Vorschau - Parité in Sachsen-Anhalt - Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt

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Vorschau - Parité in Sachsen-Anhalt - Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt
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 Parité in Sachsen- Anhalt
Vorschau - Parité in Sachsen-Anhalt - Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt
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Vorwort Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt e.V. (LFR) 9
             Eva von Angern und Daniela Suchantke

                   Positionen der Botschafterinnen 17
                          für Gleichstellung des LFR
      Gabriele Brakebusch, Landtagspräsidentin, CDU
                         Dr. Helga Paschke, DIE LINKE
                   Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen, SPD
                               Dr. Lydia Hüskens, FDP
     Cornelia Lüddemann, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
                                       Eva Gerth, GEW

                                      Gesetzentwurf 31
„Gewährleistung einer paritätischen Zusammensetzung
   der Verfassungsorgane des Landes Sachsen-Anhalt
                             mit Frauen und Männern“

 Stellungnahmen aus der Sitzung des Ausschusses 33
   Recht, Verfassung und Gleichstellung (Auszüge)
             Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski, Uni Kassel
       Jun.-Prof. Dr. Jelena von Achenbach, Uni Gießen
               Prof. Dr. Martin Morlock, Uni Düsseldorf
           Katharina Miller, Deutscher Juristinnenbund
         Daniela Suchantke, Landesfrauenrat LSA e.V.
   Dr. Andrea Blumtritt, Landesbeauftragte für Frauen-
                               und Gleichstellungspolitik

          Gastbeitrag Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Meyer 69
         Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ)

               Der Blick über den Tellerrand oder… 81
                                JETZT ERST RECHT!
                               Eva von Angern (LFR)

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                           Eva von Angern                Daniela Suchantke

LIEBE LESERINNEN UND LESER: WILLKOMMEN                   NEN, SPD, DIE LINKE und außerparlamentari-
IN EINER GERECHTEN GESELLSCHAFT!                         schen Verbänden und Frauenvereinen angesto-
                                                         ßen und mit umfassender Öffentlichkeitsarbeit
Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt nimmt das             begleitet. Ziel all dieser Initiativen ist die Erhö-
Grundgesetz beim Wort. In Artikel 3 Grundgesetz          hung des Frauenanteils in den Parlamenten,
ist festgeschrieben, dass alle Menschen vor dem          Gemeinde-, Stadt- und Ortschaftsräten auf 50
Gesetz gleich und Männer und Frauen gleichbe-            Prozent. All diese Initiativen eint der Wunsch der
rechtigt sind. Der Staat fördert die tatsächliche        Verwirklichung der Parität nach Vorbild des
Durchsetzung der Gleichberechtigung von                  französischen Paritégesetzes.
Frauen und Männern und wirkt auf die Beseiti-
gung bestehender Nachteile hin.                          Im Jahr 2019 verabschiedeten mit Brandenburg
                                                         und Thüringen die ersten Bundesländer Wahlge-
Heere Ziele unseres gemeinsamen staatlichen              setze, die die paritätische Mandatsverteilung in
Grundkonsenses, die wir in der Realität hin-             den Landesparlamenten zum Ziel haben.
sichtlich ihrer Umsetzung hinterfragen und Vor-
schläge zur Erreichung dieses Staatszieles unter-        In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sehen die
breiten.                                                 Koalitionsvereinbarungen vor, die Einführung
                                                         eines Paritätsgesetzes nach französischem Vor-
In der anhaltenden Diskussion um die politische          bild zu prüfen. Daneben haben unter anderem
Repräsentanz von Frauen gibt es in den Bundes-           die Landesfrauenräte Baden-Württemberg und
ländern verschiedene Initiativen zur Änderung            Schleswig-Holstein Kampagnen mit dem selben
der Landes- und Kommunalwahlgesetze, so auch             Ziel gestartet.
in Sachsen-Anhalt. Größtenteils wurden diese
Initiativen von Parteien BÜNDNIS 90/ DIE GRÜ-            Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt hat bereits

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im Jahr 2014 auf seiner Delegiertenversamm-             war es uns als Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt
lung die Einführung eines Paritégesetzes auch           wichtig, die Umsetzung der Zielstellung einer
für Sachsen-Anhalt gefordert. In dem Beschluss          paritätischen Mandatsverteilung stetig einzufor-
fordern die Delegierten die Landesregierung und         dern, so u.a. im Rahmen der Aktivitäten zum
den Landtag von Sachsen-Anhalt auf, dem För-            100-jährigen Jubiläum des Frauenwahlrechtes.
derprinzip von Artikel 34 der Landesverfassung          Anhand dieses Jubiläums wird besonders deut-
folgend, Änderungen des Wahlgesetzes und                lich, dass eine gleichberechtigte Teilhabe von
gegebenenfalls auch der Landesverfassung vor-           Frauen und Männern an politischen Entschei-
zunehmen, um den gleichen Zugang von Frauen             dungen auf anderem Wege nicht zu erreichen ist.
und Männern zu Wahlmandaten und auf Wahl be-
ruhenden Ämtern auf Landes- und kommunaler              Vor mehr als 100 Jahren waren es mutige Frauen,
Ebene zu realisieren.                                   die sich für das aktive und passive Wahlrecht für
                                                        Frauen einsetzten. Auf dem Gebiet des heutigen
                                                        Sachsen-Anhalt gab es ebenfalls mutige Frauen,
                                                        die sich für dieses Recht stark machten. Im
                                                        Vorfeld der Landtagswahlen in Preußen verlang-
                                                        ten die Frauen der Arbeiterinnenbewegung, dass
                                                        die Forderung nach dem Frauenwahlrecht
                                                        Bestandteil des Wahlkampfes sein muss.

                                                        DENN OHNE FRAUEN IST KEIN
                                                        DEMOKRATISCHER STAAT ZU MACHEN
                                                        - so ein Wahlspruch der Frauen zum Frauenwahl-
                                                        recht. Dieser Slogan hat an Aktualität nichts
                                                        verloren.

                                                        Heute sind wieder frauenpolitische Vereine wie
                                                        der Landesfrauenrat innovative und treibende
In Umsetzung des Beschlusses führten wir zahl-          Kraft, wenn es um die Umsetzung gleicher
reiche Gespräche mit den Fraktionen der SPD,            Rechte für Mädchen und Frauen in allen gesell-
CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und DIE                     schaftlichen Bereichen geht. Diese demokra-
LINKE, um für dieses Vorhaben zu werben. Mit            tischen Vereine und Verbände stehen aber auch
Fachveranstaltungen und Vorträgen diskutierten          vor großen Herausforderungen. Eine davon – und
wir die Thematik öffentlich. Im Rahmen der Land-        in unseren Augen die wichtigste – ist die Gleich-
tagsdirektor*innenkonferenz in Dessau in 2019           stellung von Frauen und die damit einher-
konnten wir unsere Ideen länderübergreifend             gehende geschlechterparitätische Verteilung
vorstellen und diskutieren.                             von Mandaten.

Unsere Bemühungen fanden u.a. in einem Prüf-            „Die Forderung: Heraus mit dem Wahlrecht!
auftrag an die Landesregierung im Koalitionsver-        Muss deshalb in dem gegenwärtigen Wahlkampf
trag von 2016 ihren Widerhall. Darüber hinaus           genauso Parole sein wie diejenige: Her mit einem

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demokratischen Männerwahlrecht. Wir Frauen                zum Beispiel in Großbritannien) im Durchschnitt
haben […] einen Rechtsanspruch auf unsere                 bei nur 14 Prozent und in gemischten Systemen,
politische Gleichberechtigung.“ ¹                         wie der deutschen personalisierten Verhältnis-
                                                          wahl, bei 18 Prozent. In Systemen mit reiner
„Heraus mit Frauenwahlrecht!“ – was für eine              Verhältnis-, also Listenwahl, liegt sie bei durch-
Kampfansage. Heute müssen wir kämpferisch                 schnittlich 25 Prozent.“ ² Somit hat die Ausge-
rufen: „Heraus mit einem Paritégesetz!“ Denn              staltung des Wahlrechtes in den Bundesländern
bei aller Würdigung der kämpferischen Frauen              tatsächlich einen großen Einfluss darauf, wie gut
von damals – wo stehen wir heute?                         die Chancen für einen höheren Frauenanteil in
                                                          den Landtagen stehen. ³
Im Bundestag beträgt die Frauenquote 30,7 Pro-
zent. Die AfD-Fraktion mit einer Quote von
gerade mal 10,6 Prozent und die FDP-Frak-tion
mit 22,5 Prozent bilden hier die Schlusslichter.

Im Landtag von Sachsen-Anhalt liegt die Frauen-
quote bei knapp 20 Prozent. Tendenz rückläufig.
Sachsen-Anhalt bildet damit das bundesweite
Schlusslicht.

