Von der Bottom-up-Bewegung zum UNESCO-Programm: Geoparks in Deutschland

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Von der Bottom-up-Bewegung zum UNESCO-Programm: Geoparks in Deutschland
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https://doi.org/10.1007/s00548-022-00776-4

    ANGEWANDTE GEOGRAPHIE

Von der Bottom-up-Bewegung zum UNESCO-Programm:
Geoparks in Deutschland
Christof Ellger1

Eingegangen: 5. Oktober 2021 / Überarbeitet: 28. März 2022 / Angenommen: 29. März 2022
© Der/die Autor(en) 2022

Zusammenfassung
Geoparks haben sich in den letzten 30 Jahren – weltweit und in Deutschland – als neue und besondere Kategorie von Groß-
schutzgebiet etabliert. Ohne Verankerung in der Naturschutzgesetzgebung sind die bestehenden Geoparks – bottom-up – als
Projekte einzelner regionaler Initiativen entstanden, haben sich in internationalen Netzwerken organisiert und werden seit
2015 als Teil eines UNESCO-Programms geführt. Mit ihren spezifischen Aufgaben (Vermittlung der Geowissenschaften
in die Öffentlichkeit, Geotopschutz, Regionalentwicklung durch Geotourismus) bilden sie ein interessantes Arbeitsfeld für
integratives raumbezogenes Arbeiten. Aus einer Basisbewegung entstanden, weisen Geoparks unterschiedliche Organisati-
onsformen auf; auch geht ihre räumliche Verteilung auf die Zufälligkeit regionaler Einzelentscheidungen zurück und nicht
auf eine übergeordnete Planung. Für die Anerkennung von Geoparks gelten Zertifizierungsrichtlinien, was zur Qualitäts-
sicherung beiträgt. Hinsichtlich ihrer regionalwirtschaftlichen Wirkung besteht ebenso Forschungsbedarf wie zu Produktion
und Rezeption geodidaktischer Materialien in den Geoparks.

Schlüsselwörter Großschutzgebiete · Umweltbildung · Geotopschutz · Regionalentwicklung · Geotourismus

Abstract
Geoparks have become established over the last 30 years—both on a global scale and in Germany—as a new and special
category of large-scale conservation area. Without being anchored in conservation legislation, the existing geoparks have
evolved as bottom-up projects of individual regional initiatives, have become organized in international networks and, since
2015, have been registered as part of a UNESCO programme. With their specific tasks (communication of geosciences
to the public, geoconservation, regional development through geotourism) they form an interesting field of action for
integrative spatial work. As a result of their evolution from grassroots, geoparks show a variety of organizational models
and their spatial distribution is the result of individual decisions in various regions rather than an overarching planning
concept. To be recognized as a geopark specific guidelines apply, which contributes to quality assurance. There is a demand
for research on the geoparks’ regional economic effects as well as on the production and perception of geodidactic material.

Keywords Conservation areas · Environmental education · Geoconservation · Regional development · Geotourism

                                                                          Geoparks – der Spezialfall unter den
                                                                          Großschutzgebieten

                                                                          In den vergangenen 30 Jahren haben sich Geoparks welt-
                                                                          weit und auch in Deutschland als eine besondere Katego-
                                                                          rie von Großschutzgebieten herausgebildet. Mit ihrer spe-
                                                                          zifischen thematischen Ausrichtung, ihrer multifunktiona-
 Christof Ellger                                                         len Aufgabenstellung und ihrer besonderen Entstehungsge-
     Christof.Ellger@geo-union.de
                                                                          schichte bilden sie gerade für an themen- und disziplinüber-
1                                                                         greifender raumbezogener Arbeit Interessierte ein lohnen-
     GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung, c/o Institut
     für Geowissenschaften der Universität Potsdam,                       des Handlungs- und Forschungsfeld. Dabei sind Geoparks
     Karl-Liebknecht-Straße 24–25, 14476 Potsdam, Deutschland             gerade in Deutschland bisher nur in geringem Umfang Ge-

