Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
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1-2020 Volmarsteiner Gruß Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona Spezial Liebe Leserinnen und Leser, „Ach Jungchen, am Ende wird doch alles gut…“ – 4 liebe Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein! Begegnungen und Beobachtungen in der Stiftung Spaziergang mit Bewohner sorgt für wichtige Auszeit – 12 „Alles ist anders!“ Dieser Satz ist in den vergangenen sich als ehrenamtlicher Helfer beim Fußball-Zweitligisten Interview zum Alltag im Hans-Vietor-Haus Wochen und Monaten oft gefallen. Er beschreibt kurz VfL Bochum; Im Kraftraum des Berufskollegs hörten und knapp die Auswirkungen der Corona-Krise. Natür- viele Schüler mit Behinderung gespannt zu, als Bun- Digitaler Schub für die Berufsausbildung 14 lich sind auch wir in der Evangelischen Stiftung Volmar- desliga-Trainer Hannes Wolf aus einem Fußballbuch stein von dieser gesellschaftlichen Erschütterung massiv vorlas; und wie Sportunterricht an einer Förderschule Rückkehr in die Schule als große Herausforderung 16 betroffen. Darauf gehen wir in diesem Volmarsteiner für schwer behinderte Kinder funktioniert, zeigt die „Ein gutes Gefühl, nicht isoliert zu sein“ Gruß ausführlich ein. Tischtennis-Variante Polybat, die unsere Oberlinschüler leidenschaftlich gerne spielen. Mutmacher: Gewaltige Last auf viele Schultern verteilt 18 In unseren Häusern und Einrichtungen versorgen wir Nach der Krise – ein Ausblick in Bildern 20 die Schwächsten der Gesellschaft: alte, behinderte und Alle diese Themen beschreiben ein Stück Normalität. kranke Menschen. Gerade sie wünschen sich menschli- Sie machen Hoffnung auf eine Zeit, in der wir uns keine che Nähe und benötigen persönliche Zuwendung. Doch Sorgen mehr wegen des Corana-Virus machen müssen. Stefan Stapane als „Pfleger mit Herz“ ausgezeichnet 22 ausgerechnet soziale Kontakte sind in der Corona-Krise Wir wünschen uns sehr, dass wir schon bald einander Wechsel im Vorstand frühzeitig geregelt schlagartig zur Gefahr geworden: Wer einem anderen sagen können: „Alles ist wieder normal!“ zu nahe kommt, riskiert für beide ein erhöhtes Infekti- Stiftung übernimmt SteriCenter für OP-Instrumente onsrisiko. Einem Menschen den Arm um die Schultern Bis dahin grüßen Sie herzlich und wünschen Ihnen Medizinische Pionierarbeit 24 legen, während man ihm gut zuredet – schon diese Gottes Segen kleine Geste birgt Gefahren. Schüler mit Autismus-Spektrum-Störung als Volunteer 26 beim VfL Bochum Man kann erahnen, vor welch große Herausforderun- gen die Krise unsere Mitarbeitenden gestellt hat. Ob im Neuer Chef-Kardiologe in Haspe 29 Krankenhaus, in der Altenpflege oder in der Behinder- tenhilfe: Es gibt viele Alltagssituationen, in denen sie Kino-Abend für die Reittherapie 30 den empfohlenen Abstand nicht einhalten können. Wer Esel-Kunstwerk steht nun am Mops einen bettlägerigen alten Menschen wäscht, wer einem Menschen mit schwerer Behinderung Essen anreicht – Vorlesestunde in der Muckibude 32 das gelingt nur aus der Nähe. Wer diese ungemein Klinik Volmarstein erweitert OP-Bereich 34 wichtige Arbeit Tag für Tag leistet, verdient unsere Aner- kennung und Wertschätzung – und zwar dauerhaft! Wirbelsäulenzentrum: Qualität bestätigt Auszeichnung für zwei Chefärzte Unabhängig von der Krise: In diesem Heft möchten wir auch Einblicke in die vergleichsweise unbeschwerte Zeit Unser Titelbild entstand bei einem Briefmarken-Schätzchen gespendet 35 Pfarrer Diplom-Kaufmann ohne Corona geben. Denn in der Stiftung hat sich eine Spaziergang, den Janina Ullrich, Jürgen Dittrich Markus Bachmann Autismus-Experten beim bundesweiten Fachkongress Menge getan. Wir haben in Haspe ein Medizinisches Mitarbeiterin des Hans-Vietor-Haus, Zentrum zur ambulanten Versorgung von erwachsenen Vorstand mit einem Bewohner unternommen Therapiedienste bieten im Alten Stadtbad Fachkompetenz 36 hat. Sie betreut in der Spezialpflege- Menschen mit Behinderung eröffnet. Es ist ein Meilen- aus einer Hand Einrichtung Menschen mit schwerer stein im Bereich der Behinderten-Medizin, auf die wir in Behinderung, die zusätzlich pflege- Fast wie Tischtennis: Kinder mit schweren Behinderungen 37 den kommenden Jahren unser Augenmerk besonders bedürftig sind. Wie in anderen spielen Polybat richten möchten. Weil dieses Projekt so ungemein wich- Bereichen auch, ist menschliche tig ist, bitten wir dafür verstärkt um Spenden. Nähe in ihrem Arbeitsalltag unver- Unter einem Dach: Kita und Menschen mit Behinderung zichtbar – auch in der Corona-Krise. Vor 25 Jahren: Neue Beratungsstelle traf einen Nerv 38 Auch rund um den Sport gibt es Interessantes: Ein junger Mann mit Autismus-Spektrum-Störung, der Ansprechpartner / Impressum 39 unser Werner-Richard-Berufskolleg besucht, engagiert 2 Volmarsteiner Gruß 1-2020 3
Corona „Ach Jungchen, Die Corona-Krise trifft behinderte und alte Menschen hart. Für sie besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr. Weil sie wenig oder keinen Besuch am Ende wird bekommen dürfen, fühlen sie sich einsam. Wie gelingt es in der Stiftung, den Menschen und ihren Familien doch alles gut…“ Mut zu machen? Begegnungen und Beobachtungen in der Krise. Gesegnet aus zwei Metern Entfernung Ein kleiner Raum im Dietrich-Bonhoeffer-Haus: Am Längstisch sitzen eine 93-Jährige Dame, die in der Senioren-Einrichtungen lebt, und Diakon Andreas Vesper. Seit Wochen hat die betagte Dame keinen Besuch von ihrem Sohn empfan- gen dürfen – zum Schutz vor einer Infektion. Weil sie sich deshalb sehr einsam fühlt, hat sie um die Begegnung mit dem Seelsorger gebeten. Als Stiftungs-Mitarbeiter darf er sie treffen. Beide führen ein intensives Gespräch. Am Ende möchte die 93-Jährige den Segen gespendet be- kommen. Normalerweise würde Andreas Vesper das aus nächster Nähe tun. Diesmal aber segnet er aus zwei Metern Entfernung – wegen der Abstandsregel. „Uns sind gemeinsam die Tränen gekommen“, berichtet er hinterher über diesen rührenden Augenblick. Chronik Corona-Krise in Volmarstein. Um zur Eindämmung des Corona-Virus beizutragen, fährt die Stiftung 10. März 2020: Das für den 13. März geplante große Helfer-Essen in der Martinskir- Volmarstein ab Mitte März ihren komplexen Betrieb herunter. Das hat gravierende Auswirkungen auf den che auf dem Stiftungs-Zentralgelände wird abgesagt – wegen der beunruhigenden Alltag der 3700 Mitarbeiter, die rund um die Uhr im Einsatz sind. Sie engagieren sich in Behinderten,- Al- Nachrichten über Corona! Gut 80 Bewohner mit Behinderung und Ehrenamtliche, die tenhilfe- und Bildungs-Einrichtungen für mehr als 3.000 hilfsbedürftige Menschen. Außerdem versorgen beim inklusiven Weihnachts-Musical mitgewirkt hatten, wollten in geselliger Runde sie jährlich mehrere Tausend Krankenhaus-Patienten. Hier Stationen des sogenannten „Shutdowns“: Chinesisch essen. Die Absage ist ein Vorbote der Ereignisse, die kurz darauf folgen. 4 Volmarsteiner Gruß 1-2020 5
