Wahrnehmen - Deuten - Handeln - Rechtsextremismus in der Sozialen Arbeit keinen Raum bieten - MBR Berlin
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In Zusammenarbeit mit Wahrnehmen – Deuten – Handeln Rechtsextremismus in der Sozialen Arbeit keinen Raum bieten DEUTSCHER PARITÄTISCHER WOHLFAHRTSVERBAND GESAMTVERBAND e. V. | www.paritaet.org
Inhalt Charta gegen Rassismus und Rechtsextremismus des Paritätischen .......................................................................... 3 Vorwort .................................................................................................................................................................................... 5 Einleitung ................................................................................................................................................................................ 7 WAHRNEHMEN – Strategien und Aktionsformen der Rechtsextremen Szene: Besetzung des öffentlichen Raumes, Bürgernähe und Wortergreifung ................................................................... 10 Bürgernähe und „nationale Jugendarbeit“ ......................................................................................................................... 10 Besetzung des öffentlichen Raums ....................................................................................................................................... 11 „Wortergreifungsstrategie“ ...................................................................................................................................................... 12 Ideologische Erziehung, rechtsextreme Frauenorganisationen und Jugendarbeit ........................................... 14 Konflikte im Kontext der Flüchtlingsaufnahme abwehren .......................................................................................... 16 DEUTEN – Erkennungsmerkmale der rechten Szene: Codes, Symbole, Bekleidungsmarken und Feiertage ................................................................................................... 20 Auswahl gängiger Symbole ..................................................................................................................................................... 20 Bekleidungsmarken .................................................................................................................................................................... 22 Zahlencodes, Chiffres, Abkürzungen ................................................................................................................................... 24 Regelmäßige Feiertage der rechtsextremen Szene ........................................................................................................ 25 HANDELN – Strategische Hinweise zu Abwehr rechtsextremistischer Tendenzen ................................................. 27 Möglichkeiten der Satzungsgestaltung .............................................................................................................................. 27 Rassismus und Rechtsextremismus am Arbeitsplatz bekämpfen ............................................................................. 30 Vermietung von Räumlichkeiten ........................................................................................................................................... 38 Links gegen Rechts ............................................................................................................................................................. 46 Impressum ..................................................................................................................................................................................................... 47 2
Charta gegen Rassismus und Rechtsextremismus des Paritätischen Der Paritätische mit seinen Mitgliedsorganisationen Gruppen, vorhandene zivilgesellschaftliche Strukturen versteht sich als Verband der Vielfalt, Toleranz und Of- und Organisationen zu instrumentalisieren und für ihre fenheit für alle Menschen, unabhängig von Hautfarbe, Ideologie zu missbrauchen. Sie schließen sich den Ver- Geschlecht, sozialer oder ethnischer Herkunft, Alter, einen und Verbänden vor Ort an und versuchen, diese Glauben oder Weltanschauung, sexueller Identität, ma- von innen heraus zu beeinflussen und für ihre Zwecke terieller Situation, Behinderung, Beeinträchtigung oder zu missbrauchen. Dort, wo Angebote aus der Zivilge- Krankheit. Der Verband wird getragen von der Idee der sellschaft wegfallen, versuchen sie zudem, die entstan- Parität, das heißt der Gleichheit aller in ihrem Ansehen denen Lücken mit eigenen Angeboten zu schließen. und ihren Möglichkeiten. Vielfalt ist für uns ein zentraler Dieser Entwicklung wollen wir entgegentreten. Wert, ihre Förderung ist das erklärte Ziel unserer Ver- bandsarbeit. Wir bekennen uns öffentlich zur Gleich- Mit dieser Charta positioniert sich der Paritätische in wertigkeit aller Menschen und fühlen uns verpflichtet, aller Klarheit gegen Rassismus, Rechtsextremismus allen Ideologien der Ungleichwertigkeit entschieden und jede andere Form gruppenbezogener Menschen- entgegen zu treten. feindlichkeit. Wir leisten einen aktiven Beitrag zu Prä- vention und Bekämpfung von Diskriminierung und Für den Paritätischen gehört die Verteidigung und antidemokratischen Entwicklungen in der Gesellschaft Stärkung einer demokratischen und engagierten Bür- und damit auch in der eigenen Organisationsstruktur. gergesellschaft in Deutschland zum Kernbereich seines Wir wehren uns gegen die Einflussnahme rechtsradi- Selbstverständnisses. Wir stehen ein für eine demokra- kaler Personen und Gruppen auf unseren Verband, un- tische Kultur und für Zivilcourage in der Gesellschaft, sere praktische Arbeit und auf die Menschen, die sich insbesondere aber innerhalb unserer Mitgliedsorgani- in unseren Vereinen und Verbänden haupt- und ehren- sationen und Einrichtungen. amtlich engagieren. Aus diesem Antrieb heraus ist uns wichtig zu erklären: Wir beobachten mit großer Sorge, dass antidemokra- tische und menschenverachtende Einstellungen in al- ufgabe des Paritätischen ist es, eine demokra- A len Regionen der Bundesrepublik und in allen Bereichen tische und solidarische Gesellschaft mitzuge- der Gesellschaft zu finden sind. Nicht alle rassistischen stalten und zu verteidigen. Dazu pflegen wir eine und antisemitischen Untaten sind deutschnational Verbandskultur, die von gegenseitigem Respekt motiviert. Es ist auch gezielte Strategie rechtsextremer und Wertschätzung jedes Einzelnen geprägt ist. 3
