Vorlesungen Organische psychische Störungen - Sommersemester 2020 - Universitätsklinik für Psychiatrie und ...

 
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Vorlesungen Organische psychische Störungen - Sommersemester 2020 - Universitätsklinik für Psychiatrie und ...
Vorlesungen
      Sommersemester 2020

Organische psychische Störungen

                         Univ.- Prof. Dr. Dr.

             Hans-Bernd Rothenhäusler MSc
          Univ. Klinik f. Psychiatrie u Psychotherapeutische Medizin
                         LKH-Universitätsklinikum
                       Medizinische Universität Graz
Vorlesungen Organische psychische Störungen - Sommersemester 2020 - Universitätsklinik für Psychiatrie und ...
PSY.861 2 VO Psychiatrie LV B.2.1 Psychiatrie

  Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische
  Medizin am LKH-Universitätsklinikum Graz/Medizinische
            Universität Graz – Vorstandssekretariat
                      Frau Carina Wagner
                           Lektor:
         Univ.-Prof. DDr. Hans-Bernd Rothenhäusler, MSc
Vorlesungen Organische psychische Störungen - Sommersemester 2020 - Universitätsklinik für Psychiatrie und ...
PSY.861 2 VO Psychiatrie LV B.2.1 Psychiatrie

                 Empfohlene Fachliteratur
                  Rothenhäusler & Täschner
      KOMPENDIUM PRAKTISCHE PSYCHIATRIE UND
                PSYCHOTHERAPIE
      Springer Wien Heidelberg New York Dordrecht London
                       2. Auflage (2013)
Spezielle Psychiatrie
                Organische psychische Störungen
Bitte die Seiten 173 bis 206 im „Kompendium Praktische Psychiatrie und
 Psychotherapie“ Rothenhäusler & Täschner, Springer Verlag 2. Auflage (2013)

                  inhaltlich von den Studierenden
        im Hinblick auf die Prüfung zu berücksichtigen

                                            Univ.- Prof. Dr. Dr.

                                Hans-Bernd Rothenhäusler MSc
                             Univ. Klinik f. Psychiatrie u Psychotherapeutische Medizin
                                            LKH-Universitätsklinikum
                                          Medizinische Universität Graz
Demenz – Fallgeschichte I

•   In Begleitung seiner Ehefrau kommt Herr T., 57 Jahre, in die psychiatrische
    Akutambulanz.
•   Hr. T. gibt an, seit ungefähr 1½ Jahren vergesslicher geworden zu sein. Er wisse
    oft nicht mehr, wo er seine Lesebrille hingelegt habe. Ansonsten habe er keine
    größeren Schwierigkeiten gehabt.
•   Seine Ehefrau jedoch berichtet, dass ihr Mann wiederholt die Wochentage und
    Monate durcheinander gebracht habe. Auch habe er sich gelegentlich innerhalb
    der Stadt nicht mehr zurechtgefunden. Freunde und Bekannte zu erinnern sei für
    ihn an sich kein Problem, jedoch vergesse er auffallend häufig Telefonnummern.
    Lieferungen an verschiedene Kunden der im Familienbesitz befindlichen
    Fleischerei habe er wiederholt nicht durchgeführt, weil er sie einfach vergessen
    habe. Früher sei ihr Mann immer ein lebensfrischer und aktiver Mensch gewesen;
    mittlerweile sei er eher passiv und wirke oft traurig.
Demenz – Fallgeschichte II

•   Somatische und Suchtanamnese bei Hr. T.:
    – Keine hypoxischen Hirnschäden, kein Herzinfarkt, kein Apoplex, keine
      maligne Grunderkrankung, kein Bluthochdruck, keine Zuckerkrankheit,
      keine Schilddrüsenerkrankung;
    – Kein Nikotin- und/oder Alkoholabusus, keine Medikamente.
Demenz – Fallgeschichte III

