Versorgungsforschung mit hoher translationaler Bedeutung
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Ud tatue velit aliscillam dionsenis © Charité, Verena Materna Serie (Teil 31): Charité beruft fünf neue Professuren, die die Plattform – Charité Versorgungsforschung stärken Versorgungsforschung mit hoher translationaler Bedeutung Seit der Installation der Charité-Versorgungsforschungskongresse ist die Versorgungsforschung an der bis dato stark der Grundlagenforschung – vor allem auch rund um Themen der Neurowissenschaft – verschriebenen Charité nicht nur ein sichtbarer Teil, sondern eine „sehr sichtbare Komponente der Forschungsstrategie an der Charité“ geworden, so Prof. Dr. Axel R. Pries (Dekan der Charité) in seinem Grußwort zum 2021er Kongress (s. MVF 02/21). Veranstalter dieser Kongresse ist die Plattform – Charité Versorgungsforschung, die wiederum auf eine Initiative des Prof. Dr. Christoph Heintze Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft (IMSR), des ist seit 2016 Direktor des Instituts für Allgemein- Instituts für Allgemeinmedizin, des Institut für Public Health und der Notfall- und medizin sowie seit März 2021 Sprecher der Platt- form – Charité Versorgungsforschung. Akutmedizin (CCM/CVK) zurückgeht (s. MVF 01/20). Dass das Wissenschaftsgebiet der Versorgungsforschung für die Charité eine zunehmende Bedeutung hat, zeigen nicht weniger als fünf Neuberufungen in diesem Fach. Weitere Stationen: 2012-2016 Kommissarischer Direktor des Instituts >> Die Versorgungsforschung übernimmt Versorgungsforschung ist ein Bereich von für Allgemeinmedizin – so Pries in seinem Grußwort – nicht nur extrem hoher translationaler Bedeutung. Sie 2005 Master Public Health 2003 Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren eine aktive Rolle bei der Ausbildung und kann und soll sehr patientennah die Dinge, 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Förderung des Nachwuchses ein, sondern die in der Medizin möglich sind, auch in für Allgemeinmedizin der Charité – Universitäts- medizin Berlin, Campus Mitte kümmert sich auch um wichtige inhaltliche eine Anwendung bringen, die den Rahmen- 2001 Facharzt für Allgemeinmedizin Schwerpunkte wie die ambulante und sektor- bedingungen entspricht. Insofern ist die 1995-2001 Weiterbildung Allgemeinmedizin in übergreifende Versorgung, die Versorgung Plattform – Charité Versorgungsforschung Heidelberg und Augsburg 1995 Promotion am Heidelberger Department of von vulnerablen Gruppen und Personen mit für die strategische Entwicklung der For- Tropical Hygiene and Public Health: „Behandlung chronischen Erkrankungen, die Notfall- und schung und auch der Versorgung an der der kutanen Leishmaniase mit Paramomycinme- Akutversorgung, die Telemedizin bis hin zur Charité von hoher Bedeutung.“ thylbenzetoniumchlorid in Ecuador“ 1987-1995 Humanmedizinstudium an der Rup- Rheumatolgie und Oraler Diagnostik und Die Versorgungsforschung kann wichtige rechts Karls Universität Heidelberg und Valdivia/ digitaler Zahnheilkunde. Pries weiter: „Die Aspekte liefern, um die sechs Strategie- Chile 44 Monitor Versorgungsforschung 03/2021
