GEGENWART UND ZUKUNFT VON 15-1/2 - MUSEUMSBUND
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15-1/2 März 2015 € 14,30 ISSN 1015-6720 Herausgegeben von Museumsbund Österreich GEGENWART UND ZUKUNFT VON U N I V ERS I TÄTS SAMMLUNGEN
EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, das Museumsjahr 2015 hat medial sehr turbulent begonnen: Die Redimensionierung des Weltmuseums Wien – nach bereits erfolgter Finanzierungszusage – wirft ein- mal mehr die Frage auf, wie nachhaltig Planungen im Museumsbereich sind und wie selbstständig die Museumsverantwort- 21. Jahrhunderts anstreben? Wir stehen lichen im politischen Umfeld agieren können. jedenfalls als Diskussionspartner zur Und für das wiederbelebte Projekt „Haus Verfügung! der Geschichte“ versucht man sich an einem Da wir als Quartalszeitschrift nicht ta- neuen Konzept. gesaktuell berichten können, Sie aber über Zwei Aspekte sind dabei vielleicht zu be- alle Entwicklungen in dieser und anderen tonen, die letztendlich ineinander greifen: Angelegenheiten am Laufenden halten Das Museum als Institution ist aus unserer wollen, dürfen wir Ihnen ein weiteres Mal Sicht gefragt, Mehrwert für die Gesellschaft neben den Museumsnews auf unserer zu schaffen, ein grundsätzliches Verständ- Website auch unsere Web 2.0-Kanäle ans nis für die Vielfalt der Welt und ihrer Kul- Herz legen. turen aufzuzeigen. Gerade in einer kultu- Dank der Unterstützung unserer Partner- rell-pluralistischen Gesellschaft mit den museen, der Mitgliedsmuseen und der damit verbundenen Konfliktpotenzialen Museumsgütesiegelträger konnten wir zu- scheint es kulturpolitisch fahrlässig, nicht dem unser Serviceangebot erweitern: alle Möglichkeiten der Museen und ihre Ihre moecard hat eine Überarbeitung und Sammlungen auszuschöpfen: verankert in gleichzeitig eine Erweiterung erfahren. einer starken lokalen Community weltoffen Über 270 österreichische, Südtiroler und eine Inklusion aller zu fördern. Das Weltmu- Liechtensteinische Museen gewähren seum Wien in Kooperation mit dem ZOOM unseren Mitgliedern überwiegend freien Kindermuseum hätte sicherlich einiges dazu Eintritt. Nutzen Sie diese Gelegenheit, beitragen können. sich mit Kolleginnen und Kollegen zu ver- Gleichzeitig wirft das mögliche Haus der netzen, sich auszutauschen und von den (österreichischen) Geschichte – an der Erfahrungen anderer zu lernen. Schnittstelle zwischen Museum, Archiv und Bibliothek – viele Fragen auf. Wie sinnvoll In diesem Sinne wünsche ich Ihnen namens ist im 21. Jahrhundert die Gründung einer des Vorstandes des Museumsbundes Einrichtung, die eine nationale Identität de- Österreich einmal mehr eine anregende monstriert, die möglicherweise auf ver- Lektüre, alteten nationalstaatlichen Ideen basiert? An einem imperialen Ort, ohne Sammlung, Wien-zentriert ...? Sind nicht alle unsere Ihr Museen in ganz Österreich mit ihren viel- fältigen Beständen Häuser einer österreichi- schen Geschichte? Und wenn man schon so mutig ist, sollte man dann nicht einen zeitgemäßen Museumsbau als Zeichen der österreichischen Zivilgesellschaft des Wolfgang Muchitsch
8 63 THEMA UNIVERSITATSSAMMLUNGEN Viele Universitäten unterhalten Sammlungen, die zum Teil bereits im 19. Jahrhundert öffentlich zugänglich waren, zum Teil aber ausschließ- lich Wissenschaft und Unterricht dienten. In den letzten Jahren rück- ten diese Sammlungen in den Fokus des museologischen Interesses: Wo liegt die Zukunft der universitären Sammlungen? Welche Gemein- samkeiten haben universitäre und museale Sammlungen? Wo ist ein Kooperation sinnvoll, wo eine kooperative Koexistenz? Wie unter- INHALT schiedlich sind die Wissensräume, die die Sammlungen füllen? MÄRZ 15 8 Bettina Habsburg-Lothringen Andere Ausgangslage, vergleichbare Fragen 12 Sarah Elena Link & Cornelia Weber Potenziale sichtbar und nutzbar machen 16 Hendrik Baumbach Musealisierung universitärer Sammlungen 20 Martina Dlugaiczyk 1 7 ›Science goes public‹ um 1900 64 125 126 144 1 EDITORIAL 24 SCHAUPLATZE 126 APROPOS MUSEUM Peter Scherrer & Nikolaus Reisinger im Interview mit Doris Griesser ›Universitätsmuseen‹ als Grazer Marke 28 64 Museum ist immer Gegenwart Celia Di Pauli & Lisa Noggler-Gürtler & Eric Sidoroff Sabine Fauland Gestaltungsansichten. „Räume der Wissenschaft“ am 4 JOURNAL Institut für Gestaltung an der Universität Innsbruck 128 BALLHAUSENS 68 Erdöl & Erdgas. Neuer Ausstellungsbereich TRICORDER Neu im Technischen Museum Wien 32 Alpenverein-Museum geschlossen · Buchtipp Bestattungsmuseum wiedereröff- net · Sandor Wolf Gedenkraum · Neu: Archäologische Unisammlungen in Österreich in der Dauerpräsentation ›Energie‹ Viktor Frankl Museum · Danielle Spera bis 2020 verlängert · EMYA- 34 72 132 TERMINE Nominierungen 2015 · Neue Welt- Claudia Feigl Rotraut Krall & Doris Prenn raumhalle im Haus der Natur · „Aus- trian Barcode of Life Initiative” Wohin mit unserem Sammlungsgut? Mit Händen Bilder sehen gestartet · NHM-Generaldirektion bis 2020 verlängert · Filmleihe 40 76 zum Vorzugspreis für MÖ-Mitglie- Brigitta Schmid & Christian Köberl John Falk in an interview with Christian Waltl der · EU-Projekt im Weltmuseum · Naturhistorisches Museum Wien und Universitäten Museums will need to explicitly move in the 134 AUSSTELUNGS- Christian Bauer übernimmt Lei- tung für das neue Kunstmuseum in Krems · Kunsthalle Krems feiert direction of being more responsive to their publics 44 KALENDER 20 Jahre · Neue Außenstelle im Patrick Werkner HGM · Ab April: Literaturmuseum in Wien · Kraus bleibt im mumok Dynamik an der Angewandten: Kunstsammlung und Archiv 84 MUSEUMSGUTESIEGELTRAGER 48 142 IM NACHSTEN HEFT Christiane Druml, Dominika Flomyn, Moritz Stipsicz Das Josephinum – Sammlungen und Geschichte Liszt-Haus Raiding · Schloss Esterhazy · Arheološki romarski muzej Globasnica Archäologisches Pilgermuseum Globasnitz · Österreichisches FreimaurerMuse- der Medizin um Schloss Rosenau · Ars Electronica Center · Museum in der Schule · Heimat- haus-Stadtmuseum Perg · Webereimuseum im Textilen Zentrum Haslach · Mar- Schwerpunkt: Forschung im Museum · Georg mormuseum Adnet · Residenzgalerie Salzburg · Botanischer Garten Graz · Leyrer, Kurier, über die Schwierigkeit, Aus- 54 Ernst Seidl & Frank Duerr Evangelisches Diözesanmuseum in der Steiermark · Museum im Alten Rathaus · stellungen zu kritisieren und über das Museum Universalmuseum Joanneum · Museum der Völker · Heilerin vom Gurgltal · Ötz- zu schreiben · Das Salzburg Museum zeigt einen MAM|MUT-Aufgaben. Studierende erfassen, taler Heimat- und Freilichtmuseum & Gedächtnisspeicher Ötztal · Montafoner Blick in die Neuaufstellung seiner umfangreichen Museen · vorarlberg museum · Uhrenmuseum · ZOOM Kindermuseum historischen Musikinstrumentensammlung aus digitalisieren und machen eine Ausstellung vier Jahrhunderten · Weltmuseum ohne Europa. Haus der Geschichte? Was nun? Wolfgang Muchitsch im Gespräch mit Steven Engelsman 58 Thomas Ballhausen und Matthias Beitl Gespenstisches ›Lost & Found‹
