WAHLPRÜFSTEIN DIE LINKE - SOZIALVERBAND DEUTSCHLAND E. V. (SOVD) STRALAUER STR. 63 10179 BERLIN
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Wahlprüfstein DIE LINKE Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD) Stralauer Str. 63 10179 Berlin Arbeitsmarkt Die Arbeitslosigkeit in vielen EU-Mitgliedstaaten hat seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise einen neuen Höchststand erreicht. Bereits umgesetzte Sparpakete und der im Dezember 2012 beschlossene Fiskalpakt schwächen die Kaufkraft der Menschen und damit die Binnenwirtschaft vieler Mitgliedstaaten massiv und vernichten so mittelbar auch Arbeitsplätze. Im Rahmen der Europäischen Union müssen daher schlüssige Konzepte für eine beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik entwickelt werden, um mehr und bessere Arbeit zu generieren. Welche beschäftigungspolitischen Initiativen unterstützen Sie, um Arbeitsplätze zu schaffen? DIE LINKE setzt sich für ein Zukunftsprogramm gegen Erwerbslosigkeit ein, mit dem öffentliche Investitionen gefördert werden. So wird der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft befördert, die soziale Infrastruktur ausgebaut und insbesondere mit dem Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge Beschäftigung geschaffen. Eine effektive Koordinierung der Lohn- und Steuerpolitik durch solidarische Regeln in der Eurozone soll zudem Ungleichgewichte vermeiden und Lohn- und Steuerdumping verhindern. Vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit in der EU ist eine zunehmende Verschlechterung qualitativer Arbeitsstandards zu verzeichnen. Viele Menschen arbeiten unter unwürdigen und prekären Bedingungen und erleiden dadurch nicht nur erhebliche gesundheitliche Nachteile. In Deutschland hat beispielsweise allein die Zahl der psychischen Erkrankungen aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen, erhöhter Arbeitsverdichtung etc. in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Eine humane Gestaltung der Arbeitswelt im Sinne einer „Guten Arbeit“ muss ein wesentlicher Aspekt bei der Schaffung von Arbeitsplätzen sein. Dabei ist die Re-Regulierung des Arbeitsmarktes mit wesentlichen und wirksamen Arbeitnehmerschutzvorschriften ein wichtiger Schritt, um die Arbeitsbedingungen humaner zu gestalten und grenzüberschreitenden Missbrauch durch prekäre Arbeitsverhältnisse auszuschließen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das Konzept von „Guter Arbeit“, das die Europäische Union im Mai 2007 in ihre „Gemeinschaftsstrategie zu Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit für den Zeitraum 2007 bis 2012“ aufgenommen hat, umgesetzt wird? Welche konkreten Schritte sind nach Ihrer Auffassung dafür erforderlich? DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass für Europa das Beschäftigungsleitbild der »Guten Arbeit« Geltung erlangt. Europa braucht ein Leitbild für unbefristete Beschäftigung, von der armutsfest ein eigenständiges Leben gestaltet werden kann und die nicht krank macht. Dies erfordert
neben verbindlichen Regelungen zu Mindestlöhnen, Leiharbeit, Dienstleistungen und Entsendearbeit auch kürzere Arbeitszeiten. Die Ausnahmeregelungen und Lücken in der EU- Arbeitszeitrichtlinie müssen beseitigt werden. Wir wollen eine allgemeine verbindliche Höchstarbeitszeit von zunächst 40 Stunden die Woche festsetzen. Prekäre Beschäftigungsformen und der wachsende Niedriglohnsektor haben dazu geführt, dass eine immer größere Anzahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind. Daher brauchen wir gesetzliche Mindestlöhne, die garantieren, dass bei einer Vollzeitbeschäftigung regelmäßig die angemessene Lebensführung und Teilhabe gewährleistet sind sowie in der Zukunft eine entsprechende, angemessene Rente gezahlt wird. Werden Sie sich für die Einführung solcher Mindestlöhne und der Eindämmung prekärer Beschäftigungsverhältnisse in allen EU-Mitgliedstaaten einsetzen? DIE LINKE macht sich seit vielen Jahren für die Einführung von Mindestlöhnen stark und kämpft gegen prekäre Arbeitsverhältnisse. Wir fordern daher eine verbindliche europäische Mindestlohnregelung in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittslohns. Außerdem setzt sich DIE LINKE für verbindliche Richtlinien bei Leiharbeit, Dienstleistung und Entsendung ein. Beschäftigte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt und als Lohndrücker oder Streikbrecher missbraucht werden – wir wollen überall in Europa gute Arbeit und gute Löhne. Wir streiten für das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“. Jugend Die Beschäftigungssituation von jungen Menschen in weiten Teilen Europas hat besorgniserregende Ausmaße erreicht, so dass schon von einer verlorenen Generation gesprochen wird. Derzeit sind in Europa mehr als fünf Millionen junge Menschen ohne festen Job. Soll ein geeintes Europa aber eine Zukunft besitzen, müssen die jungen Menschen die Chance zur Gestaltung ihrer Zukunft haben. Hierfür sind Grundvoraussetzungen eine gute Bildung, die Chance auf eine gute Ausbildung und eine gute anschließende Arbeitsstelle mit guten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Hinsichtlich der zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit von der Europäischen Kommission bereitgestellten acht Milliarden Euro, bestehen nach Meinung des SoVD und der SoVD-Jugend jedoch erhebliche Zweifel, ob die bereitgestellte Summe für die Bewältigung der vorhandenen Arbeitsmarktprobleme auch nur annähernd ausreichend ist. Wie sieht Ihr mittel- und langfristiges Konzept zur effektiven Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von jungen Menschen aus? Wir werden uns in erster Linie dafür einsetzen, dass den Jugendlichen und jungen Menschen vor Ort eine berufliche und damit auch persönliche Perspektive gegeben wird. Die Sparmaßnahmen, die die EU insbesondere den südeuropäischen Ländern infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise auferlegt hat, müssen schnellst möglich zurückgenommen werden. Stattdessen muss wirkungsvoll in Bildung und Beschäftigung investiert werden. Die von der EU bereitgestellten Mittel sind allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Damit ist das ambitionierte Ziel der Jugendgarantie, Menschen unter 25 Jahren innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten, nachdem sie arbeitslos geworden sind oder die Schule verlassen haben, eine hochwertige Arbeitsstelle oder Weiterbildungsmaßnahme oder einen hochwertigen