Serie felder der Charité 2030 zu unterstützen.“ In schlagt wurden. Drei Projekte unter Cha- „Wir denken Gesundheit neu – Charité 2030“ rité-Leitung widmen sich der Entwicklung ist festgehalten: „Translation ist zentrales und Erprobung innovativer Versorgungs- Merkmal der Charité: Auf Basis ihrer einma- formen im Gesundheitssektor, vier weitere ligen Struktur mit dem Berlin Institute of beschäftigen sich mit neuen Ideen im Be- Health (BIH) als dritter Säule neben der For- reich der Versorgungsforschung. Die Charité schung und der Gesundheitsversorgung wird ist darüber hinaus als Konsortialpartnerin Translation zu einem zentralen Merkmal der an vier weiteren Projekten im Modul Neue Charité. Sie etabliert damit einen Kristalli- Versorgungsformen beteiligt. sationskern für das translationale Ökosystem Insgesamt 28 Projekte mit Konsortial- der Wissenschafts- und Gesundheitsregion führung gibt es seit 2016, dem Start der Berlin und verfolgt das Ziel, gemeinsam mit Förderlinien durch den G-BA, nun an der ihren Partnern eine treibende Kraft bei der Berliner Universitätsmedizin. Davon ent- © Charité, Simone Baar Überführung wissenschaftlicher Erkenntnis fallen 13 Vorhaben auf den Bereich Neue in innovative Diagnostik und Therapie in Versorgungsformen und 15 auf den Bereich Europa zu werden.“ Versorgungsforschung. Während sieben neue Dieser breite Fächerkanon, den die Vorhaben in diesem Jahr ihre Arbeiten auf- Versorgungsforschung an der Charité be- nehmen können, nähern sich Projekte der er- reits jetzt abdeckt, ist durchaus einzigartig sten Förderwelle bereits dem Abschluss und in Deutschland. „Das Ziel der Plattform – werden zu einer weiteren Verbesserung der Prof. Dr. Wolfram Herrmann Charité Versorgungsforschung ist es, durch deutschen Krankenversorgung beitragen. Professur für Allgemeinmedizin m. die Vernetzung der interprofessionellen Ak- „Wie wichtig und notwendig innovative S. Versorgungsforschung teure sowie den systematischen Auf- und Konzepte und Wissen aus Versorgungspro- Ausbau von Strukturen und Angebote die jekten sind, hat uns die Covid-19-Pandemie >> Im Oktober 2020 hat Prof. Herrmann die Versorgungsforschung an der Charité zu för- eindrücklich vor Augen geführt“, sagt dazu Professur für Allgemeinmedizin mit Schwer- dern, damit alle Patienten zukünftig noch Prof. Dr. Martin Möckel, Ärztlicher Leiter der punkt Versorgungsforschung an der Cha- schneller und besser von wichtigen wissen- Notfall- und Akutmedizin am Campus Charité rité angetreten. Prof. Herrmann studierte schaftlichen Erkenntnissen Medizin an der Charité und der Universität profitieren können“, erklärt Die sechs Strategiefelder der Charité 2030 Islands. Darüber hinaus studierte er Hoch- hierzu Prof. Dr. Christoph schuldidaktik (Higher Education) an der Uni- Heintze, Direktor des Insti- versität Hamburg und Epidemiologie an der * Obwohl in dieser Serie die männliche Schreibweise verwandt wird, sind immer alle Geschlechter gemeint. tuts für Allgemeinmedizin Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er sowie Sprecher der Platt- promovierte am Graduiertenkolleg Multimor- form – Charité Versorgungs- bidität im Alter an der Charité mit Auslands- forschung. aufenthalten an der Universität Bergen und In der aktuellen stra- der Johns Hopkins University in Baltimore. tegischen Ausrichtung der „Diese internationalen Erfahrungen brachten Charité wird nach Worten mich dazu, unsere Versorgungsstrukturen zu Heintzes auf die wachsende hinterfragen“, berichtet Prof. Herrmann. Daher Relevanz zur Etablierung nahm er 2010 an der 1. DFG Nachwuchsakade- guter Strukturen hingewie- mie Versorgungsforschung in Lübeck teil. „Die sen, um „Unmet Medical Nachwuchsakademie Versorgungsforschung Needs in der Gesundheits- in Lübeck war damals ein intensives Erleb- versorgung besser erken- nis und hat mich sehr geprägt“, erzählt nen“ zu können. Heintze: Prof. Herrmann. „Seitdem brenne ich für „Dieser Punkt ist mir be- die Versorgungsforschung.