Verbindungen -gestaltete Zusammenhänge - Bianca Bluhm 2020 Holzgestaltung Angewandte Kunst Schneeberg - Westsächsische ...

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Verbindungen -gestaltete Zusammenhänge - Bianca Bluhm 2020 Holzgestaltung Angewandte Kunst Schneeberg - Westsächsische ...
Verbindungen
-gestaltete
Zusammenhänge
                      Bianca Bluhm    2020
                                      01
                     Holzgestaltung
       Angewandte Kunst Schneeberg
Verbindungen -gestaltete Zusammenhänge - Bianca Bluhm 2020 Holzgestaltung Angewandte Kunst Schneeberg - Westsächsische ...
BACHELOR-THESIS

im Studiengang Gestaltung
Studienrichtung Holzgestaltung / Möbel- & Produktdesign

Thema:

      Verbindungen
      -gestaltete
      Zusammenhänge
                                                          01

vorgelegt von: 		         Bianca Bluhm
Seminargruppe:		          162891
Matrikelnummer:           37497
eingereicht am: 		        31.08.2020

Angewandte Kunst Schneeberg
Fakultät der Westsächsischen Hochschule Zwickau
Eingangsvermerke / Vermerke Prüfende:
Verbindungen -gestaltete Zusammenhänge - Bianca Bluhm 2020 Holzgestaltung Angewandte Kunst Schneeberg - Westsächsische ...
Inhaltsverzeichnis

1.   Einleitung   						Seite 03

2.   Verschiedene Verbindungen				Seite 06

3.   Verbindungen im Möbel- und Produktdesign   Seite 12
     und deren historische Entwicklung

4.   Menschen, Dinge und Verbindungen			        Seite 31

6.   Fazit								Seite 35                                 02

7.   Anhang							Seite 37
Verbindungen -gestaltete Zusammenhänge - Bianca Bluhm 2020 Holzgestaltung Angewandte Kunst Schneeberg - Westsächsische ...
1. Einleitung

Hände             Aussehen           Nabelschnur
Liebe             Sicherheitsnadel   Schwüre
Arme              Uniform            Schnallen
Griffe            Saugnapf           Züge
Henkel            Leim               Berührungen
Emotionen         -                  Kabel
Reißverschluss    Handschellen       Gravitation
Knöpfe            Treppen            Trauer
Kettenglieder     Seile              Gaffer Tape
Schloss           Karabinerhaken     Soßenbinder       03
Nachname          Geheimnisse        Erlebnisse
Gefühle           Musik              Grip
Adhäsion          Spinnweben         Anziehungskraft
Blicke            Finger             Schlüsselringe
Erinnerungen      Büroklammer        Magnet
Und               Formschluss        Schnürsenkel
Klettverschluss   Nähte              Vertrauen
Klebeband         Knoten             Herkunft
Wir               Netzwerke          Familie
Leine             Sprache            Community
+                 Haken              Brücken
Klammer           Sprachen           Ziele
Gummi             Vereine            Verschmelzung
Gürtel            Glaube             Türen
Team              Bügel              Schrauben
Gene              Gurte              Gesten
Addition          Ideale             Lasche
Internet          Nägel              Satelliten
Beziehungen       Züge               &
Die Entstehung unseres Universums war vor etwa 13,5 Milliarden
Jahren. Rund 300 000 Jahre danach entstanden aus der Verbindung
von Energie und Materie die Atome. Diese verbanden sich wiederum zu
Molekülen und aus der Verbindung von Molekülen entstanden
Organismen. Die Homo Sapiens sind eine Art dieser Organismen und
sie begannen vor etwa 70 000 Jahren sich zu Kulturen und
Gesellschaften zu verbinden.1
Ohne Verbindungen würde nichts existieren.

Betrachtet man das heutige Leben und den Alltag der Menschen sind
Verbindungen wichtig wie eh und je.
Menschen sind miteinander verbunden durch Sprache, Gefühle oder
durch erfundene Konstrukte, wie Staaten oder Religionen.
Durch die Digitalisierung ist die ganze Weltbevölkerung verbunden. Das                          04
Internet macht es möglich, dass Menschen jederzeit und von jedem Ort
miteinander kommunizieren können.
Das ‚World Wide Web‘ hat die Welt vernetzt.
Die Kontinente und Länder sind verbunden durch Autobahnen, Wander-
wege, Flug- und Zugstrecken.
Ozeane wurden durch Kanäle verbunden.
Über elektromagnetische Wellen und Raumflugkörper sind wir mit dem
Weltall verbunden.

_________________
1 Vgl. Harari, Yuval Noah: Eine kurze Geschichte der Menschheit.34. Aufl., München 2013, S.11
Die Erde ist mit dem Mond verbunden und von ihm abhängig. Der Mond
hat Einfluss auf die Laufbahn der Erde und wichtige Prozesse auf der
Erde, wie zum Beispiel die Gezeiten.
So sind wir Menschen mit den Dingen um uns herum verbunden.
Dinge bestimmen unseren Alltag, unseren Tagesablauf.
Wie der Erdtrabant sich verlässlich um die Erde dreht, sind wir von allen
Dingen umgeben, die wir brauchen, um zu überleben, um uns zu
unter- halten, um uns mit anderen zu verbinden.

Diese Dinge bestehen wiederum aus Teilen und Verbindungen.
In der folgenden Arbeit wird versucht einen Einblick in dieses Themen-
feld mit Hauptaugenmerk auf Produkte und Möbel zu gewinnen.