Ausbildungs- oder Praktikumsplatz anzubieten, unerreichbar. Ebenso führt der von der Bundesregierung angestrebte Export der dualen Berufsausbildung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit am Problem vorbei. Das Problem ist weniger eine fehlende bzw. praxisferne Qualifikation der jungen Menschen, es sind vielmehr Jobs, die fehlen. Ein Aufbau von dualen Strukturen in den jeweiligen (Aus-)Bildungssystemen kann, wenn überhaupt, nur langfristig (positive) Auswirkungen nach sich ziehen. Und auch die Förderung der Mobilität in der derzeitigen Krisensituation greift zu kurz, zumal die Bundesregierung vorrangig das Ziel verfolgt, junge Menschen aus (Süd-)Europa in Berufe (Bsp. im Hotel- und Gaststättengewerbe) in Deutschland zu vermitteln, in denen aufgrund der niedrigen Qualität/Attraktivität der Arbeit und Ausbildung ein Mangel an inländischen Bewerbern existiert. Damit werden keine nachhaltigen Perspektiven für junge Menschen geschaffen. Mobilität, die wir uns für alle jungen Menschen in Europa wünschen, sollte nicht unter dem Vorwand der Krise und aufgrund von Arbeitskräftelücken forciert werden. Wie setzen Sie sich für die Verwirklichung eines inklusiven Ausbildungs- und Arbeitsmarktes für junge Menschen mit Behinderungen ein? DIE LINKE fordert, dass die Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen vorrangig zu fördern und berufsbegleitende Fortbildung zu entwickeln ist. Verbindlichere Festlegungen für die betriebliche Ausbildung behinderter und schwerbehinderter Jugendlicher sind dringend erforderlich. Eine verbindliche Ausbildungsplatzquote und Ausbildungsplatzausgleichsabgabe sind zu prüfen. Fortbildungsprogramme in Unternehmen, Verwaltungen und Hochschulen zu Inklusionsanforderungen sind finanziell zu unterstützen; die Schaffung barrierefreier Ausbildungsbedingungen ebenfalls. Menschen mit Behinderungen Menschen mit Behinderungen sind von sozialer Benachteiligung, Ausgrenzung und Diskriminierung in besonderer Weise bedroht und können ihre Rechte und Grundfreiheiten in der EU oft nur eingeschränkt wahrnehmen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass EU-weit verbindliche Vorgaben und Standards zur Barrierefreiheit vereinbart und umgesetzt werden, damit Menschen mit Behinderungen in der gesamten EU barrierefrei kommunizieren, mobil sein sowie beruflich und sozial teilhaben können und so ihre Grundfreiheiten – wie alle anderen Menschen auch – in Anspruch nehmen können? DIE LINKE hat im Antrag „Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010 bis 2020 unterstützen“ (Bundestagsdrucksache 17/5043) gefordert, dass die Bundesregierung die Umsetzung der „Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020 - Erneuertes Engagement für ein barrierefreies Europa“ aktiv unterstützt. Diese Forderung hält DIE LINKE auch in dieser Legislaturperiode aufrecht. EU-weit verbindliche Vorgaben und Standards sollen in verbindlichen Zeitplänen umgesetzt werden. Dafür fordert DIE LINKE Sonderinvestitionsprogramme. In diesem Zusammenhang sollte die Einführung eines europäischen Behindertenausweises und die europaweite Gültigkeit von national gewährten Leistungen und Nachteilsausgleichen diskutiert werden.
Befürworten Sie, dass das Kriterium der Barrierefreiheit im europäischen Vergaberecht verbindlich vorgeschrieben und bei Ausschreibungen systematisch beachtet wird? Ja, uneingeschränkt. Wie auf Bundesebene dürfen auch auf europäischer Ebene Ausschreibungen und Vergaben von öffentlichen Aufträgen sowie Förderungen nur in Übereinstimmung mit der UN-Behindertenrechtskonvention erfolgen, wozu die Schaffung beziehungsweise Gewährleistung von umfassender Barrierefreiheit als verbindliches Kriterium gehört. Welche konkreten Maßnahmen unterstützen Sie, damit bei europäischen Ausbildungs- und Beschäftigungsinitiativen die Belange behinderter Menschen berücksichtigt werden und der Benachteiligung dieser Gruppe am Arbeitsmarkt gezielt entgegengewirkt wird? DIE LINKE fordert eine Verbesserung der Ausbildungssituation von und der Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen. Im Antrag „Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung“ (Bundestagsdrucksache 17/9758) fordert DIE LINKE auf Bundesebene, was auch für europäische Initiativen gilt: Die Schaffung von Rahmenbedingungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt – so wenig Sonderarbeitswelten wie möglich; langfristige und bedarfsgerechte Förderprogramme zur Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen; die Schaffung einer barrierefreien Arbeitsumwelt; den Ausbau von Integrationsfirmen und – Abteilungen; die Verbesserung von Beratung und Vermittlung von Menschen mit Behinderungen; das Recht auf reguläre Arbeitsverhältnisse und eine tarifliche Entlohnung für Beschäftigte in den Werkstätten für behinderte Menschen sowie Mitbestimmungsrechte für deren Werkstatträte und Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen. Welche Initiativen halten Sie für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen für notwendig, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung stehen? DIE LINKE fordert (Antrag „Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung, Bundestagsdrucksache 17/9758), den personenzentrierten Ansatz als Instrument ohne Kostenvorbehalt auszugestalten. Dafür sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bedarfsgerecht auf der Grundlage eines bundeseinheitlichen, am Lebenslagenansatz orientierten Bedarfsfeststellungsverfahrens auszugestalten. Für Verlässlichkeit und Planbarkeit sind Förderungen trägerübergreifend und langfristig zu gewähren, auch in Form von dauerhaften Lohn-, Gehalts- sowie Mobilitätszuschüssen. Übergangswege in reguläre Beschäftigung wie der „Öffentlich geförderte Beschäftigungssektor“ und die „Unterstützte Beschäftigung“ sind zu erweitern, beispielsweise durch dauerhafte Berufsbegleitung, und aus Bundesmitteln langfristig zu sichern. Werkstattbeschäftigten muss im Fall des Übergangs in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein unbefristetes Rückkehrrecht eingeräumt werden, das ihre besonderen Zugangsvoraussetzungen zu einer vollen Erwerbsminderungsrente nicht beeinträchtigt. Die Werkstätten bleiben wichtig für die Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen. Sie sind mittelfristig als Integrationsbetriebe mit sozialen Dienstleistungsangeboten weiterzuentwickeln.
