Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein

Die Seite wird erstellt Sören Kühne
 
WEITER LESEN
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
1-2020
Volmarsteiner Gruß
Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona Spezial                                                             Liebe Leserinnen und Leser,
                                             „Ach Jungchen, am Ende wird doch alles gut…“ –                        4    liebe Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein!
                                             Begegnungen und Beobachtungen in der Stiftung

                                             Spaziergang mit Bewohner sorgt für wichtige Auszeit –                12    „Alles ist anders!“ Dieser Satz ist in den vergangenen       sich als ehrenamtlicher Helfer beim Fußball-Zweitligisten
                                             Interview zum Alltag im Hans-Vietor-Haus                                   Wochen und Monaten oft gefallen. Er beschreibt kurz          VfL Bochum; Im Kraftraum des Berufskollegs hörten
                                                                                                                        und knapp die Auswirkungen der Corona-Krise. Natür-          viele Schüler mit Behinderung gespannt zu, als Bun-
                                             Digitaler Schub für die Berufsausbildung                             14
                                                                                                                        lich sind auch wir in der Evangelischen Stiftung Volmar-     desliga-Trainer Hannes Wolf aus einem Fußballbuch
                                                                                                                        stein von dieser gesellschaftlichen Erschütterung massiv     vorlas; und wie Sportunterricht an einer Förderschule
                                             Rückkehr in die Schule als große Herausforderung                     16
                                                                                                                        betroffen. Darauf gehen wir in diesem Volmarsteiner          für schwer behinderte Kinder funktioniert, zeigt die
                                             „Ein gutes Gefühl, nicht isoliert zu sein“
                                                                                                                        Gruß ausführlich ein.                                        Tischtennis-Variante Polybat, die unsere Oberlinschüler
                                                                                                                                                                                     leidenschaftlich gerne spielen.
                                             Mutmacher: Gewaltige Last auf viele Schultern verteilt               18
                                                                                                                        In unseren Häusern und Einrichtungen versorgen wir
                                             Nach der Krise – ein Ausblick in Bildern                             20    die Schwächsten der Gesellschaft: alte, behinderte und       Alle diese Themen beschreiben ein Stück Normalität.
                                                                                                                        kranke Menschen. Gerade sie wünschen sich menschli-          Sie machen Hoffnung auf eine Zeit, in der wir uns keine
                                                                                                                        che Nähe und benötigen persönliche Zuwendung. Doch           Sorgen mehr wegen des Corana-Virus machen müssen.
                                             Stefan Stapane als „Pfleger mit Herz“ ausgezeichnet                  22    ausgerechnet soziale Kontakte sind in der Corona-Krise       Wir wünschen uns sehr, dass wir schon bald einander
                                             Wechsel im Vorstand frühzeitig geregelt                                    schlagartig zur Gefahr geworden: Wer einem anderen           sagen können: „Alles ist wieder normal!“
                                                                                                                        zu nahe kommt, riskiert für beide ein erhöhtes Infekti-
                                             Stiftung übernimmt SteriCenter für OP-Instrumente
                                                                                                                        onsrisiko. Einem Menschen den Arm um die Schultern           Bis dahin grüßen Sie herzlich und wünschen Ihnen
                                             Medizinische Pionierarbeit                                           24    legen, während man ihm gut zuredet – schon diese             Gottes Segen
                                                                                                                        kleine Geste birgt Gefahren.
                                             Schüler mit Autismus-Spektrum-Störung als Volunteer                  26
                                             beim VfL Bochum                                                            Man kann erahnen, vor welch große Herausforderun-
                                                                                                                        gen die Krise unsere Mitarbeitenden gestellt hat. Ob im
                                             Neuer Chef-Kardiologe in Haspe                                       29
                                                                                                                        Krankenhaus, in der Altenpflege oder in der Behinder-
                                                                                                                        tenhilfe: Es gibt viele Alltagssituationen, in denen sie
                                             Kino-Abend für die Reittherapie                                      30
                                                                                                                        den empfohlenen Abstand nicht einhalten können. Wer
                                             Esel-Kunstwerk steht nun am Mops                                           einen bettlägerigen alten Menschen wäscht, wer einem
                                                                                                                        Menschen mit schwerer Behinderung Essen anreicht –
                                             Vorlesestunde in der Muckibude                                       32
                                                                                                                        das gelingt nur aus der Nähe. Wer diese ungemein
                                             Klinik Volmarstein erweitert OP-Bereich                              34    wichtige Arbeit Tag für Tag leistet, verdient unsere Aner-
                                                                                                                        kennung und Wertschätzung – und zwar dauerhaft!
                                             Wirbelsäulenzentrum: Qualität bestätigt

                                             Auszeichnung für zwei Chefärzte                                            Unabhängig von der Krise: In diesem Heft möchten wir
                                                                                                                        auch Einblicke in die vergleichsweise unbeschwerte Zeit
    Unser Titelbild entstand bei einem       Briefmarken-Schätzchen gespendet                                     35                                                                            Pfarrer                  Diplom-Kaufmann
                                                                                                                        ohne Corona geben. Denn in der Stiftung hat sich eine
    Spaziergang, den Janina Ullrich,                                                                                                                                                        Jürgen Dittrich              Markus Bachmann
                                             Autismus-Experten beim bundesweiten Fachkongress                           Menge getan. Wir haben in Haspe ein Medizinisches
    Mitarbeiterin des Hans-Vietor-Haus,
                                                                                                                        Zentrum zur ambulanten Versorgung von erwachsenen                                     Vorstand
    mit einem Bewohner unternommen
                                             Therapiedienste bieten im Alten Stadtbad Fachkompetenz               36
    hat. Sie betreut in der Spezialpflege-                                                                              Menschen mit Behinderung eröffnet. Es ist ein Meilen-
                                             aus einer Hand
    Einrichtung Menschen mit schwerer                                                                                   stein im Bereich der Behinderten-Medizin, auf die wir in
    Behinderung, die zusätzlich pflege-      Fast wie Tischtennis: Kinder mit schweren Behinderungen              37    den kommenden Jahren unser Augenmerk besonders
    bedürftig sind. Wie in anderen           spielen Polybat                                                            richten möchten. Weil dieses Projekt so ungemein wich-
    Bereichen auch, ist menschliche                                                                                     tig ist, bitten wir dafür verstärkt um Spenden.
    Nähe in ihrem Arbeitsalltag unver-       Unter einem Dach: Kita und Menschen mit Behinderung
    zichtbar – auch in der Corona-Krise.
                                             Vor 25 Jahren: Neue Beratungsstelle traf einen Nerv                  38    Auch rund um den Sport gibt es Interessantes: Ein
                                                                                                                        junger Mann mit Autismus-Spektrum-Störung, der
                                             Ansprechpartner / Impressum                                          39    unser Werner-Richard-Berufskolleg besucht, engagiert

2                                                                                           Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                        3
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona

                       „Ach Jungchen,
                                                                                                                                    Die Corona-Krise trifft behinderte und
                                                                                                                                    alte Menschen hart. Für sie besteht
                                                                                                                                    eine erhöhte Ansteckungsgefahr.
                                                                                                                                    Weil sie wenig oder keinen Besuch

                       am Ende wird                                                                                                 bekommen dürfen, fühlen sie sich
                                                                                                                                    einsam. Wie gelingt es in der Stiftung,
                                                                                                                                    den Menschen und ihren Familien

                       doch alles gut…“                                                                                             Mut zu machen? Begegnungen und
                                                                                                                                    Beobachtungen in der Krise.

                                                                                                                                                                                                       Gesegnet aus zwei Metern Entfernung

                                                                                                                                                                                                       Ein kleiner Raum im Dietrich-Bonhoeffer-Haus:
                                                                                                                                                                                                       Am Längstisch sitzen eine 93-Jährige Dame, die
                                                                                                                                                                                                       in der Senioren-Einrichtungen lebt, und Diakon
                                                                                                                                                                                                       Andreas Vesper. Seit Wochen hat die betagte
                                                                                                                                                                                                       Dame keinen Besuch von ihrem Sohn empfan-
                                                                                                                                                                                                       gen dürfen – zum Schutz vor einer Infektion.
                                                                                                                                                                                                       Weil sie sich deshalb sehr einsam fühlt, hat sie
                                                                                                                                                                                                       um die Begegnung mit dem Seelsorger gebeten.
                                                                                                                                                                                                       Als Stiftungs-Mitarbeiter darf er sie treffen.

                                                                                                                                                                                                       Beide führen ein intensives Gespräch. Am Ende
                                                                                                                                                                                                       möchte die 93-Jährige den Segen gespendet be-
                                                                                                                                                                                                       kommen. Normalerweise würde Andreas Vesper
                                                                                                                                                                                                       das aus nächster Nähe tun. Diesmal aber segnet
                                                                                                                                                                                                       er aus zwei Metern Entfernung – wegen der
                                                                                                                                                                                                       Abstandsregel. „Uns sind gemeinsam die Tränen
                                                                                                                                                                                                       gekommen“, berichtet er hinterher über diesen
                                                                                                                                                                                                       rührenden Augenblick.