er Paritätische verurteilt jede Form von gruppen- D bezogener Menschenfeindlichkeit. Wir dulden kei- ne Form von Rassismus, Rechtsextremismus oder Antisemitismus in unserer Gesellschaft, in unseren Mitgliedsorganisationen oder bei unseren Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern. D er Paritätische schätzt die Vielfalt der Gesellschaft innerhalb und außerhalb des Verbandes und wird den Prozess der interkulturellen Öffnung im Sinne unserer Grundsätze fortführen. Diese Charta soll durch einen kontinuierlichen Dialog des Paritätischen und seiner Mitgliedsorganisationen weiterentwickelt sowie durch gezielte Öffentlichkeits- arbeit, politische Bildung und Aufklärung durch Hand- lungsempfehlungen, Handreichungen und Arbeitshil- fen flankiert werden. 4
Vorwort Rechtsextremismus ist leider kein überwundenes Pro- frontiert, wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche. blem unserer Gesellschaft, sondern immer noch prä- Nicht immer sind diese dabei eindeutig und deutlich sent. Das fängt an bei der kleinen Beleidigung im Alltag als rechtsextrem erkennbar. Aber gerade auch die, die und reicht über Pöbeleien bis hin zur steigenden Zahl als zunächst unauffällige Mitarbeiter oder Klienten von Anschlägen gegen Flüchtlingsunterkünfte und in unserer Mitte auftauchen, können uns und unsere andere Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund; Klienten und unsere Kollegen gefährden. Immer wie- vom Auftreten rechter Terrorgruppierungen wie dem der passiert es zum Beispiel, dass in Einrichtungen der NSU ganz zu schweigen. So sehr Menschen mit rechts- ambulanten und stationären Pflege Mitarbeiterinnen extremen, rassistischen und antisemitischen Einstel- und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund mit abwer- lungen politisch auch außerhalb unseres demokrati- tenden und rassistischen Äußerungen von Klienten schen Konsens stehen mögen, sie leben doch inmitten konfrontiert werden. Auch Menschen mit Behinderung unserer Gesellschaft. Sie gehen einem Beruf nach und oder Obdachlose sehen sich immer wieder mit abwer- nehmen Freizeit- und Kulturangebote in Anspruch, sie tenden oder beleidigenden Äußerungen konfrontiert. treiben Sport und sind in Vereinen und Sozial- verbänden ehrenamtlich tätig, sie besuchen Ver- anstaltungen und lassen sich in Beratungseinrich- tungen helfen, sie schi- cken ihre Kinder in Kitas und Schulen und werden in Vertretungsorgane ge- wählt. Kurz, sie nehmen am ganz normalen, all- täglichen Leben teil. Aus diesem Grund sind soziale Dienste und Ein- richtungen genauso mit Rechtsextremen kon- 5
Mitunter versuchen Rechtsextreme auch ganz gezielt, Dazu soll diese Handreichung einen Beitrag leisten. Sie unsere Grundsätze – Offenheit, Vielfalt und Toleranz – soll Basiswissen zum Thema Rechtsextremismus und auszunutzen, und für sich zu instrumentalisieren. Dabei Rassismus für alle Kolleginnen und Kollegen im Pari- steht der Paritätische seit jeher für die beiden Grund- tätischen und seinen Mitgliedsorganisationen zur Ver- sätze „Gleiche Chancen FÜR jeden Mensch und Respekt fügung stellen. Orientiert an Praxis und Alltag, sollen VOR jedem Menschen“. Die rechtsextremen Kräfte aber Tipps und Handlungsempfehlungen für den Umgang wollen genau das Gegenteil: Sie wollen aufgrund von mit rechtsextremen Positionen und Phänomenen ge- äußeren Merkmalen oder der Herkunft Ausgrenzung geben werden. Ziel dieser Handreichung ist es, zentrale betreiben. Alle Erfahrungen zeigen, dass nur die kon- Ansatzpunkte zu beleuchten, Hilfestellungen zu leisten sequente Zurückweisung seitens der Demokratinnen und auf weiterführende Informationsmöglichkeiten und Demokraten solche Versuche der Rechtsextremen, hinzuweisen. Ich wünsche eine interessante Lektüre – politische Diskussionen zu dominieren oder das soziale und eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis. Umfeld für antidemokratische Zwecke zu nutzen, ab- wehren kann. Ihr Im Paritätischen arbeiten wir jeden Tag dafür, dass je- der Mensch die gleichen Chancen erhält und mit dem gleichen Respekt behandelt wird. Dazu ist es wichtig, dass die eigene Haltung und Werte auch im (Berufs-) Prof. Dr. Rolf Rosenbrock Alltag gelebt werden. Offenheit gegenüber anderen Vorsitzender Kulturen, Toleranz, gegenseitiges Verständnis, demo- Der Paritätische Gesamtverband kratische Beteiligung und Mitbestimmung sowie das Eintreten für eine sozial gerechte Gesellschaft für alle Menschen – egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Kultur oder Religion, Geschlecht oder sexuellen Orientierung – das sind Werte, für die wir als Paritäter immer wieder eintreten und werben müssen – nach außen in der Öf- fentlichkeit, aber auch innerverbandlich. 6
Einleitung Rechtextremismus und Faschismus sind immer noch oder rechtsextreme Einstellungen vertreten, die aber verbreitet und tief verwurzelt bis in die Mitte der Ge- nicht durch Gewalttaten auffallen; die sich bieder, brav sellschaft. Sie äußern sich in Rassismus, Fremden- und bürgerlich geben, die in der Mitte der Gesellschaft feindlichkeit, Antisemitismus, Homophobie und Islam- in versteckter Form agieren – oft freundlich, unauffällig, feindlichkeit, aber auch in Angriffen auf Menschen mit ohne allzu offen zu hetzen: der Familienvater, der sich Behinderung und Obdachlose. Es geht von verbalen im Elternrat der Schule seiner Kinder engagiert und Abwertungen oder Beleidigungen, über Mobbing im im Internet ein rechtsradikales Forum moderiert, die Alltag bis hin zu körperlichen Übergriffen und Anschlä- freundliche Erzieherin, die mit den Kindern gerne völ- gen. Besonders betroffen sind Minderheiten, die Diskri- kische Lieder singt oder die junge Mutter mit den pink minierungen oftmals ohne ausreichend Unterstützung gefärbten Haaren, Piercings und Thor Steinar Pullover, ausgesetzt sind, da auch Ordnungsbehörden unter- die sich im Jugendclub ehrenamtlich engagiert. schiedlich konsequent angezeigte Taten verfolgen. Es sind jedoch längst nicht mehr nur Glatze und Bomberjacke, Springerstiefel und Baseballschläger, mit denen sich die rechte Szene zu erkennen gibt. Nicht alle sind „dumm und gewalttätig“, wie es häufig klischeehaft darge- stellt wird. Im Gegenteil: Die- se Klischees verhindern, dass rechtsextreme Einstellungen auch dann wahrgenommen werden, wenn sie eher schlei- chend und unauffällig daher- kommen. Dabei geht leicht der Blick auf diejenigen ver- loren, die zwar unzweifelhaft menschenverachtende und/ 7