JOURNAL Alpenverein-Museum geschlossen Bestattungsmuseum wiedereröffnet Danielle Spera bis 2020 verlängert EMYA-Nominierungen 2015 Neue Weltraumhalle im Haus der Natur © Alpenverein-Museum Innsbruck © Josef Polleross © Günter Richard Wett © B&F Wien/EvaKelety © Haus der Natur/Kressl Die seit 2007 in der Hofburg Innsbruck ge- Die Direktorin des Jüdischen Museums Wien Zwei österreichische Museen sind heuer für zeigte Dauerausstellung „Berge, eine unver- Mehr als 250 Originalobjekte auf 300 m2 wurde für eine weitere Amstszeit verlängert. den „European Museum of the Year Award“ Der Ausstellungsteil zum Thema Weltraum ständliche Leidenschaft“ wurde im Oktober zeigt das seit Oktober 2014 wiedereröffnete Zum 25-Jahr-Jubiläum des Museums konnte nominiert: das vorarlberg museum und das wurde nach 30 Jahren erneuert und im No- 2014 geschlossen. Das Alpenverein-Muse- Bestattungsmuseum am Wiener Zentral- sie 2013 die neue Dauerausstellung „Unsere Alpinarium Galtür. Das Gewinnermuseum vember 2014 wieder eröffnet. um ist auf der Suche nach einem neuen friedhof. Für 2,5 Millionen Euro wurden das Stadt! Jüdisches Wien bis heute“ eröffnen. wird im Rahmen der Jahreshauptversamm- Rund 400.000 , wurden in sechs Monaten Standort. Über 300.000 Besucher/innen historische Gebäude adaptiert und die lung des Europäischen Museums Forums investiert. Mit vielen interaktiven Elementen haben das Museum in den vergangenen Dauerausstellung realisiert. In Zukunft sind www.jmw.at vom 13. bis 16. Mai 2015 in Glasgow ver- können die Geheimnisse und rätselhaften sieben Jahren besucht. neben Sonderausstellungen auch zahl- kündet. Phänomene unseres Universums erkundet reiche Veranstaltungen geplant. werden. www.alpenverein.at/portal/museum-kultur www.europeanmuseumforum.info www.bestattungsmuseum.at www.hausdernatur.at „Austrian Barcode of Life Initiative” Neu: Viktor Frankl Museum Sandor Wolf Gedenkraum Filmleihe zum Vorzugspreis NHM-Generaldirektion gestartet für MÖ-Mitglieder bis 2020 verlängert © Kai Stania & Clemens Dus © KSB/Weiss © NHM Wien, Greilhuber © Technisches Museum Wien, Peter Sedlaczek © NHM Wien, Hischam Momen Ab 26. März wird dem österreichischen Arzt Seit 1939 ist das 1926 gegründete Landes- Das neu gestartete Wissenschafts-Projekt und Philosophen sowie Begründer der Logo- museum Burgenland in der Museumgasse Motion Picture Licensing Company (MPLC) Generaldirektor Christian Köberl und Vize- ABOL hat zum Ziel, die biologische Vielfalt therapie und Existenzanalyse Viktor Frankl zu finden. Das Haus gehörte dem jüdischen ist mit der Einräumung eines rechtmäßigen direktor Herbert Kritscher wurden von der Flora und Fauna des Landes in ihrer (1905–1997) in der Wiener Mariannengasse Weingroßhändler Sandor Wolf, der als Be- Zugangs zu urheberrechtlich geschützten Kulturminister Ostermayer um eine weitere gesamten Bandbreite zu digitalisieren. Die ein Museum gewidmet, das sich den Sinn- gründer der Museumssammlung gilt. In Filmen von über 400 Filmstudios und unab- Amtszeit bis 2020 verlängert. Aus insge- Erhebung und Erforschung genetischer und Existenzfragen des Menschen stellt. seiner einstigen Bibliothek ist ein neuer hängigen Filmproduzenten betraut, u. a. samt 16 Bewerbungen für die wissenschaft- Vielfalt, verknüpft mit anderen Forschungs- Es ist das weltweit erste und bis dato ein- Gedenkraum eingerichtet, in dem sich Be- Warner Bros., Walt Disney, Paramount liche und kaufmännische Leitung hatte eine feldern (z. B. Ökologie, Systematik, Evolu- zige Museum, das sich dem Autor des Welt- sucher auf Spurensuche begeben können. Pictures, 20th Century Fox, Touchstone Findungskommission, der u. a. NHM-Kura- tionsforschung), eröffnet die volle Bandbrei- erfolgs „Trotzdem Ja zum Leben sa- Pictures, Columbia Pictures, Dreamworks, toriumsvorsitzender Christian Cap und die te der Biodiversitätsforschung. Die Fülle an gen“ widmet. www.landesmuseum-burgenland.at Universal Pictures, Sony Pictures, MGM, Leiterin des Österreichischen Archäolo- erhobenen Daten kann zukünftig für ver- Miramax und viele weitere. Die Vorteile gischen Instituts (ÖAI), Sabine Ladstätter, schiedene Zwecke genutzt werden, z. B. in www.franklzentrum.org der MPLC Lizenz: unbegrenzte Anzahl an angehörten, eine Vorauswahl getroffen. Naturschutz, Forensik, Schädlingsbekämp- Vorführungen am registrierten Lizenzort! fung oder Lebensmittelkontrolle. Partner Der Preis pro Jahr beträgt pro Bildschirm www.nhm-wien.ac.at sind neben der Veterinärmedizinischen 298 ,, pro Leinwand 348 ,, monatliche Universität Wien und der Karl-Franzens-Uni- Lizenzen möglich. Nähere Informationen versität Graz das Naturhistorische Museum anfordern über info@museumsbund.at. Wien und die Tiroler Landesmuseen. www.mplc.at www.abol.ac.at 4 5
EU-Projekt im Weltmuseum Christian Bauer übernimmt Leitung Kunsthalle Krems feiert 20 Jahre Liebe, für das neue Kunstmuseum in Krems Es ist die uns © KHM mit MVK und ÖTM © APA-Fotoservice/Ian Ehm, 2010 zusammenführt. Die Liebe zur Kunst vereint uns zu Ihrem Vorteil: Aon und Barta & Partner schließen sich zusammen. Kraft und Dynamik des weltweit größten Versicherungs- Das Weltmuseum Wien startet das EU-Pro- Im Gebäude einer ehemaligen Tabakfabrik © Studio Finepix Digital maklers treffen auf das Know-how des renommierten jekt „SWICH – Sharing a World of Inclusion, des 19. Jahrhunderts mit 1.500 m2 Ausstel- Experten im Bereich Kunstversicherung. Unser Credo: Creativity and Heritage”. Das Projekt wurde Insgesamt 43 Bewerber/innen haben sich lungsfläche inszeniert das Team der Kunst- Second to none insuring Art. gemeinsam mit 20 weiteren Projekten aus um die künstlerische Leitung des neuen halle Krems seit 20 Jahren zeitgenössische insgesamt 74 Einreichungen ausgewählt und niederösterreichischen Kunstmuseums Kunst. Die Kunsthalle ist nicht nur Ausstel- wird mit 2 Millionen , gefördert. Im Rahmen beworben, das im Herbst 2017 in Krems an lungshaus, sondern „eine Stätte des Stau- von SWICH werden sich 10 europäische der Donau mit ca. 3.300 m2 Ausstellungs- nens und Lernens, an der kunsthistorische Partnermuseen von November 2014 bis Sep- fläche eröffnet werden soll. sowie gesellschaftsrelevante Fragestellun- tember 2018 mit aktuellen Fragen über die gen in Permanenz neu verhandelt werden“, Rolle ethnografischer