Corona In der Krise ist Stiftungs-Seelsorger Vesper oft in Seni- Tochter Patricia (27) wiedersehen konnte. Die Zeit des Auftrags-Boom für Schutzartikel oren- und Behinderten-Einrichtungen unterwegs. Zwei Besuchsverbots, so die Mutter, sei für sie sehr hart der Marke Eigenbau Monate lang herrschte dort ein absolutes Besuchsver- gewesen. Patricia lebt im Hans-Vietor-Haus. Die junge bot. Dass so lange kein Angehöriger ins Haus durfte, Frau kann nicht sprechen und sitzt oft regungslos im Die große Plexiglasscheibe im Hans- hat viele Bewohner enorm belastet. „Wenn Menschen Rollstuhl. Sie ist schwerstmehrfachbehindert, seitdem sie Vietor-Haus ist „Made in Volmarstein“. ohnehin psychisch labil sind, werden die Ängste durch nach einer OP aus dem künstlichen Koma erwacht ist. Produktion und Aufstellung solcher Corona noch größer“, hat Andreas Vesper immer wie- Scheiben haben Mitarbeiter der Werk- der festgestellt. Und gerade alte Menschen, so Vesper, Damit Menschen wie Martina Vierke endlich wieder statt für behinderte Menschen bewerk- hätten Angst zu sterben, ohne ihre Liebsten noch ein- zu Besuch kommen durften, hatten die engagierten stelligt. Während überall Kontakte auf mal hautnah zu sehen. Mitarbeiter des Hauses einen Raum hergerichtet, der ein Minimum reduziert wurden, war separat von außen betreten werden kann. Für dessen vor allem die Haustechnik-Gruppe Er hat aber auch Senioren getroffen, die trotz aller Nutzung schrieben sie ein ausgeklügeltes Infektions- um Andreas Fischer gefragter denn je. Sorgen ungewöhnlich viel Zuversicht demonstrierten: schutz-Konzept, das das „Okay“ des Gesundheitsamtes „Wir sind fast mehr herumgekommen „Ach Jungchen, am Ende wird doch alles gut!“ Das hat bekam: Mitten in den Raum stellten sie eine 1,80 x als in früheren Zeiten“, schmunzelt ihm eine Seniorin mit der geballten Lebenserfahrung 1,80 Meter große Plexiglas-Wand, die Bewohner und Fischer angesichts des Auftrag-Booms. einer über 90-Jährigen gesagt. Mit „Jungchen“ meinte Besucher voneinander trennt. Vor der Begegnung wird Jede Menge Bestellungen für Plexiglas- sie Andreas Vesper. Er ist 44 und wird den Moment, als beim Besucher die Temperatur gemessen. Außerdem scheiben diverser Größen gingen bei Andreas Fischer (re.) und sein Kollege Lothar Frenzel mit einer großen Trennscheibe aus Plexiglas. dieser Satz fiel, so schnell nicht vergessen. wird er nach Erkältungssymptomen befragt. Während ihm ein – stets verbunden mit der des Besuchs ist ein Mitarbeiter anwesend. Es besteht freundlichen Bitte um schnelle Lieferung. Mundschutz-Pflicht. Erste Begegnung seit über sieben Wochen Durch ihren Einsatz machten Andreas Fischer und seine streifen für die Stirn sowie ein Gummiband samt Auch wenn die Atmosphäre hinter Plexiglas ein we- Mitstreiter in diversen Einrichtungen kleine, aber enorm Klettverschlüssen. Der große Vorteil des Visiers: Es lässt Einen besonderen Moment hat auch Martina Vierke nig unpersönlich ist und immer ein Termin vereinbart wichtige zwischenmenschliche Begegnungen möglich. sich problemlos mit Desinfektionsmittel reinigen und erlebt. „Es war für mich sehr emotional“, beschreibt werden muss: Das Besuchs-Angebot wurde als große So konnten dank maßgefertigter Trennscheiben Bewoh- wieder verwenden. sie ihre Gefühle, als sie nach über sieben Wochen ihre Erleichterung empfunden. „Es ist total schön, dass ich ner wieder gemeinsam an einem Tisch essen. jetzt wieder regelmäßig bei mei- Oster-Zeitung sorgt für reichlich Klön-Stoff nen Bruder sein kann“, sagt bei- Die Scheiben gehörten zu einem kleinen Sortiment spielsweise Paschalina Paraskevas. von Hilfsmitteln, die die Werkstatt-Mitarbeiter für ihre „Corona-Zone Altenheim!“ „Fünf Tote im Pflege- Ihr Bruder Dimitrios (21) befindet Kollegen in den stiftungseigenen Pflegeeinrichtungen heim!“ – Schlagzeilen wie diese sorgten für Aufsehen. sich auf dem Entwicklungsstand produziert haben. Dank ihrer pfiffigen Ideen leisteten Mitarbeitende in der Stiftung stellten sich oft die eines neun Monate alten Babys. sie wertvolle Hilfe im schwierigen Corona-Alltag – so bange Frage: Was passiert, wenn das Virus bei uns Er kann weder sprechen noch u.a., als sie aufstellbare Dosierspender für Desinfek- ausbricht? „Natürlich macht man sich darüber Ge- sich bewegen. So lange keine tionsmittel anfertigten. danken“, sagt auch Magdalena Porgozalek. Sie leitet Besuche möglich waren, ist das Haus Buschey, in dem es 58 Zimmer für pflege- Paschalina Paraskevas oft am Dringend benötigt wurden auch die rund 2.000 Ge- bedürftige alte Menschen gibt. Um sie zu versorgen, Hans-Vietor-Haus vorbeigefahren. sichts-Visiere aus der Werkstatt. Als Einzelteile dien- sind 45 Mitarbeitende im Einsatz. Sie mussten lernen, Auf diese Weise wollte sie mög- ten gängige Baumarkt-Materialen: das zugeschnittene mit der Infektionsgefahr umzugehen. Dabei halfen lichst nah bei Dimitrios sein. Stück einer Polycarbonatscheibe, ein Schaumstoff- viele Gespräche untereinander. Fieber messen bei Martina Vierke beim Besuch ihrer Tochter Patricia im Hans-Vietor-Haus. 13. März 2020: Das tägliche Besuchsrecht in Stiftungs-Einrichtungen wird eingeschränkt: In Krankenhäusern ist nur noch 16. März 2020: Die eingeschränkte Besuchsmöglichkeit in Stiftungs-Einrichtungen wird gestrichen. zwischen 16 und 18 Uhr Besuch gestattet. Maximal dürfen zwei Besucher kommen. In Altenheimen ist ein Besucher erlaubt – Von nun an gilt in Krankenhäusern sowie Behinderten- und Altenheimen ein absolutes Besuchsverbot. für eine Stunde und nur auf dem Zimmer. Ähnliche Einschränkungen gelten in den Häusern für Menschen mit Behinderung. Nur in ethischen Ausnahme-Situationen wie zur Begleitung Sterbender bleiben Besuche möglich. Alle Veranstaltungen und Fortbildungen werden gestrichen. Ausflüge und Klassenfahrten fallen aus. Termine mit Besucher- Die Schulen der Stiftung schließen: An der Oberlinschule, am Werner-Richard-Berufskolleg und an der gruppen sind abgesagt. Bildungsakademie Volmarstein findet kein Unterricht mehr statt. 6 Volmarsteiner Gruß 1-2020 7