Welche Initiativen unterstützen Sie zur Umsetzung der durch die EU ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention? DIE LINKE unterstützt alle Aktivitäten, die darauf hinzielen, die Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen auch durch einen europäischen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu konkretisieren. Dabei ist zu sichern, dass die Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen aktiv beteiligt und eingebunden werden. In einem solchen Aktionsplan sollten kurz-, mittel- und langfristige Ziele für die Umsetzung der Konvention und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Teilhabe, Selbstbestimmung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen detaillierter festgelegt werden. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die 5. Antidiskriminierungsrichtlinie endlich verabschiedet wird, so dass Menschen beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen nicht mehr wegen des Alters, einer Behinderung, des Geschlechtes, der sexuellen Ausrichtung oder ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert werden und dass Menschen mit Behinderungen im Einzelfall auch gegen die Verweigerung von zumutbaren Anpassungen (z.B. Rampen an Geschäften) vorgehen können? Ja. DIE LINKE hat die Bundesregierung in der 17. Wahlperiode im Antrag „Europäische Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010 bis 2020 unterstützen“ (Bundestagsdrucksache 17/5043) vor dem Hintergrund der gemeinsamen Aufgabe, die UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auch im europäischen Rahmen umzusetzen, aufgefordert, konstruktiv an der Arbeit zur fünften EU- Antidiskriminierungsrichtlinie mitzuwirken und ihre bisherige Blockadehaltung aufzugeben. Leider ist dies bisher nicht geschehen. Daher wird DIE LINKE auch in dieser Legislaturperiode diesbezüglich parlamentarisch aktiv werden. Was werden Sie unternehmen, damit die Rehabilitation als nationalstaatliche Kompetenz gesichert und nicht durch europäische Vorgaben, z.B. zum Vergaberecht, in ihrer hohen Qualität in Deutschland infrage gestellt wird? DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass EU-weite Angleichungen auf dem jeweils höchsten erreichten Niveau erfolgen, um eine Schlechterstellung zu vermeiden. Innerhalb Deutschlands soll die Ausschreibungspflicht für Leistungen durch die Bundesagentur für Arbeit und durch Rehabilitationsträger zurückgenommen werden, um die Einheit von Vermittlung und Begleitung zu erhalten und zur freihändigen Vergabe zurückzukehren. Frauen Die Gewährleistung der Gleichbehandlung stellt eines der grundlegenden Prinzipien der Demokratie dar. Doch trotz der Tatsache, dass Gleichstellung in den europäischen Mitgliedstaaten in den jeweiligen Verfassungen fest verankert ist, treffen Frauen in Europa im Alltag auf Diskriminierungen. In vielen Bereichen, wie Beschäftigung, Gehalt, Berufsausbildung, Arbeitsorganisation, Zugang zu verantwortungsvollen Positionen, Respektierung der Würde, Repräsentation im öffentlichen Leben sind Frauen und Männer noch immer nicht vollständig gleichgestellt. Im EU-Durchschnitt liegt die geschlechtsspezifische Lohnungleichheit bei 16,2 Prozent.
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Frauen EU-weit den gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit am gleichen Ort sowie gleichen Zugang zur sozialen Sicherung erhalten? Im Durchschnitt verdienen Frauen in der EU über 16 Prozent weniger als Männer, in Deutschland sind es sogar mehr als 20 Prozent. Die Gründe für eine geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung sind vielfältig und durchgängig strukturell in unserer Gesellschaftsordnung verankert. Frauen sind durch tradierte Rollenbilder und die Zuweisung von Erziehungs- und Pflegearbeiten in der Familie nach wie vor weniger erwerbstätig als Männer. Bilden sie in einer Branche die Mehrheit, wird diese fast immer niedriger entlohnt. Zudem arbeiten Frauen öfter in Teilzeit, in nicht regulären sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen und im Niedriglohnsektor. Zu diesen Faktoren kommt eine direkte Entgeltdiskriminierung – noch immer werden Frauen bei gleicher Tätigkeit in niedrigere Lohn- und Gehaltsgruppen eingeordnet, sie werden bei Beförderungen und Sonderzulagen benachteiligt oder gar nicht erst gefragt. Diese Faktoren summieren sich, so dass am Ende eines Lebens die Frauen niedrigere Renten als Männer erreichen und als Rentnerinnen oft arm sind. Dagegen setzt DIE LINKE die Forderung nach „Gleichem Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“. Die Durchsetzung dieses in Art. 157 des Arbeitsvertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festgeschriebenen Grundsatzes muss vorangetrieben werden. Soziale Sicherheit ist unabdingbare Voraussetzung für ein solidarisches und demokratisches Gemeinwesen. Nur öffentliche und umfassende Sozialversicherungen können soziale Sicherheit garantieren und sozialen Ausgleich organisieren. Dazu bedarf es neben dem Ausbau der sozialen Sicherungssysteme insbesondere eines massiven Ausbaus der öffentlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Von der Bildung und der Kultur über Mobilität bis hin zu sozialen Diensten: Öffentliche Angebote müssen organisiert werden und für Alle erschwinglich und zugänglich sein. Deshalb fordert DIE LINKE die Einführung sozialer Mindeststandards in der EU. Frauen sind in ganz Europa in Führungsgremien stark unterrepräsentiert: Sind Sie der Meinung, dass daher eine rechtsverbindliche Frauenquote eingeführt werden sollte? Nach Art. 8 AEUV wirkt die EU bei allen ihren Tätigkeiten darauf hin, die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Selbstverpflichtungen haben in der Vergangenheit zu keinen entscheidenden Veränderungen der Frauenrepräsentanz in Führungspositionen geführt. Gerade in den höheren Lohngruppen müssen Frauen stärker vertreten sein, um dort auch als Vorbilder und Multiplikatorinnen zu fungieren. DIE LINKE fordert eine Mindestquotierung aller politischen Mandate und öffentlichen Ämter sowie Vorstands- und Aufsichtsratsposten in der privaten Wirtschaft von 50 Prozent. In jedem europäischen Land kommt Gewalt gegen Frauen vor. Bis zu 45 Prozent aller Frauen sind von einer Form von Gewalt betroffen, 12 bis 15 Prozent von häuslicher Gewalt. Häusliche Gewalt ist nach Einschätzung des Europarates die Hauptursache für eine Gesundheitsschädigung oder sogar den Tod von Frauen zwischen 16 und 44 Jahren. – Noch vor Krebs oder Verkehrsunfällen. Und auch
