Bipolar - mit extremen Emotionen leben - Wege zur Hilfe und Selbsthilfe bei manisch-depressiver Erkrankung - humboldt Verlag

 
WEITER LESEN
Bipolar - mit extremen Emotionen leben - Wege zur Hilfe und Selbsthilfe bei manisch-depressiver Erkrankung - humboldt Verlag
... bringt es auf den Punkt.                                                           D R. ME D. E B E RH ARD J. WORME R

Wegweiser durch das Labyrinth der Emotionen
                                                                                                                     Bipolar – mit extremen

                                                                                 Wormer
Ein turbulentes Leben im Strudel extremer Emotionen: Manie und De-

                                                                                                                     Emotionen leben
pression. Bipolare Stimmungsstörungen sind eine häufig unerkannte und
missverstandene, mitunter lebensbedrohliche psychische Erkrankung.
Wer über die Anzeichen, Diagnosekriterien und Therapien, über die Mög-

                                                                            Bipolar – mit extremen Emotionen leben
lichkeiten der Hilfe und Unterstützung Bescheid weiß, erreicht heute in
den meisten Fällen eine erfolgreiche Kontrolle der manisch-depressiven                                               Wege zur Hilfe und Selbsthilfe bei
Erkrankung:                                                                                                          manisch-depressiver Erkrankung
• Die Kennzeichen und Merkmale bipolarer Störungen, die in
  diesem Buch vorgestellt werden, erlauben eine genauere Bewertung
  der vielfältigen Symptome.
• Stimmungsstabilisierer und Neuroleptika sowie neue Arzneistoffe
  helfen dabei, die psychische Stabilität zu verbessern und extreme
  Stimmungsschwankungen in den Griff zu bekommen.
• Patienten profitieren von Psychotherapie, Krisenmanagement und
  der Unterstützung durch Selbsthilfegruppen.
• Praktische Hinweise zur Problemlösung stärken das
  Selbstbewusstsein und verhindern, dass Betroffene zum
  Spielball des Medizinbetriebs werden.

Die rechtzeitige Diagnose und Therapie eröffnet bipolaren Patienten die
erfreuliche Perspektive auf ein fast normales Leben mit ihrer Krankheit.
Dieses Buch zeigt Wege zur Hilfe und Selbsthilfe auf – es kann auch ein
Wegweiser durch das Labyrinth der eigenen Emotionen sein.

 www.humboldt.de
 ISBN 978-3-86910-331-0
                                          Ein Buch, das Wege zur
                          19,99 EUR (D)

                                          Hilfe und Selbsthilfe aufzeigt.
Bipolar - mit extremen Emotionen leben - Wege zur Hilfe und Selbsthilfe bei manisch-depressiver Erkrankung - humboldt Verlag
Der Autor

                                                                                     Dr. med. Eberhard J. Wormer studierte
Das Buch spricht offen alle Fragen an, die den Betroffenen,                          Germanistik, Geschichte, Sozialwissenschaf-
sein Umfeld und die Psychiatrie betreffen:                                           ten und Medizin. Nach der Approbation und
                                                                                     Promotion arbeitete er als Arzt und in
Seite 10:    Stimmungsvokabular: von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt        medizinischen Verlagen. Er veröffentlichte
                                                                                     Ratgeber zu fast allen Gesundheitsthemen
Seite 14:    Steckbrief bipolare Störung: So häufig tritt sie auf, so verläuft sie
                                                                                     für ein Millionenpublikum. Schwerpunkte
Seite 20:    Was ist Hypomanie?                                                      sind unter anderem Herz-Kreislauf, Psyche,
Seite 23:    Warum die Suizidgefahr bei Menschen mit bipolarer Störung hoch ist      Naturheilkunde, gesunde Bewegung und
                                                                                     Ernährung.
Seite 24:    Symptome der Depression
                                                                                     Seit 2001 befasste er sich auch intensiv
Seite 29:    Warum es so oft zu Fehldiagnosen kommt                                  mit dem Thema bipolare Störungen. Seine
Seite 48:    Welche Medikamente sind erfolgversprechend?                             Beiträge hierzu wurden mehrfach mit
                                                                                     Preisen ausgezeichnet.
Seite 61:    Heilkräuter und Vitalstoffe, die die Behandlung unterstützen
Seite 73:    Elektrokonvulsive Therapie: antidepressiv hoch wirksam
Seite 93:    Stress aktiv abbauen und die Stimmung stabilisieren
Seite 99:    Schwierige Diagnose bei Kindern: Hyperaktiv oder bipolar?
Seite 115:   Wie Sie von einer Ernährungsumstellung profitieren
Seite 117:   Was tun, wenn sich manische oder depressive Episoden ankündigen?
Seite 126:   Wie Sie als Angehöriger oder Partner unterstützen können
Seite 128:   Ihre Rechte als Patient
Seite 132:   Selbstbeurteilung Hypomanie
Seite 136:   Selbstbeurteilung Depression                                             Ebenfalls vom Autor erschienen:
Seite 139:   Ihr Stimmungskalender

                                                                                                            ISBN 978-3-89993-941-5
                                                                                                            € 19,99 [D]
Bipolar - mit extremen Emotionen leben - Wege zur Hilfe und Selbsthilfe bei manisch-depressiver Erkrankung - humboldt Verlag
2      Inhalt

 3 VORWORT                                85 WEGE ZUR STABILEN STIMMUNG
                                          87 Medikamentöse Therapie
 5 DAS KONTINUUM DER                      90 Interpersonelle und soziale
    ­E MOTIONEN                               ­Rhythmustherapie
                                          91 Psychosoziale Therapie
 9 WAS SIND BIPOLARE                      93 Stressabbau
    ­S TÖRUNGEN?
10 Normale Stimmungsschwankungen          97 BIPOLARE BESONDERHEITEN
11 Stimmung außer Kontrolle               98 Bipolare Störungen bei Kindern
12 Bipolare Störungen                     99 Bipolare Störungen bei Frauen
15 Phasen bipolarer Stimmung             102 Mehr als eine Krankheit: Komorbidität
                                         105 Club der unruhigen Geister
27 IM LABYRINTH DER DIAGNOSEN
29 Fehldiagnosen                         111 LEBEN MIT BIPOLAREN
29 Die richtige Diagnose: bipolare            ­S TÖRUNGEN
    Störungen                            112 Konfrontation und Akzeptanz
31 Die Diagnosebibeln DSM-5 und ICD-10   115 Stimmungspflege
32 Bipolar-I-Störung                     118 Das Netz der Unterstützung
34 Bipolar-II-Störung                    119 Notfall und Krise bewältigen
35 Zyklothymie                           120 Angehörige und Partner: Was tun?
38 Rapid Cycling                         128 Die Rechte des Patienten
38 Schizoaffektive Störung/Psychose
39 Melancholie und Manie                 131 INFORMATION UND HILFE
                                         132 Selbstbeurteilung: Hypomanie
47 BIPOLARE STÖRUNGEN                    134 Selbstbeurteilung: Manie
    ­B EHANDELN                          136 Selbstbeurteilung: Depression
48 Medikamente                           139 Stimmungskalender
61 Heilkräuter                           140 Kontaktadressen
64 Hormone und Vitalstoffe               141 Bücher und Filme
73 Nicht-medikamentöse Therapie­
    verfahren
78 Psychotherapie
Bipolar - mit extremen Emotionen leben - Wege zur Hilfe und Selbsthilfe bei manisch-depressiver Erkrankung - humboldt Verlag
Vorwort   3