Nach anfänglicher kontinuierlicher Zunahme
weiblicher Abgeordneter im Landtag von Sach-
sen-Anhalt bis zum Jahr 2016 sank die Anzahl
weiblicher Abgeordneter jüngst auf diesen Tief-
stand und erreicht damit den zweitniedrigsten
Wert seit der Wiedervereinigung der beiden
deutschen Staaten. Dieser Rückschritt, der sich           Zur Landtagswahl am 13. März 2016 wurden
parallel im Bundestag vollzogen hat, ist vor allem        lediglich vier Frauen direkt in den 43 Wahlkreisen
auf den starken Einzug konservativer und rechts-          gewählt. ⁴ Die CDU erreichte 27 Direktmandate,
populistischer Parteien zurückzuführen. Da                davon entfielen zwei auf Frauen, die AfD erreich-
diese Parteien traditionell über einen sehr               te 15 Direktmandate, davon entfiel ein Mandat
geringen Frauenanteil verfügen, schlägt sich              auf eine Kandidatin und die Linke erreichte
dieser derzeit auch in der Gesamtbesetzung der            ebenfalls ein Direktmandat, welches auf eine
Parlamente nieder.                                        Frau entfiel. ⁵

Weitere Erklärungsmuster für das schlechte Ab-            Bereits im Vorfeld der eigentlichen Verkündung
schneiden von Frauen in Parlamenten sind in den           des Wahlrechts forderte die Frauenrechtlerin
Wahlsystemen zu finden. „Die Frauenrepräsen-              Minna Cauer eine Quotierung für Frauen in den
tanz liegt weltweit in Systemen mit Mehrheits-            Abgeordnetenlisten im Wahlgesetz festzuschrei-
wahlrecht (= ausschließliche Vergabe der Sitze            ben. Eine sehr moderne und fortschrittliche For-
an Direktkandidatinnen und -kandidaten, wie               derung für diese Zeit. Diese wurde vom damali-

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gen Staatssekretär im Reichsamt des Inneren,            – so unsere Ansicht – die Voraussetzung paritä-
Hugo Preuß, jedoch mit folgenden Worten                 tische Wahlgesetze zu beschließen.
kommentiert:
                                                        Im Artikel 34 der Landesverfassung heißt es:
„Sie fürchten wohl, dass die Frauen sonst zu            „Das Land und die Kommunen sind verpflichtet,
schlechte Plätze auf den Listen bekommen?“ ⁶            die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und
Die traurige Gewissheit sehen wir heute – 100           Männern in allen Bereichen der Gesellschaft
Jahre später!                                           durch geeignete Maßnahmen zu fördern.“ ⁸ Der

ES GEHT NICHT UM FURCHT, ES GEHT UM DIE                 Gleichstellungsgrundsatz ist in den meisten
DURCHSETZUNG DES STAATSZIELES DER                       Bundesländern in den Landesverfassungen
GLEICHBERECHTIGUNG VON MANN UND FRAU.                   verankert – Ausnahmen bilden Baden-Württem-
                                                        berg und Nordrhein-Westfalen. Die Verpflich-
Als Fazit bleibt: „Die Gewährung des Frauenwahl-        tung, die Gleichstellung tatsächlich zu verwirk-
rechts wurde von ihnen nicht etwa als ein Ge-           lichen, sei es durch „geeignete Maßnahmen“
schenk betrachtet, für das sie dankbar zu sein          oder durch „Ausgleich bestehender Ungleich-
hatten. Im Gegenteil, für die Mehrheit unter            heiten“ ist ebenfalls in der Mehrzahl der Verfas-
ihnen war es das Ergebnis eines lang währenden          sungen festgehalten. Damit ergibt sich ein
Kampfes, dem es gerecht zu werden galt, eine            aktiver Auftrag für Sachsen-Anhalt, sowohl auf
Herausforderung, der sie sich gegen zahlreiche          Landesebene als auch auf kommunaler Ebene
Widerstände stellten.“ ⁷                                der Unterrepräsentanz von Frauen entgegen-
                                                        zuwirken.
In Bezug auf die gesetzlichen Regelungen stehen
eigentlich alle Ampeln auf Grün im Sinne einer          Die Vielzahl der unterschiedlichen Vorstöße hat
Paritätsregelung. Der Gleichstellungsaufrag im          nunmehr eine verfassungsrechtliche Debatte
Grundgesetz und in der Landesverfassung bieten          ausgelöst, in deren Verlauf auch diverse juristi-

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sche Gutachten entstanden sind. Im Wesentli-
chen wird in den verschiedenen Gutachten
diskutiert, ob und wie die grundgesetzliche
geschützte Parteienfreiheit und die Wahlrechts-
grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren,
freien, gleichen und geheimen Wahl durch quo-
tierte Wahllisten beeinträchtigt werden bzw. ob
diese Eingriffe durch das Gleichberechtigungs-
gebot des Grundgesetzes gerechtfertigt sind. ⁹

Die vorliegende Broschüre ist das Ergebnis der
Bemühungen des Landesfrauenrates Sachsen-
Anhalt e.V. in seinen Aktivitäten für ein Paritäts-
gesetz und durch Darstellung ausgewählter
Stellungnahmen anlässlich der Anhörung des
Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleich-
stellung am 16. August 2019 zum im Landtag
von Sachsen-Anhalt vorliegenden Gesetzent-
wurf „[…] zur Gewährleistung einer paritätischen
Zusammensetzung der Verfassungsorgane des
Landes Sachsen-Anhalt mit Frauen und Männern
(Parité-Gesetz Sachsen-Anhalt)“ die Debatte
weiter voranzutreiben.

LASSEN SIE UNS GEMEINSAM AN DER BESTEN
LÖSUNG ZUR UMSETZUNG DES GLEICHHEITS-
GRUNDSATZES UNSERES GRUNDGESETZES
ARBEITEN.

Ihre
Eva von Angern        & Daniela Suchantke
Vorsitzende             Geschäftsführerin                  1 Elke Stolze “Die weiblichen „Herren Abgeordneten“ – Politikerinnen der
                                                             Region Sachsen-Anhalt 1918 – 1945, S.10
Landesfrauenrat                                            2 Lukoschat: Macht, S. 13.
Sachsen-Anhalt e.V.                                        3 Das Wahlrecht in den Bundesländern bei Landtagswahlen ist sehr ähnlich.
                                                             Lediglich das Saarland (Verhältniswahl mit geschlossenen Listen) und
                                                             Hamburg und Bremen (Verhältniswahl mit offenen Listen) weichen ab.
                                                           4 vgl. www.statistik.sachsen-anhalt.de/wahlen/lt16/fms/fms216li.html,
                                                             Stand: 11.08.2018
                                                           5 Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt: Landtagswahl 2016. Analysen
                                                             zur Wahl und aus der repräsentativen Statistik, April 2016
                                                           6 Elke Stolze “Die weiblichen „Herren Abgeordneten“ – Politikerinnen der
                                                             Region Sachsen-Anhalt 1918 – 1945, S.15
                                                           7 vgl. ebd. S. 18
                                                           8 Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. Juli 1992
                                                           9 Lukoschat: Macht, S. 28.

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     BOTSCHAFT
         ERINNEN

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                                                          Ich selber erachte eine Quote per Gesetz ledig-
                                                          lich als eine Möglichkeit für den Weg, den Frau-
                                                          enanteil im wirtschaftlichen wie politischen
                                                          Terrain zu erhöhen. Maßgeblichere Kriterien zur
                                                          Förderung von Frauen sind für mich zum einen,
                                                          die Akzeptanz des gesellschaftlichen sowie
                                                          privaten Umfeldes, dass sich Frauen und Männer
                                                          gleichermaßen um Kinder und Familie kümmern.
                                                          Dass sich eine derartige positive Entwicklung
                                                          bereits abzeichnet, freut mich sehr. Zum anderen
                                                          sollten in erster Linie die Befähigung und Eig-
                                                          nung bei der Besetzung von Stellen gelten.