Corona Bewohnern und im Kollegen-Kreis gehörte schnell zur Die Senioren in Haspe hatten nämlich Post von mehre- Routine. Dass in der Stiftung genug Schutzkleidung ren Kindern der freien evangelischen Schule Hagen vorhanden ist, gab zusätzlich Sicherheit. Und um bekommen: „Liebe Altenheimbewohner, ich schreibe „ihre“ Senioren zu beschützen, leisteten Mitarbeiten- Ihnen diesen Brief, weil die Schule wegen Corona ge- de noch einen ganz persönlichen Beitrag: Viele ver- schlossen hat.“ So fing Gabriellas erster Brief an, in dem zichteten nach Feierabend auf sonst übliche Begeg- die Gesamtschülerin auch Fragen stellte: „Wie heißen nungen mit Verwandten. Sie und wie alt sind Sie? Wie geht es Ihnen?“ Das Alltagsleben der Senioren beschränkte sich lange Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Hallo auf ihren Wohnbereich. In kleiner Runde fanden dort Gabriella, Mir geht es gut. Ich heiße Anneliese und bin Aktionen wie Vorlesen und Singen statt. Für reichlich 101 Jahre alt“, schrieb Anneliese Felten zurück. Und: Klön-Stoff sorgte eine Oster-Überraschung: Mit viel „Ich habe fünf Enkelkinder. Wegen des Corona-Virus Liebe zum Detail hatten Mitarbeitende eine kleine kann ich im Moment keinen Besuch bekommen. Das Zeitung erstellt – mit Zeichnungen, Kreuzworträtseln macht mich sehr traurig. Meine Kinder rufen fast täglich und einer Menge Quizfragen wie diese: Was ist ein bei mir an.“ Die Seniorin fragte zurück: „Was möchtest „Falscher Hase“? Richtige Antwort: ein Hackbraten. du später gerne werden?“ Schon bald hielt die Seniorin Gabriellas Antwort in den 101-Jährige knöpft Brieffreundschaft Händen: „Ich freue mich sehr, dass du zurückgeschrie- ben hast. Wenn ich es sagen darf: Sie haben ein stolzes Gabriella ist 11 Jahre alt. Mitten in der Corona-Krise Alter.“ Gabriellas Berufswunsch löste ein Lächeln bei der hat sie eine Brieffreundschaft mit der 101-jährigen An- Seniorin aus: „Ich möchte Altenpflegerin werden oder neliese Felten aus dem Altenheim Haspe geschlossen. etwas mit Kindern machen.“ Es war kein Einzelfall, dass Generationen in der Corona- Krise zusammen fanden. Ersatz für fehlenden Schulalltag geschaffen Was ist Corona? Das fragten viele der 24 Mädchen und Jungen aus dem Marianne-Behrs-Haus in den ersten Tagen der Krise. „Sie haben sofort gespürt, dass et- was nicht stimmt“, berichtet Teamkoordinatorin Sina Sienknecht. Schnell hätten die Kinder mit Autismus- Spektrum-Störung oder kognitiven Einschränkungen Grundsätzliches verstanden: zum Beispiel, dass sich alle immer die Hände waschen müssen. Weil diese Altersgruppe voller Tatendrang steckt, musste das Betreuungsteam Ersatz für den fehlenden Schulalltag schaffen. Denn als die Oberlinschule geschlossen war, 17. März 2020: Im Berufsbildungswerk laufen intensive Vorbereitungen, um den 18. März 2020: Die rund 270 Beschäftigten 19. März 2020: Per Rundmail erhalten alle Stif- Betrieb virtuell zu ermöglichen. Die rund 300 Auszubildenden mit Behinderung, mit Behinderung dürfen die Werkstatt für tungs-Mitarbeiter die Möglichkeit, sich bei Fragen von denen viele im angeschlossenen Wohnbereich leben, werden von ihren Eltern Menschen mit Behinderung nicht mehr be- zum Thema „Corona“ telefonisch direkt an den abgeholt. Alternativ wird für sie die Abreise per ÖPNV organisiert. Auch das Wer- treten. Sie bleiben tagsüber in den Wohnhäu- Betriebsarzt zu wenden. Diese besondere Form der ner-Richard-Berufskolleg und die Oberlinschule gehen zum virtuellen Lernen über. sern und werden dort qualifiziert betreut. Sprechstunde wird in der Folgezeit intensiv genutzt. 8 Volmarsteiner Gruß 1-2020 9
Corona Freude stiften in fehlte den Kindern über Monate der tägliche Umgang mit ihren Klassenka- meraden. Es gelang den Mitarbeiten- den, für jedes Kind eine eigene Tages- struktur aufzubauen. Dazu gehörten neben Spielaktionen im Haus, dass die besonderer Zeit Kinder regelmäßig in Begleitung nach draußen gingen – z.B. zum Einkaufen In der Stiftung Volmarstein gibt es in den Häusern oder zum Waldspaziergang. der Behinderten- und Altenhilfe eine bunte Veran- staltungskultur: Wenn bei Sommer- und Herbstfesten Normalerweise trübt die schulfreie Zeit Musiker oder Künstler auftreten, erleben die Bewohner die Stimmung im Marianne-Behrs-Haus besonders vergnügliche Stunden. Die Vorfreude darauf gegen Ende jeder Sommerferien. ist immer groß – schließlich genießen alle die Gesellig- Obwohl der Schulausfall wegen der keit. All diese schönen Veranstaltungen können vorerst Anton & Antonella treiben u.a. für bettlägerige Menschen Schabernack. Corona-Krise deutlich länger ausfiel, nicht stattfinden. kamen die Mädchen und Jungen ver- gleichsweise gut damit zurecht. „Die Doch zum Glück lassen sich auch mit Sicherheitsabstand Ein anderes künstlerisches Spenden-Projekt ist die Stimmung ist besser als in der fünften Freude stiften und Menschen miteinander verbinden. Clownsvisite. Anton & Antonella sorgen z.B. bei bettlä- Bei Evergreens wie dem Biene-Maja-Song schunkelten die Senioren im Haus Magdalena. Woche der Sommerferien“, so das In der Corona-Krise gab es wunderschöne musikalische gerigen Menschen mit Behinderung für Heiterkeit – na- Zwischenfazit von Sina Sienknecht Aktionen, die für viel Freude gesorgt haben. Aufgrund türlich mit einem Schutz-Visier, damit die bunt bemalten nach über zwei Monaten Schulausfall. dieser schönen Erfahrung möchte die Stiftung mit Hilfe Gesichter zu erkennen sind. Die beiden Clowns dürfen Ob Schlager, Kirchenlieder oder Jazz – in der tristen von Spenden weitere Künstler gewinnen, damit sie bei aus Sicherheitsgründen nicht in die Bewohnerzimmer. Zeit des Besuchsverbots sorgten Konzerte in vielen Fensterkonzerten musizieren oder für abendliche Klänge Sie stehen stattdessen in der Tür, wenn sie ihren Scha- Singen und schunkeln bei Evergreens Häusern der Stiftung für Ablenkung. Dabei spielten in Innenhöfen sorgen. bernack treiben. So sorgen sie dafür, dass ein wenig die Musiker stets ehrenamtlich – ein tolles Zeichen Normalität zurückkehrt. Gerade in der Corona-Zeit soll Das Pipi-Langstrumpf-Lied, der Biene-Maja-Song oder von Solidarität mit der älteren Generation. ein Besuch der beiden Spaßmacher bei möglichst vielen „Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen….“: Menschen ermöglicht werden. Diese Evergreens kennen alle. Die Senioren im Haus Ganz besondere Erinnerungen weckte Jazz-Musik Magdalena sangen, summten oder schunkelten ge- bei einem Mann mit starker Demenz: Während des Ob Konzert oder Clownsvisite – solche innovativen mächlich mit, als im Garten des Altenheims die Gruppe Freiluft-Konzerts pfiff er zunächst mit und dirigierte. Kultur-Angebote ersetzen zwar nicht die beliebten Feste „Green Flys“ aufspielte. Es gab rührende Szenen mit Ganz zum Schluss hielt er plötzlich die Arme in die und Feiern, tragen aber dazu bei, die Lebensqualität der glücklichen Gesichtern. Luft, als ob er selbst Trompete spielen würde. Wahr- Bewohner zu verbessern. (mp) scheinlich erinnerte er sich daran, dass er früher selbst „Solche Lieder wecken bei den alten Menschen unge- musiziert hatte. Ohne Spenden geht es nicht, denn für viele mein positive Erinnerungen“, sagt Heimleitung Cordula Angebote reicht die Regelfinanzierung nicht aus. Tiltmann. Bei strahlendem Sonnenschein saßen die Der alte Mann mit der imaginären Trompete – auch Daher ist die Stiftung auf die Mithilfe von Freunden Senioren mit Abstand vor der Band, einige lauschten das ist ein Bild aus der Corona-Krise, das in Erinnerung und Förderern angewiesen, damit auch in schwieriger an Fenstern. Dankbar spendeten sie zarten Applaus. bleiben wird. (toto) Zeit Freude und Herzlichkeit gestiftet werden können. Auftritt für Senioren am Haus Magdalena (v.li.): Pfarrer Martin Streppel, Organistin Ulrike Basteck und Trompeter Ulrich Külpmann. 