Vielfalt des Mittelalters - Denkmaltag Rheinland-Pfalz 2020
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Denkmaltag Rheinland-Pfalz 2020 Vielfalt des Mittelalters Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege
Grußwort Grußwort Ubi maxima vis regni esse noscitur – „wo be- tümerinnen und Eigentümer, Planerinnen kanntlich die größte Macht des Reiches liegt“: und Planer, Handwerkerinnen und Handwerker So charakterisierte Bischof Otto von Freising sowie der vielen ehrenamtlich tätigen Vereine (um 1112–1158) in seiner Lebensbeschreibung und Initiativen für die Denkmäler unsere Auf- Kaiser Friedrich Barbarossas das Land am Rhein merksamkeit und Würdigung. Mit ihrem zwischen Basel und Mainz. Mit dem Rhein- und Engagement leisten sie alle einen maßgeb- dem Moseltal umfasst Rheinland-Pfalz eines lichen Beitrag zum Erhalt des kulturellen Reich- der Kernländer des Heiligen Römischen Reiches tums und zur historischen Identität unseres im Mittelalter. Die prächtigen sog. rheinischen Landes. Nutzen Sie daher das digitale Angebot Kaiserdome in Speyer, Mainz und Worms, die der Deutschen Stiftung Denkmalschutz einst glanzvollen Kaiserpfalzen in Ingelheim (www.tag-des-offenen-denkmals.de), das und Kaiserslautern oder die mächtigen Reichs- Ihnen auf diesem Wege interessante Einblicke burgen wie der Trifels prägen als monumentale gewährt und Sie vielleicht mit unerwarteten Marksteine das Land ebenso wie die Fülle von Entdeckungen überrascht. Klöstern, Kirchen und Burgen in den Mittelge- birgen und Flusstälern. Wehrmauern, Adels- Unabhängig vom unmittelbaren Anlass des sitze und repräsentative Bürgerhäuser zeugen Denkmaltages bietet Ihnen diese Broschüre die von der Bedeutung und vom Wohlstand vieler Möglichkeit, die mittelalterlichen Schätze un- Städte und Dörfer. Die weit über Mittel- und seres Landes ebenso kennenzulernen wie die Nordeuropa ausstrahlende Bedeutung der jüdi- denkmalpflegerischen Herausforderungen bei schen Gemeinden in den rheinischen Städten ihrer Erhaltung. Alle beschriebenen Maßnahmen mit ihren bis heute erhaltenen mittelalterlichen wurden von der Landesdenkmalpflege und den Synagogen, Ritualbädern und Friedhöfen steht Unteren Denkmalschutzbehörden fachlich be- im Mittelpunkt des Weltkulturerbe-Antrags treut, die meisten von ihnen durch Mittel des „SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz“, Landes, einige auch durch Zuschüsse des Bundes den das Land Rheinland-Pfalz in diesem Jahr bei finanziell gefördert. der UNESCO eingereicht hat. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre so- Mit der großen Landesausstellung „Die Kaiser wie eine spannende virtuelle, hoffentlich bald und die Säulen ihrer Macht“ steht Rheinland- auch wieder reale Erlebnisreise durch die reiche Pfalz 2020 ganz im Zeichen des Mittelalters. Denkmallandschaft Rheinland-Pfalz! Auch der am „Tag des offenen Denkmals®“ von der Landesdenkmalpflege in der General- direktion Kulturelles Erbe veranstaltete Denkmal- tag Rheinland-Pfalz widmet sich diesem Thema. PROF. DR. KONRAD WOLF Minister für Wissenschaft, Erstmals in seiner langjährigen Erfolgsgeschichte Weiterbildung und Kultur seit 1992 kann der Tag des offenen Denkmals am 13. September jedoch wegen der Corona- Pandemie nicht in gewohnter Form stattfinden. Die immer gut besuchten Führungen, Besichti- gungen und Veranstaltungen, bei denen zahl- reiche sonst verschlossene Kulturdenkmäler für Besucherinnen und Besucher geöffnet sind und aktuelle Maßnahmen vorgestellt werden, müssen in diesem Jahr leider entfallen. Dessen ungeachtet verdienen die Leistungen der Eigen- 3
Vorwort Vorwort Anlässlich des Denkmaltages Rheinland-Pfalz legt Darüber hinaus lässt die Broschüre die Vielfalt die Landesdenkmalpflege in der Generaldirektion und die Bedeutung der mittelalterlichen Kulturelles Erbe 2020 nun zum zweiten Mal ein Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz anschau- Themenheft vor, in dem sie anhand ausgesuchter lich werden. Fast alle der vorgestellten Bauten Beispiele über ihre Arbeit berichtet. Auch wenn in- und Kunstwerke verbinden sich mit aktuellen folge der durch die Corona-Pandemie bedingten Maßnahmen oder Untersuchungen. Zu ihnen ge- Beschränkungen in diesem Jahr am Denkmaltag hören Wehrbauten wie die Burgruine Wernerseck keine Publikumsveranstaltungen oder Führungen in der Vordereifel und die fast unberührt erhal- angeboten werden können, vermittelt die Broschüre tene Burg Eltz, doch auch die Kauzenburg in Bad dennoch einen lebendigen Einblick in die reiche Kreuznach mit ihrem bereits denkmalwerten Denkmallandschaft und die Bemühungen um ihre Neuausbau durch den Architekten Gottfried Böhm, Erhaltung und Pflege. der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feiern Die 2020 im Landesmuseum Mainz veranstaltete konnte. Die Spanne der Klöster reicht von der die Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Landschaft beherrschenden Abtei Limburg bei Bad Macht“ ist Anlass für alle Direktionen der GDKE, Dürkheim, die noch als Ruine machtvoll ihre könig- sich mit dem Thema Mittelalter auseinanderzu- liche Gründung demonstriert, bis zur hoch über der setzen. Für die Landesdenkmalpflege verbindet Lahn aufragenden Klosterkirche Arnstein mit ihrer sich diese Epoche, deren großartige Werke das neu entdeckten Ausmalung. historische Gesicht von Rheinland-Pfalz bis heute Den hohen Anspruch sakraler Ausstattungen be- besonders prägen, in vielfacher Hinsicht mit ih- legen das großartige Ursularetabel in der Abtei rer fachlichen Tätigkeit. Das denkmalpflegerische Marienstatt, aber auch ein seltenes „Kabinett- Aufgabenspektrum erstreckt sich von der Sicherung stück“ wie die gotische Sakristeitür der ehem. von Burgruinen, der Instandsetzung von Fachwerk- Johanniterkirche in Mussbach bei Neustadt an der und Dachkonstruktionen über die Erforschung, Weinstraße. In den Städten erzählen neben den Konservierung und Wiederherstellung historischer aufwendigen Kirchen die neugestalteten Reste Oberflächen mit Putzsystemen und Farbfassungen der Barbarossapfalz in Kaiserslautern, die verbor- bis zur Restaurierung von Wandmalereien und genen Fragmente des Bischofshofes in Landau Ausstattungsstücken. Erforderlich ist hierfür oder die Stadtmauern in Mainz und Worms von nicht nur ein breites Fachwissen und die intensive kaiserlicher Förderung, Stadtherrschaft und bür- Beschäftigung mit den individuellen Objekten, gerlichen Privilegien. Eine Vorstellung davon, wie sondern auch die enge Zusammenarbeit mit es im Inneren der Städte und Dörfer aussah, ver- Experten