VORWORT
Liebe Leser,

was haben Marylin Monroe, Ludwig van         durch Verständnis zu ersetzen – ein Bei-
Beethoven, Amy Winehouse und Vincent         trag gegen die Stigmatisierung unserer be-
van Gogh gemeinsam? Richtig, sie waren       troffenen Mitmenschen.
weltbewegende Künstlernaturen, die wir          Sie finden in diesem Buch ein reichhal-
niemals vergessen werden. Sie haben aber     tiges Angebot an Information und Hilfe
auch ein turbulentes Leben im Strudel der    für Patienten, Angehörige, Partner, Freun-
Emotionen durchlitten, Manie und De-         de, Bekannte, Kollegen und Interessierte –
pression: große Gefühle – zutiefst mensch-   verbunden mit der Hoffnung, die Gene-
lich.                                        sung der Betroffenen zu unterstützen und
   Viele große Persönlichkeiten, die das     einen nützlichen Beitrag für das bessere
Erscheinungsbild unserer Welt unver-         Verständnis bipolarer Störungen zu leis-
wechselbar geprägt haben, hatten keine       ten.
Wahl: Sie mussten – ob sie wollten oder         Die meisten Menschen, die von bipola-
nicht – mit der Raserei ihrer Gefühle le-    ren Störungen betroffen sind, möchten
ben. Jeder, der das „Gelächter der Manie“    wahrscheinlich nichts lieber als einfach
und die Seelenqual der Depression selbst     nur zur Arbeit gehen und mit ihren Fami-
durchlitten oder als Beobachter miterlebt    lien ein normales, glückliches und erfüll-
hat, kennt die Sprengkraft bipolarer Stim-   tes Leben führen. Im Vergleich zur Situati-
mungszustände.                               on noch vor wenigen Jahrzehnten sind
   Noch immer führen Vorurteile, falsche     die Chancen, dieses Ziel zu erreichen, heu-
oder überholte Vorstellungen, Furcht und     te so gut wie nie zuvor.
Unkenntnis dazu, dass Manisch-Depressi-         Viele Wege führen in die dunkle Nacht
ven der ausgrenzende Stempel der „Ver-       der Depression und das Inferno der Manie
rücktheit“ aufgedrückt wird. Dieses Buch     – es gibt aber auch viele Wege zur wirksa-
kann dabei helfen, die Furcht vor unbe-      men Hilfe und Selbsthilfe.
greiflichen    psychischen   Phänomenen
durch aktuelles Wissen und Vorurteile        Eberhard J. Wormer
Bipolar - mit extremen Emotionen leben - Wege zur Hilfe und Selbsthilfe bei manisch-depressiver Erkrankung - humboldt Verlag
DAS KONTINUUM
DER EMOTIONEN
6       Das Kontinuum der Emotionen

Wir alle sind Menschen. Gefühle und Mit-     bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. von dem
gefühl, Lachen und Weinen machen uns         griechischen Arzt Hippokrates beschrie-
erst zu wahren Menschen. Ist aber das        ben und fast 2000 Jahre später von dem
empfindliche Gefüge der Emotionen un-        deutschen Psychiater Emil Kraepelin als
serem Einfluss entzogen, das Gleichge-       „manisch-depressives Irresein“ neu defi-
wicht der Gefühle gestört, dann leidet die   niert wurden.
Psyche, dann leidet der Mensch. Es kann         Manie und Depression sind Extremzu-
jeden treffen.                               stände im Kontinuum menschlicher Ge-
      Schätzungen zufolge erleiden bis zu    fühlsäußerungen, die in unterschiedli-
fünf Prozent aller Frauen und Männer         chen Abstufungen oder als Mischzustände
weltweit, das ist jeder Fünfzigste, einmal   auftreten können. Forschungsergebnisse
in ihrem Leben bipolare Stimmungsstö-        belegen, dass bipolare Stimmungsstörun-
rungen. In Deutschland sind bis zu vier      gen als Erkrankung zu betrachten sind, die
Millionen meist junge Menschen betrof-       erfolgreich behandelt werden kann, wenn
fen. Wie ernst diese Erkrankung genom-       sie korrekt diagnostiziert wird. Damals wie
men werden muss und wie hoch der Ver-        heute werden leider viele Patienten als
lust an Lebensqualität ist, verdeutlicht     „neurotisch“,    „psychotisch“,     „schizo-
folgende Einschätzung: Eine Frau, die mit    phren“, „persönlichkeitsgestört“, „schizo-
25 Jahren (durchschnittliches Erkran-        affektiv“ oder „depressiv“ etikettiert – in
kungsalter) von bipolaren Störungen be-      Wahrheit sind sie häufig bipolar, manisch-
troffen ist, hat eine um neun Jahre ver-     depressiv. Es dauert oft Jahre, bis die rich-
kürzte Lebenserwartung und verliert zwölf    tige Diagnose gestellt wird – mit schlim-
Jahre ihres normalen gesunden Lebens         men, wenn nicht gar tödlichen Konse-
sowie 14 Jahre beruflicher und familiärer    quenzen. Detaillierte Diagnosekriterien
Lebensaktivität. Zeit zu handeln.            erlauben heute eine bessere Bewertung der
      Psychischen Erkrankungen stand die     vielfältigen Symptome als in früheren Zei-
Menschheit immer mit großer Unsicher-        ten.
heit gegenüber: Entweder wurden Betrof-         Bipolare Störungen beruhen auf einer
fene als „Heilige“ mit großem Respekt be-    chronischen Erkrankung des Nervensys-
handelt oder man empfand sie als so be-      tems, hervorgerufen unter anderem durch
unruhigend, dass sie aus der Gemeinschaft    Funktionsstörungen bestimmter Nerven-
der „Normalen“ ausgestoßen wurden.           botenstoffe, genetische Anfälligkeit, Stress
Dies gilt auch für bipolare Störungen, die   und äußere Einflüsse, die die Psyche leich-
Das Kontinuum der Emotionen   7

ter verletzbar machen. Was die Ursachen         troffenen selbst, sondern auch seine Fami-
betrifft, handelt es sich um ein multifakto-    lienangehörigen, Freunde und Kollegen.
rielles Geschehen – mit einem Wort: Wir         Manische oder depressive Episoden kön-
kennen die Ursache bipolarer Störungen          nen zu zwischenmenschlichen Konflik-
nicht.                                          ten, zur Zerstörung des Familienzusam-
      Mit fortschreitender Zeit und ohne Be-    menhalts oder der Partnerschaft, zum fi-
handlung kommt es immer öfter zu im-            nanziellen Ruin und zum Ende der
mer heftigeren Phasen extremer Stim-            beruflichen Laufbahn führen. Und – bipo-
mung, und die Phasen psychischer Stabili-       lare Störungen können tödlich enden: Je-
tät    verkürzen   sich.   Vergleichbar   mit   der sechste Betroffene tötet sich selbst, je-
Diabetes, der durch Insulin kontrollierbar      der zweite versucht es zumindest einmal.
geworden ist, kann die manisch-depressi-        Das kann in sehr vielen Fällen verhindert
ve Erkrankung mit Stimmungsstabilisie-          werden, denn es gibt sehr wirksame Thera-
rern oft erfolgreich behandelt werden. Da-      piemöglichkeiten.
rüber hinaus profitieren Betroffene von            Die manisch-depressive Erkrankung ist
neuen verträglicheren Arzneistoffen, von        in der breiten Öffentlichkeit, bei Betroffe-
Alternativtherapien sowie Psychothera-          nen und deren Umfeld sowie Medizinern
pie, Psychoedukation, Krisenmanagement          und Therapeuten noch immer viel zu we-
und der Unterstützung durch Selbsthilfe-        nig bekannt. Information, Fortbildung
gruppen. Rechtzeitige Diagnose und The-         und Aufklärung sind deshalb dringend
rapie bieten bipolaren Menschen tatsäch-        nötig: für Ärzte und Apotheker, für Psy-
lich die erfreuliche Perspektive eines wei-     chotherapeuten und Seelsorger, für Behör-
testgehend normalen Lebens.                     den und Polizei, für Eltern und Lehrer, für
      Wie bei anderen Erkrankungen betref-      die Massenmedien und die breite Öffent-
fen bipolare Störungen nicht nur den Be-        lichkeit.
   9

 WAS SIND B
          ­ IPOLARE
­S TÖRUNGEN?
10     Was sind ­bipolare ­Störungen?