•   Status psychicus bei Herrn T.:
    – Wach, zur Person und zum Ort orientiert, zeitlich und situativ nicht orientiert. Mnestische Defizite in
      Gestalt von Gedächtnislücken und Merkfähigkeitsstörungen, konzentrations- und auffassungsgestört.
      Kein Anhalt auf formale und inhaltliche Denkstörungen sowie Ich-Störungen. In der Affektivität
      niedergeschlagen, besorgt, ängstlich. Psychomotorisch eher antriebsvermindert. Derzeit kein Anhalt
      auf akute Selbst- und/oder Fremdgefährdung. Keine Schlaf- und/oder Appetitstörungen.
•   Im Mini-Mental-Status Test erreicht Hr. T. 18 von 30 Punkten. Die Montgomery –
    Åsberg – Depression – Skala (MADRS) wird mit Hilfe der Ehefrau durchgeführt.
    Herr T. erzielt im MADRS 16 Punkte.
Mini-Mental-Status-Test (MMST) I

Orientierung              Welches Jahr haben wir? (1 Punkt)

(maximal 10 Punkte)       Welchen Monat? (1 Punkt)

                          Welcher Wochentag ist heute? (1 Punkt)

                          Welche Jahreszeit haben wir nun? (1 Punkt)

                          Den wievielten haben wir heute? (1 Punkt)

                          Wie heißt Ihr Hausarzt? bzw. Können Sie mir den Namen Ihres behandelnden Arztes nennen? (1

                           Punkt)

                          In welchem Stock befinden wir uns hier? (1 Punkt)

                          In welcher Anstalt sind Sie hier? bzw. Wie ist Ihre Adresse? (1 Punkt)

                          In welcher Stadt ist diese Anstalt? bw. In welcher Stadt ist dieses Haus? (1 Punkt)

                          In welchem Land befinden wir uns hier? (1 Punkt)
Mini-Mental-Status-Test (MMST) II

Aufnahmefähigkeit         Fragen Sie den Patienten, ob Sie sein Gedächtnis testen dürfen. Dann sagen Sie langsam und

(maximal 3 Punkte)         deutlich Buch, Haus, Blume (jedes Wort in etwa einer Sekunde). Nachdem Sie alle drei Worte

                           gesagt haben, bitten Sie den Patienten die Worte zu wiederholen. Diese erste Wiederholung

                           bestimmt seinen Score (1 Punkt für jede richtige Antwort, maximal 3 Punkte).

                          Fahren Sie nun fort (bis zu sechs Wiederholungen), die drei Worte zu sagen, bis der Patient alle

                           drei Worte wiederholen kann.
Mini-Mental-Status-Test (MMST) III

Aufmerksamkeit und Rechnen         Bitten Sie den Patienten, bei 100 beginnend, fortlaufend 7 abzuziehen. Hören Sie nach fünf Subtraktionen

(maximal 5 Punkte)                  auf. Bewerten Sie die Anzahl der richtigen Subtraktionen (93, 86, 79, 72, 65)

                             oder

                                   Wenn der Patient den „Reihensubtraktionstest“ nicht ausführen will oder kann, bitten Sie ihn, das Wort

                                    „Woche“ rückwärts zu buchstabieren: Der Score ist die Anzahl der Buchstaben in korrekter (verkehrter)

                                    Reihenfolge (E, H, C, O, W)

Gedächtnis                         Bitten Sie den Patienten, die drei Worte, die Sie ihm zuvor nannten (siehe hierzu Aufgabe

(maximal 3 Punkte)                  „Aufnahmefähigkeit“), zu nennen.
Mini-Mental-Status-Test (MMST) IV

Sprache und Verständnis      Benennen: Zeigen Sie dem Patienten zuerst eine Armbanduhr, dann einen Bleistift und fragen Sie ihn,

(maximal 9 Punkte)            was das jeweils sei (maximal 2 Punkte).

                             Wiederholung: Lassen Sie den Patienten wiederholen: „Keine Wenns, Unds oder Abers“ (maximal 1

                              Punkt).

                             Dreistufenbefehl: Geben Sie dem Patienten ein glattes, leeres Blatt Papier und sagen Sie: „Nehmen

                              Sie das Blatt Papier in Ihre rechte Hand, falten Sie es halb und legen Sie es auf den Boden“ (maximal

                              3 Punkte).

                             Lesen: Lassen Sie den in großer Druckschrift geschriebenen Text „Schließen Sie Ihre Augen“ lesen

                              und bitten Sie den Patienten, dem Geschriebenen Folge zu leisten. Eine Antwort ist nur richtig, wenn

                              der Patient die Augen auch wirklich schließt (maximal 1 Punkt).
Mini-Mental-Status-Test (MMST) V

Sprache und Verständnis        Schreiben: Geben Sie dem Patienten ein leeres Blatt Papier und bitten Sie ihn, einen Satz zu

(maximal 9 Punkte)              schreiben. Dieser soll spontan geschrieben werden. Er muss ein Substantiv und ein Verb enthalten

                                und sinnvoll sein. Grammatik und Interpunktion brauchen nicht korrekt zu sein (maximal 1 Punkt).

