Vergessene Monumente 1/2020 - Römermuseum Remchingen

 
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Vergessene Monumente 1/2020 - Römermuseum Remchingen
1/2020

Vergessene Monumente
Digitale Rekonstruktionen historischer Bauwerke
Aktuelle Forschungsprojekte im Römermuseums Remchingen
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Vergessene Monumente 1/2020 - Römermuseum Remchingen
Liebe Leserin, lieber Leser,
    2020 ist ein „verrücktes“ Jahr. Für die Kultur bedeutete das Jahr herbe Ein-
    schnitte, so auch für die Museen. Das Römermuseum Remchingen war den
    größten Teil des Jahres geschlossen und die gerade im Februar eröffnete
    Ausstellung „PERERGRINATIO. Die Geschichte des Pilgerns und der Wall-
    fahrt.“ konnte nur zwei Wochen gezeigt werden. Nach einer kurzen Erho-
    lung im jedoch stets besucherschwachen Sommer kam nun mit dem Herbst
    und Winter die nächste Schließung. Für ein ehrenamtlich geführtes Haus
    wie unseres ist das eine Herausforderung. Diesem Umstand ist auch ge-
    schuldet, dass wir unser Museumsmagazin in der jüngsten Vergangenheit
    seltener erscheinen lassen können.

    Nun möchten wir uns aber mit dieser neuen Ausgabe wieder zurückmelden
    und freuen uns sehr, Ihnen die Forschungsergebnisse der letzten Jahre zei-
    gen zu können. Seit 2012 führte das RMR 18 Projekte zur digitalen Rekon-
    struktion historischer Bauwerke durch. Einen kleinen Teil der Ergebnisse
    präsentieren wir erstmalig in dieser Ausgabe.

    Das Magazin RMR Aktuell ist kostenlos und kann gerne abonniert werden.

    Nun wünsche ich Ihnen viel Freude mit der Lektüre und danke Ihnen im
    Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums für Ihr Interes-
    se.

    Es grüßt Sie mit allen guten Wünschen,
    Ihr
    Jeff Klotz

    INHALT
    Museum aktuell ...................................................................................       3
    Vergessene Monumente / Einführung ..................................................                     6
    Eine bedeutende Wallfahrtskirche .......................................................                 8
    Wer rekonstruiert? Ralph Eggers ..........................................................               10
    Das „berühmte“ Pforzheimer Predigerkloster ......................................                        11
    Das römische Remchingen ...................................................................              12
    Das Schloss Weiler ...............................................................................       14
    St. Maria Magdalena Tiefenbronn 1961 und 2020 .................................                          16
    Ehrenamt .............................................................................................   17
    Impressum ...........................................................................................    19

    Bei Fragen: info@roemermuseum-remchingen.de

    Bild auf der Titelseite: Wallfahrtskirche St. Barbara in Langensteinbach mit
    einer digitalen Teilrekonstruktion des Langhauses im Zustand um 1470.
    Foto: Ewald Freiburger, Rekonstruktion Ralph Eggers.
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MUSEUM AKTUELL

„PEREGRINATIO. Die Geschichte des
Pilgerns und der Wallfahrt.“
Die Ausstellung wird bis Ende 2021 verlängert.

Aufgrund der Corona-Pandemie hatte das Römermuseum Remchingen 2020
mit vielen Schließzeiten zu kämpfen. Gerade in den beiden für das Museum
wichtigsten Jahreszeiten, Frühjahr und Herbst, mussten weitestgehend alle
Veranstaltungen und Führungen abgesagt werden und im März und April und
nun wieder seit November ist das Museum in Gänze geschlossen.
Wir haben uns daher entschieden, die Sonderausstellung bis November 2021
zu verlängern, damit noch ausreichend Zeit besteht, die Ausstellung zu besu-
chen. Alle Leihverträge konnten verlängert werden, sodass die Ausstellung
auch unverändert bestehen bleiben kann. Das Römermuseum Remchingen
dankt allen Leihgebern dieser Sonderausstellung.

