VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
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Inhalt Lebensqualität für alle – Verkehrspolitik in Basel-Stadt 2 1 Hintergrund 4 1.1 Rechtliche Grundlagen 4 1.2 Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung 5 1.3 Vorgehen und Organisation 9 1.4 Resultate des Studienauftrags 10 2 Verkehrspolitisches Leitbild 12 2.1 Politische Einordnung 12 2.2 Abstimmung der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung 13 2.3 Verkehrspolitische Ziele 15 2.4 Strategische Schwerpunkte 17 2.5 Umgang mit Zielkonflikten 18 3 Massnahmenplan 22 3.1 Fuss- und Veloverkehr 24 3.2 Öffentlicher Verkehr 26 3.3 Strassenverkehr 30 3.4 Parkraumangebot 33 3.5 Städtischer Güterverkehr 34 3.6 Öffentlicher Strassenraum 35 3.7 Mobilitätsmanagement 39 4 Wirkung und Kosten 40 4.1 Prognostizierte Wirkungen Massnahmenplan 40 4.2 Finanzierung 42 5 Monitoring und Controlling 44 5.1 Monitoring Strassenverkehrsleistung 44 5.2 Weitere Kennziffern zur Zielerreichung 46 6 Kommunikation, Abstimmung und Weiterentwicklung 47 7 Vernehmlassung und Ausblick 49 Anhang, lose Aktionsplan 2015 – 2017
Lebensqualität für alle – Verkehrspolitik in Basel-Stadt Verkehr gehört zu unserem modernen, mobilen Leben. Doch Verkehr hat seinen Preis. Das ist auch in Basel so. Deshalb ver- folgt Basel-Stadt seit vielen Jahren eine Verkehrspolitik, die die Attraktivität des Lebens- und Wirtschaftsraums in den Mittel- punkt stellt. Dafür das richtige Mass zwischen Mobilitätsbedürfnissen und Verkehrsangebot zu finden, ist gerade im intensiv genutzten städtischen Raum eine zentrale Herausforderung. Dass dies in Basel gelingt, bestätigen verschiedene Entwicklungen. So konnte etwa der motorisierte Individualverkehr trotz Be- völkerungs- und Wirtschaftswachstum stabilisiert werden, nicht zuletzt weil für immer mehr Menschen das Velo zum bevorzug- ten Verkehrsmittel wird. Das hat zugleich für Autofahrerinnen und Autofahrer Vorteile, denn sie verbringen auf Basels Strassen deutlich weniger Zeit im Stau als in anderen Agglomerationen der Schweiz. Das vorliegende Verkehrspolitische Leitbild baut auf dieser erfolgreichen Basler Verkehrspolitik auf und konkretisiert die Ziele und Massnahmen für die nächsten 10 bis 15 Jahre. 2 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Lebensqualität für alle – Verkehrspolitik in Basel-Stadt Eine nachhaltige städtische Verkehrspolitik basiert auf ei- Der Regierungsrat verfolgt gemäss der Verfassung des Kan ner dichten Siedlungsstruktur mit einer guten Durchmi- tons Basel-Stadt (KV) mit seiner Verkehrspolitik vier über- schung von Wohnen und Arbeiten sowie von Einkaufs- und geordnete Ziele: Freizeitangeboten, auf Verkehrsmitteln, die den begrenz- Verkehr ist nicht Selbstzweck, sondern dient wirtschaft ten städtischen Raum möglichst schonend beanspruchen, lichen und privaten Bedürfnissen. Dazu muss die Verkehrs- und auf einer effizienten Nutzung der bestehenden Infra- politik eine gute Erreichbarkeit sichern (§29/30 KV) und strukturen. Nur so können wir den wachsenden Mobilitäts- die Voraussetzungen für einen attraktiven Wohn- und Wirt- bedürfnissen raumsparend, energieeffizient und umwelt- schaftsstandort schaffen. So verbessert Verkehrspolitik die verträglich Rechnung tragen. Mit der konsequenten Förde- Lebensqualität (§33/34 KV). Zudem gilt es, die Verkehrs rung des Fuss- und Veloverkehrs sowie des öffentlichen sicherheit zu erhöhen (§30 KV) und die Kosteneffizienz zu Verkehrs verfolgt die Basler Verkehrspolitik diesen Weg seit gewährleisten, damit die Verkehrsinfrastrukturen auch Langem erfolgreich. langfristig finanzierbar bleiben (§30 KV). So legen die Einwohnerinnen und Einwohner von Basel 37% Um diese Ziele zu erreichen, setzt der Regierungsrat in der ihrer Wege zu Fuss, 16% mit dem Velo und 27% mit dem ÖV Verkehrspolitik sieben strategische Schwerpunkte und er- zurück. Das Auto benutzen sie nur für 18% ihrer Wege. Der gänzt diese mit einem aufeinander abgestimmten Massnah- Autoanteil in Basel ist damit nicht nur geringer als in ande- menbündel: ren Schweizer Städten, er ist z. B. auch wesentlich tiefer als –– Lücken im Fuss- und Veloroutennetz schliessen in der «Velohauptstadt» Kopenhagen (33%) und in vielen und Infrastrukturen sicher und nutzergerecht gestalten. weiteren europäischen Städten. Der vergleichsweise gerin- –– ÖV-Angebot (Bahn, Tram, Bus) grenzüberschreitend ge Autoverkehr trägt wesentlich dazu bei, dass Staus in der ausbauen und aufeinander abstimmen. Region Basel im Vergleich zu anderen Agglomerationen we- –– Städtischen Strassenverkehr dosieren, auf das Auto- niger oft auftreten und dass sich Basel-Stadt durch eine bahnnetz lenken und dort Kapazitäten sicherstellen. gute Wohnqualität und niedrige Unfallzahlen im Strassen- –– Öffentliches Parkraumangebot beschränken und verkehr auszeichnet. Der entsprechend hohe Anteil des öf- aktiv bewirtschaften. fentlichen Verkehrs ermöglicht einen wirtschaftlichen Be- –– Städtischen Güterverkehr über City-Logistik-Konzepte trieb eines dichten Netzes von Tram-, Bus- und S-Bahn- nachhaltig steuern. Linien. –– Öffentliche Strassenräume aufwerten, sicherer gestal- ten und kurze Wege ermöglichen. –– Verkehrsnachfrage über Mobilitätsmanagement be einflussen. Mit einem Paket von 30 Massnahmen kann der Autoverkehr auf den Stadtstrassen nicht nur stabilisiert, sondern sogar entgegen dem Trend im Umland reduziert werden. Der Regierungsrat beabsichtigt, periodisch über die Um- setzung des Verkehrspolitischen Leitbildes zu informieren. Anteil der Verkehrsmittel an den durch die Stadt Zudem wird der Regierungsrat jährlich über die Entwicklung bevölkerung zurückgelegten Wegen* (Stand 2010) des Verkehrs insgesamt und des Strassenverkehrs im Spe- ziellen berichten. zu Fuss Velo ÖV MIV übrige Basel 37 16 27 18 Bern 39 11 28 22 Luzern 36 9 21 32 St. Gallen 39 3 20 38 Winterthur 30 13 19 36 Zürich 36 6 32 25 Zahlenwerte in % * Massgebend ist das Hauptverkehrsmittel pro Weg 3
