Wissen - Transferagentur NRW
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Wissen Wie kann Wissen Die vielen Facetten Mehrwerte für die Reportage: von Wissen Organisation schaffen? Das Hansaforum Wissen teilen – in Münster Von Prof. Dr. Nadja El Kassar Mehrwerte schaffen Wissen in Bewegung(en) 5 Fragen an Annette Hexelschneider Dieses Vorhaben wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement Agentur Nordrhein-Westfalen
Editorial Was wissen wir eigentlich über Wissen? – Diese Frage stellt sich die Transferagentur NRW wäh- rend einer gesellschaftlichen Ausnahmesituation, in der vieles nicht mehr selbstverständlich ist. Nun steht auch das Wissen in Frage. Daten, Fakten, Fakes sind ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Alle müssen entscheiden, was relevant ist und welche Quellen glaubwürdig. Vielen privaten und beruflichen Planungen ging ein regelmäßiger Check der Coronalage voraus. Wie können die vorhandenen Daten interpretiert werden? Steigt die Kurve oder deutet sich schon an, dass sie abflacht? Und was sind die Schlussfolgerungen von Politik, Wissenschaft und Gesellschaft? Ein zuvor eher abstrakter Diskurs um Daten, Datenverfügbarkeit und Datenquali- tät erreicht alle Ebenen des Alltags. Der Umgang mit Wissen als Aushandlungsprozess, mehrdimensionale Antworten, mehr Fragen als Antworten und auch Erfahrungen von Ohnmacht: All dies hat die Pandemie neben vielen anderen Entwicklungen auch hervorgebracht. Entsprechend geht es im aktuellen TRANSFER- journal um Kultur und Emotionen, um das Teilen und um gemeinsames Handeln. Die soziale Dimension des Wissens steht im Mittelpunkt, beispielsweise „Relevanzräume“, in denen Wissen gemeinsam generiert wird, damit es handlungsrelevant wird. Ist die Erzeugung von handlungsrelevantem Wissen eine Aufgabe des Datenbasierten Kommu- nalen Bildungsmanagements? Unbedingt. Dabei kann es nicht darum gehen, ein „richtig“ zu konstruieren und eindeutige Antworten zu finden. Vielmehr beschreibt dieser Gedanke genau die Bedingung der Möglichkeit, dass auf der Basis von Daten entwickeltes Wissen ein Anstoß für gesellschaftlichen Zusammenhalt und für gesellschaftliche Bildungsprozesse sein kann. Diese soziale Aushandlung und damit die Zukunft der Bildungslandschaften können wir mit unserem Handeln als Bildungsakteure mitgestalten. Dr. Mario Roland Dr. Bettina Suthues Projektleitung “Transferagentur Stellv. Projektleitung “Transferagentur Lesen Sie mehr unter: Kommunales Bildungsmanagement NRW” Kommunales Bildungsmanagement NRW” www.transferagentur-nordrhein-westfalen.de 2 3
Ausgabe 1|21 Inhalt 10 „Kreativität ist Kultureller Bildung per se immanent“ Ein Interview mit Yara Hackstein Gerade in der Corona-Pandemie stand vor allem die Auf- 6 Die vielen Facetten von Wissen rechterhaltung des Unterrichts in den Kernfächern im Mittelpunkt. Für ein gelingendes Aufwachsen braucht Von Prof. Dr. Nadja El Kassar es jedoch mehr: beispielsweise Raum für Kreativität. An- gebote an Kultureller Bildung für alle Altersstufen sind deshalb wichtig. Welche Potenziale Kulturelle Bildung Wissen ist die Grundlage für individuelles und gemeinsames bietet, darüber sprachen wir mit Yara Hackstein. Leben. Wir brauchen Wissen für Planung, Organisation, Ab- sprachen. Wir brauchen Wissen auch, um Ziele zu erreichen: Man muss wissen, was das Ziel ist. Man muss wissen, was die richtigen Mittel sind, um das Ziel zu erreichen und man muss wissen, welche Umstände vorherrschen, um diese be- rücksichtigen zu können. Einen kleinen Einblick, wie vielfältig Wissen ist, gibt Prof. Dr. Nadja El Kassar. Interpretationsgemeinschaften für ein zukunftsfähiges kommunales Bildungsmanagement 16 Im Gespräch mit Dr. Heinz-Jürgen Stolz Daten allein sind noch lange kein Wissen. So gilt es auch für Bildungsmonitorer*innen und -manager*innen eine ATM P Strategie zu entwickeln, wie aus Daten Wissen werden kann. Wir haben mit Dr. Heinz-Jürgen Stolz über die Po- tenziale einer Interpretationsgemeinschaft gesprochen und die Frage erörtert, wie handlungsrelevantes Wissen 38 Besser wissen statt Besserwissen H für das Kommunale Bildungsmanagement entstehen kann. Wie Umweltwissen zu nachhaltigerem Handeln führen kann und was es dafür braucht Von Verena Kantrowitsch & Felix Peter Den meisten Menschen ist durchaus bewusst, dass es eine Klimakrise gibt und große Herausforderungen im Umweltschutz gemeistert werden müssen. Aber warum verhalten wir uns oft immer noch so, als gäbe es die Krise nicht. Eine Antwort darauf geben die Psychologin und der 20 Über die Teilhabe von Menschen im 28 Bildung im Rheinischen Revier fördern Psychologe. Strukturwandel Wie ein regionales Bildungsmonitoring einen „Wir wollen für alle da sein“ nachhaltigen Strukturwandel unterstützen kann Ein Besuch der Bildungs- und Begegnungs- stätte Nell-Breuning-Haus in Herzogenrath 4 Fragen an Johannes Schnurr 30 Reportage: Das Hansaforum in Münster 24 MINTaktiv Wissen in Bewegung(en) Von Wissen zu passgenauen Bildungsangeboten 34 Wie kann Wissen Mehrwerte für die Organisa- tion schaffen? Wissen teilen – Mehrwerte schaffen 5 Fragen an Annette Hexelschneider 4 5
Ausgabe 1|21 Die vielen Facetten eine Gemeinsamkeit beschränken. Alle diese Ar- Bakterien Krankheiten verursachen können. Zahllose ten von Wissen benötigen Bildung weitere Beispiele passen in dieses von Wissen und fußen auf Bildung. Bildung ist hier aber in einem weiten Sinne zu verstehen: Schema. Solches Wissen wird vor allem in Forschungskontexten erworben. Und nicht nur schulische Bildung, sondern ebenso dieses Wissen ist meist objektiv in dem Sinne, außerschulische Bildung gehört dazu. Denn Bil- dass es allgemeingültig ist. Viren und Bakterien dung erfolgt auch in lebenspraktischen Kontexten, können an jedem Ort dieser Welt und bei jedem Prof. Dr. Nadja El Kassar beispielsweise erfährt eine Person Bildung durch Menschen Krankheiten auslösen. Und Bakterien Vorbilder und lernt durch Nachahmung. Und diese und Viren hatten dieses Potenzial, bevor Menschen Art von Bildung kann immer und überall erfolgen. Auch wussten, dass Viren und Bakterien Krankheiten verur- Wissen ist die Grundlage für individuelles und gemeinsames Leben. Wir brauchen Wissen politische Bildung erfolgt ja nicht nur im Klassenzimmer. sachen. Das ist so und unabhängig davon, ob Menschen für Planung, Organisation und Absprachen. Wir brauchen Wissen auch, um Ziele zu errei- Aus dieser Beobachtung, dass Bildung überall stattfinden das glauben oder wissen. chen: Man muss wissen, was das eigene Ziel ist. Man muss wissen, was die richtigen Mittel kann, lässt sich auch darauf schließen, dass Menschen ihr sind, um das Ziel zu erreichen und man muss wissen, welche Umstände vorherrschen, um ganzes Leben lang Wissen erwerben. Menschen erwer- Einflüsse von Erfahrungen, Hintergründen und sozialen diese berücksichtigen zu können. Dass Wissen diese Funktionen übernehmen kann, zeigt ben Wissen, auch wenn sie nicht mehr