 G a b r i e l e B r a ke b u s c h , C D U               Die uneingeschränkte Partizipation der Frau
 Landtagspräsidentin
                                                          nimmt heute in der Gesellschaft einen hohen
                                                          Stellenwert ein. Was vor der Einführung des
IN DER VERFASSUNG DES LANDES SACHSEN-                     Frauenwahlrechts vor über 100 Jahren undenk-
ANHALT IST VERANKERT, DIE TATSÄCHLICHE                    bar erschien, ist längst selbstverständlich.
 GLEICHSTELLUNG VON FRAUEN UND                            Frauen nehmen aktiv an Wahlen teil, sollten sich
MÄNNERN IN ALLEN BEREICHEN DER GESELL-                    allerdings selbst öfter auch zur Wahl stellen. Sie
SCHAFT DURCH GEEIGNETE MAßNAHMEN                          erfahren in der Arbeitswelt hohe Anerkennung
ZU FÖRDERN.                                               und spielen tragende Rollen neben ihren männli-
                                                          chen Kollegen.
Nun gilt es auch, sich über diese geeigneten
Maßnahmen im Klaren zu sein. Die Koalitions-              DIE GLEICHBERECHTIGUNG VON MANN UND
partner der siebten Wahlperiode des Landtages             FRAU SCHRITT NACH UND NACH VORAN, DOCH
von Sachsen-Anhalt wollen für eine paritätische           AN DER EINEN ODER ANDEREN STELLE DARF
Besetzung von Kandidierenden-Listen prüfen, ob            MEHR UND EHRLICHER ETWAS DAFÜR GETAN
ein verfassungskonformes Paritégesetz mit                 WERDEN.
Regelungen sowohl für die kommunale Ebene als
auch die Landesebene auf den Weg gebracht                 Menschen, die sich um ihre Familie kümmern,
werden kann. Nun hätten die großen Parteien,              sei es um die jüngere oder ältere Generation,
die der Politik das Personal stellen, jedoch schon        sind als Bereicherung für unser Arbeitsleben zu
längst ihr Recruiting anpassen können. Eine Art           betrachten. Denn es ist die leistungsfähige
weiche Quote, also Sollvorschriften zum Frauen-           mittlere Generation, die ihre Kraft und Energie
anteil für Wahllisten oder Ämter, haben für die           bewusst für Beruf und Familie einsetzt, egal ob
Wahllisten oder gar Ämter nicht zu mehr Frauen            Mann oder Frau.
geführt. Die Parteien sind daher erst einmal zu
Hausaufgaben ermahnt, bevor sie sich in die               Gabriele Brakebusch
erneute Debatte stürzen.                                  Landtagspräsidentin, CDU

                                                     18
Vorschau

              E N T W U R
                                 GESETZ ZUR GEWÄHRLEISTUNG EINER PARI-
                                 TÄTISCHEN ZUSAMMENSETZUNG DER VER-
                                 FASSUNGSORGANE DES LANDES SACHSEN-
                                 ANHALT MIT FRAUEN UND MÄNNERN
G E S E T Z E S
                                 (Parité-Gesetz Sachsen-Anhalt)

                                 Artikel 1 - Änderung der Verfassung des Landes
                                 Sachsen-Anhalt
                                 Die Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom
                                 16. Juli 1992 (GVBl. LSA S. 600), zuletzt geändert
                                 durch Artikel 1 des Gesetzes zur Parlamentsreform
                                 2014 vom 5. Dezember 2014 (GVBl. LSA S. 494),
                                 wird wie folgt geändert:

                                 (1) Artikel 34 wird wie folgt geändert:
                                 a) Der bisherige Wortlaut wird zu Absatz 1.
                                 b) Es wird folgender Absatz 2 angefügt: „Das Land
                                 sorgt für die Möglichkeit einer gleichen Repräsenta-
                                 tion von Frauen und Männern in gewählten Vertre-
                                 tungen, in der Landesregierung und im Landesver-
                                 fassungsgericht.“

                                 (2) Artikel 42 Abs. 1 wird wie folgt geändert:
                                 Nach den Wörtern „Grundsätzen der Verhältniswahl
                                 verbindet“ werden die Wörter „und die paritätische
                                 Zusammensetzung mit Frauen und Männern
                                 ermöglicht“ eingefügt.

                                 (3) Dem Artikel 64 Abs. 1 wird folgender Satz 3
                                 angefügt: „Die Landesregierung soll sich paritätisch
                                 aus Frauen und Männern zusammensetzen.“

                                 (4) Dem Artikel 74 Abs. 2 wird folgender Satz 2
                                 angefügt: „Es soll sich paritätisch aus Frauen und
                                 Männern zusammensetzen.“

                                 Artikel 2 - Änderung des Wahlgesetzes des
                                 Landes Sachsen-Anhalt
                                 Das Wahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in der
                                 Fassung der Bekanntmachung vom 18. Februar
                                 2010 (GVBl. LSA S. 80), zuletzt geändert durch
                                 Artikel 6 des Gesetzes vom 5. Dezember 2014
                                 (GVBl. LSA S. 494), wird wie folgt geändert:

                            31
Vorschau
(1) § 1 Absatz 1 wird wie folgt geändert: In Satz 2         a) In Absatz 1 Satz 1 werden die Wörter „Als
wird die Zahl „43“ durch die Zahl „22“ ersetzt.             Bewerber einer Partei“ durch die Wörter „Als
                                                            Bewerberin und Bewerber einer Partei“ ersetzt.
(2) § 10 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt geändert: Die         b) In Absatz 4 Satz 1 werden die Wörter „die Wahl
Zahl „43“ wird durch die Zahl „22“ ersetzt.                 des Bewerbers“ durch die Wörter „die Wahl der
                                                            Bewerberin und des Bewerbers“ ersetzt.
(3) § 14 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 4 werden die Wörter „der Bewerber für          (6) In § 22 Abs. 2 Satz 2 wird nach Nummer 3
eine Partei auftritt“ durch die Wörter „die Bewerber        folgende Nummer 4 eingefügt: „4. er als Kreiswahl-
für eine Partei auftreten“ ersetzt.                         vorschlag einer Partei nicht eine Bewerberin und
b) Absatz 5 erhält folgende Fassung: „Der Kreis-            einen Bewerber oder einen Bewerber und eine
wahlvorschlag einer Partei darf nur eine Bewerberin         Bewerberin enthält.“ Die Nummern 4 und 5 werden
und einen Bewerber oder einen Bewerber und eine             zu Nummern 5 und 6.
Bewerberin enthalten. In dem Kreiswahlvorschlag
müssen Familienname, Vorname, Geburtsdatum,                 (7) In § 23 wird nach Absatz 3 folgender Absatz 4
Geburtsort, Wohnort, Wohnung 1 und Beruf oder               eingefügt: „(4) In einem Landesvorschlag sind die
Stand der Bewerberin und des Bewerbers sowie die            Bewerber zu streichen, die die strikt alternierende
Parteibezeichnung angegeben sein. Die Hinzufü-              Reihenfolge durchbrechen.“ Die Absätze 4 bis 10
gung der Parteibezeichnung ist nur mit Zustimmung           werden zu Absätzen 5 bis 11.
dieser Partei zulässig. Das Recht von Einzelbewer-
bern, auf einem Kreiswahlvorschlag zu kandidieren,          (8) In § 27 Absatz 1 Nr. 1 wird das Wort „Bewerber“
bleibt unberührt.“                                          gestrichen.
c) Nach Absatz 5 wird ein neuer Absatz 6 angefügt:
„(6) Personen, die entsprechend § 22 Absatz 3 und           (9) In § 32 Satz 1 werden die Wörter „welcher
§ 45b Absatz 1 Personenstandsgesetz weder dem               Bewerber“ durch die Wörter „welche Bewerberin
männlichen noch dem weiblichen Geschlecht                   und welcher Bewerber oder welcher Bewerber und
zugeordnet werden können, können frei entschei-             welche Bewerberin oder welcher Einzelbewerber “
den, ob sie auf dem Kreiswahlvorschlag einer Partei         ersetzt.
als Bewerberin oder Bewerber antreten wollen."
Die Absätze 6 und 7 werden zu Absätzen 7 und 8.             (10) § 33 Absatz 1 wird wie folgt gefasst: „(1)
d) In Absatz 8 werden die Wörter „Ein Bewerber              Gewählt sind die Bewerberin und der Bewerber
darf“ durch die Wörter „Eine Bewerberin oder ein            oder der Bewerber und die Bewerberin oder die
Bewerber dürfen“ ersetzt.                                   Einzelbewerberin oder der Einzelbewerber des
                                                            Kreiswahlvorschlags, der die meisten Erststimmen
(4) § 15 wird wie folgt geändert:                           erhalten hat.“
a) In Absatz 1 werden nach dem Wort „Landeswahl-
vorschläge“ die Wörter „die in der Reihenfolge von          Artikel 3 - Inkrafttreten
Frauen und Männern oder von Männern und Frauen              (1) Artikel 1 Nr. 1 und Nr. 4 treten am Tag nach der
als strikt alternierende Listen aufzustellen sind,“         Verkündung in Kraft.
eingefügt.
b) § 15 Abs. 1, Satz 3 erhält folgende Fassung:             (2) Artikel 1 Nr. 2 und Artikel 2 treten für die Wahl
Die Vorschriften des § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3,            zum Landtag der achten Wahlperiode in Kraft.
Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 gelten entsprechend.
                                                            (3) Artikel 1 Nr. 3 tritt mit Wirkung für die achte
(5) § 19 wird wie folgt geändert:                           Wahlperiode des Landtages in Kraft.