                                                                                                                            K
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C. Ellger

genstand wissenschaftlicher Untersuchungen; dies wird ih-         Grundlage eines Geoparks ist eine besondere Ausprä-
rem facettenreichen inhaltlichen Reichtum und auch dem         gung der Geologie, entweder durch besondere (kleinräu-
bestehenden Forschungsbedarf nicht gerecht.                    mige) Geotope (Aufschlüsse, Felsen, Höhlen, Fossilfund-
    Geoparks sind – anders als die anderen Kategorien der      stätten, Mineralvorkommen, Geländeformen) oder durch
Großschutzgebiete Nationalpark, Naturpark und Biosphä-         die geologische bzw. physisch-geographische Besonderheit
renreservat – nicht im Bundesnaturschutzgesetz und in den      der großräumlichen Erscheinung, d. h. im Wesentlichen der
entsprechenden Ländergesetzen verankert; damit bilden sie      Geomorphologie (Richtlinien 2018). Viele Geoparks haben
eher eine Kategorie der informellen Planung, auch wenn für     Alleinstellungsmerkmale, die sie als Naturräume unter-
sie mittlerweile ebenfalls Regelwerke aufgestellt worden       scheidbar machen, wie z. B. das Ries mit den die Morpho-
sind. Diese rechtliche Lage hat Vor- und Nachteile. Nach-      logie beherrschenden Spuren des miozänen Impaktkraters,
teile entstehen dadurch, dass der Staat keine Verpflichtung    die beiden Geoparks der Eifel sowie die Geoparks Vogels-
hat, Geoparks einzurichten und zu finanzieren, und in Kon-     berg und Porphyrland mit einem Schwerpunkt im Vulka-
flikt- und Konkurrenzsituationen werden sich öffentliche       nismus, die Schwäbische Alb als Kalk- und Karstregion
Stellen tendenziell auf die Seite der gesetzlich geschütz-     oder der Muskauer Faltenbogen als besondere glazialmor-
ten Institution stellen. Andererseits haben Geoparks keine     phologische Prägung. Andere Geoparks punkten dagegen
übergeordnete Behörde, deren Weisungen sie zu befolgen         eher mit ihrer Geodiversität, mit der stark ausgeprägten
haben, und können hinsichtlich ihrer Organisation und Vor-     geologischen Vielfalt hinsichtlich der Gesteinsklassen und
gehensweise unabhängiger agieren. Angesichts der Kon-          der im Geopark vertretenen Phasen der Erdgeschichte (wie
kurrenz zwischen Natur- und Geoparken hat sich der Ver-        z. B. Westerwald-Lahn-Taunus, GrenzWelten, Bergstraße-
band Deutscher Naturparke (VDN) für eine Strategie der         Odenwald oder Sachsens Mitte).
Einbindung der Geoparks entschieden und lädt seit 2018            Wesentliche Aufgabe in den Geoparks ist die Vermitt-
die Geoparks in Deutschland zur Mitgliedschaft und zur         lung des Wissens über die regionale Geologie an die
Mitwirkung im VDN ein (Arbeitsgemeinschaft deutscher           BesucherInnen, aber auch an die BewohnerInnen. Dies
Geoparks 2022).                                                geschieht durch Infozentren, Installationen im Gelände
    Wichtiger für die aktuelle Situation der Geoparks in       (Schautafeln, Abb. 1), Publikationen in Print und online
Deutschland erscheint aber gegenwärtig vor allem die Tat-      sowie Veranstaltungen (geführte Touren, Vorträge, Work-