20. März 2020: Das Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe bereitet sich auf die Aufnahme von Corona-Patienten vor. 21. März 2020: In einer E-Mail 23. März 2020: Ab sofort läuten die Glocken der Martinskirche auf dem Eine Station wird umgebaut, um die Patienten isolieren zu können. Außerdem gibt es mehr Beatmungsplätze. an alle Mitarbeiter schreibt der Stiftungs-Zentralgelände täglich um 12 und 19 Uhr. Das Geläut ist ein Wenn medizinisch vertretbar, werden OPs abgesagt. So entstehen Kapazitäten für Corona-Patienten. Stiftungs-Vorstand: „Für Ihren hörbares Zeichen der Verbundenheit und der spezielle Volmarsteiner Die Stiftung richtet sich auf eine Ausgangssperre ein, die von der Bundesregierung erwogen wird. Mitarbeiter, großen Einsatz möchten wir uns Applaus für diejenigen, die sich in Krankenhäusern sowie Senioren- und die nicht von Hause aus arbeiten können, erhalten vorsorglich eine Bescheinigung. ganz besonders bedanken.“ Behindertenheimen um hilfsbedürftige Menschen kümmern. 10 Volmarsteiner Gruß 1-2020 11
Corona Spaziergang mit Bewohner sorgt für wichtige Auszeit Interview mit Janina Ullrich, die im Hans-Vietor-Haus Menschen mit schweren Behinderungen betreut. Im Hans-Vietor-Haus der Stiftung Volmarstein leben auf die Mimik ihres Gegenübers angewiesen, um ihn Menschen mit schwerer Behinderung, die pflegebe- zu verstehen und Emotionen deuten zu können. Un- frische Luft. Außerdem verschafft der Rundgang dürftig sowie körperlich und kognitiv eingeschränkt möglich war anfangs die Kommunikation mit schwer- eine Auszeit vom Alltag in der Gruppe. Man trifft sind. Rehabilitations-Pädagogin Janina Ullrich schildert hörigen Bewohnern, weil sie Worte von unseren Lippen Leute, die nicht zur Hausgemeinschaft gehören. im Interview, wie sich die Corona-Krise auf die Betreu- ablesen müssen. Das ist erst besser geworden, seitdem Das ist auch in Corona-Zeiten so. Doch es gibt un- ung dieser Menschen ausgewirkt hat. wir durchsichtige Gesichts-Visiere nutzen. Trotzdem ist terwegs weniger Kontakte, weil wir sehr darauf auch diese Lösung nicht optimal. achten müssen, dass der Bewohner den Abstand Wochenlang durften die Bewohner keinen Besuch zu anderen Menschen hält. Leider können wir bekommen. Haben Sie ihnen diese einschneidende Welche Möglichkeiten gibt es, um Bewohner angesichts niemandem einen täglichen Spaziergang anbieten. Maßnahme erklären können? der besonderen Verhältnisse zu unterstützen? Wir betreuen 18 Bewohner pro Gruppe – da ist ein Einige konnten es kognitiv nicht verstehen und wur- In unserem Haus herrscht immer eine hohe Geräusch- solches Angebot zeitlich nicht möglich. den deshalb unruhig. Wir haben versucht, ihnen die kulisse, weil viele Bewohner nur lautieren können. Situation mit einfachen Erklärungen verständlich zu Das sorgt für eine natürliche Anspannung, die durch Wie halten Sie persönlich im Betreuungs-Alltag machen. Ein Satz wie „Im Moment geht das alles Corona noch größer geworden ist. Um mehr Ruhe die Abstandsregel ein? nicht wegen Grippe“ ist ein Beispiel dafür. Schwierig in den Alltag zu bringen, haben wir verstärkt auf Das ist für meine Kollegen Beim Spaziergang auf dem Stiftungs-Zentralgelände wurde es auch an Geburtstagen: Manche Familien Angebote wie Massagen, Klangmassagen oder Ent- und mich nahezu unmög- fragt Janina Ullrich Autotypen waren noch nie an einem Geburtstag voneinander spannung in Einzel- und Gruppenangeboten gesetzt. lich. Viele Menschen mit und die Buchstaben von getrennt. Um grundsätzlich den Kontakt zu halten, Wir kuscheln zum Beispiel mit Bewohnern auf einer Behinderung, die wir be- Kennzeichen ab – ein haben Telefonate und Videoanrufe geholfen, ebenso großen Matte. Diese Beruhigung hilft ihnen, aber auch treuen, benötigen körper- Steckenpferd des Bewohners. Briefe und kleine Pakete. uns Mitarbeitenden. lichen Kontakt mit uns oder suchen ihn aktiv. Ohne die- Wie war die Reaktion, als alle Betreuer plötzlich Regelmäßig sind Sie mit einzelnen Rollstuhlfahrern se Nähe können wir den Schutzmasken trugen? draußen unterwegs. Welche Bedeutung haben diese Bedürfnissen der Bewohner Da haben uns viele Bewohner erstmal fragend ange- Spaziergänge aktuell? nicht gerecht werden. schaut. Und in einigen Fällen gab es echte Probleme: Schon immer war der Spaziergang mit einem Bewoh- Nähe bietet eine emotio- Denn gerade Schwerstmehrfachbehinderte sind oft ner wichtig: Jeder Mensch braucht schließlich mal nale Stütze und Halt. (toto) 30. März 2020: Die Wohnberatung des stiftungseigenen For- 3. April 2020: Ab sofort müssen Stiftungs-Mitarbeiter in allen Einrichtungen einen Mund-Nasen- schungsinstituts Technologie und Behinderung stellt sich auf die Schutz zu tragen. Hintergrund: Bei der täglichen Versorgung von Menschen in Krankenhäusern Corona-Lage ein: Hausbesuche bei Bürgern, um sie vor Ort in Sa- sowie in Behinderten- und Senioren-Einrichtungen ist es nicht möglich, den Mindestabstand von chen Barrierefreiheit zu beraten, finden im EN-Kreis nicht mehr statt. eineinhalb Metern einzuhalten. Durch das Tragen des Mundschutzes sollen Patienten und Bewoh- Stattdessen erfolgt die Beratung nur noch am Telefon oder online. ner, die alle zur Corona-Risikogruppe gehören, besser vor einer Infektion geschützt werden. 12 Volmarsteiner Gruß 1-2020 13
Corona Leichte Sprache Digitaler Schub für Ausbildung Anders lernen am BBW BBW Volmarstein setzt virtuelle Lernplattformen ein und profitiert davon langfristig. Die Corona-Zeit hat viele Dinge verändert. Auch im Berufs-Bildungs-Werk Volmarstein. Der Auszubildende bedient die Tastatur, programmiert eine App oder einen Rechner. In Einzelfällen wurde der die Maschine und setzt so die Metall-Fräse in Gang. Da- PC aus Volmarstein sogar zu den Teilnehmenden nach Die Abkürzung dafür ist BBW. bei sitzt er zu Hause am PC – es ist eine virtuelle Simula- Hause gebracht. „Im Produktdesign oder in der Medi- Die Auszubildenden dürfen nicht ins BBW. tion. „Das läuft genau so, als ob er direkt in Volmarstein engestaltung werden spezielle Computer-Programme steht und die Maschine vor Ort programmiert“, erklärt gebraucht, die man nicht mal eben auf dem Rechner Aber sie können den Unterricht Jens Voss, Ausbilder im Metallbereich. Ausbildung 4.0 – hat“, erklärt Henning. auch zu Hause mitmachen. die gab es auch schon vor dem Corona Alltag im Berufs- Für Bereichsleiterin Sabine Riddermann ist die digitale bildungswerk der Ev. Stiftung Volmarstein (BBW). Die Im gesamten Team entstanden neue Ideen und Konzepte Entwicklung eine Chance über Corona hinaus. „Virtuelle Zum Beispiel: Teilnehmenden nutzen digitale Lern-Plattformen. und wurden spontan umgesetzt. So wurde zum ersten Lerngruppen, mobiles Lernen und Arbeiten für Teilneh- Eine Maschine aus der Metall-Werkstatt