                                                       32
Vorschau

     STELLUNG
          NAHMEN

33
Vorschau
ÖFFENTLICHE ANHÖRUNG DES AUSSCHUSSES                        ein solches Gesetz dazu dient, die strukturelle Dis-
FÜR RECHT, VERFASSUNG UND GLEICHSTELLUNG                    kriminierung von Kandidatinnen in parteiinternen
DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT AM                         Nominierungsverfahren zu verhindern. Solche
16.08.2019 ZUM ENTWURF EINES GESETZES ZUR                   strukturellen Diskriminierungen können wir inzwi-
GEWÄHRLEISTUNG EINER PARITÄTISCHEN ZUSAM-                   schen aufgrund von Statistiken erkennen.
MENSETZUNG DER VERFASSUNGSORGANE DES
LANDES SACHSEN-ANHALT MIT FRAUEN UND                        Des Weiteren dient alles, was in diesem Gesetzent-
MÄNNERN                                                     wurf vorgegeben ist, der Sicherung der gleichbe-
                                                            rechtigten demokratischen Teilhabe und effektiven
Parité-Gesetz Sachsen-Anhalt                                Einflussnahme des Souveräns, nämlich der Bürge-
                                                            rinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt. Aus der Per-
(Hinweis des Landesfrauenrates Sachsen-Anhalt               spektive von Demokratie und Gleichberechtigung
e.V.: Am 16.08.2019 fand im Ausschuss für Recht,            kann ich diesen Gestzentwurf somit nur begrüßen.
Verfassung und Gleichstellung eine Anhörung zum
oben genannten Gesetzentwurf statt. Wir erlauben            Allerdings konzentriert sich dieser Gesetzentwurf -
uns, diese auszugsweise hier wiederzugeben. Bei             anders als die anderen Gesetzentwürfe - nicht allein
Interesse an der gesamten Anhörung verweisen wir            auf das Parlament, das wichtige Staatsorgan, son-
auf die Homepage des Landtages von Sachsen-                 dern auch auf die Landesregierung und das Landes-
Anhalt: www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/            verfassungsgericht. Das ist aus meiner Sicht konse-
files/aussch/wp7/rev/protok/rev031p7i.pdf)                  quent und neu.

Vorsitzender Detlef Gürth:                                  Zu den einzelnen Fragen, die ich jetzt in Kürze
Ich begrüße die zur heutigen Anhörung erschiene-            beantworten werde.
nen Gäste und möchte mich im Namen des Aus-
schusses für die bereits eingereichten schriftlichen        Frage 1: Ist es verfassungsrechtlich zulässig, die
Statements bedanken. Sie können davon ausgehen,             Wahlrechtsgrundsätze des Artikels 28 Abs. 1 Satz 2
dass diese Unterlagen schon gelesen worden sind.            des Grundgesetzes (GG) in der Verfassung des
Für den Verlauf der folgenden Anhörung wäre es              Landes Sachsen-Anhalt mit dem Zusatz zu ver-
somit günstig, wenn sich die Vortragenden auf die           sehen, dass eine paritätische Zusammensetzung
wesentlichen Positionen fokussieren und dann                mit Frauen und Männern ermöglicht werden soll?
Fragen der Abgeordneten beantworten würden. Als             Aus meiner Sicht ist es verfassungsrechtlich zu-
Orientierung für die Redezeit haben wir 15 Minuten          lässig, einen Zusatz in die Landesverfassung einzu-
vorgegeben.                                                 fügen, mit dem eine paritätische Zusammensetzung
                                                            mit Frauen und Männern ermöglicht werden soll.
Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski (Uni Kassel):                Ein solcher Zusatz dient der Klarstellung und der
Sie haben mir mit der Einladung einen Fragenkata-           Durchsetzung des Rechts auf Chancengleichheit
log zugesandt. Die darin aufgeführten Fragen werde          der Kandidatinnen und Kandidaten aller Parteien
ich im Folgenden der Reihe nach beantworten.                gemäß Artikel 38 Abs. 1 und Artikel 3 Abs. 2 GG,
Zunächst aber möchte ich den Landtag dazu be-               die sich hierbei ergänzen. Ein solcher Zusatz dient
glückwünschen, dass er sich überhaupt mit einem             gleichzeitig der Durchsetzung des Demokratiege-
solchen Gesetzentwurf auseinandersetzt. Die Dis-            bots und dem daraus folgenden Recht der Bürge-
kussion läuft in allen Bundesländern, seit das Land         rinnen und Bürger auf gleiche demokratische Teil-
Brandenburg mit einem Parité-Gesetz vorgelegt hat.          habe und effektiven Einfluss auf die Staatsgewalt,
Inzwischen hat auch Thüringen ein Parité-Gesetz             hier in Form des Landesparlaments - Artikel 20
verabschiedet. Ich möchte deutlich machen, dass             Abs. 2, Artikel 38 Abs. 1 und Artikel 3 Abs. 2 GG.

                                                       34
Vorschau
Frage 2: Ist es verfassungsrechtlich zulässig, eine         Frage 3: Ist es verfassungsrechtlich zulässig, auf
paritätische Besetzung der Landesregierung und              Landesebene Regelungen zu treffen, die Vorgaben
des Landesverfassungsgerichts verpflichtend zu              hinsichtlich des parteiinternen Aufstellungsverfah-
regeln? Wenn nein, ist eine Sollvorschrift zulässig?        rens der Kandidatinnen und Kandidaten beinhalten,
                                                            insbesondere unter Berücksichtigung des Artikels
Aus meiner Sicht ist es sowohl verfassungsrechtlich         21 Abs. 3 GG?
zulässig, eine verpflichtende Regelung zu treffen,
als auch, eine bloße Sollregelung zu treffen. Auf           Dazu möchte ich zunächst sagen, dass ich die For-
einfachgesetzlicher Ebene dürften sich Sollrege-            mulierung so verstanden habe, dass sie auf mög-
lungen allerdings als untauglich erweisen, darauf           liche Kollisionen im Hinblick auf die Gesetzgebungs-
möchte ich hinweisen. Auf der einfachgesetzlichen           kompetenz hinausläuft. Artikel 21 Abs. 3 GG sah
Ebene kann ich auf die Erfahrungen mit § 3 Abs. 1           bis 2017 eine entsprechende Regelung vor, seit
Satz 4 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes                2017 findet sie sich in Artikel 21 Abs. 5 GG; ich
(LVerfGG) verweisen. Diese Regelung hat sich als            nehme an, das war ein redaktionelles Versehen. So
Papiertiger erwiesen und dürfte gegen das Unter-            habe ich die Frage jedenfalls verstanden. Dazu
maßverbot - Artikel 20 Abs. 3 GG - verstoßen, ist           ganz klar: Der Schwerpunkt einer solchen Regelung
also eine völlig untaugliche Regelung.                      liegt im Bereich der Wahlvorbereitung, also im
                                                            Landeswahlrecht. Von daher liegt die Gesetzge-
Auf der Ebene der Landesverfassung, wie in dem              bungskompetenz ganz klar beim Land, Artikel 70
Gesetzentwurf für Artikel 64 Abs. 1 Satz 3 (neu)            GG und Artikel 42 der Landesverfassung. Aus
und Artikel 74 Abs. 2 Satz 2 (neu) der Landesver-           dieser Sicht ergibt sich kein Proble. Auch im Übri-
fassung vorgesehen, erscheinen solche Sollrege-             gen wäre eine solche Regelung verfassungsgemäß.
lungen unschädlich, wenn auch völlig unüblich.              - Dazu mehr in meiner schriftlichen Stellungnahme.
Denn die Verfassungssprache in allen Verfassungen
ist die des imperativen Indikativs. Dort wird klipp         Frage 4: Ist der Begriff der paritätischen Zusam-
und klar dargestellt, wie die Dinge zu sein haben           mensetzung rechtlich eindeutig definiert? Genügt
oder wie sie nicht sein dürfen. Aber solche from-           der Begriff dem verfassungsrechtlichen Gebot der
men Wünsche - es soll dieses, es soll jenes - finden        Normenklarheit und -bestimmtheit oder bedarf es
Sie in keiner Verfassung. Das ist aus meiner Sicht          einer Legaldefinition?
auch nicht erforderlich. Sie sollten hierfür die üb-
liche Sprache wählen, den imperativen Indikativ. Ich        Dazu ganz klar: Der Begriff an sich ist rechtlich
sage es noch einmal deutlich: Solche Sollregelun-           nicht eindeutig definiert. Er wird in unterschied-
gen sind nicht erforderlich, aber doch verfassungs-         lichen Teilrechtsgebieten verwendet. Im Kontext
rechtlich zulässig.                                         des Gesetzentwurfes wird jedoch hinreichend
                                                            deutlich, was mit „paritätische Zusammensetzung"
So, wie die Sollregelung vorgesehen ist, kommt den          gemeint ist, nämlich eine hälftige geschlechterpari-
Normen lediglich eine Appellfunktion zu, gerichtet          tätische Zusammensetzung mit Frauen und Män-
an die Person, die über die personelle Zusammen-            nern. Allerdings dürfen diverse Menschen aus
setzung der Landesregierung, also vor allem die             verfassungsrechtlichen Gründen begrifflich nicht
Ministerinnen und die Minister, und des Landesver-          ausgeschlossen werden. Insoweit bedarf es einer
fassungsgerichts entscheiden. Eine paritätische             verfassungskonformen Interpretation. Eine solche
Besetzung der Landesregierung und des Landesver-            ist möglich mithilfe der üblichen juristischen Metho-
fassungsgerichts ließe sich mithilfe solcher Sollre-        dik. Daher genügt der Begriff dem verfassungs-
geln aber nicht einfordern; denn „soll" heißt be-           rechtlichen Gebot der Normenklarheit und Be-
kanntlich nicht „muss".                                     stimmtheit. Eine Legaldefinition ist nicht zwingend

                                                       35
Vorschau
Quotenregelungen ist es allerdings nicht getan.
Eine geschlechtergerechte Besetzung des Landta-
ges ist geboten. Trauen Sie sich, innovativ zu sein.
Ich bin mir sicher, dass die Investorinnen in dieses
Land dies wohlwollend belohnen werden, sodass
der Internationalisierung Sachsen-Anhalts nichts
mehr im Wege stehen wird.