                                                                            05

_________________
2. Verschiedene Verbindungen

Verbindungen sind so vielseitig, wie die Materialen und Objekte, die
sie verbinden. Da es so viele unterschiedliche Arten von ihnen gibt, ist
es schwer diese zu kategorisieren. Es gibt eine Menge verschiedener
Einteilungen. So kann man generell zwischen dynamischen und starren
Verbindungen unterschieden. Dabei versteht man unter dynamischen
Verbindungen, bewegliche und leicht lösbare Verbindungen. Ein gutes
Beispiel hierfür wäre eine Wäscheklammer oder ein Scharnier.
Eine starre Verbindung wäre eine verleimte Holzverbindung oder zwei
miteinander verschweißte Metallplatten.
Eine andere, komplexere Kategorisierung gelang Studierenden einer                                       06
Masterklasse der ‚Ecole cantonale d‘art de Lausanne‘.1

Für die ‚U-JOINT‘ Ausstellung 2018 in Mailand erarbeiteten sie eine
Übersicht, die ‚Taxonomy of Joints‘. Dabei handelt es sich um eine
ca. 40 Meter lange Infografik, die Verbindungen in vier Kategorien
auf- teilt. Auf diese Punkte wird nun im Folgenden näher eingegangen.2

        FUSION
        KLEBEN
        MECHANISCHE VERBINDUNG
        HOLZVERBINDUNGEN

_________________
1 (24.08.2020, 16:59)
2 
(24.08.2020, 16:46)
FUSION

Bei einer Fusion werden Materialien verschmolzen, diese gehen eine
Fusion ein. Die Fügeteile werden dabei zu einem unlösbaren Ganzen.
Stoffschlüssige Verbindungen sind im Normalfall nicht einfach wieder
lösbar. Nur durch Zerstörung können die Fügeteile wieder getrennt
werden.
Eine Fertigungstechnik dieser Art ist das Schweißen. Durch eine
externe Hitzeerzeugung (Schmelzschweißen) oder durch Reibung und
Druck (Pressschweißen) werden so metallische
Bauteile miteinander verbunden.1
Im 3D Druck gibt es die Fertigungstechnik ‚Fused Deposition Modeling‘,
auch Schmelzschichtungsverfahren genannt. Es ist ein
‚Rapid Prototyping‘ Verfahren bei dem mit schmelzfähigem Kunststoff
gearbeitet wird. Dieser Kunststoff wird heiß und im flüssigen
Aggregatzustand schichtweise aufgetragen, wobei ein massives                                    07
homogenes Objekt entsteht.2

Löten zählt, wie auch das Schweißen, zu den thermischen Fügetechni-
ken. Beim Schmelzlöten wird ein Lot verflüssigt und somit entsteht die
Verbindung. Eine weitere Technik ist das Diffusionslöten, wobei sich die
Atome des Lotes und des festen Fügeteiles vermischen und so eine
Legierungszone entsteht. Doch auch nicht metallische Werkstoffe
können gelötet werden. Keramische und gläserne
Teile können mit Metalllot oder einem Glaslot verbunden werden.3

_________________
1 Vgl. Hans J. Fahrenwaldt, Volkmar Schuler: Praxiswissen Schweißtechnik:
Werkstoffe, Prozesse, Fertigung., Wiesbaden 2011, S.1
2 Vgl.  (24.08.2020,18:44)
3 Vgl. (wie Anm. 1), S. 114
KLEBEN

Beim Verkleben geht es um das flächige Verbinden gleichartiger oder
unterschiedlicher Werkstücke. Dafür wird eine meist artfremde
Substanz verwendet, welche an den Klebeflächen aufgebracht wird.
Bei Klebstoffen handelt es sich um Prozesswerkstoffe, welche sich
während der Fertigung noch verändern, beispielsweise aushärten.
Kleben ist die am meisten verbreitete Fügetechnik. In viele Fertigungs-
abläufe kann das Kleben problemlos eingebaut werden, dies trifft
sowohl auf Handwerksbetriebe, als auch auf die industrielle Produktion
zu. Denn durch das Kleben können jegliche Materialien miteinander
verbunden werden, beachtet man nur die geforderten Voraussetzungen
der Materialien zum Kleben.1

                                                                                   08

_________________
1 Vgl. Gerd Habenicht: Kleben - erfolgreich und fehlerfrei. Wiesbaden 2006, S. 1
MECHANISCHE VERBINDUNGEN

Bei mechanischen Verbindungen handelt es sich um ein sehr diverses
Feld von Fügetechniken. Diese Verbindungen werden durch Kraft-
schluss, Formschluss oder Schwerkraft erzeugt. Außerdem kann man
zwischen integrierten Verbindungen und Verbindungen, welche nur mit
einer zusätzlichen Komponente funktionieren, unterscheiden.

Kraftschlüssige Verbindungen:
Die Fügeteile werden durch Haftreibung miteinander verbunden. Diese
Kraft wirkt den Verschiebekräften entgegen, solange dies gewährleistet
ist, handelt es sich um eine feste Verbindung. Lässt jedoch der Druck
und somit die Haftreibung nach, kann sich die Verbindung lösen. Kraft-
schlüssige Verbindungen kann man also häufig als dynamisch und
flexibel bezeichnen.
                                                                                 09
Formschlüssige Verbindungen:
Diese Verbindungen bestehen aus mindestens zwei ineinandergreifen-
den Fügeteilen, sowie unter Umständen noch einem zusätzlichen Ver-
bindungselement. Die Fügeteile können dafür vorgeformt sein oder sich
bei Prozess umformen. Fällt hierbei der Druck ab, bleibt die Verbindung
dennoch bestehen.

_________________
1 Vgl.  (24.08.2020,18:55)
„Für manche ist
                                                                   eine Schraube
                                                                     das kleinste
       Pearl Screws,                                               Möbelstück.“ 1
       Soft Baroque, 2014                                                             Anniina Koivu

                                                                                                      10

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1     Anniina Koiva, U-JOINTS: DESIGNER MIT CONNECTIONS /
      von Stephan Burkoff, 23.04.2018 < https://www.baunetz-id.de/stories/u-joints-
      designer-mit-connections-18382695> (24.08.2020, 13:34)
HOLZVERBINDUNGEN

Bei Holzverbindungen handelt es sich meist auch um formschlüssige
Verbindungen. Es gibt je nach Einsatzbereich verschiedene Verbin-
dungsarten. Im Tischlerhandwerk des europäischen Einflusses wird
zwischen folgenden Verbindungen unterschieden:

       Zinkungen
       Überblattung
       Schlitz und Zapfen
       Federn und Dübel

Außerdem gibt es Verbindungen aus dem Zimmereibereich, welche sich
grob in folgende Kategorien einteilen lassen:

       Längsverbindungen (Blatt, Stoß)                                       11
       Eckverbindungen (Zapfen, Zinkung, Gehrung, Blatt)
       Verkämmungen
       Querverbindungen (Zapfen)
       Schrägverbindungen (Versatz, Zapfen)1

