Vollgeld - voll gut? Initiative - Denknetz

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Initiative

            Vollgeld – voll gut?
            Von Hans Baumann, Roland Herzog und Beat Ringger

            Die Denknetz-Fachgruppe Politische Ökonomie hat sich ausführ­lich
            mit der Vollgeld-Initiative befasst. Sie ist zu drei Schlüssen gekommen:
            (1) Die Diskussion über Geld- und Finanzpolitik ist wichtig, und es ist der
            Initiative zugute zu halten, dass sie diese Debatte belebt; (2) der kon­
            krete Inhalt der Vollgeldinitiative verdient aus fortschrittlicher Sicht zwar
            nicht ungeteilte, wohl aber kritische Unterstützung; (3) die theoretische
            Fundierung des Vollgeldes weist hingegen etliche problematische,
            ideologische Komponenten auf.

            Nach 1973 ist der Finanzsek-          Demokratisierung der Zentral-         die Banken 365 Mia. Franken in
            tor stark dereguliert worden.         banken und des gesamten Fi-           ihren Bilanzen, die dem Zah-
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            Im heutigen Kapitalismus do-          nanzsektors. In diesen Kontext        lungsverkehr dienten (Bundes-
            miniert das Finanzkapital. Die        gehört die Vollgeld-Initiative,       rätliche Botschaft 2016, S. 8495).
            Konsequenzen davon wurden             die am 1. Dezember 2015 vom           Laut Initiative dürfen Banken
            in den verschiedenen Finanz-          Verein Monetäre Modernisie-           diese Gelder künftig nur noch
            krisen der letzten Jahrzehnte         rung (MoMo) eingereicht wor-          treuhänderisch verwalten, wäh-
            deutlich sichtbar. Seit der – noch    den ist. In seiner Botschaft vom      rend sie heute von den Banken
            nicht überwundenen – grossen          9.11.2016 beantragt der Bun-          für ihre Geschäfte genutzt wer-
            Krise 2007/2008 wird weit her-        desrat dem Parlament, die Initi-      den können (und deshalb auch
            um akzeptiert, dass tiefgreifen-      ative ohne Gegenvorschlag ab-         in den Bankbilanzen aufgeführt
            de Reformen notwendig sind.           zulehnen. Das Geschäft kommt          werden).
            Ebenso verbreitet sind jedoch         demnächst in die Räte, die ihre
            die Zweifel, ob die bislang in        abschliessenden       Entscheide      Mit diesem Vorschlag würde ein
            Angriff genommenen Reform-            spätestens in der Frühlingssessi-     zentrales Problem elegant ent-
            schritte genügen. So zirkulieren      on 2018 fällen werden.                schärft. Gehen heute Banken
            denn auch verschiedenste Vor-                                               bankrott, dann sind sämtliche
            schläge zur Neugestaltung der         Der Zahlungsverkehr als               Gelder auf allen Kontoarten der
            Finanz- und Geldpolitik, die von      öffentlicher Dienst                   Bank blockiert. Trifft ein Bankrott
            der Verschärfung der Eigenka-         Was schlägt die Vollgeld-Initi-       eine Grossbank, dann könnte
            pitalvorschriften für Banken bis      ative konkret vor? Ihr Kern be-       dies zu einem Zusammenbruch
            hin zur Privatisierung der Wäh-       steht darin, nicht nur wie heute      von weiten Teilen des Zahlungs-
            rungen reichen. Das Spektrum          Münzen und Banknoten, son-            verkehrs führen, weil UBS und
            der Themen ist breit: Re-Regu-        dern auch alles Zahlungsver-          CS einen beträchtlichen Teil des
            lierung des Bankensektors, neue       kehrs-Buchgeld (z.B. Einträge auf     Zahlungsverkehrs in der Schweiz
            Formen von Geld (Welt- und            Kontokorrentkonti, Lohnkonti,         abwickeln. Eine Blockierung der
            Regionalgeld, Vollgeld, Kryp-         sogenannte Sichteinlagen) zu          entsprechenden Konti würde
            towährungen), Währungspolitik,        einem gesetzlichen Zahlungs-          die Wirtschaft ins Schlingern
            Schuldenmanagement, Einfluss-         mittel zu erklären und damit der      bringen und eine tiefe Rezessi-
            nahme auf Wirtschaftskonjunk-         Kontrolle der privaten Banken         on auslösen. Dies müsste daher
            tur und Investitionsentscheide,       zu entziehen. Ende 2015 hielten       um (fast) jeden Preis verhindert

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werden. Hier liegt jedoch eines      ner Geldschöpfung durch die          diesen Belangen einen Verfas-
            der zentralen Probleme der so-       Nationalbank würde hingegen          sungsauftrag etablieren.