sache, dass sie immer noch sehr wenig bekannt sind (Allm-      shops etc., Abb. 2). Diese Schlüsselaufgabe der Geoparks
rodt 2011; Panek 2018). Ihrer Aufgabe können sie schließ-      gewinnt ihre Bedeutung – und ihre Herausforderung –
lich nur gerecht werden, wenn möglichst viele Menschen         vor allem auch aus der Beobachtung, dass Geologie im
ihre Existenz und ihre Angebote kennen und nutzen.             heutigen Bildungskanon kaum mehr vorkommt, kaum in
    Ziel dieses Beitrags ist es, einen Überblick zur Entste-   der Schule (DGGV 2022), wenig in den Medien. Dieser
hung und zu den wesentlichen Merkmalen dieser Gebiets-         Umstand erschwert den AkteurInnen in den Geoparks, den
kategorie zu geben und diese als besonderes und interessan-    NutzerInnen Wissenselemente aus der Geologie und ihren
tes Aufgabenfeld für die Angewandte Geographie vorzu-          Nachbardisziplinen zu kommunizieren; das Vorwissen in
stellen.                                                       diesem Themenbereich ist in der Regel – außer bei den
                                                               wenigen speziell Interessierten – gering.
                                                                  Von den Geoparks wird erwartet, dass sie sich auch um
Definition und Aufgaben eines Geoparks                         das ihnen anvertraute und von ihnen inwertgesetzte geolo-
                                                               gische Erbe kümmern, d. h. dass sie dieses schützen und
Geoparks können in einer ersten Annäherung beschrieben         pflegen. Diese Aufgabe wird unter dem Begriff Geotop-
werden als „Naturparke mit geologischem Schwerpunkt“           schutz- und -pflege zusammengefasst. Dazu gehört, dass
d. h. Großschutzgebiete, in denen die geologische Ausstat-     für das Gebiet des Geoparks ein Geotopinventar geführt
tung im Mittelpunkt des Interesses steht. Die UNESCO           wird, in dem auch der Zustand der Geotope dokumentiert
definiert Geoparks als „single, unified geographical areas     wird; dabei arbeiten die Geoparks in der Regel mit den
where sites and landscapes of international geological si-     Geologischen Landesämtern und den Naturschutzbehörden
gnificance are managed with a holistic concept of protec-      zusammen. Konkreter und im Gelände bedeutet Geotoppfle-
tion, education and sustainable development ...“ (Deutsche     ge vor allem, dass Aufschlüsse regelmäßig von Aufwuchs
UNESCO-Kommission 2022, o. S.), betont also die Ge-            freigemacht werden, damit sie sichtbar bleiben; dabei ent-
schlossenheit der Gebietsfläche, die (klein- und großräum-     stehen gelegentlich auch Konflikte mit dem Naturschutz der
lich ausgeprägte) geologische Bedeutung sowie die Aufga-       belebten Natur (Staatliche Geologische Dienste der Län-
ben des (Geoerbe-)Schutzes, der (geo- bzw. umweltwissen-       der 2018, S. 14). Einzelne besondere Geotope sind darüber
schaftlichen) Bildung und der nachhaltigen Entwicklung.        hinaus angesichts starker Betretung oder auch durch Ab-
                                                               sammeln von Fossilien und Mineralen in ihrer Existenz be-