Diese traditionellen Verbindungen kommen so oder in ähnlicher Bau-
weise in allen Kulturen vor. Es gibt jedoch auch internationale Unter-
schiede. In Japan zum Beispiel gilt ein ganz anderer Hauptaugenmerk
auf die Holzverbindungen im Möbelbau. Diese sollen nach japanischer
Tradition eher verdeckt sein, um das Erscheinungsbild schlicht und
elegant zu halten. In Europa gelten offen gestaltete Holzverbindungen
als Qualitätsmerkmal, denn sie zeigen die Handwerklichkeit und die
Beschaffenheit des Materials.2

_________________
1  (24.08.2020, 14:17)
2 Festool GmbH, Magazin Holzidee 10, 2010, S. 13
3. Verbindungen im Möbel- und
   Produktdesign und deren
   historische Entwicklung
Bis zur industriellen Revolution zählten Möbelstücke und viele andere
Produkte aus dem täglichen Gebrauch zum Kunsthandwerk. Handwer-
kende fertigten jedes Stück einzeln. Faktoren, wie das Geschick, die
Virtuosität, vorhandene Materialien und Maschinen beeinflussten die
Fertigung, die Gestalt und auch den Wert eines jeden Gegenstandes.
Je höher die Handwerklichkeit, desto höher der Wert. So war es natür-
lich ein Ziel der Handwerkenden einen hohen Wert zu erzielen.
In der Möbeltischlerei war das Maß für das Niveau der Verarbeitung
lange Zeit die Verbindung der Konstruktionselemente. Es ging um die                                      12
perfekte Integrität, sowie um eine nahtlose Einheit der Verbindungen
und der Oberflächen.
Ein gutes Beispiel hierfür ist die traditionelle Schwalbenschwanz-
verbindung, welche zu den Zinkenverbindungen aus dem Tischlerhand-
werk zählt. Bei sauberer Verarbeitung gehen die verbundenen Flächen
nahtlos ineinander über und sind so auch nicht mehr lösbar.1

Mit der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich
das Design wie es heute bekannt ist.
Nach einer langen Tradition des Kunsthandwerks wurde auf technische
Innovation und auf die Industrie-angepasste-Gestaltung gesetzt. Durch
maschinelle Produktion war eine günstige und schnelle Herstellung
möglich. Immer gleiche Teile in standardisierten Arbeitsschritten führten
zu industriellen Serienprodukten. Diese Produktionsweise führte jedoch
auch zu einem Qualitätsverlust.

_________________
1  (24.08.2020, 16:56)
Die aus dem Kunsthandwerk gewohnte Dekoration wurde oft willkürlich
und pseudohandwerklich auf die Objekte projiziert.
Gewohnte historische und kunsthandwerkliche Stile waren den Kunden
vertraut und die Massenindustrie wurde zunächst darauf zugeschnitten
dies nachzuahmen.

„[...][D]as erfolgreichste Möbel des 19. Jahrhunderts.“1
Der Stuhl Nr. 14 von Thonet – Le Corbusier feierte ihn als „Vorbild für
anonyme und standardisierte Universalform.“2 Die schlichte Ästhetik
und der günstige Preis machten den Stuhl weltbekannt. Die Revolution
des Einrichtungsstils nahm seinen Lauf.
Das Bugholz, welches unter heißem Dampf und extremer Kraft gebo-
gen wurde, gab dem Stuhl seine unverwechselbare, geschwungene
Form. Außerdem revolutionär war die Bauweise. Nur sechs Einzelteile                 13
und sechs Schrauben sind nötig, um das Möbel zu montieren. Ist der
Stuhl zusammengebaut sind die Schrauben nicht versteckt. Das hat
den Grund, dass der Stuhl erst am Bestimmungsort von den neuen
Be- sitzenden zusammengeschraubt und montiert werden sollte.
Demnach ist es der einfachen Verbindung zu verdanken, dass es der
Stuhl zur Weltberühmtheit geschafft hat, denn die Einzelteile konnten
als ‚Flatpack‘ in alle Länder verschickt werden. In eine Seekiste passten
36 zerlegte Stühle, zusammen mit den jeweils sechs Schrauben.
Bis heute wird dieses Prinzip bei den Stühlen der Firma Thonet verfolgt.
Jede nicht versteckte Schraube ist als Verehrung des Entwurfs des
Stuhl Nr. 14 von Michael Thonet aus dem Jahr 1859/1860 zu sehen.3

_________________
1 Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 25
2 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 25
3 Vgl. Eisele 2014 (wie Anm.2)
Stuhl Nr. 14
      / Michael Thonet, 1859

                               14

_________________
In der gleichen Ära der Industrialisierung, nämlich im Jahr 1899,
meldete der Norweger Johan Vaaler in Deutschland ein Patent an. Die
Büroklammer – ein alltäglicher Konnektor aus 9,85 Zentimeter langem
Draht mit einem Durchmesser von 0,8 Millimeter.
Erfunden wurde die Klammer schon 32 Jahre zuvor in den USA.
Genutzt wurde sie, um Kleidungsstücke mit Preisschildern zu verse-
hen. Seit den 1890ern wird die Büroklammer, wie man sie heute kennt
hergestellt, seitdem werden damit Dokumente sicher verbunden und
zusammen gehalten.
In den 1940er Jahren hatte die Büroklammer noch eine andere
Funktion. Sie verband Menschen. Im Jahr 1940 wurde Norwegen von
den Nazis besetzt. In dieser Zeit galt das Tragen einer Büroklammer am
Kragen als ein Symbol des Widerstandes gegen die Fremdherrschaft.
Für die norwegische Bevölkerung hieß es ‚Wir halten zusammen‘.                      15
Zusammen gegen die Besatzung, für den norwegischen König und für
die Solidarität untereinander. 1