            genannten Too-Big-To-Fail-Pro-       zusätzliche Kaufkraft generiert,
            blematik. Grossbanken – so die       die dem Staat respektive der All-    Die ablehnende Haltung
            allgemein akzeptierte Forde-         gemeinheit zugutekommt. Das          des Bundesrates
            rung – sollten auf geordnete         wäre ein grosser Fortschritt.        Der Bundesrat beantragt den
            Art und Weise in Konkurs gehen                                            Räten, die Initiative abzulehnen,
            können, ohne dass deswegen           Anders als die Gelder im Zah-        und führt dafür folgende Haupt-
            massive wirtschaftliche Einbrü-      lungsverkehr würden die Spar-        argumente an:
            che drohen. Mit der Annahme          gelder gemäss Initiative keinem
            der Vollgeldinitiative wären         neuen Regime unterworfen.            1) Kredite könnten verknappt
            sämtliche Gelder im Zahlungs-        Mit den Geldern auf Sparkonti        werden, weil die Sichteinlagen
            verkehr auch im Fall eines Ban-      können die Banken weiterhin          nicht mehr Teil der Bankenbilanz
            krottes weiterhin verfügbar und      Geschäfte tätigen. Bei einem         wären und damit auch nicht
            vor der Vernichtung durch einen      Konkurs der Bank wären die           mehr als Basis für Kreditver-
            Bankenkonkurs geschützt. Da-         Spargelder denn auch gefähr-         gaben dienen könnten. Diese
            mit würde der Zahlungsverkehr        det: Je nachdem, wie viele Mittel    Befürchtung ist wenig stichhal-
            zu einem öffentlichen Dienst,        noch vorhandenen wären und           tig. Denn erstens sind grosse
            der der Kontrolle der National-      nach welchen Regeln eine Bank        und mittlere Unternehmen in
            bank, also einer öffentlichen        abgewickelt würde, müssten die       der Schweiz seit vielen Jahren
            Institution, untersteht. Das ent-    Spareinlagen ganz oder teilwei-      überkapitalisiert. Kapitalman-
            spricht auch der Forderung der       se abgeschrieben werden. Wie         gel herrscht also allenfalls bei
            Denknetz-Fachgruppe        Politi-   heute wären Spargelder nur bis       Start-ups oder gewerblichen
            sche Ökonomie, die schon 2010        zu einem Betrag von hundert-         Betrieben, was aber gerade dem
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            verlangt hat, der Zahlungsver-       tausend Franken abgesichert.         heutigen Regime der Geschäfts-
            kehr sei zu einem Service public                                          banken zuzuschreiben ist. Zwei-
            umzubilden.                          Die Initiative enthält im Wei-       tens ermöglicht die Initiative der
                                                 teren eine Reihe von Bestim-         Nationalbank, den Geschäfts-
            Gemäss der Initiative muss die       mungen, die es ermöglichen, in       banken Darlehen zu gewähren,
            Nationalbank die Geldmenge,          die spekulativen Finanzmärkte        damit sie bei Bedarf über genü-
            die für den Zahlungsverkehr          einzugreifen. Der Bund soll neu      gend Mittel verfügen; sie könnte
            verfügbar ist, direkt steuern. Die   eine Bewilligung und Beaufsich-      dies auch mit der Auflage ver-
            Nationalbank passt sie regel-        tigung der Finanzprodukte (wie       binden, es seien damit vermehrt
            mässig dem Bedarf an, indem          zum Beispiel die strittigen Deri-    Kredite an KMU zu vergeben.
            sie zusätzlich benötigtes Geld       vate) vorsehen. Eine solche Auf-     Und drittens ist es eben gerade
            (etwa im Umfang des Wirt-            sicht ist wünschenswert, sind es     fragwürdig, wenn Banken hohe
            schaftswachstums) schuldenfrei       doch gerade intransparente und       Kreditsummen bereitstellen, für
            in Umlauf bringt. Die Initiative     unregulierte Finanzkonstrukte,       die sie nur verhältnismässig ge-
            sieht dafür vor, dass die Neu-       die zu spekulativen Blasen bei-      ringe Sicherheiten bereitstellen
            gelder direkt dem Bund, den          tragen und die Finanzmärkte          müssen. Denn grosse Teile die-
            Kantonen und/oder den Bürge-         unkontrollierbar machen. Weiter      ser Kredite werden für spekula-
            rInnen übergeben werden. Die         soll er Anforderungen an die Ei-     tive Finanzgeschäfte eingesetzt.
