Unser Hardtwald Helga Becker - Stadt Steinheim
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STEINHEIMER NACHRICHTEN Beiträge zur Heimatkunde Nr. 01· 2020 I Helga Becker Unser Hardtwald 20 Jahre nach Orkantief Lothar Das Orkantief Lothar hatte sich am 26. Dezember 1999 über der Biskaya entwickelt und war in nordöstlicher Richtung über West- und Mitteleuropa hinweg gezogen. In Baden-Württem- berg wurde an diesem Tag das Drei- fache des Jahresholzeinschlages (ca. 30 Mio. Festmeter) zerstört und auch in unsrer Region richtete der Orkan gro- ße Schäden an. Der erste Beitrag zur Heimatkunde 2020 soll 20 Jahre nach Lothar eine Bestandsaufnahme unse- res Hardtwalds zeigen. Insgesamt hatte der Orkan im Hardt- turen. Davon entfallen ca. 80% auf nis. Dies konnte nur durch die her- wald ca. 45.000 Festmeter (Fm) Holz Eichen, 15 % auf Ahorn und 5 % auf vorragende Zusammenarbeit und auf einer Fläche von 124 ha zerstört. Fichten, jeweils standortgerecht das besondere Engagement aller (Zum Vergleich: der Sturm ‚Wibke‘ gepflanzt. Ca. 74 ha wurden der Beteiligten gelingen. brachte im Jahr 1990 rund 13.000 Naturverjüngung überlassen, da Fm zu Fall). Bei einer durchschnitt- auf diesen Flächen meist standort- Das vom eigenen Personal aufge- lichen jährlichen Holzeinschlags- gerechte Baumarten wie Buche, arbeitete Sturmholz wurde selbst menge von rd. 6.500 Fm brachte Esche, Fichte oder Ahorn vorhan- vermarktet und an Sägewerke und der Orkan damit rund sieben Jah- den waren. Leider wird die für unse- Holzverarbeitungsbetriebe in der re Einschlag zu Boden. Hätte diese re schweren Böden ausgezeichnet Region sowie ein Unternehmen in Holzmenge geregelt verkauft wer- geeignete Esche zunehmend durch Oberfranken verkauft. Die Fremdfir- den können, wäre ein Ertrag von das Eschentriebsterben vernichtet. men arbeiteten nicht nur den größ- rund 2,5 bis 3 Mio DM zu erwarten Ein immenser Verlust für die Arten- ten Teil des Sturmholzes auf, sondern gewesen. vielfalt im Wald. übernahmen auch dessen Vermark- tung. Für die Wiederaufforstung in Es war zu beobachten, dass Lothar Die Aufarbeitung der Sturmschä- Kulturen mussten ca. 375.000 €, für den Baumbestand im Hardtwald den im Hardtwald erfolgte zum die Naturverjüngung ca. 125.000 € sehr unterschiedlich angegriffen einen durch eigenes Personal, wo- bis 150.000 € aufgewendet werden. hatte. Während auf einigen Flä- bei 6-7 Mann rund 8.500 Fm be- Weitere Aufwendungen sind zu- chen, die dem Wind eine günstige wältigten. Zum anderen durch drei dem durch die Instandsetzung Angriffsfläche boten, selbst starke Fremdfirmen mit Mitarbeitern und von Wegen entstanden. Grund- Stämme durch Orkanböen und Ver- Maschinen aus Finnland, Österreich sätzlich hat der Orkan Lothar also wirbelungen wie Streichhölzer ge- und Oberbayern. Hier kamen 5 nicht nur wichtigen Lebensraum knickt wurden, waren angrenzende Vollernter zum Einsatz, die eine Ar- und Waldbestand zerstört, son- Bestände mit geringeren Schäden beitsleistung von 10-12 Mann je Ma- dern auch erhebliche Kosten für davongekommen oder blieben schine erbringen können. Innerhalb die betroffenen Gemeinden verur- gänzlich unversehrt. von ca. 10 Monaten konnte so das sacht und das Waldbild bzw. den Jahrhundertereignis aufgearbeitet optischen und atmosphärischen Die Wiederaufforstung erfolgte auf werden. Unter den gegebenen Be- Eindruck des Hardtwalds deutlich einer Fläche von ca. 50 ha in Kul- dingungen ein beachtliches Ergeb- verändert.