Mit dem Fortschritt der Industrialisierung mehrte sich die Kritik, gerade
auch in Deutschland, an der schlechten Qualität vieler Produkte.
Des Weiteren wurden sozialpolitische Probleme angesprochen und die
Arbeitsbedingungen in den Fabriken beleuchtet.
In den kunsthandwerklichen Betrieben hielt der Jugendstil ein, eine
kulturelle Erneuerung, welche vor allem ein Elitepublikum mit Unikaten
bedienen sollte.
Parallel schlossen sich Handwerkende zusammen, um die Situation
in den Fabriken, aber auch die Erzeugnisse, zu verbessern. Aus den
Zusammenschlüssen entwickelte sich eine Reformbewegung, welche
die Werkstätten für Handwerkskunst in München und Dresden-Hellerau
hervorbrachte. Daraus resultierend wurde die Kunst auf die Maschinen-
produktion zugeschnitten.2
_________________
1 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 31
2 Vgl. Eisele 2014 (wie Anm. 1), S. 33, 34
So entstanden beispielsweise die Maschinenmöbel von Paul
Riemerschmidt. Diese Möbel waren hochwertig und für die breite Masse
gemacht. Die Formen sind verwandt mit den Objekten des Jugendstils,
sie bestechen jedoch durch schlichte Oberflächen und eine sachliche
und funktionalistische Anmutung.1

Die Maschinenmöbel, welche ab dem Jahr 1906 in Hellerau gefertigt
wurden, waren außerdem zerlegbar und sollten, wie der Stuhl Nr. 14,
vom Kunden aufgebaut werden. Aus diesem Grund sind auch hier
die Verbindungs- und Konstruktionselemente offen zu sehen. Diese
Elemente sollten gleichzeitig einen gestalterischen Zweck erfüllen, so
entstand zum Beispiel durch Schrauben eine reduzierte Dekoration.
Damit verband die Schraube nicht nur Einzelteile verschiedener Möbel,
sondern zudem unterschiedliche Stile miteinander. Diese                                          16
Entwicklungen ebneten der ‚Sachlichkeit‘ den Weg.
Die Produktgestaltung wurde einfacher, reduzierter, sowie technischer.
In Folge erlebte die Ästhetik durch den ersten Weltkrieg einen Bruch,
da dieser die Schattenseite des technischen Fortschrittes mehr als
deutlich machte.
Durch den Einfluss der russischen Avantgarde, erfanden sich viele
Gestaltende ihre Zukunft neu. Nach dem Krieg sollte eine bessere
Gesellschaft entstehen. Kunst und Technik wurden neu verbunden.
So wurde im Jahr 1919 in Weimar von Walter Gropius eine Kunst-
schule der Moderne gegründet – ‚Das Staatliche Bauhaus‘. Es verlieh
den Avantgardist*innen der klassischen Moderne einen gemeinsamen
Nenner. Die Lehre zielte darauf ab den traditionellen Ballast aus den
Köpfen der Studierenden zu schlagen, um Platz für die neuen Formen
zu machen.2 3

_________________
1 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 35
2 Vgl. Eisele 2014 (wie Anm. 1), S. 51, 52
3 Vgl. Rudhof, Bettina: Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann, Hamburg 2001, S. 34, 35
Zunächst wurden in den Werkstätten Einzelstücke handwerklich herge-
stellt, doch mit der Losung Gropius’ von 1922: „Kunst und Technik -
etine neue Einheit“ 1, rückte die industrielle Fertigung und deren
Ästhetik in den Fokus. Die dadurch neu entstandene Formsprache des
Bauhauses war geprägt durch künstlerische Abstraktion, industrieller
Rationalität und Funktionalität. Verbindungen und Konstruktionsele-
mente wurden aus diesen gründen auch hier nicht verborgen, sondern
hervorgehoben und offen zur Schau gestellt. ‚Ehrliches Design‘ wurde
gefordert und umgesetzt.2

Im Jahr 1926 entwickelte Mart Stam den ersten Stuhl ohne Hinterbeine.
Das erste Modell bestand aus zehn gleich langen Gasrohrstücken und
zehn dazugehörigen Montageverbindern. Daher der Name ‚Gasrohr-
stuhl‘. Dieser Entwurf spiegelte die industrielle Produktion, die absolute     17
Einfachheit und die reine Funktion der Materialien wider. Ein einfaches
Brett diente bei diesem Entwurf als Sitzfläche.
Ein Jahr zuvor entwarf Marcel Breuer den Stahlclubsessel B3, so war
das Bild von einer offenen Stahlrohrkonstruktion schon bekannt, doch
das Prinzip der Standfläche, welche ausschließlich mit den
Vorderbeinen verbunden war, neu.
Eine Weiterentwicklung dieses Stuhles bestand aus einem einzigen
gebogenen Eisenrohr. Die Sitzflächen dieses Modelles wurden mit ge-
flochtenem Gummi oder Hanfgurten versehen.
Dieser Stuhl war Vorbild für nachfolgende Designklassiker, wie den
ersten federnden Freischwinger aus Stahlrohr – MR10 – entworfen im
Jahr 1927 von Ludwig Mies van der Rohe. Ein Jahr später folgte der
Freischwinger – B32 – von Marcel Breuer. Diesem gelang es die noch
ungewohnte Formsprache, welche nur schwer in der Bevölkerung an-
kam, mit einem sehr vertrauten Element zu verbinden.3

_________________
1 Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 52
2 Vgl. Eisele 2014 (wie Amn. 1), S. 53
3.Vgl. Eisele 2014 (wie Anm. 1), S. 69
Gasrohrstuhl
      / Mart Stam, 1926

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_________________
Breuer übernahm für die Sitzfläche und Rückenlehne das Geflecht des
Thonet Stuhl Nr. 14. Dies brach die Strenge der Stahlkonstruktion auf
und machte den Stuhl bequemer als die vorherigen Modelle.1
Während in Nazideutschland der Bevölkerung die Bauernstube als Vor-
bild für nationalistisches Wohnen propagiert wurde und Hitler in einer
„dilettantischen Nachahmung des Versailler Spiegelsaals“2, umgeben
von schweren Möbeln aus deutscher Eiche, deutschen Soldaten und
Marmor, die Vernichtung von unzähligen Menschen plante, verbreiteten
die geflohenen Gestaltenden und deren Zeugen, die Lehren der
Moderne und des Bauhauses in aller Welt.3
In diesem furchtbaren II. Weltkrieg wurden auch die Geschwister
Sophie und Hans Scholl umgebracht, da sie Teil der Widerstandsgrup-
pe ‚Weiße Rose‘ waren. Die älteste der Geschwister war Inge Scholl,
später Inge Aicher-Scholl.                                                              19
Obwohl in der neuen ‚Adenauer Republik‘ barocke Stilmöbel der
bürgerliche Standard waren, wurde modernes Design immer beliebter.
Zehn Jahre nach Kriegsende gründete Inge Aicher-Scholl die ‚Freie
Hochschule für Gestaltung‘ und stellte so die Verbindung zu Demokra-
tie, Weltoffenheit und Moderne wieder her.
Die Ausbildung war eng mit dem Prinzip des Bauhauses verbunden.
Gropius war zu dieser Zeit Leiter des ‚Institute of Design‘ in Chicago
und auch am Programm der ‚hfg‘ maßgeblich beteiligt. Die Lehre war
geprägt von dem Widerstand gegen die Wohlstandsgesellschaft und
moralisch Gestrige.4

