Vom Aschenputtel zum Hans im Glück?! - Nachnutzung von Handelsimmobilien sinnvoll gestalten - Urbanicom
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Dokumentation der 37. Studientagung Vom Aschenputtel zum Hans im Glück?! Nachnutzung von Handelsimmobilien sinnvoll gestalten 19. | 20. Mai 2014 Chemnitz Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V. 1
Impressum Herausgeber: urbanicom Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V. c/o Handelsverband Deutschland e.V. (HDE) Michael Reink (v.i.S.d.P.) Am Weidendamm 1a 10117 Berlin Tel. 030 72 62 50 25 Fax 030 72 60 51 25 E-Mail reink@urbanicom.de Bearbeiter: LOKATION:S Partnerschaft für Standortentwicklung Liepe+Wiemken Dipl.-Ingenieure Andris Fischer Susann Liepe Sanderstraße 29/30 12047 Berlin Tel. 030.49 90 51 80 Fax 030.69 81 58 81 E-Mail mail@lokation-s.de Web www.lokation-s.de Layout: Irina Wöhl Datum: Juni 2014 2
Vorwort Die Bedeutung des stationären Handels für die Entwicklung unserer Innenstädte steht auch in Zeiten der Digitalisierung im Einzelhandel außer Frage. Der Handel ist und bleibt die Leitfunktion der Innenstädte. Die Digitalisierung bewirkt jedoch nennenswerte Umsatzverschiebungen aus dem stationären Handel in den E-Commerce. Sprich: aus unseren Innenstädten in das Internet. Der Einzelhandel findet Antworten in neuen Konzepten, Investitionen in den Ladenbestand und die parallele Erschließung des neuen Vertriebswegs E-Commerce. Es ergeben sich jedoch auch Konsequenzen für das städtische Denken & Handeln. Insbesondere gilt es, innerstädtische Großimmobilien aufgrund ihrer städtebaulichen Bedeutung zu erhalten oder einer neuen Funktion zuzuführen. Die Stadt Chemnitz wurde als Tagungsort der 37. Studientagung gewählt, da deren Zukunftsfähigkeit auch über den innovativen Umgang mit innerstädtischen Einzelhandels-Großimmobilien positiv beeinflusst wurde. Neben der anschaulichen Darstellung der Umnutzung von Großimmobilien wurde auf der Tagung das Interesse der Immobilieneigentümer an der Handels- und Stadtentwicklung beleuchtet und die Frage zur Nachhaltigkeit der Handelsimmobilie durch Baukultur gestellt. Lovro Mandac Vorsitzender des Vorstands Michael Reink Geschäftsführendes Vorstandsmitglied 3
Dank urbanicom dankt der Industrie- und Handelskammer Chemnitz für die freundliche Einladung in die Stadt Chemnitz sowie die partnerschaftliche Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der 37. Studientagung. Ein besonderer Dank gilt den Sponsoren der Tagung, der Galeria Kaufhof GmbH sowie RKW Rhode, Keller- mann, Wawrowsky Architektur + Städtebau, ohne die die herausragende Qualität der Studientagung nicht möglich gewesen wäre. 4
Inhaltsverzeichnis Einleitung Begrüßung Hans-Joachim Wunderlich (Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz) Petra Wesseler, stellv. Vorstandsvorsitzende, urbanicom e.V. Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien Umnutzung von Großimmobilien – Impulse für die Innenstadtentwicklung 10 Jens Imorde Geschäftsführer IMORDE Projekt- & Kulturberatung GmbH, Münster Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien vor Ort - Das Beispiel Ludwigsburg 20 Frank Steinert, Wirtschaftsförderer der Stadt Ludwigsburg Was passiert, wenn Stadt und Immobilieneigentümer nicht zusammenkommen? 25 Dr. Egbert Dransfeld, Institut für Bodenmanagement (IBoMa), Dortmund Das Interesse der Immobilieneigentümer an Handelsimmobilien Shopping-Center oder Stadt-Quartiere? 32 Entwicklungsperspektiven, Chancen und Risiken für neue Projekte und Altbestände Urbane Erlebniswelt versus digitaler Bequemlichkeit Gerd Wilhelmus, Geschäftsführer ECE Development GmbH, Hamburg Podiumsdiskussion zur Nachhaltigkeit der Handelsimmobilie 40 Der Mehrwert der Handelsimmobilie Nachhaltigkeit der Handelsimmobilie durch Baukultur 45 Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur, Potsdam Ist die Werthaltigkeit der Immobilie in Gefahr? 51 Prof. Dr. Diane Robers, EBS Universität für Wirtschaft und Recht 5
Resümee der Tagung 58 Anhang urbanicom-Preis 2013 61 Chemnitz – Stadt der Moderne, Die neue Chemnitzer Mitte 64 Kontakte und weiterführende Informationen 74 Tagungsprogramm 77 6
Vom Aschenputtel zum Hans im Glück?! Nachnutzung von Handelsimmobilien sinnvoll gestalten Begrüßung Hans-Joachim Wunderlich (Hauptgeschäftsführer der IHK Chemnitz) Petra Wesseler, stellv. Vorstandsvorsitzende, urbanicom e.V. Hans-Joachim Wunderlich begrüßt als Gastgeber der 37. Studientagung den Vorstand von urbanicom sowie die Referenten, Gäste und Tagungsteilnehmer. Für die Tagung unter dem Titel „Vom Aschenputtel zum Hans im Glück!? Nachnutzung von Handelsimmobilien sinnvoll gestalten“ ist Chemnitz ein geeigneter Tagungsort. Davon konnten sich all diejenigen ein Bild machen, die am Vortag am Stadtrundgang teilgenommen haben. Mit der Entscheidung Ende der 1990er Jahre den Kaufhof neu zu errichten, fiel der Dokumentation des Stadtrund- Startschuss für die Entwicklung der neuen Chemnitzer Innenstadt. Damit verbunden gangs & Vortrag siehe Anhang. waren die Nachnutzungen der ehemaligen Kaufhäuser Tietz und Schocken, die von der städtischen Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft mbH Chemnitz (GGG) erworben wurden. Über die Entwicklung dieser beiden Häuser konnten sich die Tagungsteilnehmer im Rahmen des Stadtrundgangs am ersten Tagungstag informieren. Dresden und Leipzig sind die bekannten großen Städte des Freistaates Sachsen. Chemnitz und Umgebung als industrielles Herz braucht jedoch den Vergleich mit den beiden großen Städten nicht zu scheuen. Im Volksmund wurde schon früher folgende Arbeitsteilung verbreitet: In Chemnitz wird gearbeitet, in Leipzig gehandelt und in Dresden wird der Gewinn verprasst. Diese Verteilung ist zum Teil heute noch zu sehen. Folgende Zahlen und Fakten charakterisieren den Kammerbezirk der IHK Chemnitz: In der kreisfreien Stadt Chemnitz sowie den drei dazugehörigen Landkreisen wohnen mit 1,5 Mio. Menschen ca. 37% der sächsischen Bevölkerung. Die IHK hat 38.000 Mitgliedsunternehmen davon 16.000 Einzelhandels-Betriebe mit über 21.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Mit ca. 2,8 Mio. qm Verkaufsfläche verfügt der Kammerbezirk über eine Hans-Joachim Wunderlich (Foto: Ulf Dahl) 7