Das Auftreten und durch eine konsequente und gemeinsame die Strategien der Zurückweisung die Versuche der Rechts- Rechten haben extremen, eine öffentliche Bühne für ihre sich enorm ge- Agitation zu erhalten, erfolgreich abge- wandelt und mo- wehrt werden können. Sie treten immer dernisiert. Smart- nur so offensiv und selbstbewusst auf, wie phones, Facebook, es die demokratischen Kräfte zulassen. Wo Twitter & Co. ge- dies in der Vergangenheit aus unterschied- hören heute ganz lichen Gründen nicht gelang, errangen selbstverständlich die Rechtsextremen zumindest einen Teil- zu den Werkzeu- erfolg. gen der rechts- extremen Szene in denen sie mitunter auch soziale Dass die Strategie von Rechtsextremen mancherorts Themen aufgreifen. Ebenso bunte Flyer, Buttons oder erfolgreich ist, unterstreicht die Notwendigkeit, sich Sticker, um ihre Botschaften zu verbreiten. Die rechtsex- als Organisation oder Einrichtung mit dem Thema zu treme Szene setzt auf eine Vielfalt an Ausdrucksformen befassen, um im Bedarfsfall aktiv handeln zu können. und adaptiert mitunter Elemente der Pop- und Jugend- Ein Ausschluss von Rechtsextremen aus Einrichtungen kultur ebenso wie Protestformen sozialer Bewegungen. oder von öffentlichen Veranstaltungen hat dabei nichts Wie ein Patchwork-Teppich setzt sich die Identität vieler mit mangelnder Toleranz zu tun, sondern mit der de- Aktivisten der rechtsextremen Szene zusammen: In der mokratischen Ächtung rechtsextremer Positionen. Regel unauffällig und angepasst in der Schule, im Büro Rechtsextremes Gedankengut liegt außerhalb des To- oder im Betrieb, radikal und brutal in ihrer Freizeit und leranzbereichs! Tolerieren anderer Meinungen bedeu- am Wochenende. tet grundsätzlich, diese zu dulden, auch wenn einem die Meinung nicht gefällt. Toleranz ist aber inhaltlich Doch nicht nur der „Lifestyle“ der rechtsextremen Szene nicht beliebig und kann keineswegs heißen, Diskrimi- hat sich gewandelt, auch Ziele und thematische Agenda nierungen, rassistische oder antisemitische Positionen wurden modernisiert. Themen wie Heimatschutz, „Ar- zu akzeptieren. Demokratie ist mehr als ein „Marktplatz beitsplätz nur für Deutsche“, der Ruf nach der „Todesstra- der Meinungen“. Rechtsextreme sind Protagonisten fe für Kinderschänder“ oder die Forderung nach einem einer menschenverachtenden Ideologie, die nicht vor „Müttergehalt“ fungieren dabei als Türöffner in die Mit- rassistisch begründeter Gewalt bis hin zu Mord zurück- te der Gesellschaft. Alle Erfahrungen zeigen, dass nur schrecken. Wer sich daher zu rechtsextremer Ideologie 8
bekennt, in einer rechtsextremen Gruppierung orga- onsmuster, die Symbole, Codes und Modemarken der nisiert ist oder einer rechtsextremen Partei angehört, rechten Szene, damit das Problem überhaupt erkannt kann nicht gleichberechtigte/-r Diskussionspartner/-in wird. Und es bedarf gezielter rechtlicher Informati- in der politischen Auseinandersetzung mit Demokrat/- onen, um auf rechtsextreme Äußerungen sowie auf innen sein. Vereinnahmungs- und Unterwanderungsversuche ad- äquat reagieren zu können. Wir brauchen Beratung zur Dazu gehört auch, dass Menschen, die bereits Opfer Gestaltung von Satzungen, Arbeitsverträgen, Betriebs- rechtsextremer oder rassistischer Gewalt geworden vereinbarungen, Leitbildern, Mietverträgen etc. Nur sind oder potenziellen Opfergruppen angehören, be- wenn im öffentlichen Raum aktiv für demokratische sonders geschützt werden. Die Ächtung von rechtsex- Werte und Menschenrechte gekämpft wird, kann dem tremen Positionen und der Ausschluss rechtsextremer Rechtsextremismus erfolgreich entgegengetreten und Personen von öffentlichen Veranstaltungen sind nicht ihm der Nährboden entzogen werden. vergleichbar mit dem Vorgehen der Rechtsextremen gegen diejenigen, die sie selbst zu ihren politischen Diese Aufgabe kann nicht umfassend mit einer Hand- Gegner/-innen und Feinden erklären. Von demokra- reichung behandelt werden. Ziel dieser Handreichung tischer Seite aus erfolgen Ächtung und Ausschluss auf ist es daher, zentrale Ansatzpunkte zu beleuchten, erste der Basis eines demokratischen und menschenrechtso- Hilfestellungen zu leisten und auf weiterführende Infor- rientierten Standpunktes und haben das Ziel, rechtsex- mationsmöglichkeiten hinzuweisen. tremen Protagonisten keine Plattform dafür zu bieten, ihre Ideologie zu propagieren. Selbst zu Wahlkampf- zeiten gibt es keinen Automatismus, der dazu zwingt, die NPD oder andere rassistisch oder rechtspopuli- stisch argumentierende Parteien zu Informations- oder Diskussionsrunden einzuladen. Es bedarf demnach einer Sensibilisierung der Verant- wortlichen bei den Verbänden, den Trägern und den Mitarbeitern, damit das Problem und die Protagonisten als solche identifiziert und ernst genommen werden. Es bedarf des Wissens über die modernen Strategien und Erscheinungsformen, die Themen und Argumentati- 9
WAHRNEHMEN – Strategien und Aktionsformen der Rechtsextremen Szene: Besetzung des öffentlichen Raumes, Bürgernähe und Wortergreifung Der moderne Rechtsextremismus hat sich nicht nur Bürgernähe und „nationale Jugendarbeit“ kulturell weiterentwickelt, sondern auch strategisch modernisiert. Aktuelle rechtsextreme Strategien und Teil einer Gesamtstrategie bildet der Versuch, über so- Aktionsformen zielen darauf, sich in den Nachbar- ziales und politisches Engagement die Akzeptanz der schaften, Stadtteilen und Kommunen sozialräumlich lokalen Bevölkerung zu erreichen. So ist es Rechtsextre- zu verankern. Im Repertoire der Rechtsextremen be- men in einigen Regionen gelungen, Teil der Bürgerge- finden sich zum Teil militante und gewalttätige Akti- sellschaft zu werden. Es sind Angehörige der rechtsex- onsformen gegen politische Gegner/-innen und Min- tremen Szene, die z.B. kleine oder mittlere Unternehmen derheiten sowie Überzeugungsarbeit im Hinblick auf betreiben oder im örtlichen Vereinsleben aktiv sind und die von Ihnen umworbene Zielgruppe. In diesem Zuge damit als „gute Nachbar/-innen“ anerkannt sind. geraten auch Einrichtungen, Dienste und Mitarbeiter/- innen der Freien Wohlfahrtspflege in den Blick der Mit Blick auf Jugendliche bedeutet diese bürgernahe Rechtsextremen. Normalisierungsstrategie zum Beispiel, dass Rechts- extreme attraktive Freizeitangebote machen, die z.T. durchaus auch kompatibel mit den Ansprüchen der El- tern sind. Im Rahmen dieser „nationalen Jugendarbeit“ organisieren sie Freizeitaktivitäten, wie gemeinsame Kinoabende, den Besuch von Fußballspielen, Schiff- fahrten oder Zeltlager für Jugendliche. Sie veranstalten Kinderfeste, versuchen Schülerzeitungen zu installie- ren, begleiten Kinder Alleinerziehender zum Kindergar- ten oder leisten Hausaufgabenhilfe. Die Voraussetzung für den Erfolg dieser Normalisie- rungsbemühungen ist, dass sich Rechtsextreme konse- quent in kommunale Prozesse einbringen. Sie besuchen öffentliche Veranstaltungen und versuchen dort, die 10
