Energie nutzen mit Köpfchen

 
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Energie nutzen mit Köpfchen
Newsletter des Bundesamts für Energie BFE
                              Nummer 4 | Juli 2014

                              Energie und Verhalten

                              Energie nutzen
                              mit Köpfchen
                              Interview

                              Psychologe Tobias Brosch über
                              die Macht der Gewohnheit, wenn
                              es ums Energiesparen geht

                              Forschung und Innovation

                              Höhere Energiepreise kurbeln
                              die Innovation an

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Energie nutzen mit Köpfchen
Im              Urlaub,
           Abschalten!

     Gönnen Sie Ihren elektronischen Geräten auch eine Pause. Schalten Sie diese komplett aus oder ziehen Sie den Stecker!
     Damit vermeiden Sie unnötige Standby-Verluste. Wenn alle Schweizer Haushalte während des Urlaubs ihre Geräte ab-
     schalten, entspricht die eingesparte Energie dem Jahresverbrauch von ca. 15‘000 Haushalten.
     Mehr Info auf energieschweiz.ch

     In Zusammenarbeit mit

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Energie nutzen mit Köpfchen
Editorial

                                                                                                             Veränderung beginnt
                                                                                                             im Kopf
         Editorial                                                                                      1    4-Liter-Autos, Null- oder Plusenergiehäuser, A+++-Kühlschränke, die
         Interview                                                                                           noch einen Drittel der Energie verbrauchen, wie ähnliche Geräte vor
         Tobias Brosch über die psychologischen Faktoren,                                                    zehn Jahren – der technische Fortschritt in Richtung Effizienz geht
         die das Energiesparen begünstigen und erschweren                                               2    rasant vorwärts. Über viele neue und bessere Energietechnologien
         Windenergie                                                                                         konnten Sie sich als Leserin, Leser von energeia bereits informieren
         Eine Befragung unter Anwohnenden zeigt, wie die                                                     lassen. Mit der vorliegenden Ausgabe tauchen wir in eine Welt ab, die
         Akzeptanz gegenüber Windkraftanlagen gefördert                                                      sich mit einer anderen Dimension des Wandels beschäftigt: derjenigen
         werden kann                                                                                    4    des Individuums und der Gesellschaft.
         Suffizienz
         Wenn Effizienz und Konsistenz an die Grenzen kommen                                            6    Sie mögen sich jetzt fragen, was das mit Energie zu tun hat. Sehr viel.
         Tip p s u n d Tr ick s                                                                              Unser Umgang mit Energie ist keine rein technische Angelegenheit.
         Die Macht der Gewohnheit überwinden                                                            7    Wir lassen uns dabei von unserem sozialen Umfeld, dem bestehenden
         Verbote vs. Gebote                                                                                  Know-how oder den strukturellen Rahmenbedingungen genauso be-
         Was bringt mehr fürs Energiesparen?                                                            8    einflussen wie von der Technik. Nicht von ungefähr kommt der Aus-
                                                                                                             spruch, dass Veränderung im Kopf beginnt. Wer etwas ändern will,
         Energiebewusst leben
         Wie Familie Wehrli-Meyer mit 4600 Watt                                                              muss auch sich selbst, seine Gewohnheiten, seine Werte hinterfragen
         pro Kopf lebt                                                                                  10   und ändern wollen. Das neu ins Leben gerufene Energie-Kompetenz-
         News aus Boston
                                                                                                             zentrum CREST (Competence Center for Research in Energy, Society
         Letzte Vorbereitungen für die                                                                       and Transition) beschäftigt sich unter anderem mit dem Aktionsfeld
         «Swiss – US Energy Innovation Days»                                                            11   Verhalten. Es versucht zu ergründen, wann, wie und warum ein Mensch
         Forschung und Innovation
                                                                                                             Energie nutzt, wie dieses Verhalten beeinflusst werden kann und wel-
         Höhere Energiepreise kurbeln die Innovation an                                                 12   che Hemmnisse es abzubauen gilt (Interview, Seite 2). Dass ein weni-
                                                                                                             ger energieintensives Leben nicht zwingend mit Verzicht verbunden
         Wissen
         Wie funktioniert LED?                                                                          14   sein muss, lassen wir Familie Wehrli-Meyer erzählen (Seite 10), die mit
                                                                                                             etwas mehr als der Hälfte der Energie eines aktuellen Durchschnitts-
         Kurz gemeldet                                                                                  15
                                                                                                             haushalts auskommt. Und schliesslich öffnen wir die Trick-Kiste (Seite
         Aus der Redaktion                                                                              17   11): Psychologen geben Tipps, wie der Energiekonsum im Alltag beein-
                                                                                                             flusst und nachhaltig verändert werden kann. Probieren Sie es doch
                                                                                                             einfach mal aus.

                                                                                                             Sabine Hirsbrunner, energeia-Redaktion

         Impressum
         energeia – Newsletter des Bundesamts für Energie BFE
         Erscheint 6-mal jährlich in deutscher und französischer Ausgabe.
         Copyright by Swiss Federal Office of Energy SFOE, Berne. Alle Rechte vorbehalten.
         Postanschrift: Bundesamt für Energie BFE, 3003 Bern
         Tel. 031 322 56 11 Fax 031 323 25 00 energeia@bfe.admin.ch
         Chefredaktion: Sabine Hirsbrunner (his), Angela Brunner (bra), Marianne Zünd (zum)
         Redaktion: Fabien Lüthi (luf), Philipp Renggli (rep), Benedikt Vogel (vob)
         Grafisches Konzept und Gestaltung: raschle & kranz, Bern; www.raschlekranz.ch
         Internet: www.bfe.admin.ch/energeia
         Informations- und Beratungsplattform: www.energieschweiz.ch

         Quellen des Bildmaterials
         Titelbild: Bundesamt für Energie BFE;
         S. 2: Bundesamt für Energie BFE; S. 4 – 5: Bundesamt für Energie BFE;
         S. 6 – 7: Shutterstock;S. 8 – 9: ETH Zürich; S. 10: Ursula Meisser; S. 11: Swissnex, Boston;
         S. 12 – 13: Shutterstock; S. 14: raschle & kranz, Bern; S. 15: Hochschule Luzern;
         S. 16: EnergieSchweiz; Bundesamt für Energie BFE; S. 17: Shutterstock.