Museen in einer www.kunsthalle.at so Leiter Hans Peter Wipplinger. zunehmend differenzierten europäischen Gesellschaft auseinandersetzen. www.kunsthalle.at www.weltmuseumwien.at Neue Außenstelle im HGM Ab April: Literaturmuseum in Wien Kraus bleibt im mumok © mumok / Andrea Kemper © HGM/MI Manfred Litscher © ÖNB/APA/Hinterramskogler Das Heeresgeschichtliche Museum hat die Das Literaturmuseum der Österreichischen Aus 38 Bewerbungen wurden die wissen- im Burgenland gelegene Schauanlage Unger- Nationalbibliothek öffnet am 18. April 2015. schaftliche Direktion und die kaufmännische berg (U3) als eigene Außenstelle übernom- „Es ist das erste Museum, das die ganze Geschäftsführung Mitte Februar besetzt. men, um sie als Relikt des „Kalten Krieges“ in Vielfalt der österreichischen Literatur vom Die bisherige Direktorin Karola Kraus wurde der Originalausstattung zu bewahren und Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegen- um eine weitere Amtszeit verlängert, als der Nachwelt als Mahnmal zugänglich zu wart vermittelt. Beheimatet im Grillparzer- kaufmännische Leitung zur Seite gestellt machen. 1959/60 errichtet, sollte dieser haus, dem generalsanierten, denkmalge- wurde ihr Cornelia Lamprechter, bisher Ge- Bunker mit weiteren dazu dienen, eine erste schützten ehemaligen k. k. Hofkammerar- schäftsführerin der Kunstmeile Krems. Verteidigungslinie bei möglichen Angriffen chiv in der Wiener Johannesgasse 6, wird „Mir ist es ein Anliegen, auch in Zukunft mit zu bilden. es auf zwei Stockwerken Autor/innen und einer gelungenen Mischung aus österrei- Phänomene des literarischen Lebens thema- chischen und internationalen Positionen, www.hgm.at tisieren, die innerhalb der jeweiligen Grenzen anspruchsvollem Diskurs und Berücksichti- Österreichs Relevanz hatten“, so Direktorin gung aktuellster Tendenzen in einen Dialog Johanna Rachinger. mit einem breiten Publikum und einem dezi- dierten Fachpublikum zu treten.", so Kraus. www.onb.ac.at www.mumok.at 6 www.aon-austria.at www.bartaart.com
ANDERE AUSGANGSLAGE, VERGLEICHBARE FRAGEN. UNIVERSITÄRE SAMMLUNGEN AUS MUSEO- Bettina Habsburg-Lothringen LOGISCHER Die Sichtbarkeit akademischer und wissenschaftshistorischer Sammlun- G anz grundsätzlich sind Museen in ihrer Vielfalt, was Spar- tenzugehörigkeit, Größe, Trägerschaft oder Sammlung anbelangt, in vielerlei Hinsicht nicht vergleichbar, auch Museum ist, sind es heute auch die Finanz-, Marketing- und Presse- abteilungen.Teil dieser Machtverschiebung ist auch die Diskus- sion, ob Museum von der Sammlung oder von der Gesellschaft her PERSPEK- nicht, wenn es um ihre gesellschaftlichen Aufgaben geht: zu denken ist. Im deutschsprachigen Raum gibt es eine Tradition, gen hat in den letzten Jahren im Museen der Kunst haben andere Bedingungen als Häuser der Natur. Museen im Dienst der Objekte und weniger im Dienst des Publikums deutschsprachigen Raum stark zu- Ein großes technisches Museum hat andere Möglichkeiten als ein zu sehen. Nun hat sich dieses Museumsbild in den letzten Jahren kleines regionales in der Provinz. Eine zeithistorische Einrichtung quasi umgekehrt: Im Zentrum stehen heute Fragen nach Besuchero- genommen und vielerorts suchen ihre TIVE hatte immer schon eine andere Voraussetzung als eine kunstge- rientierung und öffentlicher Sichtbarkeit. Mit einem Nachvollziehen Verantwortlichen nach zukunftswei- werbliche Sammlung, eine private Einrichtung möglicherweise dieser Forderungen haben die Vermittlungsabteilungen an Bedeu- einen anderen Auftrag als eine öffentlich finanzierte. Und dennoch tung gewonnen und mit ihr die Öffentlichkeit, die Museen erreichen senden Konzepten zwischen Samm- gibt es bestimmte Tendenzen, die übergreifend wirken: wollen. Mangelnde Besucherfreundlichkeit war gestern, die Ange- lung-Bleiben und Museum-Werden. So wird heute, wenn über Museen gesprochen wird, häufig über bote für das Publikum haben sich in den letzten Jahren vervielfacht Unternehmen und Geld gesprochen. Wirtschaftliche Rentabilität und existieren heute für jede nur erdenkliche Zielgruppe und Nei- Der folgende Beitrag widmet sich – und Effizienz scheinen zum Maßstab für erfolgreiche Museumsar- gung. Diese Öffnung der Museen ist positiv, wo neue Gruppen ange- entlang einzelner, ausgewählter beit geworden und die Existenz von Museen wird über ihren Wert sprochen und erneut ein Nachdenken über die gesellschaftliche als Standortfaktor, Beitrag zur Wirtschaftsbelebung oder touristi- Rolle der Institution eingesetzt hat, sie ist dort fragwürdig, wo eine Beobachtungen – der Frage, welche schen Profilierung legitimiert. Auch in den Museen selbst haben wir verstärkte Außenorientierung bloß in den Dienst zu steigernder Anregungen sie möglicherweise aus uns an bestimmte Begriffe und Argumentationsweisen gewöhnt, Besuchszahlen gestellt wird. was sich aus einer weitgehenden Machtverschiebung innerhalb der Begleiterscheinung der verstärkten Außenorientierung ist in aktuellen Museumsentwicklungen Häuser erklären lässt: Haben für einen Gutteil der öffentlichen jedem Fall ein tendenzielles Zerfallen des Museums in eines vor und und -debatten gewinnen können. Museumsgeschichte in erster Linie Wissenschafter definiert, was eines hinter den Kulissen, mit teils gänzlich anderen Museumsbil- 8 THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN 9
dern und Geschwindigkeiten und einem schwindenden Verständnis für das, was die jeweils anderen tun. Die Folgen sind ein Aufeinan- derprallen unterschiedlicher Vorstellungen, Frust, tendenziell hinter den Kulissen, wo Kustoden, Restauratoren und Registrare Museum im hergebrachten Sinn betreiben und nun im Extremfall in Gefahr geraten, ein Museum vor den Kulissen, das von externen Beratern, Kuratoren oder Medienfachleuten vorangetrieben wird, nur noch bedienen zu müssen. Stellenzuwächse, tendenziell in medien- und publikumsnahen Arbeitsbereichen, mögen schnelle Effekte im Hin- blick auf die Außenwahrnehmung eines Museums bringen, schon mittelfristig betrachtet kann diese Entwicklung aber fatal sein: Praktiken oder die ethischen Standards einzelner Disziplinen. Sie Wenn immer weniger Personen Sammlungen überhaupt noch lesen belegen Debatten und richtungsweisende Neuerungen oder zeigen und qualitativ entwickeln können, droht der Institution Stillstand Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen und Amnesie. Verstärkt wird diese Gefahr durch einen mangelnden und jenen der Wissenschaft. Sie dokumentieren den Forschergeist, Bezug vieler, vor allem kleiner und mittelgroßer Museen zu den das Selbstverständnis oder die Weltbilder einzelner Schulen und Universitäten, zu