             Chronik

                       Corona-Krise in Volmarstein. Um zur Eindämmung des Corona-Virus beizutragen, fährt die Stiftung                               10. März 2020: Das für den 13. März geplante große Helfer-Essen in der Martinskir-
                       Volmarstein ab Mitte März ihren komplexen Betrieb herunter. Das hat gravierende Auswirkungen auf den                          che auf dem Stiftungs-Zentralgelände wird abgesagt – wegen der beunruhigenden
                       Alltag der 3700 Mitarbeiter, die rund um die Uhr im Einsatz sind. Sie engagieren sich in Behinderten,- Al-                    Nachrichten über Corona! Gut 80 Bewohner mit Behinderung und Ehrenamtliche, die
                       tenhilfe- und Bildungs-Einrichtungen für mehr als 3.000 hilfsbedürftige Menschen. Außerdem versorgen                          beim inklusiven Weihnachts-Musical mitgewirkt hatten, wollten in geselliger Runde
                       sie jährlich mehrere Tausend Krankenhaus-Patienten. Hier Stationen des sogenannten „Shutdowns“:                               Chinesisch essen. Die Absage ist ein Vorbote der Ereignisse, die kurz darauf folgen.

         4                                                                                              Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                         5
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona

             In der Krise ist Stiftungs-Seelsorger Vesper oft in Seni-            Tochter Patricia (27) wiedersehen konnte. Die Zeit des           Auftrags-Boom für Schutzartikel
             oren- und Behinderten-Einrichtungen unterwegs. Zwei                  Besuchsverbots, so die Mutter, sei für sie sehr hart             der Marke Eigenbau
             Monate lang herrschte dort ein absolutes Besuchsver-                 gewesen. Patricia lebt im Hans-Vietor-Haus. Die junge
             bot. Dass so lange kein Angehöriger ins Haus durfte,                 Frau kann nicht sprechen und sitzt oft regungslos im             Die große Plexiglasscheibe im Hans-
             hat viele Bewohner enorm belastet. „Wenn Menschen                    Rollstuhl. Sie ist schwerstmehrfachbehindert, seitdem sie        Vietor-Haus ist „Made in Volmarstein“.
             ohnehin psychisch labil sind, werden die Ängste durch                nach einer OP aus dem künstlichen Koma erwacht ist.              Produktion und Aufstellung solcher
             Corona noch größer“, hat Andreas Vesper immer wie-                                                                                    Scheiben haben Mitarbeiter der Werk-
             der festgestellt. Und gerade alte Menschen, so Vesper,               Damit Menschen wie Martina Vierke endlich wieder                 statt für behinderte Menschen bewerk-
             hätten Angst zu sterben, ohne ihre Liebsten noch ein-                zu Besuch kommen durften, hatten die engagierten                 stelligt. Während überall Kontakte auf
             mal hautnah zu sehen.                                                Mitarbeiter des Hauses einen Raum hergerichtet, der              ein Minimum reduziert wurden, war
                                                                                  separat von außen betreten werden kann. Für dessen               vor allem die Haustechnik-Gruppe
             Er hat aber auch Senioren getroffen, die trotz aller                 Nutzung schrieben sie ein ausgeklügeltes Infektions-             um Andreas Fischer gefragter denn je.
             Sorgen ungewöhnlich viel Zuversicht demonstrierten:                  schutz-Konzept, das das „Okay“ des Gesundheitsamtes              „Wir sind fast mehr herumgekommen
             „Ach Jungchen, am Ende wird doch alles gut!“ Das hat                 bekam: Mitten in den Raum stellten sie eine 1,80 x               als in früheren Zeiten“, schmunzelt
             ihm eine Seniorin mit der geballten Lebenserfahrung                  1,80 Meter große Plexiglas-Wand, die Bewohner und                Fischer angesichts des Auftrag-Booms.
             einer über 90-Jährigen gesagt. Mit „Jungchen“ meinte                 Besucher voneinander trennt. Vor der Begegnung wird              Jede Menge Bestellungen für Plexiglas-
             sie Andreas Vesper. Er ist 44 und wird den Moment, als               beim Besucher die Temperatur gemessen. Außerdem                  scheiben diverser Größen gingen bei
                                                                                                                                                                                                  Andreas Fischer (re.) und sein Kollege Lothar Frenzel mit einer großen Trennscheibe aus Plexiglas.
             dieser Satz fiel, so schnell nicht vergessen.                        wird er nach Erkältungssymptomen befragt. Während                ihm ein – stets verbunden mit der
                                                                                  des Besuchs ist ein Mitarbeiter anwesend. Es besteht             freundlichen Bitte um schnelle Lieferung.
                                                                                  Mundschutz-Pflicht.
             Erste Begegnung seit über sieben Wochen                                                                                               Durch ihren Einsatz machten Andreas Fischer und seine               streifen für die Stirn sowie ein Gummiband samt
                                                                                  Auch wenn die Atmosphäre hinter Plexiglas ein we-                Mitstreiter in diversen Einrichtungen kleine, aber enorm            Klettverschlüssen. Der große Vorteil des Visiers: Es lässt
             Einen besonderen Moment hat auch Martina Vierke                      nig unpersönlich ist und immer ein Termin vereinbart             wichtige zwischenmenschliche Begegnungen möglich.                   sich problemlos mit Desinfektionsmittel reinigen und
             erlebt. „Es war für mich sehr emotional“, beschreibt                 werden muss: Das Besuchs-Angebot wurde als große                 So konnten dank maßgefertigter Trennscheiben Bewoh-                 wieder verwenden.
             sie ihre Gefühle, als sie nach über sieben Wochen ihre               Erleichterung empfunden. „Es ist total schön, dass ich           ner wieder gemeinsam an einem Tisch essen.
                                                                                                         jetzt wieder regelmäßig bei mei-                                                                              Oster-Zeitung sorgt für reichlich Klön-Stoff
                                                                                                         nen Bruder sein kann“, sagt bei-          Die Scheiben gehörten zu einem kleinen Sortiment
                                                                                                         spielsweise Paschalina Paraskevas.        von Hilfsmitteln, die die Werkstatt-Mitarbeiter für ihre            „Corona-Zone Altenheim!“ „Fünf Tote im Pflege-
                                                                                                         Ihr Bruder Dimitrios (21) befindet        Kollegen in den stiftungseigenen Pflegeeinrichtungen                heim!“ – Schlagzeilen wie diese sorgten für Aufsehen.
                                                                                                         sich auf dem Entwicklungsstand            produziert haben. Dank ihrer pfiffigen Ideen leisteten              Mitarbeitende in der Stiftung stellten sich oft die
                                                                                                         eines neun Monate alten Babys.            sie wertvolle Hilfe im schwierigen Corona-Alltag – so               bange Frage: Was passiert, wenn das Virus bei uns
                                                                                                         Er kann weder sprechen noch               u.a., als sie aufstellbare Dosierspender für Desinfek-              ausbricht? „Natürlich macht man sich darüber Ge-
                                                                                                         sich bewegen. So lange keine              tionsmittel anfertigten.                                            danken“, sagt auch Magdalena Porgozalek. Sie leitet
                                                                                                         Besuche möglich waren, ist                                                                                    das Haus Buschey, in dem es 58 Zimmer für pflege-
                                                                                                         Paschalina Paraskevas oft am              Dringend benötigt wurden auch die rund 2.000 Ge-                    bedürftige alte Menschen gibt. Um sie zu versorgen,
                                                                                                         Hans-Vietor-Haus vorbeigefahren.          sichts-Visiere aus der Werkstatt. Als Einzelteile dien-             sind 45 Mitarbeitende im Einsatz. Sie mussten lernen,
                                                                                                         Auf diese Weise wollte sie mög-           ten gängige Baumarkt-Materialen: das zugeschnittene                 mit der Infektionsgefahr umzugehen. Dabei halfen
                                                                                                         lichst nah bei Dimitrios sein.            Stück einer Polycarbonatscheibe, ein Schaumstoff-                   viele Gespräche untereinander. Fieber messen bei

         Martina Vierke beim Besuch ihrer Tochter Patricia im Hans-Vietor-Haus.

                    13. März 2020: Das tägliche Besuchsrecht in Stiftungs-Einrichtungen wird eingeschränkt: In Krankenhäusern ist nur noch                         16. März 2020: Die eingeschränkte Besuchsmöglichkeit in Stiftungs-Einrichtungen wird gestrichen.
                    zwischen 16 und 18 Uhr Besuch gestattet. Maximal dürfen zwei Besucher kommen. In Altenheimen ist ein Besucher erlaubt –                        Von nun an gilt in Krankenhäusern sowie Behinderten- und Altenheimen ein absolutes Besuchsverbot.
                    für eine Stunde und nur auf dem Zimmer. Ähnliche Einschränkungen gelten in den Häusern für Menschen mit Behinderung.                           Nur in ethischen Ausnahme-Situationen wie zur Begleitung Sterbender bleiben Besuche möglich.
                    Alle Veranstaltungen und Fortbildungen werden gestrichen. Ausflüge und Klassenfahrten fallen aus. Termine mit Besucher-                        Die Schulen der Stiftung schließen: An der Oberlinschule, am Werner-Richard-Berufskolleg und an der
                    gruppen sind abgesagt.                                                                                                                         Bildungsakademie Volmarstein findet kein Unterricht mehr statt.

             6                                                                                                         Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                                             7
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona

         Bewohnern und im Kollegen-Kreis gehörte schnell zur             Die Senioren in Haspe hatten nämlich Post von mehre-
         Routine. Dass in der Stiftung genug Schutzkleidung              ren Kindern der freien evangelischen Schule Hagen
         vorhanden ist, gab zusätzlich Sicherheit. Und um                bekommen: „Liebe Altenheimbewohner, ich schreibe
         „ihre“ Senioren zu beschützen, leisteten Mitarbeiten-           Ihnen diesen Brief, weil die Schule wegen Corona ge-
         de noch einen ganz persönlichen Beitrag: Viele ver-             schlossen hat.“ So fing Gabriellas erster Brief an, in dem
         zichteten nach Feierabend auf sonst übliche Begeg-              die Gesamtschülerin auch Fragen stellte: „Wie heißen
         nungen mit Verwandten.                                          Sie und wie alt sind Sie? Wie geht es Ihnen?“

         Das Alltagsleben der Senioren beschränkte sich lange            Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Hallo
         auf ihren Wohnbereich. In kleiner Runde fanden dort             Gabriella, Mir geht es gut. Ich heiße Anneliese und bin
         Aktionen wie Vorlesen und Singen statt. Für reichlich           101 Jahre alt“, schrieb Anneliese Felten zurück. Und:
         Klön-Stoff sorgte eine Oster-Überraschung: Mit viel             „Ich habe fünf Enkelkinder. Wegen des Corona-Virus
         Liebe zum Detail hatten Mitarbeitende eine kleine               kann ich im Moment keinen Besuch bekommen. Das
         Zeitung erstellt – mit Zeichnungen, Kreuzworträtseln            macht mich sehr traurig. Meine Kinder rufen fast täglich
         und einer Menge Quizfragen wie diese: Was ist ein               bei mir an.“ Die Seniorin fragte zurück: „Was möchtest
         „Falscher Hase“? Richtige Antwort: ein Hackbraten.              du später gerne werden?“

                                                                         Schon bald hielt die Seniorin Gabriellas Antwort in den
         101-Jährige knöpft Brieffreundschaft                            Händen: „Ich freue mich sehr, dass du zurückgeschrie-
                                                                         ben hast. Wenn ich es sagen darf: Sie haben ein stolzes
         Gabriella ist 11 Jahre alt. Mitten in der Corona-Krise          Alter.“ Gabriellas Berufswunsch löste ein Lächeln bei der
         hat sie eine Brieffreundschaft mit der 101-jährigen An-         Seniorin aus: „Ich möchte Altenpflegerin werden oder
         neliese Felten aus dem Altenheim Haspe geschlossen.             etwas mit Kindern machen.“
         Es war kein Einzelfall, dass Generationen in der Corona-
         Krise zusammen fanden.
                                                                         Ersatz für fehlenden Schulalltag geschaffen

                                                                         Was ist Corona? Das fragten viele der 24 Mädchen und
                                                                         Jungen aus dem Marianne-Behrs-Haus in den ersten
                                                                         Tagen der Krise. „Sie haben sofort gespürt, dass et-
                                                                         was nicht stimmt“, berichtet Teamkoordinatorin Sina
                                                                         Sienknecht. Schnell hätten die Kinder mit Autismus-
                                                                         Spektrum-Störung oder kognitiven Einschränkungen
                                                                         Grundsätzliches verstanden: zum Beispiel, dass sich
                                                                         alle immer die Hände waschen müssen. Weil diese
                                                                         Altersgruppe voller Tatendrang steckt, musste das
                                                                         Betreuungsteam Ersatz für den fehlenden Schulalltag
                                                                         schaffen. Denn als die Oberlinschule geschlossen war,

                            17. März 2020: Im Berufsbildungswerk laufen intensive Vorbereitungen, um den                                    18. März 2020: Die rund 270 Beschäftigten      19. März 2020: Per Rundmail erhalten alle Stif-
                            Betrieb virtuell zu ermöglichen. Die rund 300 Auszubildenden mit Behinderung,                                   mit Behinderung dürfen die Werkstatt für       tungs-Mitarbeiter die Möglichkeit, sich bei Fragen
                            von denen viele im angeschlossenen Wohnbereich leben, werden von ihren Eltern                                   Menschen mit Behinderung nicht mehr be-        zum Thema „Corona“ telefonisch direkt an den
                            abgeholt. Alternativ wird für sie die Abreise per ÖPNV organisiert. Auch das Wer-                               treten. Sie bleiben tagsüber in den Wohnhäu-   Betriebsarzt zu wenden. Diese besondere Form der
                            ner-Richard-Berufskolleg und die Oberlinschule gehen zum virtuellen Lernen über.                                sern und werden dort qualifiziert betreut.     Sprechstunde wird in der Folgezeit intensiv genutzt.

         8                                                                                                      Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                         9
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona

                                                                                                                                                       Freude stiften in
         fehlte den Kindern über Monate der
         tägliche Umgang mit ihren Klassenka-
         meraden. Es gelang den Mitarbeiten-
         den, für jedes Kind eine eigene Tages-
         struktur aufzubauen. Dazu gehörten
         neben Spielaktionen im Haus, dass die
                                                                                                                                                       besonderer Zeit
         Kinder regelmäßig in Begleitung nach
         draußen gingen – z.B. zum Einkaufen                                                                                                           In der Stiftung Volmarstein gibt es in den Häusern
         oder zum Waldspaziergang.                                                                                                                     der Behinderten- und Altenhilfe eine bunte Veran-
                                                                                                                                                       staltungskultur: Wenn bei Sommer- und Herbstfesten
         Normalerweise trübt die schulfreie Zeit                                                                                                       Musiker oder Künstler auftreten, erleben die Bewohner
         die Stimmung im Marianne-Behrs-Haus                                                                                                           besonders vergnügliche Stunden. Die Vorfreude darauf
         gegen Ende jeder Sommerferien.                                                                                                                ist immer groß – schließlich genießen alle die Gesellig-
         Obwohl der Schulausfall wegen der                                                                                                             keit. All diese schönen Veranstaltungen können vorerst
                                                                                                                                                                                                                                        Anton & Antonella treiben u.a. für bettlägerige Menschen Schabernack.
         Corona-Krise deutlich länger ausfiel,                                                                                                         nicht stattfinden.
         kamen die Mädchen und Jungen ver-
         gleichsweise gut damit zurecht. „Die                                                                                                          Doch zum Glück lassen sich auch mit Sicherheitsabstand                     Ein anderes künstlerisches Spenden-Projekt ist die
         Stimmung ist besser als in der fünften                                                                                                        Freude stiften und Menschen miteinander verbinden.                         Clownsvisite. Anton & Antonella sorgen z.B. bei bettlä-
                                                         Bei Evergreens wie dem Biene-Maja-Song schunkelten die Senioren im Haus Magdalena.
         Woche der Sommerferien“, so das                                                                                                               In der Corona-Krise gab es wunderschöne musikalische                       gerigen Menschen mit Behinderung für Heiterkeit – na-
         Zwischenfazit von Sina Sienknecht                                                                                                             Aktionen, die für viel Freude gesorgt haben. Aufgrund                      türlich mit einem Schutz-Visier, damit die bunt bemalten
         nach über zwei Monaten Schulausfall.                                                                                                          dieser schönen Erfahrung möchte die Stiftung mit Hilfe                     Gesichter zu erkennen sind. Die beiden Clowns dürfen
                                                                            Ob Schlager, Kirchenlieder oder Jazz – in der tristen                      von Spenden weitere Künstler gewinnen, damit sie bei                       aus Sicherheitsgründen nicht in die Bewohnerzimmer.
                                                                            Zeit des Besuchsverbots sorgten Konzerte in vielen                         Fensterkonzerten musizieren oder für abendliche Klänge                     Sie stehen stattdessen in der Tür, wenn sie ihren Scha-
         Singen und schunkeln bei Evergreens                                Häusern der Stiftung für Ablenkung. Dabei spielten                         in Innenhöfen sorgen.                                                      bernack treiben. So sorgen sie dafür, dass ein wenig
                                                                            die Musiker stets ehrenamtlich – ein tolles Zeichen                                                                                                   Normalität zurückkehrt. Gerade in der Corona-Zeit soll
         Das Pipi-Langstrumpf-Lied, der Biene-Maja-Song oder                von Solidarität mit der älteren Generation.                                                                                                           ein Besuch der beiden Spaßmacher bei möglichst vielen
         „Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen….“:                                                                                                                                                                           Menschen ermöglicht werden.
         Diese Evergreens kennen alle. Die Senioren im Haus                 Ganz besondere Erinnerungen weckte Jazz-Musik
         Magdalena sangen, summten oder schunkelten ge-                     bei einem Mann mit starker Demenz: Während des                                                                                                        Ob Konzert oder Clownsvisite – solche innovativen
         mächlich mit, als im Garten des Altenheims die Gruppe              Freiluft-Konzerts pfiff er zunächst mit und dirigierte.                                                                                               Kultur-Angebote ersetzen zwar nicht die beliebten Feste
         „Green Flys“ aufspielte. Es gab rührende Szenen mit                Ganz zum Schluss hielt er plötzlich die Arme in die                                                                                                   und Feiern, tragen aber dazu bei, die Lebensqualität der
         glücklichen Gesichtern.                                            Luft, als ob er selbst Trompete spielen würde. Wahr-                                                                                                  Bewohner zu verbessern. (mp)
                                                                            scheinlich erinnerte er sich daran, dass er früher selbst
         „Solche Lieder wecken bei den alten Menschen unge-                 musiziert hatte.
                                                                                                                                                                                                                                      Ohne Spenden geht es nicht, denn für viele
         mein positive Erinnerungen“, sagt Heimleitung Cordula
                                                                                                                                                                                                                                      Angebote reicht die Regelfinanzierung nicht aus.
         Tiltmann. Bei strahlendem Sonnenschein saßen die                   Der alte Mann mit der imaginären Trompete – auch
                                                                                                                                                                                                                                      Daher ist die Stiftung auf die Mithilfe von Freunden
         Senioren mit Abstand vor der Band, einige lauschten                das ist ein Bild aus der Corona-Krise, das in Erinnerung
                                                                                                                                                                                                                                      und Förderern angewiesen, damit auch in schwieriger
         an Fenstern. Dankbar spendeten sie zarten Applaus.                 bleiben wird. (toto)                                                                                                                                      Zeit Freude und Herzlichkeit gestiftet werden können.
                                                                                                                                                 Auftritt für Senioren am Haus Magdalena (v.li.): Pfarrer Martin Streppel,
                                                                                                                                                 Organistin Ulrike Basteck und Trompeter Ulrich Külpmann.

                     20. März 2020: Das Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe bereitet sich auf die Aufnahme von Corona-Patienten vor.                               21. März 2020: In einer E-Mail                             23. März 2020: Ab sofort läuten die Glocken der Martinskirche auf dem
                     Eine Station wird umgebaut, um die Patienten isolieren zu können. Außerdem gibt es mehr Beatmungsplätze.                              an alle Mitarbeiter schreibt der                           Stiftungs-Zentralgelände täglich um 12 und 19 Uhr. Das Geläut ist ein
                     Wenn medizinisch vertretbar, werden OPs abgesagt. So entstehen Kapazitäten für Corona-Patienten.                                      Stiftungs-Vorstand: „Für Ihren                             hörbares Zeichen der Verbundenheit und der spezielle Volmarsteiner
                     Die Stiftung richtet sich auf eine Ausgangssperre ein, die von der Bundesregierung erwogen wird. Mitarbeiter,                         großen Einsatz möchten wir uns                             Applaus für diejenigen, die sich in Krankenhäusern sowie Senioren- und
                     die nicht von Hause aus arbeiten können, erhalten vorsorglich eine Bescheinigung.                                                     ganz besonders bedanken.“                                  Behindertenheimen um hilfsbedürftige Menschen kümmern.

         10                                                                                                          Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                                                    11
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona

         Spaziergang mit Bewohner
         sorgt für wichtige Auszeit
         Interview mit Janina Ullrich, die im Hans-Vietor-Haus
         Menschen mit schweren Behinderungen betreut.

         Im Hans-Vietor-Haus der Stiftung Volmarstein leben                 auf die Mimik ihres Gegenübers angewiesen, um ihn
         Menschen mit schwerer Behinderung, die pflegebe-                   zu verstehen und Emotionen deuten zu können. Un-              frische Luft. Außerdem verschafft der Rundgang
         dürftig sowie körperlich und kognitiv eingeschränkt                möglich war anfangs die Kommunikation mit schwer-             eine Auszeit vom Alltag in der Gruppe. Man trifft
         sind. Rehabilitations-Pädagogin Janina Ullrich schildert           hörigen Bewohnern, weil sie Worte von unseren Lippen          Leute, die nicht zur Hausgemeinschaft gehören.
         im Interview, wie sich die Corona-Krise auf die Betreu-            ablesen müssen. Das ist erst besser geworden, seitdem         Das ist auch in Corona-Zeiten so. Doch es gibt un-
         ung dieser Menschen ausgewirkt hat.                                wir durchsichtige Gesichts-Visiere nutzen. Trotzdem ist       terwegs weniger Kontakte, weil wir sehr darauf
                                                                            auch diese Lösung nicht optimal.                              achten müssen, dass der Bewohner den Abstand
         Wochenlang durften die Bewohner keinen Besuch                                                                                    zu anderen Menschen hält. Leider können wir
         bekommen. Haben Sie ihnen diese einschneidende                     Welche Möglichkeiten gibt es, um Bewohner angesichts          niemandem einen täglichen Spaziergang anbieten.
         Maßnahme erklären können?                                          der besonderen Verhältnisse zu unterstützen?                  Wir betreuen 18 Bewohner pro Gruppe – da ist ein
         Einige konnten es kognitiv nicht verstehen und wur-                In unserem Haus herrscht immer eine hohe Geräusch-            solches Angebot zeitlich nicht möglich.
         den deshalb unruhig. Wir haben versucht, ihnen die                 kulisse, weil viele Bewohner nur lautieren können.
         Situation mit einfachen Erklärungen verständlich zu                Das sorgt für eine natürliche Anspannung, die durch           Wie halten Sie persönlich im Betreuungs-Alltag
         machen. Ein Satz wie „Im Moment geht das alles                     Corona noch größer geworden ist. Um mehr Ruhe                 die Abstandsregel ein?
         nicht wegen Grippe“ ist ein Beispiel dafür. Schwierig              in den Alltag zu bringen, haben wir verstärkt auf             Das ist für meine Kollegen                                                                                         Beim Spaziergang auf dem
                                                                                                                                                                                                                                                             Stiftungs-Zentralgelände
         wurde es auch an Geburtstagen: Manche Familien                     Angebote wie Massagen, Klangmassagen oder Ent-                und mich nahezu unmög-
                                                                                                                                                                                                                                                             fragt Janina Ullrich Autotypen
         waren noch nie an einem Geburtstag voneinander                     spannung in Einzel- und Gruppenangeboten gesetzt.             lich. Viele Menschen mit                                                                                           und die Buchstaben von
         getrennt. Um grundsätzlich den Kontakt zu halten,                  Wir kuscheln zum Beispiel mit Bewohnern auf einer             Behinderung, die wir be-                                                                                           Kennzeichen ab – ein
         haben Telefonate und Videoanrufe geholfen, ebenso                  großen Matte. Diese Beruhigung hilft ihnen, aber auch         treuen, benötigen körper-                                                                                          Steckenpferd des Bewohners.

         Briefe und kleine Pakete.                                          uns Mitarbeitenden.                                           lichen Kontakt mit uns oder
                                                                                                                                          suchen ihn aktiv. Ohne die-
         Wie war die Reaktion, als alle Betreuer plötzlich                  Regelmäßig sind Sie mit einzelnen Rollstuhlfahrern            se Nähe können wir den
         Schutzmasken trugen?                                               draußen unterwegs. Welche Bedeutung haben diese               Bedürfnissen der Bewohner
         Da haben uns viele Bewohner erstmal fragend ange-                  Spaziergänge aktuell?                                         nicht gerecht werden.
         schaut. Und in einigen Fällen gab es echte Probleme:               Schon immer war der Spaziergang mit einem Bewoh-              Nähe bietet eine emotio-
         Denn gerade Schwerstmehrfachbehinderte sind oft                    ner wichtig: Jeder Mensch braucht schließlich mal             nale Stütze und Halt. (toto)

                                   30. März 2020: Die Wohnberatung des stiftungseigenen For-                                                                3. April 2020: Ab sofort müssen Stiftungs-Mitarbeiter in allen Einrichtungen einen Mund-Nasen-
                                   schungsinstituts Technologie und Behinderung stellt sich auf die                                                         Schutz zu tragen. Hintergrund: Bei der täglichen Versorgung von Menschen in Krankenhäusern
                                   Corona-Lage ein: Hausbesuche bei Bürgern, um sie vor Ort in Sa-                                                          sowie in Behinderten- und Senioren-Einrichtungen ist es nicht möglich, den Mindestabstand von
                                   chen Barrierefreiheit zu beraten, finden im EN-Kreis nicht mehr statt.                                                   eineinhalb Metern einzuhalten. Durch das Tragen des Mundschutzes sollen Patienten und Bewoh-
                                   Stattdessen erfolgt die Beratung nur noch am Telefon oder online.                                                        ner, die alle zur Corona-Risikogruppe gehören, besser vor einer Infektion geschützt werden.

         12                                                                                                   Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                                        13
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona
                                                                                                                                                                                                                                               Leichte Sprache

         Digitaler Schub für Ausbildung                                                                                                                                                                                      Anders lernen am BBW
         BBW Volmarstein setzt virtuelle Lernplattformen ein und profitiert davon langfristig.
                                                                                                                                                                                                                             Die Corona-Zeit hat viele Dinge verändert.
                                                                                                                                                                                                                             Auch im Berufs-Bildungs-Werk Volmarstein.
         Der Auszubildende bedient die Tastatur, programmiert                eine App oder einen Rechner. In Einzelfällen wurde der
         die Maschine und setzt so die Metall-Fräse in Gang. Da-             PC aus Volmarstein sogar zu den Teilnehmenden nach                                                                                              Die Abkürzung dafür ist BBW.
         bei sitzt er zu Hause am PC – es ist eine virtuelle Simula-         Hause gebracht. „Im Produktdesign oder in der Medi-                                                                                             Die Auszubildenden dürfen nicht ins BBW.
         tion. „Das läuft genau so, als ob er direkt in Volmarstein          engestaltung werden spezielle Computer-Programme
         steht und die Maschine vor Ort programmiert“, erklärt               gebraucht, die man nicht mal eben auf dem Rechner                                                                                               Aber sie können den Unterricht
         Jens Voss, Ausbilder im Metallbereich. Ausbildung 4.0 –             hat“, erklärt Henning.                                                                                                                          auch zu Hause mitmachen.
         die gab es auch schon vor dem Corona Alltag im Berufs-                                                                                 Für Bereichsleiterin Sabine Riddermann ist die digitale
         bildungswerk der Ev. Stiftung Volmarstein (BBW). Die                Im gesamten Team entstanden neue Ideen und Konzepte                Entwicklung eine Chance über Corona hinaus. „Virtuelle
                                                                                                                                                                                                                             Zum Beispiel:
         Teilnehmenden nutzen digitale Lern-Plattformen.                     und wurden spontan umgesetzt. So wurde zum ersten                  Lerngruppen, mobiles Lernen und Arbeiten für Teilneh-                        Eine Maschine aus der Metall-Werkstatt
                                                                             Mal die Prüfung für den „Europäischen Computerfüh-                 mende, die nicht nach Volmarstein kommen können oder
         „Diese Erfahrung war für uns natürlich ein großer Vor-              rerschein“ (ECDL) online abgehalten. Und der Kiosk im              Online-Prüfungen – das alles sind positive Entwicklungen,
                                                                                                                                                                                                                             mit einem Computer-Programm steuern.
         teil“, berichtet Dominik Kraemer, IT-Ausbilder im BBW.              BBW baute einen Online-Shop auf – inklusive Lieferser-             die wir auch in Zukunft nutzen werden“, sagt sie. Es sei                     Oder: Infos zum Lernen
         Gemeinsam mit einem Kreis von Experten aus dem                      vice innerhalb des BBWs. Dieser soll an den Start gehen,           bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung, die zusätz-
         Kollegium ermöglichte er während der Krise digitale                 wenn die ersten Auszubildenden wieder im Haus sind.                lich an einer sozial-phobischen Symptomatik leiden, sogar
                                                                                                                                                                                                                             zu Hause auf dem Handy angucken.
         Ausbildung für alle Teilnehmenden.                                                                                                     vorstellbar, sie in Zukunft zunächst in Teile der Ausbildung
                                                                                                                                                virtuell einzubinden und ihnen später schrittweise den                       Das BBW nutzt schon lange
         „Bei allem Übel in der Corona-Krise –                                                                                                  Übergang zur Vor-Ort-Anwesenheit im BBW zu ermög-
         die Ausbildung 4.0 hat einen enormen                                                                                                   lichen. „Wir haben neben Autismus-Experten eben auch
                                                                                                                                                                                                                             Programme und Apps zum Lernen.
         Schub erhalten“, so Christian Henning,                                                                                                 Ausbilder mit einem großen IT-Sachverstand, die so etwas                     Deshalb war das BBW gut vorbereitet
         Fachkoordinator der kaufmännischen                                                                                                     möglich machen können“, so Sabine Riddermann. (aN)
         Ausbildung. Inzwischen nutzen fast
                                                                                                                                                                                                                             auf die Corona-Zeit.
         700 Menschen die digitalen Angebote
         in allen Bereichen des BBWs und der                                                                                                                                                                                 Bereichs-Leiterin Sabine Riddermann sagt:
         Schule. Die Programme laufen über
                                                                                                                                                                                                                             Wir haben viele neue Erfahrungen gemacht,
                                                                                                                                                                                                                             wie das Lernen zu Hause gut klappt.
                                                                                                                                                                                                                             Die Erfahrungen helfen uns auch
                                                                                                                                                                                                                             nach der Corona-Zeit weiter.
                                                                                                                                                                                                                             Zum Beispiel für Menschen mit Autismus,
                                                                                                                                                                                                                             die alleine zu Hause besser lernen können.

                             9. April 2020: Die Kirchen werden über Ostern leer bleiben. Trotzdem betont Jür-                                         11. April 2020: Die Wiese am Haus Bethanien auf dem Stiftungs-Zen-                12. April 2020: In der Volmarsteiner
                             gen Dittrich im Namen des Stiftungs-Vorstands in seiner vorösterlichen Videobot-                                         tralgelände bleibt an diesem Ostersamstag leer. Normalerweise findet              Martinskirche darf am Ostersonntag
                             schaft: „Ostern fällt in diesem Jahr nicht aus – Ostern findet nur anders statt!“ Er                                     hier das inklusive Osterfeuer statt, das regelmäßig gut 300 Besucher              kein Gottesdienst stattfinden. Pfar-
                             verweist darauf, dass gemeinsame Gottesdienste in Zeiten der Corona-Krise durch                                          anzieht: Menschen mit Behinderung aus der Stiftung, Angehörige und                rer Jürgen Dittrich zündet in der Kir-
                             vielfältige Formen von Fernseh-, Radio- und Video-Gottesdiensten ersetzt werden.                                         Anwohner. Es gibt stets Livemusik, Getränke und Grillwürstchen.                   che allein die Osterkerze an.

         14                                                                                                         Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                                    15
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona

              Rückkehr als Herausforderung                                                                                                          „Ein gutes Gefühl, nicht isoliert zu sein“
              Werner-Richard-Berufskolleg und Berufsbildungswerk: Teilnehmer werden vor                                                             Robin Laskow ist Schüler am Werner-Richard-Berufs-               Wie war das Ankommen in Volmarstein?
              Wiederaufnahme des Betriebs sorgfältig untersucht.                                                                                    kolleg. Er lebt mit seinen Eltern in Kierspe und pendelt         Am Anfang war es schon ein komisches Gefühl, zu-
                                                                                                                                                    täglich zur Volmarsteiner Kollegschule. Während der              rück zu kommen. Aber die Angst ist schnell verflogen.
                                                                                                                                                    Corona-Krise nutzte er zunächst den virtuellen Unter-            Wir wurden sehr herzlich empfangen. Auf dem Weg
              „Willkommen“ – „Schön, dass Du da bist“ – „Zusammen                Berufsbildungswerk. Daher durchliefen alle Schüler zuerst
                                                                                                                                                    richt zu Hause. Im Mai war er einer der ersten Schüler,          waren mit Kreide Begrüßungen gemalt, die Seelsorge-
              weitergehen – „Wir schaffen’s“: In großen bunten Buch-             ein medizinisches und psychologisches Screening.
                                                                                                                                                    die wieder zum Unterricht nach Wetter kommen konn-               rin wartete am Eingang mit einem Spruch und einer
              staben standen die Botschaften zum Willkommen auf der              Um zu vermeiden, dass eine Covid-19-Infektion in die
                                                                                                                                                    ten. Der 20-Jährige berichtet, wie er                                              genähten Maske. Die medizinische
              Straße. Die Rückkehr der Schüler ins Werner-Richard-Be-            Einrichtung getragen wird, wurde die Temperatur gemes-
                                                                                                                                                    diese besondere Situation erlebt hat.                                              Untersuchung hat mir ein sicheres
              rufskolleg war schon etwas Besonderes. „Wir haben uns              sen und der Gesundheitszustand genau abgefragt. „Unser
                                                                                                                                                                                                                                       Gefühl gegeben.
              riesig gefreut, als der Unterricht endlich langsam starten         Psychologischer Dienst machte dann ein intensives psycho-
                                                                                                                                                    Wie haben Sie den Unterricht
              konnte“, berichtet Schulleiter Christof Hoffmann. „Es war          logisches Testverfahren“, so Krombholz. „Wir erleben, dass
                                                                                                                                                    zu Hause empfunden?                                                                  Wie erleben Sie den Alltag in
              aber auch eine große Herausforderung. Denn viele unserer           die Situation die jungen Menschen zum Teil sehr belastet.
                                                                                                                                                    Unsere Schule ist in Sachen E-Learning                                               der Schule?
              Schüler haben ein erhöhtes Gesundheitsrisiko.“                     Neben der Angst vor der Infektion leiden die Schüler teil-
                                                                                                                                                    schon sehr gut aufgestellt. Video-Live-                                              Hier hält sich jeder an die Regeln –
                                                                                 weise sehr unter der Isolation und der fehlenden Routine.“
                                                                                                                                                    streams klappen gut, so dass wir uns                                                 anders als beim Einkaufen oder an-
         „Die Rechtslage war für uns sehr unübersichtlich, bis wir                                                                                  alle sehen und hören und gemeinsam                                                   derswo. Die Schulleitung ist total en-
                                                                                 Auch das Berufsbildungswerk konnte Mitte Mai die Aus-
          klare Regelungen hatten. Das hat uns Nerven gekostet.                                                                                     Unterricht erleben. Meine Klassenlehrer                                              gagiert und erteilt gute klare Anwei-
                                                                                 bildung und die Berufsvorbereitung wieder vorsichtig star-
             Aber gemeinsam mit allen Mitarbeitern haben wir                                                                                        Jens Hufschmidt und Sabine Reuter                                                    sungen. Natürlich ist alles anders als
                                                                                 ten – unter gleichen Sicherheitsvorkehrungen wie im Be-
            das gemeistert. Dafür sind wir allen sehr dankbar!“                                                                                     waren immer für uns da und haben                                                     früher. Aber ich sehe es als Privileg, in
                                                                                 rufskolleg. In beiden Einrichtungen hat sich der Alltag in
                       Sabine Riddermann, BBW-Leiterin                                                                                              sich sehr um uns gekümmert. Nicht nur im Klassen-                dieser Zeit in die Schule gehen zu dürfen. Viele meiner
                                                                                 Corona-Zeiten erheblich verändert: Flatterband und Schil-
                                                                                                                                                    verband, sondern auch einzeln. Es ist ein gutes Gefühl,          Freunde dürfen das nicht. Der Unterricht ist sehr persön-
                                                                                 der weisen den Weg auf den neuen „Einbahnstraßen“.
                                                                                                                                                    in diesen besonderen Zeiten in Kontakt zu bleiben und            lich. Und anstrengender, weil wir nur zu zweit sind... .
              Die Öffnung erfolgte daher auch in kleinen Schritten. Das          Geänderte Pausen- und Toilettenregelungen sorgen dafür,
                                                                                                                                                    nicht isoliert zu sein. Das E-Learning ist eine tolle Chan-      Aber die Stimmung ist super. Wir haben eine tolle Klasse
              benachbarte Berufsbildungswerk blieb zunächst geschlos-            dass der Abstand eingehalten werden kann. Um alle Men-
                                                                                                                                                    ce – auch für die, die aufgrund ihrer Behinderung noch           und die anderen sind ja zeitweise virtuell zugeschaltet.
              sen. „Wir wollen unseren Teilnehmern nicht nur eine schö-          schen mit Mund-Nasen-Schutz auszustatten, hatten Mitar-
                                                                                                                                                    lange nicht zur Schule kommen können.                            Das läuft wirklich gut. (aN)
              ne Rückkehr bereiten, sondern auch eine sichere“, betonte          beitende ehrenamtlich rund 1000 Masken genäht. Denn
              Andreas Krombholz, Leiter des Psychologischen Dienstes im          im kompletten Gebäude gilt für alle Maskenpflicht. (aN)

                           16. April 2020: Der Vorstand verschickt einen Brief an alle Stiftungs-Mitarbeiter. „Wenn Historiker                         17. April 2020: Drei Stationen in                          22. April 2020: Auf dem Sportplatz des Berufsbildungswerks und
                           auf heute zurückblicken, werden sie das Jahr 2020 sicherlich als ,bewegend‘ beschreiben“, schreibt                          der Klinik Volmarstein sind ge-                            des Werner-Richard-Berufskollegs findet eine Mitarbeiterversamm-
                           er mit Blick auf die Corona-Krise, gefolgt von einem besonderen Dank für den Einsatz der Mitarbei-                          schlossen. Die Betten werden für                           lung statt. Alle Mitarbeiter kommen mit Mundschutz und halten
                           ter: „Danke, dass Sie an bzw. über Ihre Grenzen hinausgehen!“ Der Brief endet mit einem Zitat der                           Corona-Patienten mit mildem                                auf der großen Fläche Abstand. Vorgestellt wird das Konzept für
                           Friedensforscherin Bertha von Suttner: „Nach ,lieben“ ist ,helfen“ das schönste Zeitwort der Welt.“                         Krankheitsverlauf frei gehalten.                           die schrittweise Rückkehr von Auszubildenden bzw. Schülern.

              16                                                                                                        Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                                    17
Volmarsteiner Gruß 1 Das Magazin für Freunde und Förderer der Evangelischen Stiftung Volmarstein
Corona
                                                                                                                                                            „Wir haben eine 100-jährige Patientin mit Corona behandelt und nach zwei Wochen
                                                                                                                                                            stabil in ihr Seniorenheim entlassen. Sie hatte eine sehr positive Einstellung und hat

         Gewaltigen Druck auf
                                                                                                                                                            uns viel zum Lachen gebracht. Sie hat immer betont, dass sie älter ist als die Queen
                                                                                                                                                            und zwei Weltkriege überlebt hat – dann schaffe sie das Virus auch noch.“
                                                                                                                                                            Önder Yildiz, Pfleger auf der Corona-Station im Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe

         viele Schultern verteilt                                                                                                                                                                     „So schwer die Zeit auch ist – wir haben im Moment einen
                                                                                                                                                                                                      enormen Zusammenhalt im Team. Es ist auch schön, mit den
                                                                                                                                                                                                      Kollegen aus unseren anderen Häusern zusammen zu arbeiten.“
                                                                                                                                                                                                      Laura Thiele, Zentrale Notaufnahme, Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe

         In allen Einrichtungen unserer Stiftung waren die Aus-     Das Berufsbildungswerk und das Werner-Richard-Be-
         wirkungen der Corona-Pandemie erheblich. In den drei       rufskolleg ermöglichten kurzfristig die virtuelle Aus-                                           „Für uns als Psychologen ist es schön zu sehen, dass wir in dieser Situation verängstigten und
         Krankenhäusern wurde die Belegung zeitweise auf 1/3        bildung und das E-Learning. In der Behinderten- und                                              besorgten Menschen helfen können. Es macht mir Mut, dass wir als Gesellschaft in dieser Zeit
         der Patienten reduziert, um Kapazitäten für Corona-        Seniorenhilfe war wochenlang kein Besuch erlaubt. Um                                             zusammen halten durch unterstützende Gespräche, Nachbarschaftshilfe oder Telefonanrufe.
         Erkrankte zu schaffen. „Wenn es medizinisch vertretbar     die Vereinsamung der uns anvertrauten Menschen zu                                                Das ist eine Qualität, die hoffentlich auch nach der Corona-Krise Bestand hat.“
         war, wurden geplante OPs und Behandlungen verscho-         verringern, zeigten Pflege- und Betreuungskräfte sowie                                           Andreas Krombholz, Leiter des Psychologischen Dienstes im Berufsbildungswerk
         ben“, berichtet Frank Bessler. Als Ärztlicher Leiter des   die Mitarbeiter des Sozialdienstes großes Engagement:
         Geschäftsbereichs Medizin koordinierte er die Maßnah-      So gab es besondere Musikangebote, Erdbeer-Eisbecher
         men. So wurde im Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe eine          zum Kaffee, Spaziergänge im hauseigenen Garten bzw.                                                                                            „Durch die interdisziplinäre Vernetzung fühle
         spezielle Corona-Station ausgewiesen. Dort konnten Pa-     draußen in Begleitung oder Spielangebote in ganz klei-                                                                                         ich mich gerade in der jetzigen Situation total
         tienten isoliert behandelt werden. In enger Abstimmung     nem Kreis mit dem nötigen Abstand. Mitarbeiter be-                                                                                             gut aufgehoben in der Stiftung.“
         mit dem Gesundheitsamt und den Hagener Kranken-            gleiteten die Bewohner direkt in ihrem Wohnumfeld –                                                                                            Stephanie Macke, Teamleitung Demenz-WG
         häusern wurden Intensivbetten frei gehalten. Auch die      ein kleines Stück Normalität für alle. Die Werkstatt für
         Orthopädische Klinik Volmarstein und die Ortho-Klinik      behinderte Menschen produzierte zahlreiche Spuck-
                                                                                                                                                       „Ich bin froh, ein tolles Team zu haben, das die Patienten in der schwierigen Situation so gut betreut.
         Dortmund hielten Kapazitäten vor.                          schutz-Scheiben und 2.000 Visiere. (aN)
                                                                                                                                                       Man merkt einen besonderen Zusammenhalt in der Stiftung. Die Patienten haben große Ängste
                                                                                                                                                       und leiden unter der Einsamkeit. Daher versuchen wir als Ambulanter Dienst nicht nur zu pflegen,
                                                                                                                                                       sondern auch Sicherheit zu vermitteln. Wir können Halt geben und eine Menge auffangen.“
                                                                                                                                                       Andrea Piter, Pflegedienstleitung Ambulanter Pflegedienst

         „Gerade am Anfang entstand ein gewaltiger Druck, den wir zum Glück
         auf viele Schultern verteilen konnten“, so Vorstand Pfarrer Jürgen Dittrich.                                                                                                           „Man sieht in der Krise, dass wir als Team zusammen
         In einem persönlichen Brief und einem Schokoladen-Gruß bedankte                                                                                                                        stehen und viele Wege finden, das zu meistern.“
                                                                                                                                                                                                Dr. Stefan Rohrer, Oberarzt der Klinik für Allgemeine Innere und
         er sich gemeinsam mit seinem Vorstandskollegen Markus Bachmann                                                                                                                         Gastroenterologie im Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe

         bei jedem einzelnen Mitarbeitenden. „Gemeinsam sind wir stark – stark
         genug, um die Herausforderung mit ruhiger, sachlicher und kompetenter                                                                                   „Ich spüre einen großen Zusammenhalt in der Stiftung und bei uns in der Spezialpflege einen
         Gelassenheit zu begegnen.“                                                                                                                              tollen Teamgeist. Danke an alle Kollegen, dass ihr in dieser besonderen Zeit den Humor und
                                                                                                                                                                 den Mut nicht verloren habt. Dafür meinen Respekt und ein großes Dankeschön.“
                                                                                                                                                                 Christina Bösken, Pflegedienstleiterin der Spezialpfege-Einrichtungen

              23. April 2020: Drei Oberlinschüler, die vor dem                  27. April 2020: Ins Werner-Richard-Berufskolleg       28. April 2020: In den drei                              29. April 2020: Der Vorstand schickt jedem Stiftungs-Mitarbeiter eine Über-
              Hauptschulabschluss stehen, kommen wieder in                      kehren 50 Schüler zurück. Es sind Schüler, die nach   Stiftungs-Krankenhäusern                                 raschungstüte mit Schokolade. Die Tüten werden in der Werkstatt für Men-
              die Schule. Zwei weitere Schüler, die ebenfalls den               Unterrichtsschluss nach Hause fahren und nicht im     läuft ein Teil des Regelbetriebs                         schen mit Behinderung gepackt. Die Druckerei des Berufsbildungswerks
              Abschluss machen möchten, werden weiter zuhau-                    angeschlossenen Internat wohnen. Außerdem wei-        wieder an. Es finden wieder                              druckt die kleinen Grußkarten mit der Zeile „Vielen Dank für Ihren Ein-
              se unterrichtet. Sie gehören zur Risikogruppe.                    sen sie kein erhöhtes Gesundheitsrisiko auf.          vermehrt Operationen statt.                              satz!“. Der Fuhrpark übernimmt die Verteilung an über 3000 Mitarbeiter.

         18                                                                                              Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                                           19
Corona

                                                                                                                                    Es sind Bilder aus einer ungewöhnlichen Zeit: von der Martinskirche; von der Aula der Oberlinschule;
                                                                                                                                    vom Festplatz auf dem Stiftungs-Zentralgelände; von der Bauspielplatzwiese am Berufsbildungswerk.

         Unser Wunsch: Endlich wieder Trubel
                                                                                                                                    Sie zeigen leere Veranstaltungsorte in der Stiftung, aufgenommen mitten in der Corona-Krise.
                                                                                                                                    Normalerweise sind es Orte pulsierenden Lebens, an denen sich viele Menschen
                                                                                                                                    treffen und tummeln. Das gesellige Miteinander sehnen alle wieder herbei.
                                                                                                                                    Darum lohnt sich der Ausblick in Bildern auf die Zeit nach der Corona-Krise –
                                                                                                                                    wenn die Tristesse verschwunden ist und endlich wieder Trubel herrscht.

               5. Mai 2020: Die Stiftung bietet an, zwei Flüchtlingskinder aus den überfüllten Lagern                               8. Mai 2020: Der Bauspielplatz, der immer in der zweiten Som-            10. Mai 2020: Nach zwei Monaten Besuchs-
               in Griechenland aufzunehmen. Als die Anfrage der Evangelischen Kirche kam, wurden                                    merferien-Hälfte auf der Wiese am Berufsbildungswerk stattfin-           verbot dürfen Bewohner von Pflege- und Be-
               sofort zwei Plätze in Volmarstein zugesagt. Es handelt sich um Mädchen oder Jungen,                                  det, wird abgesagt. Bei dem inklusiven Vorzeige-Projekt zimmern          hinderten-Einrichtungen wieder Besuch von
               die ohne Eltern auf der Flucht sind. In den griechischen Flüchtlingslagern herrschen                                 300 Kinder, darunter einige mit Behinderung, ein Hütten-Dorf.            Angehörigen empfangen – allerdings unter
               erbärmliche Verhältnisse, unter denen das Risiko einer Corona-Infektion hoch ist.                                    In dem Getümmel lassen sich Abstandregeln nicht einhalten.               Beachtung strenger Hygiene-Vorschriften.

         20                                                                                             Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                         21
Wechsel
Morgens immer                                                                                                                                                                                         im Vorstand
ein Tänzchen mit                                                                                                                                                                                      Der eigentliche Wechsel findet Ende Januar

der 98-Jährigen
                                                                                                                                                                                                      2021 statt – aber die Entscheidung ist bereits
                                                                                                                                                                                                      jetzt gefallen: Der Stiftungsrat der Evangeli-
                                                                                                                                                                                                      schen Stiftung Volmarstein hat frühzeitig die
                                                                                                                                                                                                      Nachfolge im Vorstand geregelt.
Stefan Stapane wurde als
                                                                                                                                                                                                      Pfarrer Jürgen Dittrich wird nach 14-jähriger
„Pfleger mit Herz“ ausgezeichnet                                                                                                                                                                      Tätigkeit als Theologischer Vorstand im Januar
                                                                                                                                                                                                      nächsten Jahres in den Ruhestand gehen.
                                                                                                                                                                                                      Schon jetzt wurde Pfarrerin
Stefan Stapane aus dem Haus Magdalena der Ev. Stiftung                                                                                                                                                Dr. Sabine Federmann als
Volmarstein hat die Auszeichnung „Pfleger mit Herz“ be-                                                                                                                                               Nachfolgerin berufen. Sie
kommen. Verliehen wurde sie vom Hagener Wochenblatt                                                                                                                                                   wird ab 1. Februar 2021 ge-
„Stadt-Anzeiger“. Hintergrund: Die Redaktion hatte ihre Leser                                                                                                                                         meinsam mit dem kaufmän-
gebeten, Beispiele für besonders engagierte Pflegekräfte in                                                                                                                                           nischen Vorstand Markus
Altenheimen zu nennen.                                                                                                                                                                                Bachmann die Stiftung
                                                                                                                                                                                                      leiten. Dr. Sabine Feder-
Wer ihn vorgeschlagen hat – das weiß Stefan Stapane, der in                                                                                                                                           mann ist nach der Tätigkeit
Hagen wohnt, nicht so recht. Jedenfalls war er ziemlich überrascht,                                                                                                                                   in verschiedenen Kirchengemeinden seit 2010
als er zuerst einen Anruf des Wochenblatts bekam und anschließend Besuch                                                                                                                              Studienleiterin der Evangelischen Akademie
von einem Redaktions-Mitarbeiter, der ihn interviewte.                                                                                                                                                Villigst in Schwerte.

Wenn der 37-Jährige über seinen Alltag in der Altenpflege spricht, sprudelt die Herzlichkeit förmlich aus ihm heraus.         beide Fachkräfte in der Altenpflege, hatten ihm                         Grundsätzlich gilt: Ein Vorstandsmitglied wird
Grundsätzlich findet er: „Im Altenheim muss einfach Musik laufen.“ Musik nutzt er, um den Senioren Freude zu be-              zum Wechsel in den Pflege-Bereich geraten. Das                          jeweils für fünf Jahre gewählt. Ein Jahr vor Ab-
reiten – zum Beispiel bei der 98-Jährigen Dame, mit der er morgens vor der Pflege ein Tänzchen macht. Stefan Stapane,         war eine gute Entscheidung: Mittlerweile gehört                         lauf der Amtszeit entscheidet der Stiftungsrat
Familienvater von vier Kindern, ist beruflich ein Quereinsteiger. Vor seiner Tätigkeit in der Altenhilfe hatte er als Brük-   Stefan Stapane im Haus Magdalena zum festen                             über eine Wiederwahl – vorausgesetzt, dass
kenlackierer und Kommissionierer bei der Deutschen Post gearbeitet. Seine Frau Mareike und seine Schwiegermutter,             Kreis der Kollegen. (toto)                                              der jeweilige Vorstand dies möchte. (aN)

                                                   Inklusives Team                                                            „Der Standort Herdecke ist ideal, da die Wege zu unseren drei Krankenhäusern in Volmarstein, Hagen
                                                                                                                              und Dortmund kurz sind“, erklärt Dirk Domann, Leiter des Geschäftsbereichs Arbeit, zu dem das Steri-
                                                                                                                              Center nun gehört. Dort bietet die Stiftung auch Menschen mit Behinderung eine berufliche Perspek-
                                                   sterilisiert OP-Instrumente                                                tive: Etwa 40 Prozent der 22 Arbeitsplätze in Voll- oder Teilzeit werden mit Menschen mit Autismus-
                                                                                                                              Spektrum-Störung besetzt. Deshalb wird das Vorzeige-Projekt sowohl vom Landschaftsverband West-
                                                   Alle Instrumente, die Ärzte in den OP-Sälen der drei Krankenhäuser der     falen-Lippe (LWL) als auch von der Aktion Mensch großzügig gefördert. Gut möglich, dass die Zahl der
                                                   Ev. Stiftung Volmarstein benutzen, werden künftig zentral sterilisiert.    Mitarbeitenden längerfristig weiter steigt.
                                                   Dafür hat die Stiftung das SteriCenter in Herdecke von der Wirtschafts-
                                                   dienste Hellersen GmbH aus Lüdenscheid übernommen. In der Sterilisa-       Bislang hatten die drei Stiftungs-Krankenhäuser die Sterilisation der OP-Instrumente individuell geregelt:
                                                   tionsanlage werden demnächst mehrere 10.000 OP-Instrumente pro             Im Krankenhaus Haspe gab es einen externen Dienstleister, die Klinik Volmarstein und die Ortho-Klinik
                                                   Jahr gereinigt. Im ersten Schritt wird das Ev. Krankenhaus Hagen-Haspe     Dortmund hatten die Sterilisation jeweils selbst bewerkstelligt. „Die Zentralisierung in Herdecke garan-
                                                   versorgt, es folgen die Kliniken Volmarstein und Dortmund.                 tiert nun einheitliche Qualitätsstandards auf Top-Niveau“, erklärt Dirk Domann den großen Vorteil. (toto)

22                                                                                               Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                               23
Behinderung
                                                                                                                                                                 achsene Menschen mit                                       Leichte Sprache
   Medizinische Pionier-Arbeit
                                                                                                                                      Für die Ambulanz für erw                                eine spezielle
                                                                                                                                                                  ik für Inklusive Medizin
                                                                                                                                      ist ebenso wie für die Klin                                 n jedoch
                                                                                                                                                                      Viele Ressourcen werde
                                                                                                                                           Ausstattung erforderlich.                        . De sha lb setzt
                                                                                                                                                                           nicht finanziert
                                                                                                                                               von den Krankenkassen
                                                                                                                                                 die Stiftung auf Eigenm
                                                                                                                                                                            ittel und Spenden.                  Stiftung eröffnet MZEB
   Krankenhaus Haspe eröffnet Ambulanz für erwachsene Menschen mit Behinderung.
                                                                                                                                                                                                                Die Stiftung Volmarstein hat
   Passiert ist die traurige Geschichte im Jahre 2017: Ein nie-                                                                                                                                                 in Hagen-Haspe
   dergelassener Hausarzt findet es überflüssig, bei einem
   Patienten mit Behinderung Krebsvorsorge zu leisten. Der                                                                                                                                                      ihr neues MZEB eröffnet.
   Vorfall macht fassungslos. Denn Menschen mit Behinde-                                                                                                                                                        Das ist die Abkürzung für
   rung, ohnehin hilfsbedürftig, benötigen im Krankheitsfall
   die besondere Aufmerksamkeit ihrer Ärzte. Deshalb hat                                                                                                                                                        Medizinisches Zentrum
   sich die Stiftung Volmarstein entschieden, für diese Pati-                                                                                                                                                   für Erwachsene mit Behinderung.
   enten eine optimale medizinische Versorgung zu schaffen.
                                                                                                                                                                                                                Das MZEB ist
   Ein wichtiger Baustein ist die Eröffnung des ambulanten                                                                                                                                                      am Krankenhaus Hagen-Haspe.
   „Medizinischen Zentrum für die Behandlung Erwachse-
   ner Menschen mit Behinderung (MZEB)“ in Hagen-Has-
   pe. Die neue Ambulanz bildet zusammen mit der be-                                                                                                                                                            Dr. Martin Kuthe ist der Chef vom MZEB.
   nachbarten Klinik für Inklusive Medizin ein Angebot, das                                                                                                                                                     Er sagt: Wir möchten Menschen
   weit über die Region hinaus einmalig ist. Allein drei Jahre
   hatte es gedauert, um die Zulassung zu bekommen.
                                                                                                                                                                                                                mit Behinderungen die beste
                                                                                                                                                                                                                medizinische Behandlung bieten.
   „Uns ist es eine Herzensangelegenheit, die Medizin für
   Menschen mit Behinderung zu verbessern“, betonte
                                                                                                                                                                                                                Dafür brauchen wir besondere Orte.
   Stiftungs-Vorstand Markus Bachmann bei der Eröffnungs-
   feier. Dabei unternahm er einen Ausflug in die Historie:                                                                                                                                                     Sie müssen gut zu dem passen,
   Denn seit ihrer Gründung im Jahre 1904 hat die Stiftung
   stets Wohnangebote für Menschen mit Behinderung
                                                                                                                                                                                                                was Menschen mit Behinderung
   geschaffen und ihnen Ausbildung und Beschäftigung                                                                                                                                                            brauchen.
   ermöglicht, sie aber auch immer medizinisch versorgt.
   „Dieser Tradition fühlen wir uns verbunden“, machte            Der neue MZEB-Leiter Dr. Martin Kuthe behandelt seit           Dass dies längst nicht überall gewährleistet ist, schilderte
                                                                                                                                                                                                                Zum Beispiel:
   Markus Bachmann klar.                                          vielen Jahren erwachsene Menschen mit Behinderung.             Prof. Dr. Michael Seidel. Der Mediziner setzt sich seit Jahr-                    • barrierefreie Behandlungs-Räume
                                                                  „Wir brauchen Orte, an denen medizinische Versorgung           zehnten dafür ein, dass die bundesweiten Versorgungs-Defi-
                                                                  stattfindet, ohne dass die Werteskala der gesunden Men-        zite behoben werden. „Die ambulante medizinische Versor-
                                                                                                                                                                                                                  • besondere Untersuchungen
                                                                  schen Maßstab ist“, erklärte der Neurologe.                    gung von Erwachsenen mit Behinderung ist in Deutschland                          • Ärzte, die sich gut auskennen
„Man muss in der Behandlung von Menschen mit
                                                                                                                                 bescheiden“, lautet sein aktueller Befund.
 Behinderung oft ungewöhnliche Wege gehen.
                                                                  Sein Kollege Dr. Jörg Stockmann, Chefarzt der nebenan
  Wenn viele mitmachen, klappt auch vieles.“
                                                                  gelegenen Klinik für Inklusive Medizin, schilderte die         Ähnlich sah es Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärzte-
                                                                                                                                                                                                                Markus Bachmann ist der Vorstand
 Dr. Jörg Stockmann, Chefarzt Klinik für Inklusive Medizin
                                                                  Erfolgsgeschichte eines Patienten mit starkem Autismus.        kammer Westfalen-Lippe. Er machte deutlich, dass eine Am-                      von der Stiftung Volmarstein.
                                                                  Eigentlich hatte der Mann „nur“ eine Gallenblasenent-          bulanz für erwachsene Patienten mit Behinderung dringend
         „Wenn nicht wir – wer sonst?“                            zündung. Trotzdem war die Behandlung aufgrund seiner           benötigt wird. „Nach dem Kindesalter gehen die Türen in
                                                                                                                                                                                                                Er sagt: Bei der Stiftung gehören
 Markus Bachmann, Vorstand der Ev. Stiftung Volmarstein           Behinderung aufwändig: Die Untersuchung erfolgte in            der medizinischen Versorgung für Menschen mit Behinde-                         Wohnen, Ausbildung und Arbeit
                                                                  Narkose. Anschließend wurde der Patient von einem in-          rung zu“, betonte er die Realität. Und das, obwohl eigent-
                                                                                                                                                                                                                für Menschen mit Behinderungen
      „Man braucht Raum, Zeit, ein Team,                          terdisziplinären Team operiert. Nach der OP blieb er meh-      lich 2,5 Millionen solcher Patienten aufgrund ihres Handicaps
  eine innere Einstellung, Offenheit und mehr,                    rere Tage in künstlichem Schlaf, damit die Wunde heilen        besondere Bedingungen für Diagnose und Therapie benö-                          zusammen.
          um ein MZEB zu eröffnen.“                               konnte. Erst dann wurde er entlassen. „Ohne OP wäre er         tigen. Deshalb schlussfolgerte der Ärztekammer-Präsident:
                                                                                                                                                                                                                Eine gute medizinische Versorgung
        Dr. Martin Kuthe, Leiter des neuen MZEB                   sicher an der Infektion gestorben“, so Dr. Stockmann zur       „Wir müssen dafür sorgen, dass sich neue Türen auftun, so
                                                                  Bedeutung einer optimalen Behandlung.                          wie es hier in Haspe gelungen ist.“ (aN)                                       gehört auch dazu.

   24                                                                                                Volmarsteiner Gruß 1-2020
„Bochum, ich häng an dir…“
 Julian Budde ist ein Schüler des Berufskollegs mit Autismus-Spektrum-Störung.
 Er engagiert sich als Volunteer beim VfL Bochum – ein Stück gelebte Inklusion.

 Beim Fußball-Zweitligisten VfL Bochum gehören Vo-             Kurz bevor die Spieler einlaufen, stehen Volunteers
 lunteers zu den guten Seelen des Vereins. Ob vor dem          schon auf dem satten Grün. Julian Budde gehört oft
 Stadion oder im Innenraum – bei jedem Heimspiel sind          dazu. Jeder Handgriff sitzt, wenn die Helfer das riesige
 sie im Einsatz. Julian Budde ist einer dieser treuen Helfer   runde Vereinsbanner zusammen falten, das immer den
 im Hintergrund. Der junge Mann mit Autismus-Spekt-            kompletten Mittelkreis abdeckt. Gemeinsam schleppen
 rum-Störung geht zum Werner-Richard-Berufskolleg der          sie es über den Rasen in die Katakomben. Währenddes-
 Evangelischen Stiftung Volmarstein. Sein Engagement           sen läuft bei Grönemeyers Stadion-Hymne gerade die
 beim VfL Bochum ist ein Stück gelebte Inklusion, aber         Zeile „Bochum, ich häng an dir…“
 auch eine persönliche Herausforderung. Das liegt an
 seiner Behinderung.                                           Regelmäßig ist Julian Budde vor und nach einem Spiel
                                                               im Presse- und im VIP-Bereich im Einsatz. Er installiert an
 Heimspieltag in Bochum: Viele Fans, aber auch Volun-          den Presseplätzen auf der Tribüne die Fernseher, damit
 teers wie Julian Budde, stehen in Gruppen zusammen.           Journalisten Spielszenen auch in Zeitlupe sehen können.
 Da herrscht Gedränge, es ergeben sich spontane Ge-            Er verteilt dort und im VIP-Raum die Liste mit den Auf-
 spräche. Gerade in solchen Situationen fühlen sich
 Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung unwohl,
 weil sie sie als unübersichtlich empfinden. Julian Budde
 hat gelernt, im Stadion damit umzugehen. Sein Selbst-
 bewusstsein ist durch sein Engagement als Volunteer
 gestiegen. „So lange ich nichts über den Stadion-Laut-                                                                        stellungen. Er druckt nach dem Schlusspfiff in der Ge-      Am Werner-Richard-Berufskolleg in Volmarstein lernt
 sprecher sagen muss, ist alles ok“, sagt er schmunzelnd.                                                                      schäftsstelle Statistiken zur Zweikampf-Bilanz, Laufleis-   er für die Fachhochschulreife. „Ich kann gut mit Zah-
                                                                                                                               tung und Foul-Anzahl aus. Den Ausdruck legt er im           len umgehen“, berichtet er über seine Stärken. Daher
 Kurz vor dem Anpfiff: Da schlägt im Stadion das Herz                                                                          Presseraum des Stadions aus, in dem die Trainer nach        sucht er nach der Schule eine Stelle in der Buchhaltung
 jedes VfL-Fans höher. Es ertönt die Bochum-Hymne                                                                              dem Spiel u.a. Interviews geben, ebenso im VIP-Raum.        eines Unternehmens.
 „Tief im Westen…“ von Herbert Grönemeyer. Viele
 Zuschauer, bei gut besuchten Heimspielen sind es                                                                              Als Achtjähriger war Julian Budde zum ersten Mal            Zurück zum Fußball: Julian Budde ist vom Zusammen-
 20.000, singen aus voller Kehle mit. Sie alle fiebern                                                                         im Bochumer Stadion. Der Papa hatte ihn mitgenom-           halt unter den Volunteers begeistert. „Wir sind eine
 dem Moment entgegen, in dem beide Teams endlich                                                                               men. Dadurch ist der heute 22-Jährige zum Fan ge-           klasse Truppe“, sagt er. Alle genießen es, miteinander
 aus dem Spielertunnel kommen. Dann brandet Jubel                                                                              worden, der jenseits des Fußballs klare Ziele verfolgt:     „ihren“ Verein zu unterstützen. Auf die Pflege des Ge-
 auf – Stadion-Atmosphäre pur!
                                                                                                                                                                                                  Mehr zum Thema lesen Sie auf der folgenden Seite

 26                                                                                                Volmarsteiner Gruß 1-2020                                                                                                                         27
Sie können auch lesen