in Bildungseinrich- Positionen sich auch in den vielfältigen Eigenschaften von Wissen. tungen sind, sondern auch im Beruf oder im Privaten. Wir wissen beispielsweise, dass COVID-19 „SARS CoV-2“ Wissen hängt dennoch auch von Personen ab. Wissen genannt wird, ohne dass wir das in Bildungseinrichtun- ist standpunktabhängig: Was man weiß, hängt von Wissen an sich ist bereits sehr facettenreich, machen oder indem die lernende Person die gen gelernt haben. individuellen Erfahrungen, vom persönlichen Hinter- denn es gibt verschiedene Arten von Wis- Bewegungen ausführt und dabei lernt. Wir grund, von der sozialen Position ab. Eine Person, die sen. Man kann nicht nur wissen, dass Berlin können keine vollständige schriftliche, satz- Die Entwicklung von Wissen aufgrund ihrer Ethnie systematisch diskriminiert die Hauptstadt von Deutschland ist, son- förmige Erklärung davon geben, wie man wird, ist beispielsweise besser positioniert, um dern man kann auch wissen, wie man Fahr- einen unhaltbaren Elfmeterschuss ausführt. Dieses zeitaktuelle Beispiel leitet zu einer wei- zu wissen, wie sich diese Diskriminierung ma- rad fährt. Ich beschränke mich hier auf drei Ein Grund ist, dass so viele implizite Kör- teren Eigenschaft von Wissen über: Wissen nifestiert als eine Person, die von der Diskri- Arten von Wissen. perbewegungen dazu gehören, die man gar ist historisch entwickelt. Das heißt, es minierung nicht betroffen ist. Vielleicht nicht sprachlich ausdrücken kann. gibt Dinge, die man heute weiß, aber weiß die zweite Person noch nicht Satzförmiges Wissen bezeichnet dasjenige früher noch nicht wusste. Im 17. einmal um die Diskriminierung, Wissen, das in Sätzen ausgedrückt werden Phänomenales Wissen ist schließlich zu wis- Jahrhundert wusste man etwa weil sie von ihrem Standpunkt kann und üblicherweise in (Online-)Enzy- sen, wie sich etwas anfühlt, beispielsweise noch nicht, dass Viren und gar nicht erkennbar ist. klopädien, Lehrbüchern und Handlungsan- zu wissen, wie sich Zahnschmerzen anfüh- weisungen gesammelt wird. Beispielsweise: len oder wie sich Freude anfühlt. Zwischen Köln ist die einwohnerstärkste Stadt Nord- den drei verschiedenen Arten von Wissen rhein-Westfalens. können Kombinationen bestehen: Das Wis- sen, wie es ist, ein Kind zu gebären, kann Praktisches Wissen ist nicht so leicht in eine Kombination aus praktischem, phäno- Sätzen ausdrückbar, denn es ist primär menalem und satzförmigem Wissen sein. im Praktischen, nicht im Sprachli- Wissen chen, verortet. Wissen über die rich- Bildung als Grundlage von Wissen wurzelt in tigen Handlungen und Bewegungen Bildung. gehört dazu: beispielsweise Wissen, Bei dieser Vielfalt von Arten von Wissen wie man Fahrrad fährt oder Wissen, könnte man leicht besorgt sein, dass der wie man einen unhaltbaren Elfmeter Begriff des Wissens „auseinanderfällt“. Aber schießt. Es ist das Wissen, das wir oft es gibt auch wichtige Gemeinsamkeiten der besser vermitteln können, indem wir es vor- Arten von Wissen. Ich möchte mich hier auf 6 7
Ausgabe 1|21 Prof. Dr. Nadja El Kassar Nadja El Kassar ist Gastprofessorin am Institut für Philosophie der FU Berlin. Nach ihrem Studium in Dortmund und Leeds promovier- te sie 2013 an der Universität Potsdam mit einer Arbeit über Wahr- nehmung und Wissen. Ab 2013 war sie Postdoc an der ETH Zürich und wurde 2020 mit einer Arbeit über Unwissenheit habilitiert. Sie „Geteiltes Wissen arbeitet unter anderem zu Unwissenheit, Ignoranz und kollektivem entsteht da intellektuellen Selbstvertrauen. durch, dass divers eP pektiven an ers- erka und in Dialo nnt Macht und Wissen g ge- bracht wer den.“ Wissen ist aber noch in einem anderen, sehr wichtigen Sinne personenabhängig: Wissen weiß unterschiedlich viel zu verschiedenen ist durch Macht beeinflusst. Mit anderen Themen und die Perspektiven sollten ernst Worten: Was als Wissen zählt, wird auch genommen und integriert werden, um ge- durch Personen und Institutionen bestimmt. meinsam geprüftes Wissen zu kreieren. Ihr Einfluss kann im Normalfall produktiv tionen der Zuckerlobby (Proctor und Schie- Bei einem Städteplanungsprojekt sollte die Literatur und förderlich für Wissen sein, etwa wenn binger 2008). Das heißt, Wissen ist nicht Perspektive der Anwohner*innen mitein- Universitäten ausgewählte Forschung för- bloß das, was wir für wahr halten. Wissen bezogen werden, denn sie wissen genauer, Kearns, C. E., Schmidt L. A. , und Glantz S. A. dern. Aber der Einfluss kann auch unredlich, ist das, was geprüft ist, zum Beispiel in wis- was in ihrem Stadtteil vorgeht als Externe. (2016). Sugar Industry and Coronary Heart Di- durch verwerfliche Interessen beeinflusst senschaftlichen Verfahren aber auch im All- Externe können natürlich ebenfalls wichti- sease Research: A Historical Analysis of Internal sein. Die Zuckerlobby hat beispielsweise tag. Jede Anwendung einer Handlungsan- ges Wissen über den Stadtteil haben, aber Industry Documents. JAMA Internal Medicine erfolgreich ihren Einfluss eingesetzt, um in leitung ist eine Prüfung des Wissens in der sie haben anderes Wissen, nämlich externes 176 (11): 1680–85. den 1960ern Forschung zu den gesundheit- Handlungsanleitung. Zudem ist dieses Wis- Wissen. lichen Schäden von zu viel Zuckerkonsum zu sen (und natürlich anderes entsprechendes Proctor, R., und Schiebinger, L. L., Hrsg. (2008). vertuschen. Sie zahlte Geld, damit kritische Wissen) irritationsfest – ich lasse mich nicht Geteiltes Wissen entsteht dadurch, dass Agnotology: the making and unmaking of igno- Studien nicht publiziert wurden und förder- gleich in meinen Überzeugungen erschüt- diverse Perspektiven anerkannt und in Di- rance. Stanford: Stanford University Press. ten eigene Forschung, die fälschlicherweise tern, wenn jemand die Handlungsanleitung alog gebracht werden. In diesen Dialogen propagierte, dass Fett gesundheitsschädli- anzweifelt. Und gleichzeitig ist mein Wissen wird Wissen geprüft, die Wissenden setzen Wingert, L. (2007). Lebensweltliche Gewissheit cher als Zucker sei (Kearns et al. 2016). sensibel für Irrtümer: das meint, wenn je- sich potenziellen Irrtümern aus und bilden versus wissenschaftliches Wissen? In: Deutsche mand gute Gründe liefert, dass die Hand- gemeinsame Überzeugungen, was wahr ist Zeitschrift für Philosophie 55 (6): 911–27. Unwissen und Zweifel lungsanleitung doch nicht richtig ist (etwa und was getan werden sollte. Zu der Prüfung weil ein Baustein sich geändert hat), kann gehört auch Widerspruch und Uneinigkeit Wenn Wissen auch standpunkt- und macht- ich die Kritik annehmen (Wingert 2007). innerhalb der Gruppe. Wie die Uneinigkeit abhängig ist, könnte man nun entmutigt gemeinsam und wissend überwunden wer- schließen, dass es offenbar kein definitives Wissen als gemeinschaftliches Projekt den kann, ist eine große Frage, die den Rah- Wissen gibt und alles Wissen subjektiv ist. men hier leider überschreitet und gleich- Doch das wäre vorschnell. Wissenschafts- Statt diese vielfältigen Eigenschaften von zeitig verdeutlicht, wie brisant und aktuell historiker*innen in der so genannten Wissen so zu interpretieren, dass sie Wis- solche Überlegungen zu Wissen sind. Agnotologie untersuchen Unwissen und sen schwächen – wissen wir dies-und-das Zweifel, die kulturell oder politisch kon- wirklich? – sollten wir sie positiv wenden struiert werden, und entlarven so falsches und folgern, dass Wissen Teil eines gemein- Wissen, wie etwa im Beispiel der Manipula- schaftlichen Projekts ist. Das heißt, jede*r 8 9