Diskussion zu beeinflussen oder zu bestimmen. Dabei knüpfen sie an tagespolitische Diskurse an und setzen sich z.B. gegen die Abholzung von Bäumen oder den Einzug der Gentechnik in die Landwirtschaft ein, oder sie bieten Informationen für Sozialleistungsbezieher/- innen an. Neben solchen scheinbar unideologischen Kampagnen gehören aber auch z.B. Bürgerinitiativen Besetzung des öffentlichen Raums gegen die Existenz von Flüchtlingswohnheimen („Nein zum Heim!“) zum Repertoire des Versuchs, Zustimmung Im Rahmen des „Kampfes um die Straße“ finden jedes in der Bevölkerung zu erringen. Jahr zahlreiche rechtsextreme Demonstrationen in ganz Deutschland statt. Teil einer Demonstration zu In Großstädten ist die rechtsextreme Szene häufig auf- sein, vermittelt vor allem rechtsextrem-orientierten grund der Stärke der demokratischen Gegenkräfte und Jugendlichen ein konkretes Gemeinschaftsgefühl, der nach wie vor relativ gut ausgebauten sozialen Infra- die Identifizierung mit der Szene wird gestärkt. Durch struktur bei weitem nicht so erfolgreich bei ihren Bemü- das Skandieren von Parolen, Gespräche mit anderen hungen um Normalisierung wie in ländlichen Gebieten. rechtsextrem(orientiert)en Teilnehmer/-innen und Re- In einer deutschen Großstadt wurde zwar von organisier- den von rechtsextremen Funktionär/-innen werden ten Rechtsextremen eine Kampagne für ein „nationales“ Weltanschauungen vermittelt und gefestigt. Jugendzentrum durchgeführt, in deren Verlauf sich die Rechtsextremen immer wieder als Vertreter/-innen an- Allerdings wird die Straße nicht nur zu besonderen An- geblich ausgegrenzter „nationaler“ Jugendlicher oder lässen wie Demonstrationen besetzt, vielmehr werden als „Sozialarbeiter“ darzustellen versuchen. Bisher schei- Nachbarschaften und Stadtviertel gerade im Alltag terten sie allerdings dort an einem konsequenten Um- als „eigenes“ Territorium beansprucht. Rechtsextreme gang seitens Zivilgesellschaft, Jugendarbeit und Politik, schaffen dafür die Voraussetzungen, indem sie sich in die sich neben vielen proaktiven Maßnahmen der Demo- bestimmten Wohnquartieren konzentrieren und ver- kratieförderung auch deutlich gegen rechtsextreme Ver- suchen, Infrastrukturen aus Kneipen und Szeneläden einnahmungsversuche einsetzen. aufzubauen. Derartige Infrastrukturen bieten nicht 11
„Wortergreifungsstrategie“ nur die Möglichkeit des sozialen Kontakts zwischen Rechtsextremen und Rechtsextrem-Orientierten, sie Um Zugang zu kommunalpolitischen Prozessen zu strahlen auch auf das soziale Klima im Stadtteil aus. Die erhalten, wenden Rechtsextreme systematisch die so rechtsextreme Infrastruktur fungiert als Basis für die genannte „Wortergreifungsstrategie“ an, die zunächst gezielte oder schleichende „Besetzung“ des öffentlichen von der NPD-Parteiführung propagiert wurde und in- Raumes. Rechtsextrem(-orientiert)e werden im Sinne zwischen sowohl von Parteiangehörigen als auch von einer solchen Besetzung des öffentlichen Raums aktiv, aktionsorientierten Rechtsextremen aus dem Kame- indem sie durch Tags1 und Aufkleber die Sozialräume radschaftsspektrum eingesetzt wird. Kern dieser Strate- als „eigenes“ Territorium markieren. Diese in großer gie ist es, lokale Veranstaltungen gezielt aufzusuchen, Zahl anzubringen, ist Teil der erlebnisorientierten Akti- um dort bürgernah und gemäßigt aufzutreten und onsformen, und dient der Einbindung in politische Ak- zu versuchen, die Meinungsführerschaft zu überneh- tionen. men. Nicht selten sind es Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Aber auch Veranstaltungen zu anderen kommunal- und gesellschaftspolitischen Themen, etwa der Aufnahme von Flüchtlingen, werden als Bühne für rechtsextreme Inszenierung und Agitation genutzt. Durch zumeist moderates Auftreten versuchen die rechtsextremen Besucher/-innen das Bild zu vermitteln, sich im ganz normalen, demokratischen Meinungs- spektrum zu bewegen. Indes verfolgen sie mit ihren Veranstaltungsbesuchen und Teilnahmen an Podien ein strategisches Ziel: Die Teilnahme erfolgt vornehm- lich mit der Absicht, die Meinungsführerschaft in der Diskussion zu übernehmen, die aktuellen gesellschaft- lichen Themen durch eigene, zumeist umfangreiche Wortbeiträge rechtsextrem zu besetzen und den Ver- lauf der Veranstaltung zu bestimmen. Falls dies nicht 1 „Unterschrift“ unter gesprühten Bildern. Gilt in der Gang-Kultur als möglich ist, ist es das Ziel, die Veranstaltung zumindest territoriale Markierung. 12
zu stören und politische Gegner durch ein entspre- Weiterführende Informationen zu diesem The- chendes Auftreten einzuschüchtern. Dieses Vorgehen ma finden sie in der Broschüre „Wir lassen uns der Rechtsextremen zeigt Wirkung. Geben sich im Ver- das Wort nicht nehmen! – Empfehlungen zum lauf einer Veranstaltung Personen als Rechtsextreme Umgang mit rechtsextremen Besucher/innen zu erkennen und dominieren sie im Publikum oder mit auf Veranstaltungen“ der Mobilen Beratung ihren Parolen die Diskussion, macht sich Unbehagen gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) breit. Nicht selten stehen die anwesenden Demokrat/- innen einer solchen Situation unsicher, wenn nicht gar hilflos gegenüber. Ob die Wortergreifungsstrategie in der Praxis tatsäch- lich erfolgreich ist oder scheitert, hängt maßgeblich von dem Verhalten der Veranstalter und der anwe- senden Teilnehmer/-innen ab. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass Veranstalter/innen durch den konsequenten und schnellen Ausschluss von Rechtsextremen deren Wortergreifung erfolgreich verhindert können. Tipps zum Umgang mit Personen, die versuchen die Worter- greifungsstrategie anzuwenden finden Sie im Praxisteil dieser Handreichung. 13