“ Das wichtigste sonders wichtig. In diesem Post-Doc Projekt war ein DFG-gefördertes Feld ist die Plattform aktiv Abb. 1: Strategiefelder der Charité 2030. deutsch-norwegisches Forschungsprojekt zu und plant, weitere interdis- den subjektiven Konzepten von Patienten zur ziplinäre Projekte anzustoßen.“ Mitte und Campus Virchow-Klinikum und Inanspruchnahme (haus-)ärztlicher Versor- Konnte der erste Charité-Versorgungs- Boardmitglied der Plattform – Charité-Ver- gung. Parallel zu seiner Forschungstätigkeit forschungskongress schon mehr als 150 sorgungsforschung. „Auch das Voranschrei- war Prof. Herrmann auch klinisch tätig, in der Projekte an der Charité vermelden, die der ten der Digitalisierung im Gesundheitssek- Geriatrie, Allgemeinmedizin, Orthopädie und Versorgungsforschung zuzuordnen sind, tor schafft beständig neue Notwendigkeiten ambulanten Rehabilitation. Nach Stationen sind inzwischen viele weitere hinzugekom- wie auch Möglichkeiten, die Versorgungs- an den Hochschulen in Furtwangen und Mün- men. Darunter sind sieben weitere For- landschaft zu gestalten, intelligente Ver- ster wurde er nun an die Charité berufen. „Mit schungsprojekte, die im Zuge der sechsten sorgungsformen zu entwickeln oder beste- dieser Professur ergab sich die Chance, in Förderwelle des beim G-BA angesiedelten hende Konzepte weiterzuentwickeln“, so einem motivierenden wissenschaftlichen Um- Innovationsausschusses positiv bezu- Möckel weiter.
Serie gleichzeitig in Berlin ein spannendes Umfeld heren Bevölkerungsdichte, einer größeren Deutschland, die gemeinsam von einer wis- mit den weiteren Universitäten der Berlin Heterogenität und Diversität der Bevölkerung senschaftlichen Fachgesellschaft, der Deut- University Alliance und zahlreichen außer- und einer starken Fragmentierung der Ge- schen Gesellschaft für Rheumatologie e.V., universitären Forschungseinrichtungen vor- sundheitsversorgung spezifische Herausforde- und einer Patientenselbsthilfeorganisation, handen ist. Darüber hinaus ist Berlin und die rungen.“ Insbesondere die Berücksichtigung der Deutschen Rheuma-Liga, getragen wird. Charité ein guter Ort, um mit Kooperations- sozialer Aspekte und des Lebensumfeldes Die Charité – Universitätsmedizin Berlin und partnern aus aller Welt zusammen zu arbei- in der Primärversorgung sind dabei zentrale das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum ten“, beschreibt er seine Motivation, die Pro- Punkte, denen sich Prof. Herrmann widmen Berlin (DRFZ), ein Institut der Leibniz- fessur mit Schwerpunkt Versorgungsforschung möchte. Dazu arbeitet das Team um Prof. Gemeinschaft, bewarben sich gemeinsam anzutreten. „Versorgungsforschung sehe ich Herrmann auch mit den Bezirken und ande- um die Einrichtung dieser Professur. Zu den als einen wichtigen Teil der Translation an. ren innovativen Projekten vor Ort in Berlin, konzeptionell vorgeschlagenen Entwick- Dabei bedeutet – hausärztlich gedacht – aber auch international zusammen. So führen lungslinien der vorgesehenen Forschung Translation nicht von „Bench to Bedside“, sie gemeinsam mit der National University of gehörten die Evaluierung der Versorgungs- sondern von „Bench to Patient in the Set- Singapore gerade ein Projekt zu der Fragestel- situation in der Kinder- und Erwachsenen- ting“. In keinem anderen Fachgebiet gelingt lung durch, wie die Planung der gesundheit- rheumatologie sowie die Entwicklung und es so gut, das Lebensumfeld und Setting der lichen und psychosozialen Versorgung besser wissenschaftliche Begleitung innovativer Patienten mitzudenken wie in der Allgemein- an den Bedürfnissen älterer Menschen orien- Versorgungskonzepte, wie z. B. von Model- medizin. Als Arzt ist mir dabei die Verbes- tiert werden kann. Urban Primary Care ist also len zur Verbesserung des Frühzugangs zum serung der hausärztlichen Versorgung durch nicht nur in Deutschland ein Thema, sondern Rheumatologen, der Transition zwischen Versorgungsforschung eine Herzensangele- weltweit. Kinder- und Erwachsenenrheumatologie und genheit.