Mal die Prüfung für den „Europäischen Computerfüh- mende, die nicht nach Volmarstein kommen können oder „Diese Erfahrung war für uns natürlich ein großer Vor- rerschein“ (ECDL) online abgehalten. Und der Kiosk im Online-Prüfungen – das alles sind positive Entwicklungen, mit einem Computer-Programm steuern. teil“, berichtet Dominik Kraemer, IT-Ausbilder im BBW. BBW baute einen Online-Shop auf – inklusive Lieferser- die wir auch in Zukunft nutzen werden“, sagt sie. Es sei Oder: Infos zum Lernen Gemeinsam mit einem Kreis von Experten aus dem vice innerhalb des BBWs. Dieser soll an den Start gehen, bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung, die zusätz- Kollegium ermöglichte er während der Krise digitale wenn die ersten Auszubildenden wieder im Haus sind. lich an einer sozial-phobischen Symptomatik leiden, sogar zu Hause auf dem Handy angucken. Ausbildung für alle Teilnehmenden. vorstellbar, sie in Zukunft zunächst in Teile der Ausbildung virtuell einzubinden und ihnen später schrittweise den Das BBW nutzt schon lange „Bei allem Übel in der Corona-Krise – Übergang zur Vor-Ort-Anwesenheit im BBW zu ermög- die Ausbildung 4.0 hat einen enormen lichen. „Wir haben neben Autismus-Experten eben auch Programme und Apps zum Lernen. Schub erhalten“, so Christian Henning, Ausbilder mit einem großen IT-Sachverstand, die so etwas Deshalb war das BBW gut vorbereitet Fachkoordinator der kaufmännischen möglich machen können“, so Sabine Riddermann. (aN) Ausbildung. Inzwischen nutzen fast auf die Corona-Zeit. 700 Menschen die digitalen Angebote in allen Bereichen des BBWs und der Bereichs-Leiterin Sabine Riddermann sagt: Schule. Die Programme laufen über Wir haben viele neue Erfahrungen gemacht, wie das Lernen zu Hause gut klappt. Die Erfahrungen helfen uns auch nach der Corona-Zeit weiter. Zum Beispiel für Menschen mit Autismus, die alleine zu Hause besser lernen können. 9. April 2020: Die Kirchen werden über Ostern leer bleiben. Trotzdem betont Jür- 11. April 2020: Die Wiese am Haus Bethanien auf dem Stiftungs-Zen- 12. April 2020: In der Volmarsteiner gen Dittrich im Namen des Stiftungs-Vorstands in seiner vorösterlichen Videobot- tralgelände bleibt an diesem Ostersamstag leer. Normalerweise findet Martinskirche darf am Ostersonntag schaft: „Ostern fällt in diesem Jahr nicht aus – Ostern findet nur anders statt!“ Er hier das inklusive Osterfeuer statt, das regelmäßig gut 300 Besucher kein Gottesdienst stattfinden. Pfar- verweist darauf, dass gemeinsame Gottesdienste in Zeiten der Corona-Krise durch anzieht: Menschen mit Behinderung aus der Stiftung, Angehörige und rer Jürgen Dittrich zündet in der Kir- vielfältige Formen von Fernseh-, Radio- und Video-Gottesdiensten ersetzt werden. Anwohner. Es gibt stets Livemusik, Getränke und Grillwürstchen. che allein die Osterkerze an. 14 Volmarsteiner Gruß 1-2020 15
Corona Rückkehr als Herausforderung „Ein gutes Gefühl, nicht isoliert zu sein“ Werner-Richard-Berufskolleg und Berufsbildungswerk: Teilnehmer werden vor Robin Laskow ist Schüler am Werner-Richard-Berufs- Wie war das Ankommen in Volmarstein? Wiederaufnahme des Betriebs sorgfältig untersucht. kolleg. Er lebt mit seinen Eltern in Kierspe und pendelt Am Anfang war es schon ein komisches Gefühl, zu- täglich zur Volmarsteiner Kollegschule. Während der rück zu kommen. Aber die Angst ist schnell verflogen. Corona-Krise nutzte er zunächst den virtuellen Unter- Wir wurden sehr herzlich empfangen. Auf dem Weg „Willkommen“ – „Schön, dass Du da bist“ – „Zusammen Berufsbildungswerk. Daher durchliefen alle Schüler zuerst richt zu Hause. Im Mai war er einer der ersten Schüler, waren mit Kreide Begrüßungen gemalt, die Seelsorge- weitergehen – „Wir schaffen’s“: In großen bunten Buch- ein medizinisches und psychologisches Screening. die wieder zum Unterricht nach Wetter kommen konn- rin wartete am Eingang mit einem Spruch und einer staben standen die Botschaften zum Willkommen auf der Um zu vermeiden, dass eine Covid-19-Infektion in die ten. Der 20-Jährige berichtet, wie er genähten Maske. Die medizinische Straße. Die Rückkehr der Schüler ins Werner-Richard-Be- Einrichtung getragen wird, wurde die Temperatur gemes- diese besondere Situation erlebt hat. Untersuchung hat mir ein sicheres rufskolleg war schon etwas Besonderes. „Wir haben uns sen und der Gesundheitszustand genau abgefragt. „Unser Gefühl gegeben. riesig gefreut, als der Unterricht endlich langsam starten Psychologischer Dienst machte dann ein intensives psycho- Wie haben Sie den Unterricht konnte“, berichtet Schulleiter Christof Hoffmann. „Es war logisches Testverfahren“, so Krombholz. „Wir erleben, dass zu Hause empfunden? Wie erleben Sie den Alltag in aber auch eine große Herausforderung. Denn viele unserer die Situation die jungen Menschen zum Teil sehr belastet. Unsere Schule ist in Sachen E-Learning der Schule? Schüler haben ein erhöhtes Gesundheitsrisiko.“ Neben der Angst vor der Infektion leiden die Schüler teil- schon sehr gut aufgestellt. Video-Live- Hier hält sich jeder an die Regeln – weise sehr unter der Isolation und der fehlenden Routine.“ streams klappen gut, so dass wir uns anders als beim Einkaufen oder an- „Die Rechtslage war für uns sehr unübersichtlich, bis wir alle sehen und hören und gemeinsam derswo. Die Schulleitung ist total en- Auch das Berufsbildungswerk konnte Mitte Mai die Aus- klare Regelungen hatten. Das hat uns Nerven gekostet. Unterricht erleben. Meine Klassenlehrer gagiert und erteilt gute klare Anwei- bildung und die Berufsvorbereitung wieder vorsichtig star- Aber gemeinsam mit allen Mitarbeitern haben wir Jens Hufschmidt und Sabine Reuter sungen. Natürlich ist alles anders als ten – unter gleichen Sicherheitsvorkehrungen wie im Be- das gemeistert. Dafür sind wir allen sehr dankbar!“ waren immer für uns da und haben früher. Aber ich sehe es als Privileg, in rufskolleg. In beiden Einrichtungen hat sich der Alltag in Sabine Riddermann, BBW-Leiterin sich sehr um uns gekümmert. Nicht nur im Klassen- dieser Zeit in die Schule gehen zu dürfen. Viele meiner Corona-Zeiten erheblich verändert: Flatterband und Schil- verband, sondern auch einzeln. Es ist ein gutes Gefühl, Freunde dürfen das nicht. Der Unterricht ist sehr persön- der weisen den Weg auf den neuen „Einbahnstraßen“. in diesen besonderen Zeiten in Kontakt zu bleiben und lich. Und anstrengender, weil wir nur zu zweit sind... . Die Öffnung erfolgte daher auch in kleinen Schritten. Das Geänderte Pausen- und Toilettenregelungen sorgen dafür, nicht isoliert zu sein. Das E-Learning ist eine tolle Chan- Aber die Stimmung ist super. Wir haben eine tolle Klasse benachbarte Berufsbildungswerk blieb zunächst geschlos- dass der Abstand eingehalten werden kann. Um alle Men- ce – auch für die, die aufgrund ihrer Behinderung noch und die anderen sind ja zeitweise virtuell zugeschaltet. sen. „Wir wollen unseren Teilnehmern nicht nur eine schö- schen mit Mund-Nasen-Schutz auszustatten, hatten Mitar- lange nicht zur Schule kommen können. Das läuft wirklich gut. (aN) ne Rückkehr bereiten, sondern auch eine sichere“, betonte beitende ehrenamtlich rund 1000 Masken genäht. Denn Andreas Krombholz, Leiter des Psychologischen Dienstes im im kompletten Gebäude gilt für alle Maskenpflicht. (aN) 16. April 2020: Der Vorstand verschickt einen Brief an alle Stiftungs-Mitarbeiter. „Wenn Historiker 17. April 2020: Drei Stationen in 22. April 2020: Auf dem Sportplatz des Berufsbildungswerks und auf heute zurückblicken, werden sie das Jahr 2020 sicherlich als ,bewegend‘ beschreiben“, schreibt der Klinik Volmarstein sind ge- des Werner-Richard-Berufskollegs findet eine Mitarbeiterversamm- er mit Blick auf die Corona-Krise, gefolgt von einem besonderen Dank für den Einsatz der Mitarbei- schlossen. Die Betten werden für lung statt. Alle Mitarbeiter kommen mit Mundschutz und halten ter: „Danke, dass Sie an bzw. über Ihre Grenzen hinausgehen!