Vergessene Monumente 1/2020 - Römermuseum Remchingen
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1/2020 Vergessene Monumente Digitale Rekonstruktionen historischer Bauwerke Aktuelle Forschungsprojekte im Römermuseums Remchingen 1
Liebe Leserin, lieber Leser, 2020 ist ein „verrücktes“ Jahr. Für die Kultur bedeutete das Jahr herbe Ein- schnitte, so auch für die Museen. Das Römermuseum Remchingen war den größten Teil des Jahres geschlossen und die gerade im Februar eröffnete Ausstellung „PERERGRINATIO. Die Geschichte des Pilgerns und der Wall- fahrt.“ konnte nur zwei Wochen gezeigt werden. Nach einer kurzen Erho- lung im jedoch stets besucherschwachen Sommer kam nun mit dem Herbst und Winter die nächste Schließung. Für ein ehrenamtlich geführtes Haus wie unseres ist das eine Herausforderung. Diesem Umstand ist auch ge- schuldet, dass wir unser Museumsmagazin in der jüngsten Vergangenheit seltener erscheinen lassen können. Nun möchten wir uns aber mit dieser neuen Ausgabe wieder zurückmelden und freuen uns sehr, Ihnen die Forschungsergebnisse der letzten Jahre zei- gen zu können. Seit 2012 führte das RMR 18 Projekte zur digitalen Rekon- struktion historischer Bauwerke durch. Einen kleinen Teil der Ergebnisse präsentieren wir erstmalig in dieser Ausgabe. Das Magazin RMR Aktuell ist kostenlos und kann gerne abonniert werden. Nun wünsche ich Ihnen viel Freude mit der Lektüre und danke Ihnen im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums für Ihr Interes- se. Es grüßt Sie mit allen guten Wünschen, Ihr Jeff Klotz INHALT Museum aktuell ................................................................................... 3 Vergessene Monumente / Einführung .................................................. 6 Eine bedeutende Wallfahrtskirche ....................................................... 8 Wer rekonstruiert? Ralph Eggers .......................................................... 10 Das „berühmte“ Pforzheimer Predigerkloster ...................................... 11 Das römische Remchingen ................................................................... 12 Das Schloss Weiler ............................................................................... 14 St. Maria Magdalena Tiefenbronn 1961 und 2020 ................................. 16 Ehrenamt ............................................................................................. 17 Impressum ........................................................................................... 19 Bei Fragen: info@roemermuseum-remchingen.de Bild auf der Titelseite: Wallfahrtskirche St. Barbara in Langensteinbach mit einer digitalen Teilrekonstruktion des Langhauses im Zustand um 1470. Foto: Ewald Freiburger, Rekonstruktion Ralph Eggers. 2
MUSEUM AKTUELL „PEREGRINATIO. Die Geschichte des Pilgerns und der Wallfahrt.“ Die Ausstellung wird bis Ende 2021 verlängert. Aufgrund der Corona-Pandemie hatte das Römermuseum Remchingen 2020 mit vielen Schließzeiten zu kämpfen. Gerade in den beiden für das Museum wichtigsten Jahreszeiten, Frühjahr und Herbst, mussten weitestgehend alle Veranstaltungen und Führungen abgesagt werden und im März und April und nun wieder seit November ist das Museum in Gänze geschlossen. Wir haben uns daher entschieden, die Sonderausstellung bis November 2021 zu verlängern, damit noch ausreichend Zeit besteht, die Ausstellung zu besu- chen. Alle Leihverträge konnten verlängert werden, sodass die Ausstellung auch unverändert bestehen bleiben kann. Das Römermuseum Remchingen dankt allen Leihgebern dieser Sonderausstellung. Blick in den Glassaal des Römermuseums Remchingen im Sommer 2020. Foto: Ewald Freiburger. 3