Frauenhandel ist im 21. Jahrhundert in Europa immer noch traurige Realität. Ca. 500.000 Frauen werden jährlich illegal in die EU gebracht und zur Prostitution gezwungen. Gewalt widerfährt Frauen aber auch durch Zwangsheirat, Vergewaltigung in der Ehe, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, demütigendes Verhalten oder Einschüchterung. Welche konkreten Maßnahmen unterstützen Sie, die eine stärkere Sensibilisierung der europäischen Bürgerinnen und Bürger für das Thema Gewalt gegen Frauen und insbesondere zur häuslichen Gewalt zum Ziel haben? Welche Maßnahmen unterstützen Sie zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen? Die gerade von der European Union Agency for Fundamental Rights vorgestellten Ergebnisse einer EU-weiten Erhebung über das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen ist erschreckend. Obwohl das Thema in allen EU-Mitgliedsstaaten präsent ist und es verschiedenste Aktionsprogramme gibt, ist das Ausmaß der Gewalt noch immer nicht gebannt. Offen bleibt die Frage in welchem Maße in den einzelnen Ländern die Opferschutzrichtlinie und die Istanbul Konvention umgesetzt werden. Wenn wir auf Deutschland sehen, so zeigt die Bestandsaufnahme zur Lage des Hilfesystems bei Gewalt gegen Frauen, wie löchrig dieses ist. Zugleich sind Frauenhäuser und Beratungsstellen chronisch unterfinanziert und die Mitarbeiterinnen arbeiten unter Bedingungen der Selbstausbeutung. Die Bundesregierung hat trotz zweier Anhörungen im Bundestag, die diese Situation bestätigten, keinen Schritt unternommen, um hier einzugreifen. Sie verstößt damit auch gegen explizite Auflagen des CEDAW-Ausschusses nach dem 6. Staatenbericht. Was in der EU fehlt sind Sanktionen, wenn Mitgliedstaaten internationale Vereinbarungen nicht oder in ungenügender Weise umsetzen. Zur Bekämpfung der Gewalt gab es Vorstöße hier vernetzter miteinander vor zu gehen. So sollten bspw. bestimmte Auflagen für Täter auch im Ausland Anwendung finden. Aber hier kam man nicht weiter. Zugleich muss mehr dafür getan werden, dass Rollenstereotype endlich in Bewegung geraten. Hier muss bereits in der Schule angefangen werden. Die Politik sollte stärker auf die Medien einwirken, damit sexistische Werbung und gewaltverherrlichende Filme boykottiert werden. Was den Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung betrifft, so handelt es sich dabei um eine eklatante Menschenrechtsverletzung, was auch für weitere Formen des Menschenhandels gilt. Hier fordert DIE LINKE eine konsequente Strafverfolgung. Zugleich müssen die Opfer eine umfassende Hilfe und Unterstützung bekommen. Dazu gehört ein gesichertes Aufenthaltsrecht, das nicht an eine Mitwirkung bei der Strafverfolgung gekoppelt wird (ist auch Bestanteil der Opferschutz-Richtlinie der EU). Sie müssen Zugang zu physischer und psychischer Hilfe erhalten, zur Sprache, zur Ausbildung und zum Arbeitsmarkt. Zugleich sollten die einzelnen Staaten entsprechende Fonds einrichten, aus denen die Opfer entschädigt werden. Dabei könnten die Mitgliedsstaaten miteinander kooperieren. Gesundheit Die Gesundheitspolitik liegt auf Grund der Subsidiaritätsklausel zu Recht weitgehend in der Verantwortung der Nationalstaaten. Dennoch kann auch auf europäischer Ebene einiges unternommen werden, um für alle Patientinnen und Patienten in der Europäischen Union eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten und die nationalen Gesundheitssysteme in ihrer Unterschiedlichkeit zu bewahren. Die tragende Säule der gesundheitlichen Versorgung ist die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mit der gemeinsamen Selbstverwaltung von Arbeitgebenden
und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Der SoVD bemerkt derzeit auf verschiedenen Ebenen die Tendenz, das Gesundheitssystem immer stärker wettbewerblich und damit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszurichten. Werden Sie sich deshalb dafür einsetzen, dass der Charakter der GKV als öffentlich-rechtliche Körperschaft, welche nicht dem Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht unterliegt, beibehalten wird? Die Anwendung von Wettbewerbsmechanismen im Gesundheitswesen begünstigt die Privatisierung, Deregulierung und Ökonomisierung des Leistungsgeschehens sowie eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Deshalb sieht es DIE LINKE als zentrale Aufgabe an, die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf Gesundheitsleistungen zurückzudrängen. Krankenkassen sind keine Unternehmen, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht darf daher für sie nicht gelten. Sonst besteht die Gefahr, dass die Kassen ihren besonderen Status der Sozialversicherung verlieren und als normale Unternehmen behandelt werden. Somit würde einer umfassenden Privatisierung des gesamten Krankenversicherungssystems und der Zerschlagung der solidarischen Krankenversicherung Vorschub geleistet. Für die Krankenkassen wäre es nicht mehr ohne weiteres möglich, sich