“ Eine große Herausforderung sei es Nicht zuletzt spielt auch die Nachwuchs- der Stärkung der Rolle der Patienten im dabei, dass sowohl die Hausärzte als auch die förderung eine wichtige Rolle. „Sowohl in der Versorgungsprozess. Dieses Konzept über- Patienten sowie andere Gesundheitsprofessio- Versorgungsforschung als auch in der Allge- zeugte unter den verschiedenen eingereich- nen mit ins Boot geholt werden müssen, um meinmedizin benötigen wir zukünftig zahl- ten Anträgen, sodass die Professur durch die Primärversorgung vor Ort zu verbessern. reiche engagierte und exzellente Nachwuchs- die Charité ausgeschrieben werden konnte. „Dieses sich wandelnde Bild der Allgemein- wissenschaftler. Mit meiner Arbeit möchte „Zu dieser Zeit war ich neben meiner kli- medizin, die viel breiter aufgestellt ist als ich dazu beitragen, Studierenden und Pro- nischen Arbeit als Kinderrheumatologin Husten und Schnupfen, führt teilweise noch movierenden frühzeitig eine selbstständige im Sozialpädiatrischen Zentrum der Cha- zu Widerstand“, meint Prof. Herrmann, „aber und verantwortungsvolle Forschungstätigkeit rité als Leiterin der Arbeitsgruppe Pädiat- international machen gerade die skandina- zu ermöglichen und sie damit für die Wissen- rische Rheumatologie im Programmbereich vischen Länder vor, wie es geht, und ich hoffe schaft zu begeistern.“ > Die Professur für Versorgungsforschung Die Forschungsaktivität im Rahmen der Diese Entwicklung geht gleichzeitig mit dem in der Rheumatologie wurde von der Deut- Professur, aber auch generell im Pro- demografischen Wandel einher. Die urbane schen Rheumastiftung ins Leben gerufen, grammbereich Epidemiologie und Versor- hausärztliche Versorgung hat mit einer hö- der ersten gemeinnützigen Stiftung in gungsforschung des DRFZ, richtet sich 46 Monitor Versorgungsforschung 03/2021
Serie grundsätzlich darauf, die Versorgung und bensperspektive zu geben. „Eine erfolg- letzlichkeit infolge struktureller Benach- damit die Lebenssituation rheumakranker reiche Forschung auf kinderrheumatolo- teiligungen oder Gefährdungen. Das kön- Menschen zu verbessern. Mit der Untersu- gischem Gebiet setzt voraus, Fragen der nen bspw. eine Fluchterfahrung und eine chung klinischer, sozialer und biologischer Zeit zu erkennen, Kinderrheumatologen und ungesicherte Aufenthaltsperspektive, eine Einflussfaktoren auf den Verlauf rheuma- Betroffene für eine gemeinsame alltagsnahe prekäre Lebenslage in Wohnungslosigkeit, tischer Krankheiten, des komplexen Zu- Forschung zu gewinnen und aus strukturiert die Lebenszyklusphase der Hochaltrigkeit sammenspiels von krankheits- und behand- erfassten Daten des klinischen Alltags kli- oder auch fortgeschrittene Krankheitssta- lungsbedingten Risiken und der Qualität der nisch relevante Erkenntnisse ableiten und dien sein, die das Risiko auf eine höhere rheumatologischen Versorgung möchte das kommunizieren zu können. Dieses Vorhaben Verwundbarkeit bei gleichzeitig reduzierten Team um Prof. Minden dazu beitragen, die treibt uns an“, so Prof. Minden. Erfolgreiche Abwehrpotenzialen implizieren. Vulnerable Behandlung von Rheumapatienten sicherer Schritte in diese Richtung wurden mit neu- Gruppen werden häufig aus Beobachtungs- und effektiver zu machen und Lücken in der en, in den letzten Monaten initiierten For- und