unterschiedlichster Fachrichtungen. mitteln der Frankenturm in Trier oder die frühen Auf diese Weise ist die Arbeit der Denkmalpflege Fachwerkbauten im pfälzischen Neustadt und in stets mit einem Gewinn an neuen, mitunter Ediger an der Mosel. Die uralte Tradition der jü- überraschenden Erkenntnissen über historische dischen Kultur im Rheinland wird sichtbar in den Bauweisen, künstlerische Techniken, Stilformen ehem. SchUM-Städten Mainz, Speyer und Worms. sowie Datierungen verbunden und trägt damit maßgeblich zur Erweiterung unseres Wissens über Damit enthält die Broschüre eine abwechslungs- diese weit zurückliegenden Jahrhunderte bei. Das reiche Auswahl bemerkenswerter Kulturdenkmäler, vorliegende Heft berichtet von der Tätigkeit der die auch unabhängig vom Denkmaltag immer verschiedenen Fachbereiche der Denkmalpflege, einen Besuch lohnen. die die Denkmalerfassung und -erforschung in der Inventarisation, die fachliche Begleitung THOMAS METZ von Maßnahmen zusammen mit Eigentümern, GDKE, Generaldirektor Planern, Handwerkern und Restauratoren sowie die Vermittlung historischer Wertigkeiten und denk- DR. ROSWITHA KAISER malpflegerischer Entscheidungsprozesse umfasst. GDKE, Landeskonservatorin 5
BURGEN UND und PALÄSTE Die Kaiserpfalz in Kaiserslautern Aus dem Verborgenen zurück ins Blickfeld Der heute inmitten des Zentrums von Kaisers- Als erster Bauabschnitt wurde die Neugestaltung lautern auf einem Felsplateau ansteigende Burg- des in der heutigen Zufahrt zum Rathausvorplatz hügel stellt mit seiner in fränkische, salische, gelegenen Ausgangs der unterirdischen Gänge staufische und kurpfälzische Zeit reichenden umgesetzt. Eine bereits vorher als seitliche Be- Baugeschichte ein historisch bedeutendes grenzung der Treppe genutzte Sandsteinmauer, Zeugnis der Stadtgeschichte dar. ein in den 1930er Jahren untermauerter Bogen, konnte als Rest einer ehemaligen mittelalter- Die erhaltenen baulichen Reste der ehemals lichen Bogenbrücke, die den Zugang zum prächtigen Anlage der Kaiserpfalz, im Süden Burggelände bildete, identifiziert werden. unterhalb des heute alles überragenden und ebenfalls als Kulturdenkmal eingestuften Zur Planung des nächsten Bauabschnitts im Rathauses (1963–1968) gelegen, umfassen Bereich von Domos und salischer Burgmauer im Wesentlichen die 1152 begonnene Domos wurden zunächst archäologische Sondagen unter (kaiserliches Wohnquartier) aus der Zeit Kaiser Betreuung der Landesarchäologie, Außenstelle Friedrich Barbarossas (1152–1190) mit angren- Speyer, durchgeführt, um den vorhandenen zenden Resten der Pfalzkapelle und der sali- baulichen Bestand der teilweise nur noch im schen Burgmauer sowie des östlich gelegenen Pflaster dargestellten Mauerzüge zu erkunden. Casimirschlosses. Grundlage hierfür waren vor allem Fotos und Pläne der Grabungen aus den 1930er sowie Beim Casimirschloss handelt es sich um die 1960er Jahren, letztere im Zusammenhang mit ehemalige, ab 1570 errichtete Residenz des Rathausneubau und Vorplatzgestaltung. Pfalzgrafen Johann Casimir (1543–1592). Seine heutige Form geht auf einen (Teil-)Wiederauf- Im Zuge der Grabungen von 1934–1936 waren bau und Umbau als Burgmuseum in den 1930er spätere Überbauungen aus dem 19. Jahrhundert, Jahren zurück. Von dort sind auch die unter- wie Brauereigebäude und Teile des ehemaligen irdischen Gänge erschlossen, die 2008 zur ange- Zentralgefängnisses, abgerissen worden. messenen Präsentation der historischen Befunde Bauliche Reste, die sich eindeutig dem Mittel- – Grablegen aus fränkischer Zeit, salische Burg- alter zuordnen ließen, so z. B. die Kapellen- mauer und Nutzung als Bierkeller im 19. Jahr- ummantelung aus dem 13. Jahrhundert mit ihren hundert – didaktisch neu gestaltet wurden. für die Zeit typischen Buckelquadern, blieben als Fragmente indes erhalten. Fundament- und Diese Neugestaltung war gewissermaßen der Mauerzüge des nur noch in geringer Höhe über- Auftakt für die umfangreichen Maßnahmen kommenen Saalbaus von Barbarossa wurden zur Aufwertung des Rathausumfeldes mit nach ihrer Freilegung fotografisch dokumentiert Casimirschloss und Kaiserpfalz, die seither auf und wieder mit Erdreich bedeckt. der Grundlage eines Rahmenplans in mehreren Bauabschnitten umgesetzt wurden und 2021 Obwohl bereits größtenteils ergraben, konn- abgeschlossen sein sollen. Ermöglicht wurde ten anhand bisher unbekannter Befunde neue die Realisierung dieses Rahmenplans, neben Erkenntnisse zur Erbauung der Domos erlangt einer Reihe von weiteren Maßnahmen in der werden. Auffallend sind die über die gesamte Innenstadt, durch das seit 2008 laufende Länge der Südfassade unterschiedlich behan- Förderprogramm des Landes „Stadtumbau- delten Fundamentsteine, die in ihrer Form, Be- gebiet Aktives Stadtzentrum“. arbeitung und Größe wechseln und teilweise 6
auch auf eine Zweitverwendung schließen lassen. Hervorzuheben ist ebenso die Verwendung von Spolien in der untersten Lage der Fundamente. Diese und weitere Befunde, wie Abscherungen an der Außen- kante der Fundamentquader oder deutliche Fundamentabbrüche, die durch den von felsig zu sumpfig wechselnden Baugrund bedingt sind, belegen vier verschiedene Bauphasen. Auch konnten neue Erkennt- nisse zur Bauzeit gewonnen werden. Bisher war man von einer Spanne zwischen 1152 und 1158 ausgegangen. Anhand der im Fundamentbereich vorgefundenen und datierbaren Hölzer kann nun jedoch belegt werden, dass die letzte Bauphase am Fundament 1190 oder kurz danach erfolgte. Die auf Grundlage der neuen Befunde erstellte Planung zur Erlebbarmachung der Kaiserpfalz beinhaltet neben der Sicherung des historischen Bestandes auch eine Darstellung der ursprünglichen Kubatur der Domos in stilisierter Form. So sind Aufmauerungen in Sandstein zur Sicherung der freigelegten Mauerkronen hauptsächlich auf das anhand der alten Grabungsfotos der 1930er Jahre erkenn- bare, damals noch vorhandene Höhen- niveau beschränkt. Für die oberirdische Nachzeichnung der noch im Boden ge- sicherten Befunde oder anhand älterer Grabungspläne lokalisierten Bauteile von Domos, Burgmauer, Pfalzkapelle und Stapf‘scher Befestigungsanlage wurden bewusst moderne Materialien wie Stampfbeton und Cortenstahl gewählt. Das große Interesse der Bevölkerung an diesem Projekt, das sich, wie bereits bei den archäologischen Sondagen, nun auch nach weitgehender Fertigstellung der bau- lichen Maßnahmen zeigt, beweist, dass 1) Kaiserslautern, Kaiserpfalz, Freilegungen beim Bau der Außenanlagen am Rathaus, 1968 das Ziel der Rückgewinnung dieses für die 2) Rathausvorplatz mit Casimirschloss und Kaiserpfalz historische Identität von Kaiserslautern 3) Nachzeichnung des Sockelgeschosses der Domos hochbedeutenden Denkmals gelungen ist. SABINE AUMANN Stadt Kaiserslautern, Untere Denkmalschutzbehörde 7
