Geschlechtsspezifische Aspekte bei der koronaren Herzkrankheit

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Leitthema

Bundesgesundheitsbl 2014                       K.-H. Ladwig1,2 · C. Waller3
DOI 10.1007/s00103-014-2020-6                  1 Institut für Epidemiologie, Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit

                                                und Umwelt, Institut für Epidemiologie-II, Mental Health Research Unit, Neuherberg
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014       2 Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar,

                                                Technische Universität München, München
                                               3 Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der

                                                Universität Ulm, Klinische Molekulare Psychosomatik, Ulm

                                               Geschlechtsspezifische Aspekte
                                               bei der koronaren Herzkrankheit

Das hohe durchschnittliche Manifesta­          Frauen und Männern mit Blick auf wich­                    liegenden Beitrag auch geschlechtsspezifi­
tionsalter für Infarkte bei Frauen und die     tige KHK-Behandlungsaspekte erhebli­                      sche Besonderheiten in der Symptomver­
daraus resultierende vergleichsweise ge­       che Ungleichgewichte gab [2−8]. Bereits                   arbeitung und -perzeption besprochen,
ringe Prävalenz weiblicher Infarktpatien­      1 Jahrzehnt nach der Aufforderung, einer                  und es wird deren Einfluss auf die aku­
ten in den mittleren Lebensaltern war          möglichen systematischen, geschlechts­                    te Infarktsituation beschrieben. Die dann
über einen langen Zeitraum die Ursache         spezifischen Unterversorgung von Frau­                    folgenden Abschnitte behandeln die Fra­
dafür, dass den möglichen geschlechts­         en in der akuten und langfristigen Versor­                ge, ob es zwischen Männern und Frauen
bedingten Unterschieden in der Ausprä­         gung der KHK mehr Aufmerksamkeit zu                       Unterschiede in der Akutversorgung und
gung und im Verlauf der koronaren Herz­        widmen, mehrten sich die Hinweise von                     im Behandlungsverlauf gibt. Dabei wird
erkrankung (KHK) in der klinischen For­        Experten, die solche Versorgungsunter­                    der Bedeutung der KHK-Rehabilitation
schung wenig Aufmerksamkeit gewidmet           schiede für nicht mehr relevant hielten.                  in besonderer Weise Rechnung getragen.
wurde. Frauen waren als Probanden in           Weiterhin solle aber die Berücksichti­
der anwendungsbezogenen Herz-Kreis­            gung geschlechtsspezifischer Unterschie­                  Geschlechtsunterschiede in
lauf-Forschung bis in die 1990er-Jahre         de in allen Aspekten der KHK dringend                     Prävalenz und Inzidenz der KHK
hinein nur ungenügend vertreten. Damit         Beachtung finden (vgl. z. B. das Editorial
blieb auch die erhebliche diagnostische        von K. Orth-Gomer [9]).                                   Das Risiko, an einer koronaren Herzer­
und therapeutische Unterversorgung                 Der folgende Beitrag gibt eine knapp                  krankung zu sterben, ist für Frauen ins­
weiblicher Patienten mit Herz-Kreislauf-       gefasste Übersicht über die wichtigen ge­                 gesamt höher als für Männer [10]. Aller­
Erkrankungen unbemerkt. Ein berühmt            schlechtsspezifischen Aspekte bei der Ent­                dings ist bei ihnen das Manifestationsalter
gewordenes Editorial von Bernadine Hea­        stehung und beim Verlauf der KHK. Dar­                    (weitgehend bedingt durch den prämeno­
ly, der ersten weiblichen Direktorin des       gelegt werden die Unterschieden in der                    pausalen Hormonschutz) gegenüber dem
US-amerikanischen National Institute of        Prävalenz, Inzidenz und im Manifestati­                   bei Männern um ca. 10 Jahre in die hö­
Health (NIH), im New England Journal of        onsalter der KHK sowie morphologische                     heren Altersgruppen hinein verschoben.
Medicine im Jahr 1991 [1] markierte dann       und physiologische Unterschiede zwi­                      Dieser ausgeprägte Alterseffekt bedingt,
den Wendepunkt. „The problem is to con-        schen Frauen- und Männerherzen. Auch                      dass das Risiko, an einer koronaren Herz­
vince both the lay and medical sectors that    bei den klassischen somatischen Risiko­                   erkrankung zu sterben, für Männer im Al­
coronary heart disease is also a women’s di-   faktoren, die das Auftreten einer KHK                     ter von unter 65 Jahren in hochindustri­
sease, not a man’s disease in disguise.“ Den   begünstigen, existieren hinsichtlich ih­                  alisierten Ländern etwa 3- bis 4-mal hö­
Kerngedanken des Editorials fasste Hea­        rer Häufigkeit und klinischen Bedeutung                   her ist als das für gleichaltrige Frauen. In
ly mit dem Begriff des Yentl-Syndroms zu­      geschlechtsspezifische Besonderheiten.                    der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen
sammen, der besagt, dass eine Frau erst        Gleiches gilt für die psychosozialen Ri­                  ist dieses Risiko für Männer sogar um
einmal beweisen muss, dass sie Män­            siko- und für die chronischen Stressfak­                  den Faktor 5,6 (95 %-KI: 4,9–6,6) erhöht
nern gleichwertig ist, bevor sie die glei­     toren, die vor dem Manifestwerden der                     [11]. Allerdings ist die Prognose nach ei­
che Behandlung erfährt [1]. Eine wichti­       Erkrankung einwirken. Mit dem Näher­                      ner KHK bei jungen Frauen schlechter
ge Konsequenz daraus war, dass Anträge         rücken eines akuten Koronarereignisses                    als bei Männern im vergleichbaren Alter
zur Forschungsförderung durch das NIH          kommen viele Patienten in eine vulnera­                   [10]. Nach der Menopause (die im Durch­
ausdrücklich beide Geschlechter einbe­         ble Phase, in der sie Krankheitssymptome                  schnitt im Alter von etwa 50 Jahren ein­
ziehen mussten. Auf diese Weise gewan­         entwickeln, die aber häufig nicht als spe­                tritt) steigt die Inzidenz für kardiovasku­
nen Forschungsbemühungen besondere             zifische Krankheitszeichen gedeutet wer­                  läre Ereignisse bei Frauen linear an, und
Bedeutung, die zeigten, dass es zwischen       den. Aus diesem Grund werden im vor­                      schon ab dem 55. Lebensjahr versterben

                                                                Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz X · 2014            | 1
Leitthema

                                            1,400                                                                                                                  ren können [15]. Frauen mit stabiler KHK
                                                        1,234                                                                       Männer            Frauen       weisen im Vergleich zu Männern blande­
                                                                                                                                                                   re Koronarbefunde auf, und sie leiden we­
      Altersstandardisierte Fallzahl je 100.000