       PA R I                                               T É
                                                       54
Vorschau
                                                                  sen-Anhalt) einbringen zu können.

                                                                  Politische und historische Einordnung
                                                                  Warum dieser Schritt politisch geboten ist, kann
                                                                  der Begründung des Gesetzentwurfs entnom-
                                                                  men werden. Mit der vorliegenden Stellungnah-
                                                                  me ergänzen und bekräftigen wir diese Begrün-
                                                                  dung aus gleichstellungspolitischer Sicht; wobei
                                                                  wir durchaus auch auf die grundlegende formal-
                                                                  juristische Ebene Bezug nehmen werden.
                                                                  Unsere Einschätzungen kommen zu dem
                                                                  Schluss, dass die Permanenz der Unterrepräsen-
                                                                  tanz in den Parlamenten zwangsläufig zur
                                                                  Konsequenz haben muss, dass die Parteien und
                                                                  politischen Vereinigungen ihre Nominierungs-
Daniela Suchantke, Geschäftsführerin
                                                                  verfahren durchgehend geschlechterparitätisch
           Daniela
Landesfrauenrat      Suchantke,
                Sachsen-Anhalt e.V. Geschäftsführerin             handhaben. Somit besteht der staatliche Auftrag
         Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt e.V.                      darin, diese Handhabung zu befördern.

         GEMEINSAME STELLUNGNAHME DES                             100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahl-
         LANDESFRAUENRATES SACHSEN-ANHALT E.V.                    rechts in Deutschland gibt es eine breite gesell-
         (LFR), DER ARBEITSGEMEINSCHAFT SOZIAL-                   schaftliche Debatte über die geringe politische
         DEMOKRATISCHER FRAUEN SACHSEN-ANHALT                     Teilhabe von Frauen in den Parlamenten. Dieses
         (ASF) UND DER LANDESARBEITSGEMEIN-                       Jubiläum hat auch in Sachsen-Anhalt dazu
         SCHAFT DER KOMMUNALEN GLEICH-                            beigetragen, das Thema (noch stärker) auf die
         STELLUNGSBEAUFTRAGTEN (LAG KGBA)                         politische Agenda zu setzen.

         Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung                Bereits mit der Einführung des Frauenwahlrechts
         einer paritätischen Zusammensetzung der                  und der politischen Diskussion darum (1918),
         Verfassungsorgane des Landes Sachsen-                    forderte die Frauenrechtlerin Minna Cauer eine
         Anhalt mit Frauen und Männern (Parité-                   Quotenregelung für Frauen in den Abgeordne-
         Gesetz Sachsen-Anhalt)                                   tenlisten im Wahlgesetz festzuschreiben. Dieses
                                                                  Ansinnen hielt der mit dem Auftrag einen Wahl-
         Anhörung im Ausschuss für Recht, Verfas-                 rechtsentwurf zu erarbeiten beauftragte Staats-
         sung und Gleichstellung (16. August 2019)                sekretär im Reichsamt des Inneren, Hugo Preuß,
         Der Landesfrauenrat Sachsen-Anhalt e.V. be-              für nicht durchführbar. Er kommentierte das
         dankt sich für die Möglichkeit, eine Stellungnah-        Ansinnen mit den Worten: „Sie fürchten wohl,
         me zum Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleis-            dass die Frauen sonst zu schlechte Plätze auf
         tung einer paritätischen Zusammensetzung der             den Listen bekommen“.¹
         Verfassungsorgane des Landes Sachsen-Anhalt
         mit Frauen und Männern (Parité-Gesetz Sach-              100 Jahre später konstatiert der Landesfrauen-

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Vorschau
rat mit Sorge, dass die Frauenanteile im Bundes-         gesetzlichen Vorgaben zu einer paritätischen
tag sowie in den Landesparlamenten und                   Handhabung ihrer Kandidaturenaufstellung
Kommunalvertretungen – trotz innerparteilicher           verpflichtet werden, deren Nichteinhaltung
Selbstverpflichtungen einiger Parteien und trotz         konsequent sanktioniert wird? Die politikwissen-
des staatlichen Gleichstellungsauftrags in               schaftliche Forschung untersucht seit Ende der
Artikel 3 des Grundgesetzes – seit Anfang der            80er Jahre die Unterrepräsentanz von Frauen in
1990er Jahre stagnieren bzw. sogar rückläufig            Politik und Parlamenten. Die jahrzehntelange
sind. Nur eine gleichberechtigte Teilhabe macht          wissenschaftliche Beobachtung und Analyse der
unsere Gesellschaft gerecht, sie macht unsere            Entwicklung der Geschlechterverhältnisse in der
politischen Antworten besser und unsere                  Politik liefert die wissenschaftliche Untermaue-
Demokratie zukunftsfest. So können auch die              rung dafür, dass es notwendig ist, den Schritt
unbestreitbaren Erfolge und Fortschritte in der          eines Gesetzes zur paritätischen Quotierung zu
politischen Partizipation von Frauen – eine Frau         gehen.“³
als Kanzlerin, zahlreiche Ministerinnen, in
Sachsen-Anhalt eine Frau als Landtagspräsi-              In Sachsen-Anhalt wie auch in den anderen
dentin – nicht darüber hinwegtäuschen, dass 70           Bundesländern lässt sich dies an den folgenden
Jahre nach Verabschiedung des Gleichberechti-            Erkenntnissen begründen:
gungsartikels im Grundgesetz und 100 Jahre
nach Einführung des Frauenwahlrechts weiter-             1. Permanente Unterrepräsentanz von
hin strukturelle Benachteiligungen bestehen und          Frauen in den Landtagen, kommunalen
nahezu überall in den politischen Entscheidungs-         Vertretungen und Führungspositionen
gremien Männer in der Mehrheit sind.²                    Durchschnittlich stellen Frauen ein knappes
                                                         Drittel der Landtagsabgeordneten. Es gibt
Diese Erkenntnis führte bereits 1994 zur Ergän-          allerdings große Unterschiede zwischen den
zung des Artikel 3 Grundgesetz und den Absatz            Bundesländern. Sachsen-Anhalt belegt in dieser
2, Satz 2, der einen aktiven Gleichstellungsauf-         Wahlperiode den letzten Platz. Zu Beginn der
trag wie folgt formuliert: „Der Staat fördert die        Wahlperiode betrug der Frauenanteil 24,4
tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechti-            Prozent. Mit dem Ausscheiden von Mandatsträ-
gung von Frauen und Männer und wirkt auf die             gerinnen und dem „Nachrutschen“ von Män-
Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Der              nern, liegt dieser aktuell bei knapp 22 Prozent
Nachweis bestehender Nachteile ist für uns mit           (19 Frauen, 68 Männer). Damit erreicht der Wert
der Entwicklung des Anteils weiblicher Abgeord-          statistisch fast den historischen Tiefstand von
neter seit der Wiedervereinigung. Auch wenn              1990. Da betrug der Frauenanteil gerade einmal
diese statistischen Fakten durch einige Juristen         17 Prozent.
in ihre Relevanz und Bedeutung angezweifelt
werden, spiegeln sie für uns die tatsächliche            2. Nominierungsverfahren
strukturelle Diskriminierung.                            An Handlungsempfehlungen und Konzepten
                                                         mangelt es nicht, aber offenbar am Willen zur
Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung                Umsetzung. Der Landesfrauenrat Sachsen-
Es stellt sich daher die Frage: „Warum müssen            Anhalt zeigt sich davon überzeugt, dass die
Parteien und politische Vereinigungen mit                internen Nominierungsverfahren der Parteien

