Unterrichtsplanung in der Wirtschaftsdidaktik - Jens Klusmeyer Matthias Söll Hrsg.

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Edition Fachdidaktiken

Jens Klusmeyer · Matthias Söll Hrsg.
Unterrichtsplanung in
der Wirtschaftsdidaktik
Aktuelle theorie-, empirie- und
praxisbasierte Beiträge
Edition Fachdidaktiken
Die Reihe ‚Edition Fachdidaktiken‘ reagiert auf die inter- und multidisziplinär
wachsenden Diskurse, die sich in den Schnittmengen fachwissenschaftlicher und
erziehungswissenschaftlicher Zusammenhänge verdichten.
Fachdidaktiken stehen mehr und mehr im Dialog und es zeichnen sich innovative
und moderne Formen zunehmender Kommunikation und Kooperation ab.
Die Buchreihe will diese Forschungsentwicklung fördern und eine wissenschaft-
liche Publikationsfläche bieten, auf der Fachdidaktiken aller Disziplinen eine
interdisziplinäre Öffnung in fachübergreifenden Arbeitskontexten ermöglichen.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/16243
Jens Klusmeyer · Matthias Söll
(Hrsg.)

Unterrichtsplanung in
der Wirtschaftsdidaktik
Aktuelle theorie-, empirie- und
praxisbasierte Beiträge
Hrsg.
Jens Klusmeyer                                   Matthias Söll
Universität Kassel                               Universität Kassel
Kassel, Deutschland                              Kassel, Deutschland

ISSN 2524-8677                     ISSN 2524-8685 (electronic)
Edition Fachdidaktiken
ISBN 978-3-658-26619-6             ISBN 978-3-658-26620-2 (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-658-26620-2

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Inhaltsverzeichnis

Unterrichtsplanung im Fokus wirtschaftsdidaktischer Theorie,
Empirie und Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            1
Jens Klusmeyer und Matthias Söll

Unterrichtsplanung aus theoretisch-konzeptioneller Perspektive
Unterrichtsplanung im Kontext bildungstheoretischer Grund-
annahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       17
Holger Reinisch
Unterrichtsplanung im Kontext kompetenzbezogener Reflexionen. . . . . .                                               35
Karl Wilbers
Unterrichtsplanung im Kontext lernpsychologischer Überlegungen. . . . .                                               61
Bettina Greimel-Fuhrmann und Richard Fortmüller

Unterrichtsplanung aus empirisch-konzeptioneller Perspektive
Entwicklung eines wirtschaftsdidaktischen Unterrichtsplanungs-
modells auf Grundlage der Basisdimensionen lernförderlichen
Unterrichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .    85
Jens Klusmeyer
Die Modellierung von Unterrichtsplanungskompetenz – Ein
Ansatz zur Differenzierung wirtschaftsdidaktischer und
allgemeiner pädagogischer Begründungsmuster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                 123
Matthias Söll

                                                                                                                       V
VI                                                                               Inhaltsverzeichnis

Design wirtschaftsberuflicher Lernumgebungen: Ein Ansatz zur
Förderung und Analyse von Unterrichtsplanungskompetenz bei
Studierenden der Wirtschaftspädagogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      169
Carmela Aprea, Viola K. Deutscher und Jürgen Seifried
Ein E-Portfolio-Lehr-/Lernkonzept zur Förderung reflexiver
Unterrichtsplanung unter Einsatz (meta-)kognitiver Prompts . . . . . . . . .                     195
Serap Uzunbacak

Unterrichtsplanung aus Perspektive der Lehrkräfte und des
Lehralltags
Unterrichtsplanung im Kontext bildungspolitischer und
curricularer Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   225
Peter F. E. Sloane
Lernfeldunterricht gemeinsam entwickeln. Kooperative
Unterrichtsplanung im Kontext der Lernfelddidaktik als
diskursiver Orientierungs- und Planungsprozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            253
Tade Tramm und Marc Casper
Herausforderungen bei der Gestaltung schulischer Transfer-
und Implementationsprozesse im Kontext einer
schulübergreifend-kooperativen Curriculum- und
Unterrichtsentwicklung für berufliche Bildungsgänge. . . . . . . . . . . . . . . .               291
Laura Büker und Nicole Naeve-Stoß
Unterrichtsplanung in der Ausbildung berufs- und wirtschafts-
pädagogischer Professionals im Universitätsschulkonzept. . . . . . . . . . . . .                 329
Karl-Heinz Gerholz und Karl Wilbers
Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Carmela Aprea, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Universität
Mannheim, 68161 Mannheim, aprea@bwl.uni-mannheim.de
Laura Büker, Professur für Wirtschaftspädagogik, Universität zu Köln, Herbert-
Lewin-Str. 2, 50931 Köln, laura.bueker@uni-koeln.de
Dr. Marc Casper, Fachbereich Wirtschaftspädagogik, Universität Hamburg,
Sedanstraße 19, 20146 Hamburg, marc.casper@uni-hamburg.de
Prof. Dr. Viola K. Deutscher, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Universität
Mannheim, 68161 Mannheim, deutscher@bwl.uni-mannheim.de
Prof. Dr. Richard Fortmüller, Institut für Wirtschaftspädagogik, Wirtschaftsuni-
versität Wien, Welthandelsplatz 1, 1020 Wien (Österreich), richard.fortmueller@
wu.ac.at
Prof. Dr. Karl-Heinz Gerholz, Institut für Wirtschaftspädagogik, Otto-Fried-
rich-Universität Bamberg, Kärntenstraße 7, 96052 Bamberg, karl-heinz.gerholz@
uni-bamberg.de
Prof. Dr. Bettina Greimel-Fuhrmann, Institut für Wirtschaftspädagogik, Wirt-
schaftsuniversität Wien, Welthandelsplatz 1, 1020 Wien (Österreich), bettina.
fuhrmann@wu.ac.at
Prof. Dr. Jens Klusmeyer, Fachgebiet Wirtschaftsdidaktik, Universität Kassel,
Henschelstraße 2, 34127 Kassel, klusmeyer@uni-kassel.de
Prof. Dr. Nicole Naeve-Stoß, Professur für Wirtschaftspädagogik, Universität zu
Köln, Herbert-Lewin-Str. 2, 50931 Köln, nicole.naeve-stoss@uni-koeln.de

