VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN

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VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt

Verkehrspolitisches Leitbild
und Massnahmenplan
Juni 2015
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
Inhalt

      Lebensqualität für alle –
      Verkehrspolitik in Basel-Stadt              2

1     Hintergrund                                 4
1.1   Rechtliche Grundlagen                       4
1.2   Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung     5
1.3   Vorgehen und Organisation                   9
1.4   Resultate des Studienauftrags              10

2     Verkehrspolitisches Leitbild               12
2.1   Politische Einordnung                      12
2.2   Abstimmung der Siedlungs- und
      Verkehrsentwicklung                        13
2.3   Verkehrspolitische Ziele                   15
2.4   Strategische Schwerpunkte                  17
2.5   Umgang mit Zielkonflikten                  18

3     Massnahmenplan                             22
3.1   Fuss- und Veloverkehr                      24
3.2   Öffentlicher Verkehr                       26
3.3   Strassenverkehr                            30
3.4   Parkraumangebot                            33
3.5   Städtischer Güterverkehr                   34
3.6   Öffentlicher Strassenraum                  35
3.7   Mobilitätsmanagement                       39

4     Wirkung und Kosten                         40
4.1   Prognostizierte Wirkungen Massnahmenplan   40
4.2   Finanzierung                               42

5     Monitoring und Controlling                 44
5.1   Monitoring Strassenverkehrsleistung        44
5.2   Weitere Kennziffern zur Zielerreichung     46

6     Kommunikation, Abstimmung und
      Weiterentwicklung                          47

7     Vernehmlassung und Ausblick                49

Anhang, lose
Aktionsplan 2015 – 2017
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
Lebensqualität für alle –
Verkehrspolitik in Basel-Stadt

Verkehr gehört zu unserem modernen, mobilen Leben. Doch
Verkehr hat seinen Preis. Das ist auch in Basel so. Deshalb ver-
folgt Basel-Stadt seit vielen Jahren eine Verkehrs­politik, die
die Attraktivität des Lebens- und Wirtschaftsraums in den Mittel-
punkt stellt.
   Dafür das richtige Mass zwischen Mobilitätsbedürfnissen
und Verkehrsangebot zu finden, ist gerade im intensiv genutzten
städtischen Raum eine zentrale Heraus­forderung. Dass dies in
Basel gelingt, bestätigen verschiedene Entwicklungen.
   So konnte etwa der motorisierte Individual­verkehr trotz Be-
völkerungs- und Wirtschaftswachstum stabilisiert werden, nicht
zuletzt weil für immer mehr Menschen das Velo zum bevor­zug-
ten Verkehrsmittel wird. Das hat zugleich für Auto­fahrer­innen
und Autofahrer Vor­teile, denn sie verbringen auf Basels Strassen
deutlich weniger Zeit im Stau als in anderen Agglo­merationen
der Schweiz.

Das vorliegende Verkehrspolitische Leitbild baut auf dieser
erfolgreichen Basler Verkehrspolitik auf und konkretisiert
die Ziele und Massnahmen für die nächsten 10 bis 15 Jahre.

2       Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
Lebensqualität für alle – Verkehrspolitik in Basel-Stadt

Eine nachhaltige städtische Verkehrspolitik basiert auf ei-             Der Regierungsrat verfolgt gemäss der Verfassung des Kan­
ner dichten Siedlungsstruktur mit einer guten Durchmi-                  tons Basel-Stadt (KV) mit seiner Verkehrspolitik vier über-
schung von Wohnen und Arbeiten sowie von Einkaufs- und                  geordnete Ziele:
Freizeitangeboten, auf Verkehrsmitteln, die den begrenz-                    Verkehr ist nicht Selbstzweck, sondern dient wirtschaft­
ten städtischen Raum möglichst schonend beanspruchen,                   lichen und privaten Bedürfnissen. Dazu muss die Verkehrs-
und auf einer effizienten Nutzung der bestehenden Infra-                politik eine gute Erreichbarkeit sichern (§29/30 KV) und
strukturen. Nur so können wir den wachsenden Mobilitäts-                die Voraussetzungen für einen attraktiven Wohn- und Wirt-
bedürfnissen raumsparend, energieeffizient und umwelt-                  schaftsstandort schaffen. So verbessert Verkehrspolitik die
verträglich Rechnung tragen. Mit der konsequenten Förde-                Lebensqualität (§33/34 KV). Zudem gilt es, die Ver­kehrs­­
rung des Fuss- und Veloverkehrs sowie des öffentlichen                  sicherheit zu erhöhen (§30 KV) und die Kosteneffizienz zu
Verkehrs verfolgt die Basler Verkehrspolitik diesen Weg seit            gewährleisten, damit die Verkehrsinfrastrukturen auch
Langem erfolgreich.                                                     lang­­fristig finanzierbar bleiben (§30 KV).

So legen die Einwohnerinnen und Einwohner von Basel 37%                 Um diese Ziele zu erreichen, setzt der Regierungsrat in der
ihrer Wege zu Fuss, 16% mit dem Velo und 27% mit dem ÖV                 Verkehrspolitik sieben strategische Schwerpunkte und er-
zurück. Das Auto benutzen sie nur für 18% ihrer Wege. Der               gänzt diese mit einem aufeinander abgestimmten Massnah-
Autoanteil in Basel ist damit nicht nur geringer als in ande-           menbündel:
ren Schweizer Städten, er ist z. B. auch wesentlich tiefer als          –– Lücken im Fuss- und Veloroutennetz schliessen
in der «Velohauptstadt» Kopenhagen (33%) und in vielen                     und Infrastrukturen sicher und nutzergerecht gestalten.
weiteren europäischen Städten. Der vergleichsweise gerin-               –– ÖV-Angebot (Bahn, Tram, Bus) grenzüberschreitend
ge Autoverkehr trägt wesentlich dazu bei, dass Staus in der                ausbauen und aufeinander abstimmen.
Region Basel im Vergleich zu anderen Agglomerationen we-                –– Städtischen Strassenverkehr dosieren, auf das Auto-
niger oft auftreten und dass sich Basel-Stadt durch eine                   bahnnetz lenken und dort Kapazitäten sicherstellen.
gute Wohnqualität und niedrige Unfallzahlen im Strassen-                –– Öffentliches Parkraumangebot beschränken und
verkehr auszeichnet. Der entsprechend hohe Anteil des öf-                  aktiv bewirtschaften.
fentlichen Verkehrs ermöglicht einen wirtschaftlichen Be-               –– Städtischen Güterverkehr über City-Logistik-Konzepte
trieb eines dichten Netzes von Tram-, Bus- und S-Bahn-                     nachhaltig steuern.
Linien.                                                                 –– Öffentliche Strassenräume aufwerten, sicherer gestal-
                                                                           ten und kurze Wege ermöglichen.
                                                                        –– Verkehrsnachfrage über Mobilitätsmanagement be­
                                                                           einflussen.

                                                                        Mit einem Paket von 30 Massnahmen kann der Autoverkehr
                                                                        auf den Stadtstrassen nicht nur stabilisiert, sondern sogar
                                                                        entgegen dem Trend im Umland reduziert werden.

                                                                        Der Regierungsrat beabsichtigt, periodisch über die Um-
                                                                        setzung des Verkehrspolitischen Leitbildes zu informieren.
Anteil der Verkehrsmittel an den durch die Stadt­                       Zudem wird der Regierungsrat jährlich über die Entwicklung
bevölkerung zurückgelegten Wegen* (Stand 2010)                          des Verkehrs insgesamt und des Strassenverkehrs im Spe-
                                                                        ziellen berichten.
                   zu Fuss        Velo       ÖV          MIV   übrige