zu Verhandlungsgruppen zusammenzuschließen, um so günstigere Konditionen für die Versicherten auszuhandeln. Die Krankenkassen und die Leistungserbringer sowie deren Verbände könnten dann als wettbewerbswidrige Kartelle eingestuft werden. Der Abschluss von entsprechenden Rabattverträgen würde so unter Umständen zum Erliegen kommen und Einsparungen zunichte gemacht. Darüber hinaus entfielen auch Vorteile wie die Umsatzsteuerbefreiung. Die bundesdeutsche Politik des zunehmenden Wettbewerbs im Gesundheitssystem spielt mit dem Feuer. Denn der Europäische Gerichtshof (EuGH) akzeptiert die Herausnahme der Krankenversicherungen aus der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie nur, solange sie als öffentlich-rechtliche Körperschaften dem Grundsatz der Solidarität verpflichtet sind und den Erfordernissen des Allgemeinwohls dienen. Veränderungen des GKV-Systems in Richtung einer stärkeren Wettbewerbsorientierung und einer Abkehr von kollektiven, gemeinwohlorientierten Elementen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die gesetzlichen Krankenkassen vom EuGH als Unternehmen eingestuft werden und damit ihre sozialrechtliche Sonderstellung verlieren. Der Medizinprodukteskandal um minderwertige Brustimplantate hat z.B. gezeigt, dass die Patientensicherheit ein gesamteuropäisches Thema ist, welches länderübergreifend geregelt werden muss. Für den SoVD ist es in diesem Sinne wichtig, gesamteuropäische Regeln zu entwickeln, die bereits vor dem flächenmäßigen Einsatz Medizinprodukte auf ihren Nutzen für die Patientinnen und Patienten prüfen. Die derzeit in der Diskussion befindliche Verordnung wird diesem Gedanken nicht gerecht. Werden Sie sich deshalb dafür einsetzen, dass neue Medizinprodukte erst ihren Nutzen nachweisen müssen, bevor sie auf den Markt gelangen? Werden Sie dafür Sorge tragen, dass diese Mindestanforderungen so ausgestaltet werden, dass es den Nationalstaaten unbenommen bleibt, weitergehende Anforderungen zu treffen? DIE LINKE hat sich bei risikoreichn Produkten (Klassen IIb und III) klar für eine Nutzenbewertung vor Marktzugang ausgesprochen. Diese Regelungen müssen in einen
generellen Paradigmenwechsel eingebettet sein: Für alle medizinische Leistungen - nicht nur für Arzneimittel und Medizinprodukte, sondern auch etwa für Operationsmethoden oder für Psychotherapie sollte ein patientenrelevanter Nutzen nachgewiesen werden. Eine Nutzenüberprüfung von Medizinprodukten allein ist aber noch nicht ausreichend und hätte den genannten Brustimplantate-Skandal auch nicht verhindert. Daher fordert DIE LINKE, die Überprüfung nicht bisher von einer privatrechtlichen, sondern von einer behördlichen Institution vornehmen zu lassen. Zusätzlich zeigte uns der Skandal, dass engmaschige Kontrollen auch in der Produktion und in der Lieferkette sinnvoll und notwendig sind. Ziel der LINKEN ist es, umfängliche und patientenorientierte EU-Regelungen durchzusetzen. Ein rechtlicher Flickenteppich in Europa ist nur solange aufrecht zu erhalten, wie eine Mehrheit im Rat oder im Europäischen Parlament progressive EU-Bestimmungen verhindert. Die Zunahme chronischer Erkrankungen ist nicht nur ein deutsches, sondern ein gesamteuropäisches Problem. Im Rahmen der europäischen Union muss daher gelten, die verschiedenen Konzepte einzelner Mitgliedstaaten zu vergleichen und positive Erfahrungen in andere Systeme zu übertragen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass im Rahmen der Prävention vor allem von chronischen Krankheiten durch einen Vergleich verschiedener Konzepte und Strategien für die Bevölkerung Nutzen bringende Programme identifiziert werden, die dann in die jeweiligen nationalstaatlichen Systeme übernommen werden können? Programme der Aufklärung, Information und Beratung allein reichen für eine erfolgreiche Gesundheits- und Präventionspolitik nicht aus. Sie erschöpfen sich zumeist in wenig nachhaltigen Aufklärungs- oder Werbekampagnen, die an die Eigenverantwortung der Menschen appellieren. Zudem werden vor allem Menschen erreicht, die ohnehin gesundheitsbewusst sind und in der Lage, sich entsprechend zu informieren. Die WHO hat Gesundheit als vollständiges körperliches, geistiges und soziales Wohlergehen definiert. Doch die Chancen auf Gesundheit sind ungleich verteilt. Arme sterben im Durchschnitt früher als Reiche und sind auch häufiger krank. Moderne Gesundheitsförderung und Prävention, die in den Lebenswelten und den Verhältnissen ansetzt, trüge dazu bei, dass weniger Menschen krank wären sowie die sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheit abnähme. Gleichzeitig würden die Gesundheitskosten langfristig sinken. Gesundheitspolitik kann die sozial bedingten gesundheitlichen Ungleichheiten nicht im Alleingang wirksam bekämpfen. Die Einflüsse des Arbeitsmarktes, der Einkommensverteilung, der Qualität der sozialen Sicherungssysteme und der Bildungspolitik sind so groß, dass gesundheits- und präventionspolitische Ansätze allenfalls Gegenakzente setzen können. Um die Chancen, Ressourcen und damit auch die gesundheitliche Situation der Bevölkerung und insbesondere der Kinder und Jugendlichen entscheidend zu beeinflussen, ist eine gesundheitsfördernde Gesamtpolitik erforderlich, die über die klassische Aufgabenstellung der Gesundheitspolitik hinausgeht und alle Politikbereiche umfasst. Insbesondere Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Kinder-, Familien-, Wohnungsbau-, Umwelt- und Sozialpolitik sind aufeinander abzustimmen. Zur gesundheitlichen Prävention ist nicht zuletzt eine Reduzierung von Umweltbelastungen erforderlich. Dies betrifft gesundheitsgefährdende Stoffe in Lebensmitteln und Gebrauchsgütern ebenso wie etwa Feinstaub- und Lärmemissionen im Verkehr.
