Vom Aschenputtel zum Hans im Glück?! - Nachnutzung von Handelsimmobilien sinnvoll gestalten - Urbanicom

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Vom Aschenputtel zum Hans im Glück?! - Nachnutzung von Handelsimmobilien sinnvoll gestalten - Urbanicom
Dokumentation der 37. Studientagung

Vom Aschenputtel zum Hans im Glück?!
   Nachnutzung von Handelsimmobilien sinnvoll gestalten

                       19. | 20. Mai 2014
                           Chemnitz

     Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V.
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Impressum
    Herausgeber:   urbanicom
                   Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V.
                   c/o Handelsverband Deutschland e.V. (HDE)

                   Michael Reink (v.i.S.d.P.)

                   Am Weidendamm 1a
                   10117 Berlin

                   Tel.        030 72 62 50 25
                   Fax         030 72 60 51 25

                   E-Mail reink@urbanicom.de

    Bearbeiter:    LOKATION:S
                   Partnerschaft für Standortentwicklung
                   Liepe+Wiemken Dipl.-Ingenieure
                   Andris Fischer
                   Susann Liepe

                   Sanderstraße 29/30
                   12047 Berlin

                   Tel.        030.49 90 51 80
                   Fax         030.69 81 58 81

                   E-Mail      mail@lokation-s.de
                   Web         www.lokation-s.de

    Layout:        Irina Wöhl

    Datum:         Juni 2014

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Vorwort

Die Bedeutung des stationären Handels für die Entwicklung unserer Innenstädte
steht auch in Zeiten der Digitalisierung im Einzelhandel außer Frage. Der Handel ist
und bleibt die Leitfunktion der Innenstädte.

Die Digitalisierung bewirkt jedoch nennenswerte Umsatzverschiebungen aus dem
stationären Handel in den E-Commerce. Sprich: aus unseren Innenstädten in das
Internet.

Der Einzelhandel findet Antworten in neuen Konzepten, Investitionen in
den Ladenbestand und die parallele Erschließung des neuen Vertriebswegs
E-Commerce. Es ergeben sich jedoch auch Konsequenzen für das städtische Denken
& Handeln. Insbesondere gilt es, innerstädtische Großimmobilien aufgrund ihrer
städtebaulichen Bedeutung zu erhalten oder einer neuen Funktion zuzuführen.

Die Stadt Chemnitz wurde als Tagungsort der 37. Studientagung gewählt, da
deren Zukunftsfähigkeit auch über den innovativen Umgang mit innerstädtischen
Einzelhandels-Großimmobilien positiv beeinflusst wurde.

Neben der anschaulichen Darstellung der Umnutzung von Großimmobilien wurde
auf der Tagung das Interesse der Immobilieneigentümer an der Handels- und
Stadtentwicklung beleuchtet und die Frage zur Nachhaltigkeit der Handelsimmobilie
durch Baukultur gestellt.

Lovro Mandac
Vorsitzender des Vorstands

Michael Reink
Geschäftsführendes Vorstandsmitglied

                                                                                       3
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Dank

    urbanicom dankt der Industrie- und Handelskammer Chemnitz für die freundliche
    Einladung in die Stadt Chemnitz sowie die partnerschaftliche Unterstützung bei der
    Vorbereitung und Durchführung der 37. Studientagung. Ein besonderer Dank gilt
    den Sponsoren der Tagung, der Galeria Kaufhof GmbH sowie RKW Rhode, Keller-
    mann, Wawrowsky Architektur + Städtebau, ohne die die herausragende Qualität
    der Studientagung nicht möglich gewesen wäre.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Begrüßung
      Hans-Joachim Wunderlich (Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz)
      Petra Wesseler, stellv. Vorstandsvorsitzende, urbanicom e.V.

Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien
      Umnutzung von Großimmobilien – Impulse für die Innenstadtentwicklung                     10
      Jens Imorde Geschäftsführer IMORDE Projekt- & Kulturberatung GmbH, Münster

      Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien vor Ort - Das Beispiel Ludwigsburg   20
      Frank Steinert, Wirtschaftsförderer der Stadt Ludwigsburg

      Was passiert, wenn Stadt und Immobilieneigentümer nicht zusammenkommen?                  25
      Dr. Egbert Dransfeld, Institut für Bodenmanagement (IBoMa), Dortmund

Das Interesse der Immobilieneigentümer an Handelsimmobilien
      Shopping-Center oder Stadt-Quartiere?                                                    32
      Entwicklungsperspektiven, Chancen und Risiken für neue Projekte und Altbestände
      Urbane Erlebniswelt versus digitaler Bequemlichkeit
      Gerd Wilhelmus, Geschäftsführer ECE Development GmbH, Hamburg

      Podiumsdiskussion zur Nachhaltigkeit der Handelsimmobilie                                40

Der Mehrwert der Handelsimmobilie
      Nachhaltigkeit der Handelsimmobilie durch Baukultur                                      45
      Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur, Potsdam

      Ist die Werthaltigkeit der Immobilie in Gefahr?                                          51
      Prof. Dr. Diane Robers, EBS Universität für Wirtschaft und Recht

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Resümee der Tagung                                             58

Anhang
     urbanicom-Preis 2013                                      61
     Chemnitz – Stadt der Moderne, Die neue Chemnitzer Mitte   64
     Kontakte und weiterführende Informationen                 74
     Tagungsprogramm                                           77

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Vom Aschenputtel zum Hans im Glück?!
Nachnutzung von Handelsimmobilien
sinnvoll gestalten

Begrüßung
Hans-Joachim Wunderlich (Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz)
Petra Wesseler, stellv. Vorstandsvorsitzende, urbanicom e.V.

Hans-Joachim Wunderlich begrüßt als Gastgeber der 37. Studientagung den
Vorstand von urbanicom sowie die Referenten, Gäste und Tagungsteilnehmer. Für
die Tagung unter dem Titel „Vom Aschenputtel zum Hans im Glück!? Nachnutzung
von Handelsimmobilien sinnvoll gestalten“ ist Chemnitz ein geeigneter Tagungsort.
Davon konnten sich all diejenigen ein Bild machen, die am Vortag am Stadtrundgang
teilgenommen haben.

Mit der Entscheidung Ende der 1990er Jahre den Kaufhof neu zu errichten, fiel der    Dokumentation des Stadtrund-
Startschuss für die Entwicklung der neuen Chemnitzer Innenstadt. Damit verbunden     gangs & Vortrag siehe Anhang.
waren die Nachnutzungen der ehemaligen Kaufhäuser Tietz und Schocken, die von
der städtischen Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft mbH Chemnitz
(GGG) erworben wurden. Über die Entwicklung dieser beiden Häuser konnten sich
die Tagungsteilnehmer im Rahmen des Stadtrundgangs am ersten Tagungstag
informieren.

Dresden und Leipzig sind die bekannten großen Städte des Freistaates Sachsen.
Chemnitz und Umgebung als industrielles Herz braucht jedoch den Vergleich
mit den beiden großen Städten nicht zu scheuen. Im Volksmund wurde schon
früher folgende Arbeitsteilung verbreitet: In Chemnitz wird gearbeitet, in Leipzig
gehandelt und in Dresden wird der Gewinn verprasst. Diese Verteilung ist zum Teil
heute noch zu sehen.

Folgende Zahlen und Fakten charakterisieren den Kammerbezirk der IHK Chemnitz:
    In der kreisfreien Stadt Chemnitz sowie den drei dazugehörigen Landkreisen
    wohnen mit 1,5 Mio. Menschen ca. 37% der sächsischen Bevölkerung.
    Die IHK hat 38.000 Mitgliedsunternehmen davon 16.000 Einzelhandels-Betriebe
    mit über 21.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
    Mit ca. 2,8 Mio. qm Verkaufsfläche verfügt der Kammerbezirk über eine

                                                                                     Hans-Joachim Wunderlich
                                                                                     (Foto: Ulf Dahl)

                                                                                                                     7
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Ausstattung von 1,8 qm pro Einwohner und damit über einen hohen
        Flächenbesatz (Bundesdurchschnitt 1,5 qm). In Chemnitz liegt die
        Verkaufsflächenausstattung sogar bei 2,3 qm pro Einwohner. Allerdings liegt ein
        Großteil der Verkaufsflächen außerhalb der Kernbereiche, was die Problematik
        für den Innenstadthandel verdeutlicht.
        DieVerkaufsflächenausstattung spiegelt sich nicht in der einzelhandelsrelevanten
        Kaufkraft wieder, die im Kammerbezirk bei 89% des Bundesdurchschnittes
        liegt, in Chemnitz bei 94%.