                               Zeigen Sie dem Patienten eine Zeichnung mit zwei sich überschneidenden Fünfecken und bitten Sie

                                den Patienten, dies genau zu kopieren. Alle 10 Ecken müssen erkennbar sein und die Figuren müssen

                                sich schneiden. Tremor und Drehungen werden ignoriert (maximal 1 Punkt).
Mini-Mental-Status-Test (MMST) VI

Auswertung            Addieren Sie die erreichten Punkte der Einzelaufgaben

(maximal 30 Punkte)       Über 26 Punkte: unauffällig

                          24 bis 26 Punkte: leichte kognitive Störung1,2

                          19 bis 23 Punkte: leichtes demenzielles Syndrom

                          12 bis 18 Punkte: mittelschweres demenzielles Syndrom

                          0 bis 11 Punkte: schweres demenzielles Syndrom
Häufigkeiten bei verschiedenen Demenzformen
                                    modifiziert nach RR Diehl

Demenz bei Alzheimer – Krankheit                                             60%

Vaskuläre Demenz                                                             15%

Mischtyp aus Alzheimer – Demenz und vaskulärer Demenz                        10%

Demenz vom Lewy – Körper – Typ                                                5%

Frontotemporale Demenzen                                                     < 5%

Andere Demenzformen (z.B. bei Morbus Parkinson, bei Chorea Huntington, bei   < 10%

zerebralen Raumforderungen, nach Schädel – Hirn – Traumata)
Alzheimer – Demenz: Klinik

Alzheimer – Demenz

                     Charakteristisch ist ein schleichend beginnender Prozess mit zunehmender Vergesslichkeit (etwa 10% der

                     Patienten mit einer leichten kognitiven Störung [mild cognitive impairment] entwickeln pro Jahr eine

                     Alzheimer – Demenz)). Die Alzheimer - Demenz schreitet allmählich fort. Es entwickeln sich

                     Orientierungsstörungen: anfangs zeitliche, später räumliche Desorientiertheit, schließlich situative und die

                     Person    betreffende     Desorientiertheit.   Wortfindungsstörungen     sowie    Apraxie    und     andere

                     Werkzeugstörungen (Aphasie, Akalkulie usw.) treten hinzu. BPSD – Symptome wie Wahn, Halluzinationen,

                     Weglauftendenzen, Unruhe usw. können zusätzlich auftreten. Einige Patienten erkennen die kognitiven

                     Defizite und reagieren depressiv bis hin zu einem suizidalen Syndrom. Andere Patienten hingegen

                     imponieren unangemessen heiter bzw. suchen ihre Defizite zu verbergen. Die äußere Fassade,

                     charakteristische Persönlichkeitszüge und im weiteren Sinne auch typisches soziales Verhalten bleiben

                     relativ lange erhalten.
Alzheimer – Demenz: Verlauf

Alzheimer – Demenz

                     In durchschnittlich 6 bis 8 Jahren durchlaufen die Alzheimer – Patienten die verschiedenen Stadien von

                     leichter Demenz, über mittelschwere Demenz bis hin zur schweren Demenz mit Bettlägerigkeit und

                     Pflegebedürftigkeit. Die Krankheitsprogression entspricht hierbei einer jährlichen Leistungsabnahme im

                     Mini – Mental Status Test (MMST) um durchschnittlich 2 bis 4 Punkte. Eine rasche Progression bei

                     Alzheimer – Demenz liegt vor, wenn die jährliche Leistungsabnahme im MMST ≥ 5 Punkte beträgt. Ein

                     früher Beginn der Alzheimer – Demenz soll mit einer raschen Demenzprogression assoziiert sein.
Alzheimer – Demenz: Ursachen

Demenz bei Alzheimer – Krankheit

                                   Neurodegenerative Hirnkrankheit, die gekennzeichnet ist durch:

                                         progrediente kortikale Atrophie im Temporal- und Parietallappen

                                         Alzheimersche Neurofibrillenveränderungen (intrazelluläre neurofibrilläre Bündel, die u.a. aus dem mikrotubulären Tau – Protein bestehen)