                                                                             VII
VIII                                                          Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Holger Reinisch, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Friedrich-
Schiller-Universität Jena (im Ruhestand)
Prof. Dr. Jürgen Seifried, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Universität
Mannheim, 68161 Mannheim, seifried@bwl.uni-mannheim.de
Prof. Dr. Peter F. E. Sloane, Department Wirtschaftspädagogik, Universität
Paderborn, Warburger Str. 100, 33098 Paderborn, lehrstuhl.sloane@campus.upb.de
Dr. Matthias Söll, Fachgebiet Wirtschaftsdidaktik, Universität Kassel, Henschel-
straße 2, 34127 Kassel, matthias.soell@uni-kassel.de
Prof. Dr. Tade Tramm, Fachbereich Wirtschaftspädagogik, Universität Hamburg
(im Ruhestand)
Serap Uzunbacak, Fachgebiet Wirtschaftsdidaktik, Universität Kassel, Henschel-
straße 2, 34127 Kassel, s.uzunbacak@uni-kassel.de
Prof. Dr. Karl Wilbers, Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik und Personalent-
wicklung, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20,
90403 Nürnberg, karl.wilbers@fau.de
Unterrichtsplanung im Fokus
wirtschaftsdidaktischer Theorie,
Empirie und Praxis

Jens Klusmeyer und Matthias Söll

   Zusammenfassung

   Die Planung von Unterricht wird in diesem Editorial als zentraler Gegen-
   standsbereich der Wirtschaftsdidaktik konzeptualisiert, deren H   ­ auptaufgaben
   die Erarbeitung und Reflexion einschlägiger Forschungserkenntnisse sowie die
   Ableitung schlüssiger Entscheidungshilfen für die Praxis des institutionalisierten
   Lehrens und Lernens im Bereich Wirtschaft und Verwaltung bilden. Das hier
   im Fokus stehende Thema wird nachfolgend im Überschneidungsbereich mit
   der Allgemeinen Didaktik und der empirischen Lehr-Lern-Forschung verortet.
   Anschließend erfolgt die Systematisierung der Beiträge im Hinblick auf deren
   theoretisch-konzeptionelle, empirisch-konzeptionelle und lehrkräfte- bzw.
   -lehralltagsbezogene Perspektiven sowie deren Zusammenfassung. Einerseits
   liefert der Sammelband für die Scientific Community einen aktuellen Überblick
   über Arbeiten zu Modellierungen, Förderansätzen und Forschungskonzepten
   zur Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements. Andererseits sind aufgrund der
   Breite der bisherigen Bemühungen in der Wirtschaftsdidaktik noch zu wenige
   systematische, empirisch abgesicherte Erkenntnisse zur Unterrichtsplanung vor-
   handen. Deshalb ist die Forcierung entsprechender Forschung, auch im Hinblick
   auf multidisziplinäre und -perspektivische Kooperationen, dringend angezeigt.

J. Klusmeyer (*) · M. Söll
Universität Kassel, Kassel, Deutschland
E-Mail: klusmeyer@uni-kassel.de
M. Söll
E-Mail: matthias.soell@uni-kassel.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021            1
J. Klusmeyer und M. Söll (Hrsg.), Unterrichtsplanung in der Wirtschaftsdidaktik,
Edition Fachdidaktiken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26620-2_1
2                                                          J. Klusmeyer und M. Söll

    Schlüsselwörter
    Begleitforschung · Bildungstheorie · Fachdidaktik · Kognitionspsychologie ·
    Kompetenzorientierung · Lehrerinnen- und Lehrerbildungsforschung ·
    Modellierung · Unterrichtsplanung · Unterrichtsplanungskompetenz ·
    Wirtschaftsdidaktik

1	Unterrichtsplanung in der Wirtschaftsdidaktik
   – aktuelle theorie‐, empirie‐ und praxisbasierte
   Beiträge

„Planung ersetzt den Zufall durch Irrtum.“ Äußerungen wie diese werden immer
wieder genutzt, um die Sinnhaftigkeit planerischer Tätigkeiten infrage zu stellen
(vgl. bspw. Koob und Schmutte 2017, S. 221 f.; Selzam 1983, S. 749). Während
der Erfolg bzw. der Misserfolg unbewusst Agierender allerdings nicht durch die
Akteurinnen und Akteure selbst bewertet, erklärt und beeinflusst werden kann, ist
ebendies hinsichtlich entsprechender Zielstellungen, Grundannahmen und Aktivi-
täten bewusst Handelnder möglich. Vor diesem Hintergrund offenbart sich der
hohe Stellenwert der Unterrichtsplanung für eine Wirtschaftsdidaktik, denn
sie intendiert ein zielgerichtetes, erkenntnisgeleitetes Vorgehen professioneller
Lehrerinnen und Lehrer bei der Gestaltung und Umsetzung von Lehr-Lern-
Arrangements sowie deren Optimierung durch eine entsprechende Evaluation
(vgl. Aprea 2014, S. 47; Seifried 2009a, S. 179 ff.; Söll und Klusmeyer 2018,
S. 73). Die Hauptaufgaben der Wirtschaftsdidaktik als verstehende, erklärende
und angewandte Sozialwissenschaft bilden die Erarbeitung und Reflexion
zentraler Forschungserkenntnisse sowie die Ableitung schlüssiger Entscheidungs-
hilfen für die Praxis des institutionalisierten Lehrens und Lernens im Bereich
Wirtschaft und Verwaltung (vgl. Achtenhagen 1981, S. 275; Kron et al. 2014,
S. 53 ff.). Darüber hinaus nimmt die Unterrichtsplanung eine Schlüsselstellung
bei der Umsetzung von Reformen und der Verbreitung von Innovationen ein,
denn mit ihrer Hilfe können diese zu neuen Konzepten integriert werden, die sich
dann im Unterrichtshandeln von Lehrerinnen und Lehrern und somit im Schul-
alltag niederschlagen (vgl. Aprea 2018, S. 3 f.). Bei der Nachzeichnung des Dis-
kurses zur Planung von Unterricht in der wirtschaftsberuflichen Didaktik kommt
Reinisch (2017, S. 12) trotz deren hohen Bedeutung allerdings zu dem Ergebnis,
dass seine Zusammenschau „[…] in Teilen auch als Geschichte des langsamen
Verschwindens dieses Themas aus der didaktischen Forschung der betrachteten
Domäne gelesen werden [kann; E. d. A.].“ (vgl. auch Aprea 2007, S. 36 ff.;
Seifried 2009b, S. 128 ff.)
Unterrichtsplanung im Fokus wirtschaftsdidaktischer Theorie …                    3