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Energie nutzen mit Köpfchen
Interview

        «Wir werden nützliche Ratschläge
        für die Politik geben können»
         Tobias Brosch erforscht, wie psychologische Faktoren dazu beitragen können, dass wir mehr Energie sparen.

         Herr Brosch, warum fällt es uns so schwer,      Energiesparen sei nicht wichtig. Auch Ge-        die Person in der jeweiligen Situation zu be-
         Energie zu sparen?                              wohnheiten haben viel Gewicht: Wer gerne         trachten, wie wir Psychologen immer sagen.
         Oft liegt es an der Macht der Gewohnheit oder   jeden Morgen lang und heiss duscht, wird das     Eine Studie aus den USA zeigt beispielsweise,
         fehlenden Informationen darüber, was man        meist nur schwer ändern; selbst wenn er er-      dass linke Wähler eher Sparlampen mit ei-
         tun kann. Manchmal mangelt es aber auch am      fährt, wie viel Energie er dabei verschwendet.   nem Ökoauf kleber kaufen, während rechts-
         Interesse. Hinzu kommen sozio-ökonomische                                                        orientierte Wähler in der gleichen Situation
         Faktoren. Etwa wenn das Geld fehlt, um effizi-   Warum?                                           eher zurückhaltend reagieren. Allerdings
         ente Geräte anzuschaffen. Unter Umständen       Ein Grund könnte der Diskontierungseffekt        würden sie die gleiche Lampe ohne den Auf-
         komplizieren auch technische Barrieren das      sein: Bei einer Entscheidung gewichtet man       kleber kaufen.
         Energiesparen.

                                                         «Wir haben ein psychologisches Modell entwickelt, das Verhalten
         Welche psychologischen Faktoren sind dabei
         besonders wichtig?                              besser vorhersagen kann.»
         Zahlreiche psychologische Phänomene kön-
         nen einen Entscheid beeinflussen. Je nach        gewöhnlich den aktuellen Nutzen stärker als      Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
         Wertesystem, Bewusstsein für den Klima-         den künftigen Benefit. Das heisst, man will       Durch Informationskampagnen kann man
         wandel und Vorwissen beispielsweise ist uns     lieber heute profitieren als langfristig.         das Bewusstsein für Energiethemen erhöhen,
         Energiesparen mehr oder weniger wichtig.                                                         grundlegende Wertvorstellungen hingegen
         Das Umfeld kann den Vorsatz, Energie zu spa-    Was ist für den Entscheid ausschlaggebender      nur schwer verändern. Man muss daher mög-
         ren, ebenfalls begünstigen bzw. erschweren.     – psychologische Faktoren oder die Situation?    lichst Situationen schaffen, die das Energie-
         Zum Beispiel wenn meine Freunde denken,         Ein Faktor lässt sich nicht isolieren. Es gilt   sparen bei der jeweiligen Person fördern. Bei

