Vereinfachung des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer Vernehmlassung
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Herrn Bundesrat Hans-Rudolf Merz Eidgenössisches Finanzdepartement Bundesgasse 3 3003 Bern 31. Juli 2007 Vereinfachung des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer Vernehmlassung Sehr geehrter Herr Bundesrat Merz Sehr geehrte Damen und Herren Sie geben uns die Möglichkeit zur Thema der Vereinfachung des eidgenössischen Mehrwertsteuergesetzes Stellung zu nehmen. Wir bedanken uns dafür und verdichten die individuellen Befindlichkeiten zu einer kompakten Beurteilung aus Sicht der Querschnittsbranche Tourismus. I. Vorbemerkung Der Schweizer Tourismus-Verband STV ist die nationale tourismuspolitische Dach- organisation mit mehr als 600 Mitgliedern, darunter rund 40 schweizerischen Branchen- und Fachverbänden des Tourismus mit insgesamt rund 30'000 touristischen Leistungserbringern, bzw. KMU-Betrieben. Als Vertreter des drittgrössten Exportbereichs der Schweizer Wirtschaft (Einnahmen rund 22,8 Milliarden Franken / Anteil BIP 5,1 Prozent / 324'000 FTE) setzen wir uns auch für finanzielle und fiskalische Rahmenbedingungen ein, die die wachstumsorientierte, internationale Wettbewerbsfähigkeit auf Basis marktnaher tourismus- /politischer Instrumentarien zum Ziel haben. Die Finanzpolitik, bzw. das möglichst einfach und transparent ausgestaltete Steuersystem, nimmt massgeblich Einfluss auf Handlungs- spielraum und Erfolg der Unternehmer in der dienstleistungsorientierten Tourismusbranche. Geprägt durch den Querschnittscharakter und die Heterogenität der Marktteilnehmer, bündeln sich im Tourismus die existentiellen Interessen unterschiedlichster Wirtschafts- partner. II. Grundsätzliches Der STV unterstützt die Bestrebungen des Bundes für die Vereinfachung des Mehrwert- steuersystems und sieht die Gelegenheit gegeben, anerkannte Mängel, wie Ungleich- behandlung von Detailhandel, Gastgewerbe- und Beherbergung oder Benachteiligung des
öffentlichen Verkehrs zu eliminieren und den aktuell bis 2010 befristeten, wettbewerbs- politisch wichtigen Sondersatz für Beherbergungsleistungen abzusichern. Es bleibt dabei kritisch festzuhalten, dass leider kein klar vereinfachtes Modell ohne steuerliche Ausnahmen- regelungen präsentiert wird. Der Vorschlag „Einheitssatz“ und deren Variante mögen nicht zu überzeugen – wir kommentieren aus diesem Grund primär das Modul „Steuergesetz“ und das von uns favorisierte Modul „2-Sätze“. Der modulare Aufbau der Vorlage und deren vorgeschlagene Inhalte erfordern differenziertere Betrachtungen und Änderungsanträge, die wie im Wesentlichen wie folgt darstellen wollen: III. Analyse der Module 1. Modul Steuergesetz: Dieses trägt in grossen Teilen zu beabsichtigten Vereinfachungen bei, bewirkt materielle wie formelle Erleichterungen, Klarheit und festigt die Rechts- sicherheit. Wir erkennen jedoch konkreten Handlungsbedarf zu folgenden Artikeln der MWSTG-Reform: a. Art. 3 Begriffe, Buchstabe h: Es besteht Bedarf zu klareren Formulierungen im Bereich der Nicht-Entgelte (Forderungsverzichte bei Sanierungen und Umstrukturierungen). Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die konkreten Vorschläge der Treuhandkammer, bzw. die Stellungnahme von hotelleriesuisse. b. Art. 9 Steuerpflicht: Die Konzentration auf einen Grenzwert wird begrüsst. Im Interesse nichtorientierter, ehrenamtlich geführter Sport-/Freizeitvereine und – verbände befürworten wir die Beibehaltung einer Mindestumsatzlimite von CHF 150'000.