    Die Modellierung der Unterrichtsplanung ist auch ein zentrales Aufgabengebiet
der Allgemeinen Didaktik. Die Ende der 1950er Jahre konzipierten und sukzessive
weiterentwickelten Modelle von Klafki (1958) und Heimann (1962) sind in der
Lehrerinnen- und Lehrerbildung nach wie vor weit verbreitet (vgl. Arnold und
Zierer 2015, S. 9 ff.). Um deren Stellenwert als primären disziplinären Kern zu
verdeutlichen, bilden aktuelle Weiterentwicklungen, Integrationen, Alternativen
sowie empirische Studien zu Teilaspekten der Planung von Unterricht den Auf-
takt der Reihe „Jahrbuch für Allgemeine Didaktik“ (vgl. Arnold et al. 2011, S. 9).
Im Zuge der empirischen Wende der Erziehungswissenschaft in Deutschland und
damit einhergehender Entwicklungen einiger Fachdidaktiken, insbesondere in
den Bereichen der Mathematik und der Naturwissenschaften, wird allerdings eine
abnehmende Orientierungsleistung traditioneller Didaktikmodelle – und damit der
Allgemeinen Didaktik insgesamt – zugunsten von Erkenntnissen der pädagogisch-
psychologischen Lehr-Lern-Forschung konstatiert (vgl. Reusser 2008, S. 219 ff.;
Terhart 2002, S. 77 ff.).
    Seel und Aprea (2014, S. 4 f.) sowie Wernke und Zierer (2017, S. 7 ff.) weisen
in Bezug auf die deutsche Professionalisierungsforschung zudem darauf hin, dass
sich diese fast ausschließlich auf die Unterrichtsdurchführung konzentrierte. In
zahlreichen empirischen Studien zur Kompetenzentwicklung von Lehrerinnen und
Lehrern wurde die Unterrichtsplanung von der Forschung eher „als Nebenprodukt“
(Seel und Aprea, 2014, S. 4) betrachtet bzw. schenkte ihr nur „unterschwellig
Beachtung“ (Wernke und Zierer, 2017, S. 7). Erstgenannte Autorinnen sehen in der
Herausgabe eines Heftes zum Thema „Planungskompetenzen“ im Jahr 2014 ein Indiz
dafür, dass dieser Gegenstand zunehmend in den Fokus der empirischen Lehr-Lern-
Forschung rückt (vgl. Seel und Aprea, 2014, 4f.). Letztgenannte Autoren führten auf
der Grundlage der aufgezeigten Desiderate im Jahr 2016 die Konferenz „Die Unter-
richtsplanung: Ein in Vergessenheit geratener Kompetenzbereich?!“ durch. Die in
einem gleichnamigen Tagungsband mit dem Untertitel „Status Quo und Perspektiven
aus Sicht der empirischen Forschung“ veröffentlichten Beiträge zeigen die zahl-
reichen inhaltlichen und methodischen Dimensionen auf, mit denen sich Bildungs-
forscherinnen und -forscher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Bezug
auf die Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements unterschiedlicher Schulstufen und
-formen auseinandersetzen (vgl. Wernke und Zierer 2017, S. 12 f.).
    Die bisherigen Erkenntnisse verdeutlichen die Aktualität des Forschungs-
gegenstandes der Unterrichtsplanung. Sie zeigen zugleich, dass sich mit diesem
Thema Fachdidaktiken wie die Wirtschaftsdidaktik, die Allgemeine Didaktik
sowie die empirische Lehr-Lern-Forschung auseinandersetzen. Die Themen-
bearbeitung eröffnet die Möglichkeit, sich der disziplinären Grenzziehungen zu
vergewissern und diese zu überwinden. (vgl. Blömeke et al. 2007, S. 355 ff.;
4                                                                J. Klusmeyer und M. Söll

Reusser 2008, S. 219 ff.). Hierbei wird die jeweilige Ausrichtung der Forschung
zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung an theoretischen und normativen oder
empirischen Paradigmen und Erkenntnissen ersichtlich, deren Entgrenzung
von Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaftsdidaktik gefordert wird (vgl.
Achtenhagen 2006, S. 591; Aprea 2013, S. 1 ff.; Reinisch 1999, S. 1 ff.) Fach-
didaktiken können diese integrative Wirkung entfalten, denn ihnen „kommt die
Aufgabe zu, die allgemeinen Reflexionen über Lehren und Lernen im Blick auf
einen bestimmten Inhaltsbereich, im Blick auf ein bestimmtes Fach, im Blick auf
einen bestimmten Lern- und Kompetenzbereich umzusetzen […].“ (Terhart 2002,
S. 84; vgl. auch Zabeck 1992, S. 137 ff.)
    Im Zuge des Aufbaus eines Arbeitsschwerpunktes zur Modellierung,
Förderung und Erforschung von Unterrichtsplanungskompetenz am Fachgebiet
Wirtschaftsdidaktik der Universität Kassel nahmen wir frühzeitig im Jahr 2015
die Herausgabe eines entsprechenden Sammelbandes in den Blick. Insbesondere
Berichte über die seltene Fokussierung des Gegenstandes in empirischen Studien
ließen uns anfänglich noch zögern, denn wir wollten mit keinem überholten
Ansinnen an die Scientific Community herantreten. Ermutigt von sich mehrenden
Ausführungen zur hohen Relevanz des Themas für die Lehrerinnen- und Lehrer-
bildung sowie deren Untersuchung und motiviert durch die von Wernke und
Zierer initiierte Tagung skizzierten wir die Unterrichtsplanung als zentralen
Gegenstand der Wirtschaftsdidaktik auf dem Forum „Didaktik der beruflichen
Bildung – Selbstverständnis, Zukunftsperspektiven und Innovationsschwer-
punkte“ der Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AG BFN) im
Jahr 2016 in Hamburg (vgl. Söll und Klusmeyer 2018). Nachdem der Kasseler
Arbeitsschwerpunkt durch das Voranschreiten zweier im Rahmen der Quali-
tätsoffensive Lehrerbildung geförderten Projekte Konturen annahm (vgl. bspw.
Söll 2019; Söll und Klusmeyer 2018; Uzunbacak und Klusmeyer 2018, 2019)1,

1Die  Planung von Unterricht steht im Fokus der Projekte „Förderung professionellen
(Planungs-)Handelns – Anchored Instruction“ und „Portfolioarbeit als Brücke zwischen
der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung“ (Laufzeit: 09/2015 bis 12/2018)
sowie deren Folgeprojekte „Förderung professionellen wirtschaftsdidaktischen (Planungs-)
Handelns in schulpraktischen Studien – Anchored Instruction“ und „Der Einsatz von
E-Portfolios und Prompts zur Förderung der Unterrichtsplanungskompetenz in der ersten
und zweiten Phase der Lehrerbildung“ (Laufzeit: 01/2019 bis 09/2021). Die diesem Bericht
zugrunde liegenden Vorhaben wurden und werden im Rahmen der gemeinsamen „Quali-
tätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung unter den Förderkennzeichen 01JA1505 und 01JA1805
gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.
Unterrichtsplanung im Fokus wirtschaftsdidaktischer Theorie …                  5