 Blick in den Glassaal des Römermuseums Remchingen im Sommer 2020.
 Foto: Ewald Freiburger.                                                         3
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MUSEUM AKTUELL

       Planungen für 2021
       Was wir im Römermuseum Remchingen planen.

       Monika Foemer, Helene Schwarz und Jeff Klotz

   Modellbauer Dieter Cöllen (rechts im Bild) präsentiert sein Modell des inzwischen zerstörten Tempels von
   Palmyra bei der Ausstellungseröffnung im RMR im Frühjahr 2020. Foto: Ewald Freiburger.

   Noch ist nicht absehbar, inwieweit der Museumsbetrieb auch in 2021 eingeschränkt sein
   wird, aber schon jetzt stellt sich das Team des RMR darauf ein, dass erst gegen Mitte des
   neuen Jahres mit einem allmählich wieder geregelten Betrieb zu rechnen ist. Sobald das
   Museum und das Museumscafé wieder öffnen dürfen, sollen wieder Führungen angeboten
   werden (sofern diese erlaubt sein werden).
   Komplexer gestaltet sich die Veranstaltungsplanung. Es ist davon auszugehen, dass für län-
   gere Zeit keine analogen Vortragsformate im Museumscafé mehr möglich sein werden. Aus
   diesem Grunde soll ab Frühjahr 2021 ein digitales Vortragsprogramm angeboten werden.

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MUSEUM AKTUELL

Einblick in das Museum im Herbst 2019: Die Ausstellung „Mythos Jerusalem“ ist zu sehen. Foto: J. Klotz.

Rückblick auf „Mythos Jerusalem“
Zu den Höhepunkten der Geschichte des RMR in den zurückliegenden elf Jahren gehörte die
Sonderausstellung „Mythos Jerusalem. Der Oberrhein und das Heilige Land.“ Die Ausstellung
endete im November 2019, darauf folgte eine bis Februar andauernde Umbauphase. Leider
musste das Museum kurz nach der Neueröffnung bereits wegen der Corona-Pandemie im
März wieder geschlossen werden. Aus der Ausstellung „Mythos Jerusalem“ entwickelten wir
viele Gedanken, die in die neue Ausstellung „PEREGRINATIO“ eingeflossen sind: So wurde die
Bedeutung Jerusalems für die Geschichte des Pilgerns aufgegriffen. Auch wurden die Karten,
welche die Pilgerrouten nach Santiago de Compostela erläutern, beibehalten. Die neue Aus-
stellung ist also eine Erweiterung und Fortführung von Mythos Jerusalem.

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VERGESSENE MONUMENTE

        Vergessene Monumente – Das Beispiel Hirsau
        Wie das RMR in verschiedenen Projekten seit 2009 abgegangene Ge-
        bäude rekonstruiert und so im Gedächtnis hält.
        Jeff S. Klotz

        Ehe die Rekonstruktionsarbeit beginnt, gilt es die Fassadenelemente und –Strukturen
        einzumessen und Hilfslinien zu zeichnen. Foto: Ralph Eggers.