aktueller Forschung und theoretischen Debatten, Forscherpersönlichkeiten. vor allem aber zum wissenschaftlichen Nachwuchs, der künftig Für das Laienpublikum geben Wissenschaftsmuseen wie andere nur auf der Basis heute erworbenen Expertenwissens die kostenin- Museen auch Einblick in eine Welt von gestern, ohne die die Welt tensive Erhaltung der Sammlungen überhaupt wird argumentieren von heute nicht denkbar wäre. Sie vermitteln einen Eindruck, wie können. Marktwirtschaftliches Denken einer Bildungsinstitution, Forschung passierte und Wissen entstand, sie geben Auskunft Bedeutungsverlust der Wissenschaft und das Auseinanderfallen von über Erklärungsmodelle und Denksysteme. Sie lassen uns durch werden, um Themen nah am Menschen und/oder der Gegenwart zu Archiv und Schaufenster in einer zunehmend außenorientierten Insti- Anschauung an etwas teilhaben, dessen wir ansonsten nicht formulieren. Dass dabei ggf. für die Konstruktion einer Aussage oder tution, Isolierung und mangelnder Bezug zu weiteren Forschungs- einsichtig werden könnten. Bildung und Wissensvermittlung im Bedeutung stärker auf Architektur, gestalterische Maßnahmen einrichtungen: Welche Relevanz hat diese Diagnose für die Universi- Kontext universitärer Sammlungen kann auch die Weitergabe von und künstlerische Installationen gesetzt wird als auf die Sammlun- tätssammlungen? Welche Forderungen ergeben sich daraus für ihre aktuellem Sachwissen bedeuteten: Das frühe Museum war u. a. gen, wäre vor dem Hintergrund heutiger musealer Praxis nahelie- Verantwortlichen? Volksbildungsstätte und wurde genutzt, um beispielsweise neue gend und legitim. Eine weitere Strategie zur Vermittlung akade- Wie klassisch-museale Sammlungen sind akademische Samm- Erkenntnisse aus dem Feld der Gesundheitsförderung ins Volk mischer Wissensbestände könnte die Personalisierung sein, also die lungen sehr divers. Neben Objekten aus Kunst, Kultur und Natur, zu tragen, eine Funktion, zu deren Erfüllung gerade Wissenschafts- Vermittlung von Inhalten anhand von Personen und ihren (Arbeits-) die man durchaus in öffentlichen Museen erwarten dürfte, bestehen museen auch heute geeignet wären. Ebenso haben ihre Verant- Biografien. Besonders naheliegend sind angesichts der Diversität sie aus Geräten und Instrumenten, Modellen und Lehrtafeln, Präpa- wortlichen die Kompetenz, Neuerungen und Entwicklungen z. B. universitärer Sammlungen schließlich spartenübergreifende Schauen raten oder Abgüssen. Was sie verbindet, ist, dass sie für die For- in den Technik- und Naturwissenschaften kritisch zu begleiten Die klassischen Museen haben sich im Bereich des Ausstellens in im Sinne des Auflösens hergebrachter Disziplinen und der Grenze schung angelegt bzw. in ihrem Rahmen entwickelt worden sind. Was und Menschen dabei zu unterstützen, diese in ein Ordnungssystem den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten dynamisch entwickelt und hin zur Kunst. sie auch verbindet, ist ihr Eingebunden-Sein in die Lehre und den einbetten und besser beurteilen zu können. Der direkte Bezug gerade in der Vermittlung kultur- und naturgeschichtlicher Inhalte Vor dem Hintergrund dessen, wie Museum und Museum als Aus- Studienbetrieb sowie ihr bislang weitgehend nicht öffentliches zur laufenden Forschung und den handelnden Personen sollte dabei gibt es Neuerungen, die auch für die Präsentation universitärer stellungsbetrieb heute funktioniert, steht am Ende die Aufforderung Dasein. Qualität und Aktualität der Inhalte garantieren. Sammlungen von Belang sind. So ist es heute legitim, Ausstellun- an die Verantwortlichen von Universitätssammlungen, sich bewusst In einer Phase, da sich ihre Verantwortlichen nun überlegen, ob Insgesamt gilt es, sich dieses Potenzials und der Möglichkeiten gen nicht mehr ausschließlich über den Schauwert und das Zeigen zu halten, dass sie sich in einem Markt bewegen und von Beratern und wie aus ihren Beständen öffentliche Museen entstehen sollen als Wissenschaftsmuseum bewusst zu werden, ehe man Politiker auratischer Dinge zu definieren, sondern ihre Aufgabe in der best- und Experten umgeben sind, die etwas verkaufen möchten. Dabei und können, scheint es wichtig, eingehend über die angestrebte und Medien, Geldgeber und Öffentlichkeit überzeugen möchte, möglichen Aufbereitung von Wissen bzw. einer zu vermittelnden bringt ggf. der kollegiale Austausch und der Blick in die Praxis ande- institutionelle Identität und die eigene gesellschaftliche Bedeutung die oft wenig Vorwissen haben und Qualitätsbegriffe im Feld der Botschaft zu sehen. Die wichtigste Frage wäre demzufolge nicht rer mehr als der x-te Beratungstermin zu einer Werbelinie oder die nachzudenken: Worin liegt der Wert und Nutzen einer wissen- Universitätsmuseen erst entwickeln müssen. mehr, was gezeigt wird, sondern warum und wie. realistische Einschätzung bezüglich Sponsorenleistungen, Besuchs- schaftshistorischen Sammlung für Fachkollegen und Auszubilden- Die Frage ist nun, wie Wissenschaftsmuseen in der Folge konkret Anknüpfungspunkt für Wissenschaftsausstellungen könnte zahlen oder Medienaufmerksamkeit. Profitieren Sie von den Erfah- de? Warum überhaupt sollte man sie einer Laienöffentlichkeit nach außen treten können und ob sich ihre Bedingungen – man weiters ein seit geraumer Zeit zu beobachtendes Spiel mit herge- rungen anderer und lassen Sie sich Zeit: Sich als Sammlung oder zugänglich machen? Für die Expertinnen und Experten erfüllen aka- denke konkret an das Ausstellungswesen – von jenen klassischer brachten musealen (Ausstellungs-)Formaten bieten. Die traditions- Museum neu zu finden, dauert. Institutionelle Identität muss wach- demische Sammlungen die Funktion eines Sacharchivs. Sie sind Museen unterscheiden. reiche Differenzierung zwischen Depot, Studiensammlung, Dauer- sen und kann nicht bestellt werden wie etwa eine Klimavitrine. ■ der Ort, an dem die gegenständlichen Reste der Wissenschaftsge- Erwartungsgemäß unterscheiden sich die Herausforderungen im und Sonderausstellung erscheint heute für viele Kuratoren und schichte erhalten geblieben sind und als solches der Speicher des Ausstellen teils gravierend, denn während Objekte der Kunst immer Gestalter nicht mehr zwingend und die Vielzahl neuer Formen wie Bettina Habsburg-Lothringen universitären Gedächtnisses. Sie machen Forschungsprozesse schon geschaffen worden sind, um präsentiert und betrachtet zu semipermanente Angebote, Schaudepots, Interventionsprojekte, Leiterin Museumsakademie Joanneum nachvollziehbar und das Wissen einer Zeit anschaulich, geben werden, verhält es sich mit Anschauungsmaterialien für die