Ideologische Erziehung, rechtsextreme Frauenorganisationen und Jugendarbeit Auch rechtsextreme Frauenorganisa- die über den Rahmen des Privaten tionen, wie die inzwischen verbote- hinausreicht, von daher bestand ne Gemeinschaft Deutscher Frauen eine enge Zusammenarbeit mit (GDF), oder der Ring Nationaler Frauen der inzwischen verbotenen Heima- (RNF) oder Jugendorganisationen (z.B. treuen Deutschen Jugend (HDJ), Junge Nationaldemokraten, JN) spie- die völkische, rechtsextreme Ju- len eine Rolle. Rechtsextreme haben gendarbeit betrieb. erkannt, dass eine möglichst frühzei- tige Beeinflussung von Kindern und Das Engagement der GDF war in- Jugendlichen eine große Wirkung in sofern mit Besorgnis zu betrach- ihrem Sinne erzielen kann. ten, als die Aktivistinnen auch versuchten, über Gremien wie Die verbotene rechtsextreme Frauen- Elternräte oder Mütterkreise in organisation GDF war eine der einfluss- Kindertagesstätten und Schulen reichsten rechtextremen Frauengrup- Einfluss auf die Erziehungs- und Bil- pen der letzten Jahre. Sie wurde 2001 dungsarbeit zu nehmen. In ihrem von einschlägig bekannten rechtsex- Auftreten knüpften sie an das Kli- tremen Frauen gegründet, die zuvor schee der sorgenvollen, engagier- im selbst aufgelösten Skingirl Freun- ten und unpolitischen Mutter an. deskreis Deutschland politisch aktiv waren. Die GDF- Frauen sind gestandene Rechtsextreme, die sich seit Über die pädagogischen Ansätze der HDJ ist wenig langer Zeit in der Szene behaupten, teilweise bereits bekannt. Es handelte sich um eine sehr elitäre ihre Jugendzeit in der rechtsextremen Szene verbracht Organisation, die das Licht der Öffentlichkeit haben. Sie arbeiteten dem Klischee des weiblichen scheut. Tatsache ist, dass die HDJ Ferienlager für Anhängsels rechtsextremer Männer seit Jahren entge- Kinder und Jugendliche organisierte und dort gen. Als eine zentrale Aufgabe betrachtete die GDF die geschlechtsspezifische Angebote für Jugendliche und Weitergabe der rechtextremen Ideologie an die nach- junge Erwachsene machte. Bei den Jungen und jungen wachsende Generation. Der Kindererziehung kam eine Männern standen auch Wehrsportübungen und andere zentrale Stellung zu. Sie wurde als Aufgabe verstanden, Formen von Militarisierung auf der Tagesordnung. 14
Diese „Ferien“-lager erinnerten nicht zufällig an jene Weiterführende Informationen zu diesem The- „Werte“, die sowohl die verbotene Wiking-Jugend als ma finden sie in der Broschüre „Integrierte auch die Hitler-Jugend (HJ) und der Bund deutscher Handlungsstrategien zur Rechtsextremismus- Mädel (BDM) zu vermitteln gedachten, auch ästhetisch Prävention und -Intervention bei Jugendlichen wurde offen an die nationalsozialistischen Traditionen – Hintergrundwissen und Empfehlungen für angeknüpft. Darüber hinaus richteten HDJ und GDF Jugendarbeit, Kommunalpolitik und Verwal- gemeinsame Feiern innerhalb der Szene aus. Nach dem tung“ des Vereins für Demokratische Kultur in Verbot sind viele der ehemaligen Aktivisten der HDJ in Berlin e.V. (VDK) und der Mobilen Beratung ge- anderen Organisationen, wie z.B. der JN, der Jugend- gen Rechtsextremismus Berlin (MBR). organisation der NPD, tätig und führen dort teilweise ähnliche Aktivitäten fort. Obgleich es sich bei der HDJ und ähnlichen Organisa- tionen um einen überschaubaren Kreis handelt, ist ihr Einfluß nicht zu unterschätzen. Durch die Angebote können rechtsextreme Familien ihre Kinder auch au- ßerhalb der eigenen Kleinfamilie in einer rechtsextre- men Umgebung aufwachsen lassen. Kinder ohne rechtsextremen Familienhintergrund kön- nen durch die Angebote schon früh mit menschen- feindlicher Ideologie in Berührung kommen, ohne dass die Eltern dies mitbekommen. Besonders in den Gegenden, in denen etablierte Angebote der Jugend- arbeit wegfallen, haben es Angebote der rechten Szene leichter, Einfluß auf Kinder und Jugendliche auszuüben. 15
Konflikte im Kontext der Flüchtlingsaufnahme abwehren Hetze gegenüber Asyl- Erschreckend ist der Erfolg, suchenden ist ein the- den rechtspopulistische matischer Schwerpunkt Bewegungen in vielen rechtsextremer Per- Kommunen verzeichnen sonen, Parteien und können, zumindest solan- Initiativen. Die Aus- ge kein starkes zivilgesell- grenzung und Ableh- schaftliches Gegenbündnis nung von Geflüchteten existiert. Soziale Ängste, wird allerdings auch im politische Unzufriedenheit, sogenannten bürger- Ressentiments, Vorbehalte lichen Lager propagiert. und gruppenspezifisch Rechtsextreme Struk- menschenfeindliche Ein- turen haben eine Stra- stellungen in der Bevöl- tegie in Bezug auf Sammelunterkünfte für Flüchtlinge kerung werden gebündelt und rassistisch aufgeladen entwickelt und versuchen damit direkte Anwohner/- artikuliert. Die Arbeit gegen diese rechten Initiativen ist innen für ihre rassistischen Positionen zu gewinnen. ein sehr wichtiges aber auch schwieriges Unterfangen: Rechtsextreme Wortführer/-innen sind oftmals rheto- Ob in Berlin-Hellersdorf, in Duisburg oder dem nieder- risch geschult und sie lassen sich nur zum Schein auf sächsischen Hameln – die Vorgehensweise bleibt stets inhaltliche Auseinandersetzungen mit Mitgliedern von dieselbe: Getarnt als Bürgerinitiative, jedoch häufig im Willkommensbündnissen ein. Hintergrund gut vernetzt und organisiert durch Rechts- extreme, behaupten sie, die Meinung der Anwohner/- Ein entscheidendes Aktionsfeld rechtsextremer Bewe- innen zu vertreten. Durch den Hinweis auf fehlende gungen sind soziale Netzwerke wie beispielsweise Fa- Mitbestimmungsmöglichkeiten spielen sie der Öffent- cebook und Twitter. Das Internet begünstigt auf meh- lichkeit vor, kommunale und politische Entscheidungen reren Ebenen die rassistische Propaganda: Nur wenige demokratisch verändern zu wollen. Die „Bürgerinitiati- Personen müssen sich hierdurch der Öffentlichkeit prä- ven“ benutzen oft vorhandene Ohnmachtsgefühle und sentieren, die Vernetzung mit ähnlichen Zusammen- Unzufriedenheiten der Anwohner/-innen gegenüber schlüssen im gesamten Bundesgebiet ist erheblich staatlichem und kommunalem Handeln. erleichtert und die Anwohner/-innen werden anonym 16
und in extrem einfacher Weise an rechtsextreme Grup- Diskussionen über vermeintliche Angst vor Flücht- pen herangeführt. Ein hoher Organisationsgrad im In- lingen gilt es immer kritisch zu hinterfragen. Die mei- ternet erleichtert es außerdem für Demonstrationen sten Behauptungen basieren auf rassistischen Einstel- und Kundgebungen zu mobilisieren. Es ist wichtig, lungen und mangelnden Kenntnissen über Sachlage dass Willkommensbündnisse dieser Entwicklung etwas und gesetzliche Grundlagen. Sie können dazu führen, entgegensetzen, in sozialen Netzwerken Alternativen dass Anwohner/-innen gegen Flüchtlinge aufgehetzt schaffen und die rechtsextremen Hetzseiten beobach- werden. Demgegenüber stehen aber reale Ängste in- ten, um dagegen vorzugehen. nerhalb der Bevölkerung, beispielsweise die Angst vor einem sozialem Abstieg oder der eigenen Arbeitslo- Sollte eine rassistische Mobilisierung im Umfeld der sigkeit. Diese Befürchtungen haben jedoch nichts mit Sammelunterkunft in Form von Demonstrationen Flüchtlingen oder deren Sammelunterkünften zu tun. stattfinden, sollten Gegenaktionen organisiert wer- Sie werden erst durch rassistische Argumentationsmu- den, um den Flüchtlingen und anderen Anwohner/- ster mit der Fluchtthematik verbunden. In Diskussionen innen zu verdeutlichen, dass es sich nicht um die vor müssen die Ängste der Bevölkerung davon getrennt Ort vorherrschende Meinung handelt. Je nach Situati- werden. Hilfreich ist hierbei, direkt nach den Ängsten on eignet sich hierfür z.B. eine Gegendemonstration, der Menschen zu fragen und sie anschließend darauf eine dauerhafte Mahnwache oder eine Kundgebung hinzuweisen, dass diese durchaus unabhängig von den vor der Sammelunterkunft. Dabei ist stets die Situation Flüchtlingen bestehen. der Flüchtlinge zu bedenken. Sie sollten in jeder Phase über geplante Schritte informiert werden. Es sind nicht immer nur bekennende Rechtsextreme, die durch Hetze gegenüber Flüchtlingen und deren Sammelunterkünfte auffallen. Es kann ebenfalls der befreundete Nachbar oder die angesehene Politikerin einer demokratischen Partei sein. Durch die „Das-Boot- ist-voll“-Rhetorik bestätigen und bekräftigen sie jedoch gewalttätige Rechtsextreme in ihren Aktionen. 17