_________________
1 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 77
2 Rudhof, Bettina: Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann, Hamburg 2001, S. 42
3 Vgl. Rudhof 2001 (wie Anm. 2), S. 42, 43
4 Vgl. Rudhof 2001 (wie Anm. 2), S. 44
Die Gestaltung zielte auf funktionalen Minimalismus, sowie eine enge
Zusammenarbeit mit der Industrie ab.
Mit Beginn der Sechziger Jahre entwickelte sich daraus das ‚System
Design‘, welches die Bauhauslehren ablöste. Im ‚System Design‘ ging
es nicht mehr nur um das eine, in sich schlüssige Ding.
Nun ging es um technologische Prozesse, komplexe Systemwelten und
Kombinationen. Um einzelne Elemente, die zusammen oder für sich
funktionieren.
Aus diesen Prinzipien ergaben sich viele Anwendungs- und Anpas-
sungsmöglichkeiten der Objekte und so auch ein hoher Grad an
Individualisierung.1

Max Bill, ein ehemaliger Bauhäusler und Mitgründer der ‚HfG‘, vereinte
diese Maßstäbe bereits im Jahr 1954 in einem Produkt. Dieses ent-                            20
stand aus der Not heraus, entwickelte sich aber zu einem Vorreiter.
Bei der Gründung der ‚HfG‘ mangelte es der Schule an finanziellen Mit-
teln. Deshalb gab es schlicht nicht genügend Sitzmöglichkeiten für die
Studierenden. Zusammen mit Hans Gugelot und Paul Hildiger entwarf
Max Bill den ‚Ulmer Hocker‘.
Drei Fichtenholzbretter, rechtwinklig gezinkt und mit einem Rundstab
aus Buchenholz stabilisiert. Eine Buchenholzkufe schützt zudem das
Hirnholz vor dem Schürfen auf dem Boden.
Der Hocker ist auf ein Minimum reduziert und hat doch unzählige
Funktionen. Als Sitzmöglichkeit bietet der Hocker zwei verschiedene
Sitzhöhen. Man kann ihn auch als Beistelltisch, Pult oder in gestürzter
Position als Transporthilfe verwenden. Kombiniert man mehrere Hocker
kann man eine ganze Sitzlandschaft entstehen lassen oder ein Regal-
system aufbauen.2 3

_________________
1 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 168
2 Vgl. Eisele 2014 (wie Anm. 1), S. 171
3 Vgl. Rudhof, Bettina: Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann, Hamburg 2001, S. 46
Ulmer Hocker
      / Max Bill, Hans Gugelot,
      Paul Hildinger, 1954

                                  21

_________________
Die Hocker, welche in der Hochschule hergestellt wurden, standen in
den Wohnungen der Studierenden, in der Bibliothek, in den Werkstätten
und in den Hörsälen.
Ein simpler Hocker aus Holz wurde so Verbindungsstück zwischen den
Menschen und der Lehre der Moderne, dem Neuanfang und der Weiter-
entwicklung der Gestaltung.
Außerdem diente er als Vorbild für spätere Systemmöbel.1

Mit einer neuen Generation, somit neuen, undogmatischen Vorstellung
vom Leben und der Gestaltung, gab es einen Bruch mit der
Einheitlichkeit. Eine Revolution fand statt, was dazu führte, dass die
alten Werte über Bord geworfen wurden. Werte, wie Spaß, Fantasie,
Respektlosigkeit, Witz und Ironie, leiteten die neue Ästhetik.2
Passend zu diesem neuen Zeitgeist, fand ein vorher noch nicht dage-                          22
wesenes Material Einzug in die Designwelt – Kunststoff galt als das
Mittel für die Neugestaltung aller Lebensstrukturen.3

‚Die heiligen Kühe des Funktionalismus müssen geopfert werden‘, unter
diesem Titel veröffentlichte ‚form‘ im Jahr 1968 einen Artikel von Werner
Nehls. Und sie wurden geopfert. Nichts mehr sollte an frühere Zeiten
erinnern. Die Formsprache im Produktdesign, aber auch Funktionen
und Räume in der Architektur wurden neu gedacht.4

_________________
1 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 168
2 Vgl. Eisele 2014 (wie Anm. 1), S. 195
3 Vgl. Eisele 2014 (wie Anm. 1), S. 196
4 Vgl. Rudhof, Bettina: Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann, Hamburg 2001, S. 49
Der ‚Bofinger-Stuhl‘, welcher im Jahr 1966 von dem ‚Architekturbüro
Bätzner‘ entwickelt wurde, war der erste Stuhl aus einem einzigen
Stück Kunststoff. Der Herstellungsprozess wurde so gestaltet, dass der
Stuhl innerhalb von fünf Minuten in einer 10-Tonnen-Presse tiefgezogen
und ohne Nachbearbeitung fertig gestellt wurde.
Der Stuhl kam durch die Form ganz ohne Verbindungen aus – keine
einzige Schraube, keine Klebestellen. Womöglich war es der erste Stuhl
dieser Komplexität, ohne jegliche Verbinder. Denn trotz der einfachen
Anmutung, bot der Stuhl viele funktionale Vorzüge. Er war mit vier
Kilogramm besonders leicht und konnte dadurch hoch gestapelt
werden, was die platzsparende Lagerung ermöglichte. Außerdem war
der Stuhl durch das mit Glasfaser verstärkte Polyestherharz witterungs-
beständig, weshalb er nicht nur im Innenbereich Anwendung fand.1
                                                                                        23
In den 1970er Jahren wurde das Design noch konsum- und gesell-
schaftskritischer. Das ‚Anti Design‘ und das ‚Radical Design‘ gingen aus
den Revolten gegen das ‚hedonistische Establishment‘ hervor.
Es wurde eine Opposition zum Normalen geschaffen.
Die Kehrseite der Moderne, des Rationalen und des Funktionalismus
wurde den kritisch Gestaltenden, vor allem durch Trabantensiedlungen
oder auch Neubausiedlungen vor Augen geführt. „Waschbetonkübel auf
Abstandsgrün“ 2 wurde diese Architektur geschimpft. Die Form verkam,
nach dem Verständnis der neuen Generation, zu Bedeutungslosigkeit
und die Grenze der Reduzierung war erreicht.3
Das Ende der Moderne wurde ausgerufen und der Übergang zur
Postmoderne begann.