                                         Amyloide Plaques (extrazelluläre Ablagerung von ß – Amyloid – Peptiden)

                                   Ursachen sind u.a.:

                                         Autosomal dominante Mutationen auf dem Amyloidvorläuferprotein – Gen (Chromosom 21), Präsenilin 1 – Gen (Chromosom 14) oder

                                          Präsenilin 2 – Gen (Chromosom 1) bei der familiären Form der Alzheimer – Demenz mit frühem bzw. präsenilem Krankheitsbeginn vor dem

                                          65. Lebensjahr (etwa 10% aller Alzheimerpatienten)

                                         Verdacht auf polygenetische Erbgänge bei der sporadischen Form der Alzheimer – Demenz mit spätem bzw. senilem Krankheitsbeginn nach

                                          dem 65. Lebensjahr (etwa 90% aller Alzheimerpatienten)

                                         Cholinerges Defizit im Zusammenhang mit der neuronalen Degeneration des Nucleus basalis Meynert

                                   Gesicherte Risikofaktoren:

                                         Höheres Lebensalter

                                         Demenzerkrankungen bei Verwandten ersten Grades

                                         Leichte kognitive Störung („mild cognitive impairment“) in der Vorgeschichte

                                         Homozygote Träger des ε – Allels des Gens für das Apolipoprotein (Apo) – E auf Chromosom 19
Vaskuläre Demenz: Klinik und Verlauf

Vaskuläre Demenz

                        Die vaskuläre Demenz beginnt entweder plötzlich oder zeigt eine schrittweise bzw.

                        fluktuierende Verschlechterung der kognitiven bzw. neurologischen Funktionen. In der

                        Anamnese finden sich transitorische ischämische Attacken und/oder Schlaganfälle sowie

                        vaskuläre Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie,

                        Rauchen und/oder Vorhofflimmern usw. In den strukturellen bildgebenden Verfahren sind

                        vaskuläre Veränderungen nachweisbar. Der Verlauf ist variabel. Die Kontrolle vaskulärer

                        Risikofaktoren ist hierbei essenziell.
Vaskuläre Demenz: Ursachen
Vaskuläre Demenz

                      Nach der ICD – 10 ist die vaskuläre Demenz das Ergebnis einer Infarzierung des Gehirns als Folge einer

                      vaskulären Erkrankung. Die Infarkte sind meist klein, kumulieren aber in ihrer Wirkung. Es werden

                      unterschieden:

                           Vaskuläre Demenz mit akutem Beginn: Nach einer Reihe von Schlaganfällen als Folge von

                            zerebrovaskulärer Thrombose, Embolie oder Blutung

                           Multiinfarkt – Demenz: Vorwiegend kortikale Demenz mit schrittweiser Verschlechterung nach

                            mehreren transitorischen ischämischen Attacken, die multiple lakunäre Infarkte im Hirngewebe

                            bedingen

                           Subkortikale vaskuläre Demenz (Morbus Binswanger): Arterielle Hypertonie in der Anamnese

                            und ischämische Herde im Marklager der Hemisphären ohne Schädigung der Hirnrinde

                           Sonstige vaskuläre Demenzformen: CADASIL (cerebral autosomal dominant arteriopathy with

                            subcortical infarcts and leukoencephalopathy): Mutation im Notch3 – Gen auf Chromosom 19, die

                            eine Mikroangiopathie der hirnversorgenden Blutgefäße bedingt; zerebrale Amyloid –

                            Angiopathie u.a.
Nota bene!
    Mischtyp aus Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz

Mischtyp   aus   Alzheimer   –

Demenz     und     vaskulärer Primär zerebrale Demenzform gemischter neurodegenerativer und

Demenz                           vaskulärer Ätiopathogenese („Mischformen“)
Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ:
                                       Klinik und Verlauf I

Demenz vom Lewy – Körper – Typ

                                 Ein Krankheitsbeginn vor dem 60. Lebensjahr ist wie bei der Alzheimer – Demenz selten.