“ Der Brief endet mit einem Zitat der Corona-Patienten mit mildem auf der großen Fläche Abstand. Vorgestellt wird das Konzept für Friedensforscherin Bertha von Suttner: „Nach ,lieben“ ist ,helfen“ das schönste Zeitwort der Welt.“ Krankheitsverlauf frei gehalten. die schrittweise Rückkehr von Auszubildenden bzw. Schülern. 16 Volmarsteiner Gruß 1-2020 17
Corona „Wir haben eine 100-jährige Patientin mit Corona behandelt und nach zwei Wochen stabil in ihr Seniorenheim entlassen. Sie hatte eine sehr positive Einstellung und hat Gewaltigen Druck auf uns viel zum Lachen gebracht. Sie hat immer betont, dass sie älter ist als die Queen und zwei Weltkriege überlebt hat – dann schaffe sie das Virus auch noch.“ Önder Yildiz, Pfleger auf der Corona-Station im Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe viele Schultern verteilt „So schwer die Zeit auch ist – wir haben im Moment einen enormen Zusammenhalt im Team. Es ist auch schön, mit den Kollegen aus unseren anderen Häusern zusammen zu arbeiten.“ Laura Thiele, Zentrale Notaufnahme, Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe In allen Einrichtungen unserer Stiftung waren die Aus- Das Berufsbildungswerk und das Werner-Richard-Be- wirkungen der Corona-Pandemie erheblich. In den drei rufskolleg ermöglichten kurzfristig die virtuelle Aus- „Für uns als Psychologen ist es schön zu sehen, dass wir in dieser Situation verängstigten und Krankenhäusern wurde die Belegung zeitweise auf 1/3 bildung und das E-Learning. In der Behinderten- und besorgten Menschen helfen können. Es macht mir Mut, dass wir als Gesellschaft in dieser Zeit der Patienten reduziert, um Kapazitäten für Corona- Seniorenhilfe war wochenlang kein Besuch erlaubt. Um zusammen halten durch unterstützende Gespräche, Nachbarschaftshilfe oder Telefonanrufe. Erkrankte zu schaffen. „Wenn es medizinisch vertretbar die Vereinsamung der uns anvertrauten Menschen zu Das ist eine Qualität, die hoffentlich auch nach der Corona-Krise Bestand hat.“ war, wurden geplante OPs und Behandlungen verscho- verringern, zeigten Pflege- und Betreuungskräfte sowie Andreas Krombholz, Leiter des Psychologischen Dienstes im Berufsbildungswerk ben“, berichtet Frank Bessler. Als Ärztlicher Leiter des die Mitarbeiter des Sozialdienstes großes Engagement: Geschäftsbereichs Medizin koordinierte er die Maßnah- So gab es besondere Musikangebote, Erdbeer-Eisbecher men. So wurde im Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe eine zum Kaffee, Spaziergänge im hauseigenen Garten bzw. „Durch die interdisziplinäre Vernetzung fühle spezielle Corona-Station ausgewiesen. Dort konnten Pa- draußen in Begleitung oder Spielangebote in ganz klei- ich mich gerade in der jetzigen Situation total tienten isoliert behandelt werden. In enger Abstimmung nem Kreis mit dem nötigen Abstand. Mitarbeiter be- gut aufgehoben in der Stiftung.“ mit dem Gesundheitsamt und den Hagener Kranken- gleiteten die Bewohner direkt in ihrem Wohnumfeld – Stephanie Macke, Teamleitung Demenz-WG häusern wurden Intensivbetten frei gehalten. Auch die ein kleines Stück Normalität für alle. Die Werkstatt für Orthopädische Klinik Volmarstein und die Ortho-Klinik behinderte Menschen produzierte zahlreiche Spuck- „Ich bin froh, ein tolles Team zu haben, das die Patienten in der schwierigen Situation so gut betreut. Dortmund hielten Kapazitäten vor. schutz-Scheiben und 2.000 Visiere. (aN) Man merkt einen besonderen Zusammenhalt in der Stiftung. Die Patienten haben große Ängste und leiden unter der Einsamkeit. Daher versuchen wir als Ambulanter Dienst nicht nur zu pflegen, sondern auch Sicherheit zu vermitteln. Wir können Halt geben und eine Menge auffangen.“ Andrea Piter, Pflegedienstleitung Ambulanter Pflegedienst „Gerade am Anfang entstand ein gewaltiger Druck, den wir zum Glück auf viele Schultern verteilen konnten“, so Vorstand Pfarrer Jürgen Dittrich. „Man sieht in der Krise, dass wir als Team zusammen In einem persönlichen Brief und einem Schokoladen-Gruß bedankte stehen und viele Wege finden, das zu meistern.“ Dr. Stefan Rohrer, Oberarzt der Klinik für Allgemeine Innere und er sich gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Markus Bachmann Gastroenterologie im Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe bei jedem einzelnen Mitarbeitenden. „Gemeinsam sind wir stark – stark genug, um die Herausforderung mit ruhiger, sachlicher und kompetenter „Ich spüre einen großen Zusammenhalt in der Stiftung und bei uns in der Spezialpflege einen Gelassenheit zu begegnen.“ tollen Teamgeist. Danke an alle Kollegen, dass ihr in dieser besonderen Zeit den Humor und den Mut nicht verloren habt. Dafür meinen Respekt und ein großes Dankeschön.“ Christina Bösken, Pflegedienstleiterin der Spezialpfege-Einrichtungen 23. April 2020: Drei Oberlinschüler, die vor dem 27. April 2020: Ins Werner-Richard-Berufskolleg 28. April 2020: In den drei 29. April 2020: Der Vorstand schickt jedem Stiftungs-Mitarbeiter eine Über- Hauptschulabschluss stehen, kommen wieder in kehren 50 Schüler zurück. Es sind Schüler, die nach Stiftungs-Krankenhäusern raschungstüte mit Schokolade. Die Tüten werden in der Werkstatt für Men- die Schule. Zwei weitere Schüler, die ebenfalls den Unterrichtsschluss nach Hause fahren und nicht im läuft ein Teil des Regelbetriebs schen mit Behinderung gepackt. Die Druckerei des Berufsbildungswerks Abschluss machen möchten, werden weiter zuhau- angeschlossenen Internat wohnen. Außerdem wei- wieder an. Es finden wieder druckt die kleinen Grußkarten mit der Zeile „Vielen Dank für Ihren Ein- se unterrichtet. Sie gehören zur Risikogruppe. sen sie kein erhöhtes Gesundheitsrisiko auf. vermehrt Operationen statt. satz!“. Der Fuhrpark übernimmt die Verteilung an über 3000 Mitarbeiter. 18 Volmarsteiner Gruß 1-2020 19