            InitiantInnen gehen von 3 bis        genmittel der Banken festlegen,      Ein Beispiel: Gegenwärtig neh-
            10 Mia. CHF aus, die so jährlich     den Eigenhandel begrenzen            men viele Konzerne Kredite in
            als neue Kaufkraft geschöpft         und die Aufsicht über die Banken     Milliardenhöhe auf, um die eige-
            würden. Heute wird die Bildung       verstärken. Die Nationalbank soll    nen Aktien zurückzukaufen und
            von neuem Buchgeld von den           zudem künftig Mindesthaltefris-      damit den Aktienkurs künstlich
            Geschäftsbanken durch die Ver-       ten für Finanzanlagen festsetzen     in die Höhe zu treiben. Solche
            gabe von Krediten oder durch         können (und damit z.B. die Spe-      Finanzgeschäfte sind Gift für die
            Eigengeschäfte ausgelöst. Es         kulation im Subsekundentakt          Stabilität der Finanzmärkte.
            sind denn auch die Banken, die       stoppen). In all diesen Punkten
            gegenwärtig von dieser Geld-         ist die Initiative aber nicht sehr   2) Die Kontoführungskosten für
            schöpfung profitieren. Bei ei-       konkret. Immerhin will sie in        Zahlungsverkehrskonti würden

www.denknetz.ch                                                                                              10.2017 | 2
laut Bundesrat verteuert. Die       rechnen. Trotzdem ficht das die        Darlehen gewähren mit der Auf-
            Banken könnten heute diese          Stabilität der Nationalbank nicht      lage, dass damit Kredite für reale,
            Kosten auffangen, weil sie die      an. Und was das Gratisgeld zu-         nachhaltige unternehmerische
            Sichteinlagen für das eigene        handen der öffentlichen Hand           Tätigkeiten und für öffentliche
            Geschäft verwenden dürfen.          angeht: Es ist zweifellos besser,      Dienste vergeben werden und
            Wenn dies nicht mehr der Fall       wenn die Erhöhung der Geld-            nicht für spekulative Geschäfte.
            sei, müssten sie ihre Kosten auf    menge der Allgemeinheit zugu-          In einem Punkt ist dem Bundes-
            die KundInnen abwälzen. Wie         tekommt statt – wie heute – den        rat recht zu geben: Die Initiative
            wenig stichhaltig dieses Argu-      Privatbanken.                          verhindert nicht, dass es wei-
            ment ist, zeigt ein Blick auf die                                          terhin zu Finanzkrisen kommen
            Kontoführungskosten der Post-       4) Die vorgeschlagene Reform           kann. Dies räumen die Initian-
            finance, deren Kreditgeschäfte      wäre, so der Bundesrat, im inter-      tInnen ebenfalls ein. Auch mit
            gesetzlich stark beschränkt sind.   nationalen Umfeld einmalig, was        einem öffentlich regulierten
            Ihre Gebühren bewegen sich          zu unwägbaren Risiken führe. Es        Zahlungsverkehr können mas-
            trotzdem durchwegs im Rah-          ist allerdings nicht ersichtlich,      senhaft fragwürdige Spekulati-
            men derjenigen der Banken.          worin diese Risiken bestehen           onskredite vergeben oder zwei-
                                                sollten, schliesslich regelt die In-   felhafte Finanzprodukte lanciert
            3) Es schade der Stabilität und     itiative in erster Linie den inlän-    werden. Und selbstverständlich
            der Glaubwürdigkeit der Na-         dischen Zahlungsverkehr. Die           wird mit der Initiative die zuneh-
            tionalbank, wenn sie Neugeld        SNB verfügt zudem über eine            mend ungleiche Verteilung des
            schuldenfrei schöpfen könne,        Vielzahl von Steuerungsmitteln,        gesellschaftlichen Reichtums,
            ohne dafür Aktiven in ihre Be-      um die Auswirkungen zu mode-           die als einer der Haupttreiber
            stände aufzunehmen, also ohne       rieren. Allenfalls müssten – wie       der gegenwärtigen wirtschaft-
            z.B. Gold oder Devisen kaufen       z.B. in früheren Jahren prakti-        lichen Instabilitäten bezeichnet
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            zu müssen (wobei es den Bun-        ziert – auch Kapitalverkehrsbe-        werden muss, nicht korrigiert.