Interventionsstudien ausgeklammert, Versorgung zu schließen. Eine wesentliche schungsinitiativen unternommen (z. B. den da sie schwerer bzw. nur mit einem größe- Grundlage ihrer Forschung bilden große Be- von Innovationsfonds, BMBF oder DLR ge- ren Aufwand erreichbar sind. „Vulnerabili- obachtungsstudien, die derzeit über 30.000 förderten Projekten InfoTrans, Kick COVID, tät wirkt im Versorgungsgeschehen oftmals Patienten mit entzündlich-rheumatischen ProKind, TARISMA). „Natürlich wollen wir als Brennglas virulenter Themen, was nicht Erkrankungen aller Altersgruppen einschlie- auch die Begeisterung für Forschung und zuletzt diesen Fokus für mich zu einer rele- ßen, wobei besonders vulnerable Gruppen, Wissenschaft mit jungen Kollegen teilen vanten und erkenntnisreichen Forschungs- wie Kinder, Jugendliche und Schwangere, und diese bei ihrer wissenschaftlichen Ar- perspektive macht. In unseren Studien gezielt berücksichtigt werden. Daten aus beit unterstützen und fördern.“ > Seit 2006 leitet Prof. Schenk den Be- die oftmals prekär beschäftigten Mitarbei- bestehen zu benachbarten Instituten und reich „Medizinische und pflegerische tenden Forschungsperspektiven mit abzusi- Kliniken der Charité mit dem Schwerpunkt Versorgungsforschung“ am Institut für chern.“ Versorgungsforschung. Die Plattform – Cha- Medizinische Soziologie und Rehabilita- Die Versorgungsforschung ist ein stark rité Versorgungsforschung befördert unsere tionswissenschaft der Charité und forscht interdisziplinäres und interprofessionelles Vernetzung mit diesen Einrichtungen, die hier gemeinsam mit ihrem Team u. a. zu Forschungsgebiet, in dem die Medizinso- gemeinsame Weiterentwicklung von Metho- Versorgungsbedarfen vulnerabler Gruppen ziologie wertvolle theoretische und me- den und Konzepten sowie die Optimierung in unserem Gesundheitssystem. 2020 trat thodische Impulse geben. „Das skizzierte der Nachwuchsförderung. Die Professur für sie die speziell mit diesem Schwerpunkt Forschungsfeld möchte ich hierbei gern Versorgungsforschung in der Rheumatologie eingerichtete Professur an. „Diese popula- theoretisch-konzeptionell und methodisch bietet durch ihre Anbindung an DRFZ und tionsbasierte Perspektive entspricht meiner weiter vorantreiben, eingebettet in die Charité enormes Gestaltungspotenzial.“ Die Forschungsausrichtung und gibt mir Gele- Ausgestaltung einer diversitätssensiblen gegebenen Möglichkeiten zur Forschung genheit, diese auch weiter zu verfolgen“, Versorgungsforschung“, so Prof. Schenk zu und interdisziplinären Vernetzung möchte beschreibt Prof. Schenk ihre Beweggründe, weiteren Zielen ihrer Arbeit. Prof. Minden nutzen, um Kindern, Jugend- diese Professur anzutreten. Methodisch gibt es zahlreiche Heraus- lichen und jungen Erwachsenen mit relativ Der Begriff Vulnerabilität meint hierbei forderungen, die es zu meistern gilt. Neben seltenen, lebenslangen Erkrankungen eine keine festgeschriebenen Eigenschaften von der schwierigen Erreichbarkeit vulnerabler bedarfsgerechte Versorgung zukommen zu Personen oder Personengruppen, sondern Gruppen für wissenschaftliche Betrach- lassen und ihnen eine bestmögliche Le- zielt auf eine erhöhte gesundheitliche Ver- tungen im Versorgungskontext, nimmt die Monitor Versorgungsforschung 03/2021 47