Ausgabe 1|21 „Kulturelle Bildung kann jetzt insbe- sondere diejenigen Schüler*innen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung „Kreativität ist Kultureller stärken, die die Pandemie als eine Bildung per se immanent“ Zeit von Unsicherheiten, fehlenden Strukturen oder erzwungener Interview mit Yara Hackstein Veränderung erlebt haben.“ Frau Hackstein, Sie sind Expertin für kul- nen man drüber spricht, oft unterschiedli- Als Folge der Corona-Pandemie wird beob- ler*innen nicht mehr in die Schule durften. turelle Schulentwicklung, Kulturagentin, che Schwerpunkte im Blick haben. Zugleich achtet, dass sich Bildungsungleichheiten Hier gilt es, alte Fäden wieder aufzugreifen Prozessbegleiterin und Moderatorin und lässt dieser Facettenreichtum auch Inter- verstärkt haben und Kinder und Jugendliche oder auch neue zu knüpfen. Das ist umso engagieren sich seit Jahren im Bereich der pretationsspielräume zu. Mein Arbeits- zeitweise keinen Zugang zu Bildungsange- wichtiger, als dass zurzeit häufig vor allem Kulturellen Bildung und Schulentwicklung. schwerpunkt ist Kulturelle Bildung in der boten vor Ort hatten. Welche Bewegungen das „Schließen von Lernlücken“ im Fokus Was verstehen Sie unter Kultureller Bildung Schule. Das Verständnis von Kultureller Bil- nehmen Sie aktuell im Bildungsbereich und steht. Unsere Schüler*innen leiden jedoch und gibt es überhaupt eine allgemeingültige dung kann in Schulen ganz unterschiedlich insbesondere in Bezug auf non-formale Bil- auch unter sozialen und psychischen Folgen Begriffsbestimmung? geprägt sein, ebenso wie die Vorstellungen dungsangebote wahr? der monatelangen Einschränkungen. Hier von Kultureller Bildung bei Künstler*innen können kulturelle Angebote ansetzen: Die Der Begriff Kulturelle Bildung lässt sich allge- und Kulturinstitutionen. Deshalb ist es in Die Pandemie hat vielerorts dazu geführt, Künste erlauben es Kindern und Jugendli- meingültig kaum definieren. Ganz grundsätz- der Praxis wichtig, dass potenzielle Koopera- dass Kooperationen unterbrochen wurden, chen, auch ohne Worte Ausdrucksformen lich stehen die vielfältigen Zugangsweisen tionspartner*innen sich über ihr jeweiliges zum Beispiel, wenn Kinder wie auch Künst- ihrer Persönlichkeit zu finden und in der Co- zur Welt in ihren ästhetisch-künstlerischen Verständnis von Kultureller Bildung austau- Ausdrucksformen und Angeboten im Mit- schen und Gemeinsamkeiten ausloten. telpunkt. Letztlich ist es für mich eine All- gemeinbildung, die es jedem Menschen Wie wichtig sind Ihnen vor diesem Hinter- ermöglichen kann, sich zu entfalten, an der grund Angebote für alle Altersgruppen und Gesellschaft teilzuhaben und die Zukunft Bildungsbiografien? aktiv mitzugestalten. Kulturelle Bildung er- möglicht jungen Menschen, ihre ganz eige- Aus meiner Sicht sollte Kulturelle Bildung ne Persönlichkeit zu entwickeln. Sie befähigt für alle Altersgruppen selbstverständlich zur Auseinandersetzung mit der Kunst und zugänglich sein. Angefangen von Kita und damit auch mit der Gesellschaft. Sie weckt Krippe über Grund- und weiterführende Interesse und macht weltoffen. Gerade des- Schulen bis hin zu Berufs- und Weiterbil- halb hat sie – auch unter Berücksichtigung dungskollegs. Ich halte es für enorm wich- der interkulturellen Bildung – einen so gro- tig, möglichst früh möglichst vielen Kindern ßen Stellenwert für unser Bildungssystem. über vielfältige Angebote kulturelle Teil- Wichtig ist aus meiner Sicht vor allem, dass habe zu ermöglichen und dabei vor allem Kulturelle Bildung Selbstwirksamkeitserfah- diejenigen in den Blick zu nehmen, denen rungen ermöglicht und kulturelle Teilhabe in der Zugang nicht wie selbstverständlich in den Fokus stellt, also Teilhabe am künstle- die Wiege gelegt wurde. Doch auch wenn risch-kulturellen Geschehen. man idealerweise schon in der Kita anfängt, sollte man ältere Jugendliche und junge Er- Die enorme Bandbreite von Kultureller Bil- wachsene nicht aus dem Blick verlieren. dung bedingt, dass die Menschen, mit de- 10 11
Ausgabe 1|21 rona-Krise Erlebtes und vielleicht Unbewäl- Sie haben von 2011-2019 in einem der größ- tigtes in künstlerische Prozesse und Werke ten Bundesprogramme zur Förderung Kul- „Für mich bedeutet zu übersetzen. Kulturelle Bildung kann jetzt tureller Bildung in Schulen aktiv mitgewirkt Bildung im 21. Jahrhundert insbesondere diejenigen Schüler*innen in – dem Programm „Kulturagenten für kre- ihrer Persönlichkeitsentwicklung stärken, ative Schulen“. Wie können aus Ihrer Sicht vor allem, kreative die die Pandemie als eine Zeit von Unsicher- Programme und Initiativen aus Bund und Kompetenzen zu stärken.“ heiten, fehlenden Strukturen oder erzwun- Land – insbesondere in der aktuellen Situa- gener Veränderung erlebt haben. tion – die Kulturelle Bildung in NRW stärken und befördern? Mit dem Titelthema dieses Transferjournals Welche Kompetenzen hat Kulturelle Bildung Da Bund und Land über zahlreiche speziell nähern wir uns dem Thema „Wissen“ und dabei besonders im Blick? aufgelegte Programme aktuell viel Geld und Ich glaube, dass Programme enorm wichtig den damit verbundenen Herausforderungen Ressourcen auch für kulturelle Bildungs- sind, um die Entwicklung und nachhaltige an ein Bildungsverständnis, das unter ande- Wenn wir von den 4K-Kompetenzen ausge- angebote zur Verfügung stellen, gilt es vor Verankerung Kultureller Bildung zu beför- rem digital, chancengerecht und inklusiv ist. hen – Kreativität, kritisches Denken, Kom- Ort Kräfte zu bündeln, um möglichst schnell dern. Sie sind Impulsgeber, ermöglichen Welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht in munikation und Kollaboration – dann sind gute Angebote für viele Kinder und Jugend- sich auf neues Terrain zu begeben und bie- diesem Zusammenhang kulturelle Bildungs- es genau diese Skills, die über künstlerische liche zu schaffen – sowohl in den Schulen als ten Räume, in denen experimentiert, ge- angebote in der Schule, wenn es um das Ler- Prozesse gestärkt und gefördert werden auch in Kultur- und Jugendeinrichtungen. forscht und ausprobiert werden kann – wie nen im 21. Jahrhundert geht und wie trägt können. Eine der wichtigsten Herausforde- Den Regionalen Bildungsbüros kommt hier beispielsweise im Modellprogramm Kultur- Kulturelle Bildung zum Wissenserwerb bei? rungen unserer Zeit und der Zukunft ist Ge- aus meiner Sicht eine zentrale Rolle zu: Sie agenten für kreative