       Digitale Rekonstruktionen sind ein komplexes Thema. In der wissenschaftlichen Auseinander-
       setzung waren sie lange ungern gesehen, galt doch die Methodik ihrer Erstellung als unzu-
       reichend. Inzwischen hat sich dies massiv gewandelt. Digitale Rekonstruktionen sind zum fes-
       ten Bestandteil auch des universitären Arbeitens geworden. Spannend wird die Erarbeitung
       eines Digitalisats immer dann, wenn nur ein Teil des Gebäudes ausgehend von einem Befund
       (Bsp. ein Grundriss) generiert werden kann. Wie geht man dann vor? Wenn keine schriftlichen
       Beschreibungen vorliegen, kann die Betrachtung vergleichbarer Gebäude zumindest einen
       Hinweis geben. In wenigen Fällen existiert sogar ein anderes Gebäude des gleichen Architekten
       – sofern bekannt – noch, sodass die Bauausführung an einem anderen Gebäude als Hilfsmittel
       herangezogen werden kann. Dennoch bleibt stets auch Luft für Hypothesen. Die Arbeit mit
       digitalen Rekonstruktionen macht es erforderlich, Vorschläge zu machen, die dann diskutiert,
       modifiziert oder gegebenenfalls revidiert werden können. Viele derzeit für die antike Baufor-
       schung relevante Projekte wurden durch Digitalisierungsvorhaben neu „befeuert“ (Bsp. Laden-
       burg). Wir stellen in dieser Ausgabe der RMR aktuell eine Auswahl gelungener Digitalisierungs-
       projekte der zurückliegenden Jahre vor.

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VERGESSENE MONUMENTE

             „Rekonstruktionen erfordern Mut, eine Hypothese aufzustellen,
             welche immer wieder revidiert werden kann, die aber einem Brei-
                     tenpublikum einen ersten Eindruck ermöglicht.“
                        Jeff S. Klotz beim Neujahrsempfang im Januar 2016

          Die beinahe abge-
         schlossene Rekon-
         struktion des Jagd-
      schlosses Hirsau. Wie
           die Markierungen
       zeigen, werden noch
         Fassadenelemente
     diskutiert. Als Vorlage
       dienen Gebäude, die
       zeitlich und architek-
      tonisch in einer Tradi-
     tion stehen – wie etwa
         das Schloss Heidel-
     berg oder das Rathaus
        in Gernsbach. Foto:
               Ralph Eggers.

Die Geschichte des Klosters Hirsau endete jäh, als bereits 1535 in Württemberg die Reformation
eingeführt wurde. Der Konvent wurde aufgelöst, lediglich Abt Schultheiß verblieb bis zu seinem
Tod im Kloster. Herzog Christoph von Württemberg ließ 1556 schließlich eine evangelische Klos-
terschule in Hirsau einrichten.
Die neuen Machtverhältnisse zeigen sich nach der Reformation vor allem im Bau des Jagd-
schlosses, das sich Herzog Ludwig von Württemberg in den Jahren 1589 bis 1593 im Süden der
Klosteranlage von seinem Hofarchitekten Georg Beer (1527–1600) errichten ließ. Die renais-
sancezeitliche Dreiflügelanlage ersetzte den früheren Bereich der Äbte von Hirsau. Es war eines
von vielen Bauprojekten des Herzogs, der damit eine neue höfische Repräsentation anstrebte.
Georg Beer hatte die Planung des Gebäudes inne, sein Schüler und Nachfolger Heinrich Schick-
hardt (1558–1635) unterstützte das Bauvorhaben. Die Einbeziehung zahlreicher Handwerker aus
der Stuttgarter Residenz sicherte zudem eine hohe Qualität bei der Ausführung.
Im Zuge des pfälzischen Erbfolgekrieges wurden das Kloster und das Jagdschloss 1692 von fran-
zösischen Truppen angezündet und dabei fast vollständig zerstört. Lediglich die Marienkapelle
und der Eulenturm überdauerten diesen Brand unbeschadet und in der Folge wurde die Kloster-
anlage als Steinbruch genutzt und geriet so in einen ruinösen Zustand.

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VERGESSENE MONUMENTE

       Eine bedeutende Wallfahrtskirche
       Die Geschichte von St. Barbara Langensteinbach - Beispiel einer
       Teilrekonstruktion

       Jeff S. Klotz

       Kennen Sie schon die St. Barbara Kapelle? Entdecken Sie mit uns verborgene Kultur-
       denkmäler im Nordschwarzwald.