Basel              37             16        27           18

Bern               39             11        28           22

Luzern             36             9    21          32

St. Gallen         39             3 20            38

Winterthur         30        13        19         36

Zürich             36             6 32                  25

Zahlenwerte in %
* Massgebend ist das Hauptverkehrsmittel pro Weg

                                                                                                                                           3
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
1
      Hintergrund
1.1
Rechtliche Grundlagen
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt richtet seine               Das Umweltschutzgesetz Basel-Stadt (USG) konkretisiert
Verkehrspolitik an den folgenden in der Kantonsverfassung             Teile dieser Verfassungsbestimmungen und legt unter ande-
festgeschriebenen Grundsätzen aus:                                    rem fest:
                                                                      –– Kanton und Landgemeinden treffen Massnahmen,
§ 30 Abs. 1		                                                             um den Anteil der umweltfreundlichen Verkehrsmittel
		 Der Staat ermöglicht und koordiniert eine sichere,                     zu erhöhen. Sie sorgen dafür, dass der Fussverkehr
   wirtschaftliche, umweltgerechte und energiesparende                    sowie der nicht motorisierte und der öffentliche Ver-
   Mobilität. Der öffentliche Verkehr geniesst Vorrang.                   kehr gegenüber dem privaten Motorfahrzeugverkehr
		                                                                        be­vorzugt und vor vermeidbaren Behinderungen
§ 30 Abs. 2                                                               und Gefährdungen geschützt werden (§13b).
		 Der Staat setzt sich für einen attraktiven Agglome­                –– Kanton und Landgemeinden treffen Massnahmen
   rationsverkehr, für rasche Verbindungen zu den schwei­                 zur Kanalisierung, Verminderung und Beruhigung des
   zerischen Zentren und für den Anschluss an die inter­                  privaten Motorfahrzeugverkehrs. Sie sorgen insbe­
   nationalen Verkehrsachsen auf Schiene, Strasse sowie                   sondere mit verkehrsberuhigenden Massnahmen dafür,
   auf Luft- und Wasserwegen ein.                                         dass der Durchgangs- und der Pendlerverkehr Wohn-
                                                                          gebiete möglichst wenig beeinträchtigen (§14).
Aus weiteren Bestimmungen der Kantonsverfassung lassen                –– Zur Reduktion des Durchgangsverkehrs setzt sich
sich Vorgaben für eine Verkehrspolitik ableiten. So sorgt der             der Kanton für eine rasche Verwirklichung des Natio-
Staat:                                                                    nalstrassennetzes auf Kantonsgebiet ein (§14).
–– mit günstigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung                –– Das zeitlich unbeschränkte Parkieren privater Motor-
   einer leistungsfähigen und strukturell ausgewogenen                    fahrzeuge auf öffentlichem Grund ist bevorzugt
   Wirtschaft (§ 29);                                                     Be­hinderten, Anwohnerinnen und Anwohnern und glei-
–– für Massnahmen zur Reinhaltung von Erde, Luft und                      chermassen Betroffenen zu ermöglichen (§16).
   Wasser (§ 33 Abs. 1);
–– für den Schutz der Menschen und der Umwelt vor                     Seit einer Volksabstimmung im Jahr 2010 ist zudem eine
   Lärm und sonstigen lästigen und schädlichen Einflüssen             Anpassung des USG wirksam, die die bestehenden Ziele
   (§ 33 Abs. 4);                                                     zur Reduktion des Autoverkehrs quantifiziert. Der neue §13
–– für die zweckmässige und umweltschonende Nutzung                   Abs. 2 des USG bestimmt:
   des Bodens im Rahmen einer auf die grenzüber­
   schreitende Agglomeration abgestimmten Siedlungs-                  		 Der Kanton sorgt dafür, dass die Gesamtverkehrs­
   entwicklung. Er wahrt und fördert die Wohnlichkeit wie                leistung des privaten Motorfahrzeugverkehrs auf dem
   auch die städtebauliche Qualität (§ 34 Abs. 1).                       Kantonsgebiet gegenüber heute langfristig abnimmt,
                                                                         bis zum Jahr 2020 um mindestens 10%. Die Verkehrs­
                                                                         leistung auf den Hochleistungsstrassen ist davon
                                                                         ausgenommen. Eine Verkehrszunahme durch Aus- und
                                                                         Neubau von Hochleistungsstrassen muss auf dem
                                                                         übrigen Streckennetz auch nach dem Jahr 2020 durch
                                                                         flankierende Massnahmen im gleichen Masse kom­
                                                                         pensiert werden.

                                                                      Das Reduktionsziel für den Autoverkehr ist jedoch nicht al-
                                                                      leine massgebend, sondern den übrigen rechtlichen Grund-
                                                                      lagen gleichgestellt. So unterstützt und konkretisiert das
                                                                      Reduktionsziel die bestehenden rechtlichen Grundsätze für
                                                                      eine hohe Lebensqualität in Basel-Stadt.

                                                                      Zusammengefasst formuliert der Regierungsrat entspre-
                                                                      chend dieser gesetzlichen Grundlagen mit dem Leitbild eine
                                                                      Verkehrspolitik, die städtische und regionale Mobilität mit
                                                                      urbaner Lebens- und wirtschaftlicher Standortqualität in
                                                                      Einklang bringt.

4         Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
Hintergrund

1.2
Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung
Warum hat der Verkehr in den letzten Jahrzehnten              Zugleich wird es immer schwieriger, neue Strassen oder
stark zugenommen?                                             Bahnlinien zu bauen: Der Platz ist begrenzt, die Anwohne-
In den letzten Jahrzehnten war das Verkehrswachstum auf       rinnen und Anwohner wollen zu Recht vor Lärm und Abga-
unseren Strassen und Schienen wesentlich grösser als das      sen geschützt werden, weitere trennende Schneisen im
Bevölkerungswachstum. Diese starke Zunahme ist die Fol-       Stadtgebiet sind unerwünscht. Die Gesellschaft kann und
ge von immer längeren Distanzen, die wir zurücklegen. Die     will sich einen Ausbau der Verkehrsnetze nur noch be-
zunehmende räumliche Trennung von Wohnen und Arbei-           schränkt leisten. Da die bestehenden Infrastrukturen zu-
ten, insbesondere seit den 1960er-Jahren, hat dazu geführt,   mindest in den Spitzenstunden an Kapazitätsgrenzen stos­
dass die Erwerbstätigen längere Arbeitswege in Kauf neh-      sen, ist eine weitere Verkehrszunahme immer schwieriger
men müssen. Gleichzeitig haben der damals begonnene Bau       zu bewältigen. Dass ein stetiger Ausbau der Verkehrskapa-
des Autobahnnetzes und auch der Ausbau des Angebots im        zitäten keine nachhaltige Lösung des Verkehrsproblems
öffentlichen Verkehr das tägliche Pendeln über längere        darstellt, zeigt auch der Blick auf typische «autogerechte»
Wege überhaupt erst ermöglicht.                               Städte. So sind grosse Staus in Städten wie Miami oder
                                                              Moskau trotz zehn- bis fünfzehnspurigen Autobahnen an
Mit dem steigenden Wohlstand hat sich der Wohnflächen-        der Tagesordnung.
bedarf pro Person stark erhöht. So haben zum Beispiel
1970 im Kanton Basel-Stadt 235 000 Einwohnerinnen und
Einwohner in rund 92 000 Wohnungen gelebt. 2010 benö-
tigten die damals 192 000 Einwohnerinnen und Einwohner
von Basel 105 000 Wohnungen. Statt durchschnittlich 2,6
Personen wie 1970 belegen heute also nur noch 1,8 Perso-
nen eine Wohnung. Diese räumliche Ausbreitung, die auch
in weiteren Bereichen (Arbeit, Einkauf) festgestellt werden
kann, führt dazu, dass die Menschen längere Wege zurück-
legen müssen, um Arbeit, Freizeit, Einkauf etc. nachzu-
kommen. Diese «erzwungene» Mobilität führt wiederum
zu Mehrverkehr und Kapazitätsproblemen auf Strasse und
Schiene.

Verkehrsspirale

                          Höhere Verkehrsnachfrage                 bedingt längere Wege

  Ausbau Verkehrssystem                                                                    Trennung Wohnen
  Bahn und Strasse                                                                         von Arbeit/Freizeit/Einkauf

                          ermöglicht längere Wege                  Ausdehnung
                                                                   der Siedlungs­gebiete

                                                                                                                          5
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
Hintergrund
Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung

Was sind umweltfreundliche Verkehrsmittel?                            Was ist stadtgerechter Verkehr?
Umweltfreundliche Verkehrsmittel brauchen wenig Energie,              Neben Lärm und Luft ist für einen stadtgerechten Verkehr
produzieren wenig Lärm und Abgase und benötigen wenig                 insbesondere der Flächenbedarf entscheidend. Je dichter
Platz. Der Fuss- und Veloverkehr schneidet bei allen vier             ein Raum bebaut ist, desto besser kann der öffentliche Ver-
Kriterien deutlich besser ab als das Auto oder auch der öf-           kehr seine Vorteile ausspielen: effiziente Nutzung des wert-
fentliche Verkehr. Trotz erheblichen technischen Verbes-              vollen Strassenraums dank hoher Beförderungskapazität,
serungen belastet der Autoverkehr im Durchschnitt die                 geringe Lärm- und Abgasemissionen und kein Bedarf an
Umwelt deutlich stärker als der öffentliche Verkehr. Aller-           Parkplätzen. Auch der Veloverkehr hat seine Stärken in ei-
dings hängt dieses Verhältnis stark von der Auslastung der            nem engen, dicht bebauten Raum, wo mit kurzen Wegen
einzelnen Fahrzeuge ab. So ist ein gut ausgelastetes Tram             viele verschiedene Ziele erreicht werden können.
wesentlich energieeffizienter und auch wirtschaftlicher als
der Transport gleich vieler Personen in Autos. Umgekehrt              Beim innerstädtischen Verkehr steht eine ausreichend hohe
ist ein wirtschaftlicher Betrieb eines attraktiven öffentli-          Kapazität im Vordergrund. Hohe Geschwindigkeiten sind
chen Verkehrs in kleinen Dörfern fernab der nächsten Stadt            nicht das Ziel, im Gegenteil: Geringeres Tempo erhöht die
nicht möglich. Das Auto ist dort das effizienteste Verkehrs-          Verkehrssicherheit und reduziert den Platzbedarf. So be-
mittel und auch umweltfreundlicher als ein schlecht ausge-            nötigt ein Auto bei 30 km/h nur etwa halb so viel Raum wie
lasteter Dieselbus.                                                   bei 50 km/h.