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Abb. 1 Schautafel vor der Tuffwand am Ulmener Maar, Landkreis Cochem-Zell, UNESCO Global Geopark Vulkaneifel. (Foto: GeoUnion)

droht – bzw. ist zumindest ihr aktueller bewahrenswerter           sung der geowissenschaftlich interessanten Sehenswürdig-
Zustand gefährdet. In diesen Fällen müssen dann Maßnah-            keiten und Reiseziele einschließlich der Einrichtungen zu
men der Besucherlenkung bzw. Betretungsverbote anset-              ihrer Präsentation (Routen, Pfade, Tafeln, Informationsstel-
zen. In der internationalen Diskussion wird als Beispiel für       len etc.). Auf der Nachfrageseite ist es schon schwieriger,
Gefährdung durch Übernutzung häufig das Geotop Horn                „GeotouristInnen“ auszumachen (Ellger 2021). Sicherlich
Park Quarry bei Beaminster in Dorset, England, angeführt,          gibt es eine bestimmte TouristInnengruppe, die mit geolo-
ein Mitteljura-(Aalenium-)Aufschluss mit außergewöhnlich           gischem Vorwissen ausgestattet dezidiert geologische oder
reicher Ammonitenfauna, der durch die Sammeltätigkeit              geomorphologische Phänomene aufsucht oder nach Mine-
vom vollständigen Verlust bedroht war und deshalb ge-              ralen und Fossilien sucht. Aber auch detailliertere Studi-
sperrt wurde (Crofts et al. 2020, S. 68). Über Gefährdungen        en zu geotouristischen NachfragerInnen enden letztlich in
an Karst- und Tuffgeotopen der Schwäbischen Alb insbe-             der Beobachtung, dass sich der Großteil der BesucherInnen
sondere durch große Besucherströme während der Corona-             von Geoparks hinsichtlich der Motive bei der Auswahl der
pandemie im Jahr 2020 berichtet Heidi Elisabeth Megerle            Tourismusziele und -aktivitäten nicht vom Grundtypus der
(2021).                                                            Wander- und NaturtouristIn unterscheidet (Prendivoj 2018).
   Ein weiteres Ziel der Geoparks ist es, durch Stärkung des          Eingebettet in die seit mehr als 4 Jahrzehnten laufen-
Tourismus und weitere Maßnahmen (wie etwa der Vermark-             de Umwelt- und Nachhaltigkeitsdiskussion werden Geo-
tung vor Ort hergestellter Produkte) regionale Wirtschafts-        parks schließlich, wie die übrigen Großschutzgebiete der
förderung zu betreiben. In diesem Zusammenhang wird                Naturschutzgesetzgebung auch, verstanden als Instrumen-
auch von „Geotourismus“ gesprochen. Geotourismus ist auf           te der Förderung von Nachhaltigkeit sowie der Bildung
der Angebotsseite gut zu beschreiben als die Zusammenfas-          für nachhaltige Entwicklung. Dies geschieht vor allem da-

