Vorlesungen Organische psychische Störungen - Sommersemester 2020 - Universitätsklinik für Psychiatrie und ...
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Vorlesungen Sommersemester 2020 Organische psychische Störungen Univ.- Prof. Dr. Dr. Hans-Bernd Rothenhäusler MSc Univ. Klinik f. Psychiatrie u Psychotherapeutische Medizin LKH-Universitätsklinikum Medizinische Universität Graz
PSY.861 2 VO Psychiatrie LV B.2.1 Psychiatrie Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am LKH-Universitätsklinikum Graz/Medizinische Universität Graz – Vorstandssekretariat Frau Carina Wagner Lektor: Univ.-Prof. DDr. Hans-Bernd Rothenhäusler, MSc
PSY.861 2 VO Psychiatrie LV B.2.1 Psychiatrie Empfohlene Fachliteratur Rothenhäusler & Täschner KOMPENDIUM PRAKTISCHE PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE Springer Wien Heidelberg New York Dordrecht London 2. Auflage (2013)
Spezielle Psychiatrie Organische psychische Störungen Bitte die Seiten 173 bis 206 im „Kompendium Praktische Psychiatrie und Psychotherapie“ Rothenhäusler & Täschner, Springer Verlag 2. Auflage (2013) inhaltlich von den Studierenden im Hinblick auf die Prüfung zu berücksichtigen Univ.- Prof. Dr. Dr. Hans-Bernd Rothenhäusler MSc Univ. Klinik f. Psychiatrie u Psychotherapeutische Medizin LKH-Universitätsklinikum Medizinische Universität Graz
Demenz – Fallgeschichte I • In Begleitung seiner Ehefrau kommt Herr T., 57 Jahre, in die psychiatrische Akutambulanz. • Hr. T. gibt an, seit ungefähr 1½ Jahren vergesslicher geworden zu sein. Er wisse oft nicht mehr, wo er seine Lesebrille hingelegt habe. Ansonsten habe er keine größeren Schwierigkeiten gehabt. • Seine Ehefrau jedoch berichtet, dass ihr Mann wiederholt die Wochentage und Monate durcheinander gebracht habe. Auch habe er sich gelegentlich innerhalb der Stadt nicht mehr zurechtgefunden. Freunde und Bekannte zu erinnern sei für ihn an sich kein Problem, jedoch vergesse er auffallend häufig Telefonnummern. Lieferungen an verschiedene Kunden der im Familienbesitz befindlichen Fleischerei habe er wiederholt nicht durchgeführt, weil er sie einfach vergessen habe. Früher sei ihr Mann immer ein lebensfrischer und aktiver Mensch gewesen; mittlerweile sei er eher passiv und wirke oft traurig.
Demenz – Fallgeschichte II • Somatische und Suchtanamnese bei Hr. T.: – Keine hypoxischen Hirnschäden, kein Herzinfarkt, kein Apoplex, keine maligne Grunderkrankung, kein Bluthochdruck, keine Zuckerkrankheit, keine Schilddrüsenerkrankung; – Kein Nikotin- und/oder Alkoholabusus, keine Medikamente.
Demenz – Fallgeschichte III • Status psychicus bei Herrn T.: – Wach, zur Person und zum Ort orientiert, zeitlich und situativ nicht orientiert. Mnestische Defizite in Gestalt von Gedächtnislücken und Merkfähigkeitsstörungen, konzentrations- und auffassungsgestört. Kein Anhalt auf formale und inhaltliche Denkstörungen sowie Ich-Störungen. In der Affektivität niedergeschlagen, besorgt, ängstlich. Psychomotorisch eher antriebsvermindert. Derzeit kein Anhalt auf akute Selbst- und/oder Fremdgefährdung. Keine Schlaf- und/oder Appetitstörungen. • Im Mini-Mental-Status Test erreicht Hr. T. 18 von 30 Punkten. Die Montgomery – Åsberg – Depression – Skala (MADRS) wird mit Hilfe der Ehefrau durchgeführt. Herr T. erzielt im MADRS 16 Punkte.