BURGEN und PALÄSTE Der ehemalige Bischofspalast in Landau Ein unbekanntes Kleinod unter Wurmputz Fehden zwischen Städten sind uns aus der Zeit 1746 als Dienstwohnung des Bürgermeisters des Heiligen Römischen Reiches vor allem von bezeichnet. Den Stadtbrand 1689 überstand italienischen Stadtstaaten bekannt. Aber auch der Bau wohl, sein Dachstuhl wurde teilweise nördlich der Alpen gab es im 14. Jahrhundert so erneuert. Später wurde der Hof zum Amts- und einige, auch in der Pfalz. Landgericht umgebaut, bis zum Umzug 1903 in den Justizpalast am Kaiserring. Dafür wurde der 1313 starb Heinrich VII. und in der Folge schwor Bau um zwei Flügel erweitert. Nach dem Auszug die junge Reichsstadt Landau Herzog Friedrich des Tribunals erfolgte ein Umbau zum Hotel und dem Schönen von Österreich die Gefolgschaft. schließlich in den Wehen des Jugoslawienkrieges Speyer hielt zum bayerischen Herzog Ludwig zu einer Flüchtlingsunterkunft. Viele Jahre stand dem Frommen. Beide Könige ernannten Speyerer das Gebäude mit 2000 qm Nettonutzfläche in Bischöfe, die jedoch die Stadt selbst zunächst guter Lage leer. Immer wieder gab es Anfragen nicht sahen: Einer residierte in Germersheim, der nach einem Abbruch oder radikalen Umbau. Andere in Landau. Im folgenden Bürgerkrieg zog Zuletzt waren nur noch Gastronomien im Landau mehrmals „plündernd“ gegen Speyer und Erdgeschoss zugänglich. verwüstete Äcker und Felder. Das Grundstück des Bischofshofs ist mit 30 m Friedrich geriet in Gefangenschaft, Landau Tiefe und 35 m Breite eines der größten in der musste die Herrschaft Ludwigs anerkennen und Altstadt. Der mittelalterliche Flügel steht mit schickte eine Gesandtschaft zu Friedrich, um einer Breite von 12 m zur Straße und geht 30 m sich vom Treueeid entbinden zu lassen. 1324 in die Tiefe. Er ist nur teilunterkellert, was der verpfändete König Ludwig Landau zur Strafe nahen Queich geschuldet scheint. Mit dem für um 5000 Pfund Heller an den Speyerer Bischof die Adelshöfe üblichen Hochparterre und nur Emich. Fortan war die gedemütigte, sonst so zwei Vollgeschossen zählt er nicht zu den stolze Freie Reichsstadt dem Bischof untertan höchsten Höfen der Straße. Zur Straße und und die Bürger diesem statt dem König zehnt- zum Hof sind die alten Fenster ihrer profilier- pflichtig. Als markantestes Zeichen der neuen ten Pfostenteilung beraubt und zu schlichten Herrschaft errichtete man in der Kirchgasse, Rahmengewänden degradiert, zu den Nachbarn unweit des Marktplatzes an der Stiftskirche, hin sogar vermauert. einen Bischofspalast mit großer Zehntscheune. In der im Vergleich zur Altstadt großzügiger an- Um 1800 wird anstelle der brandgefährdeten gelegten Niueve Stat südlich der Queich ent- Zehntscheune ein später als Gendarmeriebau standen um diese Zeit viele Adels- und Kloster- bezeichneter Gegenpart in der Architektur- höfe. Im „Bischofshof“ saß die bischöfliche sprache des französischen Militärs errichtet: Administration und verwaltete Teile des öffent- Wuchtig, aber schlicht detailliert steht die lichen Lebens, vor allem die gelieferten Abgaben. Fassade mit ihren kaum profilierten Sand- Trotzdem behielt Landau alle Privilegien und steingewänden und einem kleinen Portal mit konnte weiter prosperieren. Einmal im Jahr leichtem Bogensturz dem Bischofspalais mit schwor jeder Bürger dem Bischof den Eid vor seinen Maßwerkfenstern gegenüber. dem Rathaus. 1511 gelang es Landau endlich, dank des Wohlwollens Kaiser Maximilians, sich Der Bau wird für die Aufnahme des Gerichts durch aus der Pfandschaft freizukaufen. Der Hof kam einen straßenständigen, den Hof schließenden letztlich in städtisches Eigentum und wurde ab Mittelflügel mit dem Bischofspalais vereint und 8
1) Landau, ehem. Bischofspalast, freigelegtes Portal 2) Palastfenster mit und ohne Pfostenteilung 3) Hofseite mit Einbauten des Hotelbetriebs, links Gendarmeriebau die Fassade zur Straße bis zur Traufe einheitlich Hof. Und auch im Innern dauert es eine Weile, überarbeitet: eine überbaute Zufahrt im linken bis man im Bereich von „Sam’s Bierakademie“ Bereich der leicht zurückgesetzten Mittelfassade, und der Bundeskegelbahn fündig wird: Unter gleiche Fenstergrößen in allen Flügeln, einheit- verstaubtem Lametta steht eine Reihe gekup- licher Putz. Der ehemalige Solitär ist durch das pelter spätgotischer Fenster und daneben ein steile Walmdach noch zu erahnen, denn die Firste stattliches, spätgotisches Sandsteinportal mit der beiden neueren Flügel sind deutlich niedri- Gewänden aus sich kreuzenden filigranen Kehl- ger. Durch die Hotelnutzung ab 1903 werden und Vierkantstäben, das in keinen Saal mehr vor allem die Hoffassade durch einen betonier- führt und jahrelang unter Gipskarton verborgen ten Küchen- und Anlieferrampenbau verstellt war. Dieser Teil der Front hat, durch den ange- und viele Innenstrukturen verändert: Kleine bauten Mittelflügel zur Innenwand degradiert, Raumeinheiten werden mit Leichtbausteinen alle Fassadenänderungen überstanden. Wenn geschaffen, Teile des Dachs ausgebaut und zum der Schutt einmal abgetragen ist, werden Bau- Hof hin mit Gaubenbändern versehen. forscher und Restauratoren weitere Reste des kurzzeitigen Bischofssitzes freilegen können. Zugegeben, von außen erschließt sich heute niemandem mehr die Tatsache, dass es sich beim JÖRG SEITZ Nordflügel um einen ehemaligen Palast handelt: Stadt Landau, Wurmputz, schlimmer Anstrich, Anbauten im Untere Denkmalschutzbehörde 9