    Der Handel unterliegt gegenwärtig und auch in Zukunft einem dynamischen
    Wandlungsprozess. Unter Beachtung der demografischen Entwicklung bleibt
    die Flächenproduktivität des stationären Einzelhandels unter erheblichem
    Druck, was u.a. zu Geschäftsaufgaben im inhabergeführten Einzelhandel und
    zu einer Verschiebung bei den Betriebstypen führt. Verbunden damit ist auch
    eine standortbezogene Verschiebung der Einzelhandelsbedeutung. Das Thema
    Nachnutzung von Einzelhandelsimmobilien ist also auch ein Zukunftsthema.                  IHK ist Partner einer integrierten
                                                                                              Standortentwicklung
    Die IHK setzt sich mit der Spannung der Problemfelder abwägend und ausgleichend
    auseinander. Sie steht für einen fairen Wettbewerb auch zwischen den verschiedenen
    Betriebsformen im Handel und setzt sich für funktionsfähige, urbane Kernbereiche
    in den Innenstädten ein. Zur Urbanität zählt nicht nur ein funktionierender Handel,
    sondern auch Ladenhandwerk und Gastronomie, welche sich in ein (städtebaulich)
    attraktives Umfeld einbetten. So werden weiche Standortfaktoren geprägt, die als
    Wirtschaftsfaktor einer Kommune z.B. bezüglich der Fachkräftegewinnung von
    wachsender Bedeutung sind.

    Die Unterstützung der integrierten Stadtentwicklung, d.h. attraktiver Innenstädte
    und Stadtteilzentren, ist in den Leitlinien der IHK unverrückbar verankert. Dabeit
    steht die Region im Vordergrund. Die IHK sieht ihre Hauptaufgabe im Appell an
    die Gebietskörperschaften für eine geordnete Städteentwicklung. Für den Handel
    müssen faire und verlässliche Voraussetzungen in den Innenstädten geschaffen
    werden. Die IHK wird deshalb nicht müde, den Freistaat aufzufordern, Prozesse in
    den Kommunen anzustoßen.

    Die IHK erbringt u.a. in der regelmäßigen Erstellung der Handelsatlanten einen
    Beitrag. Aus diesen können – vor allem im Monitoring der Standortentwicklung -
    Empfehlungen für die Entwicklung einzelner Handelsstandorte gegeben werden,
    insbesondere für die zentralen Orte. Der nächste Handelsatlas für den Kammerbezirk
    Chemnitz ist für 2015 geplant.
                                                                                              Die Bürgermeisterin und Leiterin
    Außerdem haben sich die Handelskammern jahrelang für die Erarbeitung und                  des Dezernats für Stadtentwicklung
    Verabschiedung eines BID-Gesetzes im Freistaat eingesetzt. Die IHK unterstützt auch       und Bau Frau Wesseler begrüßt die
    heute das Thema, gleichwohl klar ist, dass es nur in Einzelfällen zu einer Gründung       Tagungsteilnehmer.
    von BIDs kommen wird.

    Hans-Joachim Wunderlich wünscht auch im Namen seiner Kollegen der IHK
    Chemnitz eine gute Fachtagung und freut sich auf die Diskussion.

    Petra Wesseler begrüßt ebenfalls die Tagungsteilnehmer und dankt Hans-Joachim
    Wunderlich, dass die 37. Studientagung in der IHK Chemnitz veranstaltet werden
    kann. Sie spricht ihren Dank an Frau Roth aus, die die Organisation vor Ort unterstützt
    hat.

    Ein Schwerpunktthema auf der diesjährigen Tagung ist die Rolle des
    Immobilieneigentümers bei der Entwicklung von Handelsimmobilien. Die Aktualität
    des Tagungsthemas ist auch personell auf der Tagung zu spüren. Petra Wesseler
    übernimmt die Begrüßung in Vertretung des Vorsitzenden Lovro Mandac. Dieser
    ist in Verhandlungen bzgl. des Erwerbs von Kaufhof-Immobilien eingebunden. Die
    Galeria Kaufhof Warenhaus AG überlegt wieder in einigen Städten in die Rolle des
    Immobilieneigentümers der von ihr genutzten Warenhäuser zu treten.
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Weitere Schwerpunkte sind die Nachnutzung von Handelsimmobilien. Dazu
konnten sich die Teilnehmer gestern schon vor Ort mit der Entwicklung der
ehemaligen Kaufhäuser Tietz und Schocken vertraut machen. Im Tietz sind heute als
Eigenbetrieb die Stadtbibliothek, die Volkshochschule, das Museum für Naturkunde,
die Neue Sächsische Galerie sowie Einzelhandelseinrichtungen angesiedelt. Im
ehemaligen Kaufhaus Schocken ist das staatliche Museum für Archäologie Chemnitz
untergebracht.

Vor dem Hintergrund der Marktverschiebung Richtung Online-Handel sowie dem
demografischen Wandel werden neue Anforderungen an Handelsimmobilien
erwachsen. Diese und die damit einhergehenden qualitativen Anforderungen an
den öffentlichen Raum gilt es auf der Tagung zu beleuchten.

Petra Wesseler wünscht allen eine anregende Diskussion.

                                                                                    Weitere Informationen bzw.
                                                                                    Informationsmöglichkeiten zur
                                                                                    Nachnutzung der ehemaligen
                                                                                    Kaufhäuser Tietz und
                                                                                    Schocken finden sich in der
                                                                                    Fotodokumentation im Anhang.

                                                                                                                    9
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Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien
     Umnutzung von Großimmobilien
     Impulse für die Innenstadtentwicklung

                                                                        Jens Imorde

     Jens Imorde beschäftigt sich im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und
     Raumforschung im Forschungsfeld Innovative Innenstädte, welches aus der
     Debatte um das Weißbuch Innenstadt entstanden ist, mit der Nachnutzung
     leerstehender Großstrukturen. Die folgenden Ausführungen sind Ergebnisse aus
     dem Forschungsfeld.

     Er war viele Jahre Geschäftsführer des Landesbüros Stadtmarketing NRW und ist
     Geschäftsführer des Netzwerkes Innenstadt NRW sowie seit mehr als 20 Jahren
     Geschäftsführender Gesellschafter der IMORDE        Projekt- & Kulturberatung
     GmbH und seit 2006 der Lewil GmbH. Das Büro IMORDE ist aktuell mit
     dem Kommunikationsprozess sowie der Öffentlichkeitsarbeit des für das
     Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030 entwickelten Leitbildes beauftragt. Zu
     Herrn Imordes Tätigkeitsschwerpunkten zählen Projektmanagement, Beratung,
     Veranstaltungs- und Kongressmanagement, Kommunikationsstrukturen sowie
     Presse- und Öffentlichkeitsmanagement.

     In vielen Kommunen gibt es Immobilien, die eine innenstadtrelevante und historische
     Bedeutung für das Gedächtnis der Stadt besitzen, ohne vom Handel genutzt zu sein.
     Deshalb legt Herr Imorde im Folgenden den Blick auf Großimmobilien generell,
     nicht nur auf Handelsimmobilien.

     Anhand von Beispielen werden folgende Fragen angerissen:
        Was passiert mit Immobilien und ihrem Umfeld, wenn diese jahrelang leer
        stehen?
        Wie kann mit der Minderung bestehender Nutzungsgefüge umgegangen
        werden?
        Lässt sich mit der Entwicklung ein Trading-Down-Effekt stoppen oder
        umkehren?
        Wie können Interessenskonflikte gelöst werden? Wo gibt es keine
        Lösungsmöglichkeiten?
        Welche Akteure spielen neben der Immobilienwirtschaft eine Rolle?
        Können integrierte Handlungskonzepte (kommunale Weißbücher) ein
        Steuerungsinstrument sein?

10
Strategie: Ausweichen auf andere Standorte

Das industriell geprägte Mittelzentrum Elmshorn liegt im Nordwesten der
Metropolregion Hamburg. Da in der Innenstadt Potentialflächen zur Erweiterung
fehlen, soll die künftige Stadtentwicklung in der erweiterten Innenstadt stattfinden.
Eine Profilerung der Innenstadt ist aufgrund funktionaler und gestalterischer
Defizite erforderlich.