                                                                                                                        K
C. Ellger

                                                                      nesberg 1972, Landkreis Neustadt an der Waldnaab; Kirn-
                                                                      bachtal 1977, Landkreis Tübingen; Hesselberg 1970er-Jah-
                                                                      re, Landkreis Ansbach; Geopfad Hillesheim 1986, Land-
                                                                      kreis Vulkaneifel). Vor allem in der westlichen Eifel setzte
                                                                      sich der Gedanke durch, dass zur Präsentation des geo-
                                                                      logischen Erbes ein Geopfad nicht ausreiche, stattdessen
                                                                      ein flächenhaft ausgedehntes Aktionsgebiet entwickelt wer-
                                                                      den müsse. So entstand bereits Anfang der 1990er-Jahre
                                                                      der „Geo-Park“ in der Verbandsgemeinde Gerolstein (Frey
                                                                      1993).
                                                                         In den 1980er-Jahren entwickelte sich darüber hinaus
                                                                      aus der Beschäftigung von Geowissenschaftlern mit Natur-
                                                                      schutz in verschiedenen Teilen der Welt die Vorstellung,
                                                                      dass nicht nur die belebte Natur der Pflege und des Schut-
                                                                      zes bedürfe, sondern auch der unbelebte, geologische Teil
                                                                      der Natur, vor allem hinsichtlich der besonders charakteris-
                                                                      tischen, einzigartigen und seltenen Ausprägungen der Geo-
                                                                      logie an der Erdoberfläche. Dafür wurde der Begriff „geolo-
                                                                      gisches Erbe“ geprägt (englisch „geoheritage“, französisch
                                                                      „patrimoine géologique“), für dessen Schutz wird der eng-
                                                                      lische Begriff „geoconservation“ verwendet (Gray 2019).
                                                                      Die Geopark-Idee ist darüber hinaus auch beeinflusst und
                                                                      gefördert worden von den Initiativen der 1980er-Jahre, die
                                                                      mit dem Instrument eines umweltgerechten, „sanften“ Tou-
                                                                      rismus „endogene“ oder „eigenständige“ Regionalentwick-
                                                                      lung befördern wollten (Hahne 1985).
                                                                         Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Geoparks war
Abb. 2 Geführte Tour im Nationalen GeoPark Bayern-Böhmen: Ba-         die Behandlung der Fragen des geologischen Erbes, sei-
saltsäulen am Parkstein, Landkreis Neustadt an der Waldnaab. (Foto:
GeoUnion)
                                                                      nes Schutzes und seiner Nutzung für Zwecke des Tou-
                                                                      rismus und der Regionalentwicklung durch Geoparks auf
                                                                      dem International Geological Congress (IGC), dem Welt-
durch, dass Verbindungen zwischen Geoerbeschutz und Na-               kongress der IUGS (International Union of Geosciences)
turschutz aufgezeigt werden und umweltgerechte, d. h. res-            in Peking 1996 (Du und Girault 2018, S. 6; Eder 2008,
sourcensparende, emissions- und abfallarme Organisations-             S. 150). Dabei wurden Geoparks über die bereits skizzier-
formen und Tourismusaktivitäten auf den Weg gebracht                  ten Ziele Geoconservation und Regionalentwicklung hinaus
werden. Gerade bei den UNESCO Global Geoparks fordern                 auch angesehen als ein Weg, neue Beschäftigungsmöglich-
UNESCO, Nationalkomitee für UNESCO Global Geoparks                    keiten für GeowissenschaftlerInnen zu schaffen. Schon in
in Deutschland sowie die die Geoparks betreuende Deut-                dieser Phase war die UNESCO an der Konzeption der Geo-
sche UNESCO-Kommission massiv Initiativen zur Umset-                  parks und an der Formulierung von Richtlinien für deren
zung der Agenda 2030 (Deutsche UNESCO-Kommission                      Beurteilung beteiligt, geleitet von dem Interesse, neben den
2022).                                                                Stätten des Weltkultur- und Weltnaturerbes und dem Pro-
                                                                      gramm „Man and Biosphere“ (zu dem die Biosphärenreser-
                                                                      vate gehören) auch die steinerne unbelebte Natur in einer
Zur Entstehung der Geoparks                                           UNESCO-Initiative zu bearbeiten; darüber hinaus hat die
                                                                      UNESCO stets die Bedeutung der geowissenschaftlichen
Die Idee, Geoparks aufzustellen und auszuweisen, d. h. Ge-            und umweltbezogenen Bildungsarbeit als Aufgabe der Geo-
biete mit einer Größe von zwischen ca. 500 und 5000 km2,              parks betont. Im Jahr 2000 gründeten VertreterInnen von
die sich vorrangig der Präsentation ihres geologischen Er-            4 europäischen Geoparks – Réserve Géologique de Haute-
bes widmen, entstand in den 1990er-Jahren an verschiede-              Provence (Frankreich), Natural History Museum of Lesvos
nen Orten der Welt, darunter auch in Deutschland. Histo-              Petrified Forest (Griechenland), Maestrazgo Cultural Park
risch zu verstehen sind sie dabei unter anderem auch als              (Spanien) und Geopark Gerolstein/Vulkaneifel (Deutsch-
räumliche Ausweitung der bereits zuvor – seit den 1970er-             land) – das „European Geopark Network“ und verabschie-
Jahren – eingerichteten geologischen Lehrpfade (u. a. Tän-            deten Richtlinien mit den Qualitätskriterien für die Aufnah-