                                                    56
Vorschau
ohne paritätische Steuerung auch zukünftig dazu          4. Frauen- und Geschlechterquoten
führen werden, dass unter weitgehendem Ver-              In der Entwicklung der Repräsentanz von Frauen
zicht von Kandidatinnen überproportional viele           im Landtag von Sachsen-Anhalt seit der Wieder-
Kandidaten nominiert werden.                             vereinigung bis heute wird ebenfalls deutlich,
                                                         dass die Fraktionen unterschiedlichen Anteil an
3. Direktmandate                                         der geschlechtsspezifischen Verteilung haben.
Die Ausgestaltung des Wahlrechts – und um                Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass die
dessen Änderung geht es uns heute – hat einen            Parteien, die über innerparteiliche Quotenrege-
großen Einfluss darauf, wie gut die Chancen für          lungen die Aufstellung der Listenplätze regulie-
eine höhere Frauenrepräsentanz stehen. Insbe-            ren, ein deutlich höher bzw. einen paritätischen
sondere der Anteil von Sitzen, die als Direktman-        Frauenanteil erreichen. Die Linke (PDS) in
date vergeben werden, hat einen direkten                 Sachsen-Anhalt hat seit der zweiten Wahlperi-
Einfluss auf die Partizipationschancen von               ode einen Quotierungsbeschluss gefasst, der die
Frauen. Es gilt die Faustregel: „Je mehr Sitze im        hälftige Verteilung der Mandate festlegt. Damit
Parlament als Direktmandate vergeben werden,             liegen die weiblichen Mandate relativ konstant
desto niedriger ist der Frauenanteil unter den           zwischen 47 und 55 Prozent. BÜNDNIS 90/ DIE
Abgeordneten.“⁴                                          GRÜNEN haben eine beschlossene Frauenquote
                                                         von 50 Prozent für alle Ämter, Mandate und
Der Aufstellungsprozess von Direktkandidatin-            Listenplätze. Listenplätze werden alternierend
nen und –kandidaten erweist sich als Nadelöhr            vergeben. Sollte sich keine Frau für den entspre-
für viele Politikerinnen. Zum einen gelten hier          chenden Platz finden, bleibt dieser unbesetzt
keine Quoten und zum anderen sind viele Wahl-            und die Liste wird an dieser Stelle geschlossen.
kreise bereits durch Männer besetzt, die wieder-         In den Wahlperioden in den BÜNDNIS 90/ DIE
um Männer nachziehen. Zur Landtagswahl am                GRÜNEN den Einzug in den Landtag erreichten,
13. März 2016 wurden lediglich vier Frauen               lag der Anteil weiblicher Abgeordneter zwischen
direkt über die 43 Wahlkreise gewählt.⁵ Die CDU          40 und 60 Prozent. In der SPD wird laut Statut
erreichte 27 Direktmandate, davon entfielen              eine 40 Prozentquote vorgeschrieben. Der Anteil
zwei auf Frauen, die AfD erreichte 15 Direktman-         weiblicher Mandatsträger in der SPD Fraktion
date, davon entfiel ein Mandat auf eine Kandi-           entwickelte sich seit der Landtagswahl 1990 von
datin und die Linke erreichte ein Direktmandat,          20 zu 46 Prozent in der aktuellen siebten Wahl-
welches auf eine Frau entfiel.⁶                          periode. Auf dem ordentlichen SPD-Landes-
                                                         parteitag am 12./13. Januar 2018 wurde der
Zur Landtagswahl 2011 zogen sechs Kandidatin-            satzungsändernde Antrag der Arbeitsgemein-
nen direkt in den Landtag ein. Alle gehörten der         schaft Sozialdemokratischer Frauen und der
CDU an, welche 41 der 45 Wahlbezirke für sich            Jusos "Geschlechterquotierte Landesliste" mit
entscheiden konnte. Im Ergebnis der Landtags-            der notwendigen 2/3-Mehrheit, die für eine Sat-
wahl 2006 zogen 7 Direktkandidatinnen der CDU            zungsänderung erforderlich ist, beschlossen.⁸
in den Landtag ein. Andere Parteien konnte keine
Frauen erfolgreich platzieren.⁷                          In der CDU ist ein Frauenquorum fester Bestand-
                                                         teil der Statuten.⁹ Das Quorum regelt, dass ein
                                                         Drittel der Parteiämter, Mandate und Listen-

                                                    57
Vorschau
                                                           hier die Frauenquote unter den Ministerinnen
 WP       Minister*       davon Mi-    Frauenanteil
                                                           und Minister seit 1990. Anhand der statistischen
        innen insg.      nisterinnen     in Prozent
                                                           Auswertung wird deutlich, dass der Frauenanteil
                                                           nie höher als 33,3 Prozent lag. Insgesamt lag der
   1               18             1            5,6
                                                           Anteil von Frauen in Führungspositionen im Jahr
   2               10             3           30,0
                                                           2015 in Sachsen-Anhalt laut Atlas zur Gleichstel-
   3               12             4           33,3
                                                           lung von Frauen und Männern bei 27,3 Prozent.
   4                9             1           11,1
                                                           Damit liegt Sachsen-Anhalt leicht über dem
   5               12             4           33,3
                                                           bundesweiten Durchschnitt von 26,4 Prozent.¹²
   6               10             2           20,0
   7               10             3           30,0
                                                           Wir begrüßen daher die Regelung zur paritäti-
Quelle: Landtag Sachsen-Anhalt
                                                           schen Besetzung der Landesregierung im vor-
                                                           gelegten Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE
plätze an Frauen vergeben werden soll. Es wird             ausdrücklich.
nicht alternierend besetzt und wenn das Quorum
nach zwei Wahlgängen nicht erreicht wird, bleibt           Bewertung des Entwurfes im Kontext
das Ergebnis des zweiten Wahlgangs dennoch                 Grundgesetz und Landesverfassung
gültig.¹⁰ Die weibliche Repräsentanz in der CDU-           Die Unterrepräsentanz weiblicher Abgeordneter
Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, welche             führt dazu, dass die Perspektiven und Interessen
bis auf 1998, immer als stärkste Fraktion aus              der Bürgerinnen nicht angemessen gespiegelt
den Wahlen hervorging, entwickelte sich                    werden. Im Ergebnis bringt die geringe Reprä-
zunächst zunehmend (von 1990 bis 2002). Sie                sentation von Frauen damit auch eine mangeln-
erreichte in der dritten Wahlperiode ihren                 de demokratische Legitimation getroffener Ent-
absoluten Höchststand von über 30 Prozent.                 scheidungen mit sich, was dem Demokratieprin-
Dies bedeutete einen Zuwachs von mehr als 20               zip des Art. 20 Abs. 1 GG widerspricht.
Prozentpunkten im Vergleich zur vorangegangen
Wahlperiode. In den folgenden Wahlperioden                 Der Gleichstellungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz
nahm die Repräsentanz kontinuierlich ab und                2 GG fordert den Staat ausdrücklich dazu auf, auf
erreicht im Jahr 2018 knapp 10 Prozent. In der             die Beseitigung der Benachteiligung von Frauen
FDP gibt es keine verpflichtenden Quotenrege-              hinzuwirken. In unserem Wahlrecht fehlen
lungen. Es gibt jedoch verschiedene Maßnah-                jedoch Regelungen, die die tatsächliche Chan-
men zur Frauenförderung, wie zum Beispiel                  cengleichheit von Kandidatinnen und Kandida-
Mentoring Programme. In der AfD werden                     ten herstellen und sichern. Daher begrüßen der
sowohl parteiinterne Quoten als auch Maßnah-               LFR, LAG und ASF den vorliegenden Entwurf zur
men zur Frauenförderung abgelehnt.¹¹                       Einführung eines Paritätsgesetzes in Sachsen-
                                                           Anhalt. Aus unserer Sicht stellt der vorgeschla-
5. Frauen in Führungspositionen                            gene Gesetzentwurf einen wichtigen Beitrag hin
Neben der Unterrepräsentanz von Frauen in der              zu einer geschlechtergerechten parlamentari-
Politik existiert eine solch deutliche Unterreprä-         schen Repräsentanz von Männern und Frauen in
sentanz auch in den Führungsebenen der                     Sachsen-Anhalt dar – zumindest auf Landesebe-
Verwaltung in Sachsen-Anhalt. Beispielhaft sei             ne. Wir befürwortet auch, dass im vorliegenden