1 Hintergrund 1.1 Rechtliche Grundlagen Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt richtet seine Das Umweltschutzgesetz Basel-Stadt (USG) konkretisiert Verkehrspolitik an den folgenden in der Kantonsverfassung Teile dieser Verfassungsbestimmungen und legt unter ande- festgeschriebenen Grundsätzen aus: rem fest: –– Kanton und Landgemeinden treffen Massnahmen, § 30 Abs. 1 um den Anteil der umweltfreundlichen Verkehrsmittel Der Staat ermöglicht und koordiniert eine sichere, zu erhöhen. Sie sorgen dafür, dass der Fussverkehr wirtschaftliche, umweltgerechte und energiesparende sowie der nicht motorisierte und der öffentliche Ver- Mobilität. Der öffentliche Verkehr geniesst Vorrang. kehr gegenüber dem privaten Motorfahrzeugverkehr bevorzugt und vor vermeidbaren Behinderungen § 30 Abs. 2 und Gefährdungen geschützt werden (§13b). Der Staat setzt sich für einen attraktiven Agglome –– Kanton und Landgemeinden treffen Massnahmen rationsverkehr, für rasche Verbindungen zu den schwei zur Kanalisierung, Verminderung und Beruhigung des zerischen Zentren und für den Anschluss an die inter privaten Motorfahrzeugverkehrs. Sie sorgen insbe nationalen Verkehrsachsen auf Schiene, Strasse sowie sondere mit verkehrsberuhigenden Massnahmen dafür, auf Luft- und Wasserwegen ein. dass der Durchgangs- und der Pendlerverkehr Wohn- gebiete möglichst wenig beeinträchtigen (§14). Aus weiteren Bestimmungen der Kantonsverfassung lassen –– Zur Reduktion des Durchgangsverkehrs setzt sich sich Vorgaben für eine Verkehrspolitik ableiten. So sorgt der der Kanton für eine rasche Verwirklichung des Natio- Staat: nalstrassennetzes auf Kantonsgebiet ein (§14). –– mit günstigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung –– Das zeitlich unbeschränkte Parkieren privater Motor- einer leistungsfähigen und strukturell ausgewogenen fahrzeuge auf öffentlichem Grund ist bevorzugt Wirtschaft (§ 29); Behinderten, Anwohnerinnen und Anwohnern und glei- –– für Massnahmen zur Reinhaltung von Erde, Luft und chermassen Betroffenen zu ermöglichen (§16). Wasser (§ 33 Abs. 1); –– für den Schutz der Menschen und der Umwelt vor Seit einer Volksabstimmung im Jahr 2010 ist zudem eine Lärm und sonstigen lästigen und schädlichen Einflüssen Anpassung des USG wirksam, die die bestehenden Ziele (§ 33 Abs. 4); zur Reduktion des Autoverkehrs quantifiziert. Der neue §13 –– für die zweckmässige und umweltschonende Nutzung Abs. 2 des USG bestimmt: des Bodens im Rahmen einer auf die grenzüber schreitende Agglomeration abgestimmten Siedlungs- Der Kanton sorgt dafür, dass die Gesamtverkehrs entwicklung. Er wahrt und fördert die Wohnlichkeit wie leistung des privaten Motorfahrzeugverkehrs auf dem auch die städtebauliche Qualität (§ 34 Abs. 1). Kantonsgebiet gegenüber heute langfristig abnimmt, bis zum Jahr 2020 um mindestens 10%. Die Verkehrs leistung auf den Hochleistungsstrassen ist davon ausgenommen. Eine Verkehrszunahme durch Aus- und Neubau von Hochleistungsstrassen muss auf dem übrigen Streckennetz auch nach dem Jahr 2020 durch flankierende Massnahmen im gleichen Masse kom pensiert werden. Das Reduktionsziel für den Autoverkehr ist jedoch nicht al- leine massgebend, sondern den übrigen rechtlichen Grund- lagen gleichgestellt. So unterstützt und konkretisiert das Reduktionsziel die bestehenden rechtlichen Grundsätze für eine hohe Lebensqualität in Basel-Stadt. Zusammengefasst formuliert der Regierungsrat entspre- chend dieser gesetzlichen Grundlagen mit dem Leitbild eine Verkehrspolitik, die städtische und regionale Mobilität mit urbaner Lebens- und wirtschaftlicher Standortqualität in Einklang bringt. 4 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Hintergrund 1.2 Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung Warum hat der Verkehr in den letzten Jahrzehnten Zugleich wird es immer schwieriger, neue Strassen oder stark zugenommen? Bahnlinien zu bauen: Der Platz ist begrenzt, die Anwohne- In den letzten Jahrzehnten war das Verkehrswachstum auf rinnen und Anwohner wollen zu Recht vor Lärm und Abga- unseren Strassen und Schienen wesentlich grösser als das sen geschützt werden, weitere trennende Schneisen im Bevölkerungswachstum. Diese starke Zunahme ist die Fol- Stadtgebiet sind unerwünscht. Die Gesellschaft kann und ge von immer längeren Distanzen, die wir zurücklegen. Die will sich einen Ausbau der Verkehrsnetze nur noch be- zunehmende räumliche Trennung von Wohnen und Arbei- schränkt leisten. Da die bestehenden Infrastrukturen zu- ten, insbesondere seit den 1960er-Jahren, hat dazu geführt, mindest in den Spitzenstunden an Kapazitätsgrenzen stos dass die Erwerbstätigen längere Arbeitswege in Kauf neh- sen, ist eine weitere Verkehrszunahme immer schwieriger men müssen. Gleichzeitig haben der damals begonnene Bau zu bewältigen. Dass ein stetiger Ausbau der Verkehrskapa- des Autobahnnetzes und auch der Ausbau des Angebots im zitäten keine nachhaltige Lösung des Verkehrsproblems öffentlichen Verkehr das tägliche Pendeln über längere darstellt, zeigt auch der Blick auf typische «autogerechte» Wege überhaupt erst ermöglicht. Städte. So sind grosse Staus in Städten wie Miami oder Moskau trotz zehn- bis fünfzehnspurigen Autobahnen an Mit dem steigenden Wohlstand hat sich der Wohnflächen- der Tagesordnung. bedarf pro Person stark erhöht. So haben zum Beispiel 1970 im Kanton Basel-Stadt 235 000 Einwohnerinnen und Einwohner in rund 92 000 Wohnungen gelebt. 2010 benö- tigten die damals 192 000 Einwohnerinnen und Einwohner von Basel 105 000 Wohnungen. Statt durchschnittlich 2,6 Personen wie 1970 belegen heute also nur noch 1,8 Perso- nen eine Wohnung. Diese räumliche Ausbreitung, die auch in weiteren Bereichen (Arbeit, Einkauf) festgestellt werden kann, führt dazu, dass die Menschen längere Wege zurück- legen müssen, um Arbeit, Freizeit, Einkauf etc. nachzu- kommen. Diese «erzwungene» Mobilität führt wiederum zu Mehrverkehr und Kapazitätsproblemen auf Strasse und Schiene. Verkehrsspirale Höhere Verkehrsnachfrage bedingt längere Wege Ausbau Verkehrssystem Trennung Wohnen Bahn und Strasse von Arbeit/Freizeit/Einkauf ermöglicht längere Wege Ausdehnung der Siedlungsgebiete 5
Hintergrund Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung Was sind umweltfreundliche Verkehrsmittel? Was ist stadtgerechter Verkehr? Umweltfreundliche Verkehrsmittel brauchen wenig Energie, Neben Lärm und Luft ist für einen stadtgerechten Verkehr produzieren wenig Lärm und Abgase und benötigen wenig insbesondere der Flächenbedarf entscheidend. Je dichter Platz. Der Fuss- und Veloverkehr schneidet bei allen vier ein Raum bebaut ist, desto besser kann der öffentliche Ver- Kriterien deutlich besser ab als das Auto oder auch der öf- kehr seine Vorteile ausspielen: effiziente Nutzung des wert- fentliche Verkehr. Trotz erheblichen technischen Verbes- vollen Strassenraums dank hoher Beförderungskapazität, serungen belastet der Autoverkehr im Durchschnitt die geringe Lärm- und Abgasemissionen und kein Bedarf an Umwelt deutlich stärker als der öffentliche Verkehr. Aller- Parkplätzen. Auch der Veloverkehr hat seine Stärken in ei- dings hängt dieses Verhältnis stark von der Auslastung der nem engen, dicht bebauten Raum, wo mit kurzen Wegen einzelnen Fahrzeuge ab. So ist ein gut ausgelastetes