MUSEUM AKTUELL Planungen für 2021 Was wir im Römermuseum Remchingen planen. Monika Foemer, Helene Schwarz und Jeff Klotz Modellbauer Dieter Cöllen (rechts im Bild) präsentiert sein Modell des inzwischen zerstörten Tempels von Palmyra bei der Ausstellungseröffnung im RMR im Frühjahr 2020. Foto: Ewald Freiburger. Noch ist nicht absehbar, inwieweit der Museumsbetrieb auch in 2021 eingeschränkt sein wird, aber schon jetzt stellt sich das Team des RMR darauf ein, dass erst gegen Mitte des neuen Jahres mit einem allmählich wieder geregelten Betrieb zu rechnen ist. Sobald das Museum und das Museumscafé wieder öffnen dürfen, sollen wieder Führungen angeboten werden (sofern diese erlaubt sein werden). Komplexer gestaltet sich die Veranstaltungsplanung. Es ist davon auszugehen, dass für län- gere Zeit keine analogen Vortragsformate im Museumscafé mehr möglich sein werden. Aus diesem Grunde soll ab Frühjahr 2021 ein digitales Vortragsprogramm angeboten werden. 4
MUSEUM AKTUELL Einblick in das Museum im Herbst 2019: Die Ausstellung „Mythos Jerusalem“ ist zu sehen. Foto: J. Klotz. Rückblick auf „Mythos Jerusalem“ Zu den Höhepunkten der Geschichte des RMR in den zurückliegenden elf Jahren gehörte die Sonderausstellung „Mythos Jerusalem. Der Oberrhein und das Heilige Land.“ Die Ausstellung endete im November 2019, darauf folgte eine bis Februar andauernde Umbauphase. Leider musste das Museum kurz nach der Neueröffnung bereits wegen der Corona-Pandemie im März wieder geschlossen werden. Aus der Ausstellung „Mythos Jerusalem“ entwickelten wir viele Gedanken, die in die neue Ausstellung „PEREGRINATIO“ eingeflossen sind: So wurde die Bedeutung Jerusalems für die Geschichte des Pilgerns aufgegriffen. Auch wurden die Karten, welche die Pilgerrouten nach Santiago de Compostela erläutern, beibehalten. Die neue Aus- stellung ist also eine Erweiterung und Fortführung von Mythos Jerusalem. 5
VERGESSENE MONUMENTE Vergessene Monumente – Das Beispiel Hirsau Wie das RMR in verschiedenen Projekten seit 2009 abgegangene Ge- bäude rekonstruiert und so im Gedächtnis hält. Jeff S. Klotz Ehe die Rekonstruktionsarbeit beginnt, gilt es die Fassadenelemente und –Strukturen einzumessen und Hilfslinien zu zeichnen. Foto: Ralph Eggers. Digitale Rekonstruktionen sind ein komplexes Thema. In der wissenschaftlichen Auseinander- setzung waren sie lange ungern gesehen, galt doch die Methodik ihrer Erstellung als unzu- reichend. Inzwischen hat sich dies massiv gewandelt. Digitale Rekonstruktionen sind zum fes- ten Bestandteil auch des universitären Arbeitens geworden. Spannend wird die Erarbeitung eines Digitalisats immer dann, wenn nur ein Teil des Gebäudes ausgehend von einem Befund (Bsp. ein Grundriss) generiert werden kann. Wie geht man dann vor? Wenn keine schriftlichen Beschreibungen vorliegen, kann die Betrachtung vergleichbarer Gebäude zumindest einen Hinweis geben. In wenigen Fällen existiert sogar ein anderes Gebäude des gleichen Architekten – sofern bekannt – noch, sodass die Bauausführung an einem anderen Gebäude als Hilfsmittel herangezogen werden kann. Dennoch bleibt stets auch Luft für Hypothesen. Die Arbeit mit digitalen Rekonstruktionen macht es erforderlich, Vorschläge zu machen, die dann diskutiert, modifiziert oder gegebenenfalls revidiert werden können. Viele derzeit für die antike Baufor- schung relevante Projekte wurden durch Digitalisierungsvorhaben neu „befeuert“ (Bsp. Laden- burg). Wir stellen in dieser Ausgabe der RMR aktuell eine Auswahl gelungener Digitalisierungs- projekte der zurückliegenden Jahre vor. 6