                                                                                                                                                     2

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Energie nutzen mit Köpfchen
Geldschein vom Kinobesuch abhalten lassen.        3D-Brille tragen und in verschiedene Situa-
                                                            Auch versucht der Mensch, jegliche Verluste       tionen hineinversetzt werden, in denen sie
                                                            möglichst zu vermeiden. Wer in einer Präsen-      sich energiesparend verhalten können oder
                                                            tation die potenziellen Gewinne statt der Ver-    auch nicht. Zusätzlich zum Verhalten könn-
                                                            luste betont, beeinflusst dadurch bereits den      ten wir weitere Variablen wie zum Beispiel
                                                            Entscheidungsprozess seines Gegenübers.           Blickbewegung, physiologische Reaktionen
                                                            Man spricht von einem Framing-Effekt.             und Hirnaktivität messen, um die Prozesse
                                                                                                              besser zu verstehen, die solchen Entscheidun-
                                                            Sind diese Effekte auf irrationale Emotionen      gen zugrunde liegen. Nach einer Testphase
                                                            zurückzuführen?                                   im virtuellen Raum möchten wir potenzielle
                                                            In den letzten zwanzig Jahren kam es zu einer     Kunden eines Genfer Energieunternehmens
         Zur Person                                         affektiven Revolution: Man hat erkannt, dass      kontaktieren, um unser Modell in der Praxis
         Tobias Brosch ist Dozent für Psychologie an der    Emotionen nicht zu unvernünftigen Entschei-       zu validieren.
         Universität Genf und Bern. Er studierte Psycho-    den führen. Im Gegenteil, Emotionen und
         logie an den Universitäten von Trier und Canter-   Verstand arbeiten eng zusammen, damit wir         Ihre Forschung ist Teil des neuen Energie-
         bury, und promovierte 2008 an der Universität      rational entscheiden. Eine neurologische          Kompetenzzentrums für Ökonomie, Um-
         Genf und der Universität Bern. Danach arbeitete    Studie zeigte zum Beispiel, dass Hirngeschä-      welt, Recht und Verhalten (SCCER CREST).
         er unter anderem an der New York University,       digte in einem Glücksspiel länger auf die         Weshalb?
         bevor er 2011 nach Genf zurückkehrte.              falsche Karte setzten als gesunde Vergleichs-     Unsere Stärke ist der interdisziplinäre Ansatz
                                                            personen, da sie keine Emotionen verspürten.      der affektiven Wissenschaften. Das Schöne
                                                            Bei der Vergleichsgruppe stellte sich jedoch      am CREST ist, dass auch hier verschiedene
                                                            ein Lerneffekt ein: Dank ihrer Intuition trafen   Ansätze zusammenfinden. Als Forscher dür-
         manchen zieht das Argument «tue Gutes für          sie bald vorteilhaftere Entscheide.               fen wir keine disziplinären Scheuklappen
         die Umwelt». Anderen muss man erklären,                                                              tragen und arbeiten deshalb eng mit Experten
         wie sich das Energiesparen Ende Monat auf          Wieso?                                            aus anderen Fachbereichen zusammen, etwa
         die Stromrechnung auswirkt. So kann man            Emotionen liefern uns relevante Informatio-       Soziologen, Ökonomen und Umweltwissen-
         unterschiedliche Gruppen gezielt ansprechen.       nen, die über das materialistische hinausge-      schaftlern. In zwei bis drei Jahren sollten die
                                                            hen und unser Verhalten beeinflussen können,       ersten Resultate vorliegen.
         Wie rational entscheiden wir uns dafür Ener-       auch im Umweltbereich. Sieht man im Wald
         gie zu sparen?                                     beispielsweise eine schwere Umweltver-            Was erhoffen Sie sich davon?
         Kaum jemand hat Zeit, sämtliche Informati-         schmutzung, die einen emotional aufwühlt,         In unserem Forschungsprojekt liegt ein hohes
         onen zu verarbeiten, alle seine Präferenzen        kann das zur Absicht führen, Greenpeace           Anwendungspotenzial. Ich bin mir ziemlich
         zu prüfen und den grösstmöglichen Eigen-           etwas zu spenden. Allerdings besteht oft ein      sicher, dass wir aufgrund dieser Grundlagen
         nutzen zu kalkulieren. Sogenannte kognitive        Graben zwischen der Absicht und der tatsäch-      nützliche Ratschläge für Interventionsdesigns
         Heuristiken helfen uns, diesen Denkprozess         lichen Aktion. Dies müssen wir besser verste-     und die Politik geben können. Es wird uns je-
         abzukürzen. Dies führt möglichweise zu ei-         hen lernen.                                       doch nicht möglich sein, jede Entscheidung
         nem verzerrten Entscheid. Wegen der Anker-                                                           vorherzusehen. Dafür ist der Mensch zu kom-
         heuristik beispielsweise gewichten wir zuerst      Woran forschen Sie im Energiebereich?             plex. Aber unsere Forschungsergebnisse sol-
         erhaltene Informationen oft stärker, während       Wir möchten einen globalen Überblick darü-        len das freiwillige Energiesparen erleichtern
         wir weitere Informationen vernachlässigen.         ber gewinnen, welche kognitiven und emotio-       und Hindernisse abbauen helfen.
         Zudem bevorzugen wir in der Regel den Sta-         nalen Faktoren Entscheidungen beeinflussen.
         tus Quo. So übernehmen wir oft einfach Stan-       Hierfür haben wir ein psychologisches Modell      Wie hoch schätzen Sie dieses Energie-
         dards, ohne alle Optionen abzuwägen.               entwickelt, das Verhalten besser vorhersagen      sparpotenzial?
                                                            kann als herkömmliche Modelle. Dieses Mo-         Gemäss der Akademie der Wissenschaften
         Welche Rolle spielt dabei Geld aus psycholo-       dell möchten wir zunächst im Labor weiter-        wäre es bis 2050 möglich, aufgrund von psy-
         gischer Sicht?                                     entwickeln. Beispielsweise könnten wir mit        chologischen und sozialen Faktoren zwischen
         Aufgrund unserer «mentalen Kontoführung»           einer virtuellen Umgebung experimentieren,        0 und 30 Prozent Energie einzusparen. Mit
         reservieren wir häufig Geld für gewisse Tä-         um zu testen, wer unter welchen Umständen         dem CREST wollen wir sicherstellen, dass
         tigkeiten. Beispielsweise kaufen wir ein ver-      Energie spart.                                    dieser Anteil im oberen Bereich liegt.
         lorenes Kinoticket nicht nochmals, weil wir                                                          Interview: Angela Brunner
         das Geld dafür bereits investiert haben. Aber      Wie müsste man sich dies vorstellen?
         wir würden uns nicht von einem verlorenen          Die Testpersonen würden im Labor eine