                                            1,200
                                                                                                                                                                   niger häufig an hochgradigen Koronarste­
                                            1,000                                                                                                                  nosen sowie an Mehrgefäßerkrankungen.
                                                                  915         885         853
                                                                                                      818
                                                                                                                                                                   Diese bedeutsamen pathophysiologischen
                                                                                                                  787         779         763                      Unterschiede stehen bei Frauen in einem
                    Einwohner

                                                  800       730                                                                                        753
                                                                                                                                                                   direkten Zusammenhang mit einer gerin­
                                                  600                   554         534         515                                                                geren Zahl an Koronarinterventionen und
                                                                                                            485         461         453         440          443   Bypassoperationen [19].
                                                  400                                                                                                                  Weibliche Patienten mit instabiler An­
                                                                                                                                                                   gina pectoris sind im Vergleich zu männ­
                                                  200                                                                                                              lichen Patienten – unabhängig von vorlie­
                                                                                                                                                                   genden Risikofaktoren – besser vor einem
                                                    0
                                                          2000     2005        2006        2007         2008       2009        2010        2011         2012       Myokardinfarkt und vor Tod geschützt
                                                                                                       Jahr                                                        [20]. Bei prämenopausalen Frauen findet
                                                                                                                                                                   sich beim akuten Koronarsyndrom eher
  Abb. 1 8 Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000 – ICD 10: 120–125 Ischämische Herzkrankheiten                                                                   eine Plaqueerosion, während es bei Män­
                                                                                                                                                                   nern und postmenopausalen Frauen eher
  bereits wesentlich mehr Frauen an einer                                                             Patienten in allen Jahresstratifizierungen                   zu einer Plaqueruptur kommt [21]. Diese
  Herz-Kreislauf-Erkrankung als an Brust­                                                             in etwa gleich geblieben ist. Diese Zah­                     Beobachtungen legen die Vermutung na­
  krebs [12].                                                                                         len deuten darauf hin, dass ischämische                      he, dass sich die Plaques bei Frauen mor­
      Anhand der Daten des MONICA-                                                                    Ereignisse bei älteren und hochbetagten                      phologisch von denen bei Männern un­
  Herzinfarkt-Registers Augsburg unter­                                                               Frauen häufiger tödlich verlaufen und da­                    terscheiden oder dass das thromboge­
  suchten Löwel et al. [13] die zeitlichen                                                            her nicht mehr zu Behandlungstagen im                        ne Potenzial selbst in sehr ähnlichen Lä­
  Trends (1985–1998) bei der Morbidi­                                                                 Krankenhaus führen.                                          sionen bei Frauen höher ist als bei Män­
  tät, Mortalität und der 28-Tage-Letalität                                                                                                                        nern [22].
  durch plötzlichen Herztod/akuten Herz­                                                              Morphologische und                                               Neben den morphologischen Auffäl­
  infarkt in der Bevölkerung. Die KHK-                                                                physiologische Unterschiede                                  ligkeiten zeigen sich auch funktionelle
  Morbidität je 100.000 Einwohner nahm                                                                zwischen weiblichen und                                      Unterschiede. Die weibliche myokardia­
  im analysierten Zeitraum bei Männern                                                                männlichen Herzen                                            le Mikrozirkulation ist im Vergleich zur
  von 560 Infarkten auf 397 Infarkte und bei                                                                                                                       männlichen durch eine Dysfunktiona­
  Frauen von 161 Infarkten auf 145 Infarkte                                                           Auf morphologischer, anatomischer so­                        lität gekennzeichnet, die in einer einge­
  ab, die Mortalität reduzierte sich von 317                                                          wie physiologischer Ebene existieren be­                     schränkten reaktiven Vasodilatation re­
  auf 232 Infarkte bei Männern und von 101                                                            merkenswerte Unterschiede zwischen                           sultiert. Frauen leiden häufiger als Män­
  auf 96 Infarkte bei Frauen. Bei Männern                                                             Frauen- und Männerherzen, die u. a.                          ner an Angina pectoris durch Koronar­
  nahmen sowohl die Inzidenz als auch die                                                             Konsequenzen für klinisch-therapeuti­                        spasmen der myokardialen Mikrozirkula­
  Re-Infarktrate, bei Frauen nur die Re-In­                                                           sche Entscheidungen in der herzchirurgi­                     tion [23, 24]. Diese Störung in der mikro­
  farktrate ab. Unverändert verstarb ein                                                              schen Fachdisziplin haben: Im Vergleich                      vaskulären Reaktivität könnte der Stress­
  Drittel der Erkrankten prähospital und                                                              zu männlichen erhalten weibliche Patien­                     kardiomyopathie zugrunde liegen, an der
  zumeist zu Hause [13].                                                                              ten z. B. nur zu ca. 60–75 % einen Arteria-                  in erster Linie Frauen erkranken [25].
      Nach der aktuellsten Krankenhaus-                                                               mammaria-interna (IMA)-Bypass-Graft.                             Betrachtet man das rechte Herz, so
  Diagnosestatistik (2012) werden in                                                                  Grund hierfür ist ihr kleinerer (IMA)-Ge­                    finden sich auch dort bedeutsame Ge­
  Deutschland jährlich etwa 222.600 Frau­                                                             fäßdurchmesser [15]. Dieser könnte zum                       schlechtsunterschiede. Frauen zeigen
  en und 443.000 Männer wegen einer „Is­                                                              Teil die bei Frauen gezeigte erhöhte Mor­                    niedrigere rechtsventrikuläre Massen und
  chämischen Herzkrankheit“ stationär in                                                              talität nach einer Bypassoperation bedin­                    Volumina bei jedoch höherer rechtsven­
  Akutkliniken behandelt (I20-I25) [14].                                                              gen [16, 17]. Auch werden für Frauen klei­                   trikulärer Auswurffraktion [26]. Frauen­
  Die . Abb. 1 zeigt die Diagnosedaten der                                                            nere Koronargefäßdiameter berichtet so­                      herzen haben darüber hinaus eine bessere
  Krankenhäuser in Deutschland für die                                                                wie eine für Frauen typische, häufiger                       Fähigkeit, sich an die protektive übungs­
  Jahre 2000 bis 2012 als altersstandardi­                                                            linksbetonte Koronargefäßerkrankung                          induzierte myokardiale Hypertrophie an­
  sierte Daten je 100.000 Einwohner [14].                                                             [18]. Strukturell zeigen Frauen eine dif­                    zupassen [27]. Allein diese geschlechts­
  Die Abbildung verdeutlicht, dass die In­                                                            fuse Lokalisation der Atherosklerose so­                     spezifischen Unterschiede bedingen, dass
  zidenzen über diesen Zeitraum für beide                                                             wie eine höhere Gefäßsteifigkeit elasti­                     Frauen und Männerherzen anders er­
  Geschlechter deutlich abgenommen ha­                                                                scher Arterien wie der Aorta, woraus eine                    kranken und gesunden.
  ben, dass aber das Geschlechtsverhältnis                                                            vermehrte Fibrosebildung und ein damit
  mit über ein Drittel mehr männlichen                                                                verbundenes Gefäßremodeling resultie­