                                 Der kognitive Abbau verläuft progredient, jedoch ist eine rasche Krankheitsprogression

                                 häufiger als bei der reinen Alzheimer – Demenz zu beobachten. Im Unterschied zur

                                 Alzheimer – Demenz sind fluktuierender Verlauf der kognitiven Defizite, insbesondere

                                 Aufmerksamkeitsschwankungen, ausgeprägte optische Halluzinationen, bereits initial

                                 auftretende motorische Parkinson – Symptome, Unverträglichkeit von Antipsychotika (im

                                 Allgemeinen selten unter Gabe von Clozapin oder Quetiapin) sowie Stürze und Synkopen

                                 charakteristisch. Im Gegensatz zum Morbus Alzheimer sind Männer häufiger als Frauen

                                 betroffen.
Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ:
                              Klinik und Verlauf II
Demenz vom Lewy – Körper –

Typ                          Das definierende Kriterium der Demenz vom Lewy – Körper – Typ gegenüber der

                             Demenz bei Morbus Parkinson ist das frühzeitige Auftreten eines demenziellen Syndroms

                             vor Manifestation eines Parkinson – Syndroms oder spätestens innerhalb des ersten

                             Jahres nach Manifestwerden eines Parkinson – Syndroms.
Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ:
                                             Ursachen

Demenz vom Lewy – Körper – Typ

                                 Neurodegenerative Hirnkrankheit, die gekennzeichnet ist durch:

                                     Regelhaft histologisch nachzuweisende Lewy – Körper („Lewy – Bodies“) vor

                                      allem in den Basalganglien, im limbischen System und im Kortex. Lewy – Körper

                                      sind intrazytoplasmatische, α – Synuklein – positive Proteinaggregate.

                                     Zumeist amyloide Plaques

                                     Selten Alzheimersche Neurofibrillenveränderungen
Frontotemporale Demenzen:
                                 Klinik und Verlauf

Frontotemporale Demenzen

                             Eine Subgruppe der frontotemporalen Demenzen stellt die Demenz bei Pick – Krankheit

                             dar. Morbus Pick beginnt häufig schleichend zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr mit

                             langsamer Progredienz. Initial finden sich typischerweise Persönlichkeitsänderungen und

                             Auffälligkeiten im emotionalen und sozialen Bereich wie z.B. Distanzlosigkeit,

                             Taktverlust,   sexuelle   Enthemmung,       Hyperphagie,   Wechsel   zwischen    verbalen

                             Aggressionsdurchbrüchen,     depressiver Stimmungslage,      Witzelsucht   und   Apathie

                             („Frontalhirnsymptome“). Später folgen Störungen im Bereich des Gedächtnisses, der

                             Orientierung und der Sprache (z.B. Aphasie). Die mittlere Erkrankungsdauer ab

                             Diagnosestellung liegt etwa bei 7 Jahren.
Frontotemporale Demenzen:
                                     Ursachen

Frontotemporale Demenzen

                           Neurodegenerative Hirnkrankheiten, die gekennzeichnet sind durch

                           frontotemporal betonte Hirnatrophien. Zu ihnen zählt u.a. die Demenz bei

                           Pick – Krankheit. Bei ihr finden sich Pick – Körper, die u.a. aus Tau –

                           Protein und Ubiquitin bestehen können.
Demenz bei Chorea Huntington:
                                 Klinik und Verlauf I
Demenz bei Chorea Huntington

                               Der Krankheit beginnt überwiegend zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, selten bereits

                               vor dem 20. Lebensjahr bzw. selten erst nach dem 60. Lebensjahr. Initial imponieren

                               psychische Veränderungen: zunächst mürrisch – moros, nervös und erregbar, dann

                               zunehmend verlangsamt und depressiv („subkortikale Funktionen“). Die Suizidrate ist in

                               der Frühphase der Erkrankung hoch. Im Verlauf kann jede psychische Funktion

                               betroffen sein: sexuelle Enthemmung, Aggressionsdurchbrüche, dementive Entwicklung

                               unterschiedlichen Schweregrades, Inkohärenz, Verfolgungs- und Eifersuchtsideen,

                               halluzinatorische Phänomene u.a.
Demenz bei Chorea Huntington:
                                Klinik und Verlauf II

Demenz bei Chorea Huntington

                               Neurologisch imponiert eine häufig distal beginnende choreatische Bewegungsstörung,

                               die sich später über den ganzen Körper ausbreitet. Diese führt zusammen mit der

                               Dysphagie zu Problemen bei der Nahrungsaufnahme mit konsekutivem Gewichtsverlust.