         3

165188_energeia_4_df.indd 3                                                                                                                               26.06.14 14:49
Energie nutzen mit Köpfchen
Windenergie
                                                                       In der Schweiz gibt es heute 34 grosse Wind-
                Durch Information                                      kraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 60
                                                                       Megawatt. Die Anlagen haben im Jahr 2012 88
                und Verständnis zu                                     Gigawattstunden Strom produziert, das ent-
                                                                       spricht dem Jahresbedarf von knapp 25 000
                mehr Akzeptanz                                         Haushalten. Gemäss den Zielen der Energie-
                                                                       strategie 2050 des Bundes soll die Strom-
                                                                       produktion mit Windkraft in den nächsten
                                                                       Jahren weiter ausgebaut werden: bis 2020 auf
                                                                       600 GWh und bis 2050 auf 4300 GWh. Wie
                                                                       es sich kürzlich in den Kantonen Neuenburg
                                                                       (Abstimmung am 18. Mai) und Aargau (von
                                                                       Gegnern geplantes Windkraftmoratorium)
                                                                       wieder zeigte, sind Windenergieprojekte aber
                                                                       kaum je unbestritten. Eine Studie hat nun erst-
                                                                       mals die Wirkungen von Windkraftanlagen
                                                                       auf Anwohnende in der Schweiz untersucht.
                                                                       Wie wirken Windenergieanlagen auf Men-
                                                                       schen, die in ihrer Nähe wohnen? Welche
                                                                       Faktoren beeinflussen Einstellung und Ver-
                                                                       halten gegenüber solchen Anlagen? Mit die-
                                                                       sen Fragestellungen setzten sich Forschende
                                                                       aus Deutschland und der Schweiz auseinan-
                                                                       der und befragten dazu 467 Personen in der
                                                                       Deutsch- und Westschweiz. Die Befragten
                                                                       wohnten maximal fünf Kilometer von einer
                                                                       Windkraftanlage entfernt, die mindestens
                                                                       900 Kilowatt Leistung umfasst (mehr zur
                                                                       Untersuchungsmethode siehe Kasten).
                Forschende der Universitäten Halle-Wittenberg (D)
                                                                       Positive Grundhaltung
                und St. Gallen haben mit Unterstützung des Bundes-
                                                                       Die Ergebnisse der Studie lassen grundsätz-
                amts für Energie und des Bundesamts für Umwelt         lich Hoffnung für zukünftige Windenergie-
                erstmals die Wirkungen von Windenergieanlagen auf      projekte auf kommen. «Die Einstellung zur
                                                                       Windenergie und zu den Windkraftanlagen
                Anwohnerinnen und Anwohner in der Schweiz unter-
                                                                       vor Ort fiel deutlich positiv aus», erklärt Stu-
                sucht. Sie kommen zum Schluss, dass Anwohnende         dienleiterin Gundula Hübner, Professorin für
                eher eine positive Einstellung gegenüber den Anlagen   Psychologie an der Martin-Luther-Universität
                entwickeln, wenn sie sich bereits in der Planungs-     Halle-Wittenberg und der Medical School
                                                                       Hamburg. 78 Prozent der Anwohnenden be-
                und Bauphase gut informiert und ernst genommen
                                                                       fürwortet die Anlagen vor Ort, eine Minder-
                fühlen.                                                heit von sechs Prozent ist dagegen. Dass die
                                                                       Akzeptanz der Anwohnenden so hoch ist,
                                                                       führt Studienleiternin Hübner darauf zurück,
                                                                       dass die Vorteile der Windkraftanlagen stär-
                                                                       ker wahrgenommen wurden als die Nachteile.