Werden Sie sich für Marktregulierungen einsetzen, die zur raschen und wirksamen Reduzierung entsprechender Belastungen beitragen? Der Schutz der menschlichen Gesundheit spielt für DIE LINKE eine zentrale Rolle in der Gesundheits- und Umweltpolitik, aber auch in der Energie- und Verkehrspolitik sowie beim Verbraucherschutz. Deshalb setzen wir uns für klare gesetzliche Vorgaben für Unternehmen und eine Regulierung von Märkten ein, eine Selbstregulierung der Wirtschaft ist nicht ausreichend. Beispiel Chemikalienpolitik: Die Grenzwerte für chemische Zusätze sind in vielen Bereichen viel zu hoch. So wurden z.B. die Grenzwerte für Schwermetalle in der neuen EU- Spielzeugverordnung erhöht. Bei der Verwendung von Nanostoffen in Lebensmitteln und Gebrauchsgütern gibt es fast keine Grenzwerte. DIE LINKE fordert ein Verbot gesundheitsgefährdender Chemikalien in Kinderspielzeugen und Bedarfsgegenständen für Kinder. Die europäische Chemikalienrichtlinie REACH muss konsequent und zügig umgesetzt sowie auf nanoskalige und hormonell wirksame Substanzen ausgeweitet werden. Beispiel Verkehrspolitik: Die gesundheitlichen Belastungen durch den Verkehr, insbesondere den Straßenverkehr, müssen weiter erheblich reduziert werden. Zur Lärmreduzierung setzen wir uns beispielsweise für Nachtflugverbote zwischen 22 und 6 Uhr an allen siedlungsnahen Flughäfen ein. Auf europäischer Ebene ist zur Reduktion des Schienenlärms insbesondere ein Verbot aller sog. Graugußbremsen ab 2020 erforderlich, kombiniert mit einem Förderprogramm zur Umrüstung der bestehenden Güterwagen. Pflege Das Qualitätsniveau professioneller Pflegeleistungen ist in den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. Aus Sicht des SoVD ist es zwingend, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Wohnort Zugang zu einer ihrer Würde achtenden und qualitativ hochwertigen Pflege haben. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um in den Mitgliedstaaten der EU einheitliche Mindeststandards hinsichtlich der Qualität von Pflegeleistungen zu erreichen? DIE LINKE versteht Pflege als eine Aufgabe der Gesellschaft und damit als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Eine Politik, die gerecht und solidarisch ist, kann eine effektive, menschenwürdige und an den individuellen Bedürfnissen ausgerichtete Pflege und Betreuung organisieren und finanzieren – in der Bundesrepublik, aber auch in Europa. Gesundheit und Pflege dürfen nicht der Anwendung von Markt- und Wettbewerbsmechanismen unterliegen Die Möglichkeiten zur Gestaltung der Pflege – auf nationalstaatlicher wie auf europäischer Ebene – dürfen nicht durch das europäische Binnenmarkt- und Wettbewerbsrecht eingeschränkt werden. Derzeit sind es die Mitgliedstaaten, die in ihren jeweiligen Systemen Ökonomisierungs- und Privatisierungsprozesse vorantreiben. Umso dringlicher ist der Einsatz für eine solidarische Gesundheitspolitik in Deutschland – in nationaler ebenso wie in europäischer Perspektive. Vor allem in der Pflege sind die Folgen marktförmiger Strukturen deutlich erkennbar. ?????Seit der Einführung der sozialen Pflegeversicherung 1995 hat jede Pflegeeinrichtung einen gesetzlichen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den Pflegekassen, sofern sie die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. Der private Pflegemarkt wurde
ausgeweitet. Private Träger wurden von Beginn an mit freigemeinnützigen Trägern gleichgestellt, womit letztere ihren Vorrang bei der Leistungserbringung einbüßten. Die Auswirkungen der Privatisierung sind vor allem steigende Konkurrenz und Druck auf die Löhne und Beschäftigten (Arbeitsverdichtung). Aber auch das Leistungsangebot der einzelnen Dienste hat sich verringert. Die Leistungen richten sich nicht nach dem Bedarf, sondern nach den Pflegesätzen. Der Kostendruck ist immens: Die Hälfte der ambulanten Pflegedienste gibt an, dass die Vergütung nicht ihre Kosten deckt (unzureichende Zeitvorgaben für angemessene Pflege, fehlende Berücksichtigung des erhöhten Betreuungsaufwandes bei Demenzkranken, Personalkosten). Privatisierung löst die Probleme nicht, sondern verschärft sie und schafft neue. Deshalb will DIE LINKE weitere Privatisierung verhindern – dazu gehört auch, dass bereits privatisierte Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in nicht-kommerzielle Trägerschaft überführt werden. Freigemeinnützige Träger sind zu stärken. Generell setzt sich die LINKE für eine Stärkung des Öffentlichen ein, begleitet von Partizipation, Mitbestimmung und Transparenz – also verbesserten demokratischen Strukturen. Die Gesellschaften in vielen EU-Mitgliedstaaten altern. Dies stellt insbesondere die nationalen Pflegesysteme vor eine enorme Herausforderung. Wie sieht Ihr Ansatz aus, dieser aus gesamteuropäischer Perspektive zu begegnen? In Deutschland bedeutet das, die Pflege auf eine solide Finanzgrundlage zu stellen und eine Abkehr vom Teilkasko-Prinzip auf den Weg zu bringen. Eine sozial gerechte Pflegeversicherung muss perspektivisch alle nötigen Leistungen übernehmen. Finanzierbar wird das, wenn alle Menschen und alle Einkommen in die solidarische Pflegeversicherung einbezogen werden (solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege). Bisher gewährt die Pflegeversicherung Menschen mit Pflegebedarf nur einen Zuschuss zu den Kosten der Pflege. Die Betroffenen müssen auf ihr Einkommen und Vermögen zurückgreifen. Viele werden von der Sozialhilfe oder von der Unterstützung ihrer Angehörigen abhängig. Diese wiederum sind oft überfordert und stark belastet. Gute Pflege darf nicht von der Größe des eigenen Geldbeutels abhängen. DIE LINKE fordert, dass es allen Menschen möglich ist, selbstbestimmt zu entscheiden, ob sie ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflege- oder Assistenzleistungen in Anspruch nehmen wollen. Damit eine solche neue Pflege-Politik gelingt, muss das Leistungsniveau der Pflegeversicherung deutlich angehoben werden. Das bietet den Betroffenen die Möglichkeit, sich fachgerecht zu Hause pflegen zu lassen. Ein Ausbau des bezahlbaren, barrierefreien Wohnraums ist dafür unerlässlich. Der seit 2009 vorliegende (und 2013 bestätigte) neue Pflegebegriff und das neue Begutachtungsverfahren müssen endlich vom Gesetzgeber umgesetzt werden. Schwarz-Rot hat dafür im Koalitionsvertrag keine Finanzierung vorgesehen, sondern kündigt Modellprojekte an. Wieder wird eine Legislaturperiode vergeudet, bevor es grundlegende Verbesserungen für Menschen mit Pflegebedarf und ihre Angehörigen gibt. Die mit fünf Euro im Monat geförderte private Pflegezusatzversicherung („Pflege-Bahr“) ist zu stoppen ebenso wie der geplante Kapitaldeckungsstock. Der Einstieg in die Privatisierung der Pflegevorsorge ist unsozial, volkswirtschaftlich unsinnig und benachteiligt Geringverdienende und Menschen mit Behinderungen. Das führt am Ende zu einer Zwei-Klassen-Pflege, gegen die wir uns entschieden wenden. Stattdessen ist die solidarische Finanzierung auszubauen.