Lehre, ortsbezogene Arbeiten, Aktionen im Stadtraum oder partizipatori- und der Abteilung Kulturgeschichte, Auskunft über die technischen Entwicklungen, die Methoden und mit Objekten zur Geschichte der Mathematik, Chemie oder Physik, sche Initiativen könnten auch in den entstehenden Wissenschafts- Universalmuseum Joanneum, Graz mit einer Sammlung von Algenkulturen oder Teilen einer Großrech- museen erprobt werden, um herauszufinden, mithilfe welcher Kon- neranlage möglicherweise bis sehr wahrscheinlich anders. Vor dem zepte und Gestaltungslösungen die unterschiedlichen Sammlungen Hintergrund der Vielfalt universitärer Sammlungen kann es die ideal aufbereitet werden können. Der didaktische und ästhetisch eine perfekte Lösung für ihre Darstellung ohnehin nicht geben, es motivierte Einsatz von audiovisuellen Medien zur inhaltlichen wäre aber ein guter Auftakt, sich die museologischen Debatten Vertiefung und Kontextualisierung könnte dabei ebenso versucht zum Thema vorzunehmen, um sich z. B. als Leiter einer Universitäts- werden wie die Neuperspektivierung „sperriger“ Bestände unter sammlung klarer darüber zu werden, wo die jeweiligen Möglichkeiten kulturwissenschaftlichen Fragestellungen: Die Modelle und Instru- für einen bestimmten Objektbestand liegen und welche Mittel bzw. mente würden dann nicht nur der Veranschaulichung von Erfindun- Strategien sich eignen, um das Wissen der Objekte bestmöglich ans gen, fachwissenschaftlichen Erkenntnissen und Zusammenhängen Licht zu bringen. oder Funktionsweisen dienen, sondern zum Anlass genommen 10 THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN 11
Potenziale sichtbar und nutzbar machen Die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland Hochschulen, die lange Jahre eher stiefmütterlich in Deutschland, die ihre Arbeit im April 2012 aufnahm. behandelt wurden, rücken seit einiger Zeit (wieder) Sie wird vom Bundesministerium für Bildung und ins Zentrum des wissenschaftlichen Interesses. Die Forschung finanziert und ist am Hermann von Helm- Sarah Elena Link & Cornelia Weber Sammlungen und ihre Objekte stellen faszinierende holtz-Zentrum für Kulturtechnik angesiedelt, einem Wissensbestände dar, die immer wieder aufs Neue Zentralinstitut der Humboldt-Universität zu Berlin, das untersucht, befragt und verhandelt werden können. sich seit mehr als 15 Jahren mit universitären Samm- Die Relevanz wissenschaftlicher Sammlungen formu- lungen beschäftigt. lierte nicht zuletzt der Wissenschaftsrat, das wich- tigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium in Qualitätsentwicklung der Sammlungen Deutschland, Anfang des Jahres 2011: „Wissenschaftliche Sammlungen und Objekte stel- Ziel der Koordinierungsstelle ist es, die Sichtbarkeit len für die Forschung in zahlreichen wissenschaft- und Nutzbarkeit der universitären Sammlungen W lichen Disziplinen eine unentbehrliche Grundlage dar, zu erhöhen und sie langfristig als Infrastrukturen für as haben Abgüsse antiker viele Disziplinen sind erst durch Sammlungen ent- Forschung und Lehre weiter zu entwickeln und zu Plastiken, mathematische standen. Teilweise werden in der Forschung mit und vernetzen. Die Koordinierungsstelle berät, informiert Drahtmodelle, eine Kleinbild- über Sammlungen herausragende Forschungser- und unterstützt die Sammlungen dabei in ihren ver- diasammlung, Injektionsprä- gebnisse generiert […]. Objektbasierten Sammlungen schiedenen Arbeitsbereichen. parate des Magen-Darm-Traktes, ein Knos- kommt durch ihre spezifische Materialität eine In enger Zusammenarbeit mit Sammlungsbeauf- penherbar und Lötrohrprobierbestecke besondere Wirkung zu, die in Forschung und Lehre tragten, Kustodinnen und Kustoden, Fachwissen- aus dem 18. Jahrhundert gemeinsam? All nutzbar gemacht wird.“1 schaftlerinnen und Fachwissenschaftlern sowie diese Objekte finden sich in universitären In seiner Stellungnahme wies das Gremium aller- Expertinnen und Experten außeruniversitärer Sammlungen. Das Potenzial dieser mate- dings auch auf die beachtlichen Probleme gerade Forschungseinrichtungen erarbeitet das Team der riellen Objektbestände ist vielfältig und der universitären Sammlungen hin, deren Potenzial Koordinierungsstelle Handreichungen und Leit- noch längst nicht angemessen ausgeschöpft. „aus unterschiedlichen Gründen – wie unzureichende fäden für die systematische Qualitätsentwicklung Doch Erhalt, Pflege und Nutzung der Samm- Erschließung, Sichtbarkeit, Betreuung, Pflege oder der Sammlungen. Diese Materialien tragen dazu lungen stellen viele Universitäten vor große Unterbringung – nicht angemessen ausgeschöpft bei, innerhalb der Sammlungsarbeit einheitliche Aufgaben. Die Koordinierungsstelle für wis- werden kann“2. Um die Situation der Sammlungen zu Standards zu festigen und Vorgehensweisen zu senschaftliche Universitätssammlungen verbessern, regte der Wissenschaftsrat die Einrich- vereinheitlichen. Grundlage aller qualitätssichernden in Deutschland hilft dabei, diese Herausfor- tung einer zentralen Stelle an: die Koordinierungs- Maßnahmen bilden die Erfassung und qualitative derungen anzugehen. stelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen Einordnung einer Sammlung, wie in den Qualitäts- Universitätssammlungen haben Konjunk- tur. Die objektbasierten Sammlungen der 1 Wissenschaftsrat: 2 Ebda., S. 7 Empfehlungen zu wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastruk- turen. Drs. 10464-11, Berlin 28. Januar 2011, S. 7 12 THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN 13
Wissenschaftliche Sammlungen digital einen eigenen glieder des Netzwerkes regelmäßig, um Ideen und Beitrag für die verbesserte digitale Sichtbarkeit und Erfahrungen auszutauschen und Zukunftskonzepte zu Nutzbarkeit der Sammlungen. Das Portal macht Infor- entwickeln. Auf gemeinsamen Workshops werden mationen zu den universitären Sammlungen, ihren praxisnah aktuelle Fragestellungen diskutiert, die sich Beständen, Aktivitäten und Akteuren sowie Metada- aus der täglichen Arbeit in und mit universitären ten und Digitalisate von Objekten sichtbar, recher- Objektbeständen ergeben. Eine Arbeitstagung der chierbar und wissenschaftlich nutzbar. Sie ist die Koordinierungsstelle beispielsweise geht im Mai 2015 erste Informationsressource, die dem besonderen der Frage nach, wie sich der Stellenwert wissen- Status wissenschaftlicher Sammlungen gerecht schaftlicher Sammlungen in der Lehre erhöhen und wird und ihre gleichzeitige Verortung im Bereich des nachhaltig etablieren lässt.11 Auf der jährlichen Samm- Schaffung universitätsweiter Arbeitskreise Kultur- und Naturerbes sowie als wissenschaftliche lungstagung