                               Die mittlere Krankheitsdauer beträgt 15 bis 20 Jahre. Häufigste Todesursache ist eine

                               Pneumonie.
Demenz bei Chorea Huntington:
                                           Ursache

Demenz bei Chorea Huntington

                               Neurodegenerative Hirnkrankheit, die autosomal dominant mit nahezu

                               kompletter Penetranz vererbt wird. Ursache ist das Huntington – Gen auf

                               Chromosom 4 mit einer Vervielfachung eines CAG – Basen – Tripletts über

                               einen kritischen Schwellenwert. Komplette Penetranz bei einer CAG – Zahl

                               von ≥ 40, inkomplette Penetranz bei einer CAG – Zahl von 36 – 39;

                               niedrigste CAG – Zahl bei Huntington – Kranken ist 36.
Sekundäre Demenzformen

Beispiele   für   sekundäre

Demenzformen                  Demenz           nach       Schädel-Hirn-Trauma,        Demenz     bei

                              Normaldruckhydrozephalus, Demenz bei zerebralen Raumforderungen,

                              Demenz bei Epilepsie, Demenz bei multipler Sklerose, Demenz bei

                              Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Demenz bei HIV-Krankheit, Demenz bei

                              Neurosyphilis,     Demenz     bei   Endokrinopathien,     Demenz   bei

                              Vitaminmangelzuständen, Demenz bei metabolischen Störungen, Demenz

                              bei Alkoholabhängigkeit, Demenz bei Intoxikationen usw.
Demenz bei Normaldruckhydrozephalus:
                              Klinik und Verlauf

Demenz bei Normaldruck –

Hydrozephalus              Klinische Leitsymptome sind Gangataxie, imperativer Harndrang,

                           fluktuierende   Aufmerksamkeitsstörungen   und   Antriebsminderung.

                           Unbehandelt entwickelt sich eine Demenz.
Demenz bei Normaldruckhydrozephalus:
                                           Ursachen

Demenz   bei    Normaldruck   –

Hydrozephalus                     Demenzform    als   Ergebnis   einer   idiopathischen   oder   symptomatischen

                                  Liquorzirkulationsstörung im Gehirn.
Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit:
                                        Klinik und Verlauf
Demenz bei Creutzfeldt – Jakob –

Krankheit                          Die Krankheit beginnt gehäuft um das 60. Lebensjahr. Ein Krankheitsbeginn ist aber bei

                                   Erwachsenen in jedem Alter möglich; insbesondere bei der neuen Variante der Creutzfeldt –

                                   Jakob – Krankheit liegt der Krankheitsbeginn im Alter zwischen 18 und 40 Jahren.

                                   Charakteristisch ist die sehr rasche Krankheitsprogression, die innerhalb von Monaten zum

                                   Tod führt. Bei der neuen Variante sind längere Krankheitsverläufe von 1 bis 2 Jahren

                                   beschrieben. Klinisch finden sich eine sehr rasch progrediente Demenz und unterschiedlichste

                                   neurologische   Störungen   wie    z.B.   zerebelläre   Symptome,   Pyramidenbahnzeichen,

                                   extrapyramidale Symptome, Sehstörungen usw. Myoklonien sind typisch. Im EEG sind häufig

                                   typische periodische, triphasische Wellen bei vorherrschender Delta – Hintergrundaktivität

                                   nachzuweisen.
Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit:
                                               Ursachen

Demenz bei Creutzfeldt – Jakob –

Krankheit                          Demenzform, die neuropathologisch charakterisiert ist durch Neuronenverlust, Astrozytose und

                                   spongiöse Veränderungen und ausgelöst wird durch abnorm konfigurierte, nukleinsäurefreie,

                                   proteinhaltige Partikel („Prione“). Prione sind infektiös. Die infektiöse Form der Creutzfeldt –

                                   Jakob – Krankheit kann iatrogen verursacht sein (z.B. Übertragung durch kontaminierte

                                   Hornhauttransplantate, ungenügend sterilisierte Instrumente). Weiters werden die sporadische

                                   Form (Spontanmutation im Prion – Protein – Gen), die familiäre Form (autosomal – dominant

                                   vererbte Mutation im Prion – Protein – Gen) und die neue Variante (fragliche Übertragung des

                                   BSE [bovine spongiforme Enzephalopathie] – Erregers) der Creutzfeldt – Jakob – Krankheit