       Mönche des Klosters Herrenalb gründeten 1330 hier eine Kapelle, aus der sich ab 1430
       ein rege besuchter Wallfahrtsort entwickelte. Im Mittelpunkt der Barbara-Wallfahrt
       nach Langensteinbach stand ein wunderbewirkendes Bildnis der heiligen Barbara. Die
       Wallfahrt existierte trotz der Reformation noch einige Jahrzehnte fort, bis sie kurz nach
       1600 endgültig erlosch. Sowohl im pfälzischen Erbfolgekrieg (1690er Jahre) als auch im
       spanischen Erbfolgekrieg (1707) erlitt das Gebäude erhebliche Beschädigungen. Obwohl
       die Kapelle 1724 wieder instand gesetzt wurde, gab man sie 1730 bereits wieder als
       kirchliches Gebäude auf. In der Folge diente die Kirche als Steinbruch für den Ort Lan-
       gensteinbach und wurde zur Ruine. Die letztere größere Beschädigung erlitt das Gebäu-
       de während der napoleonischen Zeit, als französische Soldaten die verbliebenen Blei-
       platten aus dem Turm entnahmen. Im Zuge der „Ruinenromantik“ des 19. Jahrhunderts
       erfuhr die Kapelle wieder zunehmende Beliebtheit und wurde 1903 in Teilen saniert. Die
       letzten Maßnahmen zur Rettung der Bausubstanz fanden 2009 statt.

                                                                                       Die beiden Abbil-
                                                                                       dungen zeigen die
                                                                                       St. Barbara-
                                                                                       Kapelle in Lan-
                                                                                       gensteinbach.
                                                                                       Links der Blick
                                                                                       durch das West-
                                                                                       portal in Richtung
                                                                                       Osten, rechts eine
                                                                                       Gesamtansicht
                                                                                       von Osten her.
                                                                                       Fotos: Ewald Frei-
                                                                                       burger.

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Vergessene Monumente 1/2020 - Römermuseum Remchingen
Die beiden Abbildungen zeigen die Phasen der Entstehung der Rekonstruktionen. Oben ist das origi-
nale Foto von Ewald Freiburger und darunter die von Ralph Eggers eingefügte Rekonstruktion zu er-
kennen. Das Langhaus wurde zuerst nachempfunden, nachdem
Jeff Klotz das Gebäude vermessen hat. Die Rekonstruktion bezieht sich auf den Bauzustand um 1470.   9
Vergessene Monumente 1/2020 - Römermuseum Remchingen
VERGESSENE MONUMENTE

   Wir rekonstruieren – und gestalten damit
   spannende Ausstellungen
   Museumsleiter Jeff S. Klotz gibt die Vorlagen, Ralph Eggers
   setzt diese gestalterisch um.

                                                    Wie entstehen die digitalen Rekon-
                                                    struktionen im RMR? Museumslei-
                                                    ter Jeff Klotz fertigt Skizzen und
                                                    Entwürfe an, die er dann Ralph
                                                    Eggers in Freiburg übergibt. Dar-
                                                    aus entstehen durch die Expertise
                                                    von Ralph Eggers anschauliche
                                                    Entwürfe, die dann in mehreren
                                                    Entwurf- und Korrekturschleifen
                                                    immer weiter entwickelt werden
                                                    und schließlich einen Stand er-
                                                    reicht haben, dass die Digitalisate
                                                    im Museum oder wie hier im Ma-
                                                    gazin gezeigt werden können.
                                                    Ralph Eggers lebt und arbeitet in
                                                    Freiburg, ist Archäologe und hat
                                                    sich auf die Umsetzung archäologi-
                                                    scher Rekonstruktionen speziali-
                                                    siert. Er hat bereits für eine größe-
                                                    re Zahl an Museen im Südwesten
                                                    digitale Bilder für den Museums-
                                                    raum entwickelt und besticht
                                                    durch eine sehr detailgenaue Ar-
                                                    beit bei allen Projekten.

                                                    Bild oben: Das Freiburger Münster
                                                    im Hochmittelalter als digitale
                                                    Rekonstruktion, Ralph Eggers.
                                                    Bild unten: Ralph Eggers in
                                                    seinem Büro. Foto: R. Eggers.