            desrat eigenartigerweise nicht      schränkungen zur Anwendung             Im Weiteren könnte man kriti-
            stört, dass die Geschäftsbanken     kommen. Zudem könnte die               sieren, die Initiative gehe von
            genau dieses Privileg besitzen).    Schweiz mit dieser Reform an-          einem ununterbrochenen mo-
            Zudem entstehe ein Druck auf        dern Ländern wichtige Impulse          netären Wirtschaftswachstum
            die SNB, möglichst hohe Men-        für Stabilisierungsmassnahmen          aus. Die Frage, was denn z.B. bei
            gen an Neugeld in Umlauf zu         auf den Finanzmärkten liefern          einer gewollten, aus Nachhal-
            setzen, wenn diese Gelder gratis    und so zur längst notwendigen          tigkeitsgründen demokratisch
            an Bund und Kantone vergeben        Reduktion der Bankenmacht              beschlossenen Schrumpfung
            würden. Auch diese Argumen-         beitragen.                             des BIP zu tun wäre, d.h. wie
            te sind wenig glaubwürdig. Die                                             dann die Nationalbank das Ge-
            Nationalbanken und die SNB          5) Die Konkurrenzfähigkeit der         samtvolumen der Zahlungsmit-
            im Besonderen haben seit der        Schweizer Grossbanken würde            tel allenfalls verringern würde,
            Finanzkrise von 2008 die Finanz-    beeinträchtigt, weil ihnen we-         bleibt im Raum stehen, ebenso
            märkte mit gewaltigen Geld-         niger Mittel für ihre Geschäfts-       die Frage, inwiefern Banken auf
            beträgen geflutet, um einen         tätigkeit zur Verfügung stünden        andere Währungen ausweichen
            Kollaps zu vermeiden; die SNB       (Sichtgelder stellen für die Ban-      und damit die neuen Bestim-
            hat ihre Bestände zudem um          ken sehr günstiges Geld dar).          mungen umgehen könnten.
            Hunderte von Mia. CHF erhöht,       Das würde möglicherweise (je           Damit ist aber nur gesagt, dass
            um die Wechselkurse zu beein-       nach der Umsetzung durch die           die Umsetzung der Vollgeldiniti-
            flussen. Diese riesigen Bestände    Nationalbank) zutreffen. Aller-        ative eine Herausforderung be-
            werden von manchen Seiten           dings wird eine Eindämmung             deutet, und dass entsprechende
            als erhebliches Risiko bewer-       der Grossbanken ja gerade zu           Instrumente für die Umsetzung
            tet, weil ihr Wert in kurzer Zeit   Recht gefordert, damit das Too-        geschaffen werden müssen.
            stark schwanken kann. Will die      Big-to-Fail-Risiko     gemindert
            SNB diese Bestände verkaufen,       werden kann. Im Gegenzug hät-          Fragwürdige Vollgeld-Ideolo-
            um die Franken-Geldmenge zu         te die Nationalbank erheblich          gie
            reduzieren, muss sie unter Um-      mehr Einfluss. Sie könnte z.B.         Diskussionen über Geld gelten
            ständen mit hohen Verlusten         den Geschäftsbanken günstige           meist als schwierig, komplex

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und eine Sache für ExpertIn-          des Kapitalismus und die wach-        geld-Befürwortern ins Feld ge-
            nen. In den gängigen Debatten         sende Ungleichverteilung des          führte Problem der Geldschöp-
            äussern sich nur wenige Perso-        gesellschaftlichen Reichtums.         fung durch private Banken war
            nen, und die vorherrschende           Viele der Vollgeld-Theoretike-        ein wichtiger Treiber neoliberaler
            Haltung ist neoliberal geprägt.       rInnen positionieren sich denn        Politik und hatte wesentlichen
            Zwar gibt es relevante Kritike-       auch ‚mit beiden Beinen auf           Anteil an der Finanzkrise von
            rInnen, doch sie sind zu wenig        dem Boden des Kapitalismus“, so       2007/2008. Doch mittlerweile ist
            bekannt und haben wenig Ein-          etwa Joseph Huber, der zu den         die private Geldschöpfung als
            fluss. Grundlagenwissen sowie         Leitfiguren der Vollgeld-Anhän-       Krisentreiber in den Hintergrund
            vertiefte Diskussionen müssen         gerInnen zählt.                       getreten und unter anderem
            deshalb breiter Fuss fassen, da-                                            durch die zwar kontrollierten
            mit im demokratischen Diskurs         Lösungen, die isoliert in der Fi-     und politisch gewollten, aber
            tragfähige politische Perspekti-      nanzsphäre angesiedelt sind,          massiven Geldschöpfungen der
            ven entwickelt werden können.         werden oft auch als „Sachlö-          Zentralbanken abgelöst wor-
            Die Vollgeldinitiative regt die       sungen“ angeboten, die „weder         den. Seit 2008 fluten die Zent-
            nötigen Diskussionen zweifellos       links noch rechts“ situiert sein      ralbanken die Finanzmärkte mit
            beträchtlich an.                      sollen. So auch die Vollgeld-In-      gewaltigen Geldbeträgen, um
            Auf der anderen Seite aber sind       itiantInnen: Ihr Anliegen könne       sie am Funktionieren zu halten.