im September 2015 wird unter anderem oder Verabschiedung einer Sammlungsord- Infrastrukturen berücksichtigt. Die Plattform, in diskutiert werden, nach welchen Kriterien aktuell nung, in der sich die Universität zu ihren der derzeit knapp 800 Universitätssammlungen in genutzte wissenschaftliche Objekte für die Zukunft Sammlungen bekennt, sind erfolgverspre- Deutschland verzeichnet sind, erhöht deren Bekannt- gesammelt werden sollten.12 chende erste Schritte in diese Richtung. heit, stärkt ihre Wahrnehmung als relevante Ressour- Dank dieser Aktivitäten ist es gelungen, die Samm- cen nachhaltig und trägt so zur langfristigen Siche- lungscommunity intensiv zu beleben und zu vernetzen Digitalisierung rung der Bestände bei.7 sowie über Fächer- und Institutionengrenzen hinaus ein Bewusstsein für die gemeinsamen Belange der Forschung und Lehre sowie die Nutzung des Netzwerk Universitätssammlungen Sammlungen zu schaffen. Nur durch den engagierten kulturellen Erbes erfolgen zunehmend Einsatz aller Beteiligten können Abgüsse, Modelle, kriterien für wissenschaftliche Universitäts- virtuell. Digitale Werkzeuge, Verfahren und Die Koordinierungsstelle fördert den Austausch der Kleinbilddias, Präparate, Herbare und Instrumente als sammlungen3 und der Statusbestimmung Infrastrukturen haben daher eine große einzelnen Sammlungen untereinander und unterstützt materielle Quellen für Forschung und Lehre an den für wissenschaftliche Universitätssamm- Bedeutung für die Weiterentwicklung univer- den Aufbau eines gemeinsamen Netzwerks. Über Universitäten erhalten bleiben und langfristig genutzt lungen4 dargestellt. So können Aussagen sitärer wissenschaftlicher Sammlungen. Website8, Newsletter9 und Mailingliste10 der Koordi- werden. ■ zur Relevanz und Nutzung einer Sammlung Sie ermöglichen digitales Erschließen von nierungsstelle stellen die Sammlungen ihre vielfälti- getroffen und, darauf aufbauend, zielge- Sammlungsbeständen nach wissenschaft- gen Aktivitäten, Best-Practice-Beispiele und Projekte Sarah Elena Link, Cornelia Weber (Leitung), richtete Maßnahmen zu ihrer Verbesserung lichen Kriterien, forschungsgerechtes Digi- vor und nutzen die Möglichkeit der virtuellen Vernet- Koordinierungsstelle für wissenschaftliche und Weiterentwicklung erarbeitet und be- talisieren der Objekte sowie das Zugäng- zung. Im Rahmen von Tagungen treffen sich die Mit- Universitätssammlungen in Deutschland, Berlin gründet werden. Mithilfe des Leitfadens lichmachen der Daten im Internet und ihre Sammlungskonzept und Leitbild5 werden Verknüpfung untereinander. So können Funktion und Perspektive einer Sammlung Sammlungsbestände sichtbar und digital 3 http://wissenschaftli- 4 http://wissenschaftli- 8 http://wissenschaftli- 11 Arbeitstagung präzisiert sowie deren zukünftige Samm- nutzbar gemacht werden. Viele der universi- che-sammlungen.de/ che-sammlungen.de/ che-sammlungen.de/ „Objekte wissenschaft- de/qualitaetskriterien de/statusbestimmung de [Zugriff: 5.1.2015] licher Sammlungen lungspolitik und -nutzung definiert. Die tären Sammlungen haben dies als Chance [Zugriff: 5.1.2015] [Zugriff: 5.1.2015] in der universitären Koordinierungsstelle steht den Sammlun- erkannt und nehmen die von der Koordi- 9 http://wissenschaftli- Lehre: Praxis, Erfah- gen bei all diesen Maßnahmen beratend zur nierungsstelle angebotene Unterstützung 5 http://wissenschaftli- che-sammlungen.de/ rungen, Perspektiven“ che-sammlungen.de/ de/nachrichten/ in Kooperation mit Seite und nutzt ihre Erfahrungen für die im Bereich der Digitalisierung gerne in der Stiftung Mercator de/sammlungskonzept newsletter-abonnie- beständige Weiterentwicklung der Handrei- Anspruch. [Zugriff: 5.1.2015] ren/ [Zugriff: 5.1.2015] am 28./29. Mai 2015 chungen, die neben einer Auswahl weiterer Darüber hinaus leistet die Koordinie- in Berlin (http:// sammlungen-lehre. sammlungsrelevanter Materialien auf der rungsstelle mit ihrem Informationsportal 6 http://wissenschaftli- 10 http://sympa.cms. hu-berlin.de, Zugriff Website der Koordinierungsstelle kosten- che-sammlungen.de/ hu-berlin.de/sympa/ seit 1. Februar 2015 de/service-material info/sammlungsnetz- möglich). los zur Verfügung stehen.6 [Zugriff: 5.1.2015] werk [Zugriff: 5.1.2015] Um eine Verankerung der Sammlungen 12 http://wissenschaftli- im Universitätsalltag dauerhaft zu sichern, 7 http://portal. che-sammlungen.de/ sind neben der Entwicklung einzelner wissenschaftli- de/termine/7-samm- che-sammlungen.de Sammlungen weitere Anstrengungen nötig. lungstagung [Zugriff: [Zugriff: 5.1.2015] 5.1.2015] So ist beispielsweise die Einbeziehung der Sammlungen in den gesamtuniversi- tären Kontext von großer Bedeutung. Die Einrichtung von zentralen Kustodien, 14 THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN 15
MUSEALISIERUNG UNIVERSITARER SAMMLUNGEN Hendrik Baumbach S eitdem im letzten Jahrzehnt die sein scheint. Der Entstehungskontext einer Arbeitstechniken unterliegen jedoch spürba- universitären Sammlungen in der Sammlung und die ursprüngliche Absicht ren Wandlungsprozessen, die eine Samm- deutschen Hochschullandschaft ihrer Gründer sind damit bisweilen aus dem lung bereits während ihrer ersten Jahre er- wiederentdeckt worden sind, Blick geraten. Gleichzeitig sind sich Muse- fassen können, sie spätestens aber mit dem ist an den Universitäten das Bemühen zu um und universitäre Sammlung hinsichtlich Ausscheiden ihres Urhebers rasch einholen. beobachten, die Bekanntheit der von ihnen ihrer Tätigkeit und ihrer Rolle in der Wissens- Ob sich dessen Nachfolger oder die Hoch- gesammelten Objekte in der Öffentlich- gesellschaft näher gekommen. schule den gesammelten Objekten verbun- keit zu steigern. Zu diesem Zweck liegen Einst sind universitäre Sammlungen in den fühlen, hängt in jedem Einzelfall von inzwischen etliche Bände vor, die das Spek- direkter Verbindung zum Wissenschafts- der neuerlichen Selbstverpflichtung der Ver- trum solcher Einrichtungen einer Hoch- betrieb der Hochschulen entstanden – sie antwortlichen ab, die Sammlung zu erhal- schule vorstellen.1 Im gleichen Maße präsen- sollten der Forschung und Lehre zugleich ten. Ist dieser neuralgische Punkt einmal schulen und Wissenschaftsförderern zur Verfügung Forschungskooperationen gemeinsam zu nutzen. Auf tieren sich die Sammlungen in Vortragsrei- dienen. Keimzellen waren dabei gerade zum Positiven hin überschritten, stehen sie stehen. Die regelmäßige Aktualisierung einer Samml- diese Weise sind Datenbeziehungen entstanden, die hen oder ihre Exponate in eigens konzipier- diejenigen wissenschaftlichen Fragestellun- immer wieder vor der Herausforderung, ung mit ihrem