Mini-Mental-Status-Test (MMST) I Orientierung Welches Jahr haben wir? (1 Punkt) (maximal 10 Punkte) Welchen Monat? (1 Punkt) Welcher Wochentag ist heute? (1 Punkt) Welche Jahreszeit haben wir nun? (1 Punkt) Den wievielten haben wir heute? (1 Punkt) Wie heißt Ihr Hausarzt? bzw. Können Sie mir den Namen Ihres behandelnden Arztes nennen? (1 Punkt) In welchem Stock befinden wir uns hier? (1 Punkt) In welcher Anstalt sind Sie hier? bzw. Wie ist Ihre Adresse? (1 Punkt) In welcher Stadt ist diese Anstalt? bw. In welcher Stadt ist dieses Haus? (1 Punkt) In welchem Land befinden wir uns hier? (1 Punkt)
Mini-Mental-Status-Test (MMST) II Aufnahmefähigkeit Fragen Sie den Patienten, ob Sie sein Gedächtnis testen dürfen. Dann sagen Sie langsam und (maximal 3 Punkte) deutlich Buch, Haus, Blume (jedes Wort in etwa einer Sekunde). Nachdem Sie alle drei Worte gesagt haben, bitten Sie den Patienten die Worte zu wiederholen. Diese erste Wiederholung bestimmt seinen Score (1 Punkt für jede richtige Antwort, maximal 3 Punkte). Fahren Sie nun fort (bis zu sechs Wiederholungen), die drei Worte zu sagen, bis der Patient alle drei Worte wiederholen kann.
Mini-Mental-Status-Test (MMST) III Aufmerksamkeit und Rechnen Bitten Sie den Patienten, bei 100 beginnend, fortlaufend 7 abzuziehen. Hören Sie nach fünf Subtraktionen (maximal 5 Punkte) auf. Bewerten Sie die Anzahl der richtigen Subtraktionen (93, 86, 79, 72, 65) oder Wenn der Patient den „Reihensubtraktionstest“ nicht ausführen will oder kann, bitten Sie ihn, das Wort „Woche“ rückwärts zu buchstabieren: Der Score ist die Anzahl der Buchstaben in korrekter (verkehrter) Reihenfolge (E, H, C, O, W) Gedächtnis Bitten Sie den Patienten, die drei Worte, die Sie ihm zuvor nannten (siehe hierzu Aufgabe (maximal 3 Punkte) „Aufnahmefähigkeit“), zu nennen.
Mini-Mental-Status-Test (MMST) IV Sprache und Verständnis Benennen: Zeigen Sie dem Patienten zuerst eine Armbanduhr, dann einen Bleistift und fragen Sie ihn, (maximal 9 Punkte) was das jeweils sei (maximal 2 Punkte). Wiederholung: Lassen Sie den Patienten wiederholen: „Keine Wenns, Unds oder Abers“ (maximal 1 Punkt). Dreistufenbefehl: Geben Sie dem Patienten ein glattes, leeres Blatt Papier und sagen Sie: „Nehmen Sie das Blatt Papier in Ihre rechte Hand, falten Sie es halb und legen Sie es auf den Boden“ (maximal 3 Punkte). Lesen: Lassen Sie den in großer Druckschrift geschriebenen Text „Schließen Sie Ihre Augen“ lesen und bitten Sie den Patienten, dem Geschriebenen Folge zu leisten. Eine Antwort ist nur richtig, wenn der Patient die Augen auch wirklich schließt (maximal 1 Punkt).