Ausstattung von 1,8 qm pro Einwohner und damit über einen hohen Flächenbesatz (Bundesdurchschnitt 1,5 qm). In Chemnitz liegt die Verkaufsflächenausstattung sogar bei 2,3 qm pro Einwohner. Allerdings liegt ein Großteil der Verkaufsflächen außerhalb der Kernbereiche, was die Problematik für den Innenstadthandel verdeutlicht. DieVerkaufsflächenausstattung spiegelt sich nicht in der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft wieder, die im Kammerbezirk bei 89% des Bundesdurchschnittes liegt, in Chemnitz bei 94%. Der Handel unterliegt gegenwärtig und auch in Zukunft einem dynamischen Wandlungsprozess. Unter Beachtung der demografischen Entwicklung bleibt die Flächenproduktivität des stationären Einzelhandels unter erheblichem Druck, was u.a. zu Geschäftsaufgaben im inhabergeführten Einzelhandel und zu einer Verschiebung bei den Betriebstypen führt. Verbunden damit ist auch eine standortbezogene Verschiebung der Einzelhandelsbedeutung. Das Thema Nachnutzung von Einzelhandelsimmobilien ist also auch ein Zukunftsthema. IHK ist Partner einer integrierten Standortentwicklung Die IHK setzt sich mit der Spannung der Problemfelder abwägend und ausgleichend auseinander. Sie steht für einen fairen Wettbewerb auch zwischen den verschiedenen Betriebsformen im Handel und setzt sich für funktionsfähige, urbane Kernbereiche in den Innenstädten ein. Zur Urbanität zählt nicht nur ein funktionierender Handel, sondern auch Ladenhandwerk und Gastronomie, welche sich in ein (städtebaulich) attraktives Umfeld einbetten. So werden weiche Standortfaktoren geprägt, die als Wirtschaftsfaktor einer Kommune z.B. bezüglich der Fachkräftegewinnung von wachsender Bedeutung sind. Die Unterstützung der integrierten Stadtentwicklung, d.h. attraktiver Innenstädte und Stadtteilzentren, ist in den Leitlinien der IHK unverrückbar verankert. Dabeit steht die Region im Vordergrund. Die IHK sieht ihre Hauptaufgabe im Appell an die Gebietskörperschaften für eine geordnete Städteentwicklung. Für den Handel müssen faire und verlässliche Voraussetzungen in den Innenstädten geschaffen werden. Die IHK wird deshalb nicht müde, den Freistaat aufzufordern, Prozesse in den Kommunen anzustoßen. Die IHK erbringt u.a. in der regelmäßigen Erstellung der Handelsatlanten einen Beitrag. Aus diesen können – vor allem im Monitoring der Standortentwicklung - Empfehlungen für die Entwicklung einzelner Handelsstandorte gegeben werden, insbesondere für die zentralen Orte. Der nächste Handelsatlas für den Kammerbezirk Chemnitz ist für 2015 geplant. Die Bürgermeisterin und Leiterin Außerdem haben sich die Handelskammern jahrelang für die Erarbeitung und des Dezernats für Stadtentwicklung Verabschiedung eines BID-Gesetzes im Freistaat eingesetzt. Die IHK unterstützt auch und Bau Frau Wesseler begrüßt die heute das Thema, gleichwohl klar ist, dass es nur in Einzelfällen zu einer Gründung Tagungsteilnehmer. von BIDs kommen wird. Hans-Joachim Wunderlich wünscht auch im Namen seiner Kollegen der IHK Chemnitz eine gute Fachtagung und freut sich auf die Diskussion. Petra Wesseler begrüßt ebenfalls die Tagungsteilnehmer und dankt Hans-Joachim Wunderlich, dass die 37. Studientagung in der IHK Chemnitz veranstaltet werden kann. Sie spricht ihren Dank an Frau Roth aus, die die Organisation vor Ort unterstützt hat. Ein Schwerpunktthema auf der diesjährigen Tagung ist die Rolle des Immobilieneigentümers bei der Entwicklung von Handelsimmobilien. Die Aktualität des Tagungsthemas ist auch personell auf der Tagung zu spüren. Petra Wesseler übernimmt die Begrüßung in Vertretung des Vorsitzenden Lovro Mandac. Dieser ist in Verhandlungen bzgl. des Erwerbs von Kaufhof-Immobilien eingebunden. Die Galeria Kaufhof Warenhaus AG überlegt wieder in einigen Städten in die Rolle des Immobilieneigentümers der von ihr genutzten Warenhäuser zu treten. 8
Weitere Schwerpunkte sind die Nachnutzung von Handelsimmobilien. Dazu konnten sich die Teilnehmer gestern schon vor Ort mit der Entwicklung der ehemaligen Kaufhäuser Tietz und Schocken vertraut machen. Im Tietz sind heute als Eigenbetrieb die Stadtbibliothek, die Volkshochschule, das Museum für Naturkunde, die Neue Sächsische Galerie sowie Einzelhandelseinrichtungen angesiedelt. Im ehemaligen Kaufhaus Schocken ist das staatliche Museum für Archäologie Chemnitz untergebracht. Vor dem Hintergrund der Marktverschiebung Richtung Online-Handel sowie dem demografischen Wandel werden neue Anforderungen an Handelsimmobilien erwachsen. Diese und die damit einhergehenden qualitativen Anforderungen an den öffentlichen Raum gilt es auf der Tagung zu beleuchten. Petra Wesseler wünscht allen eine anregende Diskussion. Weitere Informationen bzw. Informationsmöglichkeiten zur Nachnutzung der ehemaligen Kaufhäuser Tietz und Schocken finden sich in der Fotodokumentation im Anhang. 9
Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien Umnutzung von Großimmobilien Impulse für die Innenstadtentwicklung Jens Imorde Jens Imorde beschäftigt sich im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Forschungsfeld Innovative Innenstädte, welches aus der Debatte um das Weißbuch Innenstadt entstanden ist, mit der Nachnutzung leerstehender Großstrukturen. Die folgenden Ausführungen sind Ergebnisse aus dem Forschungsfeld. Er war viele Jahre Geschäftsführer des Landesbüros Stadtmarketing NRW und ist Geschäftsführer des Netzwerkes Innenstadt NRW sowie seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführender Gesellschafter der IMORDE Projekt- & Kulturberatung GmbH und seit 2006 der Lewil GmbH. Das Büro IMORDE ist aktuell mit dem Kommunikationsprozess sowie der Öffentlichkeitsarbeit des für das Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030 entwickelten Leitbildes beauftragt. Zu Herrn Imordes Tätigkeitsschwerpunkten zählen Projektmanagement, Beratung, Veranstaltungs- und Kongressmanagement, Kommunikationsstrukturen sowie Presse- und Öffentlichkeitsmanagement. In vielen Kommunen gibt es Immobilien, die eine innenstadtrelevante und historische Bedeutung für das Gedächtnis der Stadt besitzen, ohne vom Handel genutzt zu sein. Deshalb legt Herr Imorde im Folgenden den Blick auf Großimmobilien generell, nicht nur auf Handelsimmobilien. Anhand von Beispielen werden folgende Fragen angerissen: Was passiert mit Immobilien und ihrem Umfeld, wenn diese jahrelang leer stehen? Wie kann mit der Minderung bestehender Nutzungsgefüge umgegangen werden? Lässt sich mit der Entwicklung ein Trading-Down-Effekt stoppen oder umkehren? Wie können Interessenskonflikte gelöst werden? Wo gibt es keine Lösungsmöglichkeiten? Welche Akteure spielen neben der Immobilienwirtschaft eine Rolle? Können integrierte Handlungskonzepte (kommunale Weißbücher) ein Steuerungsinstrument sein? 10