Platzbedarf pro Person nach Verkehrsmitteln in Abhängigkeit der Geschwindigkeit

                                                                                                    Beispiel
      50 km/h                                                                                       Eine Person in einem stehenden PW
                                                                                                    benötigt 13,5 m2,
      30 km/h                                                                                       bei 30 km/h be­nötigt dieselbe Person
                                                                                                    infolge des notwendigen Sicherheits-
      Stillstand                                                                ~ 140               abstandes bereits rund 65 m2.

                                                                  65,2

                                     41

                                                                                                                        15,9
                                                   13,5
                                                                                                    9             8,6                      8,1
                                                                                              5,5                                    4,5
                                                                                           2,8              2,5
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
Hintergrund
                                                                                                                     Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung

  Wie prägt die Siedlungsstruktur das Verkehrsaufkommen?                                          Ist unser Verkehrssystem wirklich überlastet?
  Die Zersiedelung und insbesondere die räumliche Trennung                                        Wir alle sind schon im Stau gestanden oder haben uns über
  von Wohnen und Arbeiten führen zu mehr Verkehr. Umge-                                           überfüllte Trams oder Züge beklagt. Dennoch ist der Aus-
  kehrt gilt aber auch, dass mit einer guten Durchmischung                                        lastungsgrad unseres Verkehrssystems im Schnitt sehr ge-
  von Wohnen, Arbeiten, Einkaufs- und Freizeitmöglichkei-                                         ring: Die Kapazitätsprobleme auf der Strasse beschränken
  ten auf kleinerem Raum der Verkehr reduziert werden                                             sich auf wenige Stunden am Tag; und selbst in dieser Zeit
  kann. Personen aus weniger dicht besiedelten Räumen le-                                         sitzt selten mehr als eine Person in einem Auto, d. h., 4 von
  gen in der Schweiz durchschnittlich rund 41 km pro Tag zu-                                      5 Sitzplätzen sind unbenutzt. Im öffentlichen Verkehr sind
  rück. Menschen, die in dichter besiedelten Quartieren woh-                                      in den Spitzenstunden oft alle Sitzplätze belegt. Dass Per-
  nen (z. B. Gundeli oder St. Johann), finden leichter ein Ziel                                   sonen an den Haltestellen zurückbleiben, weil sie nicht mehr
  in unmittelbarer Nähe. Sie legen deshalb durchschnittlich                                       ins Fahrzeug einsteigen können, kommt aber nur sehr sel-
  nur halb so weite Distanzen zurück (rund 22 km pro Tag).                                        ten vor. Über den ganzen Tag betrachtet, liegt die Auslas-
  Da Personen aus dichter besiedelten Quartieren auch öfter                                       tung des Tram- und Busangebotes in Basel grob geschätzt
  zu Fuss gehen und vermehrt den öffentlichen Verkehr nut-                                        bei 30 % der Sitzplätze.
  zen, ist der Unterschied der mit dem Auto zurückgelegten
  Distanzen noch grösser: Statt im Durchschnitt 31 km pro                                         Ein Privatauto fährt heute im Durchschnitt weniger als eine
  Tag legen sie nur 10 km pro Tag mit dem Auto zurück. Dass                                       Stunde pro Tag. Die übrigen 23 Stunden steht es auf einem
  in dicht besiedelten Quartieren kürzere Wege zurückgelegt                                       Parkplatz. Auch bei den Parkplätzen sind nur diejenigen im
  werden, gilt übrigens nicht nur für Arbeits- und Einkaufs-                                      öffentlichen Strassenraum ganztägig gut ausgelastet. Viele
  wege, sondern auch für Wege in der Freizeit.                                                    Tiefgaragen in reinen Wohngebieten sind hingegen tags-
                                                                                                  über schlecht belegt, umgekehrt stehen Parkplätze von
                                                                                                  Einkaufszentren in der Nacht leer.

  Zusammenhang von Siedlungsdichte und durchschnittlichen Weglängen (km/Tag)

                                                                                                                                  Zum Vergleich
                                                                                                                                  einige Basler Quartiere
                                                                                                                                  Matthäus                   275 Einw./ha
                                                                                                                                  Iselin                     150 Einw./ha
                                                                                                                                  Bruderholz                  35 Einw./ha
                          > 160        4 km          10 km                      8 km

                       140 – 159        3              11                                 9

                       120 – 139        3                    15                                         13

                       100 – 119        3                    14                                    11

                        80 – 99         3                     16                                         11
Einwohner pro Hektar

                        60 – 79        3                           20                                           10

                        40 – 59        3                                 24                                              10

                        20 – 39        3                                        28                                            8

                          1 – 19       2                                             31                                               7

                                   0          5 km      10 km           15 km             20 km         25 km    30 km        35 km         40 km           45 km

  Quelle: Mikrozensus 2010, Auswertung Metron (Zahlen gerundet)

                                                                                                                                                                       7
VERKEHRSPOLITISCHES LEITBILD UND MASSNAHMENPLAN
Hintergrund
Grundlegende Fragen der Verkehrsplanung

Schlussfolgerungen für eine zukunftsfähige Siedlungs-                Weitere Infrastrukturausbauten sind nur in wenigen Fällen
und Verkehrspolitik                                                  nachhaltig, weil sie zusätzlichen Verkehr verursachen und
Eine nachhaltige städtische Verkehrspolitik setzt in erster          häufig unwirtschaftlich sind. Ausbauten können jedoch ge-
Linie auf eine dichte und gemischte Siedlungsentwicklung,            rechtfertigt sein, um Netzlücken (z. B. Herzstück der Regio-
auf flächensparende Verkehrsmittel und auf eine effizien-            S-Bahn, vgl. Kap. 3.2) zu schliessen oder Engpässe zu be-
tere Nutzung der vorhandenen Infrastrukturen und Ver-                seitigen (z. B. Rheintunnel, vgl. Kap. 3.3). Hingegen führt ein
kehrsangebote.                                                       genereller Kapazitätsausbau in der Regel zu zusätzlichen
                                                                     Problemen und ist kein nachhaltiger Lösungsbeitrag.
–– Dichte und gemischte Quartiere: Dichte Quartiere
   mit unterschiedlichen Nutzungen und einer guten Ver-              Das Verkehrspolitische Leitbild nimmt diese Grundsätze auf.
   sorgung sind die Voraussetzung, damit Menschen                    Dichte und funktionsgemischte Quartiere werden in erster
   ihre Mobilitätsbedürfnisse (Arbeit, Freizeit, Einkauf) in         Linie über raumplanerische Ansätze gefördert (vgl. Kapitel
   ihrer unmittelbaren Wohnum­gebung erfüllen können                 2.2) und deshalb in diesem Leitbild nicht vertieft behan-
   und nicht zu langen Wegen gezwungen werden.                       delt. Die Förderung flächensparender Verkehrsmittel und
–– Flächensparende Verkehrsmittel: Ein hoher Anteil flä-             die effizientere Nutzung der bestehenden Infrastrukturen
   chensparender Verkehrsmittel (Fussverkehr, Velover-               und Verkehrsangebote sind in den sieben Massnahmen­
   kehr, öffentlicher Verkehr) ist die Voraussetzung, damit          paketen (vgl. Kap. 3.1 bis 3.7) berücksichtigt. In der Summe
   alle Verkehrsbedürfnisse im engen städtischen Raum                beschreibt das Verkehrspolitische Leitbild strategische Zie-
   Platz finden. Dieser flächensparende Verkehr wird                 le und konkrete Massnahmen, die die erfolgreichen Wei-
   mit einem attraktiven Leistungsangebot etwa des öf-               chenstellungen der Vergangenheit fortführen, und bindet
   fentlichen Verkehrs und für den Veloverkehr bei gleich-           zugleich neue Erkenntnisse, neue Verfahren und neue Tech-
   zeitigen Einschränkungen des Autoverkehrs wirksam                 nologien ein, damit der Verkehr in Basel auch in Zukunft si-
   gefördert (Push- und Pull-Massnahmen).                            cher, umweltgerecht und wirtschaftlich fliessen kann.
–– Effizientere Nutzung der bestehenden Infrastrukturen
   und Verkehrsangebote: Eine bessere Auslastung beste-
   hender Infrastrukturen und Verkehrsangebote ist die
   kostengünstigste Art, um ein weiteres Verkehrswachs-
   tum aufzunehmen bzw. heutige Kapazitätsprobleme
   zu lösen. Die entsprechenden Lösungsansätze sind äus­
   serst vielseitig. Sie reichen von Parkleitsystemen und
   der optimierten Steuerung von Lichtsignalanlagen über
   das Teilen von Fahrzeugen (Bike- oder Carsharing)
   und das Vermitteln von Mitfahrgelegenheiten bis hin zu
   differenzierten Preisen (Mobility Pricing) und neuen
   Arbeitszeitmodellen, um Verkehrsspitzen in Stosszeiten
   abzufedern.