2 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz X · 2014
Zusammenfassung · Abstract

Geschlechtsunterschiede in der                   Bundesgesundheitsbl 2014 DOI 10.1007/s00103-014-2020-6
Prävalenz und prognostischen                     © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
Bedeutung der somatischen
                                                 K.-H. Ladwig · C. Waller
Risikofaktoren für eine KHK
                                                 Geschlechtsspezifische Aspekte bei der koronaren Herzkrankheit
Für Frauen und Männer sind gleicherma­
                                                 Zusammenfassung
ßen das Rauchen, der Bluthochdruck, die          Die Gesamtzahl an koronarbedingten Todes-          tiven Symptombelastung. Angststörungen
Fettstoffwechselstörung, der Typ-2-Dia­          fällen ist bei Frauen trotz eines um ca. 10 Jah-   und Depression sind bei Frauen häufiger, ihr
betes-mellitus (T2DM) und das Überge­            re höheren mittleren durchschnittlichen Ma-        Einfluss auf die KHK aber vermutlich geringer.
wicht (Adipositas) die wichtigen soma­           nifestationsalters höher als bei Männern. Je-      Der postakute Krankheitsverlauf der KHK ist
tischen Risikofaktoren für eine koronare         doch kommen etwa doppelt so viele Män-             bei Frauen komplikationsreicher, insbeson-
                                                 ner wie Frauen wegen einer ischämischen            dere weil weibliche KHK-Patientinnen älter
Herzerkrankung [15]. Allerdings existie­
                                                 koronaren Herzkrankheit (KHK) jährlich zur         und multimorbider sind. Während männliche
ren bedeutsame Geschlechtsunterschie­            akutstationären Aufnahme. Zwischen Frau-           KHK-Patienten eine möglichst schnelle Gene-
de mit Blick auf die Häufigkeit und kli­         en- und Männerherzen existieren auf mor-           sung, körperliche Fitness und eine Erhöhung
nische Bedeutung einzelner Risikofakto­          phologischer und physiologischer Ebene be-         der Lebenserwartung anstreben, wünschen
ren. In diesem Zusammenhang spielt die           merkenswerte Unterschiede (z. B. Koronar-          sich Frauen eher eine Entlastung vom Alltag,
Menopause eine ganz zentrale Rolle. Hor­         gefäßdiameter; belastungsabhängige Ener-           den Erhalt der Unabhängigkeit und emotio-
                                                 gie-Substratverfügbarkeit). Bedeutsame Ge-         nale Unterstützung.
monelle Störungen (späte Menarche, frü­          schlechtsunterschiede finden sich auch in der
he Menopause, unregelmäßiger Menstru­            Häufigkeit und der klinischen Bedeutung ein-       Schlüsselwörter
ationszyklus) werden sowohl als Marker           zelner Risikofaktoren (z. B. beim Rauchen).        Koronare Herzerkrankung ·
für eine metabolische Störung bei Frau­          Nach der Menopause steigt das Körperge-            Geschlechtsunterschiede ·
en angesehen [28] als auch per se für ein        wicht bei Frauen deutlich an, und es kommt         Manifestationsalter · Koronargefäßdiameter ·
                                                 bei ihnen zu einer eher androiden Fettvertei-      Risikofaktorenverteilung · Rauchen ·
erhöhtes kardiovaskuläres Risiko verant­
                                                 lung. Frauen berichten im Allgemeinen hö-          Androide Fettverteilung · Symptomschwere ·
wortlich gemacht [29].                           here Werte in der unspezifischen und affek-        Angst · Depression · Therapieerwartung

Rauchen. Männer in allen Altersklassen
sind häufiger Raucher, und unter regel­          Gender-specific aspects of coronary heart disease
mäßigen Rauchern rauchen Männer sig­             Abstract
nifikant mehr Zigaretten als Frauen [30].        The total number of deaths from cardio-            more from anxiety and depression than men;
Allerdings ist der schädigende Effekt des        vascular diseases (CVD) is greater for wom-        however, the secondary impact on CVD on-
Rauchens bei Frauen stärker ausgeprägt           en than for men, although the mean age at          set may be less pronounced. The post-acute
als bei Männern. In einer Metaanalyse            manifestation of CVD is about 10 years older.      CVD course is more complicated in wom-
                                                 However, the annual number of cases treat-         en, mainly because they are older and suffer
[31] konnte gezeigt werden, dass das re­
                                                 ed for CVD in acute hospital settings in men       more from multi-morbidity. Whilst male CVD
lative Risiko, eine koronare Herzerkran­         exceeds that of women by 50 %. Remark-             patients aim for a rapid recovery, physical fit-
kung zu entwickeln, bei rauchenden Frau­         able gender differences exist in terms of mor-     ness and an increased life expectancy, female
en um 25 % gegenüber dem bei rauchen­            phological and physiological conditions (e.g.      patients seek relief from everyday challenges,
den Männern erhöht ist [OR 1,25 (95 %-KI         mean coronary vessel diameter; ability to          the maintenance of their independence and
1,12–1,39, p < 0,0001]. Dabei ist bisher un­     adapt to protective exercise-induced myo-          emotional support.
                                                 cardial hypertrophy), as well as of the fre-
klar, ob diesen Geschlechtsunterschieden         quency and clinical significance of somat-         Keywords
eher biologische oder aber verhaltens­           ic risk factors (e.g. smoking). Female body        Cardiovascular disease · Gender differences ·
bedingte Ursachen zugrunde liegen. Als           weight increases after menopause and the           Age at manifestation · Coronary vessel
mögliche Erklärungsansätze werden ne­            body shape assumes a more android fat dis-         diameter · Risk factor distribution · Smoking ·
ben dem direkten Einfluss des Nikotins           tribution. Women report higher levels of un-       Android fat distribution · Symptom severity ·
                                                 specific and affective symptoms. They suffer       Anxiety · Depression · Treatment expectations
auf die Herzfunktion eine beschleunig­
te Progredienz der Atherosklerose sowie
ein früherer Beginn der Menopause durch
Nikotin diskutiert [32]. Aggraviert wird       menhang zwischen der Menopause und                   steigerte Blutdruckamplitude, die als un­
das vaskuläre Risiko unter Nikotin noch        dem Auftreten einer Hypertonie [34].                 abhängiger Prädiktor für kardiovaskuläre
durch die Einnahme von oralen Kontra­          Es zeigt sich, dass im Alter zwischen 65             Ereignisse bedeutsam ist.
zeptiva [33].                                  bis 74 Jahren 45 % Frauen und 41 % Män­
                                               ner hypertensive Blutdruckwerte aufwei­              Fettstoffwechselstörung. In den jünge­
Bluthochdruck. Während vor dem                 sen [35]. Interessant dabei ist, dass Frau­          ren Altersklassen tritt die Hypercholeste­
55. Lebensjahr mehr Männer als Frau­           en im Vergleich zu Männern vermehrt an               rinämie bei Frauen weniger häufiger auf
en an arterieller Hypertonie leiden, kehrt     einer systolischen Blutdruckerhöhung lei­            als bei Männern. Im Einzelnen konnten
sich das Verhältnis im höheren Lebensal­       den, während ihre diastolischen Werte ge­            für prämenopausale Frauen erniedrig­
ter um. Dabei besteht ein enger Zusam­         ringer sind [36]. Daraus resultiert eine ge­         te Werte für Cholesterin, LDL-Choleste­