Schulen. staltung: Welt zu gestalten, Gesellschaft zu können nicht nur informieren, vernetzen Das Ziel von Kultureller Bildung ist aus mei- gestalten, soziale Beziehungen zu gestalten. und beraten, sondern auch selbst Initiative Programme sind allerdings aus meiner Sicht ner Sicht nicht, Wissenserwerb in einem Und Gestaltungskompetenz steht bei Kultu- ergreifen, damit Programme regional umge- dann besonders wirksam, wenn sie nachhal- klassischen Sinne zu gewährleisten. Es geht reller Bildung stets im Fokus. setzt werden können. Gerade in Hinblick auf tig sind. Ihre Verstetigung sollte von vornhe- ja gerade nicht mehr nur darum, Wissen so die fast unüberschaubare aktuelle Vielfalt rein als Teil des Programms mit eingeplant zu vermitteln, wie Schule das im 20. Jahr- Kreativität ist Kultureller Bildung per se im- der Programme möchte ich an dieser Stelle und im besten Falle auch noch ein Stück hundert getan hat. Ich glaube vielmehr, dass manent, so zum Beispiel, wenn mit Küns- gerne auch auf die Arbeitsstelle Kulturelle weit begleitet werden. Entscheidend ist, das es wichtig ist, dass Kinder für die Herausfor- ten neue Möglichkeiten und Denkräume Bildung NRW hinweisen: Die Expert*innen neue Wissen in den Transfer zu bringen, um derungen der Zukunft Erfahrungen sammeln geschaffen oder geöffnet werden, in denen dort helfen Kommunen durch den Förder- es nachhaltig nutzen zu können. Wissens- und gestärkt aus der Schule hervorgehen. sich Kinder und Schüler*innen ganzheitlich dschungel und beraten unter anderem auch transfer ist also eine zentrale Bedingung für Wenn Kulturelle Bildung zum Wissenser- und mit allen Sinnen entdecken. Kreativität Schulen bei der Entwicklung kultureller Bil- Nachhaltigkeit. werb beitragen kann, dann in Bezug auf das braucht dabei Raum und Offenheit, aber dungsangebote. Wissen um das „wie“: „Wie kann ich mich auch eigenes Tun und die Fähigkeit, selbst einer Fragestellung oder einem Problem dafür Verantwortung zu übernehmen. Und nähern?“, „Wie finde ich eine Lösung, und in gemeinsamer künstlerischer Arbeit ist es „Es gilt vor Ort Kräfte zu bündeln, um wie kann es mir gelingen, Antworten zu zudem wichtig, kritisch reflektiert und auch möglichst schnell gute Angebote für finden?“. Für mich bedeutet Bildung im 21. gemeinsam, also kollaborativ, Lösungen zu Jahrhundert so vor allem, kreative Kompe- erarbeiten. viele Kinder und Jugendliche zu schaffen tenzen zu stärken. – sowohl in den Schulen als auch in Kul- tur- und Jugendeinrichtungen.“ 12 13
Ausgabe 1|21 Yara Hackstein Yara Hackstein ist Expertin für Kulturelle Bildung. Als Prozessbegleiterin und Moderatorin berät sie Schulen bei der Entwicklung qualitätsvoller Kooperati- onsprojekte und kultureller Schulentwicklung. Die Journalistin, Kunstpädago- gin und Kulturagentin managte das bundesweite Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“ in Berlin und ist u. a. für die Bezirksregierung Arnsberg als fachliche Beraterin Kulturelle Bildung tätig. Welche Rolle spielt Digitalisierung in der Kul- innerung geblieben, mit dem Sie diese Head- turellen Bildung? line in Verbindung bringen? Digitalisierung und Kulturelle Bildung schlie- Ich könnte ganz viele Beispiele nennen. ßen sich in keiner Weise aus. Wir leben in ei- Sehr präsent ist mir, wie am Ende des letz- Kultur macht Stark – Bündnisse für Bildung ner digitalen Welt, unser Leben ist in weiten ten Schuljahres Schüler*innen eines 6. Teilen digitalisiert. Insofern muss Kulturelle Jahrgangs in Rahmen des Literatur-Projekts Mit dem Programm „Kultur macht stark – Bündnisse für Bil- Bildung selbstverständlich auch Digitalität „#lassmalesen“ eine Lesung mit einer Auto- dung“ fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung in ihren verschiedenen Dimensionen mit- rin selbständig geplant und veranstaltet ha- (BMBF) aktuell bis 2022 außerschulische Angebote der Kultu- denken oder mitberücksichtigen. Das kann ben. Es war zutiefst beeindruckend, welche rellen Bildung und setzt damit seine bereits seit 2013 laufende einerseits bedeuten, dass Kulturelle Bil- Fragen die Schüler*innen sich überlegt und Unterstützung für Projekte Kultureller Bildung fort. Ab 2023 ist dung in den digitalen oder in den virtuellen wie viele Gedanken sie sich zum Buch ge- bereits eine neue vierjährige Förderphase beschlossen worden. Raum verlagert wird, so wie wir das jetzt in macht hatten. Es hat die Kinder enorm moti- Zeiten der Pandemie in vielen Ansätzen ge- viert, dass sie wussten, dass diese Künstlerin Unterstützt werden die Bündnisakteure durch ein breites Bera- sehen haben. Dabei gilt es, neue Angebote sich extra für sie auf dem Weg von Berlin ins tungs- und Schulungsangebot. zu schaffen und die Potenziale von digitalen Ruhrgebiet macht, um ihre Fragen zu be- Medien oder von digitalen Übertragungswe- antworten. Wie diese Kinder auf der Bühne In Nordrhein-Westfalen steht die bei der Arbeitsstelle „Kulturelle gen auszuloten. Zudem gibt es spannende dann ganz stolz, mutig und fröhlich ihre In- Bildung NRW“ in Remscheid angesiedelte Servicestelle „Kultur Ansätze, wie Künstler*innen mit digitalen terviews führten und Szenen aus dem Buch macht stark“ NRW allen Interessierten bei der Konzeption, Pla- Medien in virtuellen Welten Kunst komplett nachspielten, das hat mich sehr berührt. nung und Antragstellung neuer Projekte zur Seite. neu denken und neue künstlerische Formen Man sah förmlich, wie sie über sich selbst entwickeln. All dies gehört zur Zukunft der hinausgewachsen und an dieser Situation Weitere Informationen der Servicestelle in NRW: Kulturellen Bildung. selbst gewachsen sind. Es war eine wunder- www.kulturellebildung-nrw.de/servicestelle schöne, beglückende Veranstaltung. Auf Ihrer Internetseite www.kulturelle-bil- Informationen des BMBF zum Programm „Kultur macht Stark – dung.net steht die Headline: „Kultur macht Frau Hackstein, vielen Dank für das Inter- Bündnisse für Bildung“ und zur Förderrichtlinie ab 2023: Kinder stark – und das Leben bunter“. Ist Ih- view! www.buendnisse-fuer-bildung.de nen vor dem Hintergrund Ihrer langjährigen Erfahrungen im Bereich Kultureller Bildung Das Interview führte Kirsten Althoff ein eindrucksvolles Beispiel besonders in Er- Transferagentur NRW 14 15