BURGEN und PALÄSTE Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte der Burg Wernerseck bei Ochtendung Machtanspruch und Zeitenwende Von Autobahn, Gewerbegebieten und Gesteins- richtet wurde. Vorgeschichtliche und spät- abbau umgeben, ragt zwischen Ochtendung und römische Siedlungsspuren konnten durch die Plaidt die Burgruine Wernerseck hoch über einer Direktion Landesarchäologie bereits 2011 auf Schleife des Nettebachs auf. Dominiert von der Freifläche nachgewiesen werden. Doch was einem mächtigen und gut erhaltenen, vierge- war am Ende des 14. Jahrhunderts? Stand hier schossigen Wohnturm sowie einer hoch auf- womöglich eine andere Anlage? Dies sind Fragen, ragenden Ringmauer thront sie hier auf einem die bis heute nicht beantwortet werden können, steilen Felssporn. Bis heute birgt ihre Geschichte und so gibt der Bauplatz weiterhin Rätsel auf. noch viele Geheimisse. Der Burgplatz war vermutlich bei Baubeginn Im Rahmen der jüngst erforderlichen Instand- noch im Besitz des Grafen Ruprecht IV. von setzungsmaßnahmen konnten nun durch das Virneburg und soll erst 1402 an Werner von Bauforscherbüro Frank & Mielke aufschlussrei- Falkenstein abgetreten worden sein. Ein Rechts- che neue Erkenntnisse zur Baugeschichte streit zwischen den Erzbischöfen von Köln und gewonnen werden, die mithilfe dendrochrono- Trier über den Burgneubau entschied sich wahr- logischer Altersbestimmungen von Gerüst- scheinlich erst im Frühjahr 1409 zu Gunsten von hölzern die bisher angenommene Bauzeit sowie Werner. Auch wenn Burg Wernerseck als eine der die Bauphasen präzisieren. letzten rheinischen Höhenburgen vom Trierer Erzbischof als Grenzfeste begonnen wurde und Die Errichtung der Burganlage wird dem Trierer zur Zementierung seines Machtanspruches ge- Erzbischof Werner von Falkenstein (1388–1418) gen den Kölner Erzbischof diente, so ist an ihr zugeschrieben, welcher in heftiger Rivalität eine Zeitenwende ablesbar, die den gesamten zum benachbarten Kölner Erzbischof stand. Die Burgenbau fundamental verändern sollte: die Fertigstellung des Bergfrieds konnte auf 1394 Erfindung der Feuerwaffen. datiert werden. Allerdings ist der ausgewählte Bauplatz ungewöhnlich. Die schmale Land- Der südöstliche Rundturm der Ringmauer, zunge, die hoch über dem Bachtal aufragt, dessen Schießscharten bauzeitlich mit einem wurde nicht wie üblich am höchsten Punkt Widerlagerholz für den Gebrauch von Hand- bebaut, sondern etwas abgerückt an einer feuerwaffen ausgestattet waren, wurde eben- tiefergelegenen Engstelle. falls im Jahr 1408 errichtet. Die erst aufkom- menden Feuerwaffen stellten die High-Tech- In einer zweiten Bauphase wurde 1408 der Waffen jener Zeit dar, selten und kostspielig, östliche Teil der mächtigen Ringmauer fertig- und damit nur für wenige erschwinglich. gestellt. Diese richtet sich gegen den heute Zumal sie neben ihrer Anschaffung auch teure freien Platz auf der Landzunge. Die neuen Unter- bauliche Anpassungen erforderlich machten. suchungen zeigen im nördlichen Bereich auf Es ist daher davon auszugehen, dass Erzbischof der Feldseite dieser Ringmauer Befunde, die als Werner von Falkenstein, der bereits an anderen Vorbereitung zur Errichtung einer Toranlage Objekten Erfahrung mit Feuerwaffen gesam- interpretiert werden können. Da das heute freie melt hatte, diese auf Burg Wernerseck gezielt Plateau auf der Landzunge nur durch die Burg zur Machtdemonstration und Abschreckung ein- Wernerseck erreichbar ist, stellt sich die Frage, setzte. Ob dies einen Einfluss auf die Beilegung warum eine so wehrhafte Befestigungsmauer des Rechtstreits mit seinem Kölner Rivalen im gegen einen nahezu unzugänglichen Platz er- Jahr 1409 hatte, ist reine Mutmaßung. 10
In weiteren, gut ablesbaren Bauabschnitten wurde die Ringmauer zuerst 1411 und dann 1417 erweitert. Unter der Vielzahl von Funden zeigt insbesondere der Be- fund an der Mauerkrone der südlichen Ringmauer, trotz allgemeinen Verfalls Historische Bauforschung VERSUCH EINER BAUPHASENTRENNUNG WERNERSECK, 56299 OCHTENDUNG der Burg, den noch immer guten Erhalt- FRANK & MIELKE GbR ÄUSSERE RINGMAUER - SÜDL ABSCHNITT BAUUNTERSUCHUNGEN 2018 ungszustand der Ruine. Neben großen, auskragenden Steinplatten, die Teil des Errichtung der Kernburg Wehrgangs waren, haben sich hier Reste (in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts) eines bauzeitlichen Estrichs erhalten. Der Östlicher Abschnitt der äußeren Ringmauer sogenannte Wohn- oder Wirtschaftsbau (im Jahr 1408) sowie die Vorburg konnten noch nicht 1. Erweiterung der äußeren Ringmauer genauer datiert werden. undatiert 2. Erweiterung der äußeren Ringmauer So wichtig die Burg Wernerseck bei ihrer (im Jahr 1411) Erbauung war, verlor sie doch im Laufe der 3. Erweiterung der äußeren Ringmauer Zeit an Bedeutung. Die seit 1542 im Besitz (frühestens im Jahr 1417) der Grafen von Eltz zu Langenau befind- Veränderungen an der äußeren Ringmauer liche Anlage verfiel vermutlich ab Mitte undatiert des 17. Jahrhunderts. Östlicher Abschnitt der 1. Erweiterung der 2. Erweiterung der Veränderungen an der äußeren Ringmauer äußeren Ringmauer äußeren Ringmauer äußeren Ringmauer in den 1960er Jahren im Jahr 1408 undatiert im Jahr 1411 Burg Wernerseck konnte durch die von 3. Erweiterung der undatiert 2017 bis 2019 vorbildlich und behutsam undatiert äußeren Ringmauer durchgeführten Arbeiten für kommende frühestens im Jahr 1417 Generationen bewahrt werden. Neben den Sanierungs- und Restaurierungs- 39 arbeiten wurde auch eine dauerhafte Erschließung des Bergfrieds neu ge- schaffen. Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Denkmalschutzsonderprogramm der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, das Investitionsstock- Förderprogramm des Landes Rhein- land-Pfalz sowie durch die Direktion Landesdenkmalpflege der General- direktion Kulturelles Erbe gefördert. ESTHER KLINKNER GDKE, Landesdenkmalpflege, 1) Burg Wernerseck, Gesamtansicht 2) Baualtersplan, äußere Ringmauer, südl. Abschnitt (Historische Praktische Denkmalpflege Bauforschung Frank und Mielke GbR) 3) Schießscharte mit rechteckiger Eintiefung, die zur Aufnahme eines Widerlagerholzes für Feuerwaffen diente 11
BURGEN und PALÄSTE Die Restaurierung der Innenräume auf Burg Eltz „Die Burg schlechthin“ Als „die Burg schlechthin“ würdigte der einzelnen, von den verschiedenen Familien- Kunsthistoriker Georg Dehio 1911 in seinem zweigen errichteten Burghäusern. Sie zeugen bekannten Handbuch der Deutschen Kunst- in ungewöhnlicher Anschaulichkeit vom Wohn- denkmäler die malerisch in einem Seitental komfort und der fortschreitenden Differenzierung der Mosel gelegene Burg Eltz: „Das Gewirr und der Raumfunktionen im späten Mittelalter. Gezipfel ihrer steilen Dächer und Erker läßt uns Während des 19. Jahrhunderts hatte man die im Original anschauen, was wir sonst nur in Ausstattung mit großem Respekt vor dem ori- Bruchstücken oder aus alten Bildern und Kupfern ginalen Bestand wiederhergestellt und ergänzt. kennen.