VERGESSENE MONUMENTE „Rekonstruktionen erfordern Mut, eine Hypothese aufzustellen, welche immer wieder revidiert werden kann, die aber einem Brei- tenpublikum einen ersten Eindruck ermöglicht.“ Jeff S. Klotz beim Neujahrsempfang im Januar 2016 Die beinahe abge- schlossene Rekon- struktion des Jagd- schlosses Hirsau. Wie die Markierungen zeigen, werden noch Fassadenelemente diskutiert. Als Vorlage dienen Gebäude, die zeitlich und architek- tonisch in einer Tradi- tion stehen – wie etwa das Schloss Heidel- berg oder das Rathaus in Gernsbach. Foto: Ralph Eggers. Die Geschichte des Klosters Hirsau endete jäh, als bereits 1535 in Württemberg die Reformation eingeführt wurde. Der Konvent wurde aufgelöst, lediglich Abt Schultheiß verblieb bis zu seinem Tod im Kloster. Herzog Christoph von Württemberg ließ 1556 schließlich eine evangelische Klos- terschule in Hirsau einrichten. Die neuen Machtverhältnisse zeigen sich nach der Reformation vor allem im Bau des Jagd- schlosses, das sich Herzog Ludwig von Württemberg in den Jahren 1589 bis 1593 im Süden der Klosteranlage von seinem Hofarchitekten Georg Beer (1527–1600) errichten ließ. Die renais- sancezeitliche Dreiflügelanlage ersetzte den früheren Bereich der Äbte von Hirsau. Es war eines von vielen Bauprojekten des Herzogs, der damit eine neue höfische Repräsentation anstrebte. Georg Beer hatte die Planung des Gebäudes inne, sein Schüler und Nachfolger Heinrich Schick- hardt (1558–1635) unterstützte das Bauvorhaben. Die Einbeziehung zahlreicher Handwerker aus der Stuttgarter Residenz sicherte zudem eine hohe Qualität bei der Ausführung. Im Zuge des pfälzischen Erbfolgekrieges wurden das Kloster und das Jagdschloss 1692 von fran- zösischen Truppen angezündet und dabei fast vollständig zerstört. Lediglich die Marienkapelle und der Eulenturm überdauerten diesen Brand unbeschadet und in der Folge wurde die Kloster- anlage als Steinbruch genutzt und geriet so in einen ruinösen Zustand. 7
VERGESSENE MONUMENTE Eine bedeutende Wallfahrtskirche Die Geschichte von St. Barbara Langensteinbach - Beispiel einer Teilrekonstruktion Jeff S. Klotz Kennen Sie schon die St. Barbara Kapelle? Entdecken Sie mit uns verborgene Kultur- denkmäler im Nordschwarzwald. Mönche des Klosters Herrenalb gründeten 1330 hier eine Kapelle, aus der sich ab 1430 ein rege besuchter Wallfahrtsort entwickelte. Im Mittelpunkt der Barbara-Wallfahrt nach Langensteinbach stand ein wunderbewirkendes Bildnis der heiligen Barbara. Die Wallfahrt existierte trotz der Reformation noch einige Jahrzehnte fort, bis sie kurz nach 1600 endgültig erlosch. Sowohl im pfälzischen Erbfolgekrieg (1690er Jahre) als auch im spanischen Erbfolgekrieg (1707) erlitt das Gebäude erhebliche Beschädigungen. Obwohl die Kapelle 1724 wieder instand gesetzt wurde, gab man sie 1730 bereits wieder als kirchliches Gebäude auf. In der Folge diente die Kirche als Steinbruch für den Ort Lan- gensteinbach und wurde zur Ruine. Die letztere größere Beschädigung erlitt das Gebäu- de während der napoleonischen Zeit, als französische Soldaten die verbliebenen Blei- platten aus dem Turm entnahmen. Im Zuge der „Ruinenromantik“ des 19. Jahrhunderts erfuhr die Kapelle wieder zunehmende Beliebtheit und wurde 1903 in Teilen saniert. Die letzten Maßnahmen zur Rettung der Bausubstanz fanden 2009 statt. Die beiden Abbil- dungen zeigen die St. Barbara- Kapelle in Lan- gensteinbach. Links der Blick durch das West- portal in Richtung Osten, rechts eine Gesamtansicht von Osten her. Fotos: Ewald Frei- burger. 8