setzten wir den Sammelband wieder auf unsere Agenda und recherchierten Wirt-
schaftsdidaktikerinnen und Wirtschaftsdidaktiker, die sich in einschlägigen Ver-
öffentlichungen mit der Planung von Unterricht auseinandersetzen. Aufgrund
der „schweren Abgrenzbarkeit und Zugänglichkeit des Forschungsgegenstandes“
(Seel 2011, S. 32) – zwar findet sich der Terminus der Unterrichtsplanung in
den Titeln entsprechender Arbeiten (vgl. Seifried 2009a), es wird aber auch
von der Gestaltung von Situationen (vgl. Sloane 1999) oder von aufgaben-
orientiertem Coaching in Designprozessen (vgl. Aprea 2007) gesprochen –
war dazu ein guter Überblick über die eigene Disziplin und die Hilfe unserer
Kolleginnen und Kollegen nötig. Es erfreute uns sehr, dass sämtliche Anfragen
positiv beantwortet wurden. Der vorliegende Sammelband macht einen Großteil
aktueller wirtschaftsdidaktischer Forschungsprojekte zur Unterrichtsplanung in
der Scientific Community sichtbar. Ein Austausch auf dem Symposium „Unter-
richtsplanung: Ein ‚Stiefkind‘ der wirtschaftsdidaktischen Unterrichts- und Lehr-
professionalitätsforschung“, das wir zusammen mit Aprea auf der Jahrestagung
der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik im Jahr 2019 ausrichteten, zeigte
allerdings, dass wir trotz intensiver Suche einige Fachvertreterinnen und -ver-
treter übersahen, wofür wir uns bei allen nicht angesprochenen Kolleginnen
und Kollegen entschuldigen. Da der Sammelband aber auch zur Forcierung der
Bearbeitung des Themengebietes der Unterrichtsplanung sowie zur Zusammen-
arbeit – auch über die Grenzen der Wirtschaftsdidaktik hinaus – anregen
soll, freuen wir uns auf einen entsprechenden Austausch und zukünftige
Kooperationen.
    Aus der Sichtung der wirtschaftsdidaktischen Arbeiten zur Planung von
Unterricht wurden drei Perspektiven abgeleitet, mit deren Hilfe die Bei-
träge systematisiert werden können: theoretisch-konzeptionelle, empirisch-
konzeptionelle und lehrkräfte- bzw. lehralltagsbezogene Abhandlungen. Im
Folgenden geben wir durch die Zusammenfassung der Beiträge einen kurzen
Überblick zu den Themen des Sammelbandes.

2	Unterrichtsplanung aus theoretisch-
   konzeptioneller Perspektive

Im Abschnitt ‚Unterrichtsplanung aus theoretisch-konzeptioneller Perspektive‘
wirft Holger Reinisch einen systematischen Blick auf den zentralen Gegenstand
dieses Sammelbandes, indem er die Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements vor
dem Hintergrund bildungstheoretischer Grundannahmen reflektiert. Ausgehend
von Unterricht als gesellschaftlichem, pädagogischem Phänomen verschränkt
6                                                            J. Klusmeyer und M. Söll

er im Hinblick auf dessen Planung bildungstheoretische und didaktische Ent-
wicklungen. Anschließend wird gezeigt, wie die bildungstheoretischen Modelle
nach Weniger und Klafki und die lerntheoretischen Modelle nach Heimann,
Schulz und Otto auf Prämissen der Bildungstheorie rekurrieren. Der Beitrag
schließt im Hinblick auf die Dominanz der kompetenzorientierten, empirischen
Lehr-Lern-Forschung mit Anmerkungen zum wirtschaftsdidaktischen Dis-
kurs über die Unterrichtsplanung und einem Plädoyer für bildungstheoretische
Reflexion in der Didaktik.
    Karl Wilbers greift die Kompetenzorientierung in seinem Beitrag als eine moderne
Maxime zur Unterrichtsplanung auf. Ausgehend von theoretischen Implikationen
zum Kompetenzbegriffsverständnis und zu Kompetenzmodellvarianten stellt er
deren Zusammenhänge mit der Planung beruflichen Unterrichts dar. Bei dem
daraus resultierenden Planungszyklus müssen Kompetenzerwartungen festgelegt,
Kompetenzstände diagnostiziert und Kompetenzentwicklungen beobachtet und
evaluiert werden. Im Rahmen dieser bisher selten konzeptualisierten Integration
können die Erkenntnisse der Kompetenzforschung wichtige Hilfestellungen liefern.
Der Autor zeigt abschließend, dass es sich bei der Kompetenzorientierung um
einen notwendigen, aber nicht hinreichenden Ansatz zur Gestaltung von Lehr-
Lern-Arrangements handelt, denn sie kann zur Gestaltung zentraler Unterrichts-
dimensionen wie den Inhalten, den Methoden oder den Medien kaum einen Beitrag
leisten.
    Bettina Greimel-Fuhrmann und Richard Fortmüller beschäftigen sich mit der
Unterrichtsplanung im Kontext lernpsychologischer Überlegungen. Sie gehen in
ihrem Beitrag davon aus, dass didaktische Entscheidungen, die für eine stimmige,
zielführende Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements notwendig sind, von den
anzuvisierenden Zielen, den zu behandelnden Inhalten und insbesondere den
Annahmen zum Lernen bzw. zum Wissenserwerb abhängig sind. Letztgenannter
Aspekt wird durch die Darlegung von Theorien der Kognitionspsychologie, ins-
besondere dem informationsverarbeitungstheoretischen Ansatz, fokussiert. Aus
diesen Erkenntnissen werden drei Bedingungen effektiven Lernens (d. h. die
Dar­stellung von Lehr-Lerninhalten, die Bearbeitung von Problemstellungen und
die Rückmeldung) abgeleitet, in drei Kernelemente der Unterrichtsplanung und
-durchführung transferiert und in ein Gesamtkonzept des Unterrichts eingebettet.
Die Illustration der Ausführungen erfolgt anhand eines konkreten Planungsbei-
spiels.
Unterrichtsplanung im Fokus wirtschaftsdidaktischer Theorie …               7