8        Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Hintergrund

1.3
Vorgehen und Organisation
Um die Basler Verkehrspolitik zu überprüfen und gegebe-            In der Folge hat der Regierungsrat das vorliegende Ver-
nenfalls neuen Anforderungen anzupassen, haben drei un-            kehrspolitische Leitbild erarbeitet, am 25. März 2014 in die
abhängige Expertenteams die Wirkungen der bisher geplan-           Vernehmlassung gegeben und aufgrund der Rückmeldun-
ten Verkehrsprojekte abgeschätzt und ergänzende Mass-              gen am 16. Juni 2015 bereinigt und verabschiedet.
nahmen vorgeschlagen. Die Ergebnisse wurden in einem
Synthesebericht zusammengefasst und in einer Ausstellung
der Öffentlichkeit vorgestellt.

Prozessorganisation Studienauftrag und Verkehrspolitisches Leitbild

                                  Projektsteuerung
                                  Departementsvorsteher Bau- und Verkehrsdepartement
                                  Amtsleiter Mobilität und Tiefbauamt
                                  Planungsamt

                                                                                                                             Gesamtprozess
  Kommunikation/Mitwirkung                 Projektleitung                              Externe Unterstützung
  Kommunikationsbeauftragte BVD            Mobilitätsstrategie                         INFRAS

                                           Erweiterte Projektleitung
                                           Mobilitätsplanung
                                           Planungsamt (GSV)

  Fachleute BS                             Beurteilungsgremium                         Begleitgruppe
  Mobilität Verkehrstechnik                Mobilitätsstrategie                         Fussverkehr Region Basel
  Mobilitätsplanung                        Mobilitätsplanung                           Pro Velo beider Basel
  Mobilitätsstrategie                      Planungsamt                                 VCS beider Basel
  Tiefbauamt                                                                           IGöV NWCH
  Verkehrspolizei                          Tiefbauamt Basel-Landschaft                 UmverkehR Region Basel
  Kantons- und Stadtentwicklung            Externe Fachleute (In- und                  ACS Sektion beider Basel
                                                                                                                             Phase Studienauftrag

  Planungsamt                              Ausland)                                    TCS Sektion beider Basel
                                                                                       Gewerbeverband Basel-Stadt
                                                                                       Handelskammer beider Basel
                                                                                       Verkehrskommission der NQV

  Team 1                                   Team 2                                      Team 3
  Basler & Hofmann (B & H)                 ewp, Ingenieure                             Metron
  IRAP Hochschule Rapperswil               Scholl + Signer

                                                                                                                             9
Hintergrund

1.4
Resultate des Studienauftrags
Der Studienauftrag hat auch die bisherige Basler Verkehrs-                                             Die Teams kommen trotz unterschiedlicher Methoden zum
planung kritisch gewürdigt. Die drei Teams kommen über-                                                selben Ergebnis: Die bisher geplanten Massnahmen können
einstimmend mit dem Beurteilungsgremium zum Schluss,                                                   das prognostizierte Wachstum des motorisierten Indivi­
dass die bisherige Basler Verkehrspolitik insgesamt sehr                                               dual­verkehrs von rund 6 % zwischen 2010 und 2020 zwar
stimmig und zielgerichtet ist. Diese Politik fördert konse-                                            verhindern, können das Verkehrsaufkommen aber nicht ver­
quent Alternativen zum motorisierten Individualverkehr (so-                                            mindern. Eine deutliche Reduktion wäre nur mit zusätzli-
genannte Pull-Massnahmen). So wurde der öffentliche Ver-                                               chen Massnahmen erreichbar. Solche zusätzlichen Mass-
kehr ausgebaut und der Fuss- und Veloverkehr massgebend                                                nahmen erfordern jedoch politische Mehrheiten, das Mit-
gefördert.                                                                                             wirken der regionalen Partner über die Kantons- und Lan-
                                                                                                       desgrenzen hinaus sowie grosse Anstrengungen bei deren
Um jedoch einer Zunahme des Autoverkehrs bei einem er-                                                 Umsetzung.
warteten Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum auch
künftig erfolgreich entgegenzuwirken, sind weitere, neue                                               Der Synthesebericht des Studienauftrags schlägt entspre-
Massnahmen erforderlich. Alternative Verkehrsmittel zu                                                 chend Massnahmenpakete in den folgenden sieben Hand-
fördern, ist weiterhin nötig, genügt aber nicht. Es sind auch                                          lungsfeldern vor:
Push-Massnahmen notwendig, die einschränkend auf den                                                   –– Breite Veloförderung und attraktives gesamtregionales
Autoverkehr einwirken (vor allem über Massnahmen im Be-                                                   Veloroutennetz
reich Verkehrsmanagement/Dosierung sowie Parkraumbe-                                                   –– Optimierung der grenzüberschreitenden Information
wirtschaftung).                                                                                           und Tarifierung im ÖV
                                                                                                       –– Städtisches und regionales Verkehrsmanagement
                                                                                                       –– Städtische und regionale Parkraumbewirtschaftung
                                                                                                       –– Stadtlogistik – stadtverträgliche Abwicklung des
                                                                                                          Güterverkehrs
                                                                                                       –– Weitere Verkehrsberuhigung und Aufwertung des
                                                                                                          öffentlichen Strassenraums
                                                                                                       –– Aktive Mobilitätsberatung und -information

Wirkungsabschätzung der drei Teams für bisher geplante und zusätzliche Massnahmen

                               Strassen-               Verkehrs-               Öffentlicher              Fuss- und               Mobilitäts-            Gesamttotal
                               verkehr                 management              Verkehr                   Veloverkehr             management
                               inkl. Parkierung        inkl. Stadtlogistik
                                              Metron

                                                                      Metron

                                                                                              Metron

                                                                                                                        Metron

                                                                                                                                               Metron

                                                                                                                                                                       Metron
                                B & H

                                                        B & H

                                                                                B & H

                                                                                                          B & H

                                                                                                                                 B & H

                                                                                                                                                         B & H
                                        ewp

                                                                ewp

                                                                                        ewp

                                                                                                                  ewp

                                                                                                                                         ewp

                                                                                                                                                                 ewp

                                                                                                                                                                                             Referenz 2020
                        0%
Reduktion der
Verkehrsleistung
2020 auf dem          –2%
Basler Strassennetz
                                                                                                                                                                                – 16 %

                      –4%

                      –6%
                                                                                                                                                                                                  Zustand 2010

                      –8%

                      – 10 %
                                                                                                                                                                                         – 10 %

                      – 12 %

                      – 14 %

                                                                                                                                                                                                    Ziel 2020
                      – 16 %

                                              Wirkung bisher geplanter Massnahmen                                                                       Wirkung zusätzlicher Massnahmen

10        Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
2
        Verkehrspolitisches Leitbild
2.1
Politische Einordnung

Das Verkehrspolitische Leitbild hat Programmcharakter und               Das Leitbild weist Schnittstellen zu verkehrspolitisch rele-
stellt die basel-städtische Verkehrspolitik umfassend dar.              vanten Grundlagen wie dem Richtplan oder dem Legisla-
Das Leitbild ersetzt den Verkehrsplan 2001. Der Massnah-                turplan des Regierungsrates auf. Diese Grundlagen sind
menplan enthält die wesentlichen verkehrspolitischen                    kohärent, behandeln in Bezug auf die Verkehrspolitik aber
Mass­­nahmen für die nächsten 10 bis 15 Jahre.                          nur Teilaspekte. Das Verkehrspolitische Leitbild stellt hin-
                                                                        gegen die verkehrsplanerischen Grundsätze des Kantons
                                                                        umfassend und ganzheitlich dar. Es geht dabei in den fol-
                                                                        genden Aspekten auch über die bestehenden Grundlagen
                                                                        hinaus:
                                                                        –– Das Leitbild enthält Aussagen zum Umgang mit Ziel-
                                                                           konflikten zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln und
                                                                           zwischen den verschiedenen Teilzielen.
                                                                        –– Der Verkehrsplan 2001 ist weitgehend im Richtplan
                                                                           aufgegangen. Die im Verkehrsplan enthaltenen Aus­
                                                                           sagen zu einzelnen Projekten sind jedoch teilweise ver-
                                                                           altet. Das Verkehrspolitische Leitbild ersetzt den
                                                                           Verkehrsplan als verbindliche Absichtserklärung des
                                                                           Regierungsrates.
                                                                        –– Das Verkehrspolitische Leitbild ist abgestimmt auf das
                                                                           Agglomerationsprogramm Basel, in das auch die Strate-
                                                                           gien der Nachbarregionen eingeflossen sind.