Die beiden Abbildungen zeigen die Phasen der Entstehung der Rekonstruktionen. Oben ist das origi- nale Foto von Ewald Freiburger und darunter die von Ralph Eggers eingefügte Rekonstruktion zu er- kennen. Das Langhaus wurde zuerst nachempfunden, nachdem Jeff Klotz das Gebäude vermessen hat. Die Rekonstruktion bezieht sich auf den Bauzustand um 1470. 9
VERGESSENE MONUMENTE Wir rekonstruieren – und gestalten damit spannende Ausstellungen Museumsleiter Jeff S. Klotz gibt die Vorlagen, Ralph Eggers setzt diese gestalterisch um. Wie entstehen die digitalen Rekon- struktionen im RMR? Museumslei- ter Jeff Klotz fertigt Skizzen und Entwürfe an, die er dann Ralph Eggers in Freiburg übergibt. Dar- aus entstehen durch die Expertise von Ralph Eggers anschauliche Entwürfe, die dann in mehreren Entwurf- und Korrekturschleifen immer weiter entwickelt werden und schließlich einen Stand er- reicht haben, dass die Digitalisate im Museum oder wie hier im Ma- gazin gezeigt werden können. Ralph Eggers lebt und arbeitet in Freiburg, ist Archäologe und hat sich auf die Umsetzung archäologi- scher Rekonstruktionen speziali- siert. Er hat bereits für eine größe- re Zahl an Museen im Südwesten digitale Bilder für den Museums- raum entwickelt und besticht durch eine sehr detailgenaue Ar- beit bei allen Projekten. Bild oben: Das Freiburger Münster im Hochmittelalter als digitale Rekonstruktion, Ralph Eggers. Bild unten: Ralph Eggers in seinem Büro. Foto: R. Eggers. 10
VERGESSENE MONUMENTE Das berühmte Pforzheimer „Predigerkloster“ Im Mittelalter war es eines der bedeutendsten Klöster der Stadt, im 15. Jahr- hundert war hier die Lateinschule um Johannes Reuchlin und Philipp Melan- chthon untergebracht – das Dominikanerkloster in Pforzheim, genannt „Pre- digerkloster“. Ein Rekonstruktionsprojekt. Luftbild: Landesamt für Denkmalpflege. Eingezeichnet ist der Standort des Dominikanerklosters. Den ersten gesicherten Nachweis für das Do- Nach 1520 verließen vermehrt Mönche das minikanerkloster bildet eine Urkunde aus dem Kloster. Schon die frühe Reformation und die Jahr 1294. Möglicherweise existierte das Klos- schnelle Zuwendung vieler Pforzheimer zum ter aber schon in den 1270er Jahren, wobei Luthertum erschwerten die Arbeit in der Stadt. diese Annahme auf späteren Aufzeichnungen Auch, wenn schon 1555 die lutherische Konfes- beruht. Die archäologische Spurenlage legt sion durch Markgraf Karl II. de facto eingeführt sogar eine noch frühere Gründung des Klos- wurde, behielt das Kloster seinen Besitz bis ters nahe. Im 14. Jahrhundert war im Kloster 1566. Fortan war die Klosterkirche die evangeli- das Studium particulare möglich, also die rein sche Stadtkirche und der frühere Konvent wur- auf theologische, dem Orden zugeschnittene de nun als städtische Lateinschule genutzt. Ausbildung. Dieser Umstand allein ist hervor- Während des Dreißigjährigen Krieges wurde zuheben und unterstreicht die Bedeutung des das Kloster nochmals für kurze Zeit (1631-1649) Dominikanerklosters in Pforzheim. Zwischen von Mönchen bezogen. Die Klosterkirche St. 1382 und 1507 fanden gleich vier Provinzialka- Stephan, die 1789 zerstört und im 19. Jahrhun- pitel des Ordens im Kloster