Corona Es sind Bilder aus einer ungewöhnlichen Zeit: von der Martinskirche; von der Aula der Oberlinschule; vom Festplatz auf dem Stiftungs-Zentralgelände; von der Bauspielplatzwiese am Berufsbildungswerk. Unser Wunsch: Endlich wieder Trubel Sie zeigen leere Veranstaltungsorte in der Stiftung, aufgenommen mitten in der Corona-Krise. Normalerweise sind es Orte pulsierenden Lebens, an denen sich viele Menschen treffen und tummeln. Das gesellige Miteinander sehnen alle wieder herbei. Darum lohnt sich der Ausblick in Bildern auf die Zeit nach der Corona-Krise – wenn die Tristesse verschwunden ist und endlich wieder Trubel herrscht. 5. Mai 2020: Die Stiftung bietet an, zwei Flüchtlingskinder aus den überfüllten Lagern 8. Mai 2020: Der Bauspielplatz, der immer in der zweiten Som- 10. Mai 2020: Nach zwei Monaten Besuchs- in Griechenland aufzunehmen. Als die Anfrage der Evangelischen Kirche kam, wurden merferien-Hälfte auf der Wiese am Berufsbildungswerk stattfin- verbot dürfen Bewohner von Pflege- und Be- sofort zwei Plätze in Volmarstein zugesagt. Es handelt sich um Mädchen oder Jungen, det, wird abgesagt. Bei dem inklusiven Vorzeige-Projekt zimmern hinderten-Einrichtungen wieder Besuch von die ohne Eltern auf der Flucht sind. In den griechischen Flüchtlingslagern herrschen 300 Kinder, darunter einige mit Behinderung, ein Hütten-Dorf. Angehörigen empfangen – allerdings unter erbärmliche Verhältnisse, unter denen das Risiko einer Corona-Infektion hoch ist. In dem Getümmel lassen sich Abstandregeln nicht einhalten. Beachtung strenger Hygiene-Vorschriften. 20 Volmarsteiner Gruß 1-2020 21
Wechsel Morgens immer im Vorstand ein Tänzchen mit Der eigentliche Wechsel findet Ende Januar der 98-Jährigen 2021 statt – aber die Entscheidung ist bereits jetzt gefallen: Der Stiftungsrat der Evangeli- schen Stiftung Volmarstein hat frühzeitig die Nachfolge im Vorstand geregelt. Stefan Stapane wurde als Pfarrer Jürgen Dittrich wird nach 14-jähriger „Pfleger mit Herz“ ausgezeichnet Tätigkeit als Theologischer Vorstand im Januar nächsten Jahres in den Ruhestand gehen. Schon jetzt wurde Pfarrerin Stefan Stapane aus dem Haus Magdalena der Ev. Stiftung Dr. Sabine Federmann als Volmarstein hat die Auszeichnung „Pfleger mit Herz“ be- Nachfolgerin berufen. Sie kommen. Verliehen wurde sie vom Hagener Wochenblatt wird ab 1. Februar 2021 ge- „Stadt-Anzeiger“. Hintergrund: Die Redaktion hatte ihre Leser meinsam mit dem kaufmän- gebeten, Beispiele für besonders engagierte Pflegekräfte in nischen Vorstand Markus Altenheimen zu nennen. Bachmann die Stiftung leiten. Dr. Sabine Feder- Wer ihn vorgeschlagen hat – das weiß Stefan Stapane, der in mann ist nach der Tätigkeit Hagen wohnt, nicht so recht. Jedenfalls war er ziemlich überrascht, in verschiedenen Kirchengemeinden seit 2010 als er zuerst einen Anruf des Wochenblatts bekam und anschließend Besuch Studienleiterin der Evangelischen Akademie von einem Redaktions-Mitarbeiter, der ihn interviewte. Villigst in Schwerte. Wenn der 37-Jährige über seinen Alltag in der Altenpflege spricht, sprudelt die Herzlichkeit förmlich aus ihm heraus. beide Fachkräfte in der Altenpflege, hatten ihm Grundsätzlich gilt: Ein Vorstandsmitglied wird Grundsätzlich findet er: „Im Altenheim muss einfach Musik laufen.“ Musik nutzt er, um den Senioren Freude zu be- zum Wechsel in den Pflege-Bereich geraten. Das jeweils für fünf Jahre gewählt. Ein Jahr vor Ab- reiten – zum Beispiel bei der 98-Jährigen Dame, mit der er morgens vor der Pflege ein Tänzchen macht. Stefan Stapane, war eine gute Entscheidung: Mittlerweile gehört lauf der Amtszeit entscheidet der Stiftungsrat Familienvater von vier Kindern, ist beruflich ein Quereinsteiger. Vor seiner Tätigkeit in der Altenhilfe hatte er als Brük- Stefan Stapane im Haus Magdalena zum festen über eine Wiederwahl – vorausgesetzt, dass kenlackierer und Kommissionierer bei der Deutschen Post gearbeitet. Seine Frau Mareike und seine Schwiegermutter, Kreis der Kollegen. (toto) der jeweilige Vorstand dies möchte. (aN) Inklusives Team „Der Standort Herdecke ist ideal, da die Wege zu unseren drei Krankenhäusern in Volmarstein, Hagen und Dortmund kurz sind“, erklärt Dirk Domann, Leiter des Geschäftsbereichs Arbeit, zu dem das Steri- Center nun gehört. Dort bietet die Stiftung auch Menschen mit Behinderung eine berufliche Perspek- sterilisiert OP-Instrumente tive: Etwa 40 Prozent der 22 Arbeitsplätze in Voll- oder Teilzeit werden mit Menschen mit Autismus- Spektrum-Störung besetzt. Deshalb wird das Vorzeige-Projekt sowohl vom Landschaftsverband West- Alle Instrumente, die Ärzte in den OP-Sälen der drei Krankenhäuser der falen-Lippe (LWL) als auch von der Aktion Mensch großzügig gefördert. Gut möglich, dass die Zahl der Ev. Stiftung Volmarstein benutzen, werden künftig zentral sterilisiert. Mitarbeitenden längerfristig weiter steigt. Dafür hat die Stiftung das SteriCenter in Herdecke von der Wirtschafts- dienste Hellersen GmbH aus Lüdenscheid übernommen. In der Sterilisa- Bislang hatten die drei Stiftungs-Krankenhäuser die Sterilisation der OP-Instrumente individuell geregelt: tionsanlage werden demnächst mehrere 10.000 OP-Instrumente pro Im Krankenhaus Haspe gab es einen externen Dienstleister, die Klinik Volmarstein und die Ortho-Klinik Jahr gereinigt. Im ersten Schritt wird das Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe Dortmund hatten die Sterilisation jeweils selbst bewerkstelligt. „Die Zentralisierung in Herdecke garan- versorgt, es folgen die Kliniken Volmarstein und Dortmund. tiert nun einheitliche Qualitätsstandards auf Top-Niveau“, erklärt Dirk Domann den großen Vorteil. (toto) 22 Volmarsteiner Gruß 1-2020 23
Behinderung achsene Menschen mit Leichte Sprache Medizinische Pionier-Arbeit Für die Ambulanz für erw eine spezielle ik für Inklusive Medizin ist ebenso wie für die Klin n jedoch Viele Ressourcen werde Ausstattung erforderlich. . De sha lb setzt nicht finanziert von den Krankenkassen die Stiftung auf Eigenm ittel und Spenden. Stiftung eröffnet MZEB Krankenhaus Haspe eröffnet Ambulanz für erwachsene Menschen mit Behinderung. Die Stiftung Volmarstein hat Passiert ist die traurige Geschichte im Jahre 2017: Ein nie- in Hagen-Haspe dergelassener Hausarzt findet es überflüssig, bei einem Patienten mit Behinderung Krebsvorsorge zu leisten. Der ihr neues MZEB eröffnet. Vorfall macht fassungslos. Denn Menschen mit Behinde- Das ist die Abkürzung für rung, ohnehin hilfsbedürftig, benötigen im Krankheitsfall die besondere Aufmerksamkeit ihrer Ärzte. Deshalb hat Medizinisches Zentrum sich die Stiftung Volmarstein entschieden, für diese Pati- für Erwachsene mit Behinderung. enten eine optimale medizinische Versorgung zu schaffen. Das MZEB ist Ein wichtiger Baustein ist die Eröffnung des ambulanten am Krankenhaus Hagen-Haspe. „Medizinischen Zentrum für die Behandlung Erwachse- ner Menschen mit Behinderung (MZEB)“ in Hagen-Has- pe. Die neue Ambulanz bildet zusammen mit der be- Dr. Martin Kuthe ist