                                                                                                                    4

165188_energeia_4_df.indd 4                                                                                        26.06.14 14:49
Energie nutzen mit Köpfchen
? Wussten Sie, dass …                                Sicht erklären. «Für Anwohnende, die die An-     den Anwohnenden im Auge zu haben», sagt
         … in der Schweiz 2012 pro Person rund 2,8 Millionen   lagen sehen, sind sie stärker präsent, und es    Hübner. Dazu empfiehlt sie, ein Monitoring
         Tonnen Siedlungsabfälle recycelt wurden? Dies         ist daher schwerer, sich von den Anlagen ab-     für die Menschen einzuführen, mit welchem
         entspricht ungefähr der Hälfte der gesamten Menge     zulenken», sagt Hübner weiter. Rund ein Fünf-    die Belästigung mit zunehmender Betriebs-
         an Siedlungsabfällen.                                 tel der Befragten fühlte sich hinsichtlich des   dauer eines Windparks beobachtet werden
                                                               beeinträchtigten Landschaftsbilds belästigt,     kann. Dies werde bereits erfolgreich für durch
         «Die vier grössten Vorteile sahen die Anwoh-          jedoch nur 0,4 Prozent davon entwickelten        Verkehrslärm belästigte Menschen angewen-
         nenden in der zeitgemässen Technik sowie ih-          deswegen Stresssymptome. «Hervorzuheben          det. (his)
         rem Beitrag zum Klimaschutz, zur Unabhän-             ist aber, dass fast ausnahmslos ein negativer
         gigkeit von Stromimporten und zum Ausstieg            Zusammenhang zwischen der Belastung wäh-
         aus der Kernkraft.» Bei den Nachteilen über-          rend der Planungs- und Genehmigungsphase
         wog die Beeinträchtigung des Landschaftsbil-          und der Belästigung bestand: je negativer die
         des sowie der Vögel und Fledermäuse. Dass             Wahrnehmung der Planungsphase war, des-
         Windkraftanlagen (bestehend oder geplant)             to stärker werden die Windenergieanlagen als
         trotzdem eine steife Brise entgegen bläst, hat        belästigend erlebt», erklärt Hübner. Diesen
         damit zu tun, dass sich die Gegnerinnen und           Zusammenhang erkannten die Forschenden
         Gegner vehementer und in grösserer Zahl               auch bei der generellen Einstellung respektive
         mobilisieren als die Befürworterinnen und             der Akzeptanz gegenüber den Anlagen.
         Befürworter. Von den sechs Prozent Wind-
         kraftgegnern setzt sich mehr als jeder Drit-          Partizipation fördert positive Einstellung          614 Fragen zum Thema
         te aktiv gegen die bestehenden Anlagen ein,           «Diese Erkenntnis ist nicht auf Windenergie         Windkraftanlagen
         beispielsweise als Mitglied einer Vereinigung         beschränkt», ist Hübner überzeugt. Egal,
         gegen Windenergie. Von den Befürwortenden             welche Energieprojekte geplant würden, der          Für die Befragung der 467 Anwohnenden der
         engagieren sich hingegen nur sechs Prozent            frühzeitige und umfassende Einbezug der Be-         Windkraftanlagen Gütsch, Entlebuch, Peucha-
         aktiv für Windenergie.                                troffenen schaffe in jedem Fall bessere Bedin-      patte, St. Brais, Mont Crosin, Collonges und Mar-
                                                               gungen für eine höhere Akzeptanz. Entspre-          tigny wurde ein Fragebogen mit insgesamt 614
         Geräusche führen am ehesten zu Stress                 chend lauten denn auch die Empfehlungen,            Einzelfragen verwendet. Die Befragten waren im
         Um die Wirkung auf das Wohlbefinden zu                 welche die Forschenden aus den Befragungen          Schnitt 52 Jahre alt und wohnten bereits seit 20
         analysieren, wurden die Anwohnenden zu                formulieren. «Bauphasen sollten so kurz wie         Jahren an dem jeweiligen Ort. Die drei am stärks-
         fünf spezifischen Emissionen befragt: Hin-             möglich gehalten und das lokale Gewerbe             ten vertretenen Berufsgruppen waren Angestell-
         derniskennzeichnung, Schattenwurf, Dreh-              sollte wo immer möglich in den Bau und die          te (23 Prozent), Selbstständige (11 Prozent) und
         bewegung, Geräusche und Wirkung auf das               Wartung eingebunden werden. Die finanzielle          Landwirte (8 Prozent). Um die Wirkung der Anla-
         Landschaftsbild. 76 Prozent der Anwohnen-             Beteiligung der lokalen Bevölkerung oder des        gen auf die Anwohnenden bestimmen zu können,
         den fühlt sich von diesen Emissionen generell         lokalen Versorgers sollte erleichtert werden»,      erhoben die Forschenden die allgemeine Einstel-
         gar nicht oder nur geringfügig belästigt; 18          sagt Hübner. Zudem sollten der Bevölkerung          lung zu Windenergie (Sicherheit, Bedrohlichkeit,
         Prozent fühlen sich mittel bis sehr stark beläs-      Partizipations- und Informationsmöglichkei-         Wirtschaftlichkeit, etc.), die Wahrnehmung und
         tigt, sechs Prozent davon berichten von Symp-         ten eingeräumt werden, mittels Infoveranstal-       Belästigung spezifischer Emissionen (Hindernis-
         tomen wie Einschlafprobleme, die sich aus der         tungen, Workshops, etc. Weiter empfiehlt die         kennzeichnung, Geräusche, Schattenwurf etc.)
         Belästigung ergeben. Am ehesten ins Gewicht           Studie, auch die technischen Möglichkeiten          sowie wichtige weitere Variablen, die die Wir-
         fielen die Geräusche und die Beeinträchtigung          zur Emissionsreduktion weiterzuentwickeln,          kung der Anlagen auf Anwohnende verstärken
         des Landschaftsbildes. «Auffällig ist, dass fast      um die positive Einstellung zu fördern. Um          oder abschwächen (soziodemographische Merk-
         alle Anwohnenden, die sich durch die Geräu-           dem Problem der Geräusche zu begegnen,              male, psychische und körperliche Belastungen,
         sche belästigt fühlen, mit Sicht auf die Wind-        arbeiten die Hersteller von Windenergiean-          Reizempfindlichkeit, etc.). Der Abschlussbericht
         energieanlagen wohnen», erklärt Hübner. Dies          lagen heute beispielsweise an der Gestaltung        zur Studie kann unter www.bfe.admin.ch/wind-
         sei schon in anderen Studien festgestellt wor-        der Rotorblattprofile. «Wichtig scheint uns          energie > Ergebnisbericht Umfrage Windenergie
         den und lasse sich aus stress-psychologischer         aber auch, die zukünftige Entwicklung bei           2012 heruntergeladen werden.

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Energie nutzen mit Köpfchen
Suffizienz

         Wenn Effizienz und Konsistenz an
         Grenzen stossen
         Um unseren Ressourcenverbrauch effektiv zu vermindern, ist Suffizienz unumgänglich. Diese Erkenntnis
         setzt sich in der Wissenschaft, Forschung und Politik immer mehr durch. Suffizienz erfordert jedoch mehr als
         motivierte Individuen – politische und wirtschaftliche Lösungsansätze sind genauso gefragt.