Hauptkennzeichen bipolarer Störungen         Normale Stimmungs-
sind abnorm veränderte Stimmungen mit
auffällig verändertem Antrieb. Die ma-
                                             schwankungen
nisch-depressive Erkrankung wird in der      Stimmung kann im übertragenen Sinn als
Psychiatrie zur Gruppe der sogenannten       „Temperatur“ der Emotionen beschrieben
affektiven Störungen gezählt.                werden – ein Bündel von Gefühlen hoher
   Was aber ist eigentliche eine normale     oder niedriger Temperatur, das unser Wohl-
Stimmung? Was sind extreme Emotionen?        behagen oder Unbehagen zum Ausdruck
Wie erkennt man Stimmungsstörungen?          bringt. Es ist ganz normal, dass unsere
                                             Stimmung nicht immer gleich und in be-
 Stimmungsvokabular                          grenztem Umfang Schwankungen unter-
                                             worfen ist: Glücksgefühl und Trauer, Wut
 • Stimmung – Gefühlszustand, den eine
   Person selbst erlebt                      und Gleichgültigkeit, Zufriedenheit und
 • Affekt – Stimmungszustand einer Person,   Unzufriedenheit oder Optimismus und
   der beobachtet werden kann                Pessimismus wechseln sich je nach Lebens-
 • unipolar – ausschließlich ein extremer    situation ab. Auch körperliche Empfindun-
   Stimmungszustand (Depression)             gen wie Müdigkeit oder tatkräftige Energie
 • bipolar – zwei extreme Stimmungszu-       werden von der Stimmung beeinflusst.
   stände (Depression und Manie abwech-
                                                Sind wir guter Stimmung, fühlen wir
   selnd)
                                             uns zufrieden und optimistisch. Wir sind
 • Depression – von lat. deprimere =
                                             entspannt und aufgeschlossen, geduldig,
   niederdrücken, „Melancholie“
 • Manie – von gr. mainesthai = rasen,       voller Neugier und ausgeglichen. Mit ei-
   „Ekstase“, „Verrücktheit“                 nem Wort: Wir sind glücklich. Wir sind
 • Hypomanie – abgeschwächte Form von        voller Energie und fühlen uns wohl in un-
   Manie                                     serer Haut. Wir schlafen tief und erholsam
 • bipolare Störungen – manisch-depressive   und essen mit gesundem Appetit. Ein gut
   Erkrankung                                gestimmter Mensch wirkt attraktiv auf an-
                                             dere Menschen. Die Zukunftsperspektiven
                                             sind hervorragend, und die Zeit ist reif,
                                             mit außergewöhnlichen Projekten zu be-
                                             ginnen. Wer gut gestimmt ist, für den ist
                                             die Welt der bestmögliche Ort. Es ist wun-
                                             derbar, hier zu leben.
Stimmung außer Kontrolle   11

Sind wir gedrückter Stimmung, neigen wir      hin. Dann ist es Zeit, einen Heizungstech-
dazu, uns in uns selbst zurückzuziehen.       niker anzurufen.
Gedanken kreisen in unserem Kopf und             Vermutlich verfügt auch das Gehirn
beunruhigen uns. Wir sind traurig oder        des Menschen über ein Regulierungssys-
fühlen uns leer und verloren. Die Zukunft     tem der Stimmungstemperatur. Allerdings
erscheint düster. Pessimismus drängt sich     ist dieses System sehr viel komplizierter
auf, macht uns Angst. Wir verlieren           aufgebaut als eine Heizungsanlage. Erbfak-
schneller die Fassung und empfinden           toren (Gene), Chromosomen, Biorhyth-
Schuldgefühle, wenn wir uns haben hin-        men (Schlaf-Wach-Rhythmus), Kommuni-
reißen lassen. Offenheit oder Herzlichkeit    kationsfunktionen    des   Nervensystems
gegenüber anderen bereiten große Mühe.        (Neurotransmitter), die Balance körperei-
Wir ziehen es vor, die Gesellschaft der       gener Biostoffe, Hormone und die Psyche
Menschen zu meiden und lieber allein zu       sind Faktoren, die das Gleichgewicht der
bleiben – und unsere Niedergeschlagen-        Stimmung beeinflussen. Störungen in die-
heit zu verbergen. Wir fühlen uns schwach     sem Regelwerk erhöhen die individuelle
und müde, zweifeln mehr und mehr an           psychische Verletzlichkeit, die sogenannte
uns selbst. Mit einem Wort: Wir sind un-      Vulnerabilität. Bei abnorm veränderten
glücklich. Die Welt ist ein grauenhafter      Stimmungslagen gibt es offensichtlich
Ort. Besser, man flieht ihn.                  Probleme mit der Einstellung und Stabili-
                                              tät der emotionalen Temperatur.
                                                 Die Stimmung der betroffenen Person
Stimmung außer Kontrolle                      ist dann abgekoppelt von Lebenssituatio-
                                              nen oder Reizen, die normale Stimmungs-
Wenn der Thermostat einer Heizungsanla-       reaktionen hervorrufen: etwa Trauer nach
ge versagt oder defekt ist, wird die Raum-    dem Verlust einer geliebten Person oder
temperatur unkontrollierbar. Sie haben so     überschäumende Freude nach einer er-
etwas vielleicht schon erlebt. Sie können     folgreich bestandenen Prüfung. Glücks-
am Thermostat drehen, wie Sie wollen:         empfinden und Trauer führen nun ein un-
Entweder die Heizung läuft ständig auf        kontrollierbares Eigenleben. Hochgefühle
vollen Touren und Sie fühlen sich wie in      oder Depressionen können ohne besonde-
der Sauna, oder es tut sich gar nichts und    ren Anlass immer wieder auftreten. Die
Sie frieren wie in der Tiefkühltruhe – oder   Stimmung schwankt in unterschiedli-
die Anlage heizt stur lauwarm vor sich        chem Grad, leicht bis extrem. Gelegent-
12      Was sind ­bipolare ­Störungen?

lich ist der Stimmungszustand so stark         gedrückter Stimmung, schwere Depressio-
verändert, dass die Realität verzerrt wahr-    nen und Euphorie oder Hochstimmung
genommen wird: Wahnideen oder bizarre          (Manie).
beunruhigende Sinnestäuschungen tau-              Solche Phasen extremer Stimmungs-
chen auf.                                      schwankungen sind seit Langem bekannt,
   Menschen, die solchen unbeeinflussba-       beobachtet und beschrieben worden. Zu
ren Stimmungsschwankungen ausgesetzt           Beginn des 20. Jahrhunderts wurden diese
sind, sind weder „geisteskrank“ noch           krankhaften Zustände als „manisch-de-
„selbst schuld“. Sie sind keine „schwachen“    pressives Irresein“ (so nannte es der deut-
oder „instabilen“ Persönlichkeiten. Auch       sche Psychiater Emil Kraepelin 1899) oder
die Fehlinterpretationen „Pubertät“ oder       „manisch-depressive Erkrankung“ bezeich-
„Teenagerverhalten“ bei Jugendlichen ver-      net. Heute spricht man von „bipolaren
zögert nur die Diagnose und die wirksame       Störungen“, Begriffe, die auf unkontrol-
Hilfe. Die Betroffenen haben in erster Linie   lierbare Stimmungszustände zwischen den
ein „technisches“ Problem mit der Regulie-     extremen Polen Depression und Manie Be-
rung ihrer emotionalen Temperatur. Ein         zug nehmen. Die Betroffenen erleben aber
Problem, das behandelt werden sollte und       auch Schwankungen zwischen den Polen
erfolgreich behandelt werden kann.             „akut krank“ und „gesund“, also ohne Be-
                                               schwerden. Darüber hinaus werden be-
                                               stimmte leichtere Stimmungsschwankun-
Bipolare Störungen                             gen und bipolare Mischzustände unter
                                               diesen Bezeichnungen zusammengefasst.
Das Grundproblem der manisch-depressi-            Bipolare Störungen verlaufen phasen-
ven Erkrankung ist eine Regulierungsstö-       haft, mit in der Regel wiederkehrenden
rung der Stimmung, die äußerst unter-          Episoden dreier Stimmungslagen:
schiedliche Symptome zu unterschiedli-         •• eine Phase gehobener Stimmung, die
chen Zeiten und von unterschiedlicher             Manie genannt wird
Dauer verursacht. Darüber hinaus sind          •• eine Phase gedrückter Stimmung, die
meist auch das Verhalten, das Denkver-            Depression genannt wird
mögen und der Antrieb für die alltägliche      •• eine Phase normaler Stimmung, in der
Lebensaktivität abnorm verändert. Bei der         weder manische noch depressive Be-
klassischen Form der Erkrankung zeigen            schwerden vorliegen, das beschwerde-
sich ausgeprägte Schwankungen: Phasen             freie Intervall
Bipolare Störungen    13