_________________
1 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 225
2 Rudhof, Bettina: Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann, Hamburg 2001, S. 54
3 Vgl. Eisele 2014 (wie Anm. 1), S. 245, 246
Bofinger Stuhl
      / Architekturbüro Bätzner, 1966

                                        24

_________________
In der Postmoderne wurde das Spektrum des Designs besonders
beleuchtet. Feste Regeln und Prinzipien wurden weiterhin stark hinter-
fragt und überwunden.
Design sollte Zeichen setzen, sollte Geschichten erzählen. Mehrdeu-
tigkeit, Verwirrung, Flüchtigkeit, Unbestimmtheit, Flexibilität, Zufall und
Spiel waren Faktoren der Zeit.1
Das ‚Radio in a Bag‘, welches im Jahr 1981 von Daniel Weil, einem
englischen Architekten und Industriedesigner entwickelt wurde, visuali-
sierte Auflösung der Moderne und die Freiheiten der Postmoderne.
Der technische Fortschritt brachte die Mikroelektronik mit sich, diese
passte schnell nicht mehr zu den überdimensionalen Gerätehüllen. So
änderte sich auch die Ration zwischen Mensch und technischem
Objekt. Die Deutung des Design wurde hinterfragt, da das
Zugestaltende immer unsichtbarer wurde.                                                      25
Daniel Weil machte das Radio zweidimensional. Er platzierte die Elek-
tronik in einer transparenten Plastiktüte und zog die Luft heraus. Die
Einzelteile waren nun nur durch die Tüte miteinander verbunden. Die
Notwendigkeit klassischer Konstruktionen und Verbindungen wurde
hinterfragt. Für die Auflösung, dieser eigentlich so wichtigen Grundbau-
steine der Gestaltung, stand dieses Radio in der Tüte.2
Es erscheint mehr wie eine Grafik, als wie ein Gebrauchsgegenstand.
Die Benutzung zwingt die Konsumierenden zum Nachdenken.

Dieser Bruch mit Gewohnheiten ist auch ein wichtiges Merkmal von
dem ‚Neuen Deutschen Design‘. Die Kritik an der Gesellschaft wurde
direkt durch die ausdrucksstarken Objekte projiziert.3
Dies wiederum änderte sich mit den 1990er Jahren.

_________________
1 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 282
2 Vgl. Eisele 2014 (wie Anm. 1), S. 293
3 Vgl. Rudhof, Bettina: Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann, Hamburg 2001, S. 64
Radio in a Bag
      / Daniel Weil, 1981

                            26

_________________
Nach den aufregenden Jahren der Revolte, der Exzentrik und der
symbolschwangeren Alltagsgegenstände wurden die Rufe nach mehr
Schlichtheit und Handwerk im Design laut. Das ‚Neue Deutsche Design‘
entwickelte sich zur ‚Neuen Einfachheit‘.
Wichtige Faktoren waren und sind bis heute Funktionalität, Herstellung,
Material, Konstruktion, sowie eine geringe Umweltbelastung.1
Ein Pionier der ‚Neuen Einfachheit‘ war der Designer Axel Kufus mit
dem ‚FNP-Regalsystem‘, welches er im Jahr 1989 entwickelte.
Das Regal, welches laut Nils Holger Moormann, einfacher nicht sein
kann, wird werkzeuglos, ohne Schrauben und nach
dem Prinzip aufgebaut:

       „seite hält schiene /
       schiene hält boden /                                                                      27
       boden hält schiene /
       schiene hält seite“ 				(Axel Kufus)2

Das Regal besteht ausschließlich aus geschlitzten Böden, Wangen
und eingesteckten Aluminiumschienen. Dieser Materialmix, sowie die
schlichten Verbindungen lassen das Regal so stringent und linear er-
scheinen. Die Vereinfachung aller Faktoren war die Maxime hinter dem
Entwurf. Die Montage und Demontage, Auslieferung, Herstellung und
die Verbindungen wurden darauf angepasst.3

_________________
1 Vgl. Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 284
2 Eisele, Petra: Klassiker des Produktdesigns. Reclam, Stuttgart 2014, S. 323
3 Vgl. Rudhof, Bettina: Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann, Hamburg 2001, S. 71, 72
FNP - Regalsystem
      / Axel Kufus, 1989

                           28

_________________
Kanthölzer und Polycapralactonwachs sind die Bestandteile des ‚Work-
shop Chairs‘ von Jerszy Seymour. Beide Materialien sind komplett
biologisch abbaubar.
Das Wachs ist eine Art thermoplastischer Kunststoff, welcher ab einer
Temperatur von 58°C weich wird und dient als Kontruktionsmittel.1
Die Verbindungen werden aus diesem Material mit den eigenen
Händen geformt.
Der Aufbau wird zur sinnlichen Erfahrung. Die Freiheit, Kreativität und
Energie des Einzelnen wird zum Werkzeug und hat Einfluss auf die Ge-
staltung. Jede Person, jede*r Amatuer*in2 kann diesen Stuhl
herstellen. Das ist ein wichtiges Prinzip in Seymours Arbeiten, die
Inter- aktion Aller an Allem. Diese Prinzipien machen ‚Workshop Chair‘
zum ‚Social Furniture‘.3
Die Idee sowie die Bauweise stehen im Kontrast zur Professionalität                                 29
und Perfektion der digitalen Moderne.