- gem. heutigem Art. 25 Abs 1 lit d MWSTG und verweisen auf die Beurteilungen der Swiss Olympic Association. c. Art. 16 Mehrere zusammenhängende Leistungen, Absatz 2: Die Regelung soll gemäss Entwurfstext eine wesentliche Vereinfachung darstellen. Sie kann aber branchenüblichen Pauschalen, bzw. komplexen Angebotsbündeln nicht genügen. Wir regen an, dass eine branchenspezifische Regelung im Rahmen der Verwaltungskompetenzen gem. Art. 50 E-MWSTG gemeinsam mit den involvierten Partnern definiert wird. d. Art. 18 Unecht befreite Leistungen: 1. Obwohl mit den Neuformulierungen bloss die „bessere Handhabung und leichtere Verständlichkeit, jedoch keine wesentlichen Änderungen beabsichtigt sind (...)“, ist in der Neufassung der gesamte, äusserst etablierte und bewährte Aktivitätenradius der Berufsverbände und Bildungsinstitutionen im Bereich der beruflichen Fortbildung und der Aus- und Weiterbildung (Art. 18, Punkt 11, bzw. 25 des geltenden MWSTG) „verschwunden“. Eine allfällige Beschränkung auf öffentlich-rechtliche, bzw. -anerkannte Institute führt zu folgeschweren Wettbewerbsverzerrungen. Wir fordern deshalb, dass auch die nicht- staatlichen Bildungsanbieter von der Steuer befreit werden. 2. Spielbanken: Absatz 16 präzisiert die Bereiche der „Durchführung von Glücks- spielen wie Wetten und Lotterien, soweit sie einer Sondersteuer unterliegen“. Sollte dies die ersatzlose Streichung der heute geltenden Ausnahmeregelung für Spielumsätze von Spielbanken bedeuten, wollen wir auf die Notwendigkeit der Weiterführung im Ausnahmekatalog und die detaillierte Argumentationslinie des Casino-Verbandes hinweisen. So erfolgt offensichtlich a) keine Vereinfach- ung durch einen Ausschluss, b) keine Steuerkumulation , bzw. Wettbewerbs- verzerrung (regulatorische Besonderheiten), besteht c) eine besondere 2
Bemessungsgrundlage, entsteht d) eine Belastungskonkurrenz (Spielbankenabgabe und MWST), e) eine geänderte Zweckbestimmung der Abschöpfungen (AHV) und e) sollen die bereits eingeleiteten Überlegungen zu einer Verbesserung der Steuerausnahme im Rahmen des geplanten „Entrümpelungsgesetzes“ aufgenommen und ernsthaft analysiert werden können. e. Art. 22 Steuersätze: 1. Der Verlängerung des MWST-Sondersatzes von 3.6% für Beherbergungs- leistungen wurde mit Aussicht auf die Einführung eines Einheitssatzes bis 2010 zugestimmt. Im Rahmen des Moduls Steuergesetz soll diese zeitliche Terminierung konsequenterweise aufgehoben werden oder terminlich an die zeitversetzte Einführung eines alternativen Reformmoduls gekoppelt werden. Anhaltend wichtige Argumente sprechen für die Weiterführung eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungsleistungen 1: a) Exportförderung: der MWST-Sondersatz ist als fiskalisches Instrument auf der Angebotsseite neben der Nachfrageförderung über Schweiz Tourismus die wichtigste Exportförderung für Tourismusleistungen. Eine Aufhebung des Sondersatzes würde über den Teuerungsschub die Massnahmen zur Förderung des Tourismus in der Schweiz neutralisieren. Der Sondersatz trägt auch zur Absicherung von Arbeitsplätzen, Einkommen und einem höheren BIP bei. b) Wettbewerbspolitik - keine Benachteiligung gegenüber den EU-Ländern: der Verkauf von Logiernächten mit seinen Folgewirkungen auf vor-/nachgelagerte Bereiche (Reisebüros, Transport, Gastronomie, Detailhandel, Kultur, Sport, Unterhaltung) ist deshalb besonders preissensibel. Dieser Tatsache wird innerhalb der Europäischen Union (EU) bereits seit Jahren steuerlich Rechnung getragen. 