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VERGESSENE MONUMENTE

  Das berühmte Pforzheimer „Predigerkloster“
   Im Mittelalter war es eines der bedeutendsten Klöster der Stadt, im 15. Jahr-
    hundert war hier die Lateinschule um Johannes Reuchlin und Philipp Melan-
   chthon untergebracht – das Dominikanerkloster in Pforzheim, genannt „Pre-
                                     digerkloster“. Ein Rekonstruktionsprojekt.

        Luftbild: Landesamt für Denkmalpflege. Eingezeichnet ist der Standort des Dominikanerklosters.

Den ersten gesicherten Nachweis für das Do-        Nach 1520 verließen vermehrt Mönche das
minikanerkloster bildet eine Urkunde aus dem       Kloster. Schon die frühe Reformation und die
Jahr 1294. Möglicherweise existierte das Klos-     schnelle Zuwendung vieler Pforzheimer zum
ter aber schon in den 1270er Jahren, wobei         Luthertum erschwerten die Arbeit in der Stadt.
diese Annahme auf späteren Aufzeichnungen          Auch, wenn schon 1555 die lutherische Konfes-
beruht. Die archäologische Spurenlage legt         sion durch Markgraf Karl II. de facto eingeführt
sogar eine noch frühere Gründung des Klos-         wurde, behielt das Kloster seinen Besitz bis
ters nahe. Im 14. Jahrhundert war im Kloster       1566. Fortan war die Klosterkirche die evangeli-
das Studium particulare möglich, also die rein     sche Stadtkirche und der frühere Konvent wur-
auf theologische, dem Orden zugeschnittene         de nun als städtische Lateinschule genutzt.
Ausbildung. Dieser Umstand allein ist hervor-      Während des Dreißigjährigen Krieges wurde
zuheben und unterstreicht die Bedeutung des        das Kloster nochmals für kurze Zeit (1631-1649)
Dominikanerklosters in Pforzheim. Zwischen         von Mönchen bezogen. Die Klosterkirche St.
1382 und 1507 fanden gleich vier Provinzialka-     Stephan, die 1789 zerstört und im 19. Jahrhun-
pitel des Ordens im Kloster statt, sodass alle     dert von Heinrich Hübsch nochmals aufgebaut
Dominikaner der Kirchenprovinz in Pforzheim        wurde, wurde bereits bei Luftangriffen im April
zusammenkamen. Die Markgrafen von Baden            1944 zerstört. Bereits 1899 übernahm die neu
unterstützten das Klosters mehrfach finanziell     errichtete, neugotische Stadtkirche die Rolle als
bei Bauvorhaben. Die Pforzheimer Dominika-         evangelische Hauptkirche in Pforzheim.
ner entwickelten sogar eine eigene Reformtä-
tigkeit und wirkten so unter anderem an der
Reform eines Klosters in Köln mit.                                                                11
VERGESSENE MONUMENTE

    Das römische Remchingen
    Eine digitale Rekonstruktion des „vicus senotensis“.

    Remchingen hat eine römische Vergangenheit. Das Römermuseum Remchingen hat es sich
    zum Ziel gesetzt, diese Vergangenheit darzustellen und zu erklären. Hierzu gehörte auch eine
    digitale Rekonstruktion des römischen Ortes „vicus senotensis“. Dank einer erhaltenen In-
    schrift, die heute im Badischen Landesmuseum bewahrt wird, ist dieser Name überliefert. Der
    römische Gutshof in Remchingen Wilferdingen, an dessen Stelle sich heute das Römermuseum
    Remchingen befindet (der Glassaal überdeckt eines der antiken Gebäude) befand sich demnach
    einst nur in der Peripherie der römischen Siedlung. Ralph Eggers gestaltete eine ansprechende
    Rekonstruktion des Ortes nach Vorlage von Jeff S. Klotz und nach Inspiration der hypotheti-
    schen Rekonstruktion von Güglingen. Rund 30% der dargestellten Gebäude können nachvoll-
    zogen werden, die restlichen wurden gemäß der Erfahrungen bei anderen Siedlungen ergänzt.