                                                              Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz X · 2014               | 3
Leitthema

  rin und Triglyceride sowie ein erhöhtes          raum zwischen 1986 und 2009 diesbezüg­         hat wie bei Männern. Eine Untersuchung
  HDL nachgewiesen werden [37]. Postme­            lich bedeutsame Verbesserungen: Glei­          aus der Women’s Health Initiative mit rund
  nopausal kommt es zu einer maskulinen            chermaßen für Männer und Frauen ver­           73.100 eingeschlossenen herzgesunden
  Fettstoffwechselverschiebung mit ver­            ringerten sich die mittleren Blutdruck­        Frauen [48] mit einem vierjähriges Nach­
  mehrter Einlagerung von viszeralem Fett,         werte sowie die Cholesterinspiegel signifi­    beobachtungszeitraum ergab bei Vorlie­
  was wiederum das kardiovaskuläre Risi­           kant, und erfreulicherweise halbierte sich     gen einer Depression eine 50 %ige relati­
  ko erhöht [38].                                  die Raucherprävalenz. Allerdings nahm          ve Risikoerhöhung für fatale kardiovas­
                                                   der BMI im Untersuchungszeitraum               kuläre Ereignisse. Die Nurses’-Health-Stu-
  Typ2-Diabetes. Bei Vorliegen eines Dia­          deutlich zu. In mehreren Surveys, die über     die, an der über 60.000 Krankenschwes­
  betes haben Frauen ein 4- bis 6-fach er­         einen 20-jährigen Beobachtungszeitraum         tern teilnahmen, erlaubte die Analyse ei­
  höhtes Risiko für die Ausprägung einer           zwischen 1991 und 2010 durchgeführt            ner möglichen frauenspezifischen KHK-
  KHK, während das diesbezügliche Risiko           worden waren, beobachteten Long et al.         Mortalität mit den 3 Endpunkten: plötz­
  bei diabetischen Männern nur beim 2- bis         [44] ähnliche Trends: Wiederum gleicher­       licher Herztod, fatale koronare Herzer­
  4-Fachen liegt [39]. Vor allem beim Vor­         maßen für Männer und Frauen nahmen             krankung und akuter Myokardinfarkt.
  liegen eines nicht insulinpflichtigen Dia­       die mittleren altersadjustierten Choleste­     Tatsächlich zeigte sich, dass eine depressi­
  betes konnte ein klarer Geschlechtsunter­        rinwerte und systolischen Blutdruckwer­        ve Stimmungslage bei Frauen am stärks­
  schied zuungunsten der Frauen (relatives         te (korrespondierend die Häufigkeiten an       ten mit dem plötzlichen Herztod als End­
  Risiko Diabetes ja/nein für Männer 1,8,          Hyperlipidämie und Hypertonie) ab, wäh­        punkt assoziiert war (mit einem relativ ad­
  für Frauen 3,3) gezeigt werden [40].             rend die altersstandardisierten Plasmaglu­     justierten Risiko von 2,33; 95 %-KI: 1,47-
                                                   kosewerte und BMI-Maße bei beiden Ge­          3,70) [49].
  Adipositas. Das Körpergewicht in der             schlechtern – allerdings ausgeprägter für
  jüngeren bis mittleren Lebensspan­               Männer – zunahmen.                             Soziale Beziehungen. Soziale Bezie­
  ne steigt sowohl bei Frauen als auch bei                                                        hungen haben einen großen Einfluss auf
  Männern kontinuierlich an. Allerdings            Geschlechtsunterschiede in der                 die Lebensqualität. Entsprechend hat die
  wird bei Frauen auch in der Prämenopau­          Prävalenz und prognostischen                   Qualität dieser Beziehungen weitreichen­
  se immer häufiger ein solcher Anstieg be­        Bedeutung von psychosozialen                   de gesundheitliche Konsequenzen. Beson­
  obachtet [41]. In den ersten 5 Jahren nach       Risikofaktoren für eine KHK                    ders deutlich wird dies, wenn stabile Be­
  der Menopause erhöht sich das Körperge­                                                         ziehungen durch den Tod eines Partners
  wicht bei Frauen nochmals deutlich, und          Die Belastung durch psychosozialen             enden oder bei Menschen, die über keine
  es findet eine Wandlung von einer gyno­          Stress spielt für das Entstehen kardio­        tragenden Beziehungen zu anderen verfü­
  iden (hüftbetonten) Fettverteilung hin zu        vaskulärer Erkrankungen eine bedeut­           gen. Parkes et al. [50] konnte in der Bro-
  einer eher androiden (bauchbetonten)             same Rolle. Die diesbezügliche Evidenz         ken Heart Study für Witwer belegen, was
  statt. Das bauchbetonte Übergewicht ist          stammt aus großen Bevölkerungsstudi­           der Volksmund mit dem Ausspruch „…
  im Gegensatz zum hüftbetonten ein Ri­            en, in denen scheinbar herzgesunde Pro­        an einem gebrochenen Herzen sterben“ be-
  sikofaktor für Gefäßerkrankungen. Das            banden über lange Zeiträume untersucht         schreibt. In dieser Studie wurde für Män­
  gemeinsame Auftreten mehrerer somati­            wurde. Quellen für andauernden chro­           ner in den ersten 6 Monaten nach dem
  scher Risikofaktoren gewinnt in dem Be­          nischen psychosozialen Stress können           Tod der Ehefrau eine Exzess-Mortalität
  griff des „metabolischen Syndroms“ ei­           sein: a) Persönlichkeitseigenschaften wie      von 40 % gezeigt. Die Haupttodesursache
  nen eigenständigen Krankheitswert, wo­           Feindseligkeit und Zynismus, b) affektive      waren hier Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
  bei die beteiligten Faktoren bei Frau und        Faktoren wie Angst und Depression (ein­        In einer Replikationsstudie konnte gezeigt
  Mann von unterschiedlicher Bedeutung             schließlich depressionsähnliche Zustände       werden [51], dass die Trauer über den Tod
  sind. So sind neben dem erhöhten Kör­            wie vitale Erschöpfung und Ausgebrannt­        eines nahestehenden Angehörigen in den
  pergewicht, der Taillenumfang sowie ein          sein) [45, 46], aber auch c) psychosozia­      nachfolgenden 7 Tagen bedeutsam mit ei­
  erniedrigtes HDL für Frauen bedeutsa­            le Faktoren im engeren Sinn wie Arbeits­       nem erhöhten Infarktrisiko assoziiert war
  mer als für Männer. Bei Männern schei­           stress, Einsamkeit, soziale Isolation, Part­   – in dieser Untersuchung gleichermaßen
  nen der systolische und diastolische Blut­       nerschaftsprobleme und niedriger sozio­        für Männer sowie Frauen.
  druck sowie das Apolipoprotein eine grö­         ökonomischer Status [47].                          Das Gefühl von andauernder Einsam­
  ßere Rolle zu spielen. Demnach scheinen                                                         keit markiert zweifellos das extreme ne­
  unterschiedliche Kriterien notwendig zu          Depression. Bei den affektiven Faktoren        gative Ende im Spektrum sozialer Bezie­
  sein, um das metabolische Syndrom bei            ist zweifellos die Depression der mit Ab­      hungen. Es ist für beide Geschlechter glei­
  Frauen und Männern zu definieren [42].           stand am besten untersuchte KHK-Risi­          chermaßen hochsignifikant mit Depres­
      Die geschlechtsspezifische, zeitbezoge­      kofaktor. Frauen berichten häufiger über       sion und Angstgefühlen assoziiert [52].
  ne Prävalenzentwicklung der klassischen          depressive Symptome als Männer. Unklar         Thurston und Kubzansky [53] unter­
  KHK-Risikofaktoren wurde in mehre­               ist aber, ob die Symptomatik bei ihnen         suchten in einer Bevölkerungsstudie mit
  ren schwedischen Langzeitstudien unter­          die gleichen Auswirkungen auf die Ge­          ca. 3000 Männern und Frauen über einen
  sucht. Eriksson et al. [43] fanden im Zeit­      samtmortalität und auf KHK-Ereignisse          Beobachtungszeitraum von 19 Jahren den