                                                                                        Steckbrief:
                                                                                        Name: Knechtsche Hallen

                                                                                        Bisherige Nutzung: Teppichlager
                                                                                        Eigentümer: privat
                                                                                        Grundstücksfläche: ca. 1.500 qm
                                                                                        Nutzbare Gebäudefläche:
                                                                                        ca. 5.400 qm
                                                                                        Gebäudetyp: Gewerbebau
                                                                                        Geplante Nutzung:
                                                                                        Bürgerkulturhalle
                                                                                        (Quelle: www.bbsr.bund.de)

In den seit 10 Jahren leerstehenden Knechtschen Hallen soll ein Kulturzentrum
mit überregionaler Ausstrahlung entstehen. Auch der Mangel an Wohnraum in der
Innenstadt soll mit der Integration von „Wohnen in Gemeinschaft“ ausgeglichen
werden. Die Verhandlungen zu einer Kooperationsvereinbarung mit dem
Eigentümer sind bisher ergebnislos geblieben. Der Eigentümer, der ebenfalls
Flächen an der Autobahn besitzt und dort ein FOC errichten möchte, nutzt die
Knechtschen Hallen als Verhandlungsmasse.

Da es seitens des Eigentümers keine Zustimmung für eine Untersuchung des
Bauzustandes gibt, soll die Prüfung der Gebäudesubstanz im Rahmen des
besonderen Städtebaurechts (hier Sanierungsrecht) durchgeführt werden. Mit
der Untersuchung soll die grundlegende Machbarkeit einer kulturellen Nutzung
geprüft werden, um der Stadt eine Entscheidungsgrundlage zum weiteren Umgang
an die Hand zu geben.
Der Eigentümer ist zugleich der größte Steuerzahler der Stadt, was ein einheitliches

                                                                                                                          11
politisches und Verwaltungshandeln unter Ausnutzung aller Instrumente erschwert.
     Da als Folge dessen auch die geplanten (kulturellen) Zwischennutzungen in den
     Knechtschen Hallen nicht umgesetzt werden konnten, erwarb die Stadt 2013
     eine Immobilie auf einem Nachbargrundstück, was wiederum Bewegung in den
     Verhandlungsprozess mit dem Eigentümer gebracht hat.
     Das Beispiel verdeutlicht die Problematik der Interessenkonflikte unterschiedlicher
     Akteure, die bei der Entwicklung von Großimmobilien eine Rolle spielen.

             Problem: Gewerbebestand nicht im Gedächtnis des Eigentümers –
             Das Beispiel Dessau-Roßlau

     Das Oberzentrum Dessau-Roßlau gehört zur Metropolregion Mitteldeutschland und
     profitiert von der Nähe zu Berlin, Magdeburg und Halle/Leipzig. Die Stadt ist Sitz
     zahlreicher Landesbehörden und –institutionen, des Umweltbundesamtes und der
     Stiftung Bauhaus Dessau. Die Innenstadt entspricht noch nicht den Anforderungen
     eines wettbewerbsfähigen Oberzentrums bei vorhandenem Versorgungspotential.
     Ziel ist seit Jahren die Konzentration von Maßnahmen in der Innenstadt.

      Steckbrief:
      Name:
      Ehemalige Schadebrauerei
      Bisherige Nutzung:
      Brauerei/ Restaurant, im
      Quartier: Dienstleistung und
      Wohnen
      Eigentümer: Brauerei – Bayer-
      ische Hausbau GmbH&Co.
      KG, im Quartier: Land, Stadt,
      Wohnungsbaugenossen-
      schaft, privat
      Grundstücksfläche: im
      Quartier ca. 12.500 qm, davon
      7.000 qm Brauerei
      Nutzbare Gebäudefläche:
      6.000 qm
      Gebäudetyp: Gewerbebau
      Geplante Nutzung: Mischnut-
      zung
      (Quelle: www.bbsr.bund.de)

     Die seit 12 Jahren leerstehende ehemalige Schadebrauerei befindet sich im Quartier
     „Lange Gasse“, welches in seinen Randbereichen durch eine Nutzungsmischung
     aus Wohnen, Handel, Verwaltung und Gastronomie geprägt ist. Schlüsselprojekt
     zur Entwicklung des Quartiers ist die Aktivierung der ehemaligen Brauerei unter
     Einbeziehung der angrenzenden mindergenutzten Gewerbestandorte sowie der
     Wohngebäude.
12
Die größte Schwierigkeit im Entwicklungsprozess war die Suche nach dem
 Eigentümer. Bei der Bayerischen Hausbau, die den Block 1993 mit Wohnungen und
 Gewerbe erworben hatte, war der Besitz dieser Immobilie in Vergessenheit geraten.
 Zirka drei Jahre hat es gedauert, bis eine Möglichkeit bestand, Zutritt zur Immobilie
 zu erhalten und ein Baugutachten zu erstellen. Das Gutachten bescheinigt nur einem
 kleinen Gebäudeteil eine Resttragfähigkeit, der Rest der Immobilie muss abgerissen
 und neu gebaut werden. Auf Basis eines Verkehrswertgutachtens werden nun die
 Abstimmungen mit dem Eigentümer fortgeführt.

            Ein fundamentales Problem der Stadtentwicklung ist die Integration
REFLEXION

            des Bodenmarktes in der Stadt in den weltweiten Kapitalmarkt und die
            damit einhergehende Trennung von Eigentum und Nutzung, nicht nur
            von Handelsimmobilien. Sehr schön auch das Beispiel mit den desolaten
            Eigentümerstrukturen mit nicht auffindbaren Personen und Firmen die hinter
            den Phantasienamen stecken. Hier kann jede Stadt Beispiele nennen.
                                                               (Stephan Reiß-Schmidt)

              Strategie: Zwischennutzung – Das Beispiel Offenbach

 Die kreisfreie Stadt Offenbach grenzt süd-östlich an Frankfurt am Main. Die einstige
 Industriestadt ist heute ein wichtiges Dienstleistungszentrum im Rhein-Main-
 Gebiet. Die Innenstadt hat aufgrund der starken Konkurrenz im Umland einen
 Teil ihres Einzugsbereichs verloren, was einen Image- und Funktionsverlust des
 Einkaufsstandortes zur Folge hatte. Die negative Wahrnehmung wird durch massive
 Leerstände insbesondere von Bürogebäuden in zentralen Lagen verstärkt.

                                                                                         Steckbrief:
                                                                                         Name: Ehemaliges IHK-Gebäude
                                                                                         Bisherige Nutzung: IHK
                                                                                         Eigentümer: Eduard Geisheimer
                                                                                         GF/Deutschland
                                                                                         Grundstücksfläche: ca. 800 qm
                                                                                         Nutzbare Gebäudefläche: ca. 2.500
                                                                                         qm
                                                                                         Gebäudetyp: Gewerbebau
                                                                                         Geplante Nutzung: Wohnen
                                                                                         (Quelle: www.bbsr.bund.de)

                                                                                                                             13
Das seit 10 Jahren leerstehende ehemalige IHK-Gebäude steht als Solitär in                 Das Zwischennutzungsmodell
     integrierter Lage und wirkt sich negativ auf die anliegenden öffentlichen Räume aus.       Wohnen und Arbeiten auf Zeit
                                                                                                stößt im Raum Frankfurt/Main auf
     Der Eigentümer der Immobilie ist bekannt und bereit die Immobilie zu entwickeln.           großes Interesse und wurde bereits
                                                                                                mehrfach kopiert.
     Innerhalb des BBSR-Forschungsprojektes Forschungsfeld Innovative Innenstädte
     wurde eine Zwischennutzung auf drei Etagen zum Thema Wohnen und Arbeiten
     umgesetzt. Die größte Herausforderung in der Umsetzung war die Klärung von
     Haftungs- und Versicherungsfragen.

     Eine Machbarkeitsstudie soll nun dem Hauseigentümer und möglichen zukünftigen
     Nutzern als belastbare Grundlage zur weiteren Umsetzung dienen. Hauptgegenstand
     der Untersuchung wird der wirtschaftlich tragfähige Nutzungsmix von Wohnen und
     Arbeiten sein.