Strategie: Ausweichen auf andere Standorte Das industriell geprägte Mittelzentrum Elmshorn liegt im Nordwesten der Metropolregion Hamburg. Da in der Innenstadt Potentialflächen zur Erweiterung fehlen, soll die künftige Stadtentwicklung in der erweiterten Innenstadt stattfinden. Eine Profilerung der Innenstadt ist aufgrund funktionaler und gestalterischer Defizite erforderlich. Steckbrief: Name: Knechtsche Hallen Bisherige Nutzung: Teppichlager Eigentümer: privat Grundstücksfläche: ca. 1.500 qm Nutzbare Gebäudefläche: ca. 5.400 qm Gebäudetyp: Gewerbebau Geplante Nutzung: Bürgerkulturhalle (Quelle: www.bbsr.bund.de) In den seit 10 Jahren leerstehenden Knechtschen Hallen soll ein Kulturzentrum mit überregionaler Ausstrahlung entstehen. Auch der Mangel an Wohnraum in der Innenstadt soll mit der Integration von „Wohnen in Gemeinschaft“ ausgeglichen werden. Die Verhandlungen zu einer Kooperationsvereinbarung mit dem Eigentümer sind bisher ergebnislos geblieben. Der Eigentümer, der ebenfalls Flächen an der Autobahn besitzt und dort ein FOC errichten möchte, nutzt die Knechtschen Hallen als Verhandlungsmasse. Da es seitens des Eigentümers keine Zustimmung für eine Untersuchung des Bauzustandes gibt, soll die Prüfung der Gebäudesubstanz im Rahmen des besonderen Städtebaurechts (hier Sanierungsrecht) durchgeführt werden. Mit der Untersuchung soll die grundlegende Machbarkeit einer kulturellen Nutzung geprüft werden, um der Stadt eine Entscheidungsgrundlage zum weiteren Umgang an die Hand zu geben. Der Eigentümer ist zugleich der größte Steuerzahler der Stadt, was ein einheitliches 11
politisches und Verwaltungshandeln unter Ausnutzung aller Instrumente erschwert. Da als Folge dessen auch die geplanten (kulturellen) Zwischennutzungen in den Knechtschen Hallen nicht umgesetzt werden konnten, erwarb die Stadt 2013 eine Immobilie auf einem Nachbargrundstück, was wiederum Bewegung in den Verhandlungsprozess mit dem Eigentümer gebracht hat. Das Beispiel verdeutlicht die Problematik der Interessenkonflikte unterschiedlicher Akteure, die bei der Entwicklung von Großimmobilien eine Rolle spielen. Problem: Gewerbebestand nicht im Gedächtnis des Eigentümers – Das Beispiel Dessau-Roßlau Das Oberzentrum Dessau-Roßlau gehört zur Metropolregion Mitteldeutschland und profitiert von der Nähe zu Berlin, Magdeburg und Halle/Leipzig. Die Stadt ist Sitz zahlreicher Landesbehörden und –institutionen, des Umweltbundesamtes und der Stiftung Bauhaus Dessau. Die Innenstadt entspricht noch nicht den Anforderungen eines wettbewerbsfähigen Oberzentrums bei vorhandenem Versorgungspotential. Ziel ist seit Jahren die Konzentration von Maßnahmen in der Innenstadt. Steckbrief: Name: Ehemalige Schadebrauerei Bisherige Nutzung: Brauerei/ Restaurant, im Quartier: Dienstleistung und Wohnen Eigentümer: Brauerei – Bayer- ische Hausbau GmbH&Co. KG, im Quartier: Land, Stadt, Wohnungsbaugenossen- schaft, privat Grundstücksfläche: im Quartier ca. 12.500 qm, davon 7.000 qm Brauerei Nutzbare Gebäudefläche: 6.000 qm Gebäudetyp: Gewerbebau Geplante Nutzung: Mischnut- zung (Quelle: www.bbsr.bund.de) Die seit 12 Jahren leerstehende ehemalige Schadebrauerei befindet sich im Quartier „Lange Gasse“, welches in seinen Randbereichen durch eine Nutzungsmischung aus Wohnen, Handel, Verwaltung und Gastronomie geprägt ist. Schlüsselprojekt zur Entwicklung des Quartiers ist die Aktivierung der ehemaligen Brauerei unter Einbeziehung der angrenzenden mindergenutzten Gewerbestandorte sowie der Wohngebäude. 12
Die größte Schwierigkeit im Entwicklungsprozess war die Suche nach dem Eigentümer. Bei der Bayerischen Hausbau, die den Block 1993 mit Wohnungen und Gewerbe erworben hatte, war der Besitz dieser Immobilie in Vergessenheit geraten. Zirka drei Jahre hat es gedauert, bis eine Möglichkeit bestand, Zutritt zur Immobilie zu erhalten und ein Baugutachten zu erstellen. Das Gutachten bescheinigt nur einem kleinen Gebäudeteil eine Resttragfähigkeit, der Rest der Immobilie muss abgerissen und neu gebaut werden. Auf Basis eines Verkehrswertgutachtens werden nun die Abstimmungen mit dem Eigentümer fortgeführt. Ein fundamentales Problem der Stadtentwicklung ist die Integration REFLEXION des Bodenmarktes in der Stadt in den weltweiten Kapitalmarkt und die damit einhergehende Trennung von Eigentum und Nutzung, nicht nur von Handelsimmobilien. Sehr schön auch das Beispiel mit den desolaten Eigentümerstrukturen mit nicht auffindbaren Personen und Firmen die hinter den Phantasienamen stecken. Hier kann jede Stadt Beispiele nennen. (Stephan Reiß-Schmidt) Strategie: Zwischennutzung – Das Beispiel Offenbach Die kreisfreie Stadt Offenbach grenzt süd-östlich an Frankfurt am Main. Die einstige Industriestadt ist heute ein wichtiges Dienstleistungszentrum im Rhein-Main- Gebiet. Die Innenstadt hat aufgrund der starken Konkurrenz im Umland einen Teil ihres Einzugsbereichs verloren, was einen Image- und Funktionsverlust des Einkaufsstandortes zur Folge hatte. Die negative Wahrnehmung wird durch massive Leerstände insbesondere von Bürogebäuden in zentralen Lagen verstärkt. Steckbrief: Name: Ehemaliges IHK-Gebäude Bisherige Nutzung: IHK Eigentümer: Eduard Geisheimer GF/Deutschland Grundstücksfläche: ca. 800 qm Nutzbare Gebäudefläche: ca. 2.500 qm Gebäudetyp: Gewerbebau Geplante Nutzung: Wohnen (Quelle: www.bbsr.bund.de) 13