statt, sodass alle dert von Heinrich Hübsch nochmals aufgebaut Dominikaner der Kirchenprovinz in Pforzheim wurde, wurde bereits bei Luftangriffen im April zusammenkamen. Die Markgrafen von Baden 1944 zerstört. Bereits 1899 übernahm die neu unterstützten das Klosters mehrfach finanziell errichtete, neugotische Stadtkirche die Rolle als bei Bauvorhaben. Die Pforzheimer Dominika- evangelische Hauptkirche in Pforzheim. ner entwickelten sogar eine eigene Reformtä- tigkeit und wirkten so unter anderem an der Reform eines Klosters in Köln mit. 11
VERGESSENE MONUMENTE Das römische Remchingen Eine digitale Rekonstruktion des „vicus senotensis“. Remchingen hat eine römische Vergangenheit. Das Römermuseum Remchingen hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Vergangenheit darzustellen und zu erklären. Hierzu gehörte auch eine digitale Rekonstruktion des römischen Ortes „vicus senotensis“. Dank einer erhaltenen In- schrift, die heute im Badischen Landesmuseum bewahrt wird, ist dieser Name überliefert. Der römische Gutshof in Remchingen Wilferdingen, an dessen Stelle sich heute das Römermuseum Remchingen befindet (der Glassaal überdeckt eines der antiken Gebäude) befand sich demnach einst nur in der Peripherie der römischen Siedlung. Ralph Eggers gestaltete eine ansprechende Rekonstruktion des Ortes nach Vorlage von Jeff S. Klotz und nach Inspiration der hypotheti- schen Rekonstruktion von Güglingen. Rund 30% der dargestellten Gebäude können nachvoll- zogen werden, die restlichen wurden gemäß der Erfahrungen bei anderen Siedlungen ergänzt. So oder so ähnlich könnte die römische Siedlung von Remchingen im Bereich der heutigen Ortsmitte 12 ausgesehen haben. Reste des vicus finden sich bis heute bei Baumaßnahmen. Foto: Ralph Eggers.
VERGESSENE MONUMENTE Der römische Gutshof im Kanzlerwald Wie sah der römische Gutshof im Pforzheimer Kanzlerwald möglicherweise aus? Zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten Pforzheims zählt der römische Gutshof im sogenannten Kanzlerwald. Dieser wurde in den 1970er Jahren bereits von Dr. Bernhard Cämmerer ausgegraben und ermöglichte einen äußerst detaillierten Blick in die römische Vergangenheit des zivilen Landlebens im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. So fand man neben einem Brunnenheiligtum etliche Werkzeuge in bestechender Qualität und gutem Erhal- tungsgrad. Für das Verständnis des römischen Landlebens in der Provinz eignet sich der Pforzheimer Gutshof besonders gut. Seine Gebäude illustrieren die verschiedenen Nut- zungen dieser villae rusticae. Zur anschaulichen Erläuterung des Gutshofes haben Jeff S. Klotz und Ralph Eggers den Gutshof digital rekonstruiert. Von allen bisherigen Digitalisa- ten ist dieses am wenigsten hypothetisch. Alle Gebäude sind bekannt, die Dachformen können größtenteils aufgrund der Ziegelfunde hergeleitet werden und auch die Orte der Türen sind teilweise identifiziert worden. Der römische Gutshof in Pforzheim-Hagenschieß (Kanzlerwald) ist gut erforscht, aber bislang gab es nur unzureichende Rekonstruktionsvorschläge. Mit diesem Vorschlag liegt nun eine Rekonstruktion vor, welche die neuesten Untersuchungen der 1970er und 80er Jahre mit einbezieht. Foto: Ralph Eggers. 13