Klinische Beobachtungen haben gezeigt,           mindestens vier solche Episoden treten
dass bipolare Erkrankungen kein einheit-         innerhalb eines Jahres auf.
lich definiertes Krankheitsbild sind, son-    •• Die Zyklothymie wird als abgeschwäch-
dern dass vor allem zwei Haupttypen in-          te Form bipolarer Störungen betrach-
nerhalb eines sogenannten „Spektrums             tet. Zwar kommt es zu keiner ausge-
bipolarer Störungen“ vorkommen:                  prägten Manie oder schweren Depres-
Eine Bipolar-I-Erkrankung liegt dann vor,        sion,    allerdings    schwankt     die
wenn der Betroffene mindestens 14 Tage           Stimmung doch fortwährend zwischen
lang eine gehobene Stimmungslage erlebt          leicht gehoben und leicht gedrückt. Es
hat, die die Kriterien einer Manie erfüllt.      ist schwer zu entscheiden, ob diese
Darüber hinaus muss er bereits mindes-           chronischen    Stimmungsschwankun-
tens eine Depression erlebt haben.               gen durch äußere Faktoren beeinflusst
Eine Bipolar-II-Erkrankung liegt dann vor,       oder verursacht werden oder quasi von
wenn der Betroffene mindestens einmal            selbst entstehen.
eine Depression erlebt hat und wenn min-
destens einmal eine sogenannte „Hypo­         Wenn auch vieles, was die medizinische
manie“-Episode nachweisbar ist, eine ab-      Klassifizierung dieser abnormen Stim-
geschwächte Form der Manie.                   mungsstörungen betrifft, noch unklar ist
   Weitere Stimmungsstörungen des bipo-       – eines ist klar: Menschen mit bipolaren
laren Spektrums sind Zustände mit ra-         Stimmungsstörungen leiden unter ihrer
schem Wechsel von Depression und Manie        Krankheit, die belastende Symptome her-
(„Rapid Cycling“), depressive Stimmungs-      vorruft, die Lebensaktivität stark beein-
lagen ohne manische Episoden sowie an-        trächtigt und die Lebensqualität mindert.
haltende leichtere Stimmungsschwankun-        Nicht nur extrem gehobene oder gedrück-
gen (Zyklothymie).                            te Stimmungen, sondern auch enthemm-
•• Rapid Cycling kennzeichnet einen Ver-      ter Antrieb oder völlige Antriebslosigkeit
   lauf von bipolaren Störungen mit rasch     sowie Denkstörungen und zahlreiche kör-
   wechselnden       manischen/hypomani-      perliche Befindlichkeitsstörungen machen
   schen und depressiven Episoden –           den Betroffenen das Leben zur Hölle.
14         Was sind ­bipolare ­Störungen?

Steckbrief bipolare Störungen
Begriffe                   bipolare Störungen, bipolar disorder (engl.), bipolare Erkrankungen,
                           manisch-depressive Erkrankung
bipolare Störungen         Bipolar-I-Erkrankung, Bipolar-II-Erkrankung, Zyklothymie
Krankheitsepisoden         Manie, Hypomanie, Depression, Mischzustände, Rapid Cycling
Häufigkeit                 weltweit: etwa 2 bis 5 Prozent aller Erwachsenen
                           Deutschland: mindesten 3 Millionen Menschen betroffen
                           Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen
Beginn                     durchschnittliches Erkrankungsalter: 25 Jahre
                           während oder nach einer Schwangerschaft
Verlauf                    85 bis 95 Prozent der Betroffenen erleben nach einer ersten Krank-
                           heitsphase noch 8 bis 10 weitere Episoden
                           Unbehandelte Manien dauern etwa 2 bis 3 Monate an.
                           Unbehandelte Depressionen dauern etwa 4 bis 6 Monate an.
                           Ohne Behandlung verkürzen sich die beschwerdefreien Intervalle
                           zunehmend.
Begleitprobleme            Mehr als 80 Prozent der jugendlichen und etwa 40 Prozent der
(Komorbidität)             erwachsenen Maniepatienten haben noch weitere Diagnosen:
                           • Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHD)
                           • Angststörungen (Phobien)
                           • Zwangsstörungen
                           • Substanzmissbrauch (Alkohol, Drogen)
                           • körperliche Erkrankungen (Migräne, Multiple Sklerose, Schilddrüsen-
                             überfunktion)
Suizidrisiko               Bis zu 80 Prozent der Betroffenen sind suizidgefährdet!
                           Etwa 15 Prozent töten sich selbst (2 bis 5 Jahre nach der Diagnose)!
Lebenserwartung            etwa um 9 Jahre verkürzt
Kosten                     in Deutschland etwa € 1 Milliarde pro Jahr direkte (Therapie) und
                           indirekte (Arbeitsausfall) Krankheitskosten (aus US-amerikanischen
                           Daten abgeleitet)
Phasen bipolarer ­Stimmung      15

 Spektrum bipolarer Störungen
 Bipolar-I-Störung    mindestens eine manische oder gemischte und depressive Episode in
                      der Vorgeschichte sowie beschwerdefreie Intervalle
 Bipolar-II-Störung   wiederkehrende Depressionen und Episoden leicht ausgeprägter Manie
                      (Hypomanie) sowie beschwerdefreie Intervalle
 Zyklothymie          mindestens zwei Jahre andauernde Stimmungsschwankungen (leicht
                      gehoben bzw. leicht depressiv)

 Phasen bipolarer                             beginnt langsam, fast unmerklich und
                                              heizt sich über Tage und Wochen auf, wird
­Stimmung                                     zunehmend stärker, unangenehmer und
Das Kennzeichen der bipolaren Erkran-         unzweideutig abnorm.
kung ist ihr phasenhafter Verlauf von             Zunächst hebt sich die Stimmung der
himmelhoch jauchzend bis zu Tode be-          Betroffenen, und sie fühlen sich von einer
trübt. Die Stimmung während solcher           Flut angenehmer Gefühle überwältigt.
Phasen kann extreme Episoden der Manie        Wohlbefinden und Selbstvertrauen neh-
oder Depression, aber auch geringer aus-      men zu, dehnen sich aus und münden all-
geprägte Stimmungsschwankungen wie            mählich in den Zustand der Euphorie –
die Hypomanie oder gemischte Stim-            ein Zustand, in dem man sich zunächst
mungslagen umfassen. Wechseln sich ex­        wirklich sehr viel besser fühlt als sonst.
treme Stimmungszustände innerhalb von
Tagen, Wochen oder Monaten häufiger ab,
spricht man von Rapid Cycling.
                                              Ich fühlte mich großartig. Nicht nur großartig,
Manie                                         ich fühlte mich wirklich großartig. Alles
Wenn der Thermostat der inneren Stim-         machte absolut Sinn und befand sich auf
mungstemperatur anhaltend auf „hoch“          wunderbare Weise im kosmischen Einklang.
gestellt ist, kommt es zur extremsten und     Meine Gedanken rasten mit blitzartiger
dramatischsten Ausprägung der bipolaren       Geschwindigkeit von einer Idee zur nächsten.
Erkrankung: Manie. Der manische Zu-           Ich machte mir von allem, was geschah, Tag
stand                                         und Nacht Notizen.        Kay Redfield Jamison
16       Was sind ­bipolare ­Störungen?

Im Frühstadium der Manie verändert sich                Das für die Manie typische Gefühl der
auch das Denken: Man glaubt, klarer und             Selbstüberschätzung kann zahlreiche ris-
rationaler denken zu können als sonst –             kante Verhaltensmuster erzeugen: Kaufor-
oftmals nicht gerade ein Anlass zu vermu-           gien, sexuelle Promiskuität und Enthem-
ten, dass etwas schiefläuft. Aber auch die          mung, Missbrauch von Alkohol oder Dro-
Denkprozesse selbst beschleunigen sich              gen. Im Kaufrausch werden hemmungslos
zunehmend, werden schnell und schnel-               extravagante Dinge erstanden. Die finan-
ler, bis die Gedanken unaufhörlich durch            zielle Katastrophe zeigt sich erst bei der
den Kopf rasen – wie auf einem ungezügel-           Kreditkartenabrechnung, wenn der Be-
ten wilden Pferd sitzend, das in rasendem           troffene keine Ahnung mehr davon hat,
Galopp dem Weg des geringsten Wider-                wofür das Geld eigentlich ausgegeben
stands folgt, von verwegenen Impulsen               wurde. Die sexuelle Überaktivität führt
getrieben, die die Gedanken von einer in            nicht selten zu Erschöpfungszuständen,
die nächste Richtung lenken. Je länger die-         manch einer will eine Zufallsbekannt-
se sogenannte Ideenflucht anhält, desto             schaft sofort heiraten, oft werden auch
belastender wird sie empfunden.                     unterdrückte bisexuelle oder homosexuel-
    Fast immer kommt es zur Beschleuni-             le Neigungen ausgelebt. Der Missbrauch
gung der Sprache. Die Betroffenen spre-             von Alkohol oder Drogen ist ein häufiges
chen mehr und schneller, je weiter sich             Begleitproblem bei Manie und als untaug-
die manische Episode entwickelt hat. Und            licher, verzweifelter Selbsthilfeversuch ge-
die Sprache klingt zunehmend gepresst.              gen die schwer belastende Stimmungsstö-
Im Rahmen eines Sprechversuchs bemerk-              rung zu verstehen.
te man, dass manische Patienten 180 bis                Fast immer verändern sich Schlaf- und
200 Silben pro Minute sprechen können,              Essgewohnheiten. Eines der ersten Symp-
nicht-manische Personen schaffen nur                tome der Manie ist ein vermindertes
122 bis 150 Silben!                                 Schlafbedürfnis – ein wichtiges Zeichen,
                                                    dass mit der nächsten akuten Episode zu
                                                    rechnen ist. Die Nahrungsaufnahme ist
Ich vergaß: Manischsein bedeutet, dass du viel      stark eingeschränkt und man nimmt ab,
Geld ausgibst. Es ist toll. Ich kaufte fast ein     weil schlicht und einfach keine Zeit zum
Blumengeschäft auf. Ich füllte die Badewanne        Essen bleibt: Man ist viel zu beschäftigt.
mit Blumen. Ich tanzte auf dem Dach und                Die euphorische Stimmung und das
nahm Mondbäder.                        Hannah Z.   beschleunigte Denken verstärken sich im
Phasen bipolarer ­Stimmung   27