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Zusammenhang zwischen Einsamkeit               lauf-Erkrankungen auf (HR = 4,01;              über 4 und mehr Kernsymptome berich­
und dem Neuauftreten einer koronaren           95 %-KI: 1,75–9,20).                           ten, ist mehr als 2-fach höher als bei Män­
Herzerkrankung. Sie zeigten, dass Frauen,                                                     nern. In der Wahrnehmung von Brust­
die an Einsamkeit litten, auch nach einer      Interozeptive Wahrnehmung                      schmerzen unterscheiden sich die Ge­
sehr weitgehenden Kontrolle für somati­        und geschlechtsspezifisches                    schlechter indes nicht [65]. Damit bleibt
sche Risiken ein deutlich erhöhtes KHK-        Krankheitserleben in der                       die differenzialdiagnostische Abklärung
Erkrankungsrisiko aufwiesen (OR 1,7,           Prodromalphase eines                           einer fraglichen pektanginösen Sympto­
95 %-KI 1,1.7–2,63). Bei Männern hatte         akuten Myokardinfarktes                        matik ein besonders vulnerabler Punkt in
Einsamkeit hingegen keinen messbaren                                                          der diagnostisch-therapeutischen Hand­
Effekt auf das Neuauftreten einer KHK.         Frauen haben im Allgemeinen eine höhe­         lungskette. Eine Reihe von klinischen Stu­
Dies beruht vermutlich darauf, dass deut­      re Wahrnehmungssensibilität für „inter­        dien zeigt, dass Frauen in einer kardiolo­
lich weniger Männer an Gefühlen von            ozeptive“, d. h. aus dem Körperinneren         gischen Notfallsituation eine komplexe­
schwerwiegender Einsamkeit litten. Dass        stammende Signale [56]. Dies geht bei ih­      re Symptomfülle und damit eine weni­
insbesondere Männer, die sich einsam           nen mit höheren Werten für unspezifi­          ger zielführende Symptomatik aufweisen,
fühlen und gleichzeitig erhöhte Depres­        sche sowie körperbezogene Symptombe­           sodass bei ihnen eine klinische Entschei­
sionswerte aufweisen, in einer erhebli­        lastungen einher [57]. Ihre daraus resul­      dungsfindung erschwert wird [64, 66, 67].
chen seelischen Belastungssituation sind,      tierende stärkere Beunruhigung über kör­          Wenngleich pektanginöse Beschwer­
zeigt eine Studie von S. Häfner et al. [54].   perbezogene Dysfunktionen könnten ih­          den bei beiden Geschlechtern der stärkste
Sie belegt, dass so charakterisierte Män­      re präventive Orientierung erhöhen und         Prädiktor für ein akutes Koronarsyndrom
ner – anders als Frauen mit den gleichen       eine adäquatere diagnostische Symptom­         sind, werden sie möglicherweise vom
Belastungsmerkmalen – sehr deutlich er­        abklärung zur Folge haben [58]. Jedoch         Arzt nicht gleichermaßen ernst genom­
höhte Leptinspiegel aufweisen. Ein erhöh­      trifft der Befund einer höheren Wahrneh­       men [68]. In der Tat zeigen Untersuchun­
ter Leptinspiegel ist nicht nur ein Stress­    mungssensibilität bei Frauen nicht mehr        gen, dass das Entscheidungsverhalten des
indikator, sondern auch ein eigenständi­       zu, wenn spezifische Diagnosegruppen           kontaktierten Arztes die Länge der PHZ
ger KHK-Risikofaktor.                          untersucht werden [59]. Darüber hinaus         oft stärker beeinflusst als das der Patien­
    Männer profitieren gesundheitlich          können Faktoren wie Schichtzugehörig­          tinnen [61, 69]. Moser et al. [70] zeigten,
mehr von festen Partnerschaftsbeziehun­        keit, negative Affektivität und Überforde­     dass das Alter bei betroffenen Männern
gen als Frauen. Eaker et al. [55] konnten      rung (sog. „Distress“) diesen Geschlechts­     keinen, bei betroffenen Frauen aber ei­
in einer Studie mit Daten der Framing-         effekt überlagern [60].                        nen erheblichen Einfluss auf die PHZ hat:
ham-Offspring Study bei 3682 Teilneh­              Die Wahrnehmung und die Interpreta­        Bei älteren Frauen war sie im Vergleich zu
mern im mittleren Lebensalter, die über        tion der Symptomatik spielt in der Akut­       jüngeren mehr als doppelt so lang.
einen 10-jährigen Zeitraum nachverfolgt        phase eines Infarktes eine ganz entschei­
wurden, zeigen, dass verheiratete Männer       dende Rolle, denn die Länge des Zeitfens­      Geschlechtsspezifische Faktoren
(gegenüber alleinstehenden Männern) ein        ters zwischen Symptombeginn und Re­            im Krankheitsverlauf
fast halbiertes Risiko aufwiesen, über die­    kanalisation des verschlossenen Gefäß­
sen Zeitraum an einer KHK zu versterben        abschnittes ist eine entscheidende Deter­      Das akute Koronarsyndrom (AKS) re­
[Hazard Ratio (HR) = 0,54; 95 %-KI 0,34–       minante für den Behandlungsverlauf [61].       präsentiert ein Kontinuum, das von
0,83]. Bei Frauen war ein solcher Zusam­       Die Länge der prähospitalen Verzöge­           einem akuten transmuralen Myokard­
menhang nicht zu erkennen. Die Risiko­         rungszeit (PHZ) – also der Zeitraum zwi­       infarkt mit ST-Streckenerhöhung (STE­
schätzung war adjustiert nach Alter, sys­      schen dem Auftreten des Infarktes (Er­         MI), über Infarkte ohne dieses EKG-Zei­
tolischem Blutdruck, Körpergewicht, Di­        eigniszeitpunkt) und der Reperfusion des       chen (NSTEMI) bis zu Formen einer in­
abetes und Hypercholesterinämie. Aller­        verschlossenen Gefäßabschnitts – wird          stabilen Angina pectoris (IA) reicht. Frü­
dings erhöhte sich das Risiko für Männer       maßgeblich von der Entscheidungszeit           he Untersuchungen aus den 1990er-Jah­
deutlich, wenn sie mit Frauen verheiratet      des Patienten beeinflusst. Die PHZ ist ins­    ren haben den Verdacht nahegelegt, dass
waren, die bei der Arbeit unter einem er­      besondere bei älteren Frauen signifikant       der Zugang von Frauen zu invasiven kar­
heblichen Druck standen.                       länger als bei Männern [62]. In der mehr­      dialen Prozeduren wie zur Angioplastie
    Offenbar profitieren Frauen nicht nur      monatigen Prodromalzeit vor einem In­          (perkutane transluminale koronare An­
weniger als Männer von stabilen Partner­       farkt klagen Frauen besonders häufig über      gioplastie, PTCA) und zu Bypassoperatio­
schaften, sie leiden möglicherweise auch       ungewöhnliche Müdigkeit und Schlafstö­         nen (Koronararterienbypass, CABG) un­
mehr unter Partnerschaftskonflikten.           rungen, gefolgt von Kurzatmigkeit, Übel­       gerechtfertigt eingeschränkt ist (z. B. [2]).
In der Studie von Eaker et al. [55] wie­       keit und Angst [63]. Aber auch die Symp­       Die große internationale CURE-Studie
sen Frauen, die sich regelmäßig in Part­       tompräsentation in der akuten Infarktsitu­     mit fast 5000 eingeschlossenen weiblichen
nerschaftskonflikten zurücknahmen und          ation unterscheidet sich zwischen Frauen       und fast 8000 eingeschlossenen männli­
„verstummten“ (self-silenced), ein 4-fach      und Männern. Frauen geben hier häufiger        chen AKS-Patienten aus dem Jahr 2005
erhöhtes relatives Risiko für Herz-Kreis­      Übelkeit, Luftnot oder Rückenschmerz an        belegte, dass Frauen nach einem AKS in
                                               [64]. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen      der Tat weniger häufig einer Angiogra­