            mit der Idee des Vollgeldes           man im parteipolitischen Links-       Damit haben sie neue Probleme
            auch zahlreiche Fragezeichen          Rechts-Schema nicht einordnen         geschaffen (z.B. einen Überfluss
            verbunden. Die liberalisierte Fi-     (http://www.vollgeld-initiative.      an billigem Geld) und niemand
            nanzsphäre ist die Sphäre der         ch/, gelesen am 7.12.16). Damit       weiss, wie man aus der neuen
            Spekulation. Wegen der gros-          wird eine technokratische Sicht       Zwangslage wieder heraus-
            sen Hebelwirkungen, die dabei         auf die Welt propagiert, in der       kommen soll. : Seit Jahren su-
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            erzeugt werden, weckt diese           soziale und politische Gegensät-      chen die Nationalbanken nach
            Sphäre Fantasien von beinahe          ze keine Rolle spielen. Entschei-     dem geeigneten Zeitpunkt, um
            magischer Macht. Ein Beispiel         dend wird vielmehr, dass man an       ihre Zinsen wieder anzuheben,
            dafür waren die smarten Boys          den richtigen soziotechnischen        und seit Jahren verwerfen sie
            der neoliberalen Boom-Phase           Stellschrauben dreht. Doch das        dies aus Angst, dadurch eine
            vor der Finanzkrise 2007/2008,        ist Zauberstab-Politik. Es ist denn   unkontrollierbare Wirtschafts-
            die sich als Masters of the Uni-      auch kein Zufall, dass die Initia-    krise auszulösen. Doch auch
            verse gebärdeten. Ein anderes         tive die Nationalbank weiterhin       wenn die Vollgeldinitiative die
            Beispiel ist die Geldpolitik. Wer     ausserhalb der demokratischen         Instabilitäten der Finanzmärkte
            die „richtige“ Geldpolitik kennt,     Kontrolle ansiedeln will: Ihre        und der Wirtschaft nicht besei-
            meinte (und meint teilweise           Führungsgremien sollen auch           tigen wird, so schlägt sie doch
            immer noch) Wunder bewirken           in Zukunft – einmal vom Bun-          konkrete Massnahmen vor, die
            zu können. Andererseits sind          desrat gewählt – formell nie-         wir für unterstützenswert hal-
            SpekulantInnen ein beliebtes          mandem verpflichtet sein. Eine        ten. Der Zahlungsverkehr wird
            Feindbild. So verständlich dies       demokratische Kontrolle der           faktisch zu einem öffentlichen
            ist, so problematisch wird dies       SNB-Politik wäre also weiterhin       Dienst, der den Risiken der pri-
            allerdings, wenn suggeriert wird,     ausgeschlossen. Faktisch aller-       vaten Geschäftsbanken entzo-
            die Spekulation sei die Wurzel        dings bliebe die SNB-Führung          gen und somit sicherer wird. Die
            allen Übels. Genau so argumen-        weiterhin eng mit den Interes-        Schöpfung von neuem Geld soll
            tiert allerdings ein Teil der Voll-   sen der Finanzmarktakteure ver-       ausschliesslich durch die Natio-
            geld-TheoretikerInnen: Für sie        bandelt, und gerade das könnte        nalbank erfolgen und statt den
            ist die private Geldschöpfung         eine wirksame Umsetzung der           Banken direkt der Öffentlichkeit
            durch die Banken der Ursprung         Bestimmungen der Vollgeldiniti-       zugutekommen. Und eine Rei-
            aller Wirtschaftsverwerfungen.        ative erheblich erschweren.           he von Kann-Bestimmungen
            Es braucht jetzt nur das Vollgeld,                                          schafft immerhin die Vorausset-
            und die wesentlichen Probleme         Zweifellos sind Macht und Spe-        zung dafür, dass zumindest der
            sind gelöst. Macht- und Ausbeu-       kulationsgebaren des Finanz-          schweizerische Finanzmärkt und
            tungsverhältnisse werden eben-        kapitals überaus ernsthafte           seine Produkte stärker reguliert
            so ausgeblendet wie die Logik         Probleme. Das von den Voll-           werden könnten als bisher.  *

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Literatur                                        Kommentare. http://www.oekono-              lungnahme zur Botschaft des
            Altvater, Elmar (2012): Freigeld, Voll-          menstimme.org/artikel/2017/08/              Bundesrates
              geld, Leergeld. In: WOZ Nr 43/2012             vollgeld-halb-gut/                          http://www.vollgeld-initiative.