Das seit 10 Jahren leerstehende ehemalige IHK-Gebäude steht als Solitär in Das Zwischennutzungsmodell integrierter Lage und wirkt sich negativ auf die anliegenden öffentlichen Räume aus. Wohnen und Arbeiten auf Zeit stößt im Raum Frankfurt/Main auf Der Eigentümer der Immobilie ist bekannt und bereit die Immobilie zu entwickeln. großes Interesse und wurde bereits mehrfach kopiert. Innerhalb des BBSR-Forschungsprojektes Forschungsfeld Innovative Innenstädte wurde eine Zwischennutzung auf drei Etagen zum Thema Wohnen und Arbeiten umgesetzt. Die größte Herausforderung in der Umsetzung war die Klärung von Haftungs- und Versicherungsfragen. Eine Machbarkeitsstudie soll nun dem Hauseigentümer und möglichen zukünftigen Nutzern als belastbare Grundlage zur weiteren Umsetzung dienen. Hauptgegenstand der Untersuchung wird der wirtschaftlich tragfähige Nutzungsmix von Wohnen und Arbeiten sein. Strategie: Maßvolle Umnutzung – Das Beispiel Illingen Die in der geografischen Mitte des Saarlandes gelegene Gemeinde Illingen ist einer der wichtigsten Wirtschaftsstandorte des Landkreises Neunkirchen und übernimmt die Funktion eines Grundzentrums. Ein zentraler Teil des Illinger Ortskerns zwischen dem sanierten Bahnhof und der Haupteinkaufsstraße ist durch eine große Industrieanlage, das Höll-Areal, geprägt. Das Areal steht seit 2001 leer und bildet eine städtebauliche Barriere. Der zunehmende Verfall der Industriebrache führt zudem zu Trading-Down-Effekten im Umfeld. Die Aktivierung der Brache zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Ortskerns steht im Fokus der aktuellen Planungen. Das Höll-Areal soll als Eingangsbereich und Verbindung zwischen Zentrum und Bahnhof erschlossen werden. Einerseits ist ein multifunktionaler öffentlicher und privater Raum geplant, andererseits wird eine Mischung aus nahversorgungsrelevantem Einzelhandel, barrierefreiem Wohnen und sozialen Einrichtungen favorisiert. Die Insolvenz des Eigentümers bot einer landeseigenen Gesellschaft die Möglichkeit, das Grundstück erwerben zu können. Die Gemeinde war zu Steckbrief: diesem Schritt finanziell nicht Name: Höll-Areal in der Lage. Gleichzeitig wurde durch den Gemeinderat das Bisherige Nutzung: Fleischfabrik Ansinnen für die Umsetzung Eigentümer: SBB Saarland Bau und von großflächigem Einzelhandel Boden Projektgesellschaft mbH mit ca. 18.000 qm Verkaufsfläche Grundstücksfläche: 18.500 qm abgelehnt. In einem Werkstatt- Nutzbare Gebäudefläche: ca. verfahren mit den Bürgern steht 1.000 qm eine kleinteilige Entwicklung Gebäudetyp: Gewerbebau im Vordergrund, die zwar Geplante Nutzung:Mischnutzung langwieriger ist, aber auch (Quelle: www.bbsr.bund.de) maßstabsgerechter für den Standort. 14
Unterschiedliche Problemlagen bei der Entwicklung ehemaliger Handelsimmobilien Ehemaliger Kaufhof, Mühlheim/Ruhr t%JF,BVGIPG*NNPCJMJFTPMMBMT)BOEFMTTUBOEPSU zwischen der mit repräsentativen Geschäfts- häusern neu bebauten Schloßstraße und der Ruhrpromenade, in deren Umfeld hochwertiger Wohnraum entsteht, entwickelt werden. t%JF7FSIBOEMVOHFOEFT&JHFOUàNFST )PòNFJTUFS Gruppe/Mülheim) führten bisher nicht zum gewünschten Erfolg. Der gezahlte Kaufpreis wird vermutlich nicht die gewünschte Rendite erbringen, da eine adäquate Nachnutzung nicht in Sicht ist. Ehemaliger Kaufhof, Nürnberg Aufseßplatz t %JF 4DIMJFVOH EFT OJDIU NFIS [FJUHFNÊFO Kaufhofes wird als Chance verstanden, den Nürnberger Süden stadtgestalterisch und funktional zu stärken. t%JF.&5301301&35*&4(NC)$P,(TUSFCU eine nahtlose Verwertung als Handelsimmobilie an. Verschiedene Projektentwickler und Betreiber haben Planungen jedoch ad acta gelegt. t 5SPU[ LMBSFO #BVSFDIUT VOE ,PPQFSBUJPO NJU dem Eigentümer stockt die Realisierung des Projektes, ohne das die Stadt eine Handhabe hat die Entwicklung zu forcieren. t 'àS EJF "CXFSUVOH EFT )BOEFMTTUBOEPSUFT VOE EFN EBNJU WFSCVOEFOFO 8FHHBOH WPO ,BVGIPG JTU BVDI EFS U-Bahn-Bau als innenstadtrelevante Maßnahme verantwortlich. Dadurch hat der Straßenbahnhalt in unmittelbarer Nähe massiv an Frequenz eingebüßt. 15
Ehemaliges Hertie in Peine Das seit 2009 leerstehende ehemalige Hertie-Gebäude im Zentrum der Stadt war aufgrund hoher Buchwerte und ungeklärter Verkaufsverhältnisse schwer zu veräußern. Die Situation stellte sich, insb. in der Fußgängerzone, als städtebaulicher Missstand dar. Die Stadt entschloss sich zu einer temporären Intervention und der Verkleidung des Missstandes mit einer Fassadenkulisse. Anfang 2013 hat die Stadt Peine nach langen Verhandlungen das Gebäude und den Großteil des gesamten CityCenters erworben. Auf Grundlage des Innenstadtkonzeptes soll nun eine innenstadtverträgliche Nutzung für den Standort gefunden werden. Hierzu wurden vorbereitende Untersuchungen abgeschlossen, in deren Ergebnis die Einrichtung eines Sanierungsgebietes empfohlen wird. Ein Antrag auf Aufnahme in das Programm der Städtebauförderung führte bislang noch nicht zum Erfolg und wird daher wiederholt. 16
Ehemaliger Hertie in Bocholt Mit der Errichtung zweier Einkaufzentren am Rand des historischen Innenstadtkerns wurde zwar insgesamt ein Zentralitätsgewinn erreicht, für Teile der Innenstadt resultierten daraus allerdings auch Strukturschwächen. So kam es zu Leerständen von insgesamt drei Kaufhäusern. Das ehemalige Hertie-Kaufhaus wurde durch die Stadtsparkasse erworben und wird zu einer mischgenutzten Immobilie umgeplant. Ein Ankermieter ist die Sparkasse, auch Einzelhandelsnutzungen sollen angesiedelt werden. Städtebaulich gewinnen wird der Standort durch die Herstellung des Zugangs zur Ahr. Wir haben es in unseren Städten noch nicht gelernt, das gilt für Politik ebenso wir für unsere Profession der Stadtplaner und –entwickler, dass wir das Schneeballsystem Stadtentwicklung nicht weiter betreiben können. Ein Schneeballsystem, das darin besteht, dass wir Investitionen in die Zukunft, REFLEXION die durchaus aus dem Augenblick heraus notwendig erscheinen, damit finanzieren, dass wir auf immer weiteres künftiges Wachstum bauen. Das gilt derzeit in Europa noch für einen Teil der Städte, aber längst nicht für alle. Aber selbst in den wachsenden Städten gibt es Investitionsfelder, räumliche Teilbereiche die eben nicht wachsen, wo nicht auf weiteres Wachstum spekuliert werden kann. Insofern lehrt uns das Beispiel leerfallender Handelsimmobilien - die ja nur eine weitere Welle sind, davor gab es z.B. die Industrieimmobilien - wir brauchen ein grundlegend anderes Paradigma, was nicht die Investitionen von heute mit einem Wachstum von morgen finanziert. (Stephan Reiß-Schmidt) 17