der Chef vom MZEB. nachbarten Klinik für Inklusive Medizin ein Angebot, das Er sagt: Wir möchten Menschen weit über die Region hinaus einmalig ist. Allein drei Jahre hatte es gedauert, um die Zulassung zu bekommen. mit Behinderungen die beste medizinische Behandlung bieten. „Uns ist es eine Herzensangelegenheit, die Medizin für Menschen mit Behinderung zu verbessern“, betonte Dafür brauchen wir besondere Orte. Stiftungs-Vorstand Markus Bachmann bei der Eröffnungs- feier. Dabei unternahm er einen Ausflug in die Historie: Sie müssen gut zu dem passen, Denn seit ihrer Gründung im Jahre 1904 hat die Stiftung stets Wohnangebote für Menschen mit Behinderung was Menschen mit Behinderung geschaffen und ihnen Ausbildung und Beschäftigung brauchen. ermöglicht, sie aber auch immer medizinisch versorgt. „Dieser Tradition fühlen wir uns verbunden“, machte Der neue MZEB-Leiter Dr. Martin Kuthe behandelt seit Dass dies längst nicht überall gewährleistet ist, schilderte Zum Beispiel: Markus Bachmann klar. vielen Jahren erwachsene Menschen mit Behinderung. Prof. Dr. Michael Seidel. Der Mediziner setzt sich seit Jahr- • barrierefreie Behandlungs-Räume „Wir brauchen Orte, an denen medizinische Versorgung zehnten dafür ein, dass die bundesweiten Versorgungs-Defi- stattfindet, ohne dass die Werteskala der gesunden Men- zite behoben werden. „Die ambulante medizinische Versor- • besondere Untersuchungen schen Maßstab ist“, erklärte der Neurologe. gung von Erwachsenen mit Behinderung ist in Deutschland • Ärzte, die sich gut auskennen „Man muss in der Behandlung von Menschen mit bescheiden“, lautet sein aktueller Befund. Behinderung oft ungewöhnliche Wege gehen. Sein Kollege Dr. Jörg Stockmann, Chefarzt der nebenan Wenn viele mitmachen, klappt auch vieles.“ gelegenen Klinik für Inklusive Medizin, schilderte die Ähnlich sah es Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärzte- Markus Bachmann ist der Vorstand Dr. Jörg Stockmann, Chefarzt Klinik für Inklusive Medizin Erfolgsgeschichte eines Patienten mit starkem Autismus. kammer Westfalen-Lippe. Er machte deutlich, dass eine Am- von der Stiftung Volmarstein. Eigentlich hatte der Mann „nur“ eine Gallenblasenent- bulanz für erwachsene Patienten mit Behinderung dringend „Wenn nicht wir – wer sonst?“ zündung. Trotzdem war die Behandlung aufgrund seiner benötigt wird. „Nach dem Kindesalter gehen die Türen in Er sagt: Bei der Stiftung gehören Markus Bachmann, Vorstand der Ev. Stiftung Volmarstein Behinderung aufwändig: Die Untersuchung erfolgte in der medizinischen Versorgung für Menschen mit Behinde- Wohnen, Ausbildung und Arbeit Narkose. Anschließend wurde der Patient von einem in- rung zu“, betonte er die Realität. Und das, obwohl eigent- für Menschen mit Behinderungen „Man braucht Raum, Zeit, ein Team, terdisziplinären Team operiert. Nach der OP blieb er meh- lich 2,5 Millionen solcher Patienten aufgrund ihres Handicaps eine innere Einstellung, Offenheit und mehr, rere Tage in künstlichem Schlaf, damit die Wunde heilen besondere Bedingungen für Diagnose und Therapie benö- zusammen. um ein MZEB zu eröffnen.“ konnte. Erst dann wurde er entlassen. „Ohne OP wäre er tigen. Deshalb schlussfolgerte der Ärztekammer-Präsident: Eine gute medizinische Versorgung Dr. Martin Kuthe, Leiter des neuen MZEB sicher an der Infektion gestorben“, so Dr. Stockmann zur „Wir müssen dafür sorgen, dass sich neue Türen auftun, so Bedeutung einer optimalen Behandlung. wie es hier in Haspe gelungen ist.“ (aN) gehört auch dazu. 24 Volmarsteiner Gruß 1-2020
„Bochum, ich häng an dir…“ Julian Budde ist ein Schüler des Berufskollegs mit Autismus-Spektrum-Störung. Er engagiert sich als Volunteer beim VfL Bochum – ein Stück gelebte Inklusion. Beim Fußball-Zweitligisten VfL Bochum gehören Vo- Kurz bevor die Spieler einlaufen, stehen Volunteers lunteers zu den guten Seelen des Vereins. Ob vor dem schon auf dem satten Grün. Julian Budde gehört oft Stadion oder im Innenraum – bei jedem Heimspiel sind dazu. Jeder Handgriff sitzt, wenn die Helfer das riesige sie im Einsatz. Julian Budde ist einer dieser treuen Helfer runde Vereinsbanner zusammen falten, das immer den im Hintergrund. Der junge Mann mit Autismus-Spekt- kompletten Mittelkreis abdeckt. Gemeinsam schleppen rum-Störung geht zum Werner-Richard-Berufskolleg der sie es über den Rasen in die Katakomben. Währenddes- Evangelischen Stiftung Volmarstein. Sein Engagement sen läuft bei Grönemeyers Stadion-Hymne gerade die beim VfL Bochum ist ein Stück gelebte Inklusion, aber Zeile „Bochum, ich häng an dir…“ auch eine persönliche Herausforderung. Das liegt an seiner Behinderung. Regelmäßig ist Julian Budde vor und nach einem Spiel im Presse- und im VIP-Bereich im Einsatz. Er installiert an Heimspieltag in Bochum: Viele Fans, aber auch Volun- den Presseplätzen auf der Tribüne die Fernseher, damit teers wie Julian Budde, stehen in Gruppen zusammen. Journalisten Spielszenen auch in Zeitlupe sehen können. Da herrscht Gedränge, es ergeben sich spontane Ge- Er verteilt dort und im VIP-Raum die Liste mit den Auf- spräche. Gerade in solchen Situationen fühlen sich Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung unwohl, weil sie sie als unübersichtlich empfinden. Julian Budde hat gelernt, im Stadion damit umzugehen. Sein Selbst- bewusstsein ist durch sein Engagement als Volunteer gestiegen. „So lange ich nichts über den Stadion-Laut- stellungen. Er druckt nach dem Schlusspfiff in der Ge- Am Werner-Richard-Berufskolleg in Volmarstein lernt sprecher sagen muss, ist alles ok“, sagt er schmunzelnd. schäftsstelle Statistiken zur Zweikampf-Bilanz, Laufleis- er für die Fachhochschulreife. „Ich kann gut mit Zah- tung und Foul-Anzahl aus. Den Ausdruck legt er im len umgehen“, berichtet er über seine Stärken. Daher Kurz vor dem Anpfiff: Da schlägt im Stadion das Herz Presseraum des Stadions aus, in dem die Trainer nach sucht er nach der Schule eine Stelle in der Buchhaltung jedes VfL-Fans höher. Es ertönt die Bochum-Hymne dem Spiel u.a. Interviews geben, ebenso im VIP-Raum. eines Unternehmens. „Tief im Westen…“ von Herbert Grönemeyer. Viele Zuschauer, bei gut besuchten Heimspielen sind es Als Achtjähriger war Julian Budde zum ersten Mal Zurück zum Fußball: Julian Budde ist vom Zusammen- 20.000, singen aus voller Kehle mit. Sie alle fiebern im Bochumer Stadion. Der Papa hatte ihn mitgenom- halt unter den Volunteers begeistert. „Wir sind eine dem Moment entgegen, in dem beide Teams endlich men. Dadurch ist der heute 22-Jährige zum Fan ge- klasse Truppe“, sagt er. Alle genießen es, miteinander aus dem Spielertunnel kommen. Dann brandet Jubel worden, der jenseits des Fußballs klare Ziele verfolgt: „ihren“ Verein zu unterstützen. Auf die Pflege des Ge- auf – Stadion-Atmosphäre pur! Mehr zum Thema lesen Sie auf der folgenden Seite 26 Volmarsteiner Gruß 1-2020 27
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