Serie Komplexität von Interventionen immer Diversität systematisch in der Konzeption Zentralinstitut für die Kassenärztliche Ver- mehr zu, so dass die Messung der sich er- von Studien, in ihrer Umsetzung, in den sorgung (Zi) durchgeführt wird, beschäftigt gebenden Effekte unter Umständen weniger Analysen und der Translation der Ergebnisse sich mit der Optimierung und Evaluation des eindeutig wird. Hier möchte das Team um Berücksichtigung findet“, berichtet Prof. zur Patientensteuerung in der Notfallversor- Prof. Schenk dazu beitragen, methodische Schenk zu den anstehenden Aufgaben und gung entwickelten Instrumentes SmED zur Designs weiterzuentwickeln, die nicht nur Zielen. > Die Notfall- und Akutmedizin ist in Prof. Slagman konnte hier einen wichtigen ten sowie Wohnungslose. Hier bieten sich Deutschland, im Vergleich zu vielen ande- methodischen Beitrag leisten und ihre an der Charité sowie im Forschungsumfeld ren Ländern, akademisch betrachtet noch Kenntnisse in diesem Bereich durch einen Berlin und Brandenburg zahlreiche Möglich- in den Kinderschuhen und die von Prof. Forschungsaufenthalt in Australien, der keiten, relevante Fragestellungen anzuge- Anna Slagman besetzte Professur „Notfall- durch die Deutsche Forschungsgemein- hen und zu beantworten. medizinische Versorgungsforschung“ ist die schaft gefördert wurde, vertiefen und nach „Mit der Plattform – Charité Versorgungs- zweite Professur im Bereich Notfallmedi- Deutschland transferieren. forschung wurde nun auch ein institutio- zin in Deutschland. Im deutschen Ge- Die oben genannten Projekte profitie- neller Rahmen geschaffen, der die Vernet- sundheitssystem bilden die Notaufnah- ren, neben der engen Zusammenarbeit mit zung zwischen theoretischen und klinischen men eine wichtige Schnittstelle zwischen den in der klinischen Notaufnahmeversor- Fächern und auch den wissenschaftlichen der ambulanten und stationären Versor- gung tätigen Berufsgruppen, insbesondere Nachwuchs fördert. Dies gibt uns die Chan- gung. Durch diese besondere Stellung im durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit ce, u. a. durch eine sinnvolle Vernetzung Gesundheitssystem ist die Inanspruchnah- mit den anderen Gründungsinstituten der den Zeitraum zwischen Erkenntnis und me von Notaufnahmen ein wichtiger Indi- Plattform – Charité Versorgungsforschung, Implementation in die Regelversorgung zu kator für Versorgungsqualität und -angebot sowie projektbezogen auch mit den anderen verkürzen. Durch meine Mitarbeit im Board in den oben genannten Sektoren einerseits Charité-Instituten und -Kliniken. der Plattform und durch meine Forschun- und sich wandelnde Bedürfnisse sowie Ver- Ein Ziel ist es, die bisher in Deutschland gen möchte ich einen Beitrag dazu leisten, änderungen im Erkrankungsgeschehen auf nicht etablierte Gesundheitsberichterstat- die Versorgungsforschung als weiteren For- gesellschaftlicher Seite andererseits. „Aus tung zur Notaufnahmeversorgung mit aufzu- schungsschwerpunkt an der Charité dauer- diesem Grund ist die Notaufnahmeinan- bauen. Hierzu beteiligt sich Prof. Slagman, haft zu verankern. spruchnahme und die Erforschung der ent- zusammen mit dem Robert Koch-Institut, Eine konkrete Vision, die ich in diesem sprechenden Einflussfaktoren ein wichtiger an der Definition eines Mindestdatensatzes Kontext verfolgen möchte, ist die Ent- Schwerpunkt unserer Forschungsprojekte“, zur Notaufnahmeversorgung. wicklung eines diversitätssensiblen Ver- so Prof. Slagman. Ein nächstes Ziel ist die Mitarbeit an der sorgungsmonitorings an der Charité. Op- Vor dem Hintergrund stetig steigender Definition von Kennzahlen und Qualitätsin- timierte Versorgungsbedingungen sollten Fallzahlen in der Notaufnahme und damit dikatoren für die Notaufnahmeversorgung dabei nicht nur Patienten zugutekommen, einhergehenden Überfüllungssituationen aus Notaufnahmeroutinedaten. sondern ebenso den in der Versorgung Tä- liegt dabei ein besonderer Fokus auf der Einen