          So oder so ähnlich könnte die römische Siedlung von Remchingen im Bereich der heutigen Ortsmitte
   12       ausgesehen haben. Reste des vicus finden sich bis heute bei Baumaßnahmen. Foto: Ralph Eggers.
VERGESSENE MONUMENTE

       Der römische Gutshof im Kanzlerwald
       Wie sah der römische Gutshof im Pforzheimer Kanzlerwald
       möglicherweise aus?

       Zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten Pforzheims zählt der römische Gutshof im
       sogenannten Kanzlerwald. Dieser wurde in den 1970er Jahren bereits von Dr. Bernhard
       Cämmerer ausgegraben und ermöglichte einen äußerst detaillierten Blick in die römische
       Vergangenheit des zivilen Landlebens im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. So fand man neben
       einem Brunnenheiligtum etliche Werkzeuge in bestechender Qualität und gutem Erhal-
       tungsgrad. Für das Verständnis des römischen Landlebens in der Provinz eignet sich der
       Pforzheimer Gutshof besonders gut. Seine Gebäude illustrieren die verschiedenen Nut-
       zungen dieser villae rusticae. Zur anschaulichen Erläuterung des Gutshofes haben Jeff S.
       Klotz und Ralph Eggers den Gutshof digital rekonstruiert. Von allen bisherigen Digitalisa-
       ten ist dieses am wenigsten hypothetisch. Alle Gebäude sind bekannt, die Dachformen
       können größtenteils aufgrund der Ziegelfunde hergeleitet werden und auch die Orte der
       Türen sind teilweise identifiziert worden.

Der römische Gutshof in Pforzheim-Hagenschieß (Kanzlerwald) ist gut erforscht, aber bislang gab es nur
unzureichende Rekonstruktionsvorschläge. Mit diesem Vorschlag liegt nun eine Rekonstruktion vor,
welche die neuesten Untersuchungen der 1970er und 80er Jahre mit einbezieht. Foto: Ralph Eggers.

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    SCHLOSS WEILER

      Das Schloss Weiler
      Die Schlossanlage, einst Sitz der Herren von Straubenhardt, ist
      längst verloren gegangen. Nur wenige Gebäude erinnern daran.
      Eine hypothetische Rekonstruktion gibt einen Anhaltspunkt, wie
      das Schloss ausgesehen haben könnte.

      Weiler, der heute drittgrößte Ort der Gemeinde,
      fand 1219 erstmals unter dem Namen „Wilre“
      Erwähnung, und zwar in einem Vertrag zwischen
      den Grafen Otto und Eberhard von Eberstein;
      demnach wurde Weiler ersterem zugeschlagen. In
      den folgenden Jahrhunderten haben verschiede-
      ne Adelige der Region Rechte an Weiler: die Her-
      ren von Straubenhardt, Remchingen und Gärtrin-
      gen. Diese wiederum geben Güter und Rechte im
      13. Jahrhundert an das Kloster Herrenalb. In Wei-
      ler existierte zu dieser Zeit eine Wasserburg, mit
      Burgpalais, Burghof, Wehrmauer und einem Was-
      sergraben, der sich aus der Pfinz speiste. Ab dem
      15. Jahrhundert sind die Markgrafen von Baden
      im Besitz von Weiler. Diese vergeben die Lehns-
      rechte um 1468 an die Herren von Enzberg – die
      Weiler Burg eingeschlossen, die also damals noch
      bestand. Später gehen die Rechte zuerst wieder
      an die Familie von Straubenhardt und dann,
      1604/05 an einen Hans Eberhard Holdermann von
      Holderstein. Aus dem 15. Jahrhundert stammen
      die ältesten Reste der heutigen Weiler Kirche; seit
      1572 ist Weiler eine eigene Pfarrei, vorher muss-
      ten die Einwohner zum Gottesdienst nach Ell-
      mendingen. Im 18. Jahrhundert schließlich ist die     In der Kirche in Weiler befindet sich die
      Burg von Weiler definitiv verfallen: Sie wird als     Grableger der Herren „Schöner von Strau-
      Ruine Kattelburg erwähnt. Ihre Fundamente sind        benhardt“. Foto: Ewald Freiburger.
      allerdings heute noch zu sehen und ein interes-
      santes Stück Ortsgeschichte.