1 2 SCHLOSS WEILER Das Schloss Weiler Die Schlossanlage, einst Sitz der Herren von Straubenhardt, ist längst verloren gegangen. Nur wenige Gebäude erinnern daran. Eine hypothetische Rekonstruktion gibt einen Anhaltspunkt, wie das Schloss ausgesehen haben könnte. Weiler, der heute drittgrößte Ort der Gemeinde, fand 1219 erstmals unter dem Namen „Wilre“ Erwähnung, und zwar in einem Vertrag zwischen den Grafen Otto und Eberhard von Eberstein; demnach wurde Weiler ersterem zugeschlagen. In den folgenden Jahrhunderten haben verschiede- ne Adelige der Region Rechte an Weiler: die Her- ren von Straubenhardt, Remchingen und Gärtrin- gen. Diese wiederum geben Güter und Rechte im 13. Jahrhundert an das Kloster Herrenalb. In Wei- ler existierte zu dieser Zeit eine Wasserburg, mit Burgpalais, Burghof, Wehrmauer und einem Was- sergraben, der sich aus der Pfinz speiste. Ab dem 15. Jahrhundert sind die Markgrafen von Baden im Besitz von Weiler. Diese vergeben die Lehns- rechte um 1468 an die Herren von Enzberg – die Weiler Burg eingeschlossen, die also damals noch bestand. Später gehen die Rechte zuerst wieder an die Familie von Straubenhardt und dann, 1604/05 an einen Hans Eberhard Holdermann von Holderstein. Aus dem 15. Jahrhundert stammen die ältesten Reste der heutigen Weiler Kirche; seit 1572 ist Weiler eine eigene Pfarrei, vorher muss- ten die Einwohner zum Gottesdienst nach Ell- mendingen. Im 18. Jahrhundert schließlich ist die In der Kirche in Weiler befindet sich die Burg von Weiler definitiv verfallen: Sie wird als Grableger der Herren „Schöner von Strau- Ruine Kattelburg erwähnt. Ihre Fundamente sind benhardt“. Foto: Ewald Freiburger. allerdings heute noch zu sehen und ein interes- santes Stück Ortsgeschichte. Abbildung rechte Seite: Digitale Rekonstruktion des Schlosses Weiler nach Vorgaben von Emil Lacorix 1937. Die Rekonstruktion stammt von Ralph Eggers, die Skizzen dazu von Jeff Klotz. 14
SCHLOSS WEILER 15
FUNDSTÜCK DER REGION St. Maria Magdalena Tiefenbronn Das „RMR aktuell“ zeigt einen Einblick in das Aussehen der Tiefenbronner Pfarr- und Wallfahrtskirche – 1961 und 2020. Die Kirche im Jahr 1961, noch mit Chorschranke. Das Innere der Kirche in Tiefenbronn im Jahr 2020. Foto: Annette Stegmaier. Foto: Jeff Klotz Kaum eine Kirche im Schwarzwald verfügt über eine solch authentische und reichhaltige Aus- stattung der Spätgotik wie St. Maria Magdalena in Tiefenbronn. Wer von Tiefenbronn spricht, meint daher zumeist die in der Kirche befindlichen Altäre. Von den erhaltenen fünf stechen zwei im Besonderen heraus: Der Altar des Hans Schüchlin im Hochchor von 1469 und der Lucas Moser Altar von 1432. Letzterer stellt ein Schlüsselwerk der Kunstgeschichte dar – am Übergang hin zu den Wandelaltären des 15. und 16. Jahrhunderts. Von außen betrachtet, wirkt Tiefenbronn wie eine Kathedrale „en miniature“. Die Rosette an der Westfassade, die dreischiffige, basilikale Form sowie der Chorseitenturm verleihen der Kirche dieses besondere Gepräge. Eingebunden war die Wallfahrts- und Pfarrkirche in eine Schlossanlage. Unmittelbar südlich der Kirche stand bis ins 19. Jahrhundert hinein das Schloss der Linie Gemmingen- Tiefenbronn. Noch heute zeugt eine vermauerte Tür im oberen Bereich der Südwand der Kir- che vom direkten Zugang der Ortsherren ins Innere der Kirche. Zunächst bildete die Kirche einen Wallfahrtsort und am dem 15. Jahrhundert auch eine Pfarrei sowie eine Herrschaftskir- che. Somit hatte die Kirche gleich mehrere Funktionen zu erfüllen. Die sich daraus ergebende reichhaltige Nutzung spiegelt sich demnach bis heute in der Ausstattung wider, die – wie durch ein Wunder – die Zeiten überdauert hat. Die oben befindliche , linke Abbildung stammt von Annette Stegmaier und zeigt den Chorbe- reich in Tiefenbronn vor der Renovierung einige Jahre später. Das rechte Foto zeigt dahinge- gen den heutigen Zustand im Jahr 2020. Die Chorschranken sind verschwunden, die Wand- malereien großflächig restauriert. 16