Willkommensbündnisse Ziel lokaler Willkommensbündnisse für Flüchtlinge che – auch gutgemeinte – Aktion weniger sinnvoll ist, auf zivilgesellschaftlicher Ebene zusammen mit ist. Dafür muss ein direkter Austausch zwischen dem den politisch Verantwortlichen dafür zu sorgen, dass Willkommensbündnis und den Flüchtlingen statt- sich Geflüchtete bei uns einleben. So können sie ge- finden. Oft ist in diesem Zusammenhang die Lei- schützt vor Übergriffen und Diskriminierungen an tung der Sammelunterkunft von großer Bedeutung, der Gestaltung des Gemeinwesens mitwirken. Trotz da sie dem Bündnis als erstes Informationen über der vielen schon bestehenden Positivbeispiele von Herkunft, Geschichte und Befinden der Geflüchte- Willkommensbündnissen, werden Diskussionen über ten zur Verfügung stellen kann und festangestellte Geflüchtete immer wieder rassistisch aufgeladen. Dolmetscher/-innen für sie arbeiten. Die Leitung der Ein Willkommensbündnis sollte deshalb individuelle Sammelunterkunft sollte das Unterstützungsange- Vorurteile und rassistische Äußerungen mit Verweis bot des Willkommensbündnisses nicht behindern auf die tatsächliche Faktenlage widerlegen und vor und ihnen unbürokratischen Zugang zur Unterkunft Ort hierüber mit den Leuten diskutieren. Überzeugte ermöglichen. Rassist/-innen lassen sich durch Argumente nicht um- stimmen. Dagegen lassen sich bei Personen, die nicht Ein zivilgesellschaftliches Willkommensbündnis für über ein geschlossenes Weltbild verfügen mitunter Flüchtlinge hat umso höhere Erfolgschancen, je Widersprüche aufzeigen, die zum Abbau rassistischer mehr Initiativen, Verbände, Einrichtungen und Einzel- Einstellungen führen können. Es ist wichtig, so früh personen hieran beteiligt sind und je mehr örtliche wie möglich gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Entscheidungsträger/-innen außerhalb von Verwal- Organisationen, einem Mobilen Beratungsteam ge- tung und Politik eingebunden werden können. Das gen Rechtsextremismus oder einer Flüchtlingsinitia- Wohl der Geflüchteten sollte nicht aufgrund von po- tive, eine ehrliche örtliche Analyse des rassistischen litischen Meinungsverschiedenheiten in Gefahr ge- Potentials innerhalb der Kommune durchzuführen. bracht werden, weswegen ein gemeinsamer offen Hierdurch kann festgestellt werden, welche Akteure gehaltener Grundkonsens von großer Bedeutung ist. bei der Bildung eines Willkommensbündnisses einbe- Dies kann heißen, sich mit Menschen an einen Tisch zogen werden sollten. zu setzen, deren Glauben oder Weltanschauung man nicht teilt. Dies kann auch bedeuten, dass radikalere Es muss genau abgewogen werden, welche Aktionen und weniger radikale Denk- und Handlungsansätze und Bemühungen den Geflüchteten helfen und wel- sich nicht gegenseitig ausgrenzen, sondern das Ge- 18
spräch und einen pragmatischen Konsens suchen. Weiterführende Informationen zu diesem Das entschiedene Entgegentreten gegen Rassismus Thema finden sie in der Broschüre „Was tun, und der Kampf für eine humanere Flüchtlingspolitik damit’s nicht brennt? Leitfaden zur Vermei- ist im Wesentlichen die Aufgabe der Menschen, die dung von rassistisch aufgeladenen Konflikten seit längerem in dieser Gesellschaft leben. Flücht- im Umfeld von Sammelunterkünften für linge sollten nicht für politische Forderungen instru- Flüchtlinge“ von der Mobilen Beratung gegen mentalisiert werden, die nicht ihre Forderungen sind. Rechtsextremismus Berlin (MBR). 19
DEUTEN – Erkennungsmerkmale der rechten Szene: Codes, Symbole, Bekleidungsmarken und Feiertage Die Erkennungsmerkmale, Code und Symbole der rechten Szene unterliegen einem ständigen Wandel. Eine ausführliche und aktuelle Über- sicht über die einschlägigen Symbole und Codes findet sich unter www.dasversteckspiel.de Auswahl gängiger Symbole Adler Die politische Einstellung eines Menschen ist nur sel- Der Adler gilt in Deutschland seit dem Mittelalter als ten an Äußerlichkeiten zu erkennen. Und doch ten- Sinnbild für Macht, Erhabenheit, Göttlichkeit und dieren Anhänger bestimmter Subkulturen dazu, ihre Glück. Die romanisch-gotische Darstellungsform des Zugehörigkeit durch das Tragen gewisser mehr oder Reichsadlers, wie sie in der Reichskriegsfahne zu sehen weniger expliziter Kleidungsstücke, -marken oder ist, wurde im Nationalsozialismus weitgehend durch Accessoires kenntlich zu machen. Als Bekenntnis zu ei- stilisierte Darstellungen ersetzt. Damit sollte Moderni- ner rechtsextremen Orientierung werden häufig Codes tät suggeriert werden. Der Adler ist beispielsweise Be- und Symbole genutzt, insbesondere dann, wenn es standteil der Uniformierung der Aktionsgruppe Sturm um strafrechtlich relevante Inhalte geht, die es zu chif- Baden. Zusammen mit dem Gruppenkürzel SB ist er im frieren gilt. Diese Symbole tauchen in Liedtexten, auf Nacken auf die Bomberjacken gedruckt. CD-Covern, als Aufdrucke oder Aufnäher, Schmuck, Jackenembleme, Autokennzeichen oder Grußformeln Landser auf. Sie haben wie in jeder anderen Subkultur den zu- „Der Landser“ war und ist die um- sätzlichen Reiz, dass mit ihnen Botschaften an Gleichge- gangssprachliche Bezeichnung für sinnte gesendet werden können, ohne dass Nicht-Ein- den Infanteristen im Zweiten Welt- geweihte dies mitbekommen. Dem politischen Gegner krieg. Die positive Bezugnahme auf gegenüber, der sie erkennt, dienen sie als Provokation, den Landser dient der Huldigung der da die verbreitenden Personen für das entsprechende Wehrmachtssoldaten. Verbunden Bekenntnis oftmals nicht strafrechtlich belangt werden ist diese mit der Leugnung oder Glorifizierung der können. Wehrmachtsverbrechen. 20