                                   unterschieden.
Demenz – Therapie

• Eine kausale Therapie der primär degenerativen und
  vaskulären Demenzformen existiert derzeit nicht.
• Auf der anderen Seite konnte in großen klinischen Studien
  nachgewiesen werden, dass Antidementiva bei der Alzheimer-
  Demenz eine Verzögerung der Symptomprogression um 6 bis
  12 Monate bewirken (z.B. Acetylcholinesterasehemmer).
• Nichtkognitive, akzessorische BPSD ( = „behavioral and
  psychological symptoms of dementia“) werden gezielt
  symptomorientiert behandelt.
BPSD (behavioral and psychological symptoms of
              dementia) – Symptome
Psychomotorische Agitiertheit      Zielloses Umherlaufen

                                   Rastlosigkeit, Unruhe

                                   Schlafstörungen und Störungen des Tag – Nacht – Rhythmus

Aggressives Verhalten              Reizbarkeit

                                   Verbale Aggressivität

                                   Physische Aggressivität

Psychotische Symptome              Wahnvorstellungen

                                   Halluzinationen

Depressive Symptome                Niedergeschlagenheit

                                   Angst

                                   Insuffizienzgefühle

                                   Schuldgefühle

Psychomotorische Hemmung           Mangel an Energie und Initiative

                                   Rückzug

                                   Apathie
Nichtpharmakologische Maßnahmen
                   bei BPSD – Symptomen

• Psychoedukation (insbesondere Angehörigengruppen);
• Milieutherapie;
• Kunsttherapie;
• Musiktherapie;
• Physiotherapie;
• Ernährung.
Delir – Fallgeschichte I

•   Konsilanforderung aus der Transplantationschirurgie an den psychiatrischen
    Konsiliardienst um 08.45 Uhr.
•   Bei Frau Z., geboren 1966, stationär-chirurgisch bei Status nach orthotoper
    Lebertransplantation (OLT bzw. LTx: Liver Transplantation) –
    somatomedizinische Indikation zur Lebertransplantation bei Frau Z. war eine
    primär biliäre Zirrhose – imponierten erstmals während der Nacht Verwirrtheit,
    Insomnie, Halluzinationen („Raben und Aaskrähen im Zimmer“) und Unruhe.
    Fachärztlicher Befund und Therapieempfehlung höflich erbeten.
•   Die konsiliarpsychiatrische Untersuchung am Bett der Patientin erfolgte um 09.15
    Uhr. Die eher schläfrige Patientin berichtete dem Konsiliarpsychiater, sie fühle
    sich aktuell überhaupt nicht verwirrt. Denn sie wisse sehr wohl, wo sie sich hier
    befinde („Kaiser-Josef-Markt“).
Delir – Fallgeschichte II

•   Ihr sei völlig schleierhaft, dass jemand behaupten könne, sie sei verwirrt. Das
    Schlafen falle ihr aber seit der Operation (Status post OLT) nachts eher schwer,
    manchmal sei sie auch etwas durcheinander.
•   Immer wieder fühle sie sich geängstigt, weil sie witzige Dinge um sich herum
    wahrnehme („Raben“, „Aaskrähen“, „Propellermaschinen“).
•   Das möchte sie aber jetzt nicht weiter vertiefen. Sie traue dem Referenten nicht so
    recht.
•   Sie sei müde und möchte jetzt in Ruhe gelassen werden. Man solle sie jetzt
    endliche alleine lassen!
Delir – Fallgeschichte III

•   Zum Zeitpunkt der fachärztlichen Untersuchung war die 46jährige Patientin im
    Status psychicus wach bis leicht benommen, zur Person orientiert, zu den anderen
    Qualitäten nicht orientiert, insgesamt über einen 24 – Stunden –
    Beobachtungszeitraum fluktuierender Verlauf mit vor allem während der Nacht
    auftretender Agitiertheit, Desorientiertheit und halluzinatorischem Erleben,
    paranoides Erleben, zeitweise moroser und dysphorischer Affekt. Leichtgradige
    Schlaf – Wach – Rhythmus – Umkehr. Derzeit kein Anhalt auf akute Selbst-
    und/oder Fremdgefährdung.
•   Aus der chirurgischen Fieberkurve war zu entnehmen, dass keine operative
    Komplikationen bei der vor wenigen Tagen durchgeführten OLT auftraten. Auch
    wurden akute neurovaskuläre Ereignisse (z.B. hypoxische Hirnschäden)
    neurologischerseits ausgeschlossen. Keine positive Suchtanamnese.
    Immunsuppressivaspiegel der Patientin waren derzeit leicht erhöht.
Delir - Begriffsdefinitionen