Schlussfolgerungen bzgl. Akteursstrukturen Es gibt drei Anspruchsgruppen bei der Entwicklung bzw. Nachnutzung von Großimmobilien. Auf der einen Seite steht die Stadt, mit ihrer Verwaltung, der Stadtpolitik und externen Dritten, die den Prozess (beratend) unterstützen. Hier lässt sich feststellen, dass die Stadt eingeschränkte Möglichkeiten zur Aktivierung bzw. Umnutzung von Großimmobilien hat. Durch das Eigentumsrecht hat der Eigentümer gute Möglichkeiten, die Immobilie liegen zu lassen, vor allem wenn diese noch nicht den Status einer Schrottimmobilie hat. Trotzdem schafft die Stadt die Rahmenbedingungen und die Investitionssicherheit für die Standortentwicklung. EIGENTÜMER hat zentrale und bestimmte Rolle / braucht Stadt Eigentümer ÖFFENTLICHKEIT besitzen, verwalten, investieren hat Ideen und Anregungen / beobachtet und kann blockieren Investor / Projektentwickler entwickel, vermarkten, investieren Bürger begleiten, akzeptieren, blockieren Interessengruppem fordern, verhindern Politik (Zwischen-)nutzer entscheiden, begleiten überbrücken, nutzen Verwaltung Medien konzipieren, koordinieren, steuern transportieren, kommunizieren STADT hat eingeschränkten Zugriff / formuliert und schafft Rahmen Externe Dritte unterstützen Die Eigentümer verfolgen klare wirtschaftliche Interessen. An diese Gruppe sind Die Entwicklung des ehemaligen die Projektentwickler und Investoren angedockt. Die Eigentümer haben die bestim- Kaufhauses Schocken hat 12 Jahre gedauert. 12 Jahre sind ein ver- mende Rolle bei der Verwertung oder Entwicklung von Großimmobilien. Der Ei- gleichsweise kurzer Zeitraum. Die gentümer wiederum braucht die Stadt. Das Handeln der öffentlichen Akteure ist im Entwicklung von brachgefallenen Sinne einer tragfähigen Innenstadtentwicklung auf den Konsens zwischen diesen Großimmobilien benötigt Zeit. Parteien bedacht. Wenn an einer Stelle der Konsens gestört wird, kann die Entwick- lung eines ganzen Areals stocken. Die dritte Gruppe wird von der Öffentlichkeit, also den Bürgerinnen und Bürgern, den Medien oder von Interessensgruppen, gebildet. Diese hat oft eine emotio- nale Bindung an (historische) Orte und möchte in Entwicklungsprozessen beteiligt werden. Wie aktuell das Beispiel des ehemaligen Flughafens Tempelhof zeigt, kann die Öffentlichkeit eine Entwicklung blockieren, wenn diese nicht „mitgenommen“ wird. 18
Einen ganz zentralen Punkt zeigt das Beispiel von Berlin Tempelhof, wo eine Umnutzung in ein genetisches Profil einer Stadt eingeht. Es gab eine Vielzahl von kreativen Ideen für die Nutzung des Feldes. Ein von mir besonders favorisiertes Projekt war„the berg“, dass mitten auf dem Feld einen künstlichen REFLEXION Berg errichten lassen wollte – ein Kreativprojekt, dass das genetische Profil der Kreativstadt Berlin sehr schön transportieren kann. Das aus den Ruinen dieser Flugpisten ein Berg entsteht, der eine touristische Freizeitnutzung erlebt und der eine massive virale Kraft entwickelt hat. Es wurde mit diesem Projekt auch der Begriff der Emotionen geprägt, wie sehr sind Menschen emotional an städtische Dinge gebunden. Ich glaube eine Innenstadt ist immer ein Epizentrum der Emotionen. Dort finden wir die Identität. Wenn das bedroht wird, werden wir in Zukunft (wie bei Stuttgart 21) noch viel mehr Bürgereffekte haben. Es wird dann zwischen Eigentümern und Bevölkerung sehr große Interessenskonflikte in der Stadt geben. (Andreas Reiter) Allerdings sind die Formen der Bürgerbeteiligung auch zu überdenken. Wenn Planungen erst 12 Jahre nach der Beteiligung der Bürger (in einem Planverfahren) realisiert werden, sind diese ggf. für den Bürger nicht mehr nachvollziehbar. Hier müssen neue Modelle gefunden werden. Erfolgsfaktor für die Entwicklung von Großimmobilien und damit die positive Entwicklung von Innenstädten ist die sensible Verbindung der genannten Akteursgruppen. 19
Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien Einzelhandelsimmobilien vor Ort - Das Beispiel Ludwigsburg Frank Steinert Frank Steinert ist Leiter der Wirtschaftsförderung in Ludwigsburg. Diese ist im Referat für nachhaltige Stadtentwicklung angesiedelt. Zuvor war Herr Steinert als Vorstandsmitglied im Ludwigsburger Innenstadtverein tätig. Bei der Stadtverwaltung Ludwigsburg ist er unter anderem Eigenbereichsleiter der Altenpflegeeinrichtungen, Geschäftsführer der Film- und Medienzentrum Ludwigsburg GmbH, Stellvertretender Leiter des Fachbereichs Wirtschaft, Medien, Tourismus sowie Geschäftsführer der Unteren Stadt Ludwigsburg GmbH und Vorstandsmitglied im Ludwigsburger Innenstadt Verein (LUIS e.V.). Daten und Fakten zur Einordnung des Beispiels Ludwigsburg: Hohe Zentralität Einwohner: ca. 89.200 (Landkreis: 520.000, Region Stuttgart: 2.650.000) Stadtgebietsfläche: ca. 4.335 ha, davon ca. 4,2% Gewerbe-/Industriefläche Positives Pendleraufkommen (Einpendler: ca. 33.500, Auspendler: ca. 21.200) EH-Zentralitätskennziffer: ca. 170 Ludwigsburg liegt in Konkurrenz zu den Standorten Heilbronn (ca. 38 km Konkurrenz in der Region, im Stadt- nördlich) und Stuttgart (ca. 17 km südlich) gebiet sowie in der Innenstadt Heilbronn hat durch die Entwicklung von zwei innerstädtischen Einkaufszentren in den letzten Jahren eine positive Einzelhandelsentwicklung genommen In Stuttgart sollen in den nächsten Jahren noch zusätzlich 100.000 qm Einzelhandelsfläche entstehen. In Ludwigsburg gibt es ein Gewerbegebiet an der Autobahn mit dem ECE- Handel tragende Säule Center Breuninger Land mit ca. 41.000 qm (dritterfolgreichstes ECE-Center in Deutschland nach Aussagen der ECE) sowie einem IKEA. 2008 entstand in der Innenstadt die WilhelmGalerie mit ca. 15.000 qm Verkaufsfläche. Der Handel ist neben den Branchen Maschinenbau, Finanzdienstleistungen, Automobilzulieferer und Kreativwirtschaft wichtige Säule des Wirtschaftsstandortes. 20
Das Marstall-Center liegt wie ein Ufo im barocken Stadtgrundriss Problemlage: Das Marstall-Center wurde 1975 mit ca. 23.000 qm Verkaufsfläche auf 54 Einzelhandelsflächen verteilt, eröffnet. Gründungsmieter waren Karstadt, C&A, Tengelmann und Aldi. Zuletzt gab es 21 verschiedene Eigentümer für 43 Einzelhandelsflächen auf zwei Geschossen. Neben den Einzelhandelsflächen existieren noch ca. 200 Wohneinheiten mit fast ebenso vielen Einzeleigentümern sowie eine Parkierungsanlage. Schon 2006 wurden aufgrund städtebaulicher und sich abzeichnender wirtschaftlicher Missstände Gespräche zwischen Stadt und Eigentümervertretern bzgl. möglicher Aufwertungsmaßnahmen geführt. Die Eröffnung der innerstädtischen WilhelmGalerie hat zur Beschleunigung des Trading-Down- Prozesses geführt. 2010 und 2011 haben dann Karstadt bzw. C&A das Marstall- Center verlassen. Die Eigentumsverhältnisse im Marstall-Center waren bzw. sind sehr vielschichtig. Neben Einzeleigentümern für die Wohneinheiten gab es v.a. drei große Fonds, die Eigentümer der Gewerbeeinheiten waren sowie einen Eigentümer der Tiefgarage. 21