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Vorschau
Entwurf sowohl die Aufstellung der Landeslisten          Erlaubt sei an dieser Stelle ein Exkurs zu Frauen
der Parteien als auch die die Aufstellung der            in kommunalen Führungspositionen. Sie bilden
Direktkandidaturen in den Wahlkreisen dem                das Schlusslicht in der statistischen Betrach-
Paritätsprinzip unterliegen. Auf diese Weise kann        tung, so auch in Sachsen-Anhalt. Im Bundes-
verhindert werden, dass der Frauenanteil im zu           durchschnitt liegt der Anteil der Mandatsträge-
wählenden Parlament insgesamt sinkt, obwohl              rinnen bei rund 26 Prozent, bei den Landrätinnen
die Landeslisten paritätisch besetzt wurden.             bei 9,5 Prozent und bei den Bürgermeisterinnen
Positiv bewertet wird darüber hinaus die Tat-            bei rund zehn Prozent.¹⁴ Diese gravierende
sache, dass die fehlende Einhaltung des Paritäts-        Unterrepräsentanz ist kein neues Phänomen und
prinzips sanktionsbewährt ist.                           es gab bereits diverse Untersuchungen und
                                                         Handlungsempfehlungen. Leider lässt sich
Weder das Grundgesetz noch die Landesverfas-             derzeit keine Trendwende erkennen.
sung stehen dem Paritätsgesetz entgegen.
Bedenken hinsichtlich etwaiger Eingriffe in              Das Statistische Landesamt Sachsen-Anhalt
Bezug auf die Parteienfreiheit gem. Art. 21 GG           erfasst die Bürgermeister*innenwahlen seit der
bzw. die Wahlrechtsgrundsätze aus Art. 38 Abs.           Einführung des Direktwahlverfahrens 1994. Im
1 GG sind unbegründet. Zunächst unterliegen              Jahr der Einführungen wurden in 123 Gemeinden
weder die Parteienfreiheit noch die Wahlrechts-          Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gewählt.
grundsätze einem absoluten Eingriffs- bzw.               Mit dem Ergebnis, dass es gerade einmal 10
Differenzierungsverbot. Etwaige Eingriffe durch          Frauen der Einzug in die Rathäuser gelang, was
das Paritätsgesetz sind zudem verhältnismäßig            einem prozentualen Anteil von 8,1 Prozent ent-
bzw. aufgrund des staatlichen Gleichstellungs-           spricht.¹⁵ Derzeit listet das Statistische Landes-
auftrages aus Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt.           amt 218 Gemeinden. Insgesamt sind von den
                                                         218 erfassten Bürgermeister*innen 20 weib-
Kritik/ Anregungen                                       lich.¹⁶ Damit beträgt der Frauenanteil 9,2
Wir bedauern indes, dass der Gesetzentwurf               Prozent.
keine geeigneten Maßnahmen oder Regelungen
beinhaltet, um der mangelnden Repräsentanz               Fazit
von Frauen in kommunalen Vertretungen zu be-             Paritätsgesetze sind ein effektives Mittel, um zu
gegnen. So bedarf es eines über das Wahlrecht            erreichen, dass Frauen gleichermaßen an
hinausgehenden, übergreifenden Ansatzes, um              politischer Machtausübung beteiligt sind und
eine deutliche Erhöhung des Frauenanteils in             ihre Interessen, Sichtweisen und Erfahrungen in
den Parlamenten und kommunalen Vertretungen              die Gesetzgebung einbringen können. Frauen
zu ermöglichen.                                          sind wie Männer keine politisch oder sozial
                                                         einheitliche Gruppe. Dies ist aber kein Argument
In den Kommunen in Sachsen-Anhalt liegt der              gegen ihre gleichberechtigte Vertretung in der
Anteil weiblicher Mandatsträger seit 2008 bei            Politik, im Gegenteil. Denn bei aller Unterschied-
knapp 20 Prozent.¹³ Damit zählt Sachsen-Anhalt           lichkeit von Frauen ist das Geschlecht nach wie
mit den Bundesländern Sachsen und Thüringen              vor ein soziales Merkmal, das die Zugänge zu
zu den Schlusslichtern im bundesweiten Ver-              Macht, Ressourcen und Lebenschancen beein-
gleich.                                                  flusst.¹⁷

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                                                             1 vgl. Elke Stolze: Die weiblichen „Herren Abgeordneten“. Politikerinnen der
In der Diskussion um die politische Repräsen-                  Region Sachsen-Anhalt 1919 – 1945, mdv 2007, S. 14f
tanz von Frauen gibt es in den Bundesländern                 2 vgl. Lukoschat/Belschner: Macht zu gleichen Teilen. Ein Wegweiser zu
                                                               Parität in der Politik, EAF Berlin, 2. Auflage 2017, S. 3
verschiedene Initiativen zur Änderung der                    3 vgl. Kletzing/Letsch: Stellungnahme Frauenpolitischer Rat Brandenburg e.V.
Landes- und Kommunalwahlgesetze. Mit Bran-                     für die öffentliche Anhörung des Thüringer Landtages am 06. Juni 2019
                                                             4 vgl. Lukoschat/Belschner: Macht zu gleichen Teilen. Ein Wegweiser zu
denburg und Thüringen wurde in bereits zwei                    Parität in der Politik, EAF Berlin, 2. Auflage 2017, S. 7
                                                             5 vgl. www.statistik.sachsen-anhalt.de/wahlen/lt16/fms/fms216li.html
Bundesländer entsprechende Gesetzesände-                     6 Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt: Landtagswahl 2016. Analysen
rung beschlossen. Größten Teils wurden diese                   zur Wahl und aus der repräsentativen Statistik, April 2016.
                                                             7 (Sachsen-Anhalt, 2018)
Initiativen von außerparlamentarischen Ver-                  8 Der Antragstext lautet wie folgt: "Die SPD Sachsen-Anhalt folgt dem
bänden und Frauenvereinen – wie den Landes-                    positivem Beispiel der Landesverbände Niedersachsen, Brandenburg,
                                                               Sachsen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern
frauenräten - angestoßen und mit umfassender                   und Schleswig-Holstein und führt zur Landtagswahl 2021 erstmalig die
                                                               50% geschlechterquotierte Landesliste ein, nach der alternierend eine
Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Ziel all dieser               Frau und ein Mann aufgestellt werden. In der Landessatzung wird daher
Initiativen ist die Erhöhung des Frauenanteils in              der §10 Abs. 4 (b) geändert durch folgenden Text: „Bei der Aufstellung
                                                               des Wahlvorschlages findet §4 Abs. 2 der Wahlordnung der SPD
den Parlamenten, Gemeinde-, Stadt- und Ort-                    Anwendung (Reißverschluss)."
schaftsräte auf 50 Prozent. Die Erreichung der               9 Ebd.
                                                             10 Helga Lukoschat, Jana Belschner: Macht zu gleichen Teilen. Ein Wegweiser
Parität. Vorbild dieser Initiativen ist das französi-           zu Parität in der Politik, Berlin 2017 (2. Aufl.), S. 15.
                                                             11 Ebd.
sche Paritégesetz.                                           12 (Bundesministerium für Familie, 2016)
                                                             13 (Bundesministerium für Familie, 2016)
                                                             14 (Lukoschat H. /., 2014), S. 7.
DAHER KOMMEN WIR ZU DEM FAZIT:                               15 vgl. www.statistik.sachsen-anhalt.de/wahlen/bmbm/index.html
EINE GESETZLICHE REGULIERUNG DER                             16 Ebd.
                                                             17 vgl. Deutscher Frauenrat: Mehr Frauen in die Parlamente, Broschüre,
NOMINIERUNGSPRAXIS VON PARTEIEN MUSS                            2019, S. 6

BESCHLOSSEN WERDEN! DIE IM GESETZ-
ENTWURF DER FRAKTION DIE LINKE ER-
ARBEITETEN LÖSUNGSVORSCHLÄGE KÖNNEN
DAS PROBLEM DER PERMANENTEN UNTER-
REPRÄSENTANZ VON FRAUEN LÖSEN.

                                                        60
Vorschau

            Mit freundlicher Genehmigung
            VERLAG C.H.BECK oHG
            NVwZ Heft 17/2019, Seite 1245 ff.

D I E PA R I TÄT I S C H E
       F R AU E N Q U OT E
            Professor Dr. Dr. h. c. Hans Meyer, Emeritus
            der Humboldt-Universität zu Berlin

            VERBIETET DAS GRUNDGESETZ EINE PARI-
            TÄTISCHE FRAUENQUOTE BEI LISTENWAHLEN
            ZU PARLAMENTEN?