         Verzicht, Askese – zwei Substantive, die heu-    Mögliche Wege zu mehr Suffizienz                  Suffizienz bietet damit auch vielfältige Chan-
         te noch oft fälschlicherweise mit dem Begriff    Mehr Suffizienz wird mit Veränderungen           cen: Gemeinsam können Elemente eines
         Suffizienz gleichgesetzt werden. Dabei steht      auf individueller, gesellschaftlicher und        guten Lebens ausgehandelt und entdeckt
         Suffizienz – vom Lateinischen sufficere, ge-       kultureller Ebene verbunden sein. Doch wie       werden, welche ein rein materielles Wohl-
         nügen, ausreichend sein – für ein ressourcen-    lassen sich diese Veränderungen anstossen?       standsverständnis erweitern und zu einem
         sparendes Verhalten beim Konsum von Gütern       Ein umweltpsychologisches Modell zeigt auf,      nachhaltig verbesserten Wohlbefi nden bei-
         und Energie. Anders als die heute besser be-     wie einzelne suffiziente Verhaltensweisen auf     tragen können. Sichtbare Beispiele zeigen
         kannten Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz       individueller Ebene mittels verschiedener Ins-   bereits heute exemplarisch auf, wie auch mit
         und Konsistenz zielt die Suffizienz auf einen     trumente gefördert werden können. Gemäss         geringerem Ressourcenverbrauch ein krea-
         Wandel ab und zwar nicht nur beim individu-      diesem Modell müssen Menschen suffi ziente        tives, anregendes und sinnstiftendes Leben
         ellen Verhalten, sondern auch auf kultureller,   Handlungen durchführen wollen und aus-           resp. Arbeiten erreicht werden kann (bspw.:
         politischer und wirtschaftlicher Ebene. Allein   führen können. Aus dem Wollen und Können         «Futurzwei – Stiftung Zukunfsfähigkeit»,
         der technische Fortschritt, der ein verbes-      ergibt sich schliesslich die Absicht, etwas zu   www.futurzwei.org, «Denkwerk Zukunft»,
         sertes Verhältnis von Input zu Output bringt     tun. Entsprechend bestehen Instrumente und       www.denkwerkzukunft.de).
         (Effizienz) und die Produktion von Gütern        Massnahmen,
         noch umwelt- und naturverträglicher macht        • welche die Motivation, also das «Wollen»       Für eine aktive Suffizienzförderung sind in-
         (Konsistenz), reicht in Zukunft nicht aus, um      stärken (z.B. gemeinsame Aktionen wie          dividuelle Verhaltensänderungen und private
         Reduktionsziele zu erreichen, wie sie etwa das     Gemeinschaftsgärten; Aufzeigen von kon-        Initiativen wichtig, Politik und Wirtschaft
         Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft beinhal-        kreten Sparpotenzialen von Ressourcen-         sind aber ebenso gefragt, um den Weg hin zu
         ten. Allerdings sind Effizienz und Konsistenz       einsparungen),                                 mehr Suffizienz mitzutragen. Dazu braucht
         aus heutiger Sicht genauso wenig verzichtbar     • welche das «Können» durch Gelegenheiten        es von der Politik verbindlich festgelegte
         wie die Suffizienz.                                 unterstützen (z.B. attraktive und bezahl-      Rahmenbedingungen, die Suffizienz in al-
                                                            bare Wohnungen mit f lächensparenden           len Lebensbereichen ermöglichen (Verkehr,
         Es gibt verschiedene Gründe, weshalb Suffi-         Grundrissen; Car-Sharing-Angebote; guter       Wohnen, Arbeiten, Ernährung etc.) und eine
         zienz auf dem Weg in eine ressourcenscho-          ÖV-Anschluss) und durch die Stärkung von       offene Diskussion, wie in unserem wachstums-
         nende Zukunft so wichtig ist. Einer ist der        Fähigkeiten (z.B. Reparaturkurse; vegeta-      orientierten Wirtschaftssystem der Ressour-
         sogenannte Rebound-Effekt, der dazu füh-           rische Kochkurse) und                          cenverbrauch vermindert werden kann. (his).
         ren kann, dass eine erfolgreiche Effi zienz-      • welche das Verhalten konkret anstossen und
         massnahme Mehrkonsum auslösen kann,                unterstützen, also das «Tun» stärken (z.B.
         der einen Teil der erzielten Einsparungen          individuelles Stromverbrauchsziel; regelmä-       Ausgewählte Studien zum
         wieder auffrisst (siehe Rebound-Effekt             ssiges Verhaltensfeedback).                       Thema Suffizienz
         energeia 3/14). Andererseits stösst auch die                                                         Artho J., Jenny A. & Karlegger A. (2012): Wissen-
         Konsistenz an Grenzen. Erneuerbare Energie       Obwohl die Förderung einzelner Verhaltens-          schaftsbeitrag. Energieforschung Stadt Zürich.
         und Rohstoffe sind nicht einfach unbegrenzt      weisen auf individueller Ebene wichtig ist,         Bericht Nr. 6, Forschungsprojekt FP-1.4.
         zu haben, was sich heute beispielsweise in       ist sich die Forschung einig, dass der Weg zu       Jenny A. (2014): Suffizienz auf individueller
         vermehrten Nutzungskonkurrenzen mani-            Suffizienz breiter abgestützt sein muss. Suf-        Ebene. Literaturanalyse zu FP-1.7. Energiefor-
         festiert (Energieanlagen vs. Landschafts-        fizienz stellt den heutigen Lebensstil infrage,      schung Stadt Zürich. Zwischenbericht Nr. 18,
         schutz, Biotreibstoffe vs. Nahrungsmittel).      der sich an ständigem Wachstum orientiert,          Forschungsprojekt FP-1.7.
         Zudem ist ein vollständiger Verzicht auf fos-    fordert ein Nachdenken über die konsumo-            Linz M. (2012): Weder Mangel noch Übermass:
         sile Energieträger (konsistente Produktion)      rientierte Gesellschaft und plädiert für die        Warum Suffizienz unentbehrlich ist. München:
         zurzeit noch Zukunftsmusik.                      Notwendigkeit eines kulturellen Wandels.            Oekom Verlag.

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Energie nutzen mit Köpfchen
Energiekonsum

         Psychologische Tipps und Tricks

         Kann die Psychologie unseren Energieverbrauch beeinflussen? Die Experten der «Initiative
         Psychologie im Umweltschutz» (IPU Schweiz) halten dies für möglich. In einem Workshop
         haben sie aufgezeigt, wie man seinen Energiekonsum verändern kann.