IM LABYRINTH DER
DIAGNOSEN
28     Im Labyrinth der Diagnosen

Die bipolaren Störungen klar voneinander         und mögliche Mangelzustände oder
abzugrenzen ist schwierig genug. Schwerer        Hormonstörungen berücksichtigen.
wiegt aber, dass ein Großteil der Ärzte-      •• Er wird alle Untersuchungsergebnisse
schaft und die Öffentlichkeit über bipolare      auswerten und überschauen, um zu ei-
Störungen gar nicht ausreichend infor-           ner die Symptomatik und den Verlauf
miert ist. Dies kann katastrophale Konse-        der Erkrankung treffenden Diagnose
quenzen haben: gefährliche Fehlbehand-           zu kommen.
lungen, fälschliche Klinikeinweisungen,       •• Er wird eine Diagnose stellen, eine Aus-
Stigmatisierung und Suizid.                      sage zum weiteren Verlauf der Erkran-
   Die psychiatrische Diagnose bipolarer         kung machen und die individuell best-
Störungen stützt sich nicht auf Röntgen-         mögliche    Behandlung      vorschlagen
befunde oder Blutuntersuchungen. Bis             und durchführen.
heute gibt es weder ein bildgebendes Ver-
fahren noch einen Bluttest, mit dem eine
                                               „Nur“ depressiv oder bipolar? –
bipolare Erkrankung sicher identifiziert
                                               Was ist gesichert?
werden könnte. Der Psychiater muss sich
                                               Nach dem heutigen Stand der Erkenntnis
nach wie vor auf seine Augen und Ohren
                                               kann man festhalten:
und seine Erfahrung verlassen, um zur Di-
                                               • Eine eigenständige Erkrankung, bei der
agnose zu kommen:
                                                 ausschließlich manische Symptome
•• Er wird den Betroffenen, Angehörigen
                                                 auftreten, gibt es nicht.
   oder Bezugspersonen zuhören und sie         • Bei einer unipolaren Depression treten
   zu aktuellen Beschwerden, zum Beginn          niemals manische Symptome auf. Frauen
   und Verlauf der Stimmungsstörungen            sind häufiger von unipolarer Depression
   befragen (Anamnese).                          betroffen und das Ersterkrankungsalter
•• Er wird eine Untersuchung des „men-           ist höher.
   talen Status“ durchführen: Er beobach-      • Bei bipolaren Störungen treten immer
   tet Sprachmuster und Verhalten, stellt        manische Symptome auf. Frauen und
   Fragen zur Stimmung und zu Denkpro-           Männer sind gleich häufig betroffen und
   zessen, prüft Konzentrations- und Ge-         das Ersterkrankungsalter ist niedriger.

   dächtnisleistungen.
•• Er wird eine körperliche Untersuchung
   (inklusive Labor, EKG) durchführen
Die richtige Diagnose: bipolare Störungen   29

Fehldiagnosen                                Störungen gestellt wird. Dies verzögert die
                                             wirksame Therapie und eine Rückfallpro-
In der Allgemeinmedizin sind bipolare        phylaxe. Zu wenig Ärzte sind über die
Störungen meist diagnostische Exoten.        Symptome, die Diagnose und die Behand-
Das Wissen von Hausärzten über bipolare      lung der bipolaren Erkrankung informiert.
Störungen ist nach wie vor recht begrenzt:   Auch heute bleibt demnach sachgerechte
•• Zwei Drittel der Ärzte dachten bei der    Aufklärung eine Herausforderung – für
   Diagnose psychiatrischer Erkrankun-       Ärzte, Betroffene und die interessierte Öf-
   gen nicht an bipolare Störungen.          fentlichkeit. Es geht darum, Betroffene vor
•• Knapp die Hälfte der Ärzte bemerkte       Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen zu
   typische Symptome überhaupt nicht.        schützen.
•• Frauen wurden besonders häufig als
   „unipolar depressiv“ eingestuft.
•• Männer wurden besonders häufig als        Die richtige Diagnose:
   „schizophren psychotisch“ eingestuft.
                                             bipolare Störungen
•• Häufigste Fehldiagnosen: rezidivieren-
   de Depression, Schizophrenie, schizo-     Die qualifizierte Diagnose und Differenti-
   affektive Störung, Alkohol- und Dro-      aldiagnose (die Abgrenzung zu anderen
   genabhängigkeit und Hyperaktivität/       Erkrankungen mit ähnlichen Sympto-
   Aufmerksamkeitsdefizit (ADHD).            men) erfordern vom Arzt die Beachtung
                                             bestimmter Regeln. Um die Diagnose zu
Studien aus Deutschland zeigten, dass 30     sichern oder auszuschließen, müssen fol-
bis 80 Prozent der als „akut schizophren“    gende Informationen gewonnen werden:
(1970–1990) und 50 bis 70 Prozent der als    •• Symptome der akuten Episode mit
„psychotisch“ diagnostizierten Patienten         Stimmungsstörung           (Querschnittdia­
(1990–2000) tatsächlich an bipolaren Stö-        gnose)
rungen litten. Schätzungen zufolge wer-      •• im Langzeitverlauf aufgetretene Episo-
den von 800 000 Bipolar-I-Patienten in           den von Stimmungsstörungen (Längs-
Deutschland weniger als 200 000 korrekt          schnittdiagnose)
diagnostiziert – noch weniger werden an-     •• Intervall ohne Stimmungsstörungen
gemessen behandelt.                              (Intervalldiagnose)
   In der Regel dauert es fünf bis zehn
Jahre, bis die richtige Diagnose bipolare
30      Im Labyrinth der Diagnosen

Querschnittdiagnose    Es muss auf die Art       regelrecht („normozyklisch“), häufig („po-
der Stimmungsstörungen geachtet wer-             lyzyklisch“, Rapid Cycling) oder perma-
den, auf Zustände der Manie, der Depressi-       nent. Psychotische Merkmale einzelner
on oder Mischzustände sowie auf atypi-           Episoden dürfen nicht vorschnell als Schi-
sche oder gering ausgeprägte Symptome.           zophrenie eingestuft werden!
Die Zeitspanne zur Beurteilung der akuten        Intervalldiagnose     In Bezug auf das be-
Episode darf nicht zu kurz gewählt wer-          schwerdefreie       Intervall   bei   bipolarer
den.                                             ­Erkrankung muss auf den Grad der Rück-
Längsschnittdiagnose    Im Langzeitverlauf       bildung der Stimmungsstörungen (Remis-
bipolarer Störungen muss auf die Häufig-         sion), auf Begleiterkrankungen (Komorbi-
keit wiederkehrender Episoden von Stim-          dität), auf die Persönlichkeit und das Tem-
mungsstörungen geachtet werden: selten,          perament sowie auf Bewältigungsprobleme