                                                            Abbildung rechte Seite: Digitale Rekonstruktion
                                                            des Schlosses Weiler nach Vorgaben von Emil
                                                            Lacorix 1937. Die Rekonstruktion stammt von
                                                            Ralph Eggers, die Skizzen dazu von Jeff Klotz.

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SCHLOSS WEILER

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FUNDSTÜCK DER REGION

 St. Maria Magdalena Tiefenbronn
 Das „RMR aktuell“ zeigt einen Einblick in das Aussehen der Tiefenbronner
 Pfarr- und Wallfahrtskirche – 1961 und 2020.

Die Kirche im Jahr 1961, noch mit Chorschranke.    Das Innere der Kirche in Tiefenbronn im Jahr 2020.
Foto: Annette Stegmaier.                           Foto: Jeff Klotz

             Kaum eine Kirche im Schwarzwald verfügt über eine solch authentische und reichhaltige Aus-
             stattung der Spätgotik wie St. Maria Magdalena in Tiefenbronn. Wer von Tiefenbronn spricht,
             meint daher zumeist die in der Kirche befindlichen Altäre. Von den erhaltenen fünf stechen
             zwei im Besonderen heraus: Der Altar des Hans Schüchlin im Hochchor von 1469 und der
             Lucas Moser Altar von 1432. Letzterer stellt ein Schlüsselwerk der Kunstgeschichte dar – am
             Übergang hin zu den Wandelaltären des 15. und 16. Jahrhunderts. Von außen betrachtet,
             wirkt Tiefenbronn wie eine Kathedrale „en miniature“. Die Rosette an der Westfassade, die
             dreischiffige, basilikale Form sowie der Chorseitenturm verleihen der Kirche dieses besondere
             Gepräge. Eingebunden war die Wallfahrts- und Pfarrkirche in eine Schlossanlage. Unmittelbar
             südlich der Kirche stand bis ins 19. Jahrhundert hinein das Schloss der Linie Gemmingen-
             Tiefenbronn. Noch heute zeugt eine vermauerte Tür im oberen Bereich der Südwand der Kir-
             che vom direkten Zugang der Ortsherren ins Innere der Kirche. Zunächst bildete die Kirche
             einen Wallfahrtsort und am dem 15. Jahrhundert auch eine Pfarrei sowie eine Herrschaftskir-
             che. Somit hatte die Kirche gleich mehrere Funktionen zu erfüllen. Die sich daraus ergebende
             reichhaltige Nutzung spiegelt sich demnach bis heute in der Ausstattung wider, die – wie
             durch ein Wunder – die Zeiten überdauert hat.
             Die oben befindliche , linke Abbildung stammt von Annette Stegmaier und zeigt den Chorbe-
             reich in Tiefenbronn vor der Renovierung einige Jahre später. Das rechte Foto zeigt dahinge-
             gen den heutigen Zustand im Jahr 2020. Die Chorschranken sind verschwunden, die Wand-
             malereien großflächig restauriert.

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EHRENAMT

Erinnerungen an Team und Umbaumaßnahmen
Zentrales Element des RMR ist das Ehrenamt, wird es doch komplett ehren-
amtlich betrieben. Wir gedenken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wel-
            che uns sehr unterstützt haben und inzwischen verstorben sind.