3	Unterrichtsplanung aus empirisch-
   konzeptioneller Perspektive

Im Abschnitt ‚Unterrichtsplanung aus empirisch-konzeptioneller Perspektive‘
konzipiert Jens Klusmeyer ein wirtschaftsdidaktisches Unterrichtsplanungs-
modell für Studierende der Wirtschaftspädagogik. Dabei wird von dem Defizit
ausgegangen, dass Unterrichtsplanungsmodelle in der Lehrerinnen- und Lehrer-
bildung zwar eine bedeutende Rolle einnehmen, in ihren klassischen Formen
aufgrund fehlender Bezüge zu Fachdidaktiken und zu empirischen Erkennt-
nissen der Unterrichtsforschung allerdings kaum Einfluss auf reale unterricht-
liche Planungsprozesse ausüben. Vor diesem Hintergrund entwirft der Autor auf
Basis theoretisch-normativer Grundüberlegungen einen Ansatz, der wirtschafts-
didaktische Unterrichtsanforderungen mit Ergebnissen empirischer Studien zu
den Basisdimensionen lernförderlichen Unterrichts integriert. Die Modellierung
zielt auf eine Abkehr von Oberflächen- hin zu Tiefenstrukturmerkmalen lern-
förderlichen Unterrichts ab, um den Einfluss didaktischer Modelle auf das
Planungshandeln von künftigen Lehrerinnen und Lehrern wieder zu erhöhen.
Ferner soll der Beitrag als Diskussionsvorschlag die Weiterentwicklung
­wirtschaftsdidaktischer Planungsmodelle wiederbeleben.
     Matthias Söll knüpft an die Desiderate hinsichtlich der Modellierung,
 Förderung und Erforschung der Kompetenz zur Planung von Unterricht an
 und entwirft in seinem Beitrag ein Kompetenzstruktur- und -niveaumodell der
 Unterrichtsplanung. Entsprechende Modelle werden aktuell vor allem im Hin-
 blick auf professionelles Wissen als wichtigem Aspekt beruflicher Handlungs-
 kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern entwickelt. Sie bilden zusammen
 mit der Konturierung des zur Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements in der
 wirtschaftsberuflichen Bildung notwendigen wirtschaftswissenschaftlichen
 und wirtschaftsdidaktischen Wissens die Basis des vorliegenden Modells. Es
 differenziert zwischen den Dimensionen der Ziele, Inhalte, Methoden, Medien,
 Lernendenvoraussetzungen und deren Interdependenzen sowie zwischen
 deklarativem, prozeduralem und metakognitivem Planungswissen. Mit dieser
 holostischen Konzeption kann bei der Planung von Unterricht zwischen eher
 wirtschaftsdidaktischen und eher allgemeinen pädagogischen Begründungs-
 mustern unterschieden werden, um einen Beitrag zur Verortung von Unterrichts-
 planungskompetenz zwischen den Facetten professionellen Lehrerinnen- und
 Lehrerwissens zu leisten.
     Carmela Aprea, Viola K. Deutscher und Jürgen Seifried nutzen die Metapher
 des ‚Stiefkindes‘, um den Stand der Unterrichtsplanung insbesondere in der
8                                                          J. Klusmeyer und M. Söll

wirtschaftsdidaktischen Unterrichts- und Lehrprofessionalitätsforschung zu
beschreiben. Die Autorinnen und der Autor fokussieren die Konzeptualisierung
sowie die empirische Untersuchung eines Ansatzes zur Förderung von Unter-
richtsplanungskompetenz: Der Ansatz zum „Design wirtschaftsberuflicher
Lernumgebungen“ basiert auf der Analogie zwischen der Gestaltung von Lehr-
Lern-Arrangements und Designaufgaben in Designprofessionen. Während das
Konzept auf professionstheoretische Befunde der Designforschung, fachdidaktische
Anforderungen des Lernfeldkonzepts und kognitions- und handlungspsycho-
logische Ansätze rekurriert, greift der forschungsmethodologische Zugang auf das
Design-Based Research zurück. Evaluationsergebnisse bei Studierenden der Wirt-
schaftspädagogik an der Universität Mannheim zeigen, dass der Aufbau von Unter-
richtsplanungskompetenz mit dem Ansatz effektiv unterstützt werden kann. Im
Ausblick werden künftige Entwicklungs- und Forschungsaktivitäten skizziert, um den
Ansatz zu optimieren und in weitere Bildungsstufen und -bereiche zu transferieren.
    Serap Uzunbacak beleuchtet in ihrem Beitrag ebenfalls einen Ansatz zur
Förderung von Unterrichtsplanungskompetenz. Mithilfe kognitiver und meta-
kognitiver Prompts, die im Rahmen eines E-Portfolio-Lehr-Lernkonzepts bei
Masterstudierenden der Wirtschaftspädagogik an der Universität Kassel ein-
gesetzt werden, sollen diese insbesondere für die bei der Planung notwendige,
kritisch-reflexive Haltung sensibilisiert werden. Ausgehend von der Offen-
legung der Relevanz der Reflexion bei der Gestaltung von Unterricht wird auf-
gezeigt, wie entsprechende Anlässe in universitären Lehrveranstaltungen mithilfe
der E-Portfolio-Arbeit auf der Plattform Mahara initiiert werden können. Die
Autorin stellt ferner das Konzept der Begleitforschung zur Entwicklung der
Unterrichtsplanungs- und Reflexionskompetenz vor. Die Daten wurden mittels
eines Vignettentests zu den hier im Fokus stehenden Kompetenzfacetten erhoben.
Die Auswertung erfolgt durch qualitative Inhaltsanalysen, deren Kategorien-
systeme sich an fachdidaktischen Modellierungen sowie Stufenmodellen der
Reflexionstiefe orientieren. Erste Ergebnisse geben einen Ausblick auf die Fort-
führung des Forschungsprojektes.

4	Unterrichtsplanung aus Perspektive der
   Lehrkräfte und des Lehralltags

Im Abschnitt ‚Unterrichtsplanung aus Perspektive der Lehrkräfte und des Lehr-
alltags‘ beschreibt Peter F. E. Sloane in seinem Beitrag die Strukturen und
Prozesse der kooperativen Bildungsgangarbeit im Rahmen einer Bildungs-
gangdidaktik. Durch bildungspolitische und curriculare Vorgaben werden
Unterrichtsplanung im Fokus wirtschaftsdidaktischer Theorie …                  9