Strategische Positionierung des Verkehrspolitischen Leitbildes mit Massnahmen

                                                      Kantonsverfassung
                                                      (v. a. Art. 30)

    Kantonaler Richtplan                                                                               Legislaturprogramme
    Strategie und Leitsätze                                                                            2009–2012, 2013–2016

                                                      Kantonale Gesetze
                                                      Umweltschutzgesetz
                                                      ÖV-Gesetz etc.

                                                     Verkehrspolitisches Leitbild                   Fachprogramme und Planungen
                                                     Massnahmenplan                                 Erhaltungsplanung Strassenraum
                                                                                                    ÖV-Programm
                                                                                                    Teilrichtplan Velo
                                                                                                    Luftreinhalteplan beider Basel
                                                                                                    u. a. m.

    Bundesplanungen                   Agglomerationsprogramm               Planungen benachbarter           Charta Stadtverkehr
    ASTRA/PEB                         Basel                                Gebiets­körperschaften           für eine nachhaltige städti-
    BAV/STEP                          Teilstrategien Verkehr und           (Kantone, D, F)                  sche Mobilität (Basel,
                                      Siedlung                             Programme und Projekt­           Luzern, St. Gallen, Winter-
                                                                           planungen                        thur, Zürich)

12          Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Verkehrspolitisches Leitbild

                                                              2.2
                                                              Abstimmung der Siedlungs- und
                                                              Verkehrsentwicklung
Die Schnittstellen zu den regionalen und nationalen Pla-      Die strategischen Schwerpunkte und der Massnahmenplan
nungen sind im Verkehrspolitischen Leitbild berücksichtigt    des vorliegenden Leitbildes konzentrieren sich auf den Ver-
und transparent dargestellt. Das Leitbild ist zudem mit der   kehr. Reine Raumplanungsmassnahmen werden in diesem
Siedlungsentwicklung abgestimmt. Die entsprechenden           Rahmen nicht weiter ausgeführt. Selbstredend kann eine
Pla­nungen und die regionale Koordination erfolgen laufend,   sinnvolle Verkehrspolitik jedoch nur in Abstimmung mit den
insbesondere im Agglomerationsprogramm Basel, aber auch       Strategien und Massnahmen der Raumplanung erfolgreich
in der konkreten Projektplanung oder mit den Sachplanun-      sein (vgl. auch Kap. 1.2).
gen des Bundes (z. B. Programm Engpassbeseitigung Ost-
tangente).                                                    Die städtische Raumplanungspolitik ist im kantonalen Richt-
                                                              plan aus dem Jahr 2009 und mit der Anpassung 2012 um-
Das Verkehrspolitische Leitbild konzentriert sich auf den     fassend dargelegt (Strategie- und Massnahmenteil). Ob-
Landverkehr. Luftverkehr und Schifffahrt sind zwar bedeut-    jekt- bzw. Massnahmenblätter des Richtplans mit Auswir-
sam für die internationale Erreichbarkeit der Agglomerati-    kungen auf den Verkehr sind:
on Basel und dank des landseitigen Modalsplits zugunsten      –– Schwerpunkte der Siedlungs- und Stadtentwicklung
der Bahn von mehr als 60 Prozent hat die Schifffahrt auch        (S 1.2)
einen entlastenden Einfluss auf das Autobahnnetz. Jedoch      –– Wirtschaftliche Schwerpunktgebiete (S 2.1)
sind die strategischen Grundsätze im Richtplan ausrei-        –– Innenstadtaufwertung (S 4.3)
chend definiert und die Wechselwirkung mit dem unterge-       –– Verkehrsintensive Einrichtungen (S 3.1/2)
ordneten städtischen Strassennetz sind vergleichsweise        –– Öffentliche Bauten und Anlagen (S 5.1 – 4)
gering. Weiter gehende Aussagen betreffend die landseiti-
gen Verlagerungswirkungen der Schifffahrt erfolgen auf        Die Raumplanungsmassnahmen auf regionaler Ebene wer-
Stufe Massnahmenplan.                                         den vor allem im Agglomerationsprogramm Basel abge-
                                                              stimmt. Dieses Instrument koordiniert und ergänzt die Sied-
                                                              lungsmassnahmen der einzelnen regionalen Gebietskörper-
                                                              schaften hinsichtlich agglomerationsspezifischer Heraus-
                                                              forderungen. Zudem stellt das Agglomerationsprogramm
                                                              Basel eine trinationale Abstimmung der Gesamtverkehrs-
                                                              planungen (u. a. trinationales S-Bahn-Angebotskonzept so-
                                                              wie Strategie Strasse) auf die erwünschte Siedlungsent-
                                                              wicklung sicher.

                                                                                                                         13
Verkehrspolitisches Leitbild

2.3
Verkehrspolitische Ziele
Das Verkehrspolitische Leitbild orientiert sich an vier über-           B Lebensqualität erhöhen (§33/34 KV)
geordneten verkehrspolitischen Zielen. Diese Ziele werden                 Eine hohe Lebensqualität ist die wesentliche Voraus­
in sieben strategischen Schwerpunkten, denen konkrete                     setzung für einen attraktiven Wohn- und Wirtschafts-
Massnahmen (Massnahmenplan) zugeordnet sind, ver-                         standort. Aus verkehrspolitischer Sicht wird unter
folgt. Ziele und Handlungsfelder sind nicht konfliktfrei. Wie             Lebensqualität vor allem das Wohlbefinden von Anwoh-
mit Zielkonflikten im Grundsatz umgegangen wird, ist eben-                nerinnen und Anwohnern, Arbeitnehmenden sowie
falls Bestandteil des Leitbildes.                                         Besucherinnen und Besuchern im öffentlichen Raum
                                                                          verstanden. Dabei wird deutlich, wie unmittelbar die
Übergeordnete Ziele                                                       Wechselwirkungen zwischen z. B. städtebaulichen und
Die Basler Verkehrspolitik verfolgt vier übergeordnete Ziele.             verkehrspolitischen Massnahmen sind. So zieht eine
Diese sind kohärent mit den entsprechenden Vorgaben der                   verkehrsberuhigte Begegnungszone zusätzliche Fuss-
Kantonsverfassung (in Klammern jeweils wichtigste Para-                   gängerinnen und Fussgänger an. Diese wiederum ma-
grafen) und des kantonalen Richtplans (ST11 «Vereinbar-                   chen den öffentlichen Raum belebter – und damit
keit von Mobilität, urbaner Wohnqualität und Wirtschafts-                 sicherer und attraktiver. Zugleich minimiert eine um-
standort»):                                                               weltfreundliche Mobilität die negativen Auswirkungen
                                                                          des Verkehrs (Lärm, Luft, Flächenverbrauch). ÖV,
A Gute Erreichbarkeit sicherstellen (§29/30 KV)                           Fuss- und Veloverkehr haben Vorrang vor dem Auto­
  Verkehr1 ist nicht Selbstzweck, sondern dient wirt-                     verkehr. Diese Wechselwirkungen erhöhen die Lebens-
  schaftlichen und privaten Bedürfnissen. Eine hervorra-                  qualität und stärken so den Wohn- und Wirtschafts-
  gende Erreichbarkeit der Wirtschafts- und Wohnregion                    standort Basel.
  Basel mit allen Verkehrsmitteln – grossräumig und
  hinsichtlich einzelner Stadtgebiete – ist ein essenzieller            C Verkehrssicherheit erhöhen (§30 KV)
  Standortfaktor im nationalen und internationalen                        Eine Verkehrspolitik, die die Unfallrisiken im Verkehr
  Wettbewerb. Der Kanton Basel-Stadt setzt sich ein für                   senkt, erhöht ebenfalls die städtische Lebensqualität.
  einen attraktiven Agglomerationsverkehr und einen                       Gleichzeitig verringert sie die volkswirtschaftlichen
  effi­zienten Güterumschlag, für rasche Verbindungen zu                  Folgekosten von Verkehrsunfällen. Dabei sind beson-
  den schweizerischen Zentren sowie für den Anschluss                     ders Kinder und ältere Personen zu schützen. Dem
  an die internationalen Verkehrsachsen.                                  Fuss- und Veloverkehr ist genügend Raum zu geben;
                                                                          verbleibende Unfallschwerpunkte des Strassenverkehrs
                                                                          sind durch geeignete Massnahmen, insbe­sondere
                                                                          durch Temporeduktion des motorisierten Verkehrs, zu
                                                                          entschärfen.