Tram viele verschiedene Ziele erreicht werden können. wesentlich energieeffizienter und auch wirtschaftlicher als der Transport gleich vieler Personen in Autos. Umgekehrt Beim innerstädtischen Verkehr steht eine ausreichend hohe ist ein wirtschaftlicher Betrieb eines attraktiven öffentli- Kapazität im Vordergrund. Hohe Geschwindigkeiten sind chen Verkehrs in kleinen Dörfern fernab der nächsten Stadt nicht das Ziel, im Gegenteil: Geringeres Tempo erhöht die nicht möglich. Das Auto ist dort das effizienteste Verkehrs- Verkehrssicherheit und reduziert den Platzbedarf. So be- mittel und auch umweltfreundlicher als ein schlecht ausge- nötigt ein Auto bei 30 km/h nur etwa halb so viel Raum wie lasteter Dieselbus. bei 50 km/h. Platzbedarf pro Person nach Verkehrsmitteln in Abhängigkeit der Geschwindigkeit Beispiel 50 km/h Eine Person in einem stehenden PW benötigt 13,5 m2, 30 km/h bei 30 km/h benötigt dieselbe Person infolge des notwendigen Sicherheits- Stillstand ~ 140 abstandes bereits rund 65 m2. 65,2 41 15,9 13,5 9 8,6 8,1 5,5 4,5 2,8 2,5
Hintergrund Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung Wie prägt die Siedlungsstruktur das Verkehrsaufkommen? Ist unser Verkehrssystem wirklich überlastet? Die Zersiedelung und insbesondere die räumliche Trennung Wir alle sind schon im Stau gestanden oder haben uns über von Wohnen und Arbeiten führen zu mehr Verkehr. Umge- überfüllte Trams oder Züge beklagt. Dennoch ist der Aus- kehrt gilt aber auch, dass mit einer guten Durchmischung lastungsgrad unseres Verkehrssystems im Schnitt sehr ge- von Wohnen, Arbeiten, Einkaufs- und Freizeitmöglichkei- ring: Die Kapazitätsprobleme auf der Strasse beschränken ten auf kleinerem Raum der Verkehr reduziert werden sich auf wenige Stunden am Tag; und selbst in dieser Zeit kann. Personen aus weniger dicht besiedelten Räumen le- sitzt selten mehr als eine Person in einem Auto, d. h., 4 von gen in der Schweiz durchschnittlich rund 41 km pro Tag zu- 5 Sitzplätzen sind unbenutzt. Im öffentlichen Verkehr sind rück. Menschen, die in dichter besiedelten Quartieren woh- in den Spitzenstunden oft alle Sitzplätze belegt. Dass Per- nen (z. B. Gundeli oder St. Johann), finden leichter ein Ziel sonen an den Haltestellen zurückbleiben, weil sie nicht mehr in unmittelbarer Nähe. Sie legen deshalb durchschnittlich ins Fahrzeug einsteigen können, kommt aber nur sehr sel- nur halb so weite Distanzen zurück (rund 22 km pro Tag). ten vor. Über den ganzen Tag betrachtet, liegt die Auslas- Da Personen aus dichter besiedelten Quartieren auch öfter tung des Tram- und Busangebotes in Basel grob geschätzt zu Fuss gehen und vermehrt den öffentlichen Verkehr nut- bei 30 % der Sitzplätze. zen, ist der Unterschied der mit dem Auto zurückgelegten Distanzen noch grösser: Statt im Durchschnitt 31 km pro Ein Privatauto fährt heute im Durchschnitt weniger als eine Tag legen sie nur 10 km pro Tag mit dem Auto zurück. Dass Stunde pro Tag. Die übrigen 23 Stunden steht es auf einem in dicht besiedelten Quartieren kürzere Wege zurückgelegt Parkplatz. Auch bei den Parkplätzen sind nur diejenigen im werden, gilt übrigens nicht nur für Arbeits- und Einkaufs- öffentlichen Strassenraum ganztägig gut ausgelastet. Viele wege, sondern auch für Wege in der Freizeit. Tiefgaragen in reinen Wohngebieten sind hingegen tags- über schlecht belegt, umgekehrt stehen Parkplätze von Einkaufszentren in der Nacht leer. Zusammenhang von Siedlungsdichte und durchschnittlichen Weglängen (km/Tag) Zum Vergleich einige Basler Quartiere Matthäus 275 Einw./ha Iselin 150 Einw./ha Bruderholz 35 Einw./ha > 160 4 km 10 km 8 km 140 – 159 3 11 9 120 – 139 3 15 13 100 – 119 3 14 11 80 – 99 3 16 11 Einwohner pro Hektar 60 – 79 3 20 10 40 – 59 3 24 10 20 – 39 3 28 8 1 – 19 2 31 7 0 5 km 10 km 15 km 20 km 25 km 30 km 35 km 40 km 45 km Quelle: Mikrozensus 2010, Auswertung Metron (Zahlen gerundet) 7
Hintergrund Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung Schlussfolgerungen für eine zukunftsfähige Siedlungs- Weitere Infrastrukturausbauten sind nur in wenigen Fällen und Verkehrspolitik nachhaltig, weil sie zusätzlichen Verkehr verursachen und Eine nachhaltige städtische Verkehrspolitik setzt in erster häufig unwirtschaftlich sind. Ausbauten können jedoch ge- Linie auf eine dichte und gemischte Siedlungsentwicklung, rechtfertigt sein, um Netzlücken (z. B. Herzstück der Regio- auf flächensparende Verkehrsmittel und auf eine effizien- S-Bahn, vgl. Kap. 3.2) zu schliessen oder Engpässe zu be- tere Nutzung der vorhandenen Infrastrukturen und Ver- seitigen (z. B. Rheintunnel, vgl. Kap. 3.3). Hingegen führt ein kehrsangebote. genereller Kapazitätsausbau in der Regel zu zusätzlichen Problemen und ist kein nachhaltiger Lösungsbeitrag. –– Dichte und gemischte Quartiere: Dichte Quartiere mit unterschiedlichen Nutzungen und einer guten Ver- Das Verkehrspolitische Leitbild nimmt diese Grundsätze auf. sorgung sind die Voraussetzung, damit Menschen Dichte und funktionsgemischte Quartiere werden in erster ihre Mobilitätsbedürfnisse (Arbeit, Freizeit, Einkauf) in Linie über raumplanerische Ansätze gefördert (vgl. Kapitel ihrer unmittelbaren Wohnumgebung erfüllen können 2.2) und deshalb in diesem Leitbild nicht vertieft behan- und nicht zu langen Wegen gezwungen werden. delt. Die Förderung flächensparender Verkehrsmittel und –– Flächensparende Verkehrsmittel: Ein hoher Anteil flä- die effizientere Nutzung der bestehenden Infrastrukturen chensparender Verkehrsmittel (Fussverkehr, Velover- und Verkehrsangebote sind in den sieben Massnahmen kehr, öffentlicher Verkehr) ist die Voraussetzung, damit paketen (vgl. Kap. 3.1 bis 3.7) berücksichtigt. In der Summe alle Verkehrsbedürfnisse im engen städtischen Raum beschreibt das Verkehrspolitische Leitbild strategische Zie- Platz finden. Dieser flächensparende Verkehr wird le und konkrete Massnahmen, die die erfolgreichen Wei- mit einem attraktiven Leistungsangebot etwa des öf- chenstellungen der Vergangenheit fortführen, und bindet fentlichen Verkehrs und für den Veloverkehr bei gleich- zugleich neue Erkenntnisse, neue Verfahren und neue Tech- zeitigen Einschränkungen des Autoverkehrs wirksam nologien ein, damit der Verkehr in Basel auch in Zukunft si- gefördert (Push- und Pull-Massnahmen). cher, umweltgerecht und wirtschaftlich fliessen kann. –– Effizientere Nutzung der bestehenden Infrastrukturen und Verkehrsangebote: Eine bessere Auslastung beste- hender Infrastrukturen und Verkehrsangebote ist die kostengünstigste Art, um ein weiteres Verkehrswachs- tum aufzunehmen bzw. heutige Kapazitätsprobleme zu lösen. Die entsprechenden Lösungsansätze sind äus serst vielseitig. Sie reichen von Parkleitsystemen und der optimierten Steuerung von Lichtsignalanlagen über das Teilen von Fahrzeugen (Bike- oder Carsharing) und das Vermitteln von Mitfahrgelegenheiten bis hin zu differenzierten Preisen (Mobility Pricing) und neuen Arbeitszeitmodellen, um Verkehrsspitzen in Stosszeiten abzufedern. 