“ Trotz eines Großbrandes im Jahre 1920 Denkmalpflegerisches Ziel ist es, diesen über gehört sie noch heute zu den authentischsten viele Generationen gewachsenen Zustand zu und eindrücklichsten Adelsburgen des späten erhalten und – wo nötig – wieder verstärkt ab- Mittelalters in Deutschland. Dabei verdankt lesbar zu machen. Bereits 2010 wurden in einem die Anlage, die über einem vom Elzbach um- ersten Schritt die Burgküche sowie der prächtige flossenen Felsen aufragt, ihre Bedeutung nicht Fahnensaal im Groß-Rodendorfer Haus, dessen allein dem unberührten, gleichsam aus der Zeit aufwendiges spätgotisches Netzgewölbe ein- gefallenen äußeren Erscheinungsbild. Mit ihrer sturzgefährdet war, instandgesetzt. reichen, über Jahrhunderte hinweg zusammen- getragenen Ausstattung spiegelt sie zugleich in Statische Probleme betrafen auch das Burghaus einzigartiger Weise die seit mehr als 850 Jahren Rübenach. Wie die aktuellen dendrochronologi- ununterbrochene Kontinuität der Grafen zu Eltz schen Untersuchungen belegen, wurde der 1920 als Eigentümer wider. vom Brand verschonte Bau schon 1311/1312 erbaut, sein steiles Dach 1440/1441 erneuert. Wegen bedrohlicher Schäden an der historischen Die Herausnahme der Mittelstütze im Untersaal Substanz wurden 2009 grundlegende Instand- des Erdgeschosses im 19. Jahrhundert hatte setzungsarbeiten eingeleitet, die bis heute an- zur Absenkung der Decken in den Geschossen halten. An erster Stelle bei der von Bund und darüber geführt. Um die überlieferte räum- Land geförderten Maßnahme standen zu- liche Situation nicht zu verändern, fing man nächst die statische Sicherung des baulichen die Lasten bei der Sicherung von oben her ab. Gefüges, die Erneuerung der Schieferdächer Dringender konservatorischer Behandlung und die Reparatur der Fachwerkfassaden. bedurfte vor allem das im Obergeschoss ge- Jedoch konnte auch der mächtige, nach dem legene wertvolle Raumensemble aus dem Brand 1920 nur provisorisch aufgerichtete Schlafgemach mit dem Kapellenerker und dem Fachwerkgiebel des Kempenicher Burghauses Ankleidezimmer, deren dekorative Ausmalung aus dem 17. Jahrhundert nach alten Vorlagen vielfältige Schäden aufwies. Neben der behut- wiederhergestellt werden. Alle Arbeiten wurden samen Reinigung der Oberflächen stand bei sowohl durch bauhistorische wie restauratori- den Restaurierungsarbeiten die Festigung der sche Untersuchungen vorbereitet und beglei- Farbschichten im Vordergrund, die sich vor al- tet, die viele neue Erkenntnisse zur baulichen lem an den Deckenbalken abzulösen drohten. Entwicklung der Burg sowie zum Wandel ihres Bei Voruntersuchungen zeigte sich, dass die im Erscheinungsbildes hervorbrachten. 19. Jahrhundert durch Überfassung entstan- denen Rankenmalereien recht getreu ihren Besondere Aufmerksamkeit galt der Restau- spätmittelalterlichen Vorlagen entsprechen, rierung der repräsentativen Innenräume in den die sich darunter verbergen. Eine großflächige 12
Freilegung der mittelalterlichen Malereien unterblieb mit Rücksicht auf deren un- klaren Erhaltungszustand sowie die kon- servierende Schutzwirkung der Über- malung. Retuschen wurden nur sehr zurückhaltend vorgenommen, damit die authentische Wirkung der Räume mit ihren Altersspuren bewahrt bleibt. Eine Sicherung erfuhr auch die reizvolle, mit figürlichen Darstellungen durchsetzte Bemalung der Vertäfelung im angrenzen- den Schreibkabinett, die 1881 von Eduard Knackfuß als Ergänzung der mittelalter- lichen Räume geschaffen wurde. Eine merkliche Bereicherung des Raum- bildes bewirkte die Restaurierung des Rittersaales im 1514/1515 erbauten Burghaus Groß-Rodendorf. Der größte Saal der Burg mit seiner eindrucksvollen spätgotischen Balkendecke und den stu- ckierten Wappenfriesen des 17. Jahr- hunderts war 1863 neu dekoriert und mit Möbeln sowie Waffenarrangements eingerichtet worden. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der die Kunst des Historismus nur wenig Wertschätzung erfuhr, hatte man die Wände weiß über- strichen. Untersuchungen ergaben, dass sich unter der Tünche die aus dem 19. Jahrhundert stammende Sockelmalerei mit ihren Ranken und Ornamentbordüren weitgehend erhalten hatte. Auch die Holztüren und selbst die Sockel der hier aufgestellten Rüstungen konnten unter dem nachträglichen Anstrich ihre rei- chen Schablonenornamente bewahren. Nach Freilegung und zurückhaltender Ergänzung der Dekorationsmalereien hat der Rittersaal nun seine frühere atmosphärische Dichte wiedererlangt. 1) Burg Eltz, Ansicht von Westen 2) Haus Rübenach, Schlafgemach DR. GEORG PETER KARN 3) Haus Groß-Rodendorf, Rittersaal nach der Restaurierung, 2019 GDKE, Landesdenkmalpflege, Weiterbildung und Vermittlung 13
BURGEN und PALÄSTE Mittelalterliche Mauern in Schloss Herrnsheim Von der Burg zum Schloss Malerisch am Rande des Ortes Herrnsheim wo heute das Treppenhaus und die Südterrasse gelegen, präsentiert sich Schloss Herrnsheim des Schlosses liegen. Ein Plan aus dem frühen als bedeutende klassizistische Anlage, deren 18. Jahrhundert deutet einen weiteren, gewin- Gestalt durch die letzte große Umbauphase kelten Baukörper im Norden und Osten mit zwischen 1840 und 1845 geprägt wurde. Es ist einem achteckigen Turm an. zwar bekannt, dass Schloss Herrnsheim auf eine mittelalterliche Burg zurückgeht, die von den Die von der Stadt Worms mit Unterstützung Kämmerern von Worms, genannt von Dalberg, des Bundes und des Landes Rheinland- um 1460 gegründet wurde, doch rein äußer- Pfalz begonnene Sanierung des Schlosses lich lässt nur noch der Rundturm mit seinen bot 2018/2019 Gelegenheit, der noch nicht Schießscharten in der Nordwestecke die alte gänzlich geklärten Baugeschichte weiter Wehranlage erahnen. Neben dem Turm wird der nachzugehen. Im Abgleich von historischen tonnengewölbte Keller im Westen des Schlosses Plänen, Beschreibungen, Inventaren und res- als Relikt dieser Burg angesehen. Bei bauhistori- tauratorischen Befunden konnten die Mit- schen Untersuchungen im Jahr 2013 konnte der arbeiterinnen der Abteilungen Bauforschung Bauforscher Lorenz Frank auch an der Südseite und Restaurierung der Landesdenkmalpflege in des Westflügels spätgotisches Mauerwerk bis Zusammenarbeit mit der Stadt Worms für das über zwei Stockwerke hinauf feststellen. Für die gesamte Schloss Baualterspläne erarbeiten. übrigen Fassaden steht eine Untersuchung noch aus. Die Burg wurde im Zuge des Pfälzischen Bei diesen Untersuchungen fanden sich Hin- Erbfolgekrieges 1689 zerstört und an ihrer Stelle weise darauf, dass auch im Osten des Schlosses um 1711 bis 1740 ein zweigeschossiges Barock- im Bereich des Kellers bzw. des Festsaales schloss errichtet, das wiederum in zwei entschei- ältere Bausubstanz erhalten ist. Darauf deuten denden Phasen 1810–1833 und 1840–1845 zum einen Baubefunde und zum anderen die seine heutige Gestalt erhielt. Analyse der mittelalterlichen bis barocken Wegestruktur des Ortes hin. Denn seit dem Im Gegensatz zur bewusst angelegten Öffnung Mittelalter besaß Herrnsheim ein Wegenetz des Schlosses zum Park und der anschließenden mit Toren in jeder