II Beiträge zur Heimatkunde Nr. 01· 2020 www.stadt-steinheim.de Aber nicht nur Lothar hat unserem Wald nigermaßen aufgefüllt werden, aber ab zugesetzt. Auch die Klimaveränderung Februar fielen die Niederschlagsmen- in den letzten beiden Jahrzehnten hin- gen wieder deutlich unter das langjähri- terlässt ihre Spuren im Wald. Unter ande- ge Mittel. Bis in den Herbst hinein setzten rem durch fehlende Niederschlagsmen- sich die extreme Trockenheit und die gen und ansteigende Temperaturen. In überdurchschnittlich hohen Tempera- diesem Zusammenhang spielt auch der turen fort. Allein der Monat Mai bildete Befall durch Schadinsekten eine große eine kurze Ausnahme. Erst ab Dezember Rolle. konnten wieder größere Niederschlags- mengen gemessen werden, die sich im Vor allem 2018 war die Witterung im Ver- Januar 2019 oft als Schnee fortsetzten. gleich zum vieljährigen Mittel (1981-201) Bereits der Februar war jedoch wieder Buchdrucker viel zu warm und trocken. Zwar konnten sehr mild, trocken und außergewöhnlich die Bodenwasserspeicher bis Januar ei- sonnenreich. 1.110 ha auf nahezu der vierfachen Flä- Durch Schäden bedingter Holzeinschlag che Schäden durch Kupferstecher ge- nach Ursache in Millonen Kubikmeter meldet. Trotz vermehrtem Einschlag der käferbefallenen Fichten muss auch für die Vegetationsperiode 2020 wieder mit einem erheblichen Käferbefall gerech- net werden. Dies gilt auch für Tannen. Auch der Befall der Eichen durch den Eichenprozessionsspinner hat 2018 wie- der deutlich an Bedeutung gewonnen. Auch 2019 waren erhebliche Fraßschä- den zu beobachten. Und nach wie vor ist das Eschentriebsterben eine bedeu- tende Baumkrankheit. Sie bedroht in Kombination mit der vorherrschenden Quelle: Stat. Landesamt Destatis 2020 Dürre alle Altersklassen der Eschen. Auf Grund der Dürre und Hitze bei Württembergs bei 46% (rd. 4 Mio. Fest- gleichzeitiger, außergewöhnlich star- meter). Hiervon hatte die Einschlags- ker Fruchtbildung, wiesen viele Laub- ursache wegen Insektenbefalls mit holzbestände 2018 bereits im August 45 % den größten Anteil. Auf Sturmschä- verfärbtes Laub oder entlaubte Bäu- den (Sturmtief Burglind am 2. + 3. Janu- me auf. Das Bild zeigte sich in Abhän- ar) entfielen 39%. gigkeit von Baumart, Fruchtbehang und Kleinstandort je nach Mischungs- Die veränderten Witterungsverhältnisse anteilen mitunter sehr uneinheitlich. begünstigen offensichtlich auch den zu- Allen voran wiesen Rotbuchen, aber nehmenden Schädlingsbefall. Vor allem zum Beispiel auch Hainbuchen, Ahorn- der Borkenkäfer (Buchdrucker) pflanzte Frassgänge des Borkenkäfers bäume, Robinien oder Linden einen sich rasant fort. Der Ausflug der ersten starken Fruchtbehang auf. Der früh- Buchdrucker-Generation fand im Mai Der Wald wächst zeitige Blattfall erfolgte aus Gründen 2018 bereits zwei bis drei Wochen früher des Eigenschutzes vor Vertrocknung. statt als im Vorjahr. Die zweite Genera- Der Wald in Baden-Württemberg wächst Die meisten Bäume haben jedoch tion flog Ende Juli aus und legte eine und wächst. Seit Jahren überwiegt die ohne ersichtliche Mängel wieder aus- dritte Generation an, die sich noch im Fläche der Erstaufforstungen die der getrieben. Die Knospen waren in ihrer September bis in das überwinterungs- Rodungen für Siedlungen und Verkehr. Größe gegenüber Normaljahren zwar fähige Käferstadium entwickelte. Auch So nimmt die Waldfläche jedes Jahr oft sehr reduziert, wiesen jedoch grüne der Kupferstecher profitierte von Dürre leicht um rund zwei km² zu. Nicht einge- Blattanlagen auf. Auf flachgründigen und Hitze und besiedelte in zwei Wellen rechnet sind dabei die Flächenzugänge Extremstandorten oder im Unterstand die heimischen Fichten. durch natürliche Wiederbewaldungspro- kann jedoch nicht vollends ausge- zesse. schlossen werden, dass es örtlich zu Die durch