21 der 25 EU-Staaten sehen im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Nachfrageförderung für die Beherbergung einen MWST-Sondersatz vor. Bei 19 EU-Staaten bewegt er sich sogar zwischen einem Viertel und der Hälfte des jeweiligen Normalsatzes. Die Weiterführung des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen in der Schweiz stellt demzufolge weder eine unerwünschte Strukturerhaltung, noch eine Subvention nach dem Giesskannenprinzip dar, da sie die fiskalische Belastung des Gastes als Endkonsument reduziert. Sie dient lediglich der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber unseren europäischen Mitbewerbern und ist demzufolge geeignet, über eine Stimulation der Nachfrage das Wachstum und dadurch den Aufschwung im Tourismus zu unterstützen. c) Strukturpolitik - das hohe Kostenniveau in der Schweiz: ein weiterer Faktor im internationalen Wettbewerb bildet das Wechselkurs-Verhältnis des Schweizer Frankens sowie das allgemeine Preis- und Kostenniveau, das für viele Güter und Dienstleistungen in der Schweiz deutlich über demjenigen der umliegenden EU-Staaten liegt. Speziell betroffen davon ist der Tourismus, der sowohl auf dem Inlandmarkt, wie auch beim Export aus dem EU-Raum konkurrenziert wird. Hinzu kommt, dass der Tourismus seinen Standort nicht einfach ins Ausland verlagern kann und die meisten Vorleistungen (Arbeitsleistung, Immobilien, Lebensmittel etc.) in der Schweiz beschaffen muss. Die Sicherstellung der preislichen Wettbewerbs- fähigkeit stellt angesichts der bedeutenden Preisunterschiede eine der grössten strukturpolitischen Herausforderungen des Tourismusstandorts Schweiz dar. Der Sondersatz für Beherbergungsleistungen kann diese Unterschiede zwar nicht wettmachen; gleiche Rahmenbedingungen, wie unsere Mitbewerber sie kennen, sind aber für die Schweizer Hotellerie ein wichtiger Faktor für eine nachhaltige, marktorientierte Strukturentwicklung. 1 Quelle: Positionspapier Mehrwertsteuer hotelleriesuisse, STV, Gastrosuisse 2005 3
2. Um die an-/erkannten Ungleichbehandlungen von Gastgewerbe und Detailhandel im Bereich des MWST-Satzes zu eliminieren und einen konkreten Beitrag zu Vereinfachungen zu leisten, soll Art. 22/1a2. im Modul Steuergesetz so abgeändert werden, dass der reduzierte Satz von 2.4% auch für Ess- und Trinkwaren (ausgenommen alkoholische Getränke) gilt, die im Rahmen von gastgewerblichen Leistungen abgegeben werden. 3. Personenbeförderung im öffentlichen Verkehr mit einem reduzierten Satz: Solidarisch mit den Argumentationen der Partner VÖV und LITRA befürworten wir eine steuerliche Privilegierung des öV mit einem Satz von 2.4% (Modul „2-Sätze“: 3.4%) „als „Dienstleistung des täglichen Bedarfs“ – wie sie die europäischen Staaten bereits kennen. Der „grenzenlosen Mobilität“ erfreuen sich unzählige Besucher aus dem Ausland. Zusammen mit dem Potential an Schweizer Gästen kann die Bevorzugung als konstruktiver Förderungsbeitrag und Anreiz zum nachhaltig sorgfältigen Umgang mit Natur und Umwelt gewertet werden. f. Art 25 Kürzung des Vorsteuerabzugs: Objektiv betrachtet und in der Vernehmlassungsantwort