Mini-Mental-Status-Test (MMST) V Sprache und Verständnis Schreiben: Geben Sie dem Patienten ein leeres Blatt Papier und bitten Sie ihn, einen Satz zu (maximal 9 Punkte) schreiben. Dieser soll spontan geschrieben werden. Er muss ein Substantiv und ein Verb enthalten und sinnvoll sein. Grammatik und Interpunktion brauchen nicht korrekt zu sein (maximal 1 Punkt). Zeigen Sie dem Patienten eine Zeichnung mit zwei sich überschneidenden Fünfecken und bitten Sie den Patienten, dies genau zu kopieren. Alle 10 Ecken müssen erkennbar sein und die Figuren müssen sich schneiden. Tremor und Drehungen werden ignoriert (maximal 1 Punkt).
Mini-Mental-Status-Test (MMST) VI Auswertung Addieren Sie die erreichten Punkte der Einzelaufgaben (maximal 30 Punkte) Über 26 Punkte: unauffällig 24 bis 26 Punkte: leichte kognitive Störung1,2 19 bis 23 Punkte: leichtes demenzielles Syndrom 12 bis 18 Punkte: mittelschweres demenzielles Syndrom 0 bis 11 Punkte: schweres demenzielles Syndrom
Häufigkeiten bei verschiedenen Demenzformen modifiziert nach RR Diehl Demenz bei Alzheimer – Krankheit 60% Vaskuläre Demenz 15% Mischtyp aus Alzheimer – Demenz und vaskulärer Demenz 10% Demenz vom Lewy – Körper – Typ 5% Frontotemporale Demenzen < 5% Andere Demenzformen (z.B. bei Morbus Parkinson, bei Chorea Huntington, bei < 10% zerebralen Raumforderungen, nach Schädel – Hirn – Traumata)
Alzheimer – Demenz: Klinik Alzheimer – Demenz Charakteristisch ist ein schleichend beginnender Prozess mit zunehmender Vergesslichkeit (etwa 10% der Patienten mit einer leichten kognitiven Störung [mild cognitive impairment] entwickeln pro Jahr eine Alzheimer – Demenz)). Die Alzheimer - Demenz schreitet allmählich fort. Es entwickeln sich Orientierungsstörungen: anfangs zeitliche, später räumliche Desorientiertheit, schließlich situative und die Person betreffende Desorientiertheit. Wortfindungsstörungen sowie Apraxie und andere Werkzeugstörungen (Aphasie, Akalkulie usw.) treten hinzu. BPSD – Symptome wie Wahn, Halluzinationen, Weglauftendenzen, Unruhe usw. können zusätzlich auftreten. Einige Patienten erkennen die kognitiven Defizite und reagieren depressiv bis hin zu einem suizidalen Syndrom. Andere Patienten hingegen imponieren unangemessen heiter bzw. suchen ihre Defizite zu verbergen. Die äußere Fassade, charakteristische Persönlichkeitszüge und im weiteren Sinne auch typisches soziales Verhalten bleiben relativ lange erhalten.
Alzheimer – Demenz: Verlauf Alzheimer – Demenz In durchschnittlich 6 bis 8 Jahren durchlaufen die Alzheimer – Patienten die verschiedenen Stadien von leichter Demenz, über mittelschwere Demenz bis hin zur schweren Demenz mit Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit. Die Krankheitsprogression entspricht hierbei einer jährlichen Leistungsabnahme im Mini – Mental Status Test (MMST) um durchschnittlich 2 bis 4 Punkte. Eine rasche Progression bei Alzheimer – Demenz liegt vor, wenn die jährliche Leistungsabnahme im MMST ≥ 5 Punkte beträgt. Ein früher Beginn der Alzheimer – Demenz soll mit einer raschen Demenzprogression assoziiert sein.
