektur
                                                                                                                                                                                                                                                         und Wissenschaft, hg. von Winfried
                                                                                                                                                                                                                                                         Nerdinger und Werner Oechslin,
                        und gewachsenen Sammlungsort und der Fachdis-             Leidenschaftlich wurde etwa um die strukturellen         ganzer Themenfelder mittels durchlaufender      Frühzeitig lässt sich hier ein System auf-                    S. 306–313, hier S. 307

                        ziplin, zumeist zu einer Stillstellung der Sammlung       Bedingtheiten von Museen gestritten, Sammlungs-          Lichtbilder zu veranschaulichen oder mit        zeigen, welches sich aus dem Zusammen-
                        führen. Ziel muss jedoch deren wissenschaftskommu-        und Vermittlungsstrategien entwickelt, verworfen,        monochromen Farbdias polychrome Skulp-          spiel von Schausammlung und Wechsel-
                        nikativer Einsatz sein, um das Kulturgut Wissen und       modifiziert und über den Einsatz von heterogenen         turen entstehen zu lassen. Multimedia um        ausstellungen generierte. Und mehr noch:
                        verstärkt die Kulturtechnik Wissenschaft in ihrer         Medien wie Reproduktionen oder Lichtbildern debat-       1900. Parallel zu diesen Strukturdebatten       Ihrem Selbstverständnis als Architekt,
                        Prozesshaftigkeit darzustellen – historische, ästheti-    tiert, denn: „Wir bedürfen Museen für die Belehrung      kristallisierten sich in den Museen die         Wissenschaftler, Künstler, Techniker und
                                                                                                                                           großen, sich gegenseitigen beeinflussenden      Ingenieur gerecht werdend, wurde ein Samm-
                                                                                                                                           Gegenstandsbereiche Kunst und Natur             lungsbestand verhandelt, der unterschied-

20    THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN                                                                                                                                                                                                         THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN                    21
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