des VÖV im Detail argumentiert, ist die Vorsteuerkürzung bei Subventionsempfängern anerkannterweise ein „administrativer Leerlauf“, der höhere Kosten beim Unternehmen zur Folge hat, höheren administrativen Aufwand auslöst, zu höheren Abgeltungen – und höheren Vorsteuerkürzungen führt. Die Expertenbeurteilungen plädieren klar gegen die Kürzungen. Der im Bericht unter 6.1.5 Reformmöglichkeit: Heutiger Subventionsbegriff, aber ohne Vorsteuerabzugskürzung, als Alternative 3 skizzierte Ansatz ist umzusetzen, zumal die Vorteile der Lösung deren potentielle Nachteile übertreffen. g. Art 66 Auskunftsrecht: Wir begrüssen die Schaffung des Anspruchsrechts für KMU nach rechtsverbindlichen Auskünften der ESTV innert angemessener Frist. Da die MWST-Abrechnung mehrheitlich externen Beratern anvertraut wird, regen wir an, dass dieses Recht auch auf entsprechend Bevollmächtigte ausgedehnt wird. 2. Modul „Einheitssatz“: Mit dem vorgeschlagenen Modul wird wohl ein 1-Satzmodell vorgestellt, das grundsätzlich auch von Exponenten der Tourismusindustrie befürwortet wird. Allerdings enttäuscht die Vorlage auf Basis der diffusen Ausnahmeregelungen und der beiden (zu) hohen Ansätze von 6.0%, bzw. 6.4% und muss in den vorliegenden Formen abgelehnt werden. Dem preissensiblen Gefüge der exportorientierten Beherbergungsindustrie, ohne Möglichkeit der steuerlichen Befreiung der Gäste, kann so nicht Rechnung getragen werden – zumal die wettbewerbliche Konkurrenzfähigkeit unseres Landes damit weiter torpediert würde. Die breit analysierten, anerkannten Standortnachteile diesbezüglich2 paaren sich mit der ausgeprägten Abhängigkeit der jeweiligen Wechselkursverhältnisse und prägen markante Abweichungen in den Kaufkraftparitäten zum Euro aus. Die aktuell günstigen Prognosen dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass die massgeblichsten Anteile des Wirtschaftsboom auf Export- erfolgen und weltweiten Investitionsaktivitäten Schweizer Unternehmer basieren. Die Standortgebundenheit „unseres“ Tourismus bedarf deshalb der besonderen Aufmerk- samkeit im fragilen Gefüge weltwirtschaftlicher und –politischer Zusammenhänge. Die kompensierenden Massnahmen des sozialpolitischen Korrektivs von 0.1%, bzw. der Einlagesteuerung von 0.1% führen zu befristeten, administrativen Mehrbelastungen, die nicht überwälzt werden und deshalb unsere Zustimmung nicht finden können. 2 Untersuchung World Economic Forum zur Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz, 2007 4
3. Modul „2-Sätze“: Dieses Modul kommt den angestrebten Bedingungen am nächsten. In Übereinstimmung mit den Einschätzungen der wichtigsten Partnerverbände favorisieren wir diese Variante. Sie bündelt die Dienstleistungen des Gast- und des Hotelgewerbes, trägt dem Exportcharakter Rechnung (s. Art. 22 Steuersätze und beseitigt die bestehenden Ungleichbehandlungen. 4. Weitere Reformmöglichkeiten: wir verweisen auf den Bereich des unter III. Analyse der Module, Modul Steuergesetz, f. Art 25 Kürzung des Vorsteuerabzugs festgehaltenen Antrags gegen die Vorsteuerkürzung bei Subventionsempfängern. Wir danken Ihnen für die Berücksichtigung unserer Anliegen im Voraus bestens und stehen Ihnen für zusätzliche Informationen jederzeit gerne zur Verfügung. Freundliche Grüsse Schweizer Tourismus-Verband Franz Steinegger Mario Lütolf Präsident Direktor 5
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