Alzheimer – Demenz: Ursachen Demenz bei Alzheimer – Krankheit Neurodegenerative Hirnkrankheit, die gekennzeichnet ist durch: progrediente kortikale Atrophie im Temporal- und Parietallappen Alzheimersche Neurofibrillenveränderungen (intrazelluläre neurofibrilläre Bündel, die u.a. aus dem mikrotubulären Tau – Protein bestehen) Amyloide Plaques (extrazelluläre Ablagerung von ß – Amyloid – Peptiden) Ursachen sind u.a.: Autosomal dominante Mutationen auf dem Amyloidvorläuferprotein – Gen (Chromosom 21), Präsenilin 1 – Gen (Chromosom 14) oder Präsenilin 2 – Gen (Chromosom 1) bei der familiären Form der Alzheimer – Demenz mit frühem bzw. präsenilem Krankheitsbeginn vor dem 65. Lebensjahr (etwa 10% aller Alzheimerpatienten) Verdacht auf polygenetische Erbgänge bei der sporadischen Form der Alzheimer – Demenz mit spätem bzw. senilem Krankheitsbeginn nach dem 65. Lebensjahr (etwa 90% aller Alzheimerpatienten) Cholinerges Defizit im Zusammenhang mit der neuronalen Degeneration des Nucleus basalis Meynert Gesicherte Risikofaktoren: Höheres Lebensalter Demenzerkrankungen bei Verwandten ersten Grades Leichte kognitive Störung („mild cognitive impairment“) in der Vorgeschichte Homozygote Träger des ε – Allels des Gens für das Apolipoprotein (Apo) – E auf Chromosom 19
Vaskuläre Demenz: Klinik und Verlauf Vaskuläre Demenz Die vaskuläre Demenz beginnt entweder plötzlich oder zeigt eine schrittweise bzw. fluktuierende Verschlechterung der kognitiven bzw. neurologischen Funktionen. In der Anamnese finden sich transitorische ischämische Attacken und/oder Schlaganfälle sowie vaskuläre Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, Rauchen und/oder Vorhofflimmern usw. In den strukturellen bildgebenden Verfahren sind vaskuläre Veränderungen nachweisbar. Der Verlauf ist variabel. Die Kontrolle vaskulärer Risikofaktoren ist hierbei essenziell.
Vaskuläre Demenz: Ursachen Vaskuläre Demenz Nach der ICD – 10 ist die vaskuläre Demenz das Ergebnis einer Infarzierung des Gehirns als Folge einer vaskulären Erkrankung. Die Infarkte sind meist klein, kumulieren aber in ihrer Wirkung. Es werden unterschieden: Vaskuläre Demenz mit akutem Beginn: Nach einer Reihe von Schlaganfällen als Folge von zerebrovaskulärer Thrombose, Embolie oder Blutung Multiinfarkt – Demenz: Vorwiegend kortikale Demenz mit schrittweiser Verschlechterung nach mehreren transitorischen ischämischen Attacken, die multiple lakunäre Infarkte im Hirngewebe bedingen Subkortikale vaskuläre Demenz (Morbus Binswanger): Arterielle Hypertonie in der Anamnese und ischämische Herde im Marklager der Hemisphären ohne Schädigung der Hirnrinde Sonstige vaskuläre Demenzformen: CADASIL (cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leukoencephalopathy): Mutation im Notch3 – Gen auf Chromosom 19, die eine Mikroangiopathie der hirnversorgenden Blutgefäße bedingt; zerebrale Amyloid – Angiopathie u.a.
Nota bene! Mischtyp aus Alzheimer-Demenz und vaskulärer Demenz Mischtyp aus Alzheimer – Demenz und vaskulärer Primär zerebrale Demenzform gemischter neurodegenerativer und Demenz vaskulärer Ätiopathogenese („Mischformen“)
Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ: Klinik und Verlauf I Demenz vom Lewy – Körper – Typ Ein Krankheitsbeginn vor dem 60. Lebensjahr ist wie bei der Alzheimer – Demenz selten. Der kognitive Abbau verläuft progredient, jedoch ist eine rasche Krankheitsprogression häufiger als bei der reinen Alzheimer – Demenz zu beobachten. Im Unterschied zur Alzheimer – Demenz sind fluktuierender Verlauf der kognitiven Defizite, insbesondere Aufmerksamkeitsschwankungen, ausgeprägte optische Halluzinationen, bereits initial auftretende motorische Parkinson – Symptome, Unverträglichkeit von Antipsychotika (im Allgemeinen selten unter Gabe von Clozapin oder Quetiapin) sowie Stürze und Synkopen charakteristisch. Im Gegensatz zum Morbus Alzheimer sind Männer häufiger als Frauen betroffen.
Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ: Klinik und Verlauf II Demenz vom Lewy – Körper – Typ Das definierende Kriterium der Demenz vom Lewy – Körper – Typ gegenüber der Demenz bei Morbus Parkinson ist das frühzeitige Auftreten eines demenziellen Syndroms vor Manifestation eines Parkinson – Syndroms oder spätestens innerhalb des ersten Jahres nach Manifestwerden eines Parkinson – Syndroms.
Demenz vom Lewy-Körperchen-Typ: Ursachen Demenz vom Lewy – Körper – Typ Neurodegenerative Hirnkrankheit, die gekennzeichnet ist durch: Regelhaft histologisch nachzuweisende Lewy – Körper („Lewy – Bodies“) vor allem in den Basalganglien, im limbischen System und im Kortex. Lewy – Körper sind intrazytoplasmatische, α – Synuklein – positive Proteinaggregate. Zumeist amyloide Plaques Selten Alzheimersche Neurofibrillenveränderungen
Frontotemporale Demenzen: Klinik und Verlauf Frontotemporale Demenzen Eine Subgruppe der frontotemporalen Demenzen stellt die Demenz bei Pick – Krankheit dar. Morbus Pick beginnt häufig schleichend zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr mit langsamer Progredienz. Initial finden sich typischerweise Persönlichkeitsänderungen und Auffälligkeiten im emotionalen und sozialen Bereich wie z.B. Distanzlosigkeit, Taktverlust, sexuelle Enthemmung, Hyperphagie, Wechsel zwischen verbalen Aggressionsdurchbrüchen, depressiver Stimmungslage, Witzelsucht und Apathie („Frontalhirnsymptome“). Später folgen Störungen im Bereich des Gedächtnisses, der Orientierung und der Sprache (z.B. Aphasie). Die mittlere Erkrankungsdauer ab Diagnosestellung liegt etwa bei 7 Jahren.
Frontotemporale Demenzen: Ursachen Frontotemporale Demenzen Neurodegenerative Hirnkrankheiten, die gekennzeichnet sind durch frontotemporal betonte Hirnatrophien. Zu ihnen zählt u.a. die Demenz bei Pick – Krankheit. Bei ihr finden sich Pick – Körper, die u.a. aus Tau – Protein und Ubiquitin bestehen können.
Demenz bei Chorea Huntington: Klinik und Verlauf I Demenz bei Chorea Huntington Der Krankheit beginnt überwiegend zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr, selten bereits vor dem 20. Lebensjahr bzw. selten erst nach dem 60. Lebensjahr. Initial imponieren psychische Veränderungen: zunächst mürrisch – moros, nervös und erregbar, dann zunehmend verlangsamt und depressiv („subkortikale Funktionen“). Die Suizidrate ist in der Frühphase der Erkrankung hoch. Im Verlauf kann jede psychische Funktion betroffen sein: sexuelle Enthemmung, Aggressionsdurchbrüche, dementive Entwicklung unterschiedlichen Schweregrades, Inkohärenz, Verfolgungs- und Eifersuchtsideen, halluzinatorische Phänomene u.a.
Demenz bei Chorea Huntington: Klinik und Verlauf II Demenz bei Chorea Huntington Neurologisch imponiert eine häufig distal beginnende choreatische Bewegungsstörung, die sich später über den ganzen Körper ausbreitet. Diese führt zusammen mit der Dysphagie zu Problemen bei der Nahrungsaufnahme mit konsekutivem Gewichtsverlust. Die mittlere Krankheitsdauer beträgt 15 bis 20 Jahre. Häufigste Todesursache ist eine Pneumonie.