Himmelsrichtung. Das Landschaft musste die mittelalterliche Burg vor Nordtor, das in der Nähe der Burg gelegen allem zur Landseite – der potentiellen Angriffs- haben muss, ist längst verschwunden, sodass seite – hin wehrhaft sein. Sie lag eingebunden die Herrnsheimer Hauptstraße heute am Tor in die ebenfalls wohl aus dem 15. Jahrhundert des Schlosshofs endet. Sie führte einst weiter, stammende Ortsbefestigung, verstärkt durch durch das Nordtor geradewegs nach Osthofen. den Rundturm und einen Graben vor der Mauer. Die Straße musste im späten 18. Jahrhundert Beide werden auf historischen Plänen zum der Anlage des Englischen Landschaftsgartens Umbau des Schlosses noch dargestellt. Das weichen. Während der Revolutionskriege wurde Aussehen der Burg ist nicht überliefert. Aus sie jedoch von den Franzosen für den Durchzug der Disposition des teils mittelalterlichen, teils der Truppen kurzerhand wiederhergestellt, be- barocken Kellers wird darauf geschlossen, dass vor sie dann endgültig von Emmerich Joseph der Westflügel des Schlosses auf ein Burghaus von Dalberg (1773–1833) in den Westen des zurückgeht. Die Lage des Kellerhalses zeigt, Ortes verlegt wurde, sodass sich der Schloss- dass es sich nach Osten zu einem Hof hin öff- park seitdem ungestört ausdehnt. nete, der in etwa dort zu lokalisieren wäre, 14
Vergleicht man die älteste Darstellung des Herrnsheimer Schlosses, eine Supra- porte aus dem Älteren Dalberger Hof in Mainz, mit dem Bau selbst, fällt auf, dass diese Straße nach bzw. von Osthofen sowohl östlich neben dem Schloss, als auch in eine Durchfahrt im Schloss selbst mündete. Spuren der Durchfahrt lassen sich noch heute im Mauerwerk des Kellers ausmachen. Auch im Hochparterre des Schlosses fallen Mauerstrukturen auf, die sich nicht allein durch die Disposition der Räume erklären lassen. Ebenso zeigen die überlieferten Entwurfszeichnungen zum Schlossumbau aus der Zeit vor dem Wiederaufbau von 1711 verschie- dene Überlegungen zur Führung dieser Straße und zum Umgang mit dem nörd- lichen Ortseingang. Durchgesetzt hat sich schließlich die Idee, die Straße am Schloss direkt aufzuteilen, einerseits unter dem Schloss hindurch in den Hof hinein und andererseits über eine paral- lele Umfahrung des Schlosses in den Ort. Es stellt sich somit die Frage, ob sich im Bereich der Durchfahrt im Keller nicht nur Relikte der Straßenführung, sondern auch des verschwundenen Nordtores oder gar der Burg innerhalb des barocken Neubaus erhalten haben und beim Neubau des Schlosses um 1711 bis 1740 Relikte der Burg und der Ortsbefestigung miteinander verschmolzen wurden. Weitere Untersuchungen im Rahmen der geplanten Instandsetzung des Schlosses werden folgen und hoffentlich neue Erkenntnisse zur mittelalterlichen Burg, aber vor allem zur Genese des Schlosses mit sich bringen. 1) Schloss Herrnsheim, Gesamtansicht vom Park 2) Ansicht von Norden mit Allee von Osthofen, Mitte 18. Jh. JUTTA HUNDHAUSEN (Supraporte aus dem Älteren Dalberger Hof in Mainz) GDKE, Landesdenkmalpflege, 3) Grundriss des Kellers mit Darstellung der Bauphasen Bauforschung (mittelalterlicher Bestand blau markiert) 15
BURGEN und PALÄSTE Die Kauzenburg in Bad Kreuznach Gottfried Böhms postmoderner Ausbau der Burgruine Die auf einem Höhenrücken über dem Nahe- Zeit, auf denen Andreas von Recum Anfang tal gelegene Kauzenburg wurde vermutlich im des 19. Jahrhunderts eine von Schloss Dhaun 12. Jahrhundert zum Schutz des Flussübergangs stammende Löwenstatue angebracht hatte. durch die Grafen von Sponheim gegründet und Darüber hinaus hatten sich unterirdisch aus- beherrschte über Jahrhunderte das Stadtbild von gedehnte Gewölbekeller erhalten, die in zwei Bad Kreuznach. Im Dreißigjährigen Krieg mehr- Geschossen unter der Burg angelegt worden fach beschädigt und im Pfälzischen Erbfolgekrieg waren. Abgesehen von den nördlich aufragenden 1689 durch die Franzosen endgültig zerstört, war Mauerresten der Burg, die unverändert an Ort von der einst imposanten Burganlage Anfang des und Stelle belassen wurden, erfolgte eine konse- 19. Jahrhunderts jedoch kaum mehr etwas vor- quente Einbeziehung der historischen Substanz handen. Als der pfälzische Weinbauexperte und in den Neubaukörper. Politiker Andreas Freiherr von Recum die Ruine auf dem Kauzenberg im Jahr 1803 erwarb, ließ Den erhaltenen Sockel des mittelalterlichen er an ihrer Stelle einen Wirtschaftshof errichten, Rundturms im Osten versah man mit einer den noch erhaltenen Resten der Sponheim‘schen transparenten Stahlkonstruktion und baute ihn Burg schenkte er dabei kaum Beachtung. Seit zur Aussichtsterrasse eines neuen Restaurants dem späteren 19. Jahrhundert ergänzte eine aus. Auf seiner Hofseite integriert der mit einer neugotische Villa die Ruine. Anfang der 1970er Vorhangfassade aus Metall und Glas versehene Jahre sollte die mittelalterliche Burg wiederum Neubau außerdem den als Rekonstruktion wie- eine zeitgemäße Anpassung ihres Bestandes er- dererstandenen Treppenturm, der als Aufzugs- fahren, die die historische Bausubstanz in neu- schacht einer neuen Nutzung zugeführt wurde artiger Weise zur Geltung bringen sollte. und nun alle vier Ebenen des Gebäudes mitein- ander verbindet. Die ersten drei Geschosse, ein- Als das Gelände 1969 in den Besitz der neu- schließlich der Keller, sind für den Restaurant- gegründeten Kauzenburg-Betriebs-Aktien- und Gaststättenbereich vorgesehen, während gesellschaft überging, ließ man die damals nur das oberste Geschoss zur Unterbringung von wenig geschätzte historistische Architektur Personalwohnungen dient. aus dem 19. Jahrhundert vollständig abreißen. Stattdessen erfolgten eine behutsame Freilegung Der in Bruchsteinmauerwerk ausgeführte Turm der noch vorhandenen Bausubstanz der mittel- bildet nicht nur einen vertikalen Akzent, son- alterlichen Burganlage und die Beauftragung des dern auch einen eindrücklichen Gegensatz bedeutenden Kölner Architekten Gottfried Böhm zu dem traditionellen Bruchstein und den (*1920), der in Arbeitsgemeinschaft mit dem modernen Materialien Metall und Glas. ortsansässigen Architekten Günter Hartmann Vor- und zurückspringende Gebäudeteile be- einen zeitgemäßen Um- und Ausbau der wirken eine plastische Auflockerung der rötlich Kauzenburg vornehmen sollte. gefassten Metallfassade, die durch Abschrägung aller Gebäudeecken und Dachkanten zusätzlich Oberirdisch existierten zu diesem Zeitpunkt differenziert wird. Zur Talseite öffnet sich die nur noch geringe Mauerreste, insbesondere der über den Resten der ehemaligen Ringmauer auf- Rest eines Treppenturms und die Grundmauern ragende Fassade hingegen mit einer strengen eines großen Rundturmes mit anschließen- Reihung weit auskragender polygonaler Erker dem Mauerwerk im Osten der Anlage sowie und Balkone. Zwei große, in das historische Fragmente von Gebäuden aus spätgotischer Mauerwerk eingebrachte Thermenfenster 16