Ludwigsburg: Eigentümerstandortgemeinschaften (EG) im Marstall Center Lösungsansätze: Die großen Eigentümer der Gewerbeeinheiten sollten schon 2006 im eigenen Interesse bewogen werden bzgl. der Entwicklung des Marstall-Centers zu handeln, auch vor dem Hintergrund des Baus der WilhelmGalerie. Der Erfolg blieb aus, was v.a. auf die vielschichtigen Eigentumsverhältnisse zurückzuführen war. Der Leerstand nahm weiter zu. 2010 traf der Oberbürgermeister eine Entscheidung, da der Trading-Down-Effekt Durch den Bau der Wilhelm Galerie sich auf die Fußgängerzone ausgeweitet hatte. Daraufhin wurde das Gebiet um entstanden weitere 15.000 qm das Marstall-Center zum Sanierungsgebiet erklärt. Um das Gleichgewicht der innerstädtischer Verkaufsfläche. Insgesamt stehen ca. Verkaufsflächen vor den Toren der Stadt und der Innenstadt zu gewährleisten, wurde 70.000 qm innerstädtischer die Entwicklung der brachgefallenen Einzelhandelsflächen im Marstall-Center als Einzelhandelsfläche ca. 72.500 dringend erforderlich gesehen und im Stadtentwicklungskonzept festgeschrieben. qm in Ludwigsburg Nord und 90.000 qm im weiteren Stadtgebiet gegenüber. Die Stadt beauftragte ein Wertgutachten und nahm dieses zum Anlass, eine städtische GmbH mit dem Ziel zu gründen, die gewerblichen Einheiten in der „Unteren Stadt GmbH“ zu vereinen. Die bisherigen Eigentümer hatten sich bis dato gescheut ihr Eigentum zusammenzuführen. Die Stadt wollte mit diesem Schritt die Grundlagen für die Entwicklung des Centers schaffen, keineswegs jedoch Betreiberin eines Einkaufszentrums werden. Zur Überraschung der involvierten Projektentwickler führten die Verhandlungen der„Unteren Stadt GmbH“ sehr schnell zur Zusammenführung der Flächen, obwohl die Eigentümer nicht die errechneten Werte des Wertgutachtens als Verkaufserlös erzielen konnten. Um das Risiko für die Stadt gering zu halten, wurden aufgabenverschiebende Verträge geschlossen. Die Umsetzung der Entwicklung musste in einem engen Zeitraum erfolgen. 2013 wurde ein Andienungsvertrag mit der ECE geschlossen. Die Eigentumsanteile wurden in diesem Zusammenhang an ECE übertragen. Im September 2015 soll das revitalisierte Center eröffnet werden. 22
In Verbindung mit der Revitalisierung des Centers ist eine Aufwertung des Umfeldes im Rahmen der städtebaulichen Sanierung geplant. Hier setzt die Stadt kommunale Mittel ein, die sich aus der Differenz des erzielten Verkaufserlöses zu den Werten aus dem Wertgutachten ergeben. Marstall-Center Ludwigsburg Die innere und äußere Gestaltung soll die Historie des Standortes aufnehmen und eine große Ausstrahlung auf den öffentlichen Raum haben. 23
Wie gehen wir mit Lebenszyklen um? Es ist der Begriff des Trading Downs gefallen. Eine weitere Gefahr besteht außerdem in der Musealisierung alter Ruinen der Industriekultur. Ich frage mich, was das für eine Gesellschaft ist, die nur noch darauf abzielt bzw. nicht mehr genügend Lebenskraft hat, als alte Dinge zu bewahren oder zu konservieren und es nicht schafft neue vitale Begegnungszentren zu schaffen. REFLEXION (Andreas Reiter) Einzig an den Symbolen darf es nicht hängen. Aber Symbole haben auch eine starke Kraft, weil sie die Kultur und damit Gemeinschaft stärken. Zukünftig wird es deshalb immer stärker auch um soziale Innovationen gehen, bei denen über die Umgestaltung der Handelsimmobilie hinaus auch die Platzgestaltung ein Thema sein wird. Zentrale Fragen werden diesbezüglich sein, welche Sozial- und Begegnungsräume geschaffen werden, die abseits des Konsumierens wichtig sind. Diese konsumfreien Zonen sind ein wichtig- es und ausbaufähiges Spannungsfeld der Zukunft, das Begegnungsräume für Kommunikation schafft. (Stephan Reiß-Schmidt) 24
Umnutzung von großflächigen Einzelhandelsimmobilien Was passiert, wenn Stadt und Immobilieneigentümer nicht zu- sammenkommen? Dr. Egbert Dransfeld Herr Dr. Dransfeld ist Mitbegründer (1993) und seit 2002 alleiniger Inhaber des Institutes für Bodenmanagement (IBoMa). Vorrangiges Ziel des Institutes ist es, den öffentlichen sowie privaten Sektor bei der Mobilisierung von Boden für die Stadtentwicklung zu unterstützen, dabei aber auch zum haushälterischen Umgang mit der knappen Ressource „Boden“ anzuregen. “Stadt braucht Boden!” Das Institut möchte dazu beitragen, dass jederzeit das richtige Grundstück, am richtigen Ort und zu einem vertretbaren Preis zur Verfügung steht. Herr Dr. Dransfelds Institut ist bundesweit in der Planimplementierung und dem besonderen Städtebaurecht beratend tätig, erstellt Grundstückswertgutachten und ist ausserdem im Feld der Forschung und Bildung aktiv. Ausgangslage bei leerstehenden Immobilien ist oft ein langfristiger Stillstand. Die Grundprobleme der Entwicklung von (Einzelhandels)Immobilien sind meist schwierige Eigentumsstrukturen, die zu Stadtentwicklungsproblemen werden. Oft führen diese zu Trading Down Prozessen. Wie kann eine Kommune darauf reagieren und welche Instrumente können eingesetzt werden? Keine seltene Ausgangssituation ist der Umstand, dass ein ehemaliges Kaufhaus leer steht, sich kein Käufer findet oder der Eigentümer unbekannt bzw. uninteressiert an der Immobilie ist. Da Stadtentwicklung Zeit braucht, ist ein beispielsweise halbjähriger Leerstand noch kein Problem. Handlungsbedarf ist erst gegeben, wenn negative Auswirkungen auf die Umgebung erkennbar werden. Betrachtet man große ehemalige Handelsimmobilen lassen sich drei Typologien, basierend auf ihren Umgebungsbezug, charakterisieren: Gebietsbezogenheit vs. !"#$%&$'()*+$,-.(-+/.-01,-'2 !"#$%%&$,-.(-+/.-01,-'2 !"#$%%%&$875'9/+:)32 Einzelgrundstück $$$$$$$3-('$4567+(-7/.-05, $$$$$$$$$$4567+(-7/.-05, %;;1.(
Immobilienwirtschaftliches Problem: Leerstand führt zu Wertverlust positive Jahresreinerträge negative Jahresreinerträge !"# !"$ !"#$ !"# %&'!()*+!",&-".&/'**-"-!0)+!)0&11&* 2&&0-!3*,&-4"2&&0-!3*,"5678-! !"$ %&'!()*+!9"3:",&;"*&/3!'