­ estaltungsspielräume eröffnet, die Lehrerinnen und Lehrer in Teams bei der
G
Entwicklung von Bildungsgangkonzeptionen, bei der Analyse von Ordnungs-
mitteln, bei der Aufstellung von didaktischen Jahresplanungen, bei der Gestaltung
und Sequenzierung von Lernsituationen, bei deren Einbettung in komplexe
Lehr-Lernarrangements sowie bei der Evaluation von Lehr-Lernprozessen aus-
füllen müssen. Die Darstellungen konzentrieren sich auf diese Phasen des
Prozessmodells und werden anhand eines Designprojekts zur Implementation
­
des Bildungsgangs Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement konkretisiert.
Am Ende erfolgt die Ableitung der Lehrerinnen- und Lehrerkompetenzen, die
zur erfolgreichen Umsetzung dieses spezifischen Planungsansatzes erforderlich
sind.
    Auch Tade Tramm und Marc Casper fokussieren in ihrem Beitrag Grund-
annahmen, Strategien und Problembereiche kooperativer Unterrichtsplanung.
Sie beziehen sich im Kontext lernfeldstrukturierter Rahmenlehrpläne in der wirt-
schaftsberuflichen Bildung insbesondere auf die schulische Mesoebene. Zentral
sind bspw. Fragen nach der breiten Einbindung von Lehrkräften in Entwicklungs-
und Entscheidungsprozesse, nach der Einigung auf normative und didaktisch-
konzeptionelle Grundüberzeugungen, nach gemeinsam akzeptierten, curricularen
Argumentations- und Entwicklungslogiken oder nach der Gestaltung kontinuier-
licher Verbesserungsprozesse. Die Autoren veranschaulichen ihre Ausführungen
anhand des Netzwerkes KaBueNet, in dem sieben Oberstufenzentren in Berlin
den Bildungsgang Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement neu gestalten.
Dabei werden die theoretischen Grundlagen, auf denen die curricularen Ent-
wicklungsprozesse basieren, erläutert. Schließlich erfolgt die Reflexion von
Gelingensbedingungen der komplexen Realität der Gestaltung von Lehr-Lern-
Arrangements, indem die Schnittstelle zwischen systematischer Bildungsgang-
arbeit und pragmatischer Unterrichtsplanung in den Blick genommen wird.
    Laura Büker und Nicole Naeve-Stoß beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit
der Planung von Unterricht im Hinblick auf schulnahe und unterrichtliche
Rahmenbedingungen. Sie konzentrieren sich auf die netzwerkbasierte, schulüber-
greifende Zusammenarbeit, die Innovationspotenziale, Lern- und Entwicklungs-
potenziale, Qualitätspotenziale, Synergieeffekte und Promotorenpotenziale in
sich birgt. Anhand des bereits erwähnten Zusammenschlusses KaBueNet werden
Herausforderungen, welche sich auf den Transfer und die Implementation der
Ergebnisse und Produkte in den einzelnen Schulen auswirken, illustriert. Bei der
Beantwortung der Frage, wie und in welchen Ausgestaltungen die Entwicklungen
aus der schulübergreifenden Netzwerkarbeit die Lehrerinnen und Lehrer an den
einzelnen Schulen erreichen, werden schulorganisatorische Gesichtspunkte
fokussiert. Die Autorinnen kommen zu der Erkenntnis, dass entsprechende
10                                                        J. Klusmeyer und M. Söll

Prozesse bereits zu Beginn der Curriculum- und Unterrichtsentwicklungsarbeit
mitgeplant und gestaltet werden müssen, um den Herausforderungen der Netz-
werkarbeit begegnen und deren Potenziale nachhaltig nutzen zu können.
   Karl-Heinz Gerholz und Karl Wilbers zeigen in ihrem Beitrag, wie
Studentinnen und Studenten im Rahmen des Universitätsschulkonzepts Unter-
richt planen und die dazu notwendigen Kompetenzen entwickeln. Der Ansatz
orientiert sich an der universitären Ausbildung von angehenden Medizinerinnen
und Medizinern, in der Theorie und Praxis durch die Kooperation zwischen
Universitäten und Universitätskliniken aufeinander bezogen wird. Analog dazu
erlaubt die Zusammenarbeit von Universitäten mit Universitätsschulen in der
ersten Phase der Lehrerinnen- und Lehrerbildung eine theoriegeleitete und gleich-
sam praxisbezogene Unterrichtsplanung, -durchführung und -reflexion. Durch
die Kooperation können Unterschiede der beteiligten Institutionen produktiv
genutzt werden, um den Professionalisierungsprozess der Studierenden zu unter-
stützen. Die Autoren stellen die konkreten Implementationen des Konzepts
an den Universitäten Bamberg und Erlangen-Nürnberg vor und vergleichen
diese abschließend u. a. im Hinblick auf hochschuldidaktische Erarbeitungs-,
Sequenzierungs-, Durchführungs-, Begleitungs- und Forschungsformen.

5	Ausblick

Die Zusammenschau der Beiträge macht die unterschiedlichen Ziele, Perspektiven
und Herangehensweisen, die bei der Auseinandersetzung von Wirtschafts-
didaktikerinnen und Wirtschaftsdidaktikern mit dem Thema der Unterrichtsplanung
handlungsleitend sind, in der Scientific Community sichtbar. Es offenbaren sich
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bearbeitung des Themas sowie zahl-
reiche Forschungsdesiderate, die zur Intensivierung und Vertiefung des Austauschs
sowie zu Kooperationen bei der Beschäftigung mit der Gestaltung von Lehr-Lern-
Arrangements auffordern. Die Forcierung entsprechender wirtschaftsdidaktischer
Forschung ist dringend angezeigt, um bei der Planung von Unterricht unbewusstes
Agieren durch bewusstes Handeln zu ersetzen. Aufgrund der Breite der bis-
herigen Bemühungen sind in der Wirtschaftsdidaktik noch zu wenige theoretisch
und empirisch abgesicherte Erkenntnisse zur Unterrichtsplanung vorhanden,
um auf Basis deren Reflexion schlüssige Entscheidungshilfen für die Praxis des
institutionalisierten Lehrens und Lernens in der wirtschaftsberuflichen Bildung
ableiten zu können. Sowohl die Aktualität der Projekte als auch das Engagement
der Autorinnen und Autoren unseres Sammelbandes zur Planung von Unterricht
Unterrichtsplanung im Fokus wirtschaftsdidaktischer Theorie …                          11

sprechen allerdings gegen die eingangs aufgeworfene These des langsamen Ver-
schwindens des Gegenstandes aus der wirtschaftsdidaktischen Forschung.
   Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine anregende und erkenntnis-
bringende Lektüre!

Jens Klusmeyer und Matthias Söll

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Unterrichtsplanung aus theoretisch-
        konzeptioneller Perspektive
Unterrichtsplanung im Kontext
bildungstheoretischer Grundannahmen

Holger Reinisch

   Zusammenfassung

   Die Fähigkeit, „guten Unterricht“ zu planen, gehört zum Kern der
   Professionalität angehender und praktizierender Lehrkräfte. Dabei beziehen
   sich bildungstheoretische Reflexionen vornehmlich auf die Maximen, an
   denen Lehrerinnen und Lehrer ihr pädagogisches Handeln ausrichten sollen.
   Diese bilden die Basis der Techniken der Unterrichtsplanung, bspw. im Hin-
   blick auf die inhaltliche Strukturierung oder die Zeitplanung. Bildungstheorie
   und Didaktik sind somit untrennbar aufeinander bezogen. Vor diesem Hinter-
   grund bildet die Diskussion bildungstheoretischer Bezüge ausgewählter
   didaktischer Modelle den Schwerpunkt des vorliegenden Aufsatzes. Diese
   ist eingebettet in die Konturierung von Unterricht als gesellschaftlichem
   und pädagogischem Phänomen sowie in die Beschreibung der Genese der
   Bildungstheorie im Hinblick auf deren Beziehungen zum didaktischen Denken
   und Handeln. Anmerkungen zu Entwicklungen in der Didaktik des wirt-
   schaftsberuflichen Unterrichts schließen die Ausführungen ab.