K
Von der Bottom-up-Bewegung zum UNESCO-Programm: Geoparks in Deutschland

me weiterer Geoparks in das Netzwerk. Nach dem Vorbild           kannt wurde, bestehen in Deutschland 8 UNESCO Global
dieses europäischen Verbands wurde 2004 das „Global Net-         Geoparks und weitere 10 Nationale GeoParks.
work of National Geoparks“ oder kurz „Global Geoparks
Network“ (GGN) errichtet (Eder 2008, S. 150).
   In Deutschland wurde die Idee der Geoparks in den             Zur Organisationsweise der Geoparks in
1990er-Jahren von verschiedenen Initiativen – z. B. geowis-      Deutschland
senschaftlich ausgerichteten Regionalvereinen, Umweltbil-
dungseinrichtungen oder auch Naturparken – entdeckt als          Geoparks sind keine per se staatlichen Einrichtungen und
ein Instrument, ihr jeweiliges Anliegen mit einem stärker        als Folge der wenigen Vorschriften haben sich bei den
geologisch ausgerichteten Profil wirkungsvoll in die Öf-         Geoparks unterschiedliche Organisationsformen herausge-
fentlichkeit zu tragen. Als sich um 2000 eine Reihe von          bildet. In der Regel sind die Geoparks als Vereine organi-
Geopark-Initiativen formierte, wurde deutlich, dass diese        siert, in denen Kommunen (Gemeinden oder Landkreise)
nicht alle kurzfristig zu „European Geoparks“ werden könn-       oder kommunale Körperschaften die wesentlichen Träger
ten. In dieser Situation beschloss 2001 der Bund-Länder-         darstellen. Viele Geoparks sind administrativ an die Ver-
Ausschuss Bodenforschung (BLA-GEO), das höchstrangi-             waltungen von Landkreisen angebunden, entweder als Teil
ge Exekutivgremium für Belange der Geologie in Deutsch-          der Behörde oder aber als Tochtergesellschaft. Finanziert
land, ein Programm für Geoparks in Deutschland aufzustel-        werden sie vor allem durch Budgetmittel der Landkreise
len, um die Bildung von mehr Geoparks zu ermöglichen:            und Umlagen der Mitgliedsgemeinden. Darüber hinaus ha-
die „Nationalen GeoParks“ (Mattig 2006). Vergabekriterien        ben in jüngster Zeit einzelne Bundesländer ihre Geoparks
und -richtlinien wurden 2002 erstellt; als Dachorganisation      mit Fördermitteln unterstützt. Geoparks müssen dabei ih-
für die Zertifizierung der Geoparks wurde die GeoUnion           re Aufgaben mit minimalen Mitteln erfüllen (Panek 2018).
Alfred-Wegener-Stiftung, der Zusammenschluss der geo-            Die Finanzierung von Maßnahmen geschieht sehr häufig
wissenschaftlichen Verbände und Forschungsinstitutionen          über LEADER-Mittel, dann im Zusammenwirken mit dem
in Deutschland, eingesetzt und mit der Einsetzung einer          jeweiligen LEADER-Regionalmanagement, das Gelder be-
Expertengruppe beauftragt. Bereits 2003 wurden die ersten        reitzustellen in der Lage ist, während die Geoparks die in-
4 Geoparks als „Nationale GeoParks“ anerkannt. In dieser         haltliche Ausgestaltung beisteuern.
Anfangszeit liefen die Zertifizierungen durch das European
Geopark Network einerseits und die GeoUnion-Experten-
gruppe andererseits zunächst unverbunden nebeneinander           Zertifizierung auf 2 Ebenen: weltweit und
her, bis 2004 eine Vereinbarung des EGN mit der UNESCO,          national
die „Madonie Declaration“, festlegte, dass Geoparks sich
bei einer bestehenden nationalen Zertifizierung zuerst bei       Von Anfang an zeichnete sich die Geopark-Bewegung da-
dieser bewerben müssen, bevor sie die Mitgliedschaft im          durch aus, dass sie als Bedingung für die Mitgliedschaft
EGN beantragen können (The Madonie Declaration 2004).            in einem der Geopark-Netzwerke eine Zertifizierung vor-
   Nach langen Verhandlungen mit der UNESCO gelang es            sah. Heute werden UNESCO Global Geoparks im Rahmen
2015, die Geoparks zu einem UNESCO-Programm zu ma-               des International Geoscience and Geoparks Programme
chen bzw. sie in das bestehende, von UNESCO und IUGS             (IGGP) vom UNESCO Global Geoparks Council (unter
gemeinsam geleitete Programm „International Geoscience           Mitwirkung der IUGS, der International Union of Geolo-
Programme“ (IGCP) zu integrieren, das damit zum „In-             gical Sciences) begutachtet, der seine Vorschläge an den
ternational Geoscience and Geoparks Programme“ (IGGP)            UNESCO-Exekutivrat zur Entscheidung weiterleitet. In
wurde. Mit dem UNESCO-Beschluss wurden die zu diesem             Deutschland ist diesem Prozess noch eine Begutachtung
Zeitpunkt bestehenden GGN-Geoparks zu „UNESCO Glo-               durch das vom Auswärtigen Amt eingesetzte Deutsche Na-
bal Geoparks“ ernannt (Deutsche UNESCO Kommission                tionalkomitee für UNESCO Global Geoparks vorgeschaltet,
2022).                                                           das administrativ von der Deutschen UNESCO-Kommissi-
   In den gut 20 Jahren seit der Konstituierung der Geo-         on betreut wird. In einer der Zertifizierung vergleichbaren
park-Netzwerke und -Zertifizierungsverfahren hat die Zahl        Evaluierung werden die UNESCO Global Geoparks alle
der anerkannten Geoparks weltweit und auch in Deutsch-           4 Jahre daraufhin überprüft, ob sie die Kriterien für die
land kontinuierlich zugenommen. Ende 2021 gab es 169             Zertifizierung noch erfüllen und in ihrer Entwicklung Fort-
UNESCO Global Geoparks in 44 Ländern, davon 41 in                schritte gemacht haben (Deutsche UNESCO-Kommission
China, 15 in Spanien, 11 in Italien, 9 in Japan, 8 in Großbri-   2022). In ähnlicher Weise vergibt die GeoUnion Alfred-
tannien und jeweils 7 in Frankreich und Deutschland (Deut-       Wegener-Stiftung das Gütesiegel „Nationaler GeoParks“;
sche UNESCO Kommission 2022). Nachdem der Geopark                sie hat dafür die Zertifizierungskommission Nationale Geo-
Ries im April 2022 als UNESCO Global Geopark aner-