Ausgabe 1|21 Von Daten zu Wissen Interpretationsgemeinschaften für ein zukunftsfähiges kommunales P Bildungsmanagement Im Gespräch mit Dr. Heinz-Jürgen Stolz Herr Stolz, wie definieren Sie Wissen? alles, was machbar ist, was man an Daten erheben kann, was vielleicht auch vernünf- Wenn dieser Prozess nicht stattfindet, be- Gespräch gehen, die sich auskennen. Wenn man von dem großen Begriff Wissen tig wäre aus wissenschaftlicher Sicht zu er- steht die Gefahr, statistische Artefakte zu zu dem Begriff der Information geht, dann heben, macht einen Unterschied. Deshalb produzieren. Das sind ja meistens Durch- Was macht eine Interpretationsgemein- gibt es diese schöne Definition von Grego- muss man sich vor allem fragen, für wen schnittswerte. Und das heißt: Je nachdem, schaft aus? ry Bateson: Information ist ein Unterschied, soll es denn einen Unterschied machen? Für wie ich die Gebietskulisse abgrenze, ver- der einen Unterschied ausmacht. Das finde wen ist denn das Monitoring da? schieben sich die Belastungsindikatoren, In einer Interpretationsgemeinschaft ver- ich sehr weise und führt uns zum Wissen, ohne dass sich an den Lebenslagen auch sammeln sich Expert*innen, die sich beson- denn Wissen ist nur etwas, was relevant Welche Verantwortung tragen Bildungsmo- nur das Geringste geändert hätte. Das ders gut auskennen, zum Beispiel in einem gesetzt wird, was einen Unterschied macht. nitorer*innen, damit aus Daten Wissen ge- heißt, was tiefrot als stark belasteter Raum Stadtteil. Man befragt sie, was hinter einem Was für einige Informationen sind, ist für an- neriert wird? markiert ist, hängt davon ab, wo die Gren- Befund steckt. Expert*innen sind aber in dere ein Hintergrundrauschen. ze des Bezirks oder des Stadtteils gesetzt diesem Fall nicht nur die Fachkräfte, son- Bildungsmonitorer*innen müssen nicht werden, was aber noch wenig über die dern auch Drehpunktpersonen der Zivilge- Was bedeutet das in der Umsetzung für das wissen, was andere als relevant erachten realen Gegebenheiten vor Ort aussagt. sellschaft – Personen, die gut vernetzt sind. Bildungsmonitoring? – Entscheidungsträger*innen zum Beispiel oder Adressat*innen – und sie müssen auch Welche Rolle nehmen die Daten ein? Sind sie Welchen Effekt kann ein Monitoring haben, Wenn man sich auf einen vernünftigen Pfad nicht die Interpretation von Daten liefern. dann eher ein Warnsignal als Wissen? wenn es als Gesprächsanlass in einer Inter- begeben will, dann muss man sich zunächst Das sind schon mal zwei Entlastungen. Was pretationsgemeinschaft dient? fragen, was macht eigentlich einen Unter- sie können sollten: Daten so aufzubereiten, Ja genau. Und deswegen geht es darum, wie schied – etwa in Lebensformen, in Verhal- dass sie anschlussfähig für Interpretations- wir aus diesen Daten den Anteil von statisti- Ich möchte es an einem realen Beispiel aus tensformen von Akteur*innen. Das muss gemeinschaften sind. Interpretationsge- schen Artefakten raus bekommen. Wie krie- einer Großstadt in NRW demonstrieren: man im Grunde fokussieren. Das ist das meinschaften bestehen eben nicht nur aus gen wir es hin, dass diese Daten uns helfen, Es ging dabei darum, dass Mittel in Höhe Entscheidende. Beim Monitoring muss man Entscheider*innen, sondern das können etwas über Lebenslagen zu erfahren? Dafür von fast einer Million Euro pro Jahr über sehr aufpassen, dass es möglichst schlank Sozialraumkonferenzen oder Resonanzgrup- braucht es Interpretationsgemeinschaften. das Programm „kinderstark – NRW schafft gehalten wird, ein schlankes Indikatorenset. pen sein, in denen Fachkräfte und Adres- Viel mehr als einen Anfangsverdacht kön- Chancen“ für Quartiere mit hohem Bedarf Es muss natürlich aussagekräftig und infor- sat*innen an einem Tisch sitzen und darü- nen wir aus den Daten nämlich nicht heraus- bereitgestellt wurden – der Mitteleinsatz mationshaltig sein für die Leute, die es be- ber sprechen, was die Daten zeigen. lesen. Diesen Anfangsverdacht muss man sollte auf wenige stark belastete Quartiere nutzen sollen. Aber grundsätzlich gilt: Nicht kommunikativ validieren und mit Leuten ins konzentriert werden, so dass also alle an- 16 17
Ausgabe 1|21 Dr. Heinz-Jürgen Stolz Er ist langjähriger Leiter der Servicestelle Prävention (ISA e. V.) im Landesprogramm „kinderstark – NRW schafft Chancen“. Die Ser- vicestelle begleitet und berät Kommunen in Nordrhein-Westfalen beim Aufbau kommunaler Präventionsketten, die oft auch ein klein- räumiges Präventionsmonitoring beinhalten. deren leer ausgehen würden. Wie erreicht Ein Lösungsraum wird eröffnet… Wie kann das Wissen an die Politik weiterge- Welche Rolle sollte also ein Monitoring ein- man dazu einen Konsens unter den Stake- ben werden? nehmen? holdern? Dazu versammelten sich Personen Ja genau, ein Lösungsraum, der vom Ziel her aus den relevanten kommunalen Ausschüs- gedacht wird und der zu Arbeitsbündnissen Wenn wir nun davon ausgehen, dass die Ich finde, Monitorings müssen auf ihre Funk- sen und Ratsfraktionen und diskutierten die führen kann. Dadurch verändern sich be- Daten kleinräumig und kommunikativ va- tion bezogen werden, die sie haben können. Vorauswahl der zu fördernden Quartiere stimmte Dinge. Das heißt, es enttabuisieren lidiert, sie also von einer vielgliedrigen In- Die Versachlichungsfunktion beispielsweise, von Fachplanung und Dezernat. Ohne Moni- sich Themen – wie beispielsweise Kinder- terpretationsgemeinschaft mehrperspek- die Objektivierungsfunktion, dieses gemein- toring hätte man vermutlich einen Interes- armut – und Vorbehalte gegenüber einer tivisch unter die Lupe genommen wurden, same Schauen auf etwas und problemorien- senausgleich zwischen politischen Parteien entsprechenden Problemartikulation und können belastbare Aussagen gemacht wer- tiert Handlungsstrategien entwickeln. Dafür oder zwischen in der Stadt besonders ein- -visualisierung können abgebaut werden. den. Daten werden so zu Wissen. Die Fra- sind sie gut. Wenn ein Monitoring scheitert, flussreichen freien Trägern der Wohlfahrts- ge ist dann, wie kriege ich dieses durch die dann, weil es fälschlich und voreilig mit dem pflege angestrebt. Durch die kleinräumige In dem erwähnten Beispiel öffnete die- unterschiedlichen Stakeholder mehrfach Anspruch einer Wirkungsanalyse verknüpft Visualisierung von Belastungsindikatoren se Problemartikulation dann zum Beispiel belichtete Bild wieder in eine Aussage, die wird. Das Monitoring hat in erster Linie eine hingegen war allen sofort einsichtig, auf auch den Blick von der Gestaltung der Prä- nicht verfälscht und die Perspektiven ent- anamnetische Funktion, zeigt also, wie sich welche Gebietskulissen der Mitteleinsatz zu ventionskette hin zur Bildungslandschaft, eignet, die aber auch ein Resümee zieht, die zum Beispiel die lebenslagenbezogene Be- fokussieren war. etwa mit Blick auf den quartiersbezogenen eine Klammer um das Ganze macht. Hierfür lastung und auch die Infrastrukturausstat- Aufbau sogenannter Familiengrundschul- muss die Komplexität reduziert werden. Das tung von Räumen im Zeitverlauf entwickelt. Gemeinsam hat man auf die Daten geschaut zentren.