Gaudreieck Im Nationalsozialismus verwiesen Gauwinkel oder Gaudreieck auf die Herkunft der Träger/-in- nen aus einem bestimm- ten Gau der Nationalso- zialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) oder der Hitler-Jugend. Auch heute verwenden es Angehörige der Neonazi-Szene Keltenkreuz zur Kennzeichnung ihrer Herkunft bzw. lokalen Zugehö- Das stilisierte Keltenkreuz dient in der rechtsextremen rigkeit. Das Verwenden dieses Symbols ist verboten. Szene weltweit als Symbol für die „Vormachtstellung der weißen Rasse“ und gilt gemeinhin als White-Power- Schwarz-weiß-rot Zeichen. Häufig wird der Buchstabe „O“ durch das Ein- Schwarz-weiß-rot waren bis zum Ende des Ersten Welt- fügen eines Kreuzes verfremdet. Der Bundesgerichts- krieges die offiziellen Farben des Deutschen Reiches. Mit hof hat die Verwendung des stilisierten Keltenkreuzes dem Ausrufen der Weimarer Republik wurde die Kombi- 2008 generell für strafbar erklärt. nation schwarz-rot-gold zu den deutschen Nationalfar- ben. 1933 wurden die Hakenkreuzfahne und die schwarz- Triskele weiß-rote Fahne gemeinsam zu Reichsfahnen erklärt. Die Form der Triskele ähnelt einem dreiarmigen Haken- Schwarze Sonne kreuz und wird von neonazis- Die schwarze Sonne war ein Kunstsymbol der Schutz- tischen Kreisen entsprechend staffel (SS), einer eigenständigen paramilitärischen interpretiert. Sie ist Symbol Organisation der Nationalsozialistischen Deutschen der in Deutschland verbote- Arbeiterpartei (NSDAP). Sie diente als Sinnbild einer nen, international vernetzten Organisation „Blood and nordisch-heidnischen Religion und eines vorgeblich ur- Honour“ (Blut und Ehre), die unter anderem illegale alten geheimen Wissens. Bei heutigen Rechtsextremist/- Rechtsrockkonzerte veranstaltete sowie strafbewehrte innen steht sie für die „Verbundenheit mit der eigenen Musik produzierte und vertrieb. Die Triskele darf in die- Art und arteigenen Wertvorstellungen“. sem Zusammenhang nicht gezeigt werden. 21
Bekleidungsmarken Es gibt Bekleidungsmarken, die in direktem Zusam- Erik & Sons menhang mit der rechtsextrem-(orientiert)en Szene Das Logo der Marke besteht stehen. Dazu gehören: Consdaple, Masterrace, Walhall aus der Naudiz-Rune, das De- Germany, Hatecrime Streetwear, Celtic Wear, Dober- sign besteht vor allem aus mann, pro Violence, Alle gegen Alle, Sportfrei, Ansgar nordisch-germanischer Sym- Aryan. Hinzu kommen Marken, die zwar von Rechts- bolik. Ebenso wie einige an- extremen getragen und für ihre Zwecke genutzt wer- dere neuere Marken, die in der den, deren Firmen aber keinen Bezug in die organisier- rechtsextremen Szene veror- te rechtsextreme Szene haben. Beliebte Marken aus tet sind, versucht auch Erik & diesem Bereich sind unter anderem: Alpha Industries, Sons das Erfolgskonzept der Lonsdale, Pitbull und Troublemaker. Marke Thor Steinar zu kopie- ren. Die Kleidung ist regelmäßig auf rechtsextremen Consdaple Aufmärschen zu finden. Bei Neonazis auf Grund der im Wort enthaltenen Buchstaben- folge NSDAP (Nationalsozialis- Lonsdale tische Deutsche Arbeiterpar- War lange bei Rechtsextremist/-innen populär auf tei) beliebt. Der Begriff ist eine Grund der enthaltenen Buchstabenfolge NSDA, was als Ableitung von dem englischen Verweis auf die NSDAP gedeutet wurde. Seit 1999 dis- Wort „Constaple“, das „Schutz- tanziert sich Lonsdale von seinem rechtsextremen Kun- mann“ bedeutet. denkreis und hat die Belieferung einiger Neonazi-Ver- sandhändler eingestellt. Mit der Kampagne „Lonsdale loves all colors“ unterstützt die Marke antirassistische Troublemaker Kulturinitiativen. „Troublemaker“ bedeutet ins Deutsche übersetzt „Kra- wallmacher“. Die Marke ist bei Hooligans und Skin- heads ebenso wie im Rockermilieu beliebt. Troublema- ker wird auch über rechte Versandhändler und Läden vertrieben. 22
Thor Steinar Alpha Industries Namen, Logos und Motive Bei dieser Marke gibt es keine von Thor Steinar beziehen sich Verbindungen zu rechtsex- insbesondere auf die germa- tremen Kreisen. Da das Logo nische Mythologie sowie auf dem verbotenen Zivilabzei- die deutsche Kolonial- und chen der Sturmabteilung Militärgeschichte. Das aus der (SA) der NSDAP ähnelt, wird Kombination verschiedener die Marke dennoch gerne Runen zusammengesetzte von Rechtsextremen getra- Thor-Steinar-Logo war jahre- gen. lang Gegenstand juristischer Auseinandersetzung, da die darin kombinierten Runen auch im Nationalsozialismus NSU Verwendung gefunden hatten. In einem Urteil des Bun- Seit einiger Zeit werden auch eher unscheinbar mit desgerichtshofes von 2010 zur Auseinandersetzung Symboliken die Aktivitäten der nationalsozialistischen rund um die Ladengeschäfte der Marke heißt es: „Diese Terrorgruppe NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) Marke wird in der Öffentlichkeit in einen ausschließ- verherrlicht. Motive sind z.B. „Pink Panther“ und Pump- lichen Bezug zur rechtsradikalen Szene gesetzt“. gun, dass sich auf das NSU-Bekennervideo bezieht und das mörderische Trio verherrlichen soll. Auch „Freiheit für Wolle”-Motive in Anlehnung an den inhaftierten NSU-Komplizen Ralf Wohlleben werden immer häu- figer gesichtet. 23
Zahlencodes, Chiffres, Abkürzungen Rechtsextreme Organisationen und Gruppierungen grei- H8 fen oft auf Abkürzungen und Zahlencodes zurück. Da die Ebenfalls populär in der rechtsextremen Szene ist der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole verboten Code „H8“. Hier wird der Gruß „Heil Hitler“ verbunden ist, wurden an deren Stelle Codes gesetzt, die auf den er- mit einem Wortspiel – englisch ausgesprochen ist H8 sten Blick nicht eindeutig zu entschlüsseln sind. Bei Zah- gleichlautend dem Wort „Hate“/Hass. lenkombinationen stehen die einzelnen Ziffern häufig für die Stellung des gemeinten Buchstabens im Alphabet. 28 Seit dem Verbot von „Blood & Combat 18/C18 Honour“ wird die 28 synonym für Combat 18 gilt als bewaffneter Arm des inzwischen in die Buchstaben B&H verwendet. Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerkes „Blood & Eine internationale Grußformel Honour“ (Blut und Ehre) und C18 demnach als Hinweis von Blood & Honour-Anhänger/- auf Gewaltbereitschaft. Als Symbol für C18 wird der SS- innen lautet 828 (Hail Blood & Totenkopf verwendet. Honour) 88 Die 88 steht für Heil Hitler. Die 88 findet sich häufig auf T-Shirts oder Aufnähern, als Bestandteil von Band- oder Organisationsnamen oder auch Autokennzeichen. 24