8 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Hintergrund 1.3 Vorgehen und Organisation Um die Basler Verkehrspolitik zu überprüfen und gegebe- In der Folge hat der Regierungsrat das vorliegende Ver- nenfalls neuen Anforderungen anzupassen, haben drei un- kehrspolitische Leitbild erarbeitet, am 25. März 2014 in die abhängige Expertenteams die Wirkungen der bisher geplan- Vernehmlassung gegeben und aufgrund der Rückmeldun- ten Verkehrsprojekte abgeschätzt und ergänzende Mass- gen am 16. Juni 2015 bereinigt und verabschiedet. nahmen vorgeschlagen. Die Ergebnisse wurden in einem Synthesebericht zusammengefasst und in einer Ausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt. Prozessorganisation Studienauftrag und Verkehrspolitisches Leitbild Projektsteuerung Departementsvorsteher Bau- und Verkehrsdepartement Amtsleiter Mobilität und Tiefbauamt Planungsamt Gesamtprozess Kommunikation/Mitwirkung Projektleitung Externe Unterstützung Kommunikationsbeauftragte BVD Mobilitätsstrategie INFRAS Erweiterte Projektleitung Mobilitätsplanung Planungsamt (GSV) Fachleute BS Beurteilungsgremium Begleitgruppe Mobilität Verkehrstechnik Mobilitätsstrategie Fussverkehr Region Basel Mobilitätsplanung Mobilitätsplanung Pro Velo beider Basel Mobilitätsstrategie Planungsamt VCS beider Basel Tiefbauamt IGöV NWCH Verkehrspolizei Tiefbauamt Basel-Landschaft UmverkehR Region Basel Kantons- und Stadtentwicklung Externe Fachleute (In- und ACS Sektion beider Basel Phase Studienauftrag Planungsamt Ausland) TCS Sektion beider Basel Gewerbeverband Basel-Stadt Handelskammer beider Basel Verkehrskommission der NQV Team 1 Team 2 Team 3 Basler & Hofmann (B & H) ewp, Ingenieure Metron IRAP Hochschule Rapperswil Scholl + Signer 9
Hintergrund 1.4 Resultate des Studienauftrags Der Studienauftrag hat auch die bisherige Basler Verkehrs- Die Teams kommen trotz unterschiedlicher Methoden zum planung kritisch gewürdigt. Die drei Teams kommen über- selben Ergebnis: Die bisher geplanten Massnahmen können einstimmend mit dem Beurteilungsgremium zum Schluss, das prognostizierte Wachstum des motorisierten Indivi dass die bisherige Basler Verkehrspolitik insgesamt sehr dualverkehrs von rund 6 % zwischen 2010 und 2020 zwar stimmig und zielgerichtet ist. Diese Politik fördert konse- verhindern, können das Verkehrsaufkommen aber nicht ver quent Alternativen zum motorisierten Individualverkehr (so- mindern. Eine deutliche Reduktion wäre nur mit zusätzli- genannte Pull-Massnahmen). So wurde der öffentliche Ver- chen Massnahmen erreichbar. Solche zusätzlichen Mass- kehr ausgebaut und der Fuss- und Veloverkehr massgebend nahmen erfordern jedoch politische Mehrheiten, das Mit- gefördert. wirken der regionalen Partner über die Kantons- und Lan- desgrenzen hinaus sowie grosse Anstrengungen bei deren Um jedoch einer Zunahme des Autoverkehrs bei einem er- Umsetzung. warteten Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum auch künftig erfolgreich entgegenzuwirken, sind weitere, neue Der Synthesebericht des Studienauftrags schlägt entspre- Massnahmen erforderlich. Alternative Verkehrsmittel zu chend Massnahmenpakete in den folgenden sieben Hand- fördern, ist weiterhin nötig, genügt aber nicht. Es sind auch lungsfeldern vor: Push-Massnahmen notwendig, die einschränkend auf den –– Breite Veloförderung und attraktives gesamtregionales Autoverkehr einwirken (vor allem über Massnahmen im Be- Veloroutennetz reich Verkehrsmanagement/Dosierung sowie Parkraumbe- –– Optimierung der grenzüberschreitenden Information wirtschaftung). und Tarifierung im ÖV –– Städtisches und regionales Verkehrsmanagement –– Städtische und regionale Parkraumbewirtschaftung –– Stadtlogistik – stadtverträgliche Abwicklung des Güterverkehrs –– Weitere Verkehrsberuhigung und Aufwertung des öffentlichen Strassenraums –– Aktive Mobilitätsberatung und -information Wirkungsabschätzung der drei Teams für bisher geplante und zusätzliche Massnahmen Strassen- Verkehrs- Öffentlicher Fuss- und Mobilitäts- Gesamttotal verkehr management Verkehr Veloverkehr management inkl. Parkierung inkl. Stadtlogistik Metron Metron Metron Metron Metron Metron B & H B & H B & H B & H B & H B & H ewp ewp ewp ewp ewp ewp Referenz 2020 0% Reduktion der Verkehrsleistung 2020 auf dem –2% Basler Strassennetz – 16 % –4% –6% Zustand 2010 –8% – 10 % – 10 % – 12 % – 14 % Ziel 2020 – 16 % Wirkung bisher geplanter Massnahmen Wirkung zusätzlicher Massnahmen 10 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
2 Verkehrspolitisches Leitbild 2.1 Politische Einordnung Das Verkehrspolitische Leitbild hat Programmcharakter und Das Leitbild weist Schnittstellen zu verkehrspolitisch rele- stellt die basel-städtische Verkehrspolitik umfassend dar. vanten Grundlagen wie dem Richtplan oder dem Legisla- Das Leitbild ersetzt den Verkehrsplan 2001. Der Massnah- turplan des Regierungsrates auf. Diese Grundlagen sind menplan enthält die wesentlichen verkehrspolitischen kohärent, behandeln in Bezug auf die Verkehrspolitik aber Massnahmen für die nächsten 10 bis 15 Jahre. nur Teilaspekte. Das Verkehrspolitische Leitbild stellt hin- gegen die verkehrsplanerischen Grundsätze des Kantons umfassend und ganzheitlich dar. Es geht dabei in den fol- genden Aspekten auch über die bestehenden Grundlagen hinaus: –– Das Leitbild enthält Aussagen zum Umgang mit Ziel- konflikten zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln und zwischen den verschiedenen Teilzielen. –– Der Verkehrsplan 2001 ist weitgehend im Richtplan aufgegangen. Die im Verkehrsplan enthaltenen Aus sagen zu einzelnen Projekten sind jedoch teilweise ver- altet. Das Verkehrspolitische Leitbild ersetzt den Verkehrsplan als verbindliche Absichtserklärung des Regierungsrates. –– Das Verkehrspolitische Leitbild ist abgestimmt auf das Agglomerationsprogramm Basel, in das auch die Strate- gien der Nachbarregionen eingeflossen sind. Strategische Positionierung des Verkehrspolitischen Leitbildes mit Massnahmen Kantonsverfassung (v. a. Art. 30) Kantonaler Richtplan Legislaturprogramme Strategie und Leitsätze 2009–2012, 2013–2016 Kantonale Gesetze Umweltschutzgesetz ÖV-Gesetz etc. Verkehrspolitisches Leitbild Fachprogramme und Planungen Massnahmenplan Erhaltungsplanung Strassenraum ÖV-Programm Teilrichtplan Velo