              Strategie: Maßvolle Umnutzung – Das Beispiel Illingen

     Die in der geografischen Mitte des Saarlandes gelegene Gemeinde Illingen ist einer
     der wichtigsten Wirtschaftsstandorte des Landkreises Neunkirchen und übernimmt
     die Funktion eines Grundzentrums. Ein zentraler Teil des Illinger Ortskerns zwischen
     dem sanierten Bahnhof und der Haupteinkaufsstraße ist durch eine große
     Industrieanlage, das Höll-Areal, geprägt. Das Areal steht seit 2001 leer und bildet eine
     städtebauliche Barriere. Der zunehmende Verfall der Industriebrache führt zudem
     zu Trading-Down-Effekten im Umfeld. Die Aktivierung der Brache zur Sicherung der
     Funktionsfähigkeit des Ortskerns steht im Fokus der aktuellen Planungen.

     Das Höll-Areal soll als Eingangsbereich und Verbindung zwischen Zentrum
     und Bahnhof erschlossen werden. Einerseits ist ein multifunktionaler
     öffentlicher und privater Raum geplant, andererseits wird eine Mischung aus
     nahversorgungsrelevantem Einzelhandel, barrierefreiem Wohnen und sozialen
     Einrichtungen favorisiert.

     Die Insolvenz des Eigentümers bot einer landeseigenen Gesellschaft die Möglichkeit,
     das Grundstück erwerben zu
     können. Die Gemeinde war zu
                                                                                                Steckbrief:
     diesem Schritt finanziell nicht
                                                                                                Name: Höll-Areal
     in der Lage. Gleichzeitig wurde
     durch den Gemeinderat das                                                                  Bisherige Nutzung: Fleischfabrik
     Ansinnen für die Umsetzung                                                                 Eigentümer: SBB Saarland Bau und
     von großflächigem Einzelhandel                                                             Boden Projektgesellschaft mbH
     mit ca. 18.000 qm Verkaufsfläche                                                           Grundstücksfläche: 18.500 qm
     abgelehnt. In einem Werkstatt-                                                             Nutzbare Gebäudefläche:      ca.
     verfahren mit den Bürgern steht                                                            1.000 qm
     eine kleinteilige Entwicklung                                                              Gebäudetyp: Gewerbebau
     im Vordergrund, die zwar                                                                   Geplante Nutzung:Mischnutzung
     langwieriger ist, aber auch
                                                                                                (Quelle: www.bbsr.bund.de)
     maßstabsgerechter für den
     Standort.
14
Unterschiedliche Problemlagen bei der Entwicklung ehemaliger Handelsimmobilien

Ehemaliger Kaufhof, Mühlheim/Ruhr
t%JF,BVGIPG*NNPCJMJFTPMMBMT)BOEFMTTUBOEPSU
zwischen der mit repräsentativen Geschäfts-
häusern neu bebauten Schloßstraße und der
Ruhrpromenade, in deren Umfeld hochwertiger
Wohnraum entsteht, entwickelt werden.

t%JF7FSIBOEMVOHFOEFT&JHFOUàNFST )PòNFJTUFS
Gruppe/Mülheim) führten bisher nicht zum
gewünschten Erfolg. Der gezahlte Kaufpreis
wird vermutlich nicht die gewünschte Rendite
erbringen, da eine adäquate Nachnutzung nicht
in Sicht ist.

Ehemaliger Kaufhof, Nürnberg Aufseßplatz

t %JF 4DIMJF•VOH EFT OJDIU NFIS [FJUHFNʕFO
Kaufhofes wird als Chance verstanden, den
Nürnberger Süden stadtgestalterisch und
funktional zu stärken.
t%JF.&5301301&35*&4(NC)$P,(TUSFCU
eine nahtlose Verwertung als Handelsimmobilie
an. Verschiedene Projektentwickler und Betreiber
haben Planungen jedoch ad acta gelegt.
t 5SPU[ LMBSFO #BVSFDIUT VOE ,PPQFSBUJPO NJU
dem Eigentümer stockt die Realisierung des
Projektes, ohne das die Stadt eine Handhabe hat
die Entwicklung zu forcieren.
t 'àS EJF "CXFSUVOH EFT )BOEFMTTUBOEPSUFT VOE EFN EBNJU WFSCVOEFOFO 8FHHBOH WPO ,BVGIPG JTU BVDI EFS
U-Bahn-Bau als innenstadtrelevante Maßnahme verantwortlich. Dadurch hat der Straßenbahnhalt in unmittelbarer
Nähe massiv an Frequenz eingebüßt.

                                                                                                                       15
Ehemaliges Hertie in Peine
        Das seit 2009 leerstehende ehemalige Hertie-Gebäude im
        Zentrum der Stadt war aufgrund hoher Buchwerte und ungeklärter
        Verkaufsverhältnisse schwer zu veräußern.
        Die Situation stellte sich, insb. in der Fußgängerzone, als städtebaulicher
        Missstand dar.
        Die Stadt entschloss sich zu einer temporären Intervention und der
        Verkleidung des Missstandes mit einer Fassadenkulisse.
        Anfang 2013 hat die Stadt Peine nach langen Verhandlungen das
        Gebäude und den Großteil des gesamten CityCenters erworben.
        Auf Grundlage des Innenstadtkonzeptes soll nun eine
        innenstadtverträgliche Nutzung für den Standort gefunden werden.
        Hierzu wurden vorbereitende Untersuchungen abgeschlossen, in deren
        Ergebnis die Einrichtung eines Sanierungsgebietes empfohlen wird. Ein
        Antrag auf Aufnahme in das Programm der Städtebauförderung führte
        bislang noch nicht zum Erfolg und wird daher wiederholt.

16
Ehemaliger Hertie in Bocholt
                Mit der Errichtung zweier Einkaufzentren
                am Rand des historischen Innenstadtkerns
                wurde zwar insgesamt ein Zentralitätsgewinn
                erreicht, für Teile der Innenstadt resultierten
                daraus allerdings auch Strukturschwächen.
                So kam es zu Leerständen von insgesamt drei
                Kaufhäusern.
                Das ehemalige Hertie-Kaufhaus wurde durch
                die Stadtsparkasse erworben und wird zu
                einer mischgenutzten Immobilie umgeplant.
                Ein Ankermieter ist die Sparkasse, auch
                Einzelhandelsnutzungen sollen angesiedelt
                werden. Städtebaulich gewinnen wird der
                Standort durch die Herstellung des Zugangs
                zur Ahr.

            Wir haben es in unseren Städten noch nicht gelernt, das gilt für Politik
            ebenso wir für unsere Profession der Stadtplaner und –entwickler, dass wir
            das Schneeballsystem Stadtentwicklung nicht weiter betreiben können. Ein
            Schneeballsystem, das darin besteht, dass wir Investitionen in die Zukunft,
REFLEXION

            die durchaus aus dem Augenblick heraus notwendig erscheinen, damit
            finanzieren, dass wir auf immer weiteres künftiges Wachstum bauen. Das
            gilt derzeit in Europa noch für einen Teil der Städte, aber längst nicht für alle.
            Aber selbst in den wachsenden Städten gibt es Investitionsfelder, räumliche
            Teilbereiche die eben nicht wachsen, wo nicht auf weiteres Wachstum
            spekuliert werden kann.
            Insofern lehrt uns das Beispiel leerfallender Handelsimmobilien - die ja
            nur eine weitere Welle sind, davor gab es z.B. die Industrieimmobilien - wir
            brauchen ein grundlegend anderes Paradigma, was nicht die Investitionen
            von heute mit einem Wachstum von morgen finanziert.

                                                                    (Stephan Reiß-Schmidt)

                                                                                                 17
Schlussfolgerungen bzgl. Akteursstrukturen

     Es gibt drei Anspruchsgruppen bei der Entwicklung bzw. Nachnutzung von
     Großimmobilien.

     Auf der einen Seite steht die Stadt, mit ihrer Verwaltung, der Stadtpolitik und
     externen Dritten, die den Prozess (beratend) unterstützen. Hier lässt sich feststellen,
     dass die Stadt eingeschränkte Möglichkeiten zur Aktivierung bzw. Umnutzung
     von Großimmobilien hat. Durch das Eigentumsrecht hat der Eigentümer gute
     Möglichkeiten, die Immobilie liegen zu lassen, vor allem wenn diese noch
     nicht den Status einer Schrottimmobilie hat. Trotzdem schafft die Stadt die
     Rahmenbedingungen und die Investitionssicherheit für die Standortentwicklung.