                                                                        D Kosteneffizienz sicherstellen (§30 KV)
                                                                          Nachhaltige Verkehrspolitik heisst auch, dass die
                                                                          langfristige Finanzierung sichergestellt ist und nicht
                                                                          zulasten anderer Politikbereiche geht. Ein ökonomi-
                                                                          scher Einsatz der Verkehrsmittel berücksichtigt sowohl
                                                                          Investitions-, Betriebs- und Unterhaltskosten als auch
                                                                          anderweitige Folgekosten (z. B. Erneuerungskosten).
                                                                          Im kantons- und länderübergreifenden Verkehr sind ge-
                                                                          rechte Kostenteiler auszuhandeln. Umbauten beste­
                                                                          hender Infrastrukturen sind deshalb so weit wie mög-
                                                                          lich mit dem Erhaltungsbedarf zu koordinieren.

1   Verkehr und Mobilität sind nicht dasselbe. Während Mobilität das
    Bedürfnis und die grundsätzliche Möglichkeit zur Raumveränderung
    beschreibt, ist Verkehr das «Instrument» zur Umsetzung der
    Mobilität in Form von Fahrzeugen, Infrastrukturen und Regelungen.
    Mit Verkehr ist das physisch messbare Verkehrsaufkommen ge-
    meint.

                                                                                                                                  15
Verkehrspolitisches Leitbild
Verkehrspolitische Ziele

Verkehrspolitische Ziele und strategische Schwerpunkte

                                               Räumliche Abstimmung und Zusammenarbeit
                                          Quartiere, Agglomeration, Nachbarskantone, Länder (D/F)

            Verkehrspolitische Ziele                                                                             Strategische Schwerpunkte und Massnahmenplan

     A   Erreichbarkeit des Wirtschafts- und                                                                        1. 	Lücken im Fuss- und Veloverkehr
         Wohnstandorts Basel-Stadt verbessern                                                                           schliessen und Infrastrukturen
                                                                                                                        sicher und nutzergerecht gestalten

                                                                                                                                                                       Verkehrsnachfrage über Mobilitätsmanagement
                                                              6. Öffentliche Strassenräume aufwerten, sicherer
                                                                                                                    2. ÖV-Angebot (Bahn, Tram, Bus) grenz-
                                                                                                                       überschreitend ausbauen und aufeinan-
                                                                 gestalten und kurze Wege ermöglichen
     B 	Lebensqualität durch stadt- und
                                                                                                                       der abstimmen
        umweltgerechte Mobilitätsformen
        erhöhen
                                                                                                                    3. Städtischen Strassenverkehr dosieren,
                                                                                                                       auf das Autobahnnetz lenken und dort
                                                                                                                       Kapazitäten sicherstellen
     C Verkehrssicherheit erhöhen
                                                                                                                    4. Öffentliches Parkraumangebot be-
                                                                                                                       schränken und aktiv be­wirtschaften

                                                                                                                                                                       beeinflussen
     D Kosteneffizienz und Finanzierung von                                                                         5. Städtischen Güterverkehr über City-
       Verkehrsinvestitionen, Betrieb und                                                                              Logistik-Konzepte nachhaltig steuern
       Unterhalt sicherstellen

                                                                                                                                                                       7.
  Monitoring und Controlling                               Aktionsplan                                                           Strategische Planungen
                                                           alle 4 Jahre                                                          Tramkonzept 2020, Strategie Lichtsignalanlagen,
                                                                                                                                 Ratschlag Parkraumbewirtschaftung, Teilricht-
                                                                                                                                 plan Velo, Erhaltungsplanung Strassenraum etc.

16         Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Verkehrspolitisches Leitbild

2.4
Strategische Schwerpunkte
Die Basler Verkehrspolitik verfolgt ihre Ziele mit Massnah-      ringertes Parkplatzangebot im öffentlichen Strassen-
men in sieben strategischen Schwerpunkten. Die zentralen         raum, indem Quartierparkings erstellt werden. Die
Massnahmen sind in Kapitel 3 näher erläutert.                    Parkraumbewirtschaftung wird so weit wie möglich
                                                                 regional koordiniert weiterentwickelt.
1.	Lücken im Fuss- und Veloroutennetz schliessen und
   Infrastrukturen sicher und nutzergerecht gestalten         5. Städtischen Güterverkehr über City-Logistik-Konzepte
   Der Ausbau von Angeboten für Fussgänger und Velo-             nachhaltig steuern
   fahrer dient verschiedenen Zwecken. Die Verlagerung           Rund 25% des städtischen Verkehrs entfallen auf den
   von Autofahrten hat nach wie vor ein gewisses Poten­          Güterverkehr. Dieser Güterverkehr ist räumlich und
   zial, besonders im grenzüberschreitenden Verkehr,             zeitlich stärker zu steuern, vor allem um die Quartiere
   in Wegeketten und über mittlere Distanzen. Daneben            zu entlasten. Aus wirtschaftlichen Gründen muss die
   entlastet der Fuss- und Veloverkehr die innerstädti-          Erreichbarkeit der verschiedenen Ziele des Güterver-
   schen ÖV-Kapazitäten zu Stosszeiten und verbessert            kehrs jedoch sichergestellt sein. Güterverkehrsfahrten
   generell die Lebensqualität sowie die Gesundheits­            können vor allem über eine effizientere Abwicklung
   vorsorge. In Kombination mit dem öffentlichen Verkehr         der sogenannten ersten/letzten Meile verringert wer-
   kann der Fuss- und Veloverkehr auch längere Autofahr-         den. City-Logistik-Konzepte, die gleichzeitig den städ-
   ten ersetzen, entsprechend kommt attraktiven Velo­            tischen Raum entlasten und einen wirtschaftlichen
   abstellanlagen an und hindernisfreien Zugängen zu ÖV-         Güterverkehr ermöglichen, erfordern die enge Zusam-
   Haltestellen eine hohe Bedeutung zu. Deshalb ist es           menarbeit öffentlicher und privater Akteure.
   zum Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmenden
   wichtig, die Verkehrssicherheit weiter zu erhöhen.         6. Öffentliche Strassenräume aufwerten, sicherer
   Besondere Beachtung findet die Ausrichtung auf eine           gestalten und kurze Wege ermöglichen
   risikoarme Verhaltensweise aller Verkehrsteilnehmen-          Die gezielte Umgestaltung öffentlicher Strassenräume
   den, die sich durch gegenseitige Rücksichtnahme               hilft, den Autoverkehr zu verringern. Im Vordergrund
   auszeichnet.                                                  stehen ein möglichst homogener, flüssiger Gesamt­
                                                                 verkehr, eine höhere Verkehrssicherheit und eine gute
2. ÖV-Angebot (Bahn, Tram, Bus) grenzüberschreitend              Aufenthaltsqualität durch angeglichene Geschwindig-
   ausbauen und aufeinander abstimmen                            keiten der einzelnen Verkehrsmittel. Neben Projekten
   Der zusätzliche Verkehr aufgrund des zukünftigen              für Strassen und Plätze umfasst dies auch die flächen-
   Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstums soll in erster        deckende Verkehrsberuhigung in den Wohngebieten
   Linie über einen attraktiven und zuverlässigen öffentli-      (Tempo 30 und Begegnungszonen). Lokale Geschwin-
   chen Verkehr aufgefangen werden. Dazu sind weitere            digkeitseinbussen im öffentlichen Verkehr sind dabei
   Angebotsausbauten erforderlich, neben dem Tram- und           zulässig, solange das ÖV-System an anderer Stelle ent-
   Busnetz vor allem bei den grenzüberscheitenden Linien         sprechend beschleunigt werden kann.
   der Regio-S-Bahn. Der Autoverkehr kann aber alleine
   mit ÖV-Ausbauten nicht ausreichend verlagert werden.       7. Verkehrsnachfrage über Mobilitätsmanagement
                                                                 beeinflussen
3. Städtischen Strassenverkehr dosieren, auf das Auto-           Mobilitätsmanagement wirkt über die Sensibilisierung
   bahnnetz lenken und dort Kapazitäten sicherstellen            verschiedener Zielgruppen für ein nachhaltiges und
   Verkehrsmanagement-Massnahmen können den Stras­               sicheres Verkehrsverhalten indirekt darauf ein, wofür
   senverkehr in der Stadt gezielt lenken und auf ein ver-       und wie häufig das Auto genutzt wird. Im Vordergrund
   trägliches Mass beschränken sowie den verbleibenden           stehen Beratungs- und Informationsangebote, Kam­
   Autoverkehr möglichst auf das Autobahnnetz verla-             pagnen, ökonomische Anreize und neue innovative Mo-
   gern. Dies kann über bauliche bzw. verkehrstechnische         bilitätsangebote wie z. B. Carsharing-Systeme.
   (Spurabbau, Spurverengung usw. zugunsten ÖV sowie
   Fuss- und Veloverkehr) und/oder betriebliche Mass-         In allen strategischen Schwerpunkten ist eine enge Zusam-
   nahmen (Lichtsignalsteuerung) erreicht werden.             menarbeit über die Kantonsgrenze hinweg von grosser Be-
   Ein städtisches Verkehrsmanagementsystem muss mit          deutung: Verkehr findet in funktionalen Räumen statt. Der
   einem künftigen regionalen System abgestimmt sein.         Kanton Basel-Stadt muss deshalb die eigenen Handlungs-
                                                              möglichkeiten konsequent nutzen, gleichzeitig aber auch
4. Öffentliches Parkraumangebot beschränken und               die Zusammenarbeit mit den benachbarten (kommunalen
   aktiv bewirtschaften                                       und regionalen) Gebietskörperschaften und übergeordne-
   Autofahrten mit Zielort Basel-Stadt lassen sich am         ten nationalen Behörden (z. B. ASTRA) gezielt ausbauen.
   effizientesten durch das Parkraumangebot beeinflus-
   sen. Dies gelingt über höhere Parktarife und ein ver­