Luftreinhalteplan beider Basel u. a. m. Bundesplanungen Agglomerationsprogramm Planungen benachbarter Charta Stadtverkehr ASTRA/PEB Basel Gebietskörperschaften für eine nachhaltige städti- BAV/STEP Teilstrategien Verkehr und (Kantone, D, F) sche Mobilität (Basel, Siedlung Programme und Projekt Luzern, St. Gallen, Winter- planungen thur, Zürich) 12 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Verkehrspolitisches Leitbild 2.2 Abstimmung der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung Die Schnittstellen zu den regionalen und nationalen Pla- Die strategischen Schwerpunkte und der Massnahmenplan nungen sind im Verkehrspolitischen Leitbild berücksichtigt des vorliegenden Leitbildes konzentrieren sich auf den Ver- und transparent dargestellt. Das Leitbild ist zudem mit der kehr. Reine Raumplanungsmassnahmen werden in diesem Siedlungsentwicklung abgestimmt. Die entsprechenden Rahmen nicht weiter ausgeführt. Selbstredend kann eine Planungen und die regionale Koordination erfolgen laufend, sinnvolle Verkehrspolitik jedoch nur in Abstimmung mit den insbesondere im Agglomerationsprogramm Basel, aber auch Strategien und Massnahmen der Raumplanung erfolgreich in der konkreten Projektplanung oder mit den Sachplanun- sein (vgl. auch Kap. 1.2). gen des Bundes (z. B. Programm Engpassbeseitigung Ost- tangente). Die städtische Raumplanungspolitik ist im kantonalen Richt- plan aus dem Jahr 2009 und mit der Anpassung 2012 um- Das Verkehrspolitische Leitbild konzentriert sich auf den fassend dargelegt (Strategie- und Massnahmenteil). Ob- Landverkehr. Luftverkehr und Schifffahrt sind zwar bedeut- jekt- bzw. Massnahmenblätter des Richtplans mit Auswir- sam für die internationale Erreichbarkeit der Agglomerati- kungen auf den Verkehr sind: on Basel und dank des landseitigen Modalsplits zugunsten –– Schwerpunkte der Siedlungs- und Stadtentwicklung der Bahn von mehr als 60 Prozent hat die Schifffahrt auch (S 1.2) einen entlastenden Einfluss auf das Autobahnnetz. Jedoch –– Wirtschaftliche Schwerpunktgebiete (S 2.1) sind die strategischen Grundsätze im Richtplan ausrei- –– Innenstadtaufwertung (S 4.3) chend definiert und die Wechselwirkung mit dem unterge- –– Verkehrsintensive Einrichtungen (S 3.1/2) ordneten städtischen Strassennetz sind vergleichsweise –– Öffentliche Bauten und Anlagen (S 5.1 – 4) gering. Weiter gehende Aussagen betreffend die landseiti- gen Verlagerungswirkungen der Schifffahrt erfolgen auf Die Raumplanungsmassnahmen auf regionaler Ebene wer- Stufe Massnahmenplan. den vor allem im Agglomerationsprogramm Basel abge- stimmt. Dieses Instrument koordiniert und ergänzt die Sied- lungsmassnahmen der einzelnen regionalen Gebietskörper- schaften hinsichtlich agglomerationsspezifischer Heraus- forderungen. Zudem stellt das Agglomerationsprogramm Basel eine trinationale Abstimmung der Gesamtverkehrs- planungen (u. a. trinationales S-Bahn-Angebotskonzept so- wie Strategie Strasse) auf die erwünschte Siedlungsent- wicklung sicher. 13
Verkehrspolitisches Leitbild 2.3 Verkehrspolitische Ziele Das Verkehrspolitische Leitbild orientiert sich an vier über- B Lebensqualität erhöhen (§33/34 KV) geordneten verkehrspolitischen Zielen. Diese Ziele werden Eine hohe Lebensqualität ist die wesentliche Voraus in sieben strategischen Schwerpunkten, denen konkrete setzung für einen attraktiven Wohn- und Wirtschafts- Massnahmen (Massnahmenplan) zugeordnet sind, ver- standort. Aus verkehrspolitischer Sicht wird unter folgt. Ziele und Handlungsfelder sind nicht konfliktfrei. Wie Lebensqualität vor allem das Wohlbefinden von Anwoh- mit Zielkonflikten im Grundsatz umgegangen wird, ist eben- nerinnen und Anwohnern, Arbeitnehmenden sowie falls Bestandteil des Leitbildes. Besucherinnen und Besuchern im öffentlichen Raum verstanden. Dabei wird deutlich, wie unmittelbar die Übergeordnete Ziele Wechselwirkungen zwischen z. B. städtebaulichen und Die Basler Verkehrspolitik verfolgt vier übergeordnete Ziele. verkehrspolitischen Massnahmen sind. So zieht eine Diese sind kohärent mit den entsprechenden Vorgaben der verkehrsberuhigte Begegnungszone zusätzliche Fuss- Kantonsverfassung (in Klammern jeweils wichtigste Para- gängerinnen und Fussgänger an. Diese wiederum ma- grafen) und des kantonalen Richtplans (ST11 «Vereinbar- chen den öffentlichen Raum belebter – und damit keit von Mobilität, urbaner Wohnqualität und Wirtschafts- sicherer und attraktiver. Zugleich minimiert eine um- standort»): weltfreundliche Mobilität die negativen Auswirkungen des Verkehrs (Lärm, Luft, Flächenverbrauch). ÖV, A Gute Erreichbarkeit sicherstellen (§29/30 KV) Fuss- und Veloverkehr haben Vorrang vor dem Auto Verkehr1 ist nicht Selbstzweck, sondern dient wirt- verkehr. Diese Wechselwirkungen erhöhen die Lebens- schaftlichen und privaten Bedürfnissen. Eine hervorra- qualität und stärken so den Wohn- und Wirtschafts- gende Erreichbarkeit der Wirtschafts- und Wohnregion standort Basel. Basel mit allen Verkehrsmitteln – grossräumig und hinsichtlich einzelner Stadtgebiete – ist ein essenzieller C Verkehrssicherheit erhöhen (§30 KV) Standortfaktor im nationalen und internationalen Eine Verkehrspolitik, die die Unfallrisiken im Verkehr Wettbewerb. Der Kanton Basel-Stadt setzt sich ein für senkt, erhöht ebenfalls die städtische Lebensqualität. einen attraktiven Agglomerationsverkehr und einen Gleichzeitig verringert sie die volkswirtschaftlichen effizienten Güterumschlag, für rasche Verbindungen zu Folgekosten von Verkehrsunfällen. Dabei sind beson- den schweizerischen Zentren sowie für den Anschluss ders Kinder und ältere Personen zu schützen. Dem an die internationalen Verkehrsachsen. Fuss- und Veloverkehr ist genügend Raum zu geben; verbleibende Unfallschwerpunkte des Strassenverkehrs sind durch geeignete Massnahmen, insbesondere durch Temporeduktion des motorisierten Verkehrs, zu entschärfen. D Kosteneffizienz sicherstellen (§30 KV) Nachhaltige Verkehrspolitik heisst auch, dass die langfristige Finanzierung sichergestellt ist und nicht zulasten anderer Politikbereiche geht. Ein ökonomi- scher Einsatz der Verkehrsmittel berücksichtigt sowohl Investitions-, Betriebs- und Unterhaltskosten als auch anderweitige Folgekosten (z. B. Erneuerungskosten). Im kantons- und länderübergreifenden Verkehr sind ge- rechte Kostenteiler auszuhandeln. Umbauten beste hender Infrastrukturen sind deshalb so weit wie mög- lich mit dem Erhaltungsbedarf zu koordinieren. 1 Verkehr und Mobilität sind nicht dasselbe. Während Mobilität das Bedürfnis und die grundsätzliche Möglichkeit zur Raumveränderung beschreibt, ist Verkehr das «Instrument» zur Umsetzung der Mobilität in Form von Fahrzeugen, Infrastrukturen und Regelungen. Mit Verkehr ist das physisch messbare Verkehrsaufkommen ge- meint. 15