1) Bad Kreuznach, Kauzenburg, Überreste spätgotischer Gebäude mit Löwenstatue im Osten der Anlage 2) Südostansicht des Neubaus mit erhaltenem Sockel des mittelalterlichen Rundturmes im Osten 3) Hofansicht des Neubaus mit Rekonstruktion des ehem. Treppenturmes kennzeichnen die Räume im Kellergeschoss, die hier jedoch filigrane Stahl-Glaskonstruktionen sich hier in der gesamten Höhe ihrer Tonnen- Eingang in die Gestaltung, welche die vorhan- gewölbe nach außen öffnen. Die Planungen um- dene mittelalterliche Substanz zu einem integra- fassten darüber hinaus auch die Außenraum- len Bestandteil der zeitgenössischen Konzeption gestaltung. So wurden auf mehreren Ebenen machen und sich gleichzeitig gegenüber dem Terrassen mit polygonalen, bastionsartigen historischen Bestand selbstbewusst behaupten. Vorsprüngen angelegt, die Anleihen an der Die Kauzenburg markiert damit einen wichtigen Festungsarchitektur des 17. Jahrhunderts Wendepunkt im Werk Gottfried Böhms und lässt nehmen. Die filigranen Stahlbrüstungen der einen neuen, postmodernen Ansatz erkennen, Terrassen, einst analog zu den Neubauteilen rot der erst in den 1980er Jahren vollends zur Ge- gefasst, sind mittlerweile verschwunden, doch ltung kommen und den der Kölner Architekt ist die grundlegende Struktur der Böhm‘schen einige Jahre später, etwa bei der Neugestaltung Außengestaltung noch heute erkennbar. des Saarbrücker Schlosses, erproben sollte. Der 1971–1972 erfolgte Ausbau der Kauzenburg tritt als bewusster Kontrast zu den vorhandenen Resten der mittelalterlichen Burg in Erscheinung. DR. LEONIE KÖHREN Anders als die betonbrutalistischen Entwürfe des GDKE, Landesdenkmalpflege, Kölner Architekten in den 1960er Jahren finden Inventarisation 17
KIRCHEN Die Restaurierungen der Stiftskirche in Kaiserslautern Auf der Suche nach dem Mittelalter Im Zentrum der Stadt Kaiserslautern steht die Am 5. Januar 1945 wurde die Stiftskirche in Stiftskirche in ihrer prachtvollen schlanken sand- Kaiserslautern von einer Bombe getroffen, die steinroten Erscheinung. Sie gilt als bedeutendster den Hauptturm mit dem eisernen Glockenstuhl, Sakralbau der hohen Gotik in der Pfalz. Zugleich das Dach von Chor, nördlicher Vorhalle und ist sie ein Lehrbeispiel für den Wandel von der Schiff einschließlich vieler Zwerchgiebel und schöpferischen zur konservierenden Denkmal- alle Glasfenster zerstörte. Der Wiederaufbau pflege. Wir wissen, dass der lang gestreckte Chor 1946–1950 stand unter der Ägide von der Kirche des von Kaiser Barbarossa gegründeten Regierungsbaumeister Eugen Heußler. Er leitete Prämonstratenserklosters im 13. Jahrhundert auch den Wiederaufbau der neugotischen entstanden ist, einige Jahrzehnte später das Apostelkirche, für die er einen modernen Innen- dreischiffige Hallenlanghaus. ausbau im Zeitstil der 1950er Jahre wählte. Im Gegensatz dazu stand seine Arbeit an der Stifts- Die älteste Abbildung der Kirche, die wir kennen, kirche, wie er in der Festschrift zum Wiederauf- stammt schon aus nachmittelalterlicher Zeit bau 1950 schrieb: „[…] der andere Gesichtspunkt um 1540 und zeigt den lang gestreckten Bau war der des hingebungsvollen Dienens am Bau, mit zahlreichen spitzbogigen Fenstern und den das Unterordnen der eigenen Wünsche unter die charakteristischen achteckigen Türmen, dem Sprache des alten Meisterwerkes.“ Heußler er- Vierungsturm in der Mitte und den beiden West- neuerte die Gewölbe über Chor und nördlicher türmen an der Eingangsseite. Fast genauso sieht Vorhalle, die zerstörten Zwerchgiebel über den die Kirche noch auf dem berühmten Bild der Seitenschiffen und den Hauptturm. Aber diesen Unionsfeierlichkeiten 1818 aus. „verbesserte“ er noch ein wenig: Das obere Turm- freigeschoss, das bis zur Zerstörung rundbogige Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Fenster aus dem 18. Jahrhundert gezeigt hatte, große Zeit der Hinwendung zu den Baustilen des bekam nun größere spitzbogige Fenster mit Mittelalters, besonders zur Gotik als „Kirchen- Maßwerk. Der Wiederaufbau des Daches ge- baustil“. Das galt für zahllose Kirchen, die neu schah mit sparsamen Mitteln, mit z. T. einfachen gebaut wurden, und für viele Kirchen, die noch gestückelten und wiederverwendeten Balken, vollendeter gotisch werden sollten, als sie schon der Kriegsschutt blieb zum größten Teil auf den waren. Der Architekt Heinrich von Schmidt, der Gewölben liegen. bereits in Oppenheim die Katharinenkirche wie- derhergestellt hatte, widmete sich ab 1878 der 1965–1968 kam es zu der nächsten großen Instandsetzung der Kaiserslauterer Stiftskirche. und einschneidenden Restaurierungsmaßnahme: Er vollendete sie gewissermaßen, machte ihr Auf- Der Kaiserslauterer Architekt Werner Heyl treten nach außen filigraner und gotischer, indem verfolgte auch hierbei das Ziel der Wiederher- er alle drei Turmhelme höher und spitzer machte stellung eines mittelalterlichen Zustandes. und das große breite Dach, das bisher alle drei Dafür ließ er den Fußboden auf das ursprüng- Schiffe des Langhauses überdeckt hatte, aufteilte liche Niveau, um rund einen halben Meter, in ein durchgehendes Mittelschiffdach und nied- absenken und entfernte die historistische rigere Querdächer über den Seitenschiffen. Sie Wandfassung aus der Zeit von Heinrich von laufen jeweils auf einen neu geschaffenen Zwerch- Schmidt in der Vorstellung, durch das Freilegen giebel zu, der von einer Kreuzblume bekrönt wird. des reinen Sandsteins den mittelalterlichen Zwischen den Giebeln ragen krabbenbesetzte Raum wiederherzustellen. Weiterhin beseitigte Fialen als Abschluss der Strebepfeiler auf. Heyl den Anbau auf der Chornordseite ein- 18