Pflege ist eine schwere und anspruchsvolle Arbeit, die gesellschaftlich anerkannt und entsprechend bezahlt werden muss. Die Anhebung des Leistungsniveaus der Pflegeabsicherung eröffnet den finanziellen Spielraum, Pflegekräfte besser zu bezahlen. Mini- und Midijobs in der Pflege müssen in reguläre und tariflich bezahlte Arbeitsplätze umgewandelt werden. Damit Lohndumping in der Pflege verhindert wird, ist als unterste Grenze ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro einzuführen. Um die Qualität der Pflege zu sichern, fordert DIE LINKE bundesweite Standards über eine qualitätsbezogene Personalbemessung. Bis dahin müssen Bund und Länder sich gemeinsam das Ziel setzen, mindestens die Hälfte der Personalstellen mit Fachkräften zu besetzen. Allein in deutschen Haushalten pflegen und betreuen je nach Schätzung zwischen 100.000 und 800.000 Menschen als „Haushaltshilfen“ rund um die Uhr pflegebedürftige Menschen. Diese Beschäftigungsverhältnisse, die in Deutschland fast ausnahmslos von Frauen aus Osteuropa ausgeübt werden, finden jedoch in fast allen Mitgliedstaaten, in denen Gesellschaften vom demographischen Wandel und Pflegekräftemangel betroffen sind, statt. Da sie sich häufig in einer rechtlichen Grauzone bewegen, spricht man hierzulande bereits von einem sogenannten „grauen Pflegemarkt“. Werden Sie Maßnahmen ergreifen, um der damit einhergehenden Ausbeutung dieser Arbeitskräfte wirkungsvoll entgegenzuwirken? Wenn ja: Welche? Die Pflegeversicherung gewährt pflegebedürftigen Menschen nur einen Zuschuss zu den Pflegekosten. Dieser Zuschuss dient vorrangig dazu, die familiäre, nachbarschaftliche oder ehrenamtliche Pflege zu ergänzen. Angehörige versuchen, die Lücke zwischen tatsächlichem Bedarf und den real verfügbaren und bezahlbaren Pflegefachkräften und Betreuungskräften zu schließen, indem sie Migrantinnen – meist aus Osteuropa – für die häusliche Versorgung anwerben und beschäftigen. Meist als Haushaltshilfen beschäftigt, treffen Migrantinnen auf komplexe Anforderungen und undurchsichtige rechtliche Arrangements. Arbeitsschutz und menschenwürdige Beschäftigungsbedingungen bleiben auf der Strecke. Entstanden ist ein grauer Pflegemarkt, in dem private Leistungsanbieter und Vermittler von der Not der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen profitieren. DIE LINKE hat diese Missstände 2012 mit eine Kleinen Anfrage: „Arbeitnehmerrechte ausländischer Pflegehilfskräfte im grauen Pflegemarkt“ (BT-Drs. 17/8373) öffentlich thematisiert und wird dieses Thema weiterhin parlamentarisch und außerparlamentarisch bearbeiten. Die Europäische Berufsanerkennungsrichtlinie regelt die Anerkennung von Berufsqualifikationen in den EU-Mitgliedstaaten und vereinfacht Verwaltungsverfahren. Sie spielt einerseits bei der Migration u.a. von Pflegekräften innerhalb der Europäischen Union eine maßgebliche Rolle, beeinflusst andererseits aber auch nationale Zugangsvoraussetzungen zu Ausbildungsberufen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass zukünftig anstelle einer festen Zahl an Schuljahren ein einheitliches Qualifikationsniveau als Zugangsvoraussetzung zu den Pflegeberufen geschaffen wird? Ein vergleichbares Qualifikationsniveau nach Abschluss der Berufsausbildung wird nicht durch die Anzahl der Schuljahre vor Ausbildungsbeginn gewährleistet. Entscheidend sind die Qualität, die Inhalte und der Umfang der Ausbildung, mit der die zukünftigen Pflegekräfte zur Berufsausübung befähigt werden. Deshalb muss die Pflegeausbildung zeitgemäß weiterentwickelt werden, um den Ansprüchen an eine qualitativ hochwertige Versorgung
gerecht zu werden und den Handlungsradius der Pflegeberufe zu erweitern. Die Integration der Pflegeberufe zu einer dreijährigen dualen Berufsausbildung mit zweijähriger einheitlicher Grundausbildung und anschließender einjähriger Schwerpunktsetzung in allgemeiner Pflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege mit gleichwertigen Abschlüssen ist der richtige Weg. Die Durchlässigkeit zwischen den Pflegeberufen und innerhalb des Bildungssystems und der Zugang zu einschlägigen Hochschulstudiengängen in Pflegewissenschaft, Pflegemanagement oder Lehramt ist ohne zusätzliche Hochschulzugangsberechtigung auf der Grundlage der dreijährigen Ausbildung zu ermöglichen. Für eine gerechtere Ausbildungsfinanzierung ist ein Umlageverfahren zur Einrichtung eines Ausbildungsfonds einzuführen. Parallel muss die Zahl der Ausbildungsplätze erhöht sowie Schulgelder, Studiengebühren und Prüfungsgebühren abgeschafft werden. Alterssicherung Die Ausgestaltung der nationalen Alterssicherungssysteme ist originäre Aufgabe der EU- Mitgliedstaaten, nicht der EU. Damit soll den in den Mitgliedstaaten historisch gewachsenen und sehr unterschiedlichen Alterssicherungssystemen Rechnung getragen werden. Sind Sie mit uns