* So kann die Kommune trotz feh- soll keine Simplifizierung der Befunde sein, Und dafür ist es wunderbar geeignet. Erst und bestimmt, welche Priorisierung von lender Zuständigkeit im Sinne eines erwei- das ist ein schwieriger Schritt. Aber um das die daran ansetzende kommunikative Vali- Handlungsbedarfen sie nahelegen. In dieser terten Bildungsverständnisses pädagogisch Ganze in Entscheidungsvorlagen für politi- dierung in der Interpretationsgemeinschaft Weise können Daten eine objektivierende Einfluss nehmen – beispielsweise auf päd- sche Gremien, für Ausschüsse oder für den der Stakeholder vollzieht den strategiebil- Wirkung haben – sei es auf der Entschei- agogische Architektur sowie auf die Ganz- Verwaltungsvorstand zu bringen, ist das ein denden Schritt von Daten zu Wissen und im dungsebene, im Verwaltungsvorstand, in tags- und OGS-Gestaltung – bleibt also im notwendiger Schritt. Ein sogenanntes integ- Anschluss von Strategien zu Taten. So ergibt Ausschüssen und so weiter. Deswegen ist Schulbereich nicht auf ihre Funktion als riertes Handlungskonzept, dass eben nicht sich dann die Verknüpfung der Anamnese ein Monitoring so wertvoll. Von da aus kann Sachaufwandsträgerin begrenzt. Und das ist Handlungsoptionen nebeneinander her- durch das Monitoring mit der integrierten man dann die Frage „Was sehen wir hier?“ genau das, warum man Netzwerke bildet, in laufen lässt, sondern aufeinander bezieht, (kleinräumigen) Strategiebildung und Wir- stellen und somit die Daten breit sachkundig denen man gemeinsame Lösungen für Prob- muss dann in passender Sprache an politi- kungsanalyse. diskutieren und interpretieren. leme erarbeitet. sche Entscheidungsträger*innen herange- tragen werden. Vielen Dank für das Gespräch. Das Gespräch führte Laura Förste * Das ISA e. V. ist Koordinierungsstelle des Pro- Transferagentur NRW jekts „Familiengrundschulzentren im Ruhrgebiet“ (MSB-Richtlinie) sowie Servicestelle „Familienzen- tren“. Darüber hinaus bietet das ISA Weiterbildun- 18 gen im Bereich „Familienzentren“ an. 19
Ausgabe 1|21 Reportage Über die Teilhabe von Menschen im Strukturwandel „Wir wollen für alle da sein“ Ankunft in Herzogenrath. Vom Parkplatz zum Gebäude sind es nur wenige Meter. Saf- te im Haus, und Thomas Hohenschue, der sich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert, Ein Besuch der Bildungs- und Begegnungsstätte tig grüne Wiesen und Bäume, die im Wind sind sich einig: „Wir möchten Begegnung rascheln, säumen das Mauerwerk. Große für alle Menschen schaffen und gemeinsam Nell-Breuning-Haus in Herzogenrath freundliche Fenster lassen den Blick ins Grü- voneinander lernen.“ Es ist dieses Leitbild, ne zu. Die Ruhe lädt ein, einmal genauer das den Antrieb für das hohe Engagement hinzuschauen. Das Nell-Breuning-Haus ist jeder*jedes Einzelnen gibt, das Haus für die Von Laura Förste seit über 40 Jahren ein Bildungsort für die und mit den Menschen zu gestalten. Gutes Menschen in Herzogenrath, das in der Städ- und Funktionierendes soll dabei durchaus teRegion Aachen liegt. Seitdem hat es viele bewahrt werden, ohne dabei die Offenheit Veränderungen im Rheinischen Revier mit- für Veränderungen zu vergessen. Verände- erlebt: sei es den Wandel in der Textilbran- rungen scheinen jedoch für Körber alltäg- „Arbeiterbildung hat die Aufgabe, den Menschen im Wandel zu begleiten und zu befähigen und nicht, den Menschen ausschließlich anzupassen“, so Manfred Körber. che oder den Ausstieg aus der Steinkohle- lich zu sein, dem es grundsätzlich darum förderung. Da ist der Braunkohleausstieg im geht, die Auswirkungen einer sich stetig Rheinischen Revier bis voraussichtlich 2038 verändernden Arbeitswelt zu beobachten lediglich ein weiteres Ereignis, bei dem die und die Menschen dabei zu begleiten. „Ar- Bildungs- und Begegnungsstätte Menschen beiterbildung“, so sagt der 58-Jährige, „hat unterstützen möchte. die Aufgabe, den Menschen im Wandel zu begleiten und zu befähigen und nicht, den Gerade in Ferienzeiten ist das Haus mit sei- Menschen ausschließlich anzupassen.“ nem Garten ein ruhiger Ort. In „normalen“ Zeiten sind täglich 80 bis 100 Menschen in Durch den „Neubau“ aus den 1980er Jahren dem großzügig angelegten Gebäude unter- führen uns Körber und Hohenschue über wegs. Sie nehmen an Seminaren teil, besu- den ruhigen und grünen Innenhof in das chen Weiterbildungskurse oder nehmen ein Dachgeschoss des alten, aber charmanten Beratungsgespräch wahr. Hinzu kommen Haustraktes. Schon auf der Treppe hören bis zu 45 Beschäftigte, die die Kurse leiten, wir Stimmengewirr und Geschirr klappern. kochen, reinigen oder den nächsten Projekt- Durch den langen Flur kommen uns Men- antrag stellen. Manfred Körber, seit drei Jah- schen entgegen. Zu unserer rechten Seite ren Geschäftsführer des Hauses, Christina öffnet sich eine Tür und gibt den Blick in eine Herrmann, Fachbereichsleiterin der Projek- geräumige Küche mit Esstisch frei, an dem Blick in den Innenhof des Nell-Breuning-Hauses. Die Ruhe lädt zu einer entspannten Mittagspause ein. 20 21
Ausgabe 1|21 Schon gewusst? » Das Nell-Breuning-Haus (NBH) ist die erste Bildungseinrichtung in der StädteRegion Aachen, die nach der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) zertifiziert ist. » Das NBH unterstützt mit vier Ladesäulen für Elektroautos die Verkehrswende. » Der neue Dienstwagen fährt mit 100 Prozent regenerativ gewonnenem Strom. » Die Küche erhöht stetig den Anteil an regionalen und biozertifizierten Produkten. „Wir nehmen dabei die Perspektive » Refill Wasserspender können von allen Besucher*innen genutzt werden. » Das NBH adressiert auch Radwander*innen mit seinem Übernachtungsangebot. derjenigen ein, die wenige Ressourcen haben, » Das Bildungszentrum sondiert systematisch weitere Möglichkeiten nachhaltiger Betriebsentwicklung. selbstständig die Veränderungen anzuneh- Das Nell-Breuning-Haus: www.nbh.de men und entsprechende Wege zu gehen.“ Erfahren Sie mehr zur Gemeinwohlökonomie: www.web.ecogood.org/de etwa 15 Personen bequem Platz finden kön- viele Potenziale entfalte, so Körber. Auch Parkplatz von Manfred Körber und Thomas nen. Vier Frauen sind gerade dabei die Reste Claudia Heuer ist begeistert von diesem An- Hohenschue verabschieden. eines Essens zusammen zu räumen und be- satz. Nicht nur bereitet sie in der Küche täg- grüßen uns freundlich. liche Mahlzeiten zu, sondern engagiert sich Den Sorgen vor dem Strukturwandel begeg- ebenso in der Produktionsschule mit einem nen die Menschen im Nell-Breuning-Haus „Wir befinden uns nun in der Produktions- eigenen Stellenanteil als Fachanleiterin. So mit vielen Gestaltungsideen vor Ort. Und es schule“, erklärt uns Körber. Das Nell-Breu- profitiert das gesamte Haus von dem über- sind sich alle einig: der Mensch muss im Mit- ning-Haus ist ein Akteur unter mehreren greifenden Austausch, die Teams von neuen telpunkt stehen, um Wachstum, Fortschritt in der StädteRegion Aachen, der die Maß- Ideen und jede*r Einzelne von den Erfahrun- und Veränderungen nachhaltig einzuläuten. nahme des Jobcenters umsetzt. Die jungen gen und Hintergründen seines Gegenübers. So betonen alle Beschäftigten und Engagier- Menschen, die hierherkommen, leben aus ten im Haus, dass es wichtig ist, die Bedarfe unterschiedlichsten Gründen seit längerem Um den Strukturwandel für und mit den derjenigen, die Gefahr laufen, nicht Schritt im Arbeitslosengeld II Bezug. Sie können Menschen zu gestalten, müsse es gelingen halten zu können, im Blick zu behalten. „Nur hier praxisorientiert lernen und ihre Kom- alle Menschen daran teilhaben zu lassen wenn es gelingt alle Menschen mitzuneh- petenzen weiterentwickeln – nicht abstrakt, und sie in ihrem Können und Wissen ernst men, kann auch der Strukturwandel lang- wie es so häufig in der Schule vorkommt. zu nehmen, ist Körber überzeugt. „Wenn fristig erfolgreich sein. Dafür braucht es gut sich eine Industrie verändert, macht das ausgestattete Bildungs- und Beteiligungs- Es ist die Chance, beispielsweise sprachliche was mit den Menschen. Wir nehmen dabei prozesse im Revier, um der Vielschichtigkeit Barrieren zu überwinden, und im Handeln die Perspektive derjenigen ein, die wenige des Strukturwandels überhaupt gerecht auch den Spracherwerb zu erlangen, um Ressourcen haben, selbstständig die Verän- werden zu können und somit seinen Men- wiederum eigene Fähigkeiten kennenzuler- derungen anzunehmen und entsprechende schen“, meint Manfred Körber. Mit diesem nen und zu erfahren. Die Produktionsschule Wege zu gehen.