Borkenkäfer alleine an Fich- unmittelbaren Trockenschäden ge- ten verursachte Schadholzmenge be- Aber nicht immer waren die Tendenzen kommen ist. Bei allen Baumarten sind wegte sich in Baden-Württemberg mit so positiv: Bis zum 19. Jahrhundert wa- zumindest deutliche Zuwachsverluste rd. 1,6 Mio. Fm bei etwa dem 2,1-fachen ren planlose Ausbeutungen der Wälder entstanden. Wert des Vorjahres. Dabei wurden von und Rodungen an der Tagesordnung den Unteren Forstbehörden (UFBn) mit um den immensen Holzbedarf zu de- Der Anteil des außerplanmäßigen Holz- rd. 7.500 ha gegenüber dem Vorjahr cken. Der Wald konnte nicht so schnell einschlags am Jahreseinschlag lag auf etwa der doppelten Fläche Schä- nachwachsen, wie er verbraucht 2018 im gesamten Waldgebiet Baden- den durch Buchdrucker und auf rd. wurde. Die Waldfläche nahm konti-
Bayern 35,3 Brandenburg 34,8 www.stadt-steinheim.de Saarland Beiträge zur Heimatkunde Nr. 01· 2020 III 33,3 Thüringen 32,9 Deutschland 29,7 nuierlich ab. Bereits 1713 formulierte Hans Carl von Carlowitz in seinem Waldflächenanteil Sachsen an der Landesfläche in 26,9 % Werk „Sylvicultura oeconomica“ die Nordrhein-Wesalen 24,9 RHEINLAND-PFALZ 40,6 Forderung, dass immer nur so viel Holz Sachsen-Anhalt HESSEN 22,3 39,8 geschlagen werden sollte, wie durch 21,5 37,8 Niedersachsen BADEN-WÜPRTTEMBERG planmäßige Aufforstung, durch Säen BAYERN 35,3 und Pflanzen nachwachsen konnte. Mecklenburg-Vorpommern 21,2 BRANDENBURG 34,8 Schleswig-Holstein SAARLAND 10,3 33,3 Heute zählt Baden-Württemberg mit THÜRINGEN Berlin 17,7 32,9 rund 14.000 km² Wald (ca. 38,4 % der DEUTSCHLAND 29,7 Hamburg SACHSEN 5,3 26,9 Landesfläche) zu den waldreichsten Bundesländern in Deutschland. Nach Bremen 1,1 NORDRHEIN-WESTFALEN 24,9 SACHSEN-ANHALT 22,3 der Bundeswaldinventur III besteht der 0 12,5 25 3 NIEDERSACHSEN 21,5 Gesamtwald Baden-Württembergs MECKLENBURG-VORPOMMERN 21,2 zu gut 53 % aus Nadelbäumen und SCHLESWIG-HOLSTEIN 10,3 zu knapp 47 % aus Laubbäumen. Vor- BERLIN 17,7 herrschende Baumarten sind dabei HAMBURG 5,3 die Fichte mit 34 %, die Buche mit fast BREMEN 1,1 Waldflächenanteil an der Landesfläche in % 22 % sowie die Tanne mit 8 % und die 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Eiche mit 7 %. Eine wesentliche Rolle Quelle: Stat. Bundesamt, Stand 2019 Waldflächenanteil an der Landesfläche in % im Mischungsverhältnis spielen aber auch Ahorn und Esche mit über 8 % Quelle: Stat. Bundesamt, Stand 2019 Quelle: Stat. Bundesamt, Stand 2019 Anteil an der gesamten Waldfläche. Waldnutzung in Baden-Würemberg 2013-2017 in ha (Quelle stat. Landesamt BW) Waldnutzung in Baden-Württemberg 2013 bis 2017 in ha Mittelfristig wird dem Anteil der ein- zelnen Baumarten am Gesamtwald 2013 2014 2015 2016 2 mehr Beachtung zukommen. Denn die Klimaerwärmung bringt neue Rah- Wald gesamt 1.352.739 1.352.542 1.352.584 1.352.564 1.352. menbedingungen für das Wohlerge- hen und damit die Durchsetzungsfä- Laubholz 121.293 121.587 121.592 121.622 120. higkeit der Baumarten. Das Ziel muss es daher sein, stabile und an verän- Nadelholz 353.138 352.956 352.822 352.692 352. derte Klimabedingungen angepasste Mischwälder zu schaffen. Dafür ist zu- Laub- und 878.308 877.999 878.170 878.251 879. nächst ein Ausgleich der Anteile von Nadelholz Nadel- und Laubbäumen notwendig. Quelle: Stat. Landesamt BW Im Hardtwald lag der Nadelholzanteil im Jahr 1994 noch bei 45%. Bis zum Jahr 2014 san Im Hardtwalddurch Anteil auf durchschnittlich 22%, hervorgerufen lag der Nadelholzanteil diverse Stürme und imKäferkalamitäten Jahr 1994 noch bei 45%. Bis zum Jahr 2014 sank letzten Jahren ist dieser Wert in einigen Gemeinden unter 20 % gesunken, Tendenz weite dieser Anteil auf durchschnittlich 22%, hervor- Die Fichte wird wohl in unseren Breiten ein Opfer des Klimawandels werden. Stabil bleibt