Verkehrspolitisches Leitbild Verkehrspolitische Ziele Verkehrspolitische Ziele und strategische Schwerpunkte Räumliche Abstimmung und Zusammenarbeit Quartiere, Agglomeration, Nachbarskantone, Länder (D/F) Verkehrspolitische Ziele Strategische Schwerpunkte und Massnahmenplan A Erreichbarkeit des Wirtschafts- und 1. Lücken im Fuss- und Veloverkehr Wohnstandorts Basel-Stadt verbessern schliessen und Infrastrukturen sicher und nutzergerecht gestalten Verkehrsnachfrage über Mobilitätsmanagement 6. Öffentliche Strassenräume aufwerten, sicherer 2. ÖV-Angebot (Bahn, Tram, Bus) grenz- überschreitend ausbauen und aufeinan- gestalten und kurze Wege ermöglichen B Lebensqualität durch stadt- und der abstimmen umweltgerechte Mobilitätsformen erhöhen 3. Städtischen Strassenverkehr dosieren, auf das Autobahnnetz lenken und dort Kapazitäten sicherstellen C Verkehrssicherheit erhöhen 4. Öffentliches Parkraumangebot be- schränken und aktiv bewirtschaften beeinflussen D Kosteneffizienz und Finanzierung von 5. Städtischen Güterverkehr über City- Verkehrsinvestitionen, Betrieb und Logistik-Konzepte nachhaltig steuern Unterhalt sicherstellen 7. Monitoring und Controlling Aktionsplan Strategische Planungen alle 4 Jahre Tramkonzept 2020, Strategie Lichtsignalanlagen, Ratschlag Parkraumbewirtschaftung, Teilricht- plan Velo, Erhaltungsplanung Strassenraum etc. 16 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Verkehrspolitisches Leitbild 2.4 Strategische Schwerpunkte Die Basler Verkehrspolitik verfolgt ihre Ziele mit Massnah- ringertes Parkplatzangebot im öffentlichen Strassen- men in sieben strategischen Schwerpunkten. Die zentralen raum, indem Quartierparkings erstellt werden. Die Massnahmen sind in Kapitel 3 näher erläutert. Parkraumbewirtschaftung wird so weit wie möglich regional koordiniert weiterentwickelt. 1. Lücken im Fuss- und Veloroutennetz schliessen und Infrastrukturen sicher und nutzergerecht gestalten 5. Städtischen Güterverkehr über City-Logistik-Konzepte Der Ausbau von Angeboten für Fussgänger und Velo- nachhaltig steuern fahrer dient verschiedenen Zwecken. Die Verlagerung Rund 25% des städtischen Verkehrs entfallen auf den von Autofahrten hat nach wie vor ein gewisses Poten Güterverkehr. Dieser Güterverkehr ist räumlich und zial, besonders im grenzüberschreitenden Verkehr, zeitlich stärker zu steuern, vor allem um die Quartiere in Wegeketten und über mittlere Distanzen. Daneben zu entlasten. Aus wirtschaftlichen Gründen muss die entlastet der Fuss- und Veloverkehr die innerstädti- Erreichbarkeit der verschiedenen Ziele des Güterver- schen ÖV-Kapazitäten zu Stosszeiten und verbessert kehrs jedoch sichergestellt sein. Güterverkehrsfahrten generell die Lebensqualität sowie die Gesundheits können vor allem über eine effizientere Abwicklung vorsorge. In Kombination mit dem öffentlichen Verkehr der sogenannten ersten/letzten Meile verringert wer- kann der Fuss- und Veloverkehr auch längere Autofahr- den. City-Logistik-Konzepte, die gleichzeitig den städ- ten ersetzen, entsprechend kommt attraktiven Velo tischen Raum entlasten und einen wirtschaftlichen abstellanlagen an und hindernisfreien Zugängen zu ÖV- Güterverkehr ermöglichen, erfordern die enge Zusam- Haltestellen eine hohe Bedeutung zu. Deshalb ist es menarbeit öffentlicher und privater Akteure. zum Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmenden wichtig, die Verkehrssicherheit weiter zu erhöhen. 6. Öffentliche Strassenräume aufwerten, sicherer Besondere Beachtung findet die Ausrichtung auf eine gestalten und kurze Wege ermöglichen risikoarme Verhaltensweise aller Verkehrsteilnehmen- Die gezielte Umgestaltung öffentlicher Strassenräume den, die sich durch gegenseitige Rücksichtnahme hilft, den Autoverkehr zu verringern. Im Vordergrund auszeichnet. stehen ein möglichst homogener, flüssiger Gesamt verkehr, eine höhere Verkehrssicherheit und eine gute 2. ÖV-Angebot (Bahn, Tram, Bus) grenzüberschreitend Aufenthaltsqualität durch angeglichene Geschwindig- ausbauen und aufeinander abstimmen keiten der einzelnen Verkehrsmittel. Neben Projekten Der zusätzliche Verkehr aufgrund des zukünftigen für Strassen und Plätze umfasst dies auch die flächen- Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstums soll in erster deckende Verkehrsberuhigung in den Wohngebieten Linie über einen attraktiven und zuverlässigen öffentli- (Tempo 30 und Begegnungszonen). Lokale Geschwin- chen Verkehr aufgefangen werden. Dazu sind weitere digkeitseinbussen im öffentlichen Verkehr sind dabei Angebotsausbauten erforderlich, neben dem Tram- und zulässig, solange das ÖV-System an anderer Stelle ent- Busnetz vor allem bei den grenzüberscheitenden Linien sprechend beschleunigt werden kann. der Regio-S-Bahn. Der Autoverkehr kann aber alleine mit ÖV-Ausbauten nicht ausreichend verlagert werden. 7. Verkehrsnachfrage über Mobilitätsmanagement beeinflussen 3. Städtischen Strassenverkehr dosieren, auf das Auto- Mobilitätsmanagement wirkt über die Sensibilisierung bahnnetz lenken und dort Kapazitäten sicherstellen verschiedener Zielgruppen für ein nachhaltiges und Verkehrsmanagement-Massnahmen können den Stras sicheres Verkehrsverhalten indirekt darauf ein, wofür senverkehr in der Stadt gezielt lenken und auf ein ver- und wie häufig das Auto genutzt wird. Im Vordergrund trägliches Mass beschränken sowie den verbleibenden stehen Beratungs- und Informationsangebote, Kam Autoverkehr möglichst auf das Autobahnnetz verla- pagnen, ökonomische Anreize und neue innovative Mo- gern. Dies kann über bauliche bzw. verkehrstechnische bilitätsangebote wie z. B. Carsharing-Systeme. (Spurabbau, Spurverengung usw. zugunsten ÖV sowie Fuss- und Veloverkehr) und/oder betriebliche Mass- In allen strategischen Schwerpunkten ist eine enge Zusam- nahmen (Lichtsignalsteuerung) erreicht werden. menarbeit über die Kantonsgrenze hinweg von grosser Be- Ein städtisches Verkehrsmanagementsystem muss mit deutung: Verkehr findet in funktionalen Räumen statt. Der einem künftigen regionalen System abgestimmt sein. Kanton Basel-Stadt muss deshalb die eigenen Handlungs- möglichkeiten konsequent nutzen, gleichzeitig aber auch 4. Öffentliches Parkraumangebot beschränken und die Zusammenarbeit mit den benachbarten (kommunalen aktiv bewirtschaften und regionalen) Gebietskörperschaften und übergeordne- Autofahrten mit Zielort Basel-Stadt lassen sich am ten nationalen Behörden (z. B. ASTRA) gezielt ausbauen. effizientesten durch das Parkraumangebot beeinflus- sen. Dies gelingt über höhere Parktarife und ein ver 17