Life-Chart depressiver und manischer Episoden sowie beschwerdefreier Intervalle über 40 Jahre:
die Betroffene erkrankte erstmals im Alter von 25 Jahren.
Die Diagnosebibeln DSM-5 und ICD-10   31

des Betroffenen geachtet werden. Auf Be-     5 und ICD-10. In Deutschland benutzt
gleiterkrankungen     (etwa   Drogenmiss-    man die ICD-10.
brauch) beruhende Symptome dürfen            DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of
nicht als „Restsymptomatik“ bipolarer        Mental Disease) ist die von der amerikani-
Störungen fehlgedeutet werden!               schen Psychiatrievereinigung (American
Life-Chart In sogenannten „Life-Charts“      Psychiatric Association) entwickelte und
werden alle erfragten Stimmungsstörun-       2013 publizierte Liste psychischer Erkran-
gen (Episoden und Intervalle), die der Be-   kungen sowie deren Diagnose- und Be-
troffene im Lauf seines bisherigen Lebens    griffskriterien (Kategorie: Bipolare und
durchgemacht hat, auf einer Zeitachse        verwandte Störungen).
dargestellt. Sie sind ein sehr nützliches    ICD-10 (International Classification of Dis­
Hilfsmittel – darauf weist bereits Kraepe-   eases), die Internationale statistische Klas-
lin, der „Erfinder“ der manisch-depressi-    sifikation der Krankheiten und verwand-
ven Erkrankung, hin: „Vor allem ist es       ter Gesundheitsprobleme, 10. Revision
wichtig, den gesamten Lebenslauf unserer     2016, ist ein von der Weltgesundheitsor-
Kranken im Auge zu behalten.“                ganisation (WHO) aufgestellter mehrstel-
   Life-Chart-Vorlagen sind als Download     liger Diagnoseschlüssel mit Diagnose- und
(unter „LifeCharts“ auf www.bipolar-vade-    Begriffskriterien. Bipolare Störungen fin-
mecum.de) und als App (www.bipolar.de/       den sich im Kapitel V (Psychische und
plc2.htm) verfügbar. Eine Vorlage für ei-    Verhaltensstörungen) unter F30 bis F39
nen sogenannten Stimmungskalender fin-       (Affektive Störungen).
den Sie auf S. 139.                          Ein Arzt, der psychiatrische Diagnosen
                                             stellt und bipolare Störungen richtig dia­
                                             gnostizieren möchte, sollte zumindest die
Die Diagnosebibeln                           ICD-10-Kriterien kennen. Diese Klassifika-
                                             tionen bieten viele Anhaltspunkte, kön-
DSM-5 und ICD-10
                                             nen aber nicht alle Formen bipolarer Stö-
Die Diagnose bipolarer Störungen ist nicht   rungen erfassen.
einfach. Eine Hilfestellung bieten zwei         Die wissenschaftliche Medizin befindet
Kriterienkataloge, die die Erscheinungs-     sich in ständigem Wandel. So lange die Ur-
formen der mit Stimmungsstörungen ver-       sachen bipolarer Störungen unklar sind,
bundenen Erkrankungen auflisten und          bleiben die Klassifikationssysteme nützli-
mehr oder minder genau definieren: DSM-      che Bestandteile der diagnostischen Praxis.
32      Im Labyrinth der Diagnosen

                                                  Stimmungsstörungen – schwer diagnosti-
 Bipolare Störungen in der ICD-10
                                                  zierbar und schwer behandelbar.
 F30, F31   bipolar I (Manie, Depression)
                                                     Anders als bei einer bakteriellen Infek-
 F31.8      bipolar II (Hypomanie,                tion, bei der Antibiotika die Krankheits­
            ­Depression), Rapid Cycling           ursache (Bakterien) beseitigen und den
 F31.6      gemischte/dysphorische Manie          Erkrankten heilen, gibt es bei bipolaren
 F32        depressive Episode                    Störungen nicht die Abfolge von Krank-
                                                  heitsbeginn, Krankheitskrise und Heilung.
 F34        Zyklothymie
                                                  Bipolare Störungen haben viele Anfänge
                                                  und viele Enden. Sie können plötzlich auf-
Bipolar-I-Störung                                 treten und dann – sogar ohne Behand-
                                                  lung, spontan – wieder verschwinden und
Die Bipolar-I-Störung ist die klassische          jahrelang   verschwunden     bleiben.   Die
Form der bipolaren Störungen – die ma-            Krankheit geht in eine beschwerdefreie
nisch-depressive Erkrankung. Von einer            Phase über, die Remission. Während die-
Bipolar-I-Störung spricht man, wenn der           ser Phase ist der Betroffene weder „ge-
Betroffene eine sieben bis 14 Tage dauern-        sund“ noch „geheilt“.
de Krankheitsphase hat, die die Kriterien            Ohne vorbeugende Behandlung (Rezi-
der Manie erfüllt, gefolgt von mindestens         divprophylaxe) kann die Erkrankung je-
einer depressiven Phase. Das Muster der ab-       derzeit wieder aus der Remission „erwa-
normen Stimmungsphasen kann individu-             chen“ – egal, wie gut sich der Betroffene
ell stark variieren. Jeder Betroffene hat hier    (mit oder ohne Behandlung) fühlt. Die
„seinen“ Rhythmus wiederkehrender Pha-            Symptome können zurückkommen, jeder-
sen von Stimmungsstörungen. Erste Symp-           zeit! Hier wird deutlich, wie wichtig die
tome treten meist kurz vor dem 20. Lebens-        vorbeugende Behandlung ist: Nur durch
jahr oder bis zum 30. Lebensjahr auf.             korrekte, konsequente Prophylaxe bleibt
   Die Bipolar-I-Erkrankung ist eine rezi-        die „schlafende“ Krankheit unter Kontrol-
divierende affektive Störung, das heißt, sie      le. Ist die Diagnose gestellt, kann man un-
„kommt und geht“. Zwischen akuten                 möglich voraussagen, ob weitere, zwei
Krankheitsphasen liegen in der Regel be-          oder drei oder gar 20 Krankheitsepisoden
schwerdefreie    Phasen    (Intervalle),    die   kommen werden.
Krankheit „schläft“. Dieses Verlaufsmuster           Studien aus einer Zeit ohne Psycho-
macht die Bipolar-I-Erkrankung – wie alle         pharmaka, erlauben den Blick auf den
Die Rechte des Patienten   131

INFORMATION
UND HILFE
132      Information und Hilfe

Grundsätzlich können Sie viele Quellen         Selbstbeurteilung:
zur Information über die bipolare Erkran-
kung nutzen: Ihren behandelnden Arzt,
                                               Hypomanie
                                               (Quelle: HCL-32, Jules Angst et al., Zürich 2006)
Ihren Psychiater, Ihren Psychotherapeu-
ten oder Psychologen, Selbsthilfe-, Betrof-    Die folgenden Fragen sind ein Auszug aus
fenen- und Angehörigengruppen, Inter-          HCL-32, einem Fragebogen zur Hypoma-
net-Ressourcen,     Fachbücher,    Fachzeit-   nie. Ihre Antworten können dabei helfen,
schriften,   Ratgeber,     öffentliche   und   herauszufinden, ob und wie stark eine hy-
institutionenbezogene Bibliotheken sowie       pomanische Phase vorliegt. Die vollstän-
CD- oder DVD-Medien und Filmbeiträge.          dige Version finden Sie auf www.yumpu.
   Ihr persönlicher Einsatz und Ihr Im-        com, wenn Sie in der Suchmaske „Hypo-
provisationstalent sind gefragt. Um an         manie“ eingeben.
sachgerechte und aussagekräftige Infor-
mationen und Hilfsangebote zu kommen,
müssen Sie selbst aktiv werden: Bestehen
Sie Ihrem Psychiater oder Arzt gegenüber
auf voller Information über diagnostische
und therapeutische Sachverhalte – beste-
hen Sie auf der Einsicht in Ihre Kranken-
akten! Sie haben das Recht dazu!
   Nachfolgend finden Sie Checklisten
zur Selbstbeurteilung von Stimmungen,
eine Vorlage für einen Stimmungskalen-
der, eine Zusammstellung natürlicher An-
tidepressiva sowie Kontaktadressen für
Hilfsangebote und Empfehlungen für Bü-
cher und Filme.
Selbstbeurteilung: Hypomanie   133

                                                                                        ja      nein
1.    Ich brauche weniger Schlaf.                                                       □       □
2.    Ich habe mehr Energie oder Tatkraft.                                              □       □
3.    Ich habe mehr Selbstvertrauen.                                                    □       □
4.    Ich habe mehr Spaß an meiner Arbeit.                                              □       □
5.    Ich bin geselliger (mehr Telefonate, ich gehe mehr aus).                          □       □
6.    Ich bin reiselustiger und reise mehr.                                             □       □
7.    Ich fahre eher schneller oder risikofreudiger.                                    □       □
8.    Ich gebe mehr oder zu viel Geld aus.                                              □       □
9.    Ich nehme mehr Risiken auf mich (geschäftlich oder im Alltag).                    □       □
10.   Ich bin körperlich aktiver (Sport usw.).                                          □       □
11.   Ich mache mehr Pläne.                                                             □       □
12.   Ich habe mehr Ideen, bin kreativer.                                               □       □
13.   Ich bin weniger schüchtern oder gehemmt.                                          □       □
14.   Ich ziehe mich farbiger oder extravaganter an, einschließlich Make-up.            □       □
15.   Ich will mehr Leute treffen oder tue es auch.                                     □       □
16.   Ich bin mehr an Sex interessiert und/oder habe ein stärkeres Verlangen.           □       □
17.   Ich flirte mehr und/oder bin sexuell aktiver.                                     □       □
18.   Ich bin gesprächiger.                                                             □       □
19.   Ich denke schneller.                                                              □       □
20.   Ich mache mehr Witze oder Wortspiele.                                             □       □
21.   Ich lasse mich leicht ablenken.                                                   □       □
22.   Ich beginne ständig mit neuen Dingen.                                             □       □
23.   Meine Gedanken springen von einem Thema zum anderen.                              □       □
24,   Alles fällt mir leichter und/oder geht schneller.                                 □       □
25.   Ich bin ungeduldiger und/oder reagiere leichter gereizt.                          □       □
26.   Ich kann andere überfordern oder „nerven“.                                        □       □
27.   Ich gerate leicht in Auseinandersetzungen mit anderen.                            □       □
28.   Meine Stimmung ist deutlich besser und optimistischer.                            □       □
29.   Ich trinke mehr Kaffee.                                                           □       □
30.   Ich rauche mehr.                                                                  □       □
31.   Ich trinke mehr Alkohol.                                                          □       □
32.   Ich nehme mehr Drogen (Beruhigungsmittel, Stimulantien ...).                      □       □