weiteren Forschungsschwerpunkt tigen. Wir möchten mit unseren Konzepten Identifikation von vermeidbaren Fällen in setzt Prof. Slagman im Bereich der Verbesse- sowohl Krankenhäuser als auch Pflegeein- der Notaufnahme, wie auch von Fällen, wel- rung der Versorgung von vulnerablen Grup- richtungen auf dem Weg zu kultursensiblem che adäquat durch andere Leistungserbrin- pen in der Notaufnahme, wie psychosozi- Handeln unterstützen. Es ist mir darüber hi- ger versorgt werden könnten. Ein wichtiges alen Notfällen, aber auch älteren Patienten. naus ein Anliegen, dass die soziokulturelle Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Die Bedeutung dieses Forschungsgebietes 48 Monitor Versorgungsforschung 03/2021
Serie ist nicht zuletzt wegen des demografischen Zahnheilkunde in Deutschland und Europa Wandels und aktuellen Pandemie-Situation werden. Gerade beim Thema KI ist uns dies immer mehr gewachsen. bereits gelungen – wir sind weltweit Vorrei- In enger Zusammenarbeit mit der kli- ter und arbeiten mit der Weltgesundheits- nischen Notfall- und Akutmedizin in organisation (WHO), dem Weltverband der Deutschland und an der Charité werden Zahnärzte (FDI), der Internationen Fern- zahlreiche verschiedene Fragestellungen zur meldeunion (ITU) und diversen nationalen Verbesserung der Versorgung in Notaufnah- Akteuren zusammen, unsere Forschung in men bearbeitet. Hier ist Prof. Slagman über diesem Bereich ist richtungsweisend.“ Ne- © Charité, Wiebke Peitz verschiedene Symptom- und Diagnosegrup- ben dem Schwerpunkt KI in der Zahnmedi- pen hinweg die methodisch verantwortliche zin, das u. a. auch das Thema Maschinelles Person für die Planung, Umsetzung und Sehen umfasst, werden auch die datenge- Analyse einer Vielzahl von Forschungspro- stützte Präzisionszahnmedizin und der Be- jekten in der Notfall- und Akutmedizin. reich der integrativen Versorgungsforschung Die Aus-, Fort- und Weiterbildung des in den Fokus der Forschungen gestellt. In wissenschaftlichen Nachwuchses liegt Prof. Prof. Dr. Falk Schwendicke seiner neuen Position hat sich Prof. Schwen- Slagman besonders am Herzen. So hat sie Professur für Orale Diagnostik, dicke zahlreiche Ziele gesetzt. „Ich möchte im Modellstudiengang Medizin der Chari- digitale Zahnheilkunde und zum Ersten die Rolle der Diagnostik in der té – Universitätsmedizin Berlin Modulver- Versorgungsforschung zahnmedizinischen Lehre und Krankenver- antwortung für ein vertiefendes Modul im sorgung ausbauen und dies durch Forschung wissenschaftlichen Arbeiten im 6. Fach- >> Diese Professur ist in deutschlandweit untermauern. Der Zahnarzt von morgen wird semester übernommen und ist weiterhin einzigartig. Die Charité und auch alle Kolle- sich vielmehr mit Diagnostik, Monitoring als Lehrende in allen Wissenschaftsmodu- gen am CC3 können und sollten stolz darauf und Therapiebegleitung als mit der eigent- len des Modellstudienganges eingebun- sein, dass es gelungen ist, eine so innovative lichen Therapie beschäftigen. Zum Zweiten den. Sowohl in der studentischen Lehre, Abteilung und einen zugeordneten Lehrstuhl möchte ich mich dafür einsetzen, dass KI als auch in dem von Prof. Slagman gelei- hier zu etablieren. Aus meiner Sicht ist der und andere digitale Technologien in der teten, jährlich stattfinden „Young Investi- Standort Berlin exzellent positioniert und Zahnmedizin Verbreitung finden und dies gator Workshop“ zur Notfallmedizinischen gerade die Zahnmedizin in Berlin gut aufge- andererseits auch verdienen! Versorgungsforschung, liegt der Fokus auf stellt, um erfolgreich die Themen Diagnostik, Wir brauchen robuste, generalisierbare