_________________
1 Vgl. FANCY A JOINT?  (24.08.2020, 18:19)
2 Vgl. Bette Katalog, System und Freiheit, Berlin 2017, S. 37, 38
„Wir wollen
                                                              die Welt aufbauen,
                                                              nicht dekorieren.“
                                                                          Enzo Mari 1t
        Workshop Chair
        / Jerszy Seymour, 2009

                                                                                         30

_________________
1 Enzo Mari, Bette Katalog, System und Freiheit, Berlin 2017, S. 37, 38
4. MENSCHEN, DINGE UND
   VERBINDUNGEN

Menschen und Dinge können ohne Verbindungen nicht sein.
Menschen sind sozial eingebunden in Freundeskreise, Familien, Ver-
eine, Schulklassen oder in Communities. Diese Verbindungen sind für
viele Menschen sehr wichtig und identitätsstiftend. Vor allem die Familie
ist für die meisten eine nicht wegzudenkende Verbindung zu anderen
Menschen.
Noch im 19. Jahrhundert war die Familie und eine enge Gemeinschaft
überlebensnotwendig. Die Angehörigen sorgten füreinander und lebten
miteinander in einem Haus. Viele Menschen lebten in einem Gebäude,
von ihrer Geburt bis zum Tod. So war alles für sesshafte, an einen Ort                           31
gebundene Menschen konzipiert.1
Die Möbel waren massive Arbeiten aus Tischlereien.
Sie waren für die Ewigkeit gebaut.
Zwischenmenschliche, vor allem familiäre Verbindungen waren so fest
verbunden, wie die Möbel in ihrem Haus.
Dies änderte sich mit der gewaltigen Umwälzungen, die mit der In-
dustrialisierung einher ging. Fortan bestimmte für viele nicht mehr die
traditionelle Landwirtschaft den Wohnort, sowie die sozialen Bindungen
der Menschen, sondern der Arbeitsplatz in der Industrie. Der Alltag war
nicht länger an die natürlichen Tages- und Jahreszeiten gebunden,
sondern an die Rhythmen der Fließbänder und die Zeiten der Stechuhr.
Soziale Verbindungen wurden lockerer und dynamischer.2
Diese Dynamik machte sich auch nach und nach in der Gestaltung der
Dinge des Alltags bemerkbar. Möbel wurden nicht mehr nur gestaltet,
um fest an einem Ort zu stehen. Andere Dinge wurden für eine mobile
Gesellschaft erfunden.
_________________
1 Vgl. Harari, Yuval Noah: Eine kurze Geschichte der Menschheit.34. Aufl., München 2013, S.434
2 Vgl. Harari 2013 (wie Anm. 1), S. 437, 438
In der postindustriellen Gesellschaft entwickelte sich diese Mobilität im
kulturellen, geistigen, räumlichen, sozialen und virtuellen Kontext weiter.
Gleichzeitig wurde den Menschen durch Ungebundenheit die Privat-
sphäre immer wichtiger und so auch die Beziehung zu den Dingen, die
sie umgeben.1
Mit diesen Dingen sind Menschen eng verbunden, denn der Alltag
hängt von ihnen ab. Möbel haben in diesem Kontext verschiedene,
ebenfalls verbindende Funktionen.
Eine Bank im Park verbindet Fremde, der Bürostuhl verbindet Arbeiten-
de mit ihrem Arbeitsplatz. Das gemütliche Bett verbindet die schlafende
Person mit den eigenen Träumen und dem nächsten Tag. Ein großer
Esstisch verbindet die Familie beim gemeinsamen Abendbrot und ein
Hocker verbindet das Kind mit dem Süßigkeitenfach ganz oben im Kü-
chenschrank.                                                                            32

Zu einigen Dingen haben Menschen eine besonders feste Verbindung,
welche von Emotionen, Empathie und Interaktionen abhängt.2
Im Gegensatz dazu steht jedoch die Schnelllebigkeit und das
Konsumverhalten in einer kapitalistischen Gesellschaft, in der Produkte
in Massen und immer verfügbar sind. Damit stets neue Produkte
gekauft werden, zeugen sie von keiner langen Haltbarkeit und müssen
schnell ausgetauscht werden. Eine Veränderung der
konsumorientierten Produktionsweise würde zu einer Steigerung der
Wertschätzung und zu einem bewussteren Umgang beitragen und die
Produktkultur nachhaltig entwickeln.
Diese sozialen Aspekte in Designprozesse einzubinden könnte die
Mensch-Ding-Beziehungen positiv beeinflussen.

_________________
1 Rudhof, Bettina: Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann, Hamburg 2001, S. 80
2 Weniger, Marta: Empahthie und Design. Düsseldorf 2019
Das Gefühl gebraucht zu werden löst bei vielen Menschen eben sol-
che Empfindungen aus. Zu einem Möbel, welches den Menschen aktiv
braucht, um ‚zu überleben‘, könnte theoretisch schnell eine enge Ver-
bindung aufgebaut werden.
Eine Zimmerpflanze braucht den Menschen, um zu überleben. Sie ist
auf das regelmäßige Gießen, das gelegentliche Düngen und Umtopfen
angewiesen. Im Gegenzug produziert die Pflanze Sauerstoff und sorgt
für ein gutes Raumklima.

Möbel werden gekauft, aufgebaut und dann zu Alltagsgegenständen,
zu vergessenen und eingestaubten Artefakten oder zu Dekoration.
Ein Möbel, das der Mensch gießen muss, könnte also Emotion,
Empathie und Interaktion generieren und eine feste Mensch-Ding-
Beziehung entstehen lassen.                                               33
Wenn unbehandeltes Vollholz, insbesondere Hirnholz, in Berührung mit
Wasser kommt, quillt es. Ist dieses Stück Holz in einer formschlüssigen
Verbindung, welche im trockenen Zustand locker sitzt, wird sie fest,
sobald Wasser hinzukommt.
Wird die Verbindung nicht bewässert, schwindet das Holz wieder und
die Verbindung lockert sich.

Diese Verbindung im Möbelkontext, würde den Menschen demzufolge
brauchen, um stabil zu bleiben. Der Hocker, der Tisch und auch die
Bank könnte nur sein, wenn sie versorgt und bewässert werden.
Die Mensch-Ding-Beziehung würde so von beiderseitigen Bedürfnissen
gesteuert. Der Mensch ist abhängig von den Funktionen des Möbel-
stücks und das Möbelstück ist Abhängigkeit von der Interaktion des
Menschen.

_________________
Diese Art der Verbindung wäre von grundlegender EInfachheit. Durch
die elementaren Materialien Holz und Wasser, würden die natürlichen
Eigenschaften des Holzes genutzt werden.
Der einfache Aufbau wäre eine Erfahrung der Natur für alle Nutzenden.
In diesem Kontext könnte man auch hier von einem ‚Social Furniture‘
sprechen.