Je mehr Ja-Antworten, desto wahrscheinlicher kann eine hypomanische Phase
­vorliegen.
134     Information und Hilfe

Selbstbeurteilung: Manie                      weisen Ihre individuellen Warnsignale
                                              sind.
Mit   der   Manie-Selbstbeurteilungsskala        Bitte kreuzen Sie für jede der folgenden
nach Stephanie Krüger, Peter Bräunig und      Aussagen an, ob sie in dem Monat vor der
Gerald Shugar, Beltz Test GmbH, Göttin-       stationären Aufnahme (der zu beurteilende
gen, können Verhaltensweisen manischer        Zeitraum kann je nach klinischer Frage-
Personen für die klinische Beurteilung er-    stellung auch auf die Woche vor Anwendung
fasst werden. Sie können mithilfe der Skala   der Skala bezogen werden) auf Sie zutraf
aber auch herausfinden, für welche Berei-     oder nicht. Beziehen Sie sich bei der Be-
che der manischen Symptome Sie beson-         antwortung darauf, wie Sie sich „norma-
ders anfällig sind und welche Verhaltens-     lerweise“ verhalten würden. (*.)

		                                                                          ja nein
Erhöhte Energie
1.    Ich hatte mehr Energie als sonst.                                     □  □
2.    Ich konnte nicht ruhig sitzen bleiben                                 □  □
3.    Ich bin schneller Auto gefahren als sonst.                            □  □
4.    Ich habe mehr Alkohol getrunken als sonst.                            □  □
5.    Ich habe mich mehrmals täglich umgezogen.                             □  □
6.    Ich habe buntere Kleidung/auffälligeres Make-up getragen als sonst.   □  □
7.    Ich habe Musik lauter gehört als sonst.                               □  □
8.    Ich habe hastiger gegessen als sonst.                                 □  □
9.    Ich habe mehr gegessen als sonst.                                     □  □
10. Ich brauchte weniger Schlaf als sonst.                                  □  □
11. Ich habe viele verschiedene Dinge angefangen, ohne sie zu beenden.      □  □
Geldausgaben/Großzügigkeit
12. Ich habe Dinge, die mir gehörten, einfach weggegeben.                   □  □
13. Ich habe viele Geschenke gemacht.                                       □  □
14. Ich habe mehr Geld ausgegeben als sonst.                                □  □
15. Ich habe Schulden gemacht.                                              □  □
16. Ich habe unkluge/unüberlegte Geschäftsentscheidungen getroffen.         □  □
Hypersexualität
17. Ich bin häufiger auf Partys gewesen als sonst.                          □  □
18. Ich habe mehr geflirtet als sonst.                                      □  □
19. Ich habe mich öfter als sonst selbst befriedigt.                        □  □
20. Ich war mehr an Sex interessiert als sonst.                             □  □
21.	Ich hatte Sex mit Frauen/Männern, die sonst für mich als Sexualpartner
      gar nicht in Frage kämen.                                             □  □
Selbstbeurteilung: Manie   135

Rededrang
22. Ich habe häufiger telefoniert als sonst.                                                 □ □
23. Ich habe lauter gesprochen als sonst.                                                    □ □
24.	Ich habe oft so schnell gesprochen, dass man mich gar nicht richtig
      verstehen konnte.                                                                      □ □
25. Es hat mir mehr Spaß gemacht als sonst, Witze zu erzählen oder zu reimen.                □ □
26.	Ich habe mich einfach in Unterhaltungen eingemischt, obwohl das sonst
      eigentlich gar nicht meine Art ist.                                                    □ □
27. Ich habe pausenlos geredet, ohne dass mich jemand unterbrechen konnte.                   □ □
Gehobene Stimmung
28.	Ich fand es gut, im Mittelpunkt zu stehen, obwohl ich das sonst nicht so wichtig finde. □ □
29. Ich habe mehr herum­gealbert und gelacht als sonst.                                      □ □
30. Die meisten Leute fanden mich unterhaltsamer als sonst.                                  □ □
31. Ich fühlte mich vollkommen obenauf.                                                      □ □
32. Ich war fröhlicher als sonst.                                                            □ □
Reizbarkeit
33. Ich war schneller genervt und ungeduldiger als sonst.                                    □ □
34. Ich habe mich häufiger als sonst gestritten.                                             □ □
Beschleunigtes Denken/Konzentrations­störungen
35. Ich hatte gar nicht genug Zeit, alle meine Ideen in die Tat umzusetzen.                  □ □
36. Mir sind dauernd irgendwelche Gedanken durch den Kopf geschossen.                        □ □
37.	Ich konnte mich nicht länger als ein paar Minuten auf eine Aufgabe konzentrieren.       □ □
Größenideen
38. Ich dachte, ich wäre etwas ganz Besonderes.                                              □ □
39. Ich glaubte, die Welt verändern zu können.                                               □ □
40. Ich war der festen Überzeugung, immer recht zu haben.                                    □ □
41. Ich glaubte, den meisten anderen Menschen haushoch überlegen zu sein.                    □ □
42.	Ich habe mir Aufgaben zugetraut, denen ich eigentlich gar nicht gewachsen war.          □ □
Paranoides/psychotisches Erleben
43. Ich glaubte zu wissen, was andere denken.                                                □ □
44. Ich glaubte, andere könnten meine Gedanken lesen.                                        □ □
45. Ich war der festen Überzeugung, dass mir jemand etwas antun wollte.                      □ □
46. Ich habe Stimmen gehört, obwohl niemand in der Nähe war.                                 □ □
47. Ich habe mich für jemand anderen gehalten, als für den, der ich tatsächlich bin.         □ □
Krankheitseinsicht
48. Ich wusste, dass ich krank war.                                                          □ □

Auswertung
Jedes Ja zählt einen Punkt, jedes Nein null Punkte.
Die Minimalanzahl der Punkte ist 0, die Maximalanzahl 48.
136       Information und Hilfe