            I. Die paritätische Frauenquote und schnelle
            Reaktionen
            Die gesetzgeberische Entscheidung in Branden-
            burg, ab der übernächsten Wahl zum Landtag
            eine paritätische Besetzung der Listen vorzu-
            schreiben¹ hat zu ungewöhnlich schnellen,
            unterschiedlichen und auch rechtswissenschaft-
            lich argumentierenden Reaktionen schon in
            Tageszeitungen geführt. Am 1. Februar eröffnet
            Jasper von Altenbockum im politischen Teil der
            FAZ den Reigen journalistischer Sachverständi-
            gen mit kassandrischen Tönen: Parité und
            Repr äsentation seien unvereinbar. Am
            13.02.2019 meldet sich mein Fakultätskollege

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Vorschau
Christoph Möllers unter der Überschrift „Die                  unverhältnismäßig sein. Das ist bildlich gespro-
Krise der Repräsentation“ im Feuilleton der FAZ.²             chen der Versuch, mit einer verfassungsdogma-
Er sieht vorrangig die Auslegung von Art. 3 II 2              tischen Schrotflinte einen Blattschuss zu landen;
GG gefordert, bedauert aber, dass das Thema                   er vermag nicht zu überzeugen.
nicht von Anfang an „auf die Ebene der Verfas-
sungsänderung“ gehoben worden sei. Am                         Zur Einstimmung servieren die Autoren eine
25.02.2019 versucht sich der für das Feuilleton               Fülle von Verfassungspositionen oder – meist
verantwortliche Mitherausgeber der FAZ Jürgen                 offengelassen – auch nur Rechtspositionen,⁶ die
Kaube unter der Überschrift “Böser männlicher                 sie durch erzwungene paritätische Listen
Blick“ am Thema und weist die Anhänger der                    „beeinträchtigt“ sehen; eine etwas freibleiben-
Geschlechterparität mit Blick auf den Repräsen-               de, zwischen „verletzt“ und „berührt“ schweben-
tationsgedanken auf „etliche Dilemmata“ hin, in               de, aber durchaus negativ gemeinte Charakteri-
die ihr Vorhaben führe.³ Am 28.02.2019 reagiert               sierung. Die ersten Opfer sollen die „Freiheit der
der Kollege Bodo Pieroth aus Münster im politi-               Wahl“ und die „Gleichheit der Wahl“ sein, also
schen Teil der FAZ unter dem Titel „Zukunftsauf-              klassische Verfassungsverbürgerungen für den
gabe Gleichberechtigung.“ Er fasst zusammen:                  Bundes- wie den Landesbereich (Art. 38 I 1 und
„Das Grundgesetz verlangt, auch faktische                     Art. 28 I 2 GG). Deren Behandlung geht freilich
Benachteiligungen soweit wie möglich zu                       mit einer erstaunlichen Sorglosigkeit einher.
beseitigen. Ein Paritätsgesetz aber ist zweifel-              Abstürze bleiben daher nicht aus.
haft.“ Die Begründung: Bei systematischer
Auslegen sei Art. 3 II 2 GG lex specialis zu Art. 3 II        Die einzige Verfassungsposition, über die zu
1 GG Männer und Frauen sind gleichberechtigt                  reden sich ernsthaft lohnt, ist die Freiheit der
und „keine Ausnahmevorschrift zu anderen                      Wahl. Sie betrifft im Kern die freie Entscheidung
Grundgesetznormen.“                                           des Wählers in Hinblick auf die zur Wahl stehen-
                                                              de Parlamentspositionen. Er soll ohne unzulässi-
II. Eine Reaktion nach längerem Nachdenken                    gen Druck seine Personalentscheidung treffen
Die erste klassisch rechtswissenschaftliche                   können. Das BVerfG hat zudem mit guten Grün-
Bearbeitung des Themas stammt von dem                         den anlässlich eines Hamburger Falls die Einhal-
Düsseldorfer Kollegen „Martin Morlok und dem                  tung der „Mindestregeln einer demokratischen
wissenschaftlichen Mitarbeiter Alexander                      Kandidatenaufstellung“ zur Voraussetzung eines
Hobusch. Sie vertreten die These der „Verfas-                 wahlrechtlich zulässigen Vorschlags erklärt, den
sungswidrigkeit verpflichtender Quotenregelun-                Schutz also vorverlegt.⁷ Die Entscheidung des
gen bei Landeslisten“.⁴ Freiheit wie Gleichheit               Wählers kann sich bei Listen, um die es hier allein
der Wahl (Art. 38, 28 GG), Wahlvorschlagsrecht                geht, nur auf den Vorschlag einer politischen
und Tendenzfreiheit der Parteien sowie die                    Partei beziehen; sie allein ist vorschlagsberech-
Chancengleichheit der Parteien (Art. 21 I GG)                 tigt (§ 27 I 1BWahlG). Die Freiheit, eine nicht
seien „beeinträchtigt“.⁵ Das Repräsentations-                 vorgeschlagene Person zu wählen, hat der
prinzip liefere keine Rechtfertigung, da es nicht             Wähler nicht,⁸ auch nicht durch die Berufung auf
„Abbildungsgleichheit“ meine. Auch Art. 3 II 2                die Wahlfreiheit des Art. 38 GG.
GG, dessen Inhalt umstritten sei, helfe nicht, weil
eine verpflichtende Quotierung jedenfalls                     Wenn Morlok/Hobusch formulieren: „Notwendi-

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Vorschau

     Der Blick über den Tellerrand oder...

     JETZT                  ERST
                            RECHT!

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Vorschau
I. Blick in die Länder                                  gänzung des Artikels 3 um den aktiven Gleich-
Im Jahr 2019 war es soweit: das erste deutsche          stellungsauftrag weiterhin als Meilenstein an-
Parlament, der Landtag von Brandenburg, setze           muten – ein zufriedenstellendes Ergebnis sind
das Vorhaben „Parité“ in die Realität um und be-        sie nicht. Auch der Bund muss sich bewegen.
schloss mit den Stimmen von SPD, LINKEN und             Frauen sind in allen Wahlämtern in der Bundesre-
Grünen ein Paritätsgesetz für seine Landeslis-          publik deutlich unterrepräsentiert. Mit derzeit
ten. Ein gefeierter Moment in der Frauenbewe-           knapp 31 Prozent ist der Frauenanteil im Deut-
gung in Deutschland, der mit der Hoffnung ver-          schen Bundestag so niedrig wie zuletzt vor zwei
bunden wurde, dass dieser Schritt sowohl für            Jahrzehnten. Aktuell berät der Bundestag über
den Bund als auch für die anderen Bundesländer          eine Wahlrechtsreform. Bisher haben Überle-
Vorbildfunktion entfalten würde. Es dauerte             gungen zu mehr Parität in den Gesprächen kaum
nicht lange und erste Klagen beim Landesverfas-         Beachtung gefunden. Daher wirbt der Deutsche
sungsgericht Brandenburg waren gegen das                Frauenrat aktuell mit zahlreichen Unterstüt-
Gesetz anhängig. Wir erwarten die Urteile mit           zer*innen im Rahmen seiner Kampagne #MEHR-
Spannung.                                               FRAUENINDIEPARLAMENTE dafür, dass es keine
                                                        Wahlrechtsreform ohne Parität geben darf.³
In der Zwischenzeit hat auch Thüringen ein              Auch andere bundesweit aktiven Verbände und
Paritätsgesetz verabschiedet. In weiteren Bun-          Stiftungen, wie der Deutsche Juristinnenbund,
desländern (Sachsen-Anhalt, Niedersachsen,              das Gunda-Werner-Institut, die Friedrich-Ebert-
Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpom-                Stiftung oder die Europäische Akademie für
mern, Sachsen u.a.¹) werden entsprechende               Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V.,
Gesetzentwürfe diskutiert. Diese Debatten               setzen sich für die Forderung nach mehr Parität
werden vor allem durch die SPD, DIE LINKE und           in den deutschen Parlamenten ein. Mit zahl-
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN angestoßen und                   reichen Veranstaltungen, Diskussionen und
getragen. Auch die Landesfrauenräte aller               öffentlichkeitswirksamen Mitteln (wie dieser
Bundesländer sind wichtige Impulsgeber und              Publikation) wird das Anliegen bundesweit
Unterstützer. Sie organisieren Kampagnen, Peti-         unterstützt.
tionen oder parteiübergreifende Bündnisse. So
hatte die Konferenz der Landesfrauenräte die            II. Blick nach Europa:
Bundes- und Landesregierungen bereits im Jahr           Frankreich vs Norwegen
2018 dazu aufgefordert, verfassungskonforme             In Frankreich existiert der „Hohe Rat für Gleich-
Gesetzesvorschläge zur Erreichung der gleichen          stellung von Frauen und Männern“. Er wurde als
Repräsentanz von Frauen und Männern in Parla-           nationales Beratungsorgan zur Begleitung der
menten zu erarbeiten.²                                  Frauen- und Gleichstellungspolitik eingesetzt
                                                        und stellte fest:
Beim Thema Parität in den Parlamenten müssen            „In den verschiedenen Bereichen des gesell-
Bund und Länder gemeinsam an einem Strang               schaftlichen Lebens, dem politischen, berufli-
ziehen. Auch wenn die beiden verabschiedeten            chen und sozialen, ist Parität sowohl Instrument
Paritégesetze 100 Jahre nach Einführung des             als auch Ziel der gleichberechtigten Verteilung
Frauenwahlrechts, 70 Jahre nach Inkrafttreten           von Vertretungs- und Entscheidungsmacht
des Grundgesetzes und 25 Jahre nach der Er-             zwischen Frauen und Männern. Sie ist ein Gebot

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