Demenz bei Chorea Huntington: Ursache Demenz bei Chorea Huntington Neurodegenerative Hirnkrankheit, die autosomal dominant mit nahezu kompletter Penetranz vererbt wird. Ursache ist das Huntington – Gen auf Chromosom 4 mit einer Vervielfachung eines CAG – Basen – Tripletts über einen kritischen Schwellenwert. Komplette Penetranz bei einer CAG – Zahl von ≥ 40, inkomplette Penetranz bei einer CAG – Zahl von 36 – 39; niedrigste CAG – Zahl bei Huntington – Kranken ist 36.
Sekundäre Demenzformen Beispiele für sekundäre Demenzformen Demenz nach Schädel-Hirn-Trauma, Demenz bei Normaldruckhydrozephalus, Demenz bei zerebralen Raumforderungen, Demenz bei Epilepsie, Demenz bei multipler Sklerose, Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Demenz bei HIV-Krankheit, Demenz bei Neurosyphilis, Demenz bei Endokrinopathien, Demenz bei Vitaminmangelzuständen, Demenz bei metabolischen Störungen, Demenz bei Alkoholabhängigkeit, Demenz bei Intoxikationen usw.
Demenz bei Normaldruckhydrozephalus: Klinik und Verlauf Demenz bei Normaldruck – Hydrozephalus Klinische Leitsymptome sind Gangataxie, imperativer Harndrang, fluktuierende Aufmerksamkeitsstörungen und Antriebsminderung. Unbehandelt entwickelt sich eine Demenz.
Demenz bei Normaldruckhydrozephalus: Ursachen Demenz bei Normaldruck – Hydrozephalus Demenzform als Ergebnis einer idiopathischen oder symptomatischen Liquorzirkulationsstörung im Gehirn.
Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Klinik und Verlauf Demenz bei Creutzfeldt – Jakob – Krankheit Die Krankheit beginnt gehäuft um das 60. Lebensjahr. Ein Krankheitsbeginn ist aber bei Erwachsenen in jedem Alter möglich; insbesondere bei der neuen Variante der Creutzfeldt – Jakob – Krankheit liegt der Krankheitsbeginn im Alter zwischen 18 und 40 Jahren. Charakteristisch ist die sehr rasche Krankheitsprogression, die innerhalb von Monaten zum Tod führt. Bei der neuen Variante sind längere Krankheitsverläufe von 1 bis 2 Jahren beschrieben. Klinisch finden sich eine sehr rasch progrediente Demenz und unterschiedlichste neurologische Störungen wie z.B. zerebelläre Symptome, Pyramidenbahnzeichen, extrapyramidale Symptome, Sehstörungen usw. Myoklonien sind typisch. Im EEG sind häufig typische periodische, triphasische Wellen bei vorherrschender Delta – Hintergrundaktivität nachzuweisen.
Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Ursachen Demenz bei Creutzfeldt – Jakob – Krankheit Demenzform, die neuropathologisch charakterisiert ist durch Neuronenverlust, Astrozytose und spongiöse Veränderungen und ausgelöst wird durch abnorm konfigurierte, nukleinsäurefreie, proteinhaltige Partikel („Prione“). Prione sind infektiös. Die infektiöse Form der Creutzfeldt – Jakob – Krankheit kann iatrogen verursacht sein (z.B. Übertragung durch kontaminierte Hornhauttransplantate, ungenügend sterilisierte Instrumente). Weiters werden die sporadische Form (Spontanmutation im Prion – Protein – Gen), die familiäre Form (autosomal – dominant vererbte Mutation im Prion – Protein – Gen) und die neue Variante (fragliche Übertragung des BSE [bovine spongiforme Enzephalopathie] – Erregers) der Creutzfeldt – Jakob – Krankheit unterschieden.
Demenz – Therapie • Eine kausale Therapie der primär degenerativen und vaskulären Demenzformen existiert derzeit nicht. • Auf der anderen Seite konnte in großen klinischen Studien nachgewiesen werden, dass Antidementiva bei der Alzheimer- Demenz eine Verzögerung der Symptomprogression um 6 bis 12 Monate bewirken (z.B. Acetylcholinesterasehemmer). • Nichtkognitive, akzessorische BPSD ( = „behavioral and psychological symptoms of dementia“) werden gezielt symptomorientiert behandelt.