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Leitthema

  phie, einer PTCA und einer CABG unter­               Während Wiklund et al. [72] bei den       belastung belegen konnte und überdies
  zogen werden. Allerdings bestätigte die­         Infarktpatienten keine geschlechtsspezi­      zeigt, welche gesundheitlichen Risiken
  se Studie auch, dass eine solche scheinba­       fischen Unterschiede in der Prävalenz der     mit andauernden Problemen in der Part­
  re „Unterversorgung“ keineswegs zu ge­           Depression sichern konnten, zeigten Bar­      nerschaft verbunden sein können.
  schlechtsspezifischen Unterschieden in           efoot und Schroll [73] in einer Untersu­
  der Prognose von harten Endpunkten               chung an 409 Männern und 366 Frauen           Geschlechtsbezogene Aspekte
  führt [71]. Frauen in der CURE-Studie            eine signifikant höhere Prävalenz depres­     in der Rehabilitation
  waren insgesamt signifikant älter und lit­       siver Symptome bei weiblichen Patien­
  ten unter mehr komorbiden Krankheits­            ten. Der Einfluss einer depressiven Symp­     Im postakuten Verlauf nach einem Ko­
  zuständen als Männer. Die Ergebnisse             tomatik auf nachfolgende kardiale Ereig­      ronarereignis zeigen sich in den Präfe­
  der im Jahr 2012 publizierten internatio­        nisse war signifikant, es zeigten sich aber   renzen für die Sekundärprävention inte­
  nalen prospektiven Register-Studie CLA­          keine messbaren Unterschiede zwischen         ressante Geschlechtsunterschiede. Wäh­
  RIY mit über 33.000 eingeschlossenen Pa­         den Geschlechtern.                            rend männliche Patienten eine möglichst
  tienten bestätigte die CURE-Befunde bei              Orth-Gomér und Mitarbeiter [74]           schnelle Genesung, körperliche Fitness
  Patienten, die an einem stabilen Koro­           untersuchten in einer prospektiven Fol­       und eine Erhöhung der Lebenserwartung
  narsyndrom litten: Trotz erheblicher Ge­         low-up-Studie den Einfluss von familiä­       anstreben, wünschen sich Frauen eher ei­
  schlechtsunterschiede in den Basischa­           ren Konflikten und Stress auf den Krank­      ne Entlastung vom Alltag, den Erhalt der
  rakteristika und beim klinischen Manage­         heitsverlauf bei knapp 300 weiblichen         Unabhängigkeit im Haushalt und emoti­
  ment der Patienten, fanden sich bei den          KHK-Patientinnen im Alter von 30 bis          onale Unterstützung [77]. Entsprechend
  kardiovaskulären klinischen Endpunkten           65 Jahren über einen nahezu 5-jähri­          existiert inzwischen eine Reihe von Pro­
  zwischen Männern und Frauen keine si­            gen Nachverfolgungszeitraum. Sie zeig­        grammen zur Sekundärprävention, die
  gnifikanten Unterschiede. Auch hier war          ten, dass bei den erkrankten Frauen das       speziell auf die Bedürfnisse koronarkran­
  die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen älter,       Erleben von familiärem Stress mit einer       ker Frauen zugeschnitten sind und die po­
  mehr unter Bluthochdruck, Diabetes und           2,9-fachen Risikoerhöhung (95 %-KI 1,3–       sitive Effekte hinsichtlich psychischer [78,
  symptomatischer Angina pectoris litten,          6,5) für das Wiederauftreten eines Koro­      79] und auch somatischer Endpunkte zei­
  signifikant höher [19].                          narereignisses assoziiert war. Diese Wer­     gen [80].
      Nach dem Eintritt eines AKS ist es für       te ergaben sich trotz einer Adjustierung          Gelegentlich wird die Einbeziehung
  die Patienten nicht nur wichtig, kein er­        für die somatischen Risikofaktoren, aber      von Partnern in Interventionsprogramme
  neutes schwerwiegendes Krankheitsereig­          auch für den Östrogenspiegel, die Ausbil­     für Herzpatienten empfohlen, um den Pa­
  nis zu erleben, sondern auch angemessen          dungsjahre und die linksventrikuläre Aus­     tienten emotional zu stützen und bei der
  mit der Krankheit umzugehen. Studien             wurffraktion [74]. Eine weitere Studie, die   Krankheitsbewältigung zur Seite zu ste­
  über geschlechtsspezifische Unterschiede         Stockholm „Female Coronary Risk Study“,       hen (Erinnerung an gesunde Lebensfüh­
  bei der psychosozialen Adaptation nach           schloss 292 Frauen im Alter von unter         rung, Einnahme von Medikamenten, kar­
  einem koronaren Ereignis kommen zu wi­           65 Jahren (mittleres Alter: 56 Jahre) ein,    diologische Kontrolluntersuchungen etc.).
  dersprüchlichen Ergebnissen. Wiklund et          die wegen eines akuten Koronarereignis­       Dabei gilt es jedoch auch zu berücksich­
  al. [72] untersuchten 421 männliche und          ses in die Notaufnahme der Klinik auf­        tigen, dass die Partner von Herzpatien­
  174 weibliche Infarktpatienten 1 Jahr nach       genommen wurden. Diese Patientinnen           ten durch das Krankheitsgeschehen häu­
  dem akuten Ereignis. Auch hier waren die         wurden 3 bis 6 Monate nach dem Ereig­         fig verunsichert und hilflos sind und nicht
  Patientinnen signifikant älter, kränker,         nis nachbefragt. Blom et al. [75] konnten     selten höhere Angst- und Depressions­
  symptomatischer, und sie wiesen mehr             in dieser Studie nachweisen, dass familiä­    werte als die Patienten selbst aufweisen
  Risikofaktoren als die männlichen Patien­        rer Stress die Ursache für eine schlechte­    [81]. Wie eine Studie zeigen konnte [82],
  ten auf. Sie hatten darüber hinaus erheb­        re soziale Integration sowie für das Gefühl   kann dies zu einer erheblichen Stressbe­
  lich größere Probleme, mit dem kardialen         war, „weniger aufgenommen zu sein“ und        lastung führen. In dieser Untersuchung
  Ereignis fertigzuwerden, und waren zu­           deutlich weniger Unterstützung und Hil-       konnte eine partnerschaftliche Betreu­
  dem durch ein höheres Maß an Erschöp­            festellung zu genießen. Wiederum konn­        ung („care-giving“) von an Krebs leiden­
  fung, Schlafstörungen und psychosoma­            ten Wang et al. [76] in der „Stockholm Fe­    den Angehörigen als kardiovaskulärer Ri­
  tischen Beschwerden belastet. In dieser          male Coronary Angiography Study“ bei          sikofaktor identifiziert werden [82]. Auch
  Studie wurde jedoch der psychische Sta­          80 Patientinnen mit KHK zeigen, dass          ist es naheliegend, dass sich die Partner
  tus nicht mit dem somatischen Schwere­           sich der angiographisch gemessene, mitt­      in einer solchen Konstellation durch eine
  grad der Erkrankung kontrolliert, sodass         lere Gefäßdiameter in 3 Jahren signifikant    abwehrend angstbesetzte Kommunikati­
  nicht auszuschließen ist, dass die höheren       bei den Patienten verschlechtert hatte, die   on gegenseitig negativ beeinflussen [81].
  psychosozialen Belastungswerte bei den           einem hohen familiären und beruflichen            Während der Rehabilitationszeit sollte
  weiblichen Patienten auf einen schwer­           Stress ausgesetzt waren. Dies ist eine der    daher ein psychoedukatives Patientenge­
  wiegenderen und häufiger symptomati­             wenigen Studien, die einen direkten Zu­       spräch mit Patient, Partner und Therapeut
  schen Zustand zurückzuführen sind.               sammenhang zwischen arterioskleroti­          als fester Bestandteil des Versorgungsan­
                                                   schen Gefäßveränderungen und Stress­          gebotes der Klinik durchgeführt werden.