         Ein Teil des Umbauteams des RMR im Jahr 2013. V.l.n.r: Reinhard Müller,
         Prof. Werner Weisweiler, Peter Foemer, Marianne Sabieraj, Winfried Butz,
         Jochen Schoberth, Erich Fuchs (+), Helmut Bischof (+) und Heinz Buschmann (+).

  In dieser Ausgabe möchten wir an jene Mitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des
 RMR erinnern, welche unser Museum gefördert haben, aber in den zurückliegenden Jah-
 ren verstorben sind. Vor wenigen Monaten verstarb Karlheinz Essig aus Kleinsteinbach,
 der das Museum von Anfang an als Gründungsmitglied unterstützte. Mit ihm geht ein gu-
 ter Freund und begeisterungsfähiger Regionalkundler verloren. Der Unternehmer förderte
 unsere Ausstellungen auch finanziell und trug maßgeblich zum Erfolg des Museums bei.
 Das obere Foto zeigt mit Erich Fuchs, Helmut Bischof und Heinz Buschmann drei Mitglie-
 der, welche wir im Museum sehr vermissen, die wir aber in stets gutem Andenken bewah-
 ren. Auch denken wir in dieser Ausgabe an Waltraud Günther, Dietmar Scheufler und
 Günter Zeus. Gemeinsam halfen alle Genannten, unser Museum fortzuentwickeln und die
 Ausstellungen tatkräftig um- und aufzubauen.

                                                                                             17
DAS BILD DIESER AUSGABE

  Da wir Ihnen aus aktuellem Anlass keine Veranstaltungen ankündigen können, möchten wir Ihnen mit
  dieser wunderbaren Fotographie von Ewald Freiburger eine Freude machen. Es zeigt die Marienkapelle
  des Klosters Hirsau, die um 1510 errichtet wurde und heute als einziges Gebäude des Klosters noch er-
  halten ist. Sie steht für eine letzte Blütephase des Klosters kurz vor der Reformation.
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TERMINE / IMPRESSUM

Archäologie im Enzkreis
Wo erfahre ich mehr?
Auch, wenn derzeit die meisten Museum wegen der Corona-Pandemie geschlossen bleiben,
lohnt es, diese Anlaufstellen im Blick zu behalten.

Historisch-Archäologischer Verein Mühlacker
Der HAV betreut den Gutshof Enzberg an der B10

Stadtmuseum Mühlacker
Hier sind, sobald das Museum wieder öffnet, Funde aus dem östlichen Enzkreis zu sehen.

Archäologisches Museum Pforzheim
Die Archäologie der Stadt kann man im AMP auf ca. 2.000 qm erleben. Schwerpunkt der Ausstel-
lung ist die archäologische Schauanlage.

Römermuseum Remchingen
Neben den Befunden in Remchingen zeigt das Museum jährlich wechselnde Sonderausstellung
aus dem Bereich der Religionsgeschichte. Derzeit ist „PEREGRINATIO. Die Geschichte des
Pilgerns und der Wallfahrt“ zu sehen.

Impressum
RMR Aktuell
Zeitschrift für Archäologie in Pforzheim und im Enzkreis

Jeff Klotz, Herausgeber
Römermuseum Remchingen
Niemandsberg 4                                    Falls Sie Ihre Termine auch hier veröf-
75196 Remchingen                                  fentlichen möchten, senden Sie diese bis
                                                  01. April 2021 an info@roemermuseum-
Verlag: arte factum | Karlsruhe                   remchingen.de Die Veröffentlichung ist
ISSN 2509-3576                                    natürlich kostenlos.

Heft Nr. 1/2020
Die Zeitschrift ist kostenlos.

Gestaltung: Jeff S. Klotz
© Römermuseum Remchingen 2020. Alle Rechte vorbehalten.

                                                                                         19
» Allem, was alt ist, gebührt Respekt. «
                Asfa-Wossen Asserate

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