BPSD (behavioral and psychological symptoms of dementia) – Symptome Psychomotorische Agitiertheit Zielloses Umherlaufen Rastlosigkeit, Unruhe Schlafstörungen und Störungen des Tag – Nacht – Rhythmus Aggressives Verhalten Reizbarkeit Verbale Aggressivität Physische Aggressivität Psychotische Symptome Wahnvorstellungen Halluzinationen Depressive Symptome Niedergeschlagenheit Angst Insuffizienzgefühle Schuldgefühle Psychomotorische Hemmung Mangel an Energie und Initiative Rückzug Apathie
Nichtpharmakologische Maßnahmen bei BPSD – Symptomen • Psychoedukation (insbesondere Angehörigengruppen); • Milieutherapie; • Kunsttherapie; • Musiktherapie; • Physiotherapie; • Ernährung.
Delir – Fallgeschichte I • Konsilanforderung aus der Transplantationschirurgie an den psychiatrischen Konsiliardienst um 08.45 Uhr. • Bei Frau Z., geboren 1966, stationär-chirurgisch bei Status nach orthotoper Lebertransplantation (OLT bzw. LTx: Liver Transplantation) – somatomedizinische Indikation zur Lebertransplantation bei Frau Z. war eine primär biliäre Zirrhose – imponierten erstmals während der Nacht Verwirrtheit, Insomnie, Halluzinationen („Raben und Aaskrähen im Zimmer“) und Unruhe. Fachärztlicher Befund und Therapieempfehlung höflich erbeten. • Die konsiliarpsychiatrische Untersuchung am Bett der Patientin erfolgte um 09.15 Uhr. Die eher schläfrige Patientin berichtete dem Konsiliarpsychiater, sie fühle sich aktuell überhaupt nicht verwirrt. Denn sie wisse sehr wohl, wo sie sich hier befinde („Kaiser-Josef-Markt“).
Delir – Fallgeschichte II • Ihr sei völlig schleierhaft, dass jemand behaupten könne, sie sei verwirrt. Das Schlafen falle ihr aber seit der Operation (Status post OLT) nachts eher schwer, manchmal sei sie auch etwas durcheinander. • Immer wieder fühle sie sich geängstigt, weil sie witzige Dinge um sich herum wahrnehme („Raben“, „Aaskrähen“, „Propellermaschinen“). • Das möchte sie aber jetzt nicht weiter vertiefen. Sie traue dem Referenten nicht so recht. • Sie sei müde und möchte jetzt in Ruhe gelassen werden. Man solle sie jetzt endliche alleine lassen!
Delir – Fallgeschichte III • Zum Zeitpunkt der fachärztlichen Untersuchung war die 46jährige Patientin im Status psychicus wach bis leicht benommen, zur Person orientiert, zu den anderen Qualitäten nicht orientiert, insgesamt über einen 24 – Stunden – Beobachtungszeitraum fluktuierender Verlauf mit vor allem während der Nacht auftretender Agitiertheit, Desorientiertheit und halluzinatorischem Erleben, paranoides Erleben, zeitweise moroser und dysphorischer Affekt. Leichtgradige Schlaf – Wach – Rhythmus – Umkehr. Derzeit kein Anhalt auf akute Selbst- und/oder Fremdgefährdung. • Aus der chirurgischen Fieberkurve war zu entnehmen, dass keine operative Komplikationen bei der vor wenigen Tagen durchgeführten OLT auftraten. Auch wurden akute neurovaskuläre Ereignisse (z.B. hypoxische Hirnschäden) neurologischerseits ausgeschlossen. Keine positive Suchtanamnese. Immunsuppressivaspiegel der Patientin waren derzeit leicht erhöht.