                                                                                                                  K
C. Ellger

Parks eingerichtet. Nationale GeoParks werden alle 5 Jahre        Dabei verläuft die Entwicklung der Zertifizierung von
durch eine Evaluierung überprüft.                              Geoparks in Deutschland sehr dynamisch. In 20 Jahren sind
   Die Zertifizierung als formale Hürde zur Anerkennung        19 Geoparks zertifiziert worden (zwei davon – Mecklen-
eines Geoparks hat sich insgesamt als sehr vorteilhaft er-     burgische Eiszeitlandschaft und Eiszeitland am Oderrand –
wiesen. Zum einen dient sie der Qualitätssicherung (Panek      haben die Zertifizierung wieder verloren; der ursprünglich
2018). Darüber hinaus helfen diese turnusmäßigen Über-         zertifizierte Geopark Vulkanland Eifel wurde aufgeteilt in
prüfungen den Geoparks, ihre Trägereinrichtungen, Geld-        die Geoparks Vulkaneifel und Laacher See). Und auch ak-
geber und Netzwerkpartner an deren Aufgaben (z. B. Finan-      tuell hält die Rate von einer Neuzertifizierung pro Jahr
zierung, Aktivitäten) zu erinnern. Interessant ist in diesem   an (Schieferland 2019, Vulkanregion Vogelsberg 2020 und
Zusammenhang, dass mittlerweile andere Arten von Groß-         Sachsens Mitte 2021), weitere Geopark-Initiativen sind dem
schutzgebieten, die als Ausweisungen nach Naturschutz-         Weg zur Anerkennung (Emsland, Vogtland, Saale-Unstrut-
recht nicht einem derartigen Bewertungsprozess unterlie-       Triasland).
gen, ähnliche Zertifizierungsverfahren aufgelegt haben. So
vergibt der Verband deutscher Naturparke e. V. (VDN) seit
2006 im Rahmen der Qualitätsoffensive Naturparke den Ti-       Tourismusförderung durch Geoparks?
tel „Qualitätsnaturpark“ nach Evaluierung (Verband Deut-
scher Naturparke 2022).                                        Welchen Beitrag die Geoparks für die touristische Nutzung
   Eine ähnliche zweistufige Organisation der Zertifizie-      und damit für die geotouristische Regionalentwicklung in
rung wie in Deutschland gibt es auch in einigen anderen        ihren Regionen tatsächlich leisten, ist schwer abzuschät-
Ländern, darunter in Japan, China, Taiwan und Tschechi-        zen. Klassische Ausflugs-, Naherholungs- und Tourismus-
en. Vorteile dieser Regelung sind, dass es auf diese Weise     räume (wie Schwäbische Alb, Eifel, Vogelsberg, Harz) ha-
mehr zertifizierte Geoparks geben kann und dass Geoparks       ben durch die Geopark-Entwicklung eventuell den Gäste-
sich auf nationaler Ebene testen und bewähren können, be-      strom stabilisieren oder sogar stärken können bzw. in ande-
vor sie ihren Aufnahmeantrag an die UNESCO richten.            ren Fällen (Harz) auch den Rückgang eindämmen können.
                                                               Auch sind durch die Geoparks auch eventuell neue Destina-
                                                               tionsräume hinzugekommen (z. B. Muskauer Faltenbogen).
Die räumliche Verteilung der Geoparks in                       Es erscheint plausibel, dass das Etikett „Geopark“ touris-
Deutschland                                                    tischen Zielräumen zu einer Profilierung verhelfen kann,
                                                               die sie ohne dieses nicht hätten. Die Wirkungsforschung
Deutschland weist insgesamt eine sehr hohe Geodiversität       dazu ist jedoch schwierig und bisher auch nur in wenigen
auf; viele der weltweit vorkommenden geologischen For-         Projekten unternommen worden. Härtling und Meier haben
mationen und Gesteine sind auch in Deutschland anzutref-       2007 Touristen an 9 Standorten im Geopark TERRA.vita
fen. Dies liegt vor allem am Aufbau der geologisch vielge-     gezählt und hinsichtlich ihrer Ausgaben befragt; auf der
staltigen Mittelgebirge. Aus diesem Grund sind im Bereich      Basis der Befragungsergebnisse schätzen sie einen wirt-
der – bereits variskisch angelegten – Mittelgebirgsschwelle    schaftlichen Effekt des Geoparks für eine Sommersaison in
auch die meisten Geoparks zu finden (Abb. 3). Nur der Geo-     dem untersuchten Teilbereich von 10,7 Mio. C und zusätz-
park Muskauer Faltenbogen und eine Reihe von Geoparks          liche direkte und indirekte Effekte von 6 Mio. C, weisen
ohne Zertifizierung liegen im Norddeutschen Tiefland und       dabei jedoch darauf hin, dass direkte Ursache-Wirkungs-
thematisieren vor allem die Glazialmorphologie. Die Geo-       Beziehungen zwischen der Existenz und dem Wirken des
parks Schwäbische Alb und Ries gehören zum Südwest-            Geoparks und den erhobenen Umsätzen nicht belegt wer-
deutschen Schichtstufenland.                                   den können (Härtling und Meier 2010, S. 37). Hier besteht
   Die Verteilung der Geoparks erweist sich als das Re-        Forschungsbedarf.
sultat der Entstehung der Geoparks als regionalen Initia-
tiven und nicht als das Ergebnis eines planerischen (Top-
down-)Geoparkkonzepts für Deutschland. Letzteres würde         Ausblick: Geoparks als Chance und Aufgabe
mit einer deutlich anderen Zielsetzung vorgehen und si-        für die Geographie
cherlich jeweils mindestens einen Küsten- und einen Hoch-
gebirgsgeopark ausweisen. Aber zum einen widerspräche          In den vergangenen 30 Jahren haben sich in Deutschland
dies dem Bottom-up-Grundprinzip der Geopark-Bewegung,          wie auch weltweit Geoparks als räumliche abgegrenzte Ein-
zum anderen sind attraktive Räume in diesen Räumen be-         richtungen für den Schutz des geologischen Erbes, für die
reits mit Nationalparks besetzt (Wattenmeer-Nationalparks      Vermittlung geowissenschaftlichen Wissens in die Gesell-
der Nordsee, Vorpommersche Boddenlandschaft und Jas-           schaft und für eine nachhaltige Regionalentwicklung eta-
mund an der Ostsee; Berchtesgaden in den Alpen).               bliert. Sie sind mit dieser Aufgabenstellung auch ein Ins-