“ Er plädiert vehement für ei- Apell im Ohr fahren wir langsam und nach- möchte einen Lernprozess in Gang setzen, nen Strukturwandel, der vom Menschen aus denklich vom Parkplatz. Mit dem Ende des der das Selbstbewusstsein stärkt und beruf- gedacht wird, um Fortschritt und Mensch Braunkohleabbaus gibt es viele neue Ziele, liche Bildung mit Selbst-Bildung verbindet. nicht voneinander zu trennen, sondern als Interessen und Ideen im Rheinischen Revier. Das Erfahrbare stärkt die Selbstwirksamkeit etwas Gemeinsames zu begreifen, das in ei- Eins jedoch scheint klar: nur mit Bildungsak- und so ist es nicht selten, dass die unter- ner Wechselwirkung zueinander steht. teur*innen vor Ort, die Menschen zusam- schiedlichen Bereiche im Haus voneinan- menbringen, Wissen bündeln und Interes- der profitieren können. Lehren und Lernen: Um 16:30 Uhr ist die Produktionsschule für sen von Bürger*innen vertreten, kann eine das ist das Konzept des Hauses. So sind die heute beendet. Die Frauen bieten uns noch nachhaltige Zukunft für die Region geschaf- Köch*innen des Hauses sowohl Fachanlei- selbstgemachte Süßigkeiten an, bevor wir fen werden. Denn sie verfügen über langjäh- ter*innen als auch Lernende. Überall sei den langen Flur entlang gehen, die Treppe rige Erfahrung, kennen die Region und ihre Manfred Körber und Laura Förste (TA NRW) im Gespräch. Wissen vorhanden, das durch Begegnung wieder hinuntersteigen und uns auf dem Menschen. 22 23
Ausgabe 1|21 Von Wissen zu Taten MINTaktiv – Von Wissen zu passgenauen Bildungsangeboten Von Katharina Baarhs Leitung des Kommunalen Bildungsbüros Leverkusen Der letzte Freitag in den Sommerferien, strahlender Sonnenschein – ab ins Freibad?! Weit gefehlt. Am 13. August 2021 kamen 20 Kinder im Alter von 10 bis 12 Jahren zum Aktions- tag MINTaktiv in das Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer in Leverkusen-Schle- busch. Und die Warteliste spricht dafür, dass noch viel mehr gekommen wären. Selber Handanlegen durften die Teilnehmer*innen beim Aktionstag „Werde Dein eigener Schmied und mach Dich fit für den Schulstart“. Der Aktionstag Unterstützung kam dabei aus Mitteln des toren - das Kommunale Bildungsbüro und sechsten Klasse eine Lücke in der stimmt. Wenn in den Bereichen MINT NRW-Förderprogramms „Extra-Zeit zum Leverkusen als Träger des zdi-Netz- MINT-Förderung besteht. Denn für die und Nachhaltigkeit die Zukunft un- Der kostenlose Aktionstag hatte das Motto Lernen.“ werks (Zukunft durch Innovation) Kleinsten gibt es mit dem Haus der serer Gesellschaft und unserer Wirt- „Werde Dein eigener Schmied und mach cLEVer gemeinsam mit den zdi-Netz- kleinen Forscher ein Fortbildungspro- schaft liegt, dann braucht es dafür na- Dich fit für den Schulstart“. Auf dem Pro- Warum eigentlich ein Aktionstag? – Wis- werken des Rheinisch-Bergischen und gramm, das pädagogischen Fachkräfte türlich Fachkräfte jeden Geschlechts. gramm stand eine Führung durch das In- sen, Ideen, Planung Oberbergischen Kreises sowie dem in Kindertagesstätten und Grundschu- Die Berufsbildungsstatistik für Lever- dustriemuseum, Schmieden sowie Sport außerschulischen Lernort :metabo- len zeigt, wie sie mit Kindern spiele- kusen, die im Rahmen des Bildungs- und Bewegungsspiele. Die Kinder konnten Die Idee zum Aktionstag und die konkrete lon - ein neues, pandemiekonformes risch entdecken und forschen können. monitorings regelmäßig ausgewertet im Industriemuseum erfahren, wie früher Ausgestaltung in Leverkusen basieren im Format. Die Kooperationspartner ent- Schüler*innen ab der siebten Klasse wird, zeigt jedoch deutlich, dass nur im Sensenhammer gearbeitet wurde und Wesentlichen auf drei Aspekten: der Bedeu- wickelten gemeinsam die Idee eines erhalten über das Programm zdi wie- sehr wenige weibliche Auszubildende versteckte Orte wie den Bunker entdecken. tung der (frühen) MINT-Förderung, der För- Aktionstags, der von jedem Netzwerk derum viele Möglichkeiten, MINT-Be- in den entsprechenden Bereichen ver- Besonders gut angekommen ist, dass der derung von Mädchen gerade im MINT-Be- eigenverantwortlich auf die Beine ge- rufe praxisnah und spannend zu erle- treten sind (siehe Grafik S. 26). „Mir bleibt besonders in Erinne- Sensenhammer ein Museum zum Anfassen reich sowie der Corona-Pandemie und ihren stellt wird, aber zeitgleich an allen vier ben. Angebote für Kinder im Alter von rung, dass viele Teilnehmende ihre Pausen damit verbracht und Ausprobieren ist. Zusätzlich hatten die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Standorten stattfindet und für Kinder acht bis zwölf sind hingegen selten Als Träger des zdi-Netzwerks cLEVer haben, das Museum allein zu Teilnehmenden die Möglichkeit, unter fach- Hinter jedem dieser Punkte steht richtungs- der gesamten Region offen ist. und entsprechend stark nachgefragt. organisiert das Kommunale Bildungs- erkunden und ihren Eltern und kundiger Anleitung aus einem Drahtstift ei- weisendes Wissen, das sowohl auf Erfah- büro Leverkusen regelmäßig zdi-Kurse, Großeltern nach Ende des Akti- nen eigenen Garderobenhaken zu schmie- rung als auch auf dem Bildungsmonitoring Dahinter steckt bei allen Beteiligten Es war allen Beteiligten daher ein be- in denen Jugendliche in MINT-Berufe onstags direkt eine individuelle Führung gegeben haben.