der Vermittlung von Methodenkenntnissen, Digitalisierung und Versorgungsforschung in und an Standards ausgerichtete KI. Zudem ebenso wie auf der Vernetzung von klinisch Forschung, Lehre und Krankenversorgung vo- müssen wir die Zahnmediziner von morgen Tätigen und Wissenschaftlern zu Themen rantreiben zu können. Wir haben langjährige fit machen, mit diesen Technologien umzu- der Notfallmedizinischen Versorgung. Das Expertise, ein großes Netzwerk und die not- gehen. Das Thema ,digital and data literacy` bewährte Format des „Young Investigator wendigen methodischen Kompetenzen“, so wird uns mehr beschäftigen. Zum Dritten Workshops“ konnte sich inzwischen auch im Prof. Schwendicke. sind wir stark daran interessiert, den demo- Rahmen der Europäischen Gesellschaft für Die Abteilung um Prof. Schwendicke ver- grafischen Wandel auch in der Zahnmedizin Notfallmedizin (European Society of Emer- folgt eine Reihe von Zielen, die sich sogar zu begleiten. Zurzeit sind unsere Versor- gency Medicine - EUSEM) durchsetzen, in schon aus dem Abteilungsnamen ableiten. gungsansätze, gerade was die aufsuchende welchem Prof. Slagman ebenfalls mitwirkt. Da ist zum einen der Ausbau der zahnme- Betreuung in Pflegeheimen oder gar zu Hau- Sie ist weiterhin Mitglied und Country Prin- dizinischen Diagnostik in Lehre, Kranken- se angeht, nur bedingt wirksam. Wir wollen cipal Investigator des „EUSEM Research versorgung und Forschung. Wie in anderen hier Konzepte entwickeln, erproben und zeit- Network“, welches im letzten Jahr erstmalig medizinischen Feldern wird auch in der nah in die Versorgung übertragen.“ Zu die- zwei europaweite Studien zur Versorgung Zahnmedizin die Diagnostik eine immer sem Zweck etabliert Professor Schwendicke älterer Patienten in der Notaufnahme und größere Rolle spielen, wobei dies eng ver- gerade eine eigene Versorgungseinheit am zur Versorgung von Patienten mit Verdacht woben sein wird mit der Nutzung digitaler CharitéCentrum für Zahn-, Mund- und Kiefer- auf eine Sars-CoV2-Infektion in der Notauf- und datengetriebener Technologien, z. B. heilkunde. Diese soll sich schwerpunktmä- nahme umsetzen konnte. Die Auswirkungen unter Rückgriff auf KI. „Dies wäre dann ßig mit pflegezahnmedizinischen Fragestel- der Pandemie auf die Notaufnahmeinan- auch schon unser zweiter Schwerpunkt - lungen auseinandersetzen. spruchnahme war und ist ein wichtiges ak- eine datengetriebene Zahnmedizin! Diese „Durch die klinische Zusammenar- tuelles Forschungsthema von Prof. Slagman. beiden Felder wollen wir mit Versorgungs- beit mit einem Kooperationsnetzwerk „Auf Grund der Beeinflussung der Notauf- forschungsfragen, vor allem im Bereich der aus Pflegeheimen wird es uns gelingen, nahmeinanspruchnahme durch Verände- Pflege- und Telezahnmedizin, ,verheiraten´ Forschungsansätze in die Versorgung zu rungen im Gesundheitssystem, wie auch und dabei auch eng mit der Plattform – überführen, zu erproben und dort unter auf gesellschaftlicher Ebene, sehen wir Charité Versorgungsforschung zusammen- reellen Bedingungen zu verbessern. Zu- die Notaufnahmen einerseits als Indikator arbeiten“, beschreibt Prof. Schwendicke gleich erbringen wir sinnstiftende Versor- für bestehende und entstehende Versor- die angestrebten Ziele. „Die Abteilung gungsleistung – die Mundgesundheit von gungsengpässe und -lücken, andererseits und die Zahnmedizin hier an der Chari- Pflegeheimbewohnern ist oft dürftig. Das als „safety nets“ für Patienten vulnerabler té sollen der Ansprechpartner für Fragen Interesse der Pflegeheime an einem sol- Subgruppen.“
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