Selbstbeurteilung:                                        Wenn ich auf mein Leben zurückblicke,
                                                          sehe ich nur Versagen.                                 2
Depression                                                Als Mensch fühle ich mich als kompletter
                                                          Versager (etwa als Elternteil, Ehemann, Ehefrau).      3
Die Checkliste nach der südafrikanischen                  Unzufriedenheit
Psychologin Susan Musikanth kann Ihnen                    Ich bin nicht besonders unzufrieden.                   0
                                                          Die meiste Zeit langweile ich mich.                    1
dabei helfen, den Schweregrad einer de-
                                                          Ich genieße die alltäglichen Dinge nicht
pressiven Stimmung zu beurteilen – oder                   mehr so wie sonst.                                     2
Sie stellen fest, dass Sie keine Depression               Nichts kann mich mehr zufrieden­stellen.               2
haben.                                                    Ich bin mit allem unzufrieden.                         3
                                                          Schuldgefühl
                                                          Ich fühle mich nicht besonders schuldig.               0
Stimmung
                                                          Ich fühle mich schon eine gewisse Zeit lang
Ich fühle mich nicht traurig.                        0
                                                          schlecht und unwürdig.                                 1
Ich fühle mich niedergeschlagen
                                                          Ich fühle mich ziemlich schuldig.                      2
oder traurig.                                        1
                                                          Ich fühle mich jetzt praktisch die ganze
Ich fühle mich die ganze Zeit
                                                          Zeit schlecht und unwürdig.                            2
niedergeschlagen oder traurig und werde dieses
                                                          Ich habe das Gefühl, dass ich sehr
Gefühl einfach nicht mehr los.                       2
                                                          schlecht und nutzlos bin.                              3
Ich bin so traurig oder unglücklich, dass es wehtut. 2
                                                          Gefühl der Bestrafung
Ich bin so traurig oder unglücklich, dass
                                                          Ich fühle mich nicht so, als ob ich bestraft würde.    0
ich es nicht mehr aushalte.                          3
                                                          Ich habe das Gefühl, dass mir etwas
Pessimismus
                                                          Schlimmes passieren wird.                              1
Ich bin nicht besonders pessimistisch oder besorgt,
                                                          Ich habe das Gefühl, dass ich gestraft bin
was die Zukunft betrifft.                            0
                                                          oder bestraft werde.                                   2
Ich mache mir Sorgen über die Zukunft.               1
                                                          Ich habe das Gefühl, dass ich es verdiene,
Ich fühle mich so, als ob ich nichts hätte,
                                                          bestraft zu werden.                                    2
was mir Freude machen könnte.                        2
                                                          Ich möchte bestraft werden.                            3
Ich fühle mich so, als ob ich niemals meine Sorgen
                                                          Selbsthass
los werden könnte.                                   2
                                                          Ich habe nicht das Gefühl, dass ich von mir
Mein Gefühl sagt mir, dass die Zukunft hoffnungslos
                                                          selbst enttäuscht bin.                                 0
ist, und dass sich die Lage
                                                          Ich bin von mir selbst enttäuscht.                     1
nicht verbessern kann.                               3
                                                          Ich mag mich nicht.                                    2
Versagergefühl
                                                          Ich widere mich selbst an.                             2
Ich fühle mich nicht als Versager.                   0
                                                          Ich hasse mich.                                        3
Ich fühle mich so, als ob ich häufiger
                                                          Selbstanklage
versagt hätte als jeder andere.                      1
                                                          Ich habe nicht das Gefühl, dass ich
Ich fühle mich wie jemand, der sehr wenig
                                                          schlechter bin als irgendein anderer.                  0
zustande gebracht hat, was der Mühe Wert
gewesen oder irgend etwas bedeutet hätte.            2
Selbstbeurteilung: Depression    137

Wegen meiner Schwächen oder Fehler                       Unentschlossenheit
stehe ich mir selbst sehr kritisch                       Ich treffe Entscheidungen wie sonst auch.      0
gegenüber.1                                             Ich bin meiner selbst weniger sicher und
Ich mache mich selbst für alles                          versuche, Entscheidungen vor mir
verantwortlich, was schiefgeht.                     2   herzuschieben.1
Ich habe das Gefühl, dass ich sehr                       Ohne fremde Hilfe kann ich keine
viel Schuld auf mich geladen habe.                  2   Entscheidungen mehr treffen.                   2
Suizidalität                                             Ich kann überhaupt keine Entscheidungen
Ich denke überhaupt nicht daran,                         mehr treffen.                                  3
mir etwas anzutun.                                  0   Körperwahrnehmung
Ich habe schon daran gedacht, mir etwas anzutun,         Ich habe nicht das Gefühl, dass ich schlechter
aber ich würde es nicht ausführen.                  1   aussehe als sonst.                             0
Ich habe das Gefühl, es wäre besser, tot zu sein. 2     Ich mache mir Sorgen darüber, dass ich alt oder
Ich habe genaue Selbsttötungspläne.                 2   unattraktiv aussehe.                           1
Ich würde mich töten, wenn ich könnte.              3   Ich habe das Gefühl, dass sich an meinem
Weinerlichkeit                                           Aussehen ständig etwas ändert, und das macht
Ich weine nicht mehr als sonst.                     0   mich unansehnlich.                             2
Ich weine jetzt mehr als sonst.                     1   Ich habe das Gefühl, dass ich hässlich und
Ich weine jetzt die ganze Zeit, es hört                  abstoßend aussehe.                             3
nicht auf.                                          2   Arbeitshemmung
Eigentlich sollte ich weinen können,                     Ich kann genauso gut arbeiten wie sonst.       0
aber jetzt kann ich überhaupt nicht mehr weinen,         Ich muss mich besonders anstrengen, wenn ich
selbst wenn ich wollte.                             3   anfange, etwas zu tun.                         1
Reizbarkeit                                              Ich arbeite nicht so gut wie sonst.            1
Ich bin jetzt nicht gereizter als sonst.            0   Ich muss mich sehr stark überwinden,
Ich bin schneller verärgert oder gereizt als sonst. 1   um irgend etwas zu tun.                        2
Ich fühle mich die ganze Zeit gereizt.              2   Ich kann überhaupt nicht mehr arbeiten.        3
All das, was mich sonst aufgeregt hat, reizt mich        Schlafstörungen
überhaupt nicht mehr.                               3   Ich schlafe so gut wie sonst auch.             0
Sozialer Rückzug                                         Morgens wache ich müder auf als sonst.         1
Ich habe das Interesse an anderen Menschen               Ich wache ein bis zwei Stunden früher auf
nicht verloren.                                     0   als sonst und kann dann kaum mehr
Ich bin jetzt weniger an anderen Menschen                einschlafen.2
interessiert als sonst.                             1   Ich wache jeden Tag sehr früh auf und bekomme
Ich habe das Interesse an anderen Menschen               nicht mehr als fünf Stunden Schlaf.            3
fast ganz verloren und empfinde kaum                     Müdigkeit
etwas für sie.                                      2   Ich ermüde nicht schneller als sonst.          0
Ich habe kein Interesse mehr an anderen                  Ich ermüde schneller als sonst.                1
Menschen, sie sind mir vollkommen                        Egal was ich mache, ich ermüde.                2
gleichgültig.3                                          Ich bin zu müde, um etwas zu tun.              3
138       Information und Hilfe

 Appetitverlust                                        Auswertung
 Mein Appetit ist nicht schlechter als sonst.     0
                                                       Addieren Sie die markierten Zahlen. Der
Mein Appetit könnte besser sein.                  1
Mein Appetit ist jetzt viel schlechter.           2   Summenwert zeigt dann den Schweregrad
Ich habe überhaupt keinen Appetit mehr.           3   der Depression an.
Gewichtsverlust                                        0 bis 9       keine Depression
In letzter Zeit habe ich, wenn überhaupt, kaum
                                                       10 bis 18     leichte Depression
Gewicht verloren.                                 0
In letzter Zeit habe ich habe ich mehr als 2 kg        19 bis 25     mittelschwere Depression
abgenommen.1                                          26 bis 35 	mittelschwere bis schwere
In letzter Zeit habe ich habe ich mehr als 5 kg                      Depression
abgenommen.2
                                                       36 und mehr schwere Depression
In letzter Zeit habe ich habe ich mehr als 7 kg
abgenommen.3
Befindlichkeitsstörungen
Ich bin in Bezug auf meine Gesundheit nicht
besorgter als sonst.                              0
Schmerzen und Wehwehchen,
Magenbeschwerden, Verstopfung und andere
unangenehme körperliche Empfindungen
­beunruhigen mich.                                1
 Ich bin so darüber besorgt, wie ich mich fühle
 und was ich fühle, dass ich kaum an etwas
 anderes denken kann.                             2
 Meine Befindlichkeit nimmt mich vollkommen
 in Anspruch.                                     3
 Libidoverlust
 In Bezug auf mein sexuelles Interesse habe ich in
 letzter Zeit keine Veränderung bemerkt.          0
 ich bin weniger an Sex interessiert als sonst.   1
 Sex interessiert mich jetzt kaum mehr.           2
 Das Interesse an Sex habe ich vollkommen
 verloren.3
Stimmungskalender     139

Stimmungskalender

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS), (Download: www.dgbs.de)

So füllen Sie den Stimmungskalender der               •• Notfallmedikament: ankreuzen, wenn
Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störun-                Sie es eingenommen haben
gen e.V. aus:                                         •• Krankenhausaufenthalt:             ankreuzen,
•• Monat und Jahr eintragen, für jeden                    falls zutreffend
    Monat eine neue Seite                             •• Gearbeitet: Tage, an denen Sie gearbei-
•• Stimmung und Antrieb: die zutreffen-                   tet haben
    de Stimmung markieren                             •• Tage der Menstruation: ankreuzen
•• Schlaf in Stunden: Anzahl der Stun-                •• Gereiztheit: ankreuzen
    den, die Sie in dieser Nacht geschlafen           •• besondere Ereignisse, die sich auf Ihre
    haben                                                 Stimmung auswirken: Stichworte mit
•• Schlafstörungen: ankreuzen bei Unru-                   Datum
    he und Unterbrechungen
•• Medikamente: Namen/Wirkstoffe, die
    Sie regelmäßig nehmen; die Tage der
    Einnahme ankreuzen
Sie können auch lesen