Verkehrspolitisches Leitbild 2.5 Umgang mit Zielkonflikten Der städtische Raum ist begrenzt. Aus dieser Tatsache er- Erreichbarkeit versus Lebensqualität geben sich zahlreiche Konflikte zwischen Ansprüchen der Das ist der Grundkonflikt jeden städtischen Verkehrs. Städ- Verkehrsteilnehmenden und Ansprüchen von Anwohner- te müssen mit allen Verkehrsmitteln gut erreichbar sein. schaft, Arbeitnehmenden und Besucherinnen und Besu- Gleichzeitig erwarten die Bewohnerinnen und Bewohner chern. Hinzu kommen die unterschiedlichen Auswirkungen möglichst geringe negative Auswirkungen wie Lärm, Luft- der einzelnen Verkehrsmittel wie Raumbedarf, Emissionen verschmutzung, Gefährdung oder Unfallrisiken. Deshalb oder Geschwindigkeiten. Vor allem im Umgang mit folgen- werden für Verkehrsvorhaben im Spannungsfeld von Er- den Zielkonflikten sind im Rahmen der vier verkehrspoliti- reichbarkeit und Lebensqualität folgende Aspekte abgewo- schen Ziele möglichst konkrete verkehrspolitische Prioritä- gen: ten2 zu definieren: –– Aus Umwelt-, Sicherheits- und Platzgründen notwen dige Einschränkungen des Autoverkehrs müssen durch entsprechende Angebote im öffentlichen Verkehr sowie im Fuss- und Veloverkehr kompensiert werden. Diese Verkehrsmittel geniessen im städtischen Raum Priorität gegenüber dem Autoverkehr. –– Der städtische Raum muss für alle, speziell auch für den Wirtschaftsverkehr (Lieferungen, Handwerker, Dienstleistungen usw.), mit entsprechenden Strassen erschlossen und zugänglich sein. Dafür müssen das Autobahnnetz und die städtischen Hauptachsen über die erforderlichen Kapazitäten verfügen. Die zulässige Geschwindigkeit auf den Stadtstrassen ist aufgrund der geringen innerstädtischen Distanzen weniger bedeutsam. Für den städtischen Wirtschaftsverkehr sind zudem adäquate Zufahrts- und Abstellmöglich keiten vorzusehen. –– In Wohngebieten ist die Lebensqualität höher zu ge- wichten als die Erreichbarkeit. Deshalb sind in Stras senzügen mit überwiegendem Wohncharakter der Verkehr auf das notwendige Minimum zu begrenzen und die Geschwindigkeiten für den motorisierten Ver- kehr zu beschränken. –– Reduzierte Geschwindigkeiten müssen auf Strecken mit öffentlichem Verkehr dort in Kauf genommen werden, wo sie zwingend notwendig sind, um die Auf- enthaltsqualität zu verbessern. Das ÖV-System in seiner Gesamtheit soll über anderweitige Ausbauten/ Ausgleichsmassnahmen dennoch beschleunigt werden. –– Beim weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs sind dessen negative Auswirkungen durch technische und organisatorische Massnahmen zu minimieren (Lärmreduktion, bessere Antriebstechnik, optimierte Haltestellen usw.). 2 Die Priorisierung von einzelnen Projekten ist nicht Bestandteil des Verkehrspolitischen Leitbildes, sondern wird im Rahmen der einzelnen Planungsprogramme bzw. im üblichen politischen Prozess vorgenommen (vgl. auch Kapitel 3). 18 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Verkehrspolitisches Leitbild Umgang mit Zielkonflikten Verkehrssicherheit versus Lebensqualität3 und Erreichbarkeit Kosteneffizienz versus Erreichbarkeit und Lebensqualität Fussgänger und Velofahrer leisten die grössten Beiträge an Verkehrsangebote müssen bezahlbar bleiben. Die Ansprü- einen stadt- und umweltgerechten Verkehr. Sie nehmen am che anderer Politikbereiche (z. B. Bildung, Gesundheit, So- wenigsten Platz in Anspruch und verursachen am wenigs- ziales, Kultur) an den Finanzhaushalt des Kantons sind ten negative Auswirkungen. So geht von Fussgängern und gross. Umgekehrt sind eine gute Erreichbarkeit und eine Velofahrern die geringste Gefährdung für andere Verkehrs- hohe Lebensqualität wichtige Standortfaktoren. Investitio- teilnehmende aus. Umgekehrt sind Fussgänger und Velo- nen in diese Bereiche fördern die Wirtschaft, den Wohl- fahrer jedoch selbst den grössten Unfallrisiken ausgesetzt. stand und die Attraktivität als Wohnort. Konkrete Lösungs- Den Anteil des Fuss- und Veloverkehrs am gesamten Ver- ansätze im Spannungsfeld Kosten/Erreichbarkeit/Lebens- kehr und eine Ausrichtung der Verkehrsplanung auf die Be- qualität sind: dürfnisse von Fussgängern und Velofahrern sind langfristig –– Im Zuge notwendiger Erhaltungsmassnahmen am nachhaltigsten, um gleichzeitig die Verkehrssicherheit werden nur sanierungsbedürftige Strassenabschnitte und die Lebensqualität zu erhöhen. Konkrete Projekte im oder Plätze entsprechend den definierten Anforderun- Spannungsfeld Verkehrssicherheit und Lebensqualität bzw. gen angepasst. Eine Ausnahme bilden stark unfallge Erreichbarkeit sind anhand folgender Kriterien zu beurtei- fährdete Strassenabschnitte, die als Sofortmassnah- len: men kurzfristig und mit möglichst geringem (bauli- –– Wo ein hohes Autoverkehrsaufkommen unvermeidlich chem) Aufwand verbessert werden. Eine weitere Aus- ist, werden systematische Analysen durchgeführt, nahme sind Ausbauten, für die eine hohe Nachfrage um Unfallschwerpunkte zu entschärfen. Zudem müssen besteht, wie z. B. Tramneubaustrecken gemäss dem attraktive und sichere Alternativrouten für den Fuss- Konzept «Tramnetz 2020», deren Umsetzungspriorität und Veloverkehr geprüft werden. Wo keine entspre- je nach Wirtschaftlichkeit der Einzelstrecke festgelegt chenden Alternativen möglich und/oder sinnvoll sind, wird. steht die Temporeduktion als Massnahme im Vorder- –– Fuss- und Veloverkehr sind die günstigsten Verkehrs- grund. mittel. Investitionen (auch grössere) in die Förderung –– Durch Verkehrslenkung soll der Autoverkehr auf ver- des Fuss- und Veloverkehrs tragen somit in der Regel kehrsorientierte, besonders auf leistungsfähige Haupt- zur Kosteneffizienz des Gesamtverkehrssystems bei verkehrsstrassen und Autobahnen geführt werden. (vgl. z. B. Studie «Effizienz von öffentlichen Investitio- Dies dient der Verkehrssicherheit und der Aufenthalts- nen in den Langsamverkehr», ASTRA 2003). qualität gleichermassen. –– Der Verkehr ist heute stark subventioniert.4 Auch dies –– Massnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit ist ein Grund für die grosse Nachfragesteigerung der dürfen den Fuss- und Veloverkehr nicht wesentlich be- letzten Jahrzehnte. Sowohl beim Autoverkehr als auch hindern (z. B. indem Fussgänger und Velofahrer beim ÖV ist deshalb eine stärkere Nutzerfinanzierung Umwege zu sichereren Wegen und Strassen in Kauf anzustreben. Um unerwünschte Verlagerungen vom nehmen müssen). ÖV auf das Auto zu verhindern, müssen die Nutzerkos- –– Eine vollständige Trennung der Verkehrsmittel ist in ten im Gleichschritt auf beiden Seiten steigen. Dies den engen städtischen Verhältnissen nicht möglich und kann der Kanton jedoch nur in geringem Masse alleine auch nicht sinnvoll. Mehr Verkehrssicherheit soll des- steuern. halb über eine fuss- und velofreundliche Gestaltung des Strassenraums und tiefe Geschwindigkeiten erreicht werden. Beides trägt zu einem risikoarmen Verhalten der Verkehrsteilnehmenden und gegenseitiger Rück- sichtnahme bei. –– Durch eine systematische Analyse der bestehenden Infrastruktur werden Schwach- und Gefahrenstellen erkannt und laufend beseitigt. –– Durch systematische Sicherheitsbeurteilungen bei Um- gestaltungen oder Neuplanungen wird die Infrastruktur sicherer. 