EHRENAMT Erinnerungen an Team und Umbaumaßnahmen Zentrales Element des RMR ist das Ehrenamt, wird es doch komplett ehren- amtlich betrieben. Wir gedenken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wel- che uns sehr unterstützt haben und inzwischen verstorben sind. Ein Teil des Umbauteams des RMR im Jahr 2013. V.l.n.r: Reinhard Müller, Prof. Werner Weisweiler, Peter Foemer, Marianne Sabieraj, Winfried Butz, Jochen Schoberth, Erich Fuchs (+), Helmut Bischof (+) und Heinz Buschmann (+). In dieser Ausgabe möchten wir an jene Mitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RMR erinnern, welche unser Museum gefördert haben, aber in den zurückliegenden Jah- ren verstorben sind. Vor wenigen Monaten verstarb Karlheinz Essig aus Kleinsteinbach, der das Museum von Anfang an als Gründungsmitglied unterstützte. Mit ihm geht ein gu- ter Freund und begeisterungsfähiger Regionalkundler verloren. Der Unternehmer förderte unsere Ausstellungen auch finanziell und trug maßgeblich zum Erfolg des Museums bei. Das obere Foto zeigt mit Erich Fuchs, Helmut Bischof und Heinz Buschmann drei Mitglie- der, welche wir im Museum sehr vermissen, die wir aber in stets gutem Andenken bewah- ren. Auch denken wir in dieser Ausgabe an Waltraud Günther, Dietmar Scheufler und Günter Zeus. Gemeinsam halfen alle Genannten, unser Museum fortzuentwickeln und die Ausstellungen tatkräftig um- und aufzubauen. 17
DAS BILD DIESER AUSGABE Da wir Ihnen aus aktuellem Anlass keine Veranstaltungen ankündigen können, möchten wir Ihnen mit dieser wunderbaren Fotographie von Ewald Freiburger eine Freude machen. Es zeigt die Marienkapelle des Klosters Hirsau, die um 1510 errichtet wurde und heute als einziges Gebäude des Klosters noch er- halten ist. Sie steht für eine letzte Blütephase des Klosters kurz vor der Reformation. 18
TERMINE / IMPRESSUM Archäologie im Enzkreis Wo erfahre ich mehr? Auch, wenn derzeit die meisten Museum wegen der Corona-Pandemie geschlossen bleiben, lohnt es, diese Anlaufstellen im Blick zu behalten. Historisch-Archäologischer Verein Mühlacker Der HAV betreut den Gutshof Enzberg an der B10 Stadtmuseum Mühlacker Hier sind, sobald das Museum wieder öffnet, Funde aus dem östlichen Enzkreis zu sehen. Archäologisches Museum Pforzheim Die Archäologie der Stadt kann man im AMP auf ca. 2.000 qm erleben. Schwerpunkt der Ausstel- lung ist die archäologische Schauanlage. Römermuseum Remchingen Neben den Befunden in Remchingen zeigt das Museum jährlich wechselnde Sonderausstellung aus dem Bereich der Religionsgeschichte. Derzeit ist „PEREGRINATIO. Die Geschichte des Pilgerns und der Wallfahrt“ zu sehen. Impressum RMR Aktuell Zeitschrift für Archäologie in Pforzheim und im Enzkreis Jeff Klotz, Herausgeber Römermuseum Remchingen Niemandsberg 4 Falls Sie Ihre Termine auch hier veröf- 75196 Remchingen fentlichen möchten, senden Sie diese bis 01. April 2021 an info@roemermuseum- Verlag: arte factum | Karlsruhe remchingen.de Die Veröffentlichung ist ISSN 2509-3576 natürlich kostenlos. Heft Nr. 1/2020 Die Zeitschrift ist kostenlos. Gestaltung: Jeff S. Klotz © Römermuseum Remchingen 2020. Alle Rechte vorbehalten. 19
» Allem, was alt ist, gebührt Respekt. « Asfa-Wossen Asserate 20
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