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In einer (semi)strukturierten Gesprächs­    machen deutlich, dass es dringender An-                   11. Ladwig KH, Scheuermann W (1997) Gender dif-
                                                                                                          ferences in the decline of mortality rates of acute
führung sollte abgeschätzt werden, inwie­   strengungen in der Forschung und Kran-                        myocardial infarction in West Germany. Eur Heart J
weit es gelingen kann, eine Umsetzung       kenversorgung bedarf, um den differen-                        18:582–587
von Reha-Empfehlungen in der alltägli­      ziellen Bedürfnissen von Männern und                      12. Maas AH, Appelman YE (2010) Gender differences
                                                                                                          in coronary heart disease. Neth Heart J 18:598–
chen Lebensführung zu erreichen. Dem        Frauen in der Diagnostik und Therapie                         603
Partner sollte Gelegenheit zur Ausspra­     der KHK gerecht zu werden.                                13. Lowel H, Meisinger C, Heier M, Hormann A, Kuch B,
che und zur Verbalisierung von Befürch­                                                                   Gostomzyk J, Koenig W (2002) [Sex specific trends
                                                                                                          of sudden cardiac death and acute myocardial in-
tungen und aversiven Emotionen gebo­
                                            Korrespondenzadresse                                          farction: results of the population-based KORA/
ten werden. Die Thematisierung von Ge­                                                                    MONICA-Augsburg register 1985 to 1998]. Dtsch
sundheitsüberzeugungen (health beliefs),                                                                  Med Wochenschr 127:2311–2316
                                            Prof. Dr. K.-H. Ladwig
                                                                                                      14. Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2014)
Ursachenzuweisungen und subjektiven         Institut für Epidemiologie                                    Krankenhausstatistik - Diagnosedaten der Patien-
Krankheitstheorien kann häufig ein gang­    Helmholtz Zentrum München, Deutsches                          ten und Patientinnen in Krankenhäusern ab 2000.
                                            Forschungszentrum für Gesundheit und                          www.gbe-bund.de
barer Weg sein, um die Gefühlslage von
                                            Umwelt, Institut für Epidemiologie-II                     15. Pepine CJ, Kerensky RA, Lambert CR, Smith KM,
Patient und Partner zu verstehen [82].      Mental Health Research Unit                                   von Mering GO, Sopko G, Bairey Merz CN (2006)
                                            Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg                     Some thoughts on the vasculopathy of women
Fazit                                       ladwig@helmholtz-muenchen.de                                  with ischemic heart disease. J Am Coll Cardiol
                                                                                                          47:30–35
                                                                                                      16. Wenger NK, Shaw LJ, Vaccarino V (2008) Coronary
Die koronare Herzkrankheit ist nicht nur                                                                  heart disease in women: update 2008. Clin Phar-
bei Männern, sondern auch bei Frau-
                                            Einhaltung ethischer Richtlinien                              macol Ther 83:37–51
                                                                                                      17. Ahmed WA, Tully PJ, Knight JL, Baker RA (2011) Fe-
en die häufigste Todesursache. Die be-      Interessenkonflikt. K.-H. Ladwig und C. Waller                male sex as an independent predictor of morbidity
stehenden Geschlechtsunterschiede in        geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.               and survival after isolated coronary artery bypass
der KHK-Mortalität und KHK-Morbidität                                                                     grafting. Ann Thorac Surg 92:59–67
                                            Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen       18. Lee CY, Hairi NN, Wan Ahmad WA, Ismail O, Liew
sind in einem bedeutsamen Maße auf al-      oder Tieren.                                                  HB, Zambahari R, Ali RM, Fong AY, Sim KH, Investi-
tersspezifische Faktoren zurückzufüh-                                                                     gators N-P (2013) Are there gender differences in
ren. In diesem Zusammenhang bleibt          Literatur                                                     coronary artery disease? The Malaysian National
                                                                                                          Cardiovascular Disease Database – Percutaneous
die Bedeutung der Menopause ein zen-                                                                      Coronary Intervention (NCVD-PCI) Registry. PLoS
                                             1. Healy B (1991) The Yentl syndrome. N Engl J Med
trales Forschungsthema zum Verständ-            325:274–276                                               One 8:e72382
nis der weiblichen KHK. Der beobachte-       2. Ayanian JZ, Epstein AM (1991) Differences in the      29. Steg PG, Greenlaw N, Tardif JC, Tendera M, Ford I,
                                                use of procedures between women and men hos-              Kaab S, Abergel H, Fox KM, Ferrari R, Investigators
te Widerspruch zwischen z. B. einem er-                                                                   CR (2012) Women and men with stable corona-