Delir - Begriffsdefinitionen • Beim Delir handelt es sich um einen akut auftretenden Verwirrtheitszustand mit einhergehenden Störungen des Bewusstseins und der Psychomotorik sowie mit in der Regel fluktuierender Symptomatik während eines 24-Stunden- Beobachtungszeitraums. • Wir unterscheiden zwischen: – Delir, das nicht durch Alkohol oder sonstige psychotrope Substanzen bedingt ist (Synonyme: akutes psychoorganisches Syndrom, akutes hirnorganisches Syndrom, akutes medikamentös bedingtes Delir u.a.); – Delir, das durch Alkohol oder sonstige psychotrope Substanzen hervorgerufen wird (am häufigsten Alkoholentzugssyndrom, aber auch Benzodiazepinentzugsdelir usw.).
Delir – Diagnostische Kriterien nach der ICD-10 Bewusstseinsstörung (Bewusstseinstrübung), d.h. verminderte Klarheit in der Umgebungswahrnehmung, mit einer reduzierten Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu fokussieren, aufrechtzuerhalten und umzustellen. Störung der Kognition, manifestiert durch die 2 folgenden Merkmale: 1. Beeinträchtigung des Immediatgedächtnisses (der unmittelbaren Wiedergabe) und des Kurzzeitgedächtnisses bei relativ intaktem Langzeitgedächtnis 2. Desorientierung zu Zeit, Ort oder Person Mindestens 1 der folgenden psychomotorischen Störungen: 1. Rascher, nicht vorhersagbarer Wechsel zwischen Hypo- und Hyperaktivität 2. Verlängerte Reaktionszeit 3. Vermehrter oder verminderter Redefluss 4. Verstärkte Schreckreaktion Störung des Schlafs oder des Schlaf – Wach – Rhythmus, mindestens durch 1 der folgenden Merkmale manifestiert: 1. Schlafstörung, in schweren Fällen völlige Schlaflosigkeit, mit oder ohne Schläfrigkeit am Tage oder Umkehr des Schlaf – Wach – Rhythmus 2. Nächtliche Verschlimmerung der Symptome 3. Unangenehme Träume oder Alpträume, die nach dem Erwachen als Halluzinationen oder Illusionen weiterbestehen können Plötzlicher Beginn und Änderung der Symptomausprägung im Tagesverlauf Objektiver Nachweis aufgrund der Anamnese, der körperlichen, neurologischen und laborchemischen Untersuchungen einer zu Grunde liegenden zerebralen oder systemischen Krankheit (außer einer durch psychotrope Substanzen bedingten1), die für die klinischen Symptome verantwortlich gemacht werden kann.
Delir – häufige Ursachen (Eselsbrücke „I WATCH DEATH“) Infektionen („Infection“) Entzug („Withdrawal“) Akute metabolische Störungen („Acute metabolic“) Trauma („Trauma“) ZNS – Erkrankungen („CNS pathology“) Hypoxie („Hypoxia“) Vitaminmangel – Syndrome („Deficiencies“) Endokrinopathien (“Endocrinopathies”) Herz – Kreislauf – Erkrankungen (“Acute vascular”) Toxika oder Medikamente („Toxins or drugs“) Schwermetalle („Heavy metals“)
Klinische Merkmale zur Unterscheidung von Delir und Demenz Delir Demenz Abruptes Auftreten mit feststellbarem Datum Allmählicher Beginn, der nicht genau datiert werden kann Akute Erkrankung, im Allgemeinen Tage bis Wochen, Chronische Erkrankung mit typischerweise progredientem selten länger als 1 Monat Verlauf über Jahre Frühe Desorientiertheit Desorientiertheit zu einem späteren Zeitpunkt der Erkrankung Bewusstseinstrübung Bewusstseinstrübung erst im Terminalstadium Stündliche bzw. tageszeitliche Schwankungen Befund von Tag zu Tag konstant Hyperaktiv oder hypoaktiv Psychomotorische Veränderungen typischerweise zu einem späten Zeitpunkt der Erkrankung
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