                                                           Schöchli, Hansueli (2017): Wenn 300           ch/fa/img/Stellungnahmen_
            Busch, Ulrich (2016): Vollgeld – Geld
                                                             Milliarden vom Himmel fallen. NZZ           deutsch/2016_12_19_Stellungnah-
              der Zukunft oder monetäres Ex-
                                                             2.3.2017                                    me_zur_Bundesratsbotschaft_Voll-
              periment à la John Law? In: Berliner
                                                                                                         geld-Initiative.pdf
              Debatte Initial 27/2016                      Schweizerischer Bundesrat (9.11.2016):
                                                             Botschaft zur Volksinitiative „Für        Vollgeldinitiative (ohne Datum):
            Huber, Joseph (2009-2013): Reform der
                                                                                                         Erläuterungen zum Initiativtext
              Geldschöpfung. Online-Broschüre                krisensicheres Geld: Geldschöp-
                                                                                                         http://www.vollgeld-initia-
              https://vollgeld.files.wordpress.com/          fung allein durch die Nationalbank!
                                                                                                         tive.ch/fa/img/Kampagne_
              2013/10/huber_broschuere_2013_                 (Vollgeldinitiative)“
                                                                                                         deutsch/2014_06_03_Vollgeld-Initi-
              online.pdf                                     https://www.admin.ch/opc/de/fe-
                                                                                                         ative_Erlaeuterungen_zum_Initia-
                                                             deral-gazette/2016/8475.pdf
            Kallenberger, Werner (2017): Voll-                                                           tivtext.pdf
              geld-Initiative (VGI): das nächste           Ringger, Beat (2012): Vollgeld­
                                                                                                       Vontobel, Werner (2015): Vollgeld, voll
              Geld oder Krise? Ein Diskussionsbei-           befürworter: Falsche Diagnose.
                                                                                                         daneben. Wir führen die falsche
              trag. http://www.denknetz.ch/wp-con-           In: Denknetz-Jahrbuch 2012, Zürich
                                                                                                         Debatte. In Makroscope,
              tent/uploads/2017/07/wkallenber-             Sahr, Aron (2015): Wären wir die besse-       https://makroskop.eu/2015/10/
              ger_vollgeld-initiative_juli_17.pdf            ren Banken? Zur Debatte über die            vollgeld-voll-daneben-wir-fueh-
            Löpfe, Philipp (2015): Vollgeld – oder           Repolitisierung des Kreditgeldes.           ren-die-falsche-debatte/
              der Versuch, den Kapitalismus vor              In: Widerspruch Nr. 66, Zürich
                                                                                                       Wegelin, Yves (2014): Wenn die
              sich selbst zu retten. In: Wider-            Trepp, Gian (2012): Zur Vollgeldinitiati-     Zentralbank alle Übel heilen soll.
              spruch, Nr. 66, Zürich                         ve: Geldreform oder Bankenreform?           Besuch bei Joseph Huber, dem
            Niepelt, Dirk (2017): Vollgeld, halb             In: Denknetz-Jahrbuch 2012, Zürich          Vordenker der Vollgeldreform. In:
              gut. In: Ökonomenstimme, inkl. 114           Vollgeldinitiative (19.12.2016): Stel-        WOZ Nr 15/2014
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