“ den. Als Ausgleich zur harten „Arbeit“ gab basiert. die Überzeugung, dass Innovationen sonderes Anliegen, das beliebte Feri- hineinschnuppern und sich ausprobie- es im nahegelegenen Wuppermann-Park in den Bereichen MINT und Nach- encamp nicht erneut ersatzlos ausfal- ren können. Dabei geht es beispiels- Jürgen Bandsom, Leiter des Sport mit Team- und Bewegungsspielen. Bedeutung der (frühen) MINT-Förderung haltigkeit unsere Zukunft bestimmen len zu lassen. weise um 3D-Druck, Web-Design, Industriemuseums Freudenthaler Sensenhammer Trotz sommerlicher Temperaturen wurde werden. Es ist daher wichtig, Kinder Elektronik oder Holzbearbeitung. Mit das Programm begeistert und motiviert an- Anstoß für die Entwicklung eines Aktions- schon so früh wie möglich in ihrem Förderung von Mädchen im MINT- dem zdi-Schülerlabor Probierwerkstatt genommen. tages war das alljährlich stattfindende Feri- Forscher*innendrang und ihrer natür- Bereich wurde sogar ein besonderer Lernort encamp „Bewegung, Aktion & Technik“ für lichen Neugierde zu bestärken und sie dafür geschaffen. Ziel ist dabei stets, Organisiert wurde der Aktionstag vom Kom- Kinder von zehn bis zwölf Jahren. Dieses dabei fit für die Zukunft zu machen. Die konkrete Planung für den Lever- Jugendliche für MINT-Berufe zu be- munalen Bildungsbüro Leverkusen in Zu- musste aufgrund der Pandemie schon zum kusener Aktionstag wurde vor allem geistern, verborgene Talente sichtbar sammenarbeit mit dem Industriemuseum zweiten Mal in Folge ausfallen. Um hier ei- Zudem wissen die Kooperationspart- durch die Notwendigkeit einer Mäd- zu machen und eine bewusste Berufs- Freudenthaler Sensenhammer. Finanzielle nen Ersatz zu bieten, suchten die Organisa- ner, dass gerade für Kinder der fünften chenförderung im MINT-Bereich be- wahl für Schüler*innen zu ermögli- 24 25
Ausgabe 1|21 Neben dem Selberschmieden standen auch Bewegungsangebote im Mittelpunkt des Aktionstages. Dieses Wissen ist in die weitere Aus- gestaltung des Aktionstages geflossen. So ist zum Beispiel nicht nur ein reines dem Industriemuseum Freudenthaler Sen- MINTaktiv – die Zukunftsperspektive Nur wenige Frauen lassen sich in MINT-Berufen ausbilden. In den Berufen der Maschinen- und Sportangebot entstanden, sondern senhammer umgesetzt. Die Koordination Fahrzeugtechnik sind nur knapp mehr als 2% aller Auszubildenden in Leverkusen weiblich. Im der Fokus lag explizit auf bewegungs- lag hier beim Bildungsbüro, das vor allem Nach dem großen Erfolg im Sommer nutzt Berufsfeld Mathematik, Biologie, Physik und Chemie haben Frauen einen Anteil von ungefähr 20% an allen Auszubildenden. Die Daten zeigen in jedem Fall klar: Hier ist Handlungsbedarf! fördernden Teamspielen, um das sozi- Erfahrungen in Logistik, Teilnahmemanage- das Bildungsbüro die aktuellen Fördermög- Quelle: IT.NRW, Berufsbildungsstatistik Leverkusen, 2019. ale Miteinander zu beleben. Und auch ment und Fördermittelakquise beigetragen lichkeiten, um weitere Angebote für Kin- im MINT-Anteil des Aktionstages ging hat. Die Sportleiterinnen kamen aus einem der im Alter von acht bis zwölf Jahren zu chen. Ein Blick auf die Teilnehmenden- zuprobieren und MINT-Förderung mit es vor allem darum, die Freude am Leverkusener Verein und wurden auch über organisieren. Bis Ende der Sommerferien „Gemeinsam schaffen wir mehr. statistik reicht allerdings, um zu sehen: etwas völlig Anderem zu verbinden: Lernen und Entdecken zu fördern. Der das Kommunale Bildungsbüro engagiert. 2022 plant das Bildungsbüro noch jeweils Bei allen unseren Projekten Erreicht werden vor allem die Jungen. Sport und Bewegung. Aktionstag sollte dazu beitragen, dass Das Industriemuseum hat dafür den Veran- zwei MINTaktiv Ferienwochen für Kinder profitieren wir immer sehr von 2020 haben in Leverkusen 15 zdi-Fe- die teilnehmenden Kinder mit einem staltungsort, die Inhalte und die fachliche der Klassen drei und vier sowie der Klassen Kooperationspartnern, die ihre rienkurse stattgefunden. Die Teilneh- Die Corona-Pandemie und ihre Aus- positiven Lernerlebnis ins neue Schul- Expertise im Schmieden beigesteuert. fünf und sechs. Das Wissen um den Bedarf Ressourcen und ihr Wissen in menden waren zu 89,5% männlich, zu wirkungen auf Kinder und Jugendli- jahr starten. ist da und der erste Aktionstag hat den ge- die Planung und Umsetzung mit einbringen.“ 10,5% weiblich. che Bleibt also die Frage: Ist das Konzept aufge- wählten Weg bestätigt. In den Herbstferien Wissen – Planung – Umsetzung: Der gangen? Der Blick auf die Anmeldezahlen startet direkt das nächste MINTaktiv-Camp. Michael Wilde, ehemaliger „Das Bildungsmonitoring liefert uns Somit kam bei der Planung auch der Realitätscheck und das Feedback zum Tag signalisieren: Ja! 24 Kinder der dritten und vierten Klasse ler- Leiter des Kommunalen Bildungsbüros Leverkusen systematische Zahlen und Daten und dritte Aspekt mit ins Spiel: die Coro- nen eine Woche gemeinsam zu den Themen ist damit eine wichtige Wissensbasis na-Pandemie und ihre Auswirkungen Als Wissensbasis für die Planung des » Es gab mehr Anmeldungen als Plätze. Elektronik und Energie und bekommen dazu für passgenaue Bildungsangebote. Im auf Kinder und Jugendliche: Aktionstages diente neben dem Bil- Der Bedarf bei Kindern im Alter von ein Sport- und Bewegungsangebot. Das An- Falle des Aktionstages konnten wir dungsmonitoring der Stadt Leverku- zehn bis zwölf Jahren war also richtig gebot war innerhalb von wenigen Tagen unsere Planung so gezielt an Bedarfe Studien, wie beispielsweise die Moto- sen auch Erfahrungswerte aus der verortet. ausgebucht und auch hier zeigt sich im An- anpassen“, erläutert Katharina Baarhs, rik-Modul-Studie des Karlsruher Insti- MINT-Förderung sowie bundesweite » Von den Teilnehmenden waren 45% meldeverhalten, dass Mädchen und Jungen neue Leitung des Kommunalen Bil- tuts für Technologie (KIT) zusammen Studien. Herausgekommen ist das weiblich und 55% männlich. Die Idee, gleichermaßen erreicht werden. dungsbüros Leverkusen und Bildung mit der Pädagogischen Hochschule Konzept „MINTaktiv“ – eine Kombi- Mädchen mit der Kombination aus integriert. Karlsruhe, zeigen, dass digitaler Un- nation aus MINT-Förderung und Be- MINT-Förderung, sozialem Erlebnis und Zum Schluss lässt sich sagen: MINTaktiv ist terricht und die monatelangen Lock- wegung mit dem Ziel, der aktuellen Sport anzusprechen, ist aufgegangen. ein Beispiel, das zeigt, wie aus Wissen ein Die Frage, wie Mädchen mit MINT-An- downs bei Kindern und Jugendlichen Situation der Kinder und Jugendlichen » Das Feedback der teilnehmenden Kin- passgenaues Bildungsangebot entsteht. geboten erreicht werden können, zu sozialer Isolation und zu einer Ab- gerecht zu werden und mit neuen An- der hat noch einmal deutlich gezeigt, Aber es soll nicht das einzige bleiben. Da- spielte daher auch bei der Planung nahme sportlicher Aktivitäten führten. geboten auch Mädchen für MINT zu wie sehr allen die Kombination gefallen bei ist Wissen, das aus dem Bildungsmoni- des Aktionstags eine große Rolle. Im Beides wirkt sich negativ auf die Ge- begeistern. hat und dass alle miteinander einen ab- toring generiert wird, ebenso wichtig wie Rahmen des NRW-Förderprogramms sundheit der Kinder und Jugendlichen wechslungs- und lehrreichen Tag hat- Erfahrungswissen in der Umsetzung und „Extra-Zeit zum Lernen“ bot sich die aus. Leverkusen ist hier natürlich keine Die Idee wurde vom Kommunalen Bil- ten. eine gute Zusammenarbeit mit Kooperati- Möglichkeit, ein neues Konzept aus- Ausnahme. dungsbüro Leverkusen zusammen mit onspartnern. 26 27
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