                                                                        34
5. FAZIT

Durch die theoretische Auseinandersetzung ist klar geworden, dass sich
Verbindungen im Möbel- und Produktdesign, vor allem nach der
Industrialisierung stetig weiter entwickelt haben.
Mit den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen änderten sich
ästhetische, funktionale und moralische Ansprüche.
Vor der industriellen Revolution wurden noch keine Möbelstücke in die
ganze Welt verschickt. Doch es wurde möglich gemacht, durch
innovative Designlösungen und Verbindungen.
Möbel, wie der Stuhl Nr. 14 sind heute auf der ganzen Welt bekannt,
weil sie modular konstruiert wurden und mit wenigen Schrauben            35
aufgebaut werden konnten.
Der Ulmer Hocker entstand aus der Not heraus und wurde zum Symbol
der ‚HfG‘ Ulm. Die Variabilität des Möbels eröffnete neue Welten und
war so auch die Verbindung in eine neue Gesellschaft nach dem Krieg.
Dinge und deren Verbindungen sind Spiegel ihrer Zeit.
Als Weiterführung der theoretischen Auseinandersetzung mit dem
Thema, ist es mein Ziel geworden eine Verbindung zu entwickeln,
welche auf die aktuellen Debatten um die Beziehungen zwischen
Mensch und Ding eingeht.
Diese soll dazu beitragen, dass wir die Dinge um uns herum bewusster
wahrnehmen und uns mit ihnen verbundener fühlen.
Auf folgende Verbindungen bin ich in diesem Kontext gestoßen:

Verbindungen zwischen Menschen
Verbindungen zwischen Menschen und Dingen
Verbindungen zwischen den Teilen der Dinge
_________________
Ein Objekt, dessen Verbindungen, wie im letzten Kapitel beschrieben,
aus den natürlichen Komponenten Holz und Wasser bestehen, ist auf
die Interaktion des Menschen angwiesen.
Das würde bedeuten, dass die konstruktive Verbindung, die
Mensch-Ding-Verbindung voraussetzt und stärkt.
Bei Abwesenheit der Person, würde zudem noch die zwischenmensch-
liche Ebene hinzukommen. Denn ohne die Interaktion würde das Objekt
die Konstruktion und Funktion verlieren, also müsste eine andere Per-
son diesen Part übernehmen.

Diese Verbindung wäre ein Perspektivwechsel und die Objekte, welche
in meiner praktischen Arbeit entstehen, sollen verbinden.

Denn ohne Verbindungen kann nichts existieren.                          36

_________________
6. ANHANG

      Literaturverzeichnis

Bücher:

Eisele, Petra:      Klassiker des Produktdesigns. Reclam,
			Stuttgart 2014
Rudhof, Bettina:    Design. Rotbuch 3000, hg. von Martin Hoffmann,
			Hamburg 2001
Harari, Yuval Noah: Eine kurze Geschichte der Menschheit.              37
			                 34. Aufl., München 2013
Mareis, Claudia:    Theorien des Designs. zur Einfürhrung,
			                 2. Aufl., Hamburg 2016
Hans J. Fahrenwaldt, Volkmar Schuler: Praxiswissen Schweißtechnik:
			                 Werkstoffe, Prozesse, Fertigung., Wiesbaden 2011

Artikel:
			      Interview mit Jerszy Sermour
			      Social Furniture. Bette Katalog, System und Frei
			heit, Berlin 2017

			 Holzverbindungen im japanischen Möbelbau
			 Festool GmbH, Magazin Holzidee 10,
			Wendlingen 2010
Internet:

< https://www.designboom.com/design/u-joints-exhibition-plusde-
sign-gallery-milan-design-week-04-17-2018/>
< https://www.hs-pforzheim.de/fileadmin/user_upload/uploads_redak-
teur/Forschung/heedPF/Dokumente/Empathie_und_Objekt_FIN.pdf>
(Masterthesis: Empathie und Objekt. Marta Weniger, Hochschule
Pforzheim, 2019)
Abbildungsnachweise

Abb. 1   Pearl Screws, Soft Baroque, 2014
		< https://64.media.tumblr.com/fcc300d00a7d1aaf198100e
		3de031703/tumblr_inline_p589mpUCoC1t35e77_500.jpg>
		(22.08.2020, 10:23)
Abb. 2   Stuhl Thonet
		
		(22.08.2020, 10:36)
Abb. 3   Welded gas pipe cantilever pipe chair, Mart Stam, 1926
		 
		(22.08.2020, 16:34)                                                 39
Abb. 4		 Unterricht auf der Terrasse der HfG Ulm 1955, Fotografie:
		       Ernst Scheidegger / Archiv hfg
		
		(22.08.2020, 15:57)
Abb. 5		 Philip Rosenthal (Mitte) aus dem Rat für Formgebung prä-
		       sentiert Ludwig Erhard (rechts) 1966 einen Bofinger-Stuhl.
		       Links im Bild steht Bauhaus-Gründer Walter Gropius.
		       Fotografie: Rosenthal
		        (23.08.2020, 12:27)
Abb. 6		 Radio in a Bag, Weil, Daniel, 1981
		
Abb. 7		 FNP Regalsystem, 1989
Abb. 8		 Workshop Chair
		
                                                       40
Selbstständigkeitserklärung

zur ,Thesis‘ mit dem Thema:

      Verbindungen - gestaltete Zusammenhänge

Ich, Bianca Bluhm, erkläre gegenüber der Fakultät Angewandte Kunst
Schneeberg (AKS/WHZ), dass ich die vorliegende Bachelor-Arbeit
selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen
Quellen und Hilfsmittel angefertigt habe.

Die vorliegende Arbeit ist frei von Plagiaten.                          41
Alle Ausführungen, die wörtlich oder inhaltlich (sinngemäß) aus
anderen Quellen entnommen sind, habe ich als solche eindeutig
kenntlich gemacht und nachgewiesen.

Diese Arbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form weder von mir noch
von jemand anderen als Prüfungsleistung (d.h. weder an der AKS/WHZ
noch andernorts) eingereicht und ist auch noch nicht
veröffentlicht worden.

Schneeberg, 31.08.2020
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