K
Von der Bottom-up-Bewegung zum UNESCO-Programm: Geoparks in Deutschland

Abb. 3 Geoparks in Deutsch-
land

trument für die Kommunikation geographischer Themen in         der Geographie entwickelt; in rund der Hälfte der deutschen
die Öffentlichkeit. Über die Vermittlung von Inhalten aus      Geoparks sind GeographInnen beschäftigt.
Geomorphologie, Hydrologie, Vegetationsgeographie, aber           Dabei ist der Bekanntheitsgrad dieser Raumkategorie ge-
auch (in der Ansprache von Rohstoffvorkommen und -nut-         nerell wie auch der einzelnen Geoparks noch gering. Mehr
zung) aus der Wirtschaftsgeographie kann die Arbeit der        Geoparks in mehr Teilräumen Deutschlands werden in na-
Geoparks dazu beitragen, dass nicht nur die Bedeutung der      her Zukunft diese Situation verbessern, doch gilt es parallel
Geologie sondern auch die der Geographie in der Gesell-        dazu auch über die Vereinigungen der Geographie und ihrer
schaft stärker wahrgenommen wird. Darüber hinaus haben         geowissenschaftlichen Nachbarfächer die Geoparks noch
sich die Geoparks zu einem Arbeitsfeld für AbsolventInnen      stärker bekannt zu machen.

                                                                                                                 K
C. Ellger

Funding Open Access funding enabled and organized by Projekt             Ellger C (2021) Geotourismus: Schlüsselbegriff zwischen Geowissen-
DEAL.                                                                         schaften, Regionalentwicklung und Bildungsarbeit. In: Greb H,
                                                                              Röhling HG (Hrsg) GeoTop 2021. Geotourismus – echte Chance
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Na-                oder Hype für eine nachhaltige Regionalentwicklung? Schriften-
mensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nut-          reihe der Deutschen Gesellschaft für Geowissenschaften, Heft 95.
zung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in            Schweizerbart„ Stuttgart, S 114–119
jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprüng-        Frey ML (1993) Der „Geo-Park“ in der Verbandsgemeinde Gerolstein:
lichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link              Planung und Realisierung. In: Führer durch Gerolstein und das
zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen               Gerolsteiner Land, 1. Aufl. Eifelverein, Düren, S 106–113
vorgenommen wurden.                                                      Gray M (2019) Geodiversity, geoheritage and geoconservation for so-
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Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial          j.ijgeop.2019.11.001
unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern      Hahne U (1985) Regionalentwicklung intraregionaler Potentiale. Zu
sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das be-          den Chancen „endogener“ Entwicklungsstrategien. Schriften des
treffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz          Instituts für Regionalforschung der Universität Kiel 8. Institut für
steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschrif-         Regionalforschung, Kiel
ten erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des    Härtling JW, Meier I (2010) Economic effects of geotourism in geo-
Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.          park TERRA.vita, northern Germany. George Wright Forum
                                                                              27(1):29–39
Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation     Mattig U (2006) Geoparks und ihr Beitrag zur Bildung für nachhaltige
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