•   Beim Delir handelt es sich um einen akut auftretenden Verwirrtheitszustand mit
    einhergehenden Störungen des Bewusstseins und der Psychomotorik sowie mit in
    der Regel fluktuierender Symptomatik während eines 24-Stunden-
    Beobachtungszeitraums.
•   Wir unterscheiden zwischen:

    – Delir, das nicht durch Alkohol oder sonstige psychotrope Substanzen bedingt ist (Synonyme:
      akutes psychoorganisches Syndrom, akutes hirnorganisches Syndrom, akutes medikamentös
      bedingtes Delir u.a.);
    – Delir, das durch Alkohol oder sonstige psychotrope Substanzen hervorgerufen wird (am
      häufigsten Alkoholentzugssyndrom, aber auch Benzodiazepinentzugsdelir usw.).
Delir – Diagnostische Kriterien nach der ICD-10
Bewusstseinsstörung (Bewusstseinstrübung), d.h. verminderte Klarheit in der Umgebungswahrnehmung, mit einer reduzierten Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu

fokussieren, aufrechtzuerhalten und umzustellen.

Störung der Kognition, manifestiert durch die 2 folgenden Merkmale:

1.    Beeinträchtigung des Immediatgedächtnisses (der unmittelbaren Wiedergabe) und des Kurzzeitgedächtnisses bei relativ intaktem Langzeitgedächtnis

2.    Desorientierung zu Zeit, Ort oder Person

Mindestens 1 der folgenden psychomotorischen Störungen:

1.    Rascher, nicht vorhersagbarer Wechsel zwischen Hypo- und Hyperaktivität

2.    Verlängerte Reaktionszeit

3.    Vermehrter oder verminderter Redefluss

4.    Verstärkte Schreckreaktion

Störung des Schlafs oder des Schlaf – Wach – Rhythmus, mindestens durch 1 der folgenden Merkmale manifestiert:

1.    Schlafstörung, in schweren Fällen völlige Schlaflosigkeit, mit oder ohne Schläfrigkeit am Tage oder Umkehr des Schlaf – Wach – Rhythmus

2.    Nächtliche Verschlimmerung der Symptome

3.    Unangenehme Träume oder Alpträume, die nach dem Erwachen als Halluzinationen oder Illusionen weiterbestehen können

Plötzlicher Beginn und Änderung der Symptomausprägung im Tagesverlauf

Objektiver Nachweis aufgrund der Anamnese, der körperlichen, neurologischen und laborchemischen Untersuchungen einer zu Grunde liegenden zerebralen oder

systemischen Krankheit (außer einer durch psychotrope Substanzen bedingten1), die für die klinischen Symptome verantwortlich gemacht werden kann.
Delir – häufige Ursachen (Eselsbrücke „I WATCH DEATH“)

Infektionen („Infection“)

Entzug („Withdrawal“)

Akute metabolische Störungen („Acute metabolic“)

Trauma („Trauma“)

ZNS – Erkrankungen („CNS pathology“)

Hypoxie („Hypoxia“)

Vitaminmangel – Syndrome („Deficiencies“)

Endokrinopathien (“Endocrinopathies”)

Herz – Kreislauf – Erkrankungen (“Acute vascular”)

Toxika oder Medikamente („Toxins or drugs“)

Schwermetalle („Heavy metals“)
Klinische Merkmale zur Unterscheidung von Delir
                 und Demenz
                            Delir                                            Demenz

Abruptes Auftreten mit feststellbarem Datum        Allmählicher Beginn, der nicht genau datiert werden kann

Akute Erkrankung, im Allgemeinen Tage bis Wochen, Chronische Erkrankung mit typischerweise progredientem

selten länger als 1 Monat                          Verlauf über Jahre

Frühe Desorientiertheit                            Desorientiertheit zu einem späteren Zeitpunkt der Erkrankung

Bewusstseinstrübung                                Bewusstseinstrübung erst im Terminalstadium

Stündliche bzw. tageszeitliche Schwankungen        Befund von Tag zu Tag konstant

Hyperaktiv oder hypoaktiv                          Psychomotorische Veränderungen typischerweise zu einem

                                                   späten Zeitpunkt der Erkrankung
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