                                                                                                                          17
Verkehrspolitisches Leitbild

2.5
Umgang mit Zielkonflikten
Der städtische Raum ist begrenzt. Aus dieser Tatsache er-             Erreichbarkeit versus Lebensqualität
geben sich zahlreiche Konflikte zwischen Ansprüchen der               Das ist der Grundkonflikt jeden städtischen Verkehrs. Städ-
Verkehrsteilnehmenden und Ansprüchen von Anwohner-                    te müssen mit allen Verkehrsmitteln gut erreichbar sein.
schaft, Arbeitnehmenden und Besucherinnen und Besu-                   Gleichzeitig erwarten die Bewohnerinnen und Bewohner
chern. Hinzu kommen die unterschiedlichen Auswirkungen                möglichst geringe negative Auswirkungen wie Lärm, Luft-
der einzelnen Verkehrsmittel wie Raumbedarf, Emissionen               verschmutzung, Gefährdung oder Unfallrisiken. Deshalb
oder Geschwindigkeiten. Vor allem im Umgang mit folgen-               werden für Verkehrsvorhaben im Spannungsfeld von Er-
den Zielkonflikten sind im Rahmen der vier verkehrspoliti-            reichbarkeit und Lebensqualität folgende Aspekte abgewo-
schen Ziele möglichst konkrete verkehrspolitische Prioritä-           gen:
ten2 zu definieren:                                                   –– Aus Umwelt-, Sicherheits- und Platzgründen notwen­
                                                                          dige Einschränkungen des Autoverkehrs müssen
                                                                          durch entsprechende Angebote im öffentlichen Verkehr
                                                                          sowie im Fuss- und Veloverkehr kompensiert werden.
                                                                          Diese Verkehrsmittel geniessen im städtischen Raum
                                                                          Priorität gegenüber dem Autoverkehr.
                                                                      –– Der städtische Raum muss für alle, speziell auch für
                                                                          den Wirtschaftsverkehr (Lieferungen, Handwerker,
                                                                          Dienstleistungen usw.), mit entsprechenden Strassen
                                                                          erschlossen und zugänglich sein. Dafür müssen das
                                                                          Autobahnnetz und die städtischen Hauptachsen über
                                                                          die erforderlichen Kapazitäten verfügen. Die zulässige
                                                                          Geschwindigkeit auf den Stadtstrassen ist aufgrund
                                                                          der geringen innerstädtischen Distanzen weniger
                                                                          bedeutsam. Für den städtischen Wirtschaftsverkehr
                                                                          sind zudem adäquate Zufahrts- und Abstellmöglich­
                                                                          keiten vorzusehen.
                                                                      –– In Wohngebieten ist die Lebensqualität höher zu ge-
                                                                          wichten als die Erreichbarkeit. Deshalb sind in Stras­
                                                                          senzügen mit überwiegendem Wohncharakter der
                                                                          Verkehr auf das notwendige Minimum zu begrenzen
                                                                          und die Geschwindigkeiten für den motorisierten Ver-
                                                                          kehr zu beschränken.
                                                                      –– Reduzierte Geschwindigkeiten müssen auf Strecken
                                                                          mit öffentlichem Verkehr dort in Kauf genommen
                                                                          werden, wo sie zwingend notwendig sind, um die Auf-
                                                                          enthaltsqualität zu verbessern. Das ÖV-System in
                                                                          seiner Gesamtheit soll über anderweitige Ausbauten/
                                                                          Ausgleichsmassnahmen dennoch beschleunigt werden.
                                                                      –– Beim weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs
                                                                          sind dessen negative Auswirkungen durch technische
                                                                          und organisatorische Massnahmen zu minimieren
                                                                          (Lärmreduktion, bessere Antriebstechnik, optimierte
                                                                          Haltestellen usw.).

2 Die Priorisierung von einzelnen Projekten ist nicht Bestandteil
  des Verkehrspolitischen Leitbildes, sondern wird im Rahmen der
  ein­zelnen Planungsprogramme bzw. im üblichen politischen
  Prozess vorgenommen (vgl. auch Kapitel 3).

18        Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
Verkehrspolitisches Leitbild
                                                                                                                Umgang mit Zielkonflikten

Verkehrssicherheit versus Lebensqualität3 und Erreichbarkeit             Kosteneffizienz versus Erreichbarkeit und Lebensqualität
Fussgänger und Velofahrer leisten die grössten Beiträge an               Verkehrsangebote müssen bezahlbar bleiben. Die Ansprü-
einen stadt- und umweltgerechten Verkehr. Sie nehmen am                  che anderer Politikbereiche (z. B. Bildung, Gesundheit, So-
wenigsten Platz in Anspruch und verursachen am wenigs-                   ziales, Kultur) an den Finanzhaushalt des Kantons sind
ten negative Auswirkungen. So geht von Fussgängern und                   gross. Umgekehrt sind eine gute Erreichbarkeit und eine
Velofahrern die geringste Gefährdung für andere Verkehrs-                hohe Lebensqualität wichtige Standortfaktoren. Investitio-
teilnehmende aus. Umgekehrt sind Fussgänger und Velo-                    nen in diese Bereiche fördern die Wirtschaft, den Wohl-
fahrer jedoch selbst den grössten Unfallrisiken ausgesetzt.              stand und die Attraktivität als Wohnort. Konkrete Lösungs-
Den Anteil des Fuss- und Veloverkehrs am gesamten Ver-                   ansätze im Spannungsfeld Kosten/Erreichbarkeit/Lebens-
kehr und eine Ausrichtung der Verkehrsplanung auf die Be-                qualität sind:
dürfnisse von Fussgängern und Velofahrern sind langfristig               –– Im Zuge notwendiger Erhaltungsmassnahmen
am nachhaltigsten, um gleichzeitig die Verkehrssicherheit                    werden nur sanierungsbedürftige Strassenabschnitte
und die Lebensqualität zu erhöhen. Konkrete Projekte im                      oder Plätze entsprechend den definierten Anforderun-
Spannungsfeld Verkehrssicherheit und Lebensqualität bzw.                     gen angepasst. Eine Ausnahme bilden stark unfall­ge­
Erreichbarkeit sind anhand folgender Kriterien zu beurtei-                   fähr­dete Strassenabschnitte, die als Sofortmassnah-
len:                                                                         men kurzfristig und mit möglichst geringem (bauli-
–– Wo ein hohes Autoverkehrsaufkommen unvermeidlich                          chem) Aufwand verbessert werden. Eine weitere Aus-
    ist, werden systematische Analysen durchgeführt,                         nahme sind Ausbauten, für die eine hohe Nachfrage
    um Unfallschwerpunkte zu entschärfen. Zudem müssen                       besteht, wie z. B. Tramneubaustrecken gemäss dem
    attraktive und sichere Alternativrouten für den Fuss-                    Konzept «Tramnetz 2020», deren Umsetzungspriorität
    und Veloverkehr geprüft werden. Wo keine entspre-                        je nach Wirtschaftlichkeit der Einzelstrecke festgelegt
    chenden Alternativen möglich und/oder sinnvoll sind,                     wird.
    steht die Temporeduktion als Massnahme im Vorder-                    –– Fuss- und Veloverkehr sind die günstigsten Verkehrs-
    grund.                                                                   mittel. Investitionen (auch grössere) in die Förderung
–– Durch Verkehrslenkung soll der Autoverkehr auf ver-                       des Fuss- und Veloverkehrs tragen somit in der Regel
    kehrsorientierte, besonders auf leistungsfähige Haupt-                   zur Kosteneffizienz des Gesamtverkehrssystems bei
    verkehrsstrassen und Autobahnen geführt werden.                          (vgl. z. B. Studie «Effizienz von öffentlichen Investitio-
    Dies dient der Verkehrssicherheit und der Aufenthalts-                   nen in den Langsamverkehr», ASTRA 2003).
    qualität gleichermassen.                                             –– Der Verkehr ist heute stark subventioniert.4 Auch dies
–– Massnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit                            ist ein Grund für die grosse Nachfragesteigerung der
    dürfen den Fuss- und Veloverkehr nicht wesentlich be-                    letzten Jahrzehnte. Sowohl beim Autoverkehr als auch
    hindern (z. B. indem Fussgänger und Velofahrer                           beim ÖV ist deshalb eine stärkere Nutzerfinanzierung
    Um­wege zu sichereren Wegen und Strassen in Kauf                         anzustreben. Um unerwünschte Verlagerungen vom
    nehmen müssen).                                                          ÖV auf das Auto zu verhindern, müssen die Nutzerkos-
–– Eine vollständige Trennung der Verkehrsmittel ist in                      ten im Gleichschritt auf beiden Seiten steigen. Dies
    den engen städtischen Verhältnissen nicht möglich und                    kann der Kanton jedoch nur in geringem Masse alleine
    auch nicht sinnvoll. Mehr Verkehrssicherheit soll des-                   steuern.
    halb über eine fuss- und velofreundliche Gestaltung des
    Strassenraums und tiefe Geschwindigkeiten erreicht
    werden. Beides trägt zu einem risikoarmen Verhalten
    der Verkehrsteilnehmenden und gegenseitiger Rück-
    sichtnahme bei.
–– Durch eine systematische Analyse der bestehenden
    Infrastruktur werden Schwach- und Gefahrenstellen
    erkannt und laufend beseitigt.
–– Durch systematische Sicherheitsbeurteilungen bei Um-
    gestaltungen oder Neuplanungen wird die Infrastruktur
    sicherer.