         Es gibt verschiedene Tipps und Tricks, um       Planung wesentlich zur Motivation beiträgt.       Tipp 4: Schikanen und weitere «Bremsen»
         im Alltag Energie zu sparen. Im Rahmen der      Wer sich beispielsweise vorgenommen hat, an       Auch die Einrichtung von «Schikanen» kann
         Nachhaltigkeitswoche der Universität Zürich     einem Tag pro Woche mit dem Velo zur Arbeit       zu einer Verhaltensänderung beitragen.
         und der ETH Zürich hat die IPU Schweiz im       zu fahren, kann sich bereits am Vorabend vor-     Wenn beispielsweise die Lifttüren so einge-
         März einige Vorschläge präsentiert. Eine        bereiten. Damit wird die Motivation grösser,      stellt werden, dass sie sich langsamer öff-
         Auswahl:                                        mögliche Hindernisse können frühzeitig aus-       nen, nimmt ein Teil der Benutzenden lieber
                                                         geräumt und Alternativen vorgesehen werden        die Treppe. Weshalb sollte man vor einer Türe
         Tipp 1: Planen                                  (anderes Datum, Car-Sharing etc.), falls bei-     warten, die sich langsam öffnet, wenn man zu
         Eine der vorgeschlagenen Techniken beruht       spielsweise schlechtes Wetter das Vorhaben        Fuss schneller ist?
         auf der Planung. Die Idee ist, dass eine gute   gefährden sollte. Eine solide Planung hat
                                                         damit den doppelten Vorteil, dass sie die Re-     Tipp 5: Fördern einer bestimmten Form von
                                                         alisierung der Ziele sicherstellt und die Moti-   Feedback
                                                         vation verstärkt.                                 Auch Feedback kann einen grossen Einfluss
                                                                                                           auf den Energieverbrauch haben. Mit Unter-
                                                         Tipp 2: Kleine Gesten, grosse Wirkung             stützung seines Teams führte Professor Wes-
                                                         Eine andere Technik besteht darin, sich von       ley Schultz der «California State University»in
                                                         der weit verbreiteten Idee loszusagen, dass       San Marcos ein Experiment bei 290 Wohnun-
                                                         die Handlungen einer einzelnen, eines ein-        gen durch. Zunächst erfassten die Forschen-
                                                         zelnen nichts bringen. Denn selbst wenn nur       den die Daten der Stromzähler. Eine Woche
                                                         Sie in Ihrem Umfeld etwas tun, gilt, dass jede    später erfassten sie diese erneut und vergli-
                                                         Bemühung etwas bewirken kann. Deshalb             chen die Ergebnisse. Anschliessend vergaben
                                                         empfehlen Forschende, eine Idee während           sie an jeden Teilnehmer ein ihrem Verbrauch
                                                         eines Monats zu testen, bevor sie nur wegen       entsprechendes Smiley (zufrieden – unzu-
                                                         des sozialen Drucks aufgegeben wird. Erst am      frieden). Der Energieverbrauch sank danach
                                                         Ende dieser Testperiode soll Bilanz gezogen       deutlich, wie sich bei der dritten Datenerfas-
                                                         werden.                                           sung zeigte. Das einfache visuelle Feedback
                                                                                                           konnte so mit entsprechenden Empfehlungen
                                                         Tipp 3: Erinnerungshilfen mit Post-its            eine Verhaltensänderung bewirken.
                                                         Man kann zudem Erinnerungshilfen an be-
                                                         stimmten strategischen Orten im Haus plat-        Das sind nur einige von vielen Beispielen wie
                                                         zieren, beispielsweise an einer Bürotür, um       im Alltag Energie gespart werden kann. Jede
                                                         nicht zu vergessen, das Licht auszuschalten.      und jeder kann eigene Techniken zur Ände-
                                                         Sehr nützlich kann es auch sein, ein witziges     rung seines Energieverbrauchs anwenden.
                                                         Schild über der Recycling-Ecke anzubringen.       (luf )
                                                         Auf diese Weise denkt man eher daran, sich
                                                         energiesparend zu verhalten. Zeichnungen
                                                         oder andere visuelle Hilfsmittel könnten
                                                         ebenfalls Aufmerksamkeit wecken und zum
                                                         Nachdenken anregen. Die Erfolgschancen
                                                         sind noch grösser, wenn die Nutzenden selbst
                                                         diese Gedächtnisstützen gestalten.

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Energie nutzen mit Köpfchen
ETH-Forschung

         Alternativen zu Verboten und Geboten
         Der ETH-Professor Andreas Diekmann erforscht, wie sich Menschen im Energiebereich entscheiden. Kleine
         Dinge können dabei Grosses bewirken, ist er überzeugt.