Für den „Zugriff“ bzw. die Mobilisierung stehen den Kommunen verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung: 1. Privatrecht – Preis ist Verkehrswert: Das Vorkaufsrecht bei Zwangs- Es wird abgewartet, da die Immobilienpreise gegebenenfalls sinken. Hierdurch versteigerung für Kommunen ist kann die Möglichkeit entstehen, relativ preiswert an die Immobilie zu gelangen. nicht in der letzten BauGB-Novelle verankert worden. 2. Zwangsversteigerungen: Über Zwangsversteigerungen können Kommunen in Einzelfällen zum Erwerb kommen. Da Gemeinden jedoch keine Sonderrechte innehaben, können sie zwar mit bieten, ein Erfolg ist aber nicht garantiert. Zudem gibt es gelegentlich fingierte Geschäfte, die nur das Ziel haben, den Preis hochzutreiben. 3. Vorkaufsrecht: Wird dann interessant, wenn die verlangten Preise nicht dem Marktwert entsprechen. Wird der Preis für zu hoch gehalten, kann die Kommune dagegen vorgehen. 4. Zwangsankauf: Der Zwangskauf kann in Gebieten mit Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen erfolgen. Es greift das besondere Bodenrecht, § 165 Absatz 3. Die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme kann als „schärfstes Schwert“ von der Kommune genutzt werden, ist jedoch bei Handelsimmobilien eher hintergründig. 5. Enteignung: Die letzte zu nutzende Möglichkeit ist eine Enteignung. Oft reicht es für die Kommune indes aus, zu wissen, dass diese Anwendung finden kann um den Immobilieneigentümer unter Druck zu setzen. Eine Enteignung ist aber auf nur wenige Fälle anwendbar; die Anwendungsvorraussetzungen sind „streng“ (i.d.R. nur planakzentrisch möglich; Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme). Das Thema Boden und der Bodenwert ist der Schlüssel für das Thema REFLEXION dieser Tagung. Das Bodenrecht muss dringend reformiert und den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Aber selbst bei einem noch so guten Bodenrecht ist die Durchführung der Instrumente eine aufwendige Management-, Koordinations- und Kommunikationsaufgabe, für die Kommunen quantitativ und qualitativ personell nicht ausreichend ausgestattet sind. (Stephan Reiß-Schmidt) Insbesondere mit dem Besonderen Städtebaurecht stehen den Kommunen Instrumente zur Verfügung, um die Entwicklung von Immobilien anzustoßen, v.a. wenn die Eigentümer diese verhindern. 27
Übersicht über potentielle 1234156( Instrumente LM6',/N-7/+-(,-75', !"#$%&"'"#()*+&*",-.'"/0* L(N($?19-7'(/(-75',/,-.1+2%'/+6'9/-+05',/,-.1+ @>$A:)3.65,-.1+ B>$C+69+5;.65 D>$CEF 7889":";%"#()*+&*",-.'"/0* G>$CH? O17365P/7-)*+ I>$JH7*6
Kostenbeteiligung der Eigentümer Bei Städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen nach §§ 136 ff BauGB muss rechtssicher abgewogen werden, ob ein städtebaulicher Missstand vorliegt, bspw. wenn die Immobilie so groß ist, dass diese als einzelnes Sanierungsgebiet ausgewiesen werden kann. Ist dies der Fall, sind zwei unterschiedliche Verfahren einsetzbar: Beim „vollen” Verfahren besteht ein Bodenrechtsansatz, jedoch auch ein hoher Verwaltungsaufwand. Das „einfache” Verfahren ist gemäß § 142 Abs. 4 BauGB weniger aufwendig. Der Verfahrensablauf startet mit dem Beschluss über den Beginn vorbereitender Untersuchen, welche anschließend durchgeführt werden. Darauf folgt die Satzung zur Festlegung des städtebaulichen Sanierungsbereiches (Satzungsbeschluss), die Durchführung der Sanierungsmaßnahme und am Ende die Aufhebung der Sanierungssatzung. Es ist zu beachten, dass die Maßnahmen heutzutage nicht länger als 15 Jahre dauern dürfen. Das „volle” Verfahren mit seinen Genehmigungsvorbehalten im Sanierungsrecht kann angewendet werden, wenn folgende Vorraussetzungen vorliegen: sanierungsbedingte Bodenwertsteigerungen (nur insoweit diese die Maßnahmenkosten nicht überschreiten) zu erwarten sind, die Stadt Grundstücke kauft und Spekulation vermieden werden sollen. Beim „vollen” Verfahren hat die Kommune erhebliche ordnungspolitische Mitspracherechte, wie die Genehmigungspflicht der Grundstückskaufverträge sowie Grundschuldbestellungen und die Bestellung von belastenden Rechten. Die sanierungsbedingten Wertsteigerungen sind der Allgemeinheit durch Wertabschöpfung zuzuführen und müssen wieder zweckgebunden im Quartier eingesetzt werden. Es wird jedoch nur „abgeschöpft”, was durch die Sanierung qualitativ verbessert wurde; die konjunkturelle Wertsteigerung bleibt unberücksichtigt. 29
Die Finanzierungssystematik im vollen Sanierungsverfahren REFLEXION Man wird neue ordnungspolitische Instrumente entwickeln müssen, um den Auswüchsen der Globalisierung und den zunehmenden Bodenspekulationen entgegenwirken zu können. (Andreas Reiter) Das Thema Enteignung ist als solches schwierig. Das Enteignungsrecht bietet zunächst keine allgemeine Rechtsgrundlage für die Enteignung von Großleerständen. Bei bestimmten Fallkonstellationen kann diese jedoch trotzdem in Frage kommen. So kann beispielsweise die „planakzessorische Enteignung“ angewendet werden, wenn die Kommune z.B. an der Stelle der Immobilie öffentlichen Freiraum schaffen möchte. Auch im Rahmen von Stadtumbaumaßnahmen ist eine Enteignung theoretisch möglich vgl. §85 Abs.1 Nr. 7 BauGB, verlangt aber eine strenge Anwendungsprüfung. Als Fazit zu diesem Themenkomplex kann festgehalten werden, dass ein Kauf durch die Kommune durch ordnungspolitische Erwägungen gerechtfertigt sein sollte. Zudem empfiehlt sich bei heterogenen Problemlagen von Großimmobilien die Durchführung von Voruntersuchungen. Dadurch erfolgen eine umfassende Analyse der Ist-Situation und die problembezogene Schärfung der städtebaulichen Ziele. Mit der Gestaltung einer Vorkaufssatzung ist das Grundproblem vielleicht auch schon lösbar. 30
Es gibt eine Fülle von Instrumenten, die nicht immer alle und überall anwendbar sind. Wir brauchen zudem ein grundsätzlich anderes Verständnis von öffentlichem Interesse und privatem Eigentum. Man muss berücksichtigen, dass das Baurecht Eigentumsbestandteil ist und nicht auf Zeit verliehen wird. Es führt kein Weg daran vorbei, wir müssen uns mit den REFLEXION nicht kooperationswilligen Eigentümern auseinandersetzen und wir müssen uns auf ein Nichtwachstum und neue Paradigmen einstellen. Wir müssen neu denken. (Stephan Reiß-Schmidt) Derzeit erleben wir in der Stadtentwicklung, ähnlich wie in der Konsumpolitik, einen Retrotrend. Im Moment fehlt der große Wurf, der uns in die Zukunft blicken lässt. Die Besinnung auf das Vergangene ist eine Pause zum Luft holen, um den Sprung in die Zukunft vorzubereiten. (Andreas Reiter) 31