reichlich festen Grundbestand an Ob- der materielle Zustand der Exponate bisher unterbun- ten Ausstellungen. Indem ihre Leiter, Kura- gen, der sich ihre professoralen Initiatoren ihren Bestand zu erweitern und den Nutzen jekten, die tradierten Forschungsfragen folgen, bedarf den hat. En passant haben die Sammlungen ihre Reich- toren und Koordinatoren sich zunehmend verschrieben hatten. Ihr Bezug zur universi- für ihr Fach stets aktuell zu halten. Gelingt deshalb gehörig innovativer Kraft bei der kompetitiv weite vergrößert und damit auf die Internationalisie- disziplinenübergreifend verständigt haben, tären Ausbildung ist deshalb auch von An- das nicht, drohen ein Abschluss und die organisierten Mittelverteilung. Diesen Weg beschrei- rung der Forschung fast aller Fächer reagiert. Eine ist ein Diskurs zur Kultur des Sammelns fang an von den Lehrmethoden ihres Faches Historisierung der Sammlung.2 Diesen fort- ten etliche Universitätssammlungen erfolgreich. zweite Kategorie von Aktualisierungsstrategien kon- entstanden, der vom Gegenstand der ein- zum Zeitpunkt ihrer Gründung bestimmt währenden Wettlauf behindern gegenwär- Für die Universität Jena hat eine Befragung ergeben, zentriert sich auf den Bestand der universitären zelnen Sammlung geradezu unabhängig zu worden. Diskurse, Wissensbestände und tig auch die knappen Ressourcen, die Hoch- dass immerhin ein Viertel der Sammlungen um Dritt- Sammlungen. Solange dem ursprünglichen Zweck mittel bemüht sind oder sie bereits erfolgreich einge- einer Sammlung im gegenwärtigen Forschungsdis- 1 Vgl. z. B. Entdecken und Staunen! Wissenschaftliche 2 Vgl. Kornelia Grundmann: Gesammeltes Wissen – Zur worben haben.3 kurs noch Relevanz zukommt, lässt sich ihr Bestand Sammlungen. Hamburg 2014. Die Sammlungen der Geschichte des Sammelns. In: Christoph Otterbeck, Insbesondere die mit der Digitalisierung einherge- erweitern oder vervollständigen. Damit bewältigen Universität Erlangen-Nürnberg. Erlangen 2014. Char- Joachim Schachtner (Hg.): Schätze der Wissenschaft. lotte Trümpler (Hg.): Ich sehe wunderbare Dinge. Die Sammlungen, Museen und Archive der Philipps- henden Möglichkeiten technischer (Er-)Neuerung sind universitäre Sammlungen durch ihren spezifischen 100 Jahre Sammlungen der Goethe-Universität. Ost- Universität Marburg. Marburg 2014, S. 16–24, hier die Basis, den Sammlungsbestand in einer Datenbank Sammlungszweck die für Museen oft große Heraus- fildern 2014. Christoph Otterbeck, Joachim Schacht- S. 22. aufzubereiten oder Maßnahmen zur Erhaltung der Ob- forderung, zu entscheiden, was denn eigentlich zu ner (Hg.): Schätze der Wissenschaft. Die Sammlungen, Museen und Archive der Philipps-Universität Mar- jekte durchzuführen. Zugleich bietet sich durch das sammeln sei.4 Sogar wenn sich die Systematisierung burg. Marburg 2014. Stefan Lehmann (Hg.): Die aka- Internet die Gelegenheit, die digitalisierten Objekte in der Objekte inzwischen überholt hat, kann der vor- demischen Sammlungen und Museen der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg. Halle-Witten- 3 4 berg 2013. Claudia Feigl (Hg.): Schaukästen der Vgl. Tilde Bayer, Martin S. Fischer: Wissenschaftliche Vgl. Henrike Hampe: Welche Zukunft hat das Sam- Wissenschaft. Die Sammlungen an der Universität Sammlungen in Forschung und Lehre. Das Beispiel meln? Eine museale Grundaufgabe in der globalisier- Wien. Wien, Köln, Weimar 2012. Dinge des Wissens. Jena. In: Cornelia Weber, Klaus Mauersberger (Hg.): ten Welt. Ein Resümee. In: Claudia Selheim (Hg.): Die Sammlungen, Museen und Gärten der Universi- Universitätsmuseen und -sammlungen im Hochschul- Welche Zukunft hat das Sammeln? Eine museale tät Göttingen. Göttingen 2012. alltag. Aufgaben, Konzepte, Perspektiven. Beiträge Grundaufgabe in der globalisierten Welt. Beiträge zum Symposium des Hermann von Helmholtz-Zent- der 19. Arbeitstagung Sachkulturforschung und rums für Kulturtechnik in Zusammenarbeit mit dem Museum in der Deutschen Gesellschaft für Volks- Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité. kunde vom 26. bis 28. Januar 2011 im Germanischen Berlin 2010, S. 73–78, hier S. 74. Nationalmuseum. Nürnberg 2012, S. 120–122, hier S. 122. 16 THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN 17
handene Bestand noch umsortiert und rearrangiert universitären Sammlung bewirkt überdies die allmäh- werden. Nicht zuletzt neigen universitäre Samm- liche Musealisierung ihres Bestandes. Dieser Prozess lungen mit der Zeit auch dazu, ihren Sammlungsge- meint hier die sukzessive Annäherung ihres Wirkens genstand im Kern anzupassen. Die natürliche Trieb- an die originären Kernaufgaben eines Museums. Uni- feder dieses Prozesses dürften vor allem die sich versitäre Sammlungen erscheinen von vorneherein in jeder Generation – von Hochschullehrer zu Hoch- besonders prädestiniert, sich bisweilen als Museum schullehrer – wandelnden Forschungsinteressen zu figurieren, zumal beiden Institutionen die Tätigkeit darstellen. des Sammelns sowie die (wissenschaftliche) Erschlie- Nicht alle universitären Sammlungen haben es ßung ihrer Exponate gemeinsam sind. Sie unterschei- aber vermocht, sich immerfort zu aktualisieren. den sich jedoch prinzipiell in ihrer gesellschaftlichen Durch z. T. gar ostentativ vorgebrachte Selbsthis- Funktion. Während universitäre Sammlungen auf torisierung erklären sie ihren Bestand zu historischen zeittypische Forschungskontexte zielen, richtet sich Zeugen ihres Faches und geben indirekt zu, dass das museale Angebot an die Öffentlichkeit, der der Sammlungszweck keine oder allenfalls geringe es – unumstritten als historisch deklariertes – Kultur- Bedeutung für die aktuelle Forschung ihrer Disziplin gut darbieten und vermitteln will. Sophie Elpers und hat. Adressat und Multiplikator solcher Äußerungen Anna Palm fragen zu Recht, ob nicht mit der Musea- ist der in den letzten Jahren ebenfalls kontinuierlich lisierung selbst die Objekte der Gegenwart zu dazu geführt, dass ihre Nutzer nicht mehr in der aktuellen Forschung besäßen. Insge- gewachsene Forschungszweig der Wissenschafts- einem Teil der Vergangenheit transferiert werden.6 vor Ort an den Eingangsstufen kontrolliert samt vermag der Musealisierungsprozess geschichte. An den Universitäten lässt sich dieses Die schmale Differenz zwischen universitärer und werden können. So richtet sich ihr Angebot auf universitäre Sammlungen aber existenz- Phänomen anhand von Lehrveranstaltungen und musealer Sammlung überdeckt erstere inzwischen längst nicht mehr nur an Wissenschafter. bedrohend zu wirken. Indem ihr Bestand Qualifikationsarbeiten beobachten, die die Samm- mehr