3 Verkehrssicherheit ist ein wesentlicher Bestandteil der Lebens qualität. Dennoch besteht ein Zielkonflikt zwischen diesen beiden Bedürfnissen: Massnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicher- heit, die primär auf eine Verkehrstrennung ausgerichtet sind, können die Aufenthaltsqualität verringern (z. B. Autobahnen als sehr 4 Auch wenn die Strassenrechnung des Bundes eine Deckung sichere Verkehrsanlage, die jedoch zu erheblichen Umwegen für der direkten Kosten nachweist, ist auch der Strassenverkehr unter den Fuss- und Veloverkehr führen können). Berücksichtigung der externen Kosten stark subventioniert. 19
Verkehrspolitisches Leitbild Umgang mit Zielkonflikten Personenverkehr versus Güterverkehr Trotz allgemeiner Grundsätze lassen sich Zielkonflikte nicht Bei der Ausgestaltung von Massnahmen, die direkt auf den generell lösen. Vielmehr braucht es im Einzelfall abgestimm- Strassenverkehr wirken, stellt sich die Frage, ob einzelne te Ansätze, die neben den Ansprüchen des Verkehrs auch Verkehrsarten bevorzugt behandelt werden sollen. Für den orts- und nutzungsspezifische Anliegen berücksichtigen städtischen Güterverkehr, der rund 25% des Verkehrs aus- (z. B. angestrebte Veränderungen im Wohnumfeld, Anliegen macht, ist diese Frage besonders relevant. Dieser kann im bezüglich Freiflächen und Begrünung, Berücksichtigung Gegensatz zum Personenverkehr weniger kanalisiert und bestehender Gas-, Wasser-, Stromleitungen usw.). Diese nicht auf den öffentlichen Verkehr verlagert werden. Eine Abwägungen erfolgen laufend in allen Planungsphasen ei- pauschale Priorisierung einer Verkehrsart ist jedoch nicht nes Projektes. angebracht. Ziel ist deshalb, den städtischen Güterverkehr zeitlich und räumlich optimal zu steuern (z. B. bevorzugte Regelungen zu Anlieferzeiten, Dosiersysteme in den Pend- lerspitzenzeiten, Zugangsbeschränkungen des Schwerver- kehrs zu Quartieren usw.) und positive Anreize für eine effi- zientere Abwicklung zu setzen (z. B. Entwicklung von City- Logistik-Lösungen). 20 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
3 Massnahmenplan Herleitung und Übersicht Die folgende Tabelle zeigt den Massnahmenplan im Über- Die strategischen Schwerpunkte des Verkehrspolitischen blick. Die Reihenfolge der Massnahmen stellt keine Priori- Leitbildes bilden die Basis für die Entwicklung geeigneter sierung dar. Entscheidend ist ein ausgewogenes Gesamt- Massnahmen. Eine weitere Grundlage sind die Ergebnisse paket von Massnahmen, denn nur so können Synergien re- des Studienauftrags (Kapitel 1.4). Darauf aufbauend hat der alisiert werden und die einzelnen Massnahmen ihre volle Regierungsrat prioritäre Massnahmen innerhalb der strate- Wirkung entfalten. Die folgenden Kapitel beschreiben die gischen Schwerpunkte bestimmt und sich dabei an folgen- Hauptaufgaben in den einzelnen Massnahmenbereichen. den Grundsätzen orientiert (siehe folgende Tabelle): Dabei werden nicht nur neue, sondern auch relevante bis- her schon vorgesehene (aber teilweise noch nicht beschlos- –– Wirksamkeit: Die Massnahmen sollen möglichst zu allen sene) Massnahmen aufgeführt. vier verkehrspolitischen Zielen beitragen. Neue Mass- nahmen sollen in erster Linie den Autoverkehr reduzie- Da Basel-Stadt zwar in einigen Bereichen eigenständig ren, dürfen aber die gute Erreichbarkeit von Basel nicht handeln kann, eine nachhaltige Verkehrspolitik jedoch über einschränken. die gesamte Region abgestimmt sein muss, sind neben –– Kostenminimierung: Mit Blick auf die knappen öffentli- Massnahmen unter Federführung des Kantons Basel-Stadt chen Finanzmittel und die Ansprüche anderer Politikbe- auch die agglomerationsweit geplanten Massnahmen be- reiche soll eine stadtverträgliche Mobilität mit mög- deutsam. Namentlich in den Bereichen Verkehrssteuerung, lichst wenig finanzrechtlich neuen Mitteln vorangetrie- Parkraumpolitik und Mobilitätsmanagement sind verstärkte ben werden. Die vorhandenen Ressourcen sind zielge- Anstrengungen im Rahmen des Agglomerationsprogramms richtet einzusetzen sowie laufende oder geplante Basel vorgesehen und entsprechend in der Massnahmen- Aktivitäten/Programme zu optimieren. übersicht enthalten. –– Regionale Abstimmung: Der städtische Strassenver- kehr ist nur zu rund 30% stadtinterner Binnenverkehr. Massnahmen, die bis zum Jahr 2015 bereits umgesetzt Eine sinnvolle Verkehrsplanung und Massnahmen sind, werden nicht mehr aufgeführt. Im Rahmen des Studi- mit Wirkung über die Stadtgrenzen hinaus müssen des- enauftrags haben alle drei Teams die bisherige Basler Ver- halb mit den regionalen Partnern abgestimmt werden. kehrspolitik als nachhaltig und kohärent beurteilt. Die wich- Nur gemeinsam können der Verkehr von ausserhalb tigsten seit 2010 (Annahme des neuen §13 USG) umgesetz- des Kantons und der Transitverkehr beeinflusst werden. ten Massnahmen sind: Verlängerung der Tramlinie 8 nach Insofern sind die Massnahmen des Agglomerationspro- Weil am Rhein, grenzüberschreitende Buslinien nach Gren- gramms Basel aktiv zu unterstützen. zach und Hegenheim, Verkehrskonzept Innenstadt, Birs- –– Monitoring und Flexibilität: Die Wirkungen der Mass kopfsteg, Pendlerfonds und der Pilotversuch für ein stati- nahmen sollen, soweit möglich, laufend überprüft wer- onsungebundenes Carsharing (Catch a Car). den. Basierend auf den Ergebnissen des Monitorings sind die Aktionspläne in periodischen Abständen anzu- Hinzu kommen Massnahmen, die weitergeführt werden, wie passen und die Schwerpunkte gegebenenfalls neu die Öffnung diverser Einbahnstrassen für den Velogegen- auszurichten. verkehr, der Pilotversuch für Rechtsabbiegen bei Rot an Lichtsignalanlagen für Velofahrer, die Einrichtung von Be- gegnungszonen und weitere Kleinmassnahmen zugunsten des Fuss- und Veloverkehrs sowie verschiedene Massnah- men des Mobilitätsmanagements (z. B. E-Bike in Unterneh- men, Mobilitätswoche Basel Dreiland, Kampagne «Fair im Verkehr»). 22 Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
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