gerufen durch diverse Stürme und Käferkala- von Kiefer, Douglasie und Lärche mitäten. bei je ca.In4%. den Somit wird letzten wohl die Jahren Eiche,Wert ist dieser als eher "wärm Baumart, die auch bestens mit unseren schweren in einigen Zweischicht- Gemeinden unter 20und% Tonböden gesunken,zurechtkom der Zukunft noch stärker das Waldbild prägen. Tendenz Derzeit weiter liegtDie sinkend. derFichte Eichenanteil schon zwisch wird wohl 40 %. in unseren Breiten ein Opfer des Klimawan- dels werden. Stabil bleibt der Anteil von Kie- fer, Douglasie und Lärche bei je ca. 4%. Somit Um einen gewissen Nadelholzanteil zu halten, wird in den kommenden Jahren verstärkt a wird wohl die Eiche, als eher „wärmetoleran- Douglasie gesetzt. Erste Versuchete“mitBaumart, wärmetoleranten die auchund doch frostharten bestens mit unserenBaumarten begonnen, darunter Anatolischer Baumhasel, Atlas- oder Libanonzeder schweren Zweischicht- und Tonböden oderzu- die Orientalis um nur einige zu nennen. Es bleibtrechtkommt zu hoffen, dass in derausreichend Zukunft nochZeitstärker bleibt, das um das Ökosy den sich verändernden klimatischen Bedingungen Waldbild prägen.anzupassen. Derzeit liegt der Eichenan- teil schon zwischen 35 und 40 %. Um einen gewissen Nadelholzanteil zu hal- ten, wird in den kommenden Jahren verstärkt auf die Douglasie gesetzt. Erste Versuche mit wärmetoleranten und doch frostharten Bau- marten haben begonnen, darunter Anatoli- scher Baumhasel, Atlas- oder Libanonzeder oder die Orientalische Buche, um nur einige Quelle: Stat. Landesamt BW 2015 zu nennen. Es bleibt zu hoffen, dass ausrei- chend Zeit bleibt, um das Ökosystem Wald den sich verändernden klimatischen Bedin- gungen anzupassen.
IV Beiträge zur Heimatkunde Nr. 01 2020 www.stadt-steinheim.de Sonnenenergie O2 CO2 Alterung CO 2 es en Ho nd lze bu rn ge te Greifvögel ff, to hs Ro Spechte Möbel g Schnittholz Ab Ameise itun Holzwerkstoffe ste rbe Recycling rben Vera CO2 Papier und Speicherung Zerfall Holzgebäude Pilze Produktionsreste Siebenschläfer Energie Nutz Wac Käfer ung hst um Heizwerk Energie un Brennholz dR Insekten + Würmer eif fe of e fe st of al st er ec in hr ä R yc N lin ,M d un 2 g CO us H um Wa , chs CO 2 tum energ und R etische Verwertung eife zersetzen bewohnen fressen nutzen Erholungsgebiet Wald Neben der Holzproduktion leisten Wäl- Auch als Erholungsort gewinnt der Wald gelt somit die gesellschaftlichen Verän- der einen entscheidenden Beitrag zur rasant an Bedeutung. Die Neukartierung derungsprozesse und ihre Folgen für das Regulierung und Reinhaltung des Was- im Jahr 2018 zeigt einen erheblichen Freizeitverhalten wider. Das Recht auf sers, zum Bodenschutz, zum Klimaaus- Wandel gegenüber der letzten Kartie- Betreten des Waldes ist sogar gesetzlich gleich und zur Luftreinhaltung sowie zur rung aus dem Jahr 1980. Der Erholungs- verbrieft: in §37 des Landeswaldgesetzes Erholungsvorsorge und zum Natur- und waldanteil ist von früher 28 % auf jetzt 71 heißt es: „Jeder darf den Wald zum Zwe- Landschaftsschutz. % der Waldfläche angestiegen und spie- cke der Erholung betreten.“ Hardy-Pfad Eine Station des Hardy-Pfades Sowohl zur Erholung als auch zur Information hat die Forstbetriebsgemeinschaft Hardtwald, zu der neben Steinheim auch die Gemeinden Murr, Benningen, Erdmannhausen, Freiberg, Marbach und Pleidelsheim gehören, am Ausgangspunkt des Parkplatzes Rohrtäle einen Erlebnisparcours errichtet. 16 verschiedene Stationen bringen entlang des 1,4 km langen Hardy- Pfades den Besuchern mit Aktivitäten und Informationen den Wald mit seiner Tier- und Pflanzenwelt näher. Quellen: Forstrevier Forsthof, Förster Jürgen Weis / Landesbetrieb Forst Baden-Württemberg / Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg / www.wald.de / wikipedia
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