und mehr, beispielsweise indem regelmäßige Die Musealisierung der Sammlung einer durch regelmäßige Entleihung von Expona- lung gerade in ihrem historischen Wert behandeln. Öffnungszeiten einer Ausstellung ihres Bestandes Universität ist ein janusköpfiger Trend. Denn ten oder Dauerleihgaben an externe Museen So ist Nathalie Scholz in ihrer Magisterarbeit zu oder öffentliche Führungen angeboten werden. einmal vergrößern universitäre Sammlungen und Einrichtungen ausgedünnt ist, verschie- den deutschen völkerkundlichen Universitätssamm- Auch die populärwissenschaftliche Erschließung auf diesem Wege die öffentliche Aufmerk- ben sich die positiven Effekte der Musea- lungen ausdrücklich ihrem Wert für eine „museums- und Aufbereitung der Objekte spiegeln diesen Pro- samkeit für ihren Gegenstand und verbes- lisierung auf Dritte. In letzter Konsequenz ethnologische Ausbildung“ nachgegangen.5 Die zess wider. Ferner haben die Digitalisierung uni- sern ihr oft schlechtes finanzielles Gebaren. drohen die Entkoppelung der Sammlung bewusste oder unbewusste Historisierung einer versitärer Sammlungen und ihre Präsenz im Internet Beides hilft diesen Hochschuleinrichtungen, von ihrer Hochschule und die unbefristete die Notwendigkeit ihrer Existenz nach außen und vollständige Übergabe an ein Archiv 5 Nathalie Scholz: Völkerkundliche Sammlungen 6 Vgl. Sophie Elpers, Anna Palm: Von Grenzen und hin zu bekräftigen. Dabei ist es die der oder Museum. ■ an deutschen Universitäten und ihr Einsatz in der Chancen des Sammelns von Gegenwart in kulturhis- Musealisierung zugrundeliegende Histori- Lehre. Mag.-Arb., Marburg 2009, S. 89–99. torischen Museen im 21. Jahrhundert. Eine Einfüh- rung. In: Sophie Elpers, Anna Palm: Die Museali- sierung eines Sammlungsbestandes selbst, Hendrik Baumbach, sierung der Gegenwart. Von Grenzen und Chancen die den Sammlungen eine solche Rechtferti- Koordinator Lichtbildarchiv älterer Origi- des Sammelns in kulturhistorischen Museen. gung abverlangt – diese würde wohl fort- nalurkunden, Philipps-Universität Marburg, Bielefeld 2014, S. 9–30, hier S. 10. fallen, wenn sie allein ausreichend Relevanz Institut für Mittelalterliche Geschichte 18 THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN 19
AUSSTELLUNGEN AN TECHNISCHEN HOCHSCHULEN D Martina Dlugaiczyk ie Frage, inwieweit es für die moderne Wis- sche wie anwendungsbezogene Perspektiven inklu- senschaft und ihre kulturelle Akzeptanz sive. Hierfür bietet sich insbesondere das Format der wesentlich ist, ihre materielle Basis wieder Ausstellung an, die sich im steten Wechsel aus einer sicht- und erlebbar zu machen, oszilliert oder mehreren Sammlungen speist und ihre Plattform seit Jahren durch die Universitäten. Mittlerweile mehr im Museum der Universität oder einem von der Kusto- oder minder auf breiter Ebene bejaht, vom Wissen- die bereitgestellten Ort findet. schaftsrat empfohlen und in unterschiedlichem Maße Dass die sich hier abzeichnende Diskussion bereits des Volkes. Besonders aber für Studienzwe- heraus, während der Fokus im Ausstellungs- umgesetzt, rotiert die Diskussion nun verstärkt um um 1900 geführt wurde, zeigt der Blick zurück in die cke. Der Inhalt der dieser Aufgabe geweih- wesen verstärkt auf den Bereichen Kunst das Format der Präsentation. Wie lassen sich – und sich entwickelnde Museumslandschaft. Analog zu den ten Museen darf aber nicht dem Zufall über- und Industrie lag (Anke te Heesen, 2012). zwar jeweils im Singular wie im Plural – Objekte, Welt- und Gewerbeausstellungen entstand um 1900 lassen bleiben, der Einiges erreichbar macht, In dieser Gemengelage von neuen, sich Sammlungen, Forschungsbereiche, Wissensräume, eine Ausstellungskultur, die das Museum in seiner das Meiste aber unerreichbar versagt. Ein rasant entwickelnden Möglichkeiten wird Netzwerke oder Personen in ihrer räumlichen wie Struktur verändern sollte. Nicht mehr Schausammlun- Museum für Lehr- und Lernzwecke muß zumeist übersehen, dass sich hierfür eine zeitlichen Mehrschichtigkeit darstellen? Und an wel- gen, sondern wechselnde Ausstellungen galt es zu durchaus anders beschaffen sein, als eines Art experimenteller Vorläufer in akademi- Antikensaal des Eidgenös- chem Ort? Griffige Lösungsansätze wurden gesucht etablieren. Dieses Format wurde – insbesondere für das der Aufbewahrung von Seltenheiten schen Lehrsammlungen finden lässt. Dabei sischen Polytechnikums in Zürich, um 1880 und erprobt. Dabei zeigt sich, dass das Universitäts- die naturkundlichen, gewerblichen wie technischen dient“ (Herman Grimm, 1890). Unter ande- richtet sich der Spot explizit auf technische Fotografie: entnommen aus: Maurer, museum und -archiv oder museal inszenierte Dauer- Museen – zum Maßstab des Fortschritts. Aber auch rem wurde etwa angedacht, den kulturge- Hochschulen und deren Lehrsammlungen, Bruno, „Lehrgebäude. Gottfried Semper am Züricher Polytechnikum“, in: Gott- präsentationen, zudem losgelöst vom angestammten in den anderen Sparten nahm die Rotation Fahrt auf. schichtlichen Kontext eines Objektes oder insbesondere die der Architekturfakultäten. fried Semper 1803–1879. Architektur und Wissenschaft, hg. von Winfried Nerdinger und Werner Oechslin, und gewachsenen Sammlungsort und der Fachdis- Leidenschaftlich wurde etwa um die strukturellen ganzer Themenfelder mittels durchlaufender Frühzeitig lässt sich hier ein System auf- S. 306–313, hier S. 307 ziplin, zumeist zu einer Stillstellung der Sammlung Bedingtheiten von Museen gestritten, Sammlungs- Lichtbilder zu veranschaulichen oder mit zeigen, welches sich aus dem Zusammen- führen. Ziel muss jedoch deren wissenschaftskommu- und Vermittlungsstrategien entwickelt, verworfen, monochromen Farbdias polychrome Skulp- spiel von Schausammlung und Wechsel- nikativer Einsatz sein, um das Kulturgut Wissen und modifiziert und über den Einsatz von heterogenen turen entstehen zu lassen. Multimedia um ausstellungen generierte. Und mehr noch: verstärkt die Kulturtechnik Wissenschaft in ihrer Medien wie Reproduktionen oder Lichtbildern debat- 1900. Parallel zu diesen Strukturdebatten Ihrem Selbstverständnis als Architekt, Prozesshaftigkeit darzustellen – historische, ästheti- tiert, denn: „Wir bedürfen Museen für die Belehrung kristallisierten sich in den Museen die Wissenschaftler, Künstler, Techniker und großen, sich gegenseitigen beeinflussenden Ingenieur gerecht werdend, wurde ein Samm- Gegenstandsbereiche Kunst und Natur lungsbestand verhandelt, der unterschied- 20 THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN THEMA UNIVERSITÄTSSAMMLUNGEN 21
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