                            EIGENTÜMER
                             hat zentrale und bestimmte Rolle / braucht Stadt

                                      Eigentümer
                                                                                                                                       ÖFFENTLICHKEIT
                                      besitzen, verwalten, investieren

                                                                                                                                       hat Ideen und Anregungen / beobachtet und kann blockieren
                       Investor / Projektentwickler
                       entwickel, vermarkten, investieren
                                                                                                                                                           Bürger
                                                                                                                                                           begleiten, akzeptieren, blockieren

                                                                                                                                                                          Interessengruppem
                                                                                                                                                                          fordern, verhindern

                                                                                                              Politik                                           (Zwischen-)nutzer
                                                                                                              entscheiden, begleiten                             überbrücken, nutzen
                                                                         Verwaltung                                                                  Medien
                                                                         konzipieren, koordinieren, steuern                                          transportieren, kommunizieren

              STADT
              hat eingeschränkten Zugriff / formuliert und schafft Rahmen
                                                                                                                     Externe Dritte
                                                                                                                     unterstützen

     Die Eigentümer verfolgen klare wirtschaftliche Interessen. An diese Gruppe sind                                                             Die Entwicklung des ehemaligen
     die Projektentwickler und Investoren angedockt. Die Eigentümer haben die bestim-                                                            Kaufhauses Schocken hat 12 Jahre
                                                                                                                                                 gedauert. 12 Jahre sind ein ver-
     mende Rolle bei der Verwertung oder Entwicklung von Großimmobilien. Der Ei-                                                                 gleichsweise kurzer Zeitraum. Die
     gentümer wiederum braucht die Stadt. Das Handeln der öffentlichen Akteure ist im                                                            Entwicklung von brachgefallenen
     Sinne einer tragfähigen Innenstadtentwicklung auf den Konsens zwischen diesen                                                               Großimmobilien benötigt Zeit.
     Parteien bedacht. Wenn an einer Stelle der Konsens gestört wird, kann die Entwick-
     lung eines ganzen Areals stocken.

     Die dritte Gruppe wird von der Öffentlichkeit, also den Bürgerinnen und Bürgern,
     den Medien oder von Interessensgruppen, gebildet. Diese hat oft eine emotio-
     nale Bindung an (historische) Orte und möchte in Entwicklungsprozessen beteiligt
     werden. Wie aktuell das Beispiel des ehemaligen Flughafens Tempelhof zeigt, kann
     die Öffentlichkeit eine Entwicklung blockieren, wenn diese nicht „mitgenommen“
     wird.

18
Einen ganz zentralen Punkt zeigt das Beispiel von Berlin Tempelhof, wo eine
            Umnutzung in ein genetisches Profil einer Stadt eingeht. Es gab eine Vielzahl
            von kreativen Ideen für die Nutzung des Feldes. Ein von mir besonders
            favorisiertes Projekt war„the berg“, dass mitten auf dem Feld einen künstlichen
REFLEXION

            Berg errichten lassen wollte – ein Kreativprojekt, dass das genetische Profil
            der Kreativstadt Berlin sehr schön transportieren kann. Das aus den Ruinen
            dieser Flugpisten ein Berg entsteht, der eine touristische Freizeitnutzung
            erlebt und der eine massive virale Kraft entwickelt hat. Es wurde mit diesem
            Projekt auch der Begriff der Emotionen geprägt, wie sehr sind Menschen
            emotional an städtische Dinge gebunden. Ich glaube eine Innenstadt ist
            immer ein Epizentrum der Emotionen. Dort finden wir die Identität. Wenn
            das bedroht wird, werden wir in Zukunft (wie bei Stuttgart 21) noch viel mehr
            Bürgereffekte haben. Es wird dann zwischen Eigentümern und Bevölkerung
            sehr große Interessenskonflikte in der Stadt geben.
                                                                            (Andreas Reiter)

 Allerdings sind die Formen der Bürgerbeteiligung auch zu überdenken. Wenn
 Planungen erst 12 Jahre nach der Beteiligung der Bürger (in einem Planverfahren)
 realisiert werden, sind diese ggf. für den Bürger nicht mehr nachvollziehbar. Hier
 müssen neue Modelle gefunden werden. Erfolgsfaktor für die Entwicklung von
 Großimmobilien und damit die positive Entwicklung von Innenstädten ist die
 sensible Verbindung der genannten Akteursgruppen.

                                                                                               19
Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien

     Einzelhandelsimmobilien vor Ort - Das Beispiel Ludwigsburg

                                                                    Frank Steinert

     Frank Steinert ist Leiter der Wirtschaftsförderung in Ludwigsburg. Diese ist
     im Referat für nachhaltige Stadtentwicklung angesiedelt. Zuvor war Herr
     Steinert als Vorstandsmitglied im Ludwigsburger Innenstadtverein tätig. Bei
     der Stadtverwaltung Ludwigsburg ist er unter anderem Eigenbereichsleiter
     der Altenpflegeeinrichtungen, Geschäftsführer der Film- und Medienzentrum
     Ludwigsburg GmbH, Stellvertretender Leiter des Fachbereichs Wirtschaft, Medien,
     Tourismus sowie Geschäftsführer der Unteren Stadt Ludwigsburg GmbH und
     Vorstandsmitglied im Ludwigsburger Innenstadt Verein (LUIS e.V.).

     Daten und Fakten zur Einordnung des Beispiels Ludwigsburg:
                                                                                        Hohe Zentralität
         Einwohner: ca. 89.200 (Landkreis: 520.000, Region Stuttgart: 2.650.000)
         Stadtgebietsfläche: ca. 4.335 ha, davon ca. 4,2% Gewerbe-/Industriefläche
         Positives Pendleraufkommen (Einpendler: ca. 33.500, Auspendler: ca. 21.200)
         EH-Zentralitätskennziffer: ca. 170
         Ludwigsburg liegt in Konkurrenz zu den Standorten Heilbronn (ca. 38 km         Konkurrenz in der Region, im Stadt-
         nördlich) und Stuttgart (ca. 17 km südlich)                                    gebiet sowie in der Innenstadt
         Heilbronn hat durch die Entwicklung von zwei innerstädtischen
         Einkaufszentren in den letzten Jahren eine positive Einzelhandelsentwicklung
         genommen
         In Stuttgart sollen in den nächsten Jahren noch zusätzlich 100.000 qm
         Einzelhandelsfläche entstehen.
         In Ludwigsburg gibt es ein Gewerbegebiet an der Autobahn mit dem ECE-          Handel tragende Säule

         Center Breuninger Land mit ca. 41.000 qm (dritterfolgreichstes ECE-Center in
         Deutschland nach Aussagen der ECE) sowie einem IKEA.
         2008 entstand in der Innenstadt die WilhelmGalerie mit ca. 15.000 qm
         Verkaufsfläche.
         Der Handel ist neben den Branchen Maschinenbau, Finanzdienstleistungen,
         Automobilzulieferer und Kreativwirtschaft wichtige Säule des
         Wirtschaftsstandortes.

20
Das Marstall-Center liegt wie ein Ufo
                                                                                   im barocken Stadtgrundriss

Problemlage:

Das Marstall-Center wurde 1975 mit ca. 23.000 qm Verkaufsfläche auf 54
Einzelhandelsflächen verteilt, eröffnet. Gründungsmieter waren Karstadt,
C&A, Tengelmann und Aldi. Zuletzt gab es 21 verschiedene Eigentümer für 43
Einzelhandelsflächen auf zwei Geschossen. Neben den Einzelhandelsflächen
existieren noch ca. 200 Wohneinheiten mit fast ebenso vielen Einzeleigentümern
sowie eine Parkierungsanlage.

Schon 2006 wurden aufgrund städtebaulicher und sich abzeichnender
wirtschaftlicher Missstände Gespräche zwischen Stadt und Eigentümervertretern
bzgl. möglicher Aufwertungsmaßnahmen geführt. Die Eröffnung der
innerstädtischen WilhelmGalerie hat zur Beschleunigung des Trading-Down-
Prozesses geführt. 2010 und 2011 haben dann Karstadt bzw. C&A das Marstall-
Center verlassen.

Die Eigentumsverhältnisse im Marstall-Center waren bzw. sind sehr vielschichtig.
Neben Einzeleigentümern für die Wohneinheiten gab es v.a. drei große Fonds, die
Eigentümer der Gewerbeeinheiten waren sowie einen Eigentümer der Tiefgarage.

                                                                                                                           21
Ludwigsburg: Eigentümerstandortgemeinschaften (EG) im Marstall Center

     Lösungsansätze:

     Die großen Eigentümer der Gewerbeeinheiten sollten schon 2006 im eigenen
     Interesse bewogen werden bzgl. der Entwicklung des Marstall-Centers zu handeln,
     auch vor dem Hintergrund des Baus der WilhelmGalerie. Der Erfolg blieb aus, was v.a.
     auf die vielschichtigen Eigentumsverhältnisse zurückzuführen war. Der Leerstand
     nahm weiter zu.