Regelmäßige Feiertage der rechtsextremen Szene Auch bestimmte Daten sollten Sie besonders aufmerk- Februar sam machen: Die rechtsextreme Szene begeht regel- 13. Februar (1945) mäßig „Feiertage“, die sie in ihrem Sinne (be-)setzt oder Bombardierung Dresdens durch die umdeutet. Es ist keine Seltenheit, dass an diesen Tagen Alliierten gezielt Veranstaltungen organisiert werden, deren Hin- tergründe auf den ersten Blick nicht immer sofort er- 15. Februar (1945) kennbar sind Beginn der Bombardierung von Cottbus durch die Alliierten Auswahl: 23. Februar (1930) Todestag von Horst Wessel Januar 18. Januar (1871) März Gründung des Deutschen Reiches Fünfter Sonntag vor Ostern So genannter Heldengedenktag 27. Januar (1945) Gedenktag für die Opfer des National- April sozialismus (anlässlich der Befreiung des 20. April (1889) Vernichtungslagers Auschwitz) Geburtstag von Adolf Hitler 30. Januar (1933) Mai Machtübertragung an die NSDAP 1. Mai „Nationaler Feiertag des deutschen Volkes“ 8. Mai (1945) Befreiung vom Nationalsozialismus, Kapitulation des NS- Regimes 14. Mai (1948) Gründung des Staates Israel 25
Juni Oktober 20. Juni auf 21. Juni 29. Oktober (2009) Sommersonnenwende Todestag von Jürgen Rieger Juli November 24. Juli (1943) 9. November (1923/1938) Beginn der Bombardierung Hamburgs „Gedenktag für die Gefallenen der Bewe- gung“ in Erinnerung an den gescheiterten August Putschversuch der NSDAP/Reichspogrom- 17. August (1987) nacht Todestag von Rudolf Heß 2. Sonntag im November September Volkstrauertag 1. September (1939) Deutscher Überfall auf Polen, Beginn des Dezember Zweiten Weltkrieges 20. Dez. auf 21. Dez. Wintersonnenwende 15. September (1935) Verkündung der „Nürnberger Rassege- setze“ 24. September (1993) Todestag von Ian Stuart Donaldson, Sänger und Kopf von der Neonazi-Band Skrewdriver sowie Gründer von „Blood and Honour“ 26
HANDELN – Strategische Hinweise zu Abwehr rechtsextremistischer Tendenzen Möglichkeiten der Satzungsgestaltung Was können Vereine oder Or- ge die Betroffenen ihre politischen Standpunkte nicht ganisationen tun, wenn sie öffentlich machen, wird ihre Mitgliedschaft häufig to- feststellen müssen, dass sich leriert. Viele Vereine funktionieren nach dem Motto: in ihren eigenen Reihen Per- Wer sich politisch ‚ruhig‘ verhält, darf auch teilnehmen. sonen mit rechtsextremem Viele Vereine nehmen für sich auch in Anspruch, poli- Gedankengut befinden? Oft tisch ‚neutral‘ zu sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass wird in diesen Fällen von diskriminierende Positionen und Verhaltensweisen ak- gezielter Unterwanderung zeptiert oder geduldet werden sollten. gesprochen, ohne sich die Hintergründe genauer anzu- Ein Ausschluss von Rechtsextremen aus Vereinen und sehen. Der Verweis auf eine Verbänden mit demokratischer Grundeinstellung hat Gefahr, die vermeintlich von nichts mit mangelnder Toleranz zu tun, sondern mit der außen kommt, ist jedoch ir- demokratischen Ächtung rechtsextremer Positionen. reführend und offenbart eine Rechtsextremes Gedankengut liegt außerhalb des To- verzerrte Sicht auf die Pro- leranzbereichs. Tolerieren anderer Meinungen bedeu- blematik. In den seltensten tet zwar grundsätzlich, diese zu dulden, auch wenn sie Fällen wird ein Verein gezielt von Rechtsextremen unter- einem nicht gefällt. Toleranz muss aber keineswegs hei- wandert, um die Strukturen dann für die eigenen rechts- ßen, Diskriminierungen oder menschenfeindliche Positi- extremen Zwecke zu nutzen. Diese Sichtweise verstellt onen zu dulden. Es gibt keine Toleranz gegenüber jenen, den Blick auf die deutlich häufiger auftretende Problema- die die Menschenwürde der Anderen infrage stellen. tik: Vereinsmitglieder oder -funktionäre mit rassistischer oder rechtsextremer Einstellung sind vielfach bereits Teil Aber wie soll und kann man als Verein damit umge- der Vereine. hen, wenn man von der rechten Gesinnungen eines Vereinsmitglieds erfährt? Die Satzung ist die niederge- Im Falle eines zutage Tretens der rechtsextremen Ge- legte Grundordnung eines Vereins, die die Belange der sinnung von Vereinsmitgliedern wird vielfach lange Organisation, wie beispielsweise die Aufnahme und Zeit versucht, diese Tatsache zu verharmlosen. Solan- den Ausschluss unerwünschter Personen regelt. Viele 27
Satzungen sind allerdings auf Fälle wie diese häufig Mögliche Satzungsformulierung: nicht vorbereitet. In diesem Kapitel werden Tipps zur Mitglied des Vereins kann jede natürliche Person wer- Gestaltung einer Vereinssatzung gegeben, um in sol- den, die die Ziele des Vereins unterstützt. Über den An- chen Fällen besser vorbereitet zu sein. trag auf Aufnahme in den Verein entscheidet der Vor- stand (alternativ: die Mitgliederversammlung). 1. Wie sollte eine Satzung gestaltet sein, damit Nicht bewährt haben sich Satzungsklauseln, wonach eine Mitgliedschaft für Rechtsextreme der Beitritt durch einseitige Erklärung des Beitrittswil- erschwert wird? ligen zustande kommt, da es der Verein nicht mehr in der Hand hat, wer Mitglied wird und wer nicht. Gem. § 58 BGB muss jede Satzung eine Be- stimmung über den Eintritt und Austritt der Ein Verein kann in seiner Satzung sachlich begründete Mitglieder enthalten. Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft vorsehen: Grundsätzlich besteht für einen Verein kein Auf- Formulierungsvorschlag: nahmezwang für Einzelpersonen. Aufgrund der Nur Bewerber, welche die Grundsätze des Vereins, insbe- Vereinsautonomie kann der Verein selbständig sondere den Toleranzgedanken unterstützen, können Mit- festlegen, wer nach welchen Kriterien Mitglied des Vereins glied des Vereins werden. (Röcken, ZStV 2012, 144 (146).) werden soll. Auch wenn eine Satzung bestimmt, dass jeder Mitglied werden kann, heißt das keineswegs, dass ein Ver- In einem Urteil des LG Bremen (Az.: 7-O-24/12 vom ein jeden Beitrittswilligen aufnehmen muss. Eine Ausnah- 31.01.2013) hatte der beklagte Verein innerhalb seiner me kann für Verbände mit Monopolstellung2 bestehen. Zweckbeschreibung grundsätzliche Ziele definiert: Die Satzung kann verschiedene Möglichkeiten der Auf- Formulierungsvorschlag: nahme vorsehen. Eine Begründung für die Ablehnung Der Verein ist politisch und religiös streng neutral und steht ist gegenüber dem Mitglied zunächst nicht erforder- in allen seinen Belangen auf demokratischer Grundlage. lich, es sei denn, die Satzung sieht eine entsprechende Der Verein fördert die Funktion des Sports als verbindendes Regelung vor. Eine Pflicht zur Begründung würde aber Element zwischen Nationalitäten, Kulturen, Religionen in einem etwaigen Rechtsstreit bestehen. und sozialen Schichten. Er bietet Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unabhängig von Geschlecht, Abstam- 2 Das träfe zu, wenn z.B. eine (juristische) Person erheblich benachteiligt und in seiner Entwicklung behindert wäre, wenn man ihr die Mitgliedschaft mung, Hautfarbe, Herkunft, Glauben, sozialer Stellung im Verband verweigern würde. oder sexueller Identität eine sportliche Heimat. 28
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