                                                pitalized for coronary heart disease. N Engl J Med
höhten Inanspruchnahmeverhalten des             325:221–225                                               ry artery disease have similar clinical outcomes: in-
Gesundheitssystems einerseits und einer      3. Bueno H, Vidan MT, Almazan A, Lopez-Sendon                sights from the international prospective CLARIFY
                                                JL, Delcan JL (1995) Influence of sex on the short-       registry. Eur Heart J 33:2831–2840
längeren prähospitalen Verzögerungs-                                                                  20. Hochman JS, Tamis JE, Thompson TD, Weaver WD,
                                                term outcome of elderly patients with a first acute
zeit bei Frauen andererseits legt nahe,         myocardial infarction. Circulation 92:1133–1140           White HD, Van de Werf F, Aylward P, Topol EJ, Califf
dass es – sowohl bei den Behandlern als      4. Clarke KW, Gray D, Keating NA, Hampton JR (1994)          RM (1999) Sex, clinical presentation, and outcome
                                                Do women with acute myocardial infarction recei-          in patients with acute coronary syndromes. Global
auch bei den Frauen selbst – zu Fehlein-                                                                  Use of Strategies to Open Occluded Coronary Arte-
                                                ve the same treatment as men? BMJ 309:563–566
schätzungen von Symptomen und zur Ri-        5. Kudenchuk PJ, Maynard C, Martin JS, Wirkus M,             ries in Acute Coronary Syndromes IIb Investigators.
sikounterschätzung der weiblichen KHK           Weaver WD (1996) Comparison of presentation,              N Engl J Med 341:226–232
                                                treatment, and outcome of acute myocardial in-        21. Arbustini E, Dal Bello B, Morbini P, Burke AP, Bocci-
kommt. Ursache hierfür ist im Wesent-                                                                     arelli M, Specchia G, Virmani R (1999) Plaque erosi-
                                                farction in men versus women (the Myocardial In-
lichen das Unwissen – auch von verant-          farction Triage and Intervention Registry). Am J          on is a major substrate for coronary thrombosis in
wortlichen Entscheidungsträgern des             Cardiol 78:9–14                                           acute myocardial infarction. Heart 82:269–272
                                             6. Maynard C, Althouse R, Cerqueira M, Olsufka M,        22. Andreotti F, Marchese N (2008) Women and coro-
Gesundheitssystems – über geschlechts-                                                                    nary disease. Heart 94:108–116
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spezifische Besonderheiten der Symp-            lytic therapy in eligible women with acute myocar-    23. Sun H, Mohri M, Shimokawa H, Usui M, Urakami L,
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                                             7. Shaw LJ, Miller DD, Romeis JC, Kargl D, Younis LT,        causes myocardial ischemia in patients with vaso-
ne Bedeutung der KHK bei Frauen. Auch                                                                     spastic angina. J Am Coll Cardiol 39:847–851
                                                Chaitman BR (1994) Gender differences in the no-
aufgrund der in der Vergangenheit üb-           ninvasive evaluation and management of patients       24. Mohri M, Koyanagi M, Egashira K, Tagawa H, Ichiki
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                                                tern Med 120:559–566                                      ris caused by coronary microvascular spasm. Lan-
klinisch kardiologischen Studien sind                                                                     cet 351:1165–1169
                                             8. Weaver WD, White HD, Wilcox RG, Aylward PE,
heutige Standardprogramme in der Dia-           Morris D, Guerci A, Ohman EM, Barbash GI, Betriu      25. Patel SM, Lerman A, Lennon RJ, Prasad A (2013)
gnostik und Therapie nicht hinreichend          A, Sadowski Z, Topol EJ, Califf RM (1996) Compari-        Impaired coronary microvascular reactivity in wo-
                                                sons of characteristics and outcomes among wo-            men with apical ballooning syndrome (Takotsubo/
geschlechterspezifisch differenziert. So-                                                                 stress cardiomyopathy). Eur Heart J Acute Cardio-
                                                men and men with acute myocardial infarction
wohl die bestehenden basalen morpho-            treated with thrombolytic therapy. GUSTO-I inves-         vasc Care 2:147–152
logischen und physiologischen Unter-            tigators. JAMA 275:777–782                            26. Kawut SM, Lima JA, Barr RG, Chahal H, Jain A, Tan-
                                             9. Orth-Gomer K (2000) New light on the Yentl syn-           dri H, Praestgaard A, Bagiella E, Kizer JR, Johnson
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                                                drome. Eur Heart J 21:874–875
auch die diesbezüglichen Unterschiede       10. Papadopoulou SA, Kaski JC (2013) Ischaemic heart          ce differences in right ventricular structure and
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                                                cal Obstet Gynaecol 27:689–697                            right ventricle study. Circulation 123:2542–2551
nehmung und Krankheitsverarbeitung

                                                              Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz X · 2014                      | 7
Leitthema

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8 |   Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz X · 2014
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