1) Kaiserslautern, Stiftskirche, Ansicht von Norden 2) Ansicht von Südosten nach dem Bombentreffer 1945 3) Bergung einer stark geschädigten und absturzgefährdeten Fiale an der Nordwestecke schließlich Resten der gotischen Sakristei, große Mengen Schutt beseitigt werden. Die um den Kirchenbau freizustellen und ihn durch Dachtragwerke hinter den Zwerchgiebeln und eine niedrige abgerückte Umgebungsbebauung über der Unionskapelle wurden erneuert, der wieder mehr hervorzuheben. Regenwasserablauf geregelt. Weiterhin wurden umfassende Restaurierungsarbeiten an der Feuchteschäden am Gewölbe im Inneren der Außenhaut des Gebäudes vorgenommen, sämt- Stiftskirche waren der Auslöser für eine erneute liche Natursteinteile und -oberflächen wurden große Restaurierungskampagne 2018–2020. repariert und gereinigt, Stahl- und Bleistege an Die Schadensanalyse durch den Architekten den Fenstern ertüchtigt, Glasscheiben erneuert. Gunther Ecker ergab, dass die Kombination Als Ergebnis dieser aufwendigen Arbeiten sieht von Fehlern beim Wiederaufbau des Daches man: Nichts hat sich verändert. Ausschließlich und von Vernachlässigungen in den folgenden dringend notwendige Maßnahmen zur Sicherung Jahrzehnten die Wasserführung so stark beein- der Bausubstanz haben stattgefunden und der trächtigt hatten, dass es zu massiven Schäden Stiftskirche ihr überliefertes Gesicht bewahrt. an Holztragwerk, Mauerwerk und Dachhaut gekommen war. Durch Wassereintrag und Schädlingsbefall zerstörte Teile des Dachtrag- DR. ULRIKE WEBER werks wurden ausgewechselt, fehlende Teile des GDKE, Landesdenkmalpflege, komplexen Gefüges mussten wiederhergestellt, Praktische Denkmalpflege 19
KIRCHEN Die Neufassung der Liebfrauenkirche in Worms In strahlendem Gewand Von Weingärten umgeben, für deren Namen nahmen, die den damaligen Vorstellungen von „Liebfrauenmilch“ die Kirche Pate gestanden hat, einem mittelalterlichen Bauwerk Rechnung tru- am östlichen Stadtrand von Worms in der Nähe gen: Die Westtürme der Liebfrauenkirche erhiel- des Rheins gelegen, präsentiert sich die Lieb- ten ein zeittypisches Erscheinungsbild mit hellen frauenkirche, deren Ursprünge bis ins frühe Putzflächen und dunkel abgesetzten Eckquadern. Christentum zurück reichen, als ein herausragen- des Zeugnis hoch- und spätgotischer Architektur Im Zuge der letzten Restaurierungskampagne in Rheinland-Pfalz. Die Bauzeit des heutigen erfolgte zwischen 2005 und 2010 erneut eine Kirchengebäudes erstreckte sich über fast 200 farbliche Veränderung an der Westfassade. Die Jahre, von 1276 bis 1465, was nicht nur dessen Eckquaderung wurde nun zugunsten einer ein- Ausmaßen geschuldet war – die Liebfrauenkirche heitlichen Farbfassung mit Fugenmalerei aufge- ist die größte gotische Kirche in Rheinland-Pfalz –, geben. Mit diesem Konzept versuchte man sich sondern auch den wohl schwierigen Bauabläufen, an historische Farbbefunde anzunähern, die sich musste doch beim Neubau Rücksicht auf ein bis heute im überdachten Bereich der Westtürme Vorgängergebäude genommen werden. erhalten haben und kräftige Rotorange-Töne sowie den Rest eines Fugenstrichs zeigen. Mit Sicherheit wurde der Vorgängerbau während Allerdings erschien der dominante Rotton da- der Bauarbeiten weiterhin genutzt, um die Kon- mals offenbar als zu gewagt, weshalb bei der tinuität der Gottesdienstfeiern gewährleisten zu Umsetzung der Farbgebung ein kühler Roséton können. Denn die Liebfrauenkirche war das stark vorgezogen wurde. frequentierte Pilgerziel einer Marienwallfahrt. Das hohe Pilgeraufkommen aus dem gesamten Aufgrund erheblicher Schäden startete im deutschsprachigen Raum dürfte auch den Jahr 2018 am Nordquerhaus erneut eine Anstoß zum Neubau einer größeren Kirche Instandsetzungsmaßnahme, die in den gegeben haben. Die aufwendigen Bauformen kommenden Jahren um sämtliche Fassaden mit Sanktuariumsumgang im Osten und Zwei- herumgeführt werden soll. Die steinsichtigen turmfassade im Westen zeugen von der Finanz- Oberflächen des Eisenberger Sandsteines zei- kraft und den repräsentativen Ansprüchen der gen starke Verwitterungsspuren und großflä- Bauherren. Auch die qualitätvolle, heute noch chige Abplatzungen, der Putz im Bereich des zum Teil vorhandene Ausstattung verweist auf Obergadens liegt an vielen Stellen hohl, sodass die einstige Bedeutung der Liebfrauenkirche weit umfangreiche Sanierungen unumgänglich sind. über die Stadtgrenzen von Worms hinaus. Wie so viele Bauwerke der südlichen Landesteile Vor Beginn der Maßnahme wurden Bauforscher wurde auch die Liebfrauenkirche im Pfälzischen hinzugezogen, die die Steinoberflächen be- Erbfolgekrieg 1689 teilweise zerstört. Anders als gutachteten, Bearbeitungsspuren kartierten die Mehrzahl der Kirchen wurde sie jedoch nicht und Bauabschnitte verfolgten, um mehr über barockisiert, sondern in ihren gotischen Formen den Entstehungsprozess der Liebfrauenkirche wiederaufgebaut. Schon damals ein Zeichen des zu erfahren. Anhand der Steinformate und Traditionsbewusstseins und des Wissens um die der Bearbeitung der Oberflächen konnten die historische Bedeutung des Bauwerks. Bauforscher unter anderem nachweisen, dass Baumaterial aus dem Vorgängerbau in der Ab 1860 erfolgten unter dem Mainzer Kreisbau- Nordquerhausfassade wiederverwendet wurde. meister Ignaz Opfermann restauratorische Maß- 20
Ein Restaurator konnte bei einer er- neuten Untersuchung der Fassaden- oberflächen ebenfalls die bereits vor 15 Jahren am Westteil der Kirche festge- stellte historische Farbigkeit – also jenen kräftigen Rotorange-Ton – auch für das Nordquerhaus bestätigen. Nach intensiven Diskussionen entschieden die Verantwortlichen der kirchlichen und staatlichen Denkmalpflege, bei der jetzi- gen Maßnahme nicht das vor 15 Jahren eingeführte Farbsystem weiter zu ver- folgen, sondern das historisch überlieferte Erscheinungsbild zum Vorbild zu nehmen, die Fassaden zu verputzen und in dem restauratorisch belegten Rotorange-Ton zu fassen. Auf die Fassung wurde in An- lehnung an den Befund ein Fugenbild in heller Tönung aufgebracht. Mit dieser Vorgehensweise wurde eine gut begründete Grundsatzentscheidung ge- troffen, die das Leitbild für die noch anste- henden Bauabschnitte definiert. Zwar wird dadurch bewusst in Kauf genommen, dass sich die Westteile der Liebfrauenkirche nach fertiggestellter Gesamtsanierung erst einmal vom Rest der Kirche deutlich unterscheiden werden, dennoch stellten die an mehreren Stellen belegbaren histori- schen Farbbefunde für alle Beteiligten eine Verpflichtung zur Wiederherstellung des mittelalterlichen Erscheinungsbildes dar. Nach Abschluss der Sanierung wird die in ihrer einstigen, leuchtend mittel- alterlichen Farbigkeit erstrahlende Liebfrauenkirche dann noch mehr als bisher den Blick vom Rhein auf die Stadt dominieren und ihre Stellung als ehemals wichtige Pilgerkirche unterstreichen. 1) Worms, Liebfrauenkirche, Ansicht von Nordosten 1965 2) Ansicht von Nordosten mit rekonstruierter Farbfassung 3) Ansicht der Westfassade mit Farbfassung der frühen 2000er Jahre DR. KATINKA HÄRET-KRUG GDKE, Landesdenkmalpflege, Praktische Denkmalpflege DIANA ECKER Kirchliche Denkmalpflege Bistum Mainz 21
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