Das Interesse der Immobilieneigentümer an Handelsimmobilien Shopping-Center oder Stadt-Quartiere? Entwicklungsperspektiven, Chancen und Risiken für neue Projekte und Altbestände Urbane Erlebniswelt versus digitaler Bequemlichkeit Gerd Wilhelmus Herr Wilhelmus ist seit 18 Jahren bei der ECE und seit 2003 als Geschäftsführer der ECE Development G.m.b.H & Co. KG tätig. In seiner beruflichen Laufbahn war er in der kommunalen Wirtschaftsförderung & Stadtentwicklung tätig. Der Projektentwickler ECE beschäftigt Spezialisten aller immobilienrelevanten Fachbereiche und entwickelt ganze Stadtquartiere. Speziell ausgebildete Center-Manager lassen die Einkaufszentren der ECE zu lebendigen Marktplätzen werden. Digital-Shopping – Erlebnis-Shopping Die Entwicklungen im Einzelhandel sind durch den eCommerce bestimmt. Smartphones revolutionieren den Einzelhandel. Multichannel oder Crosschanel sind Erfordernisse für Unternehmen, um sich auf das veränderte Kaufverhalten einzustellen. Der digitale Einkauf hat mittlerweile ein Marktvolumen von ca. 10%, wobei sich dieser in den einzelnen Branchen unterschiedlich darstellt. Beim Buchhandel liegt der Marktanteil schon bei 40%, bei Fashion bei 25%. Der deutsche Der stationäre Einzelhandel hat Einzelhandel hat es lange versäumt sich auf diese Entwicklung einzustellen. Seit mehr mit dem eCommerce einen starken als zwei Jahren werden Konzepte entwickelt, die Vertriebs- und Marketingstrategien Konkurrenten bekommen, den es zu nutzen gilt. auf unterschiedlichen Kanälen berücksichtigen. Das gilt auch für Betreiber von Einkaufszentren, die sich stärker auf die Entwicklungen einstellen müssen. Eine große Chance liegt bei Click und Collect. ECE hat in Kooperation mit Roland Multi- und Crosschanneling- Berger umfangreiche Befragungen durchgeführt und festgestellt, dass das Thema Konzepte werden zukünftig den Erfolg von Unternehmen Zuhause bequem bestellen aber im Laden abholen, einen großen Pluspunkt bei den bestimmen Kunden und Mehrwert für den Handel hat. Der Kunde kann die Auswahl im Geschäft anprobieren, der Händler hat ggf. weitere Mitnahmeeffekte, da beispielsweise noch Accessoires gekauft werden. Der stationäre Einzelhandel muss künftig das Thema Erlebnisshopping noch Multisensorische Ladenkonzepte stärker in den Vordergrund stellen; Stichwort Showrooming. Die Vorteile des geben dem stationären Handel stationären Einzelhandels, die u.a. in der haptischen Wahrnehmung der Produkte, einen Wettbewerbsvorteil in der sofortigen Produktmitnahme sowie im Aufbau von Emotionalität und Erlebnisatmosphäre liegen, müssen weiter gestärkt werden. Ladenlokale die multisensorisch auf ihre Kunden einwirken sind erfolgreich. 32
So nimmt Abercrombie + Fitch die Lebenswelt der jungen Bevölkerung auf und schafft für diese Authentizität. Im Laden gibt es laute Musik, sportliche junge Männer begrüßen die Kundinnen mit freiem Oberkörper. Allerdings sind die Halbwertzeiten derartiger Modelle kürzer. Es müssen immer wieder neue Erlebniskonzepte entwickelt werden. Foto aus Folienvortrag ausschneiden? Ein anderes Beispiel ist Globetrotter. Sie setzen nicht nur im stationären Verkauf auf Erlebnis, sondern haben schon lange verschiedene Vertriebswege mit stationärem Verkauf, Online-Plattform und klassischem Versandhandel etabliert. Anhand der Apple-Stores lässt sich der Trend zum Showrooming ablesen, der zukünftig noch an Bedeutung gewinnen wird. 33
Braucht der Handel weniger Stadt? Mit dem Handel wandelt sich die Stadt. Damit stellt sich die Frage, ob der Handel zukünftig mehr oder weniger Stadt braucht. Die Ausgangssituation ist durch einen Hyperwettbewerb auf allen Kanälen gekennzeichnet: zwischen online und offline, zwischen Innenstadt und Peripherie, zwischen Groß- und Kleinstadt, zwischen Fachgeschäft und Fachmarkt, zwischen lokalem Shopping und Weltstadtshopping rund um den Globus. Auf der anderen Seite steht jedoch auch eine Renaissance der Innenstädte. Wir sprechen von neuer Urbanität. Es ist ein Trend zum Wohnen in der Innenstadt zu verzeichnen, nachdem jahrzehntelang vor den Toren der Stadt gelebt wurde. Allerdings werden die Städte vor allem in ihren Citylagen und Shoppingcentern immer uniformer und austauschbarer. Das liegt natürlich v.a. am hohen Filialisierungsgrad. Der Strukturwandel im Handel ist nicht zu stoppen. Wir sehen dieses an der Entwicklung der Warenhäuser, die zur Disposition stehen. Der Druck auf die Innenstädte nimmt zu. Es sind weitere Flächenexpansionen zu erwarten, damit steigt der Druck auf die Flächenproduktivitäten weiter und es besteht die Notwendigkeit zur permanenten Flächenanpassung. Der Marktanteil der Filialisten wird sich zudem weiter erhöhen. Internationale Anbieter mit neuen Konzepten drängen auf den deutschen Markt und besetzen die besten Standorte, da sie die höchsten Mieten zahlen können. Die Folg ist ein verschärfter Standortwettbewerb bei gleicher Verteilungsmasse. Der Kunde entscheidet nach Bequemlichkeit und/ oder nach Einzigartigkeit bzw. Erlebnisqualität. Er sucht die Individualität in der Innenstadt, das Alleinstellungsmerkmal der Handelsformate, die Positionierung oder Profilierung von Shoppingcentern. Aber auch der Kunde verändert sich. Gesundheit und Nachhaltigkeit spielen eine immer größere Rolle, was sich z.B. in der neuen, urbanen Zielgruppe der LOHAS (Lifestyles Of Health And Sustainability) widerspiegelt. Hinzu kommt eine neue Kultur der Selbstverwirklichung. Die Konsumenten haben neue Wünsche, z.B. nach Nähe und Vertrauen. Auch Service wird zunehmend wichtiger, vor allem da die Kunden mittlerweile durch das Internet viel informierter sind als früher. In Deutschland herrscht nach wie vor eine Markenorientierung vor. Marken sind Anerkennungs- und Statussymbole, was in anderen Ländern, z.B. in Skandinavien, schon nicht mehr so ist. Projektentwicklung von Handelsimmobilien im Konflikt der Interessen Bei der Projektentwicklung von Immobilien stoßen unterschiedliche Interessen aufeinander. Due Diligence Prozesse stehen bei Entwicklern wie der ECE auf der Tagesordnung. Die Mieter stellen klare Anforderungen hinsichtlich Flächengröße, Flächenzuschnitt, der Lage innerhalb des Centers sowie flexibler Öffnungszeiten. 34
Die Städte erwarten von einem Projektentwickler multifunktionale Konzepte, die möglichst (geförderten) Wohnungsbau integrieren. Städtebauliche Integration und Verträglichkeit mit dem vorhandenen Bestand stehen für die Kommunen an erster Stelle. Die Städte möchten bestimmte (großflächige) Wunschmieter haben, die noch nicht am Standort sind und möglichst wenige Kleinflächen. Gleichwohl sind die kleinen Flächen für die Shoppingcenterbetreiber wichtig, da aus diesen ein Großteil der Mieten generiert werden. Auf der Seite der Investoren werden verlässliche Investitionsstrukturen, d.h. möglichst langfristige Mietverträge, gewünscht. Angesichts der Entwicklung des Handels tritt hier ein Konflikt auf. Die Handelsformate haben immer kürzere Laufzeiten, die eigentlich einen Betreiber veranlassen müssten, nur noch 5-jährige Mietverträge abzuschließen. Das ist nicht im Interesse des Investors, hier kommt es zu Interessenkonflikten auch zwischen Entwicklern und Investoren. Die Investoren möchten nachhaltige Nutzungskonzepte, die noch in 20 Jahren funktionieren. Zudem soll der Anteil an vermietbarer Fläche hoch sein, um eine gute Rendite zu gewährleisten. Allerdings sind in einem Center nur ca. 60% der gebauten Flächen auch Mietflächen. Die restlichen Flächen werden für die Mall, Fluchtwege, Treppenhäuser, Anlieferung, Parken etc. benötigt. Projektentwicklung von Handelim- mobilien im Konflikt der Interessen Zusammengefasst gibt es aus Sicht der ECE wachsende Anforderungen der Städte an die Entwickler: Hohe städtebauliche und architektonische Ansprüche Begrenzung der Verkaufsflächen („Wettbewerbsschutz“) Quer-Subvention öffentlicher Infrastruktur (z.B. Integration einer Bibliothek) (geförderter) Wohnungsbau „Neuansiedlungsquoten“ (50% der gewerblichen Mieter sollen noch nicht in der Stadt vorhanden sein) Mitentscheidung der Bürger, nicht nur Mitsprache Belebung ohne Verdrängung 35
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