         Unter welchen Umständen ist man bereit           Diekmann bei einer Regelung nach dem Ver-        machen, aktiv zu werden. «Manchmal sind es
         Energie zu sparen? Darauf zu vertrauen, dass     ursacherprinzip: Wer am meisten Energie          kleine Massnahmen, die beträchtliche Verhal-
         jeder freiwillig die Initiative ergreift, wäre   konsumiert, soll entsprechend mehr dafür         tensänderungen bewirken können.»
         naiv. Funktionieren mag dies in Fällen, in de-   zahlen. «Die Idee des Emissionshandels ist
         nen der Aufwand für den Einzelnen gering ist,    bestechend, weil Unternehmen Anreize ha-         Andere als Massstab
         z.B. beim Recycling. Das individuelle Umwelt-    ben, um energieeffizienter zu produzieren         Eine weitere Studie plant das Forscherteam
         bewusstsein wird zudem unterstützt, wenn in      und dafür in technologische Neuerungen zu        zum Stromverbrauch als soziale Norm: Wie
         der Nähe Container für Flaschen oder Altpa-      investieren. Allerdings ist der Marktpreis für   verhalten sich Menschen, die ihren Stromver-
         pier stehen. Überwiegen hingegen Faktoren        die zu handelnden Zertifikate meiner Mei-         brauch täglich gespiegelt bekommen, etwa
         wie Bequemlichkeit, unterliegt das Umwelt-       nung nach viel zu tief, um die gewünschte        durch eine App? Gemäss einer Studie der
         bewusstsein. Beispielsweise bei Personen,        Wirkung zu erzielen.» Der Grund sei, dass        Universität Lausanne (Smart Metering, Bera-
         die selbst kurze Strecken in der Stadt mit dem   den Industriebetrieben in Europa ein viel zu     tung oder sozialer Vergleich: Was beeinflusst
         Auto zurücklegen.                                hoher Anteil an Zertifikaten zugeteilt wurde.     den Elektrizitätsverbrauch?) verbrauchten
                                                          Einen Teil vom Markt zu nehmen, wäre seiner      Haushalte täglich rund 3,2 Prozent weniger
         Laut Andreas Diekmann, Soziologieprofes-         Ansicht nach der wirkungsvollste Beitrag zur     Strom als eine Kontrollgruppe, wenn sie ihren
         sor an der ETH Zürich, hängen derartige Ent-     Reduktion von CO2-Emissionen.                    Stromverbrauch direkt an einer Smart-Meter-
         scheidungen von den situativen und individu-                                                      Anzeige ablesen konnten. Auch der Energie-
         ellen Rahmenbedingungen ab. «Aber es gibt        Vorschriften für Energiestandards hält der       konsum Dritter kann das eigene Verhalten
         keine allgemeine Regel dafür, welche ökono-      ETH-Professor ebenfalls für sinnvoll. Unter      beeinflussen, wie Studien aus den USA zei-
         mischen Anreize effektiver sind als andere.»     anderem anhand der Energieetikette kann          gen. Diekmann erwartet, dass sich Schwei-
                                                                                                           zerinnen und Schweizer ebenfalls daran ori-
                                                                                                           entieren, was ein gewöhnlicher Haushalt an
         «Wir brauchen mehr smarte Technologie und
                                                                                                           Strom verbraucht. Aufgrund dieses Vergleichs
         höhere Energiepreise.»                                                                            würden sie ihren Konsum dann an die Norm
                                                                                                           angleichen.
         Gebote und Verbote können seiner Meinung         sich der Kunde vor dem Kauf über die Ener-
         nach sinnvoll sein, um Sicherheitsanforderun-    gieeffizienz informieren. Die eigentliche Ent-    Ob bzw. wie gut symbolische Belohnungen
         gen und technische Standards zu gewährleis-      scheidung überlässt man aber weiterhin ihm.      funktionieren, möchte der Soziologe in ei-
         ten. In Extremsituationen kann die Regierung     In Konflikt gerät der Kunde möglicherweise,       nem Forschungsprojekt ausprobieren. In
         sogar gezwungen sein, zu drastischen Mitteln     wenn er für die stromsparendste Waschma-         Toronto hat er gesehen, dass Personen eine
         zu greifen. Während des zweiten Weltkriegs       schine viel mehr Geld bezahlen muss als für      symbolische Auszeichnung erhalten haben,
         beispielsweise legte die Schweiz Kontingente     eine Maschine aus einer weniger energieeffi-      wenn sie mehr Geld ausgeben, um Ökostrom
         für den Energieverbrauch fest.                   zienten Kategorie. Hohe Strompreise würden       zu konsumieren. Eine entsprechende Plakette
                                                          dann eher zum Stromsparen animieren.             konnten die Leute im Garten aufstellen, wo sie
         Nachteile von Verboten                                                                            für Nachbarn sichtbar war.
         Wenn möglich sollte man unnötige Verbote         Standardoption ändern
         aber vermeiden, da sie laut Diekmann zwei        Neben derartigen harten ökonomischen An-         Mit Technik tricksen
         Nachteile mitbringen: «Sie scheren sich nicht    reizen erforscht der ETH-Professor im Team,      Solche weichen Anreize können laut Diek-
         um individuelle Bedürfnisse und motivieren       wie weiche Anreize Entscheide im Energie-        mann gewisse Einsparungen bewirken.
         nicht dazu, die Vorgaben zu übertreffen.»        bereich beeinflussen können. In einer Stu-        Blosse Appelle würden allerdings kaum etwas
         Eine Firma ist meist nicht mehr daran in-        die beispielsweise möchte er untersuchen,        bringen. Dagegen können oft einfache tech-
         teressiert, die gesetzlichen Grenzwerte zu       ob mehr Kunden Ökostrom beziehen, wenn           nische Lösungen weiterhelfen. Viele moderne
         übertreffen, selbst wenn weitere Einsparun-      dies die voreingestellte Standardoption des      Hotels setzen bereits auf eine Karte, die der
         gen mit geringem Aufwand realisierbar wä-        Stromlieferanten wäre. Um diesen Strommix        Gast beim Verlassen des Zimmers mitnimmt
         ren. Die stärksten Anreize entstehen gemäss      zu ändern, müsste sich der Kunde die Mühe        und somit automatisch alle Lichter löscht.

                                                                                                                                                       8

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Ohne diese technische Kombination wür-
         den sich viele Hotelgäste nicht so umweltbe-
         wusst verhalten. «Wir brauchen mehr smarte
         Technologie und höhere Energiepreise», sagt
         Diekmann. Erst ein Anstieg der Benzinpreise
         vor einigen Jahren hätte etwa in den USA dem
         Verkauf von kleinen, energiesparenden