3 Verkehrssicherheit ist ein wesentlicher Bestandteil der Lebens­
  qualität. Dennoch besteht ein Zielkonflikt zwischen diesen beiden
  Bedürfnissen: Massnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicher-
  heit, die primär auf eine Verkehrstrennung ausgerichtet sind, können
  die Aufenthaltsqualität verringern (z. B. Autobahnen als sehr          4 Auch wenn die Strassenrechnung des Bundes eine Deckung
  sichere Verkehrsanlage, die jedoch zu erheblichen Umwegen für            der direkten Kosten nachweist, ist auch der Strassenverkehr unter
  den Fuss- und Veloverkehr führen können).                                Berücksichtigung der externen Kosten stark subventioniert.

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Verkehrspolitisches Leitbild
Umgang mit Zielkonflikten

Personenverkehr versus Güterverkehr                                   Trotz allgemeiner Grundsätze lassen sich Zielkonflikte nicht
Bei der Ausgestaltung von Massnahmen, die direkt auf den              generell lösen. Vielmehr braucht es im Einzelfall abgestimm-
Strassenverkehr wirken, stellt sich die Frage, ob einzelne            te Ansätze, die neben den Ansprüchen des Verkehrs auch
Verkehrsarten bevorzugt behandelt werden sollen. Für den              orts- und nutzungsspezifische Anliegen berücksichtigen
städtischen Güterverkehr, der rund 25% des Verkehrs aus-              (z. B. angestrebte Veränderungen im Wohnumfeld, Anliegen
macht, ist diese Frage besonders relevant. Dieser kann im             bezüglich Freiflächen und Begrünung, Berücksichtigung
Gegensatz zum Personenverkehr weniger kanalisiert und                 bestehender Gas-, Wasser-, Stromleitungen usw.). Diese
nicht auf den öffentlichen Verkehr verlagert werden. Eine             Ab­wägungen erfolgen laufend in allen Planungsphasen ei-
pauschale Priorisierung einer Verkehrsart ist jedoch nicht            nes Projektes.
angebracht. Ziel ist deshalb, den städtischen Güterverkehr
zeitlich und räumlich optimal zu steuern (z. B. bevorzugte
Regelungen zu Anlieferzeiten, Dosiersysteme in den Pend-
lerspitzenzeiten, Zugangsbeschränkungen des Schwerver-
kehrs zu Quartieren usw.) und positive Anreize für eine effi-
zientere Abwicklung zu setzen (z. B. Entwicklung von City-
Logistik-Lösungen).

20        Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
3
     Massnahmenplan

Herleitung und Übersicht                                            Die folgende Tabelle zeigt den Massnahmenplan im Über-
Die strategischen Schwerpunkte des Verkehrspolitischen              blick. Die Reihenfolge der Massnahmen stellt keine Priori-
Leitbildes bilden die Basis für die Entwicklung geeigneter          sierung dar. Entscheidend ist ein ausgewogenes Gesamt-
Massnahmen. Eine weitere Grundlage sind die Ergebnisse              paket von Massnahmen, denn nur so können Synergien re-
des Studienauftrags (Kapitel 1.4). Darauf aufbauend hat der         alisiert werden und die einzelnen Massnahmen ihre volle
Regierungsrat prioritäre Massnahmen innerhalb der strate-           Wirkung entfalten. Die folgenden Kapitel beschreiben die
gischen Schwerpunkte bestimmt und sich dabei an folgen-             Hauptaufgaben in den einzelnen Massnahmenbereichen.
den Grundsätzen orientiert (siehe folgende Tabelle):                Dabei werden nicht nur neue, sondern auch relevante bis-
                                                                    her schon vorgesehene (aber teilweise noch nicht beschlos-
–– Wirksamkeit: Die Massnahmen sollen möglichst zu allen            sene) Massnahmen aufgeführt.
   vier verkehrspolitischen Zielen beitragen. Neue Mass-
   nahmen sollen in erster Linie den Autoverkehr reduzie-           Da Basel-Stadt zwar in einigen Bereichen eigenständig
   ren, dürfen aber die gute Erreichbarkeit von Basel nicht         handeln kann, eine nachhaltige Verkehrspolitik jedoch über
   einschränken.                                                    die gesamte Region abgestimmt sein muss, sind neben
–– Kostenminimierung: Mit Blick auf die knappen öffentli-           Massnahmen unter Federführung des Kantons Basel-Stadt
   chen Finanzmittel und die Ansprüche anderer Politikbe-           auch die agglomerationsweit geplanten Massnahmen be-
   reiche soll eine stadtverträgliche Mobilität mit mög-            deutsam. Namentlich in den Bereichen Verkehrssteuerung,
   lichst wenig finanzrechtlich neuen Mitteln vorangetrie-          Parkraumpolitik und Mobilitätsmanagement sind verstärkte
   ben werden. Die vorhandenen Ressourcen sind zielge-              Anstrengungen im Rahmen des Agglomerationsprogramms
   richtet einzusetzen sowie laufende oder geplante                 Basel vorgesehen und entsprechend in der Massnahmen-
   Aktivitäten/Programme zu optimieren.                             übersicht enthalten.
–– Regionale Abstimmung: Der städtische Strassenver-
   kehr ist nur zu rund 30% stadtinterner Binnenverkehr.            Massnahmen, die bis zum Jahr 2015 bereits umgesetzt
   Eine sinnvolle Verkehrsplanung und Massnahmen                    sind, werden nicht mehr aufgeführt. Im Rahmen des Studi-
   mit Wirkung über die Stadtgrenzen hinaus müssen des-             enauftrags haben alle drei Teams die bisherige Basler Ver-
   halb mit den regionalen Partnern abgestimmt werden.              kehrspolitik als nachhaltig und kohärent beurteilt. Die wich-
   Nur gemeinsam können der Verkehr von ausserhalb                  tigsten seit 2010 (Annahme des neuen §13 USG) umgesetz-
   des Kantons und der Transitverkehr beeinflusst werden.           ten Massnahmen sind: Verlängerung der Tramlinie 8 nach
   Insofern sind die Massnahmen des Agglomerationspro-              Weil am Rhein, grenzüberschreitende Buslinien nach Gren-
   gramms Basel aktiv zu unterstützen.                              zach und Hegenheim, Verkehrskonzept Innenstadt, Birs-
–– Monitoring und Flexibilität: Die Wirkungen der Mass­             kopfsteg, Pendlerfonds und der Pilotversuch für ein stati-
   nahmen sollen, soweit möglich, laufend überprüft wer-            onsungebundenes Carsharing (Catch a Car).
   den. Basierend auf den Ergebnissen des Monitorings
   sind die Aktionspläne in periodischen Abständen anzu-            Hinzu kommen Massnahmen, die weitergeführt werden, wie
   passen und die Schwerpunkte gegebenenfalls neu                   die Öffnung diverser Einbahnstrassen für den Velogegen-
   auszu­richten.                                                   verkehr, der Pilotversuch für Rechtsabbiegen bei Rot an
                                                                    Lichtsignalanlagen für Velofahrer, die Einrichtung von Be-
                                                                    gegnungszonen und weitere Kleinmassnahmen zugunsten
                                                                    des Fuss- und Veloverkehrs sowie verschiedene Massnah-
                                                                    men des Mobilitätsmanagements (z. B. E-Bike in Unterneh-
                                                                    men, Mobilitätswoche Basel Dreiland, Kampagne «Fair im
                                                                    Verkehr»).

22      Verkehrspolitisches Leitbild und Massnahmenplan/Juni 2015
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