der Meinung, dass die Ausgestaltung der nationalen Alterssicherungssysteme auch in Zukunft originäre und eigenverantwortliche Aufgabe der Mitgliedstaaten sein sowie der Versuch der EU, in nationale soziale Sicherungssysteme einzugreifen, unterbunden werden muss? Die Ausgestaltung der nationalen Alterssicherungssysteme sollte auch in Zukunft im Wesentlichen eigenverantwortliche Aufgabe der Mitgliedsstaaten sein. Allerdings sehen wir es durchaus als Aufgabe einer koordinierten europäischen Sozialpolitik an, soziale Mindeststandards zu setzen. Diese müssen sich an den Lebensverhältnissen in den jeweiligen Mitgliedsstaaten orientieren. Die in der EU etablierte Definition des Armutsrisikos als 60% des nationalen mittleren Einkommens bietet sich hierfür als Maßstab an. Für die Alterssicherung würde dies bedeuten, dass in den Mitgliedsstaaten Mindestsicherungssysteme geschaffen bzw. ausgebaut werden, die ihren Bürgerinnen und Bürgern ein Leben jenseits der Armutsrisikogrenze ermöglichen. Über diese Mindeststandards hinaus gehende Gestaltungsfragen der Alterssicherung würden in der Hoheit der Mitgliedsstaaten verbleiben. Teilen Sie unsere Auffassung, dass insbesondere die Festlegung des Rentenniveaus und des Leistungsspektrums zu diesen Kernaufgaben der Mitgliedstaaten gehört? Ja, diese Meinung teilen wir. Auch die Bestimmung des Renteneintrittsalters sollte Kernkompetenz der Mitgliedsstaaten bleiben. In den vergangenen Jahren wurde die Koordinierung auf europäischer Ebene auch im Bereich der Rentenpolitik erheblich ausgebaut. Dabei stehen unter dem Schlagwort finanzieller „Nachhaltigkeit“ stets die Kosten der Renten- und Pensionssysteme, nicht aber ihre Leistungsseite im Vordergrund. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die Leistungsseite künftig im Mittelpunkt der Koordinierungsbemühungen auf europäischer Ebene rücken wird?
Ja, das werden wir. Momentan steht sowohl auf der nationalen als auch auf der europäischen Ebene das Leistungsniveau unter dem Diktat der Kosten- und Beitragssatzbegrenzung. In Deutschland wird das Rentenniveau dadurch bis 2030 um ein Fünftel sinken. Eine Rente von ehemals 1.000 Euro wird dann nur noch 800 Euro wert sein. Für Menschen mit geringen bis mittleren Einkommen wird es dadurch sehr schwer, armutsfeste Rentenansprüche zu erwerben. Das stellt die Legitimation des Pflichtbeitragssystems insgesamt in Frage. Damit die gesetzliche Rente auch in Zukunft auskömmliche Renten gewährleisten kann, muss das Leistungsniveau wieder in den Mittelpunkt der Rentenpolitik gestellt werden und auf mindestens 53 Prozent (Sicherungsniveau vor Steuern) angehoben werden. In dem sogenannten Weißbuch Rente vom 16. Februar 2012 spricht sich die EU-Kommission unter anderem dafür aus, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Für den SoVD ist die Frage des Renteneintrittsalters jedoch weniger eine Frage nach der Finanzierbarkeit, sondern vielmehr eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Sind Sie mit uns der Auffassung, dass die Festlegung der Altersgrenzen für den Rentenbeginn zu den originären und eigenverantwortlichen Aufgaben der Mitgliedstaaten gehört? Ja und wir sehen es wie der SoVD: Die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist keine Zwangsläufigkeit des demografischen Wandels. Dieser kann dadurch bewältigt werden, dass der wirtschaftliche Fortschritt gerecht verteilt wird und bei den Lohneinkommen ankommt. Dann haben die Leute bessere Rentenansprüche und die Rentenkasse mehr Geld. Außerdem kann die Beschäftigung von Gruppen, die bisher vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen waren oder nur wenig arbeiten konnten – Frauen, Migrant/innen und Ältere – gesteigert werden. Dadurch verbessert sich das Verhältnis von Beitragszahlenden zu Rentenbeziehenden. DIE LINKE will die Arbeitgeber wieder paritätisch an den Kosten der Alterssicherung beteiligen und alle Berufsgruppen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Die Beitragsbemessungsgrenze soll abgeschafft und die hohen Renten sollen abgeflacht werden. Auch dadurch entsteht finanzieller Spielraum, der eine Erhöhung des Rentenalters überflüssig macht. Sprechen Sie sich mit uns dagegen aus, das Renteneintrittsalter automatisch an die steigende Lebenserwartung zu koppeln? Ja. Wir lehnen die in Deutschland vorgenommene Anhebung der Altersgrenzen ebenso ab, wie Vorstöße der EU das Rentenalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Denn für die meisten Menschen bedeutet die Anhebung der Altersgrenzen nichts anderes als eine Kürzung ihrer Renten über Abschläge, weil sie gar nicht so lange arbeiten können. Statt auf diese Weise die Altersarmut zu befördern, muss der demografische Wandel auf andere und gerechte Weise bewältigt werden (s.o.).
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