   Schlüsselwörter

   Bildungstheorie · Didaktik · Didaktische Modelle · Didaktische Reflexion ·
   Unterricht · Unterrichtsplanung · Wirtschaftsdidaktik

H. Reinisch (*)
Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik, Grömitz, Deutschland
E-Mail: Holger_Reinisch@gmx.de

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021            17
J. Klusmeyer und M. Söll (Hrsg.), Unterrichtsplanung in der Wirtschaftsdidaktik,
Edition Fachdidaktiken, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26620-2_2
18                                                                     H. Reinisch

1	Einleitung

Heute über Unterrichtsplanung und dann noch im Zusammenhang mit Bildungs-
theorie zu schreiben, wirkt in Zeiten der Dominanz des Kompetenzbegriffs und
der Fokussierung des unterrichtstheoretischen Diskurses auf Lernen statt auf
Lehren ziemlich aus der Zeit gefallen. Gleichwohl zählt die Planung des Lehrens
nach wie vor zu den alltäglichen Aufgaben der Lehrkräfte und muss daher Gegen-
stand der didaktischen Reflexion sein. Schließlich versteht sich die Didaktik vor-
nehmlich als die Berufswissenschaft von Lehrenden.
    Wenn nun – wie im Titel dieses Beitrags angezeigt – nach Beziehungen
zwischen didaktischen Modellen zur Unterrichtsplanung und bildungs-
theoretischen Grundannahmen gesucht werden soll, dann läge die Konzentration
auf die bildungstheoretische Didaktik von Erich Weniger und Wolfgang Klafki
nahe. Dies wäre jedoch eine Engführung des Themas, der hier nicht gefolgt
werden soll. Stattdessen wird das Thema angesichts der Komplexität und
der langen Geschichte von Unterricht und Bildungstheorie in drei Schritten
bearbeitet. Zuerst wird Unterricht als gesellschaftliches und pädagogisches
Phänomen betrachtet (siehe Abschn. 2), um dann auf Entwicklungen in der
Bildungstheorie mit Blick auf deren Beziehungen zum didaktischen Denken
und Handeln einzugehen (siehe Abschn. 3). Im dritten Schritt wird an Hand aus-
gewählter didaktischer Modelle diskutiert, inwieweit bildungstheoretische Grund-
annahmen in diese Modelle eingeflossen sind (siehe Abschn. 4). Thematisiert
werden dabei ausschließlich Modellbildungen aus der allgemeinen Didaktik.
Anmerkungen zur Entwicklung in der Didaktik des wirtschaftsberuflichen Unter-
richts (vgl. dazu ausführlicher auch Reinisch 2017) schließen die Betrachtung ab
(siehe Abschn. 5 und 6).

2	Problemhorizont: Unterricht als
   gesellschaftliches und pädagogisches Phänomen

Zweifellos sind Lehren und Lernen Tätigkeiten, die seit Beginn der menschlichen
Gattung existieren und heute ebenso wie in der Vergangenheit als auch in der
Zukunft das ganze Leben der Angehörigen unserer Gattung begleiten, begleitet
haben und begleiten werden. Damit wird nicht behauptet, dass Lehren und
Lernen ausschließlich der menschlichen Gattung eigen ist, aber es kennzeichnet
das Leben des einzelnen Menschen und der menschlichen Gesellschaften in
besonderer Weise und dieser Mechanismus ist die Grundvoraussetzung der
Unterrichtsplanung im Kontext bildungstheoretischer Grundannahmen              19

sozialen Evolution und der Stabilität und Entwicklung der Kulturen. Über-
wiegend vollzieht sich Lernen – mit oder ohne vorausgegangenes Lehren – in
der unmittelbaren Lebenspraxis mittels Kommunikation und Beobachtung. In
pädagogischer und dabei insbesondere didaktischer Hinsicht ist jedoch von
besonderem Interesse, wenn Lehren und Lernen als Einheit auftreten. Dabei
wird eine Tätigkeit einer Person nur dann als Lehren bezeichnet, wenn jemand
erstens etwas in der Absicht tut, eine Wirkung zu erzielen, wenn dieser also eine
Handlung in der Relation „Intention – Handlung – (erhoffte) Wirkung“ vollzieht
und zweitens die Intention darin besteht, einer anderen Person oder mehreren
anderen Personen zum Lernen zu verhelfen und jene beim Lernen zu unter-
stützen. Als Lehren wird mithin eine an Zielen ausgerichtete, planvolle, auf Rück-
meldung und Kontrolle verwiesene und medial, z. B. durch Sprache, vermittelte
Handlung einer Person bezeichnet. Ein für die soziale und kulturelle Evolution
höchst bedeutsamer Schritt, den wohl nahezu sämtlich heute noch existierenden
menschlichen Gemeinschaften und Gesellschaften irgendwann einmal gegangen
sind, wird dadurch markiert, dass die Einheit von Lehren und Lernen nicht mehr
nur zufällig in der alltäglichen Lebenspraxis geschah, sondern auf Dauer gestellt
und aus der alltäglichen Lebenspraxis in eine gesonderte Institution ausgelagert
wurde. Bekanntermaßen bezeichnen wir diese Institutionen als Schule und die
dort stattfindende oder zumindest stattfindenden sollende Einheit von Lehren und
Lernen als Unterricht. Auch wenn beispielsweise Protz (2004, S. 1031) auch das
zufällige, in der Alltagspraxis stattfindende Lehren und Lernen als eine Form des
Unterrichts ansieht, wird hier unter Unterricht ausschließlich „als durch Lehren
initiiertes – geplantes, systematisches, methodisches und zielgerichtetes – Lernen
innerhalb eines bestimmten institutionellen und beruflichen Rahmens zum
Zwecke der Erweiterung dieses Lernens“ (Protz, ebd.) verstanden.
    Unterricht ist also ein von den alltäglichen Lebensvollzügen getrennte Ver-
anstaltung, womit sich unmittelbar zwei Fragen stellen: Warum ist diese Aus-
lagerung erfolgt und was wird mit dieser Auslagerung bezweckt oder um die
zweite Frage ökonomisch auszudrücken, warum sind Gesellschaften bereit, die
mit dieser Auslagerung verbundenen Kosten zu tragen? Zur Beantwortung der
ersten Frage wird in der einschlägigen schultheoretischen Literatur (vgl. z. B.
Kemper 1997 und 2004) gemeinhin darauf verwiesen, dass die erwachsenen Mit-
glieder einer menschlichen Gemeinschaft der Meinung gewesen seien und bis
heute sind, dass es im Kanon des von ihnen geteilten Wissens oder in ihrer Kultur
zumindest bei einigen ihrer Mitglieder vorhandenen Wissens erstens einige
Bestandteile geben würde bzw. gibt, deren Tradierung an die nachwachsenden
Mitglieder der Gemeinschaft erforderlich sei, dieser Kanon jedoch zweitens nicht
mehr ausschließlich im alltäglichen Lebensvollzug zu lehren und zu lernen sei,
20                                                                      H. Reinisch

ohne dass eben dieser alltägliche Lebensvollzug gestört würde. In dieser Aussage
finden sich mithin drei Motive, die immer schon, aber eben auch in den heutigen
öffentlichen Debatten um Schule und Unterricht eine zentrale Rolle gespielt
haben bzw. spielen:

1. geht es um die Frage, was den eigentlich die Angehörigen der nach-
   wachsenden Generation lernen sollen, also um die Inhalte des zu erlernenden
   Kanons,
2. um die Frage, ob dieser Kanon für sämtliche Angehörige der nachwachsenden
   Generation gleich sein soll oder Differenzierungen in inhaltlicher Hinsicht
   etwa nach den Kriterien Geschlecht, Alter, Lernfähigkeit und sozialer Her-
   kunft vorgenommenen werden sollen, sodass an die verschiedenen Arten des
   Schulbesuchs und des Unterrichts unterschiedliche Berechtigungen geknüpft
   werden können,
3. um den von der Generation der Erwachsenen für erforderlich gehaltenen Grad
   an zeitlicher und inhaltlicher Entlastung von Erziehungsaufgaben bezüglich
   der eigenen Kinder; man denke hier nur an die Debatten um die Bedeutung
   öffentlicher frühkindlicher Erziehung und die Einführung von Ganztagsunter-
   richt oder aktuell um die Auseinandersetzungen um den Schulbesuch der
   Kinder und Jugendlichen in den Zeiten der Corona-Pandemie, in der das „Ent-
   lastungsargument“ eine überaus prominente Rolle spielt.

In ständisch-feudalen Gesellschaftsordnungen, in denen der Lebensweg und
die Position in der gesellschaftlichen Hierarchie durch den Geburtsstand fest-
gelegt ist und der zu erlernende Kanon sich somit funktional an den Erforder-
nissen des jeweiligen Standes orientiert, sind die genannten drei Aspekte relativ
konfliktfrei zu lösen. Demgegenüber basiert die bürgerlich-demokratische
Gesellschaftsordnung auf dem zentralen Versprechen, dass auf der Basis der
rechtlichen Gleichheit aller Gesellschaftsmitglieder die soziale Stellung der
Mitglieder der Gesellschaft und damit ein möglicher sozialer Aufstieg von der
individuellen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Individuen abhängig
sind. Angesichts der daraus resultierenden Kontingenz des Lebenswegs der Mit-
glieder der Gesellschaft bedarf es rechtlicher und institutioneller Regelungen,
um die Reproduktion der Gesellschaft im funktionalen Sinne zu gewährleisten.
Die zentrale Rolle kommt dabei dem Bildungssystem als „Institution der
gesellschaftlich kontrollierten und veranstalteten Sozialisation“ (Fend 1980, S. 2)
zu. Reproduktion der Gesellschaft bedeutet im Sinne der hier herangezogenen
Unterrichtsplanung im Kontext bildungstheoretischer Grundannahmen            21

struktur-funktionalistischen Schultheorie (vgl. insb. ebd.), dass dem Bildungs-
system die Aufgaben zukommen, das Beschäftigungs- und Wirtschaftssystem
mit den benötigten Qualifikationen zu versorgen (Qualifikationsfunktion), das
seitens der Gesellschaft gewünschte Maß an Ungleichheit durch Selektion auf-
recht zu erhalten (Selektionsfunktion) und gleichwohl dafür Sorge zu tragen,
dass die nachwachsende Generation an die Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit
der zentralen Versprechen der bürgerlich-demokratischen Gesellschaft, wie sie
sich im Falle Deutschlands in den ersten neunzehn Artikeln des Grundgesetzes
finden, glauben (Legitimationsfunktion). Dass diese Aspekte hinsichtlich ihrer
materialen Ausgestaltung im Zeitablauf immer wieder neu diskutiert werden und
dabei inhaltlich höchst unterschiedliche Positionen vertreten werden, muss hier
nicht näher erläutert werden.
    Den Hintergrund für diese seit Beginn der Aufklärung im 18. Jahrhundert
anhaltenden Auseinandersetzungen um die Gestaltung des Bildungswesens
und damit der oben angesprochenen Motive bildet der Tatbestand, dass die drei
genannten Funktionen des Bildungswesens keineswegs in einem konfliktfreien
Verhältnis zueinander stehen. Schließlich soll das Bildungswesen sowohl der
Reproduktion der Gesellschaft in sozialer, kultureller und ökonomischer Hin-
sicht als auch der Förderung der Entwicklung der nachwachsenden Generation zu
eigenständigen Persönlichkeiten dienen. Dabei läuft der pädagogische Grundsatz
der Förderung der individuellen Entwicklung unter anderem auf die Forderung
hinaus, ein für sämtliche Mitglieder der Gesellschaft offenes, durchlässiges und
für die Individuen kostenfreies Bildungswesen zu schaffen. Demgegenüber folgt
einerseits aus der Selektionsfunktion, dass ins Bildungssystem Barrieren ein-
gebaut werden müssen, um einen Teil der nachwachsenden Generation von
höheren Bildungsabschlüssen und den zugehörigen Qualifikationsniveaus fern zu
halten und aus der Qualifikationsfunktion andererseits, dass nicht die Förderung
der individuellen Entwicklung der Persönlichkeit sondern der gesellschaft-
liche Bedarf an Qualifikationen als maßgeblich für die Bestimmung des zu
erlernenden Kanons erachtet werden. Dies könnte allerdings dazu führen, dass
die an diesen Barrieren gescheiterten Jugendlichen den gesellschaftlichen Ver-
sprechen auf Chancengleichheit nicht mehr trauen; mithin stehen Selektions- und
Legitimationsfunktion prinzipiell in einem konfliktären Verhältnis.
    In demokratisch verfassten Gesellschaften ist dieses konfliktäre Verhältnis
prinzipiell nicht auflösbar, sondern allenfalls mit dem Ziel bearbeitbar, einen
Konsens zu finden, der die Ansprüche sämtlicher gesellschaftlicher Gruppen
an das Bildungswesen zumindest temporär zufrieden stellt. Der Prozess der
Konsensfindung umfasst dabei drei Ebenen:
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