     2010 traf der Oberbürgermeister eine Entscheidung, da der Trading-Down-Effekt          Durch den Bau der Wilhelm Galerie
     sich auf die Fußgängerzone ausgeweitet hatte. Daraufhin wurde das Gebiet um            entstanden weitere 15.000 qm
     das Marstall-Center zum Sanierungsgebiet erklärt. Um das Gleichgewicht der             innerstädtischer Verkaufsfläche.
                                                                                            Insgesamt stehen ca.
     Verkaufsflächen vor den Toren der Stadt und der Innenstadt zu gewährleisten, wurde     70.000 qm innerstädtischer
     die Entwicklung der brachgefallenen Einzelhandelsflächen im Marstall-Center als        Einzelhandelsfläche ca. 72.500
     dringend erforderlich gesehen und im Stadtentwicklungskonzept festgeschrieben.         qm in Ludwigsburg Nord und
                                                                                            90.000 qm im weiteren Stadtgebiet
                                                                                            gegenüber.
     Die Stadt beauftragte ein Wertgutachten und nahm dieses zum Anlass, eine
     städtische GmbH mit dem Ziel zu gründen, die gewerblichen Einheiten in der
     „Unteren Stadt GmbH“ zu vereinen. Die bisherigen Eigentümer hatten sich bis dato
     gescheut ihr Eigentum zusammenzuführen. Die Stadt wollte mit diesem Schritt
     die Grundlagen für die Entwicklung des Centers schaffen, keineswegs jedoch
     Betreiberin eines Einkaufszentrums werden. Zur Überraschung der involvierten
     Projektentwickler führten die Verhandlungen der„Unteren Stadt GmbH“ sehr schnell
     zur Zusammenführung der Flächen, obwohl die Eigentümer nicht die errechneten
     Werte des Wertgutachtens als Verkaufserlös erzielen konnten.

     Um das Risiko für die Stadt gering zu halten, wurden aufgabenverschiebende
     Verträge geschlossen. Die Umsetzung der Entwicklung musste in einem engen
     Zeitraum erfolgen. 2013 wurde ein Andienungsvertrag mit der ECE geschlossen.
     Die Eigentumsanteile wurden in diesem Zusammenhang an ECE übertragen. Im
     September 2015 soll das revitalisierte Center eröffnet werden.

22
In Verbindung mit der Revitalisierung des Centers ist eine Aufwertung des Umfeldes
im Rahmen der städtebaulichen Sanierung geplant. Hier setzt die Stadt kommunale
Mittel ein, die sich aus der Differenz des erzielten Verkaufserlöses zu den Werten aus
dem Wertgutachten ergeben.

                                                                                         Marstall-Center Ludwigsburg

Die innere und äußere Gestaltung soll die Historie des Standortes aufnehmen und
eine große Ausstrahlung auf den öffentlichen Raum haben.

                                                                                                                       23
Wie gehen wir mit Lebenszyklen um? Es ist der Begriff des Trading Downs
                 gefallen. Eine weitere Gefahr besteht außerdem in der Musealisierung alter
                 Ruinen der Industriekultur. Ich frage mich, was das für eine Gesellschaft ist,
                 die nur noch darauf abzielt bzw. nicht mehr genügend Lebenskraft hat, als
                 alte Dinge zu bewahren oder zu konservieren und es nicht schafft neue vitale
                 Begegnungszentren zu schaffen.
     REFLEXION

                                                                             (Andreas Reiter)

                 Einzig an den Symbolen darf es nicht hängen. Aber Symbole haben auch eine
                 starke Kraft, weil sie die Kultur und damit Gemeinschaft stärken. Zukünftig
                 wird es deshalb immer stärker auch um soziale Innovationen gehen, bei
                 denen über die Umgestaltung der Handelsimmobilie hinaus auch die
                 Platzgestaltung ein Thema sein wird. Zentrale Fragen werden diesbezüglich
                 sein, welche Sozial- und Begegnungsräume geschaffen werden, die abseits
                 des Konsumierens wichtig sind. Diese konsumfreien Zonen sind ein wichtig-
                 es und ausbaufähiges Spannungsfeld der Zukunft, das Begegnungsräume
                 für Kommunikation schafft.
                                                                     (Stephan Reiß-Schmidt)

24
Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien
Was passiert, wenn Stadt und Immobilieneigentümer nicht zu-
sammenkommen?
                                        Dr. Egbert Dransfeld

Herr Dr. Dransfeld ist Mitbegründer (1993) und seit 2002 alleiniger Inhaber des
Institutes für Bodenmanagement (IBoMa). Vorrangiges Ziel des Institutes ist es,
den öffentlichen sowie privaten Sektor bei der Mobilisierung von Boden für die
Stadtentwicklung zu unterstützen, dabei aber auch zum haushälterischen Umgang
mit der knappen Ressource „Boden“ anzuregen. “Stadt braucht Boden!” Das Institut
möchte dazu beitragen, dass jederzeit das richtige Grundstück, am richtigen Ort
und zu einem vertretbaren Preis zur Verfügung steht. Herr Dr. Dransfelds Institut
ist bundesweit in der Planimplementierung und dem besonderen Städtebaurecht
beratend tätig, erstellt Grundstückswertgutachten und ist ausserdem im Feld der
Forschung und Bildung aktiv.
Ausgangslage bei leerstehenden Immobilien ist oft ein langfristiger Stillstand.
Die Grundprobleme der Entwicklung von (Einzelhandels)Immobilien sind meist
schwierige Eigentumsstrukturen, die zu Stadtentwicklungsproblemen werden.
Oft führen diese zu Trading Down Prozessen. Wie kann eine Kommune darauf
reagieren und welche Instrumente können eingesetzt werden? Keine seltene
Ausgangssituation ist der Umstand, dass ein ehemaliges Kaufhaus leer steht, sich
kein Käufer findet oder der Eigentümer unbekannt bzw. uninteressiert an der
Immobilie ist. Da Stadtentwicklung Zeit braucht, ist ein beispielsweise halbjähriger
Leerstand noch kein Problem. Handlungsbedarf ist erst gegeben, wenn negative
Auswirkungen auf die Umgebung erkennbar werden. Betrachtet man große
ehemalige Handelsimmobilen lassen sich drei Typologien, basierend auf ihren
Umgebungsbezug, charakterisieren:
                                                                                               Gebietsbezogenheit vs.
  !"#$%&$'()*+$,-.(-+/.-01,-'2   !"#$%%&$,-.(-+/.-01,-'2    !"#$%%%&$875'9/+:)32
                                                                                               Einzelgrundstück
  $$$$$$$3-('$4567+(-7/.-05,     $$$$$$$$$$4567+(-7/.-05,   %;;1.(
Immobilienwirtschaftliches
                                                                                           Problem: Leerstand führt zu
                                                                                           Wertverlust

          positive Jahresreinerträge                            negative
                                                                Jahresreinerträge

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       !"$    %&'!()*+!9"3:",&;"*&/3!'
Für den „Zugriff“ bzw. die Mobilisierung stehen den Kommunen verschiedene
 Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung:

 1. Privatrecht – Preis ist Verkehrswert:                                                 Das Vorkaufsrecht bei Zwangs-
 Es wird abgewartet, da die Immobilienpreise gegebenenfalls sinken. Hierdurch             versteigerung für Kommunen ist
 kann die Möglichkeit entstehen, relativ preiswert an die Immobilie zu gelangen.          nicht in der letzten BauGB-Novelle
                                                                                          verankert worden.

 2. Zwangsversteigerungen:
 Über Zwangsversteigerungen können Kommunen in Einzelfällen zum Erwerb
 kommen. Da Gemeinden jedoch keine Sonderrechte innehaben, können sie zwar
 mit bieten, ein Erfolg ist aber nicht garantiert. Zudem gibt es gelegentlich fingierte
 Geschäfte, die nur das Ziel haben, den Preis hochzutreiben.

 3. Vorkaufsrecht:
 Wird dann interessant, wenn die verlangten Preise nicht dem Marktwert entsprechen.
 Wird der Preis für zu hoch gehalten, kann die Kommune dagegen vorgehen.

 4. Zwangsankauf:
 Der Zwangskauf kann in Gebieten mit Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen
 erfolgen. Es greift das besondere Bodenrecht, § 165 Absatz 3. Die Städtebauliche
 Entwicklungsmaßnahme kann als „schärfstes Schwert“ von der Kommune genutzt
 werden, ist jedoch bei Handelsimmobilien eher hintergründig.

 5. Enteignung:
 Die letzte zu nutzende Möglichkeit ist eine Enteignung. Oft reicht es für die
 Kommune indes aus, zu wissen, dass diese Anwendung finden kann um den
 Immobilieneigentümer unter Druck zu setzen. Eine Enteignung ist aber auf nur
 wenige Fälle anwendbar; die Anwendungsvorraussetzungen sind „streng“ (i.d.R.
 nur planakzentrisch möglich; Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme).

            Das Thema Boden und der Bodenwert ist der Schlüssel für das Thema
REFLEXION

            dieser Tagung. Das Bodenrecht muss dringend reformiert und den
            aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Aber selbst bei einem
            noch so guten Bodenrecht ist die Durchführung der Instrumente eine
            aufwendige Management-, Koordinations- und Kommunikationsaufgabe,
            für die Kommunen quantitativ und qualitativ personell nicht ausreichend
            ausgestattet sind.
                                                            (Stephan Reiß-Schmidt)

 Insbesondere mit dem Besonderen Städtebaurecht stehen den Kommunen
 Instrumente zur Verfügung, um die Entwicklung von Immobilien anzustoßen, v.a.
 wenn die Eigentümer diese verhindern.

                                                                                                                               27
Übersicht über potentielle
                                                       1234156(                          Instrumente
                                                          LM6',/N-7/+-(,-75',
       !"#$%&"'"#()*+&*",-.'"/0*                          L(N($?19-7'(/(-75',/,-.1+2%'/+6'9/-+05',/,-.1+
       @>$A:)3.65,-.1+
       B>$C+69+5;.65
       D>$CEF                                          7889":";%"#()*+&*",-.'"/0*
       G>$CH?                                               O17365P/7-)*+
       I>$JH7*6
Kostenbeteiligung der Eigentümer

Bei Städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen nach §§ 136 ff BauGB muss
rechtssicher abgewogen werden, ob ein städtebaulicher Missstand vorliegt,
bspw. wenn die Immobilie so groß ist, dass diese als einzelnes Sanierungsgebiet
ausgewiesen werden kann. Ist dies der Fall, sind zwei unterschiedliche Verfahren
einsetzbar: Beim „vollen” Verfahren besteht ein Bodenrechtsansatz, jedoch auch ein
hoher Verwaltungsaufwand. Das „einfache” Verfahren ist gemäß § 142 Abs. 4 BauGB
weniger aufwendig.

Der Verfahrensablauf startet mit dem Beschluss über den Beginn vorbereitender
Untersuchen, welche anschließend durchgeführt werden. Darauf folgt die Satzung
zur Festlegung des städtebaulichen Sanierungsbereiches (Satzungsbeschluss),
die Durchführung der Sanierungsmaßnahme und am Ende die Aufhebung der
Sanierungssatzung. Es ist zu beachten, dass die Maßnahmen heutzutage nicht
länger als 15 Jahre dauern dürfen.

Das „volle” Verfahren mit seinen Genehmigungsvorbehalten im Sanierungsrecht
kann angewendet werden, wenn folgende Vorraussetzungen vorliegen:

    sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen (nur insoweit             diese   die
    Maßnahmenkosten nicht überschreiten) zu erwarten sind,
    die Stadt Grundstücke kauft und
    Spekulation vermieden werden sollen.

Beim „vollen” Verfahren hat die Kommune erhebliche ordnungspolitische
Mitspracherechte, wie die Genehmigungspflicht der Grundstückskaufverträge
sowie Grundschuldbestellungen und die Bestellung von belastenden Rechten.
Die sanierungsbedingten Wertsteigerungen sind der Allgemeinheit durch
Wertabschöpfung zuzuführen und müssen wieder zweckgebunden im
Quartier eingesetzt werden. Es wird jedoch nur „abgeschöpft”, was durch die
Sanierung qualitativ verbessert wurde; die konjunkturelle Wertsteigerung bleibt
unberücksichtigt.

                                                                                                                        29
Die Finanzierungssystematik im
                                                                                             vollen Sanierungsverfahren
     REFLEXION

                 Man wird neue ordnungspolitische Instrumente entwickeln müssen, um den
                 Auswüchsen der Globalisierung und den zunehmenden Bodenspekulationen
                 entgegenwirken zu können.
                                                                         (Andreas Reiter)

      Das Thema Enteignung ist als solches schwierig. Das Enteignungsrecht bietet zunächst
      keine allgemeine Rechtsgrundlage für die Enteignung von Großleerständen. Bei
      bestimmten Fallkonstellationen kann diese jedoch trotzdem in Frage kommen.
      So kann beispielsweise die „planakzessorische Enteignung“ angewendet werden,
      wenn die Kommune z.B. an der Stelle der Immobilie öffentlichen Freiraum schaffen
      möchte. Auch im Rahmen von Stadtumbaumaßnahmen ist eine Enteignung
      theoretisch möglich vgl. §85 Abs.1 Nr. 7 BauGB, verlangt aber eine strenge
      Anwendungsprüfung.

      Als Fazit zu diesem Themenkomplex kann festgehalten werden, dass ein Kauf
      durch die Kommune durch ordnungspolitische Erwägungen gerechtfertigt sein
      sollte. Zudem empfiehlt sich bei heterogenen Problemlagen von Großimmobilien
      die Durchführung von Voruntersuchungen. Dadurch erfolgen eine umfassende
      Analyse der Ist-Situation und die problembezogene Schärfung der städtebaulichen
      Ziele. Mit der Gestaltung einer Vorkaufssatzung ist das Grundproblem vielleicht
      auch schon lösbar.

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Es gibt eine Fülle von Instrumenten, die nicht immer alle und überall
            anwendbar sind. Wir brauchen zudem ein grundsätzlich anderes
            Verständnis von öffentlichem Interesse und privatem Eigentum. Man muss
            berücksichtigen, dass das Baurecht Eigentumsbestandteil ist und nicht auf
            Zeit verliehen wird. Es führt kein Weg daran vorbei, wir müssen uns mit den
REFLEXION

            nicht kooperationswilligen Eigentümern auseinandersetzen und wir müssen
            uns auf ein Nichtwachstum und neue Paradigmen einstellen. Wir müssen neu
            denken.
                                                                 (Stephan Reiß-Schmidt)

            Derzeit erleben wir in der Stadtentwicklung, ähnlich wie in der Konsumpolitik,
            einen Retrotrend. Im Moment fehlt der große Wurf, der uns in die Zukunft
            blicken lässt. Die Besinnung auf das Vergangene ist eine Pause zum Luft
            holen, um den Sprung in die Zukunft vorzubereiten.
                                                                          (Andreas Reiter)

                                                                                             31
Das Interesse der Immobilieneigentümer an Handelsimmobilien
     Shopping-Center oder Stadt-Quartiere?
          Entwicklungsperspektiven, Chancen und Risiken für neue
          Projekte und Altbestände
          Urbane Erlebniswelt versus digitaler Bequemlichkeit

                                                                    Gerd Wilhelmus

     Herr Wilhelmus ist seit 18 Jahren bei der ECE und seit 2003 als Geschäftsführer der
     ECE Development G.m.b.H & Co. KG tätig. In seiner beruflichen Laufbahn war er in der
     kommunalen Wirtschaftsförderung & Stadtentwicklung tätig. Der Projektentwickler
     ECE beschäftigt Spezialisten aller immobilienrelevanten Fachbereiche und
     entwickelt ganze Stadtquartiere. Speziell ausgebildete Center-Manager lassen die
     Einkaufszentren der ECE zu lebendigen Marktplätzen werden.

     Digital-Shopping – Erlebnis-Shopping
     Die Entwicklungen im Einzelhandel sind durch den eCommerce bestimmt.
     Smartphones revolutionieren den Einzelhandel. Multichannel oder Crosschanel
     sind Erfordernisse für Unternehmen, um sich auf das veränderte Kaufverhalten
     einzustellen. Der digitale Einkauf hat mittlerweile ein Marktvolumen von ca.
     10%, wobei sich dieser in den einzelnen Branchen unterschiedlich darstellt. Beim
     Buchhandel liegt der Marktanteil schon bei 40%, bei Fashion bei 25%. Der deutsche       Der stationäre Einzelhandel hat
     Einzelhandel hat es lange versäumt sich auf diese Entwicklung einzustellen. Seit mehr   mit dem eCommerce einen starken
     als zwei Jahren werden Konzepte entwickelt, die Vertriebs- und Marketingstrategien      Konkurrenten bekommen, den es
                                                                                             zu nutzen gilt.
     auf unterschiedlichen Kanälen berücksichtigen. Das gilt auch für Betreiber von
     Einkaufszentren, die sich stärker auf die Entwicklungen einstellen müssen.

     Eine große Chance liegt bei Click und Collect. ECE hat in Kooperation mit Roland        Multi- und Crosschanneling-
     Berger umfangreiche Befragungen durchgeführt und festgestellt, dass das Thema           Konzepte werden zukünftig
                                                                                             den Erfolg von Unternehmen
     Zuhause bequem bestellen aber im Laden abholen, einen großen Pluspunkt bei den
                                                                                             bestimmen
     Kunden und Mehrwert für den Handel hat. Der Kunde kann die Auswahl im Geschäft
     anprobieren, der Händler hat ggf. weitere Mitnahmeeffekte, da beispielsweise noch
     Accessoires gekauft werden.

     Der stationäre Einzelhandel muss künftig das Thema Erlebnisshopping noch                Multisensorische Ladenkonzepte
     stärker in den Vordergrund stellen; Stichwort Showrooming. Die Vorteile des             geben dem stationären Handel
     stationären Einzelhandels, die u.a. in der haptischen Wahrnehmung der Produkte,         einen Wettbewerbsvorteil
     in der sofortigen Produktmitnahme sowie im Aufbau von Emotionalität und
     Erlebnisatmosphäre liegen, müssen weiter gestärkt werden. Ladenlokale die
     multisensorisch auf ihre Kunden einwirken sind erfolgreich.

32
So nimmt Abercrombie + Fitch die Lebenswelt der jungen Bevölkerung auf und
schafft für diese Authentizität. Im Laden gibt es laute Musik, sportliche junge Männer
begrüßen die Kundinnen mit freiem Oberkörper. Allerdings sind die Halbwertzeiten
derartiger Modelle kürzer. Es müssen immer wieder neue Erlebniskonzepte
entwickelt werden.

                                            Foto aus Folienvortrag ausschneiden?

Ein anderes Beispiel ist Globetrotter. Sie setzen nicht nur im stationären Verkauf auf
Erlebnis, sondern haben schon lange verschiedene Vertriebswege mit stationärem
Verkauf, Online-Plattform und klassischem Versandhandel etabliert.

Anhand der Apple-Stores lässt sich der Trend zum Showrooming ablesen, der
zukünftig noch an Bedeutung gewinnen wird.

                                                                                         33
Braucht der Handel weniger Stadt?

     Mit dem Handel wandelt sich die Stadt. Damit stellt sich die Frage, ob der Handel
     zukünftig mehr oder weniger Stadt braucht. Die Ausgangssituation ist durch einen
     Hyperwettbewerb auf allen Kanälen gekennzeichnet: zwischen online und offline,
     zwischen Innenstadt und Peripherie, zwischen Groß- und Kleinstadt, zwischen
     Fachgeschäft und Fachmarkt, zwischen lokalem Shopping und Weltstadtshopping
     rund um den Globus.

     Auf der anderen Seite steht jedoch auch eine Renaissance der Innenstädte. Wir
     sprechen von neuer Urbanität. Es ist ein Trend zum Wohnen in der Innenstadt zu
     verzeichnen, nachdem jahrzehntelang vor den Toren der Stadt gelebt wurde.
     Allerdings werden die Städte vor allem in ihren Citylagen und Shoppingcentern
     immer uniformer und austauschbarer. Das liegt natürlich v.a. am hohen
     Filialisierungsgrad.

     Der Strukturwandel im Handel ist nicht zu stoppen. Wir sehen dieses an der
     Entwicklung der Warenhäuser, die zur Disposition stehen. Der Druck auf die
     Innenstädte nimmt zu. Es sind weitere Flächenexpansionen zu erwarten, damit
     steigt der Druck auf die Flächenproduktivitäten weiter und es besteht die
     Notwendigkeit zur permanenten Flächenanpassung. Der Marktanteil der Filialisten
     wird sich zudem weiter erhöhen. Internationale Anbieter mit neuen Konzepten
     drängen auf den deutschen Markt und besetzen die besten Standorte, da sie die
     höchsten Mieten zahlen können. Die Folg ist ein verschärfter Standortwettbewerb
     bei gleicher Verteilungsmasse. Der Kunde entscheidet nach Bequemlichkeit und/
     oder nach Einzigartigkeit bzw. Erlebnisqualität. Er sucht die Individualität in der
     Innenstadt, das Alleinstellungsmerkmal der Handelsformate, die Positionierung
     oder Profilierung von Shoppingcentern.

     Aber auch der Kunde verändert sich. Gesundheit und Nachhaltigkeit spielen eine
     immer größere Rolle, was sich z.B. in der neuen, urbanen Zielgruppe der LOHAS
     (Lifestyles Of Health And Sustainability) widerspiegelt. Hinzu kommt eine neue
     Kultur der Selbstverwirklichung. Die Konsumenten haben neue Wünsche, z.B.
     nach Nähe und Vertrauen. Auch Service wird zunehmend wichtiger, vor allem
     da die Kunden mittlerweile durch das Internet viel informierter sind als früher. In
     Deutschland herrscht nach wie vor eine Markenorientierung vor. Marken sind
     Anerkennungs- und Statussymbole, was in anderen Ländern, z.B. in Skandinavien,
     schon nicht mehr so ist.

     Projektentwicklung von Handelsimmobilien im Konflikt der Interessen

     Bei der Projektentwicklung von Immobilien stoßen unterschiedliche Interessen
     aufeinander. Due Diligence Prozesse stehen bei Entwicklern wie der ECE auf der
     Tagesordnung. Die Mieter stellen klare Anforderungen hinsichtlich Flächengröße,
     Flächenzuschnitt, der Lage innerhalb des Centers sowie flexibler Öffnungszeiten.

34
Die Städte erwarten von einem Projektentwickler multifunktionale Konzepte, die
möglichst (geförderten) Wohnungsbau integrieren. Städtebauliche Integration
und Verträglichkeit mit dem vorhandenen Bestand stehen für die Kommunen an
erster Stelle. Die Städte möchten bestimmte (großflächige) Wunschmieter haben,
die noch nicht am Standort sind und möglichst wenige Kleinflächen. Gleichwohl
sind die kleinen Flächen für die Shoppingcenterbetreiber wichtig, da aus diesen ein
Großteil der Mieten generiert werden.

Auf der Seite der Investoren werden verlässliche Investitionsstrukturen, d.h.
möglichst langfristige Mietverträge, gewünscht. Angesichts der Entwicklung
des Handels tritt hier ein Konflikt auf. Die Handelsformate haben immer kürzere
Laufzeiten, die eigentlich einen Betreiber veranlassen müssten, nur noch 5-jährige
Mietverträge abzuschließen. Das ist nicht im Interesse des Investors, hier kommt es
zu Interessenkonflikten auch zwischen Entwicklern und Investoren. Die Investoren
möchten nachhaltige Nutzungskonzepte, die noch in 20 Jahren funktionieren.
Zudem soll der Anteil an vermietbarer Fläche hoch sein, um eine gute Rendite
zu gewährleisten. Allerdings sind in einem Center nur ca. 60% der gebauten
Flächen auch Mietflächen. Die restlichen Flächen werden für die Mall, Fluchtwege,
Treppenhäuser, Anlieferung, Parken etc. benötigt.
                                                                                      Projektentwicklung von Handelim-
                                                                                      mobilien im Konflikt der Interessen

Zusammengefasst gibt es aus Sicht der ECE wachsende Anforderungen der Städte
an die Entwickler:
    Hohe städtebauliche und architektonische Ansprüche
    Begrenzung der Verkaufsflächen („Wettbewerbsschutz“)
    Quer-Subvention öffentlicher Infrastruktur (z.B. Integration einer Bibliothek)
    (geförderter) Wohnungsbau
    „Neuansiedlungsquoten“ (50% der gewerblichen Mieter sollen noch nicht in
    der Stadt vorhanden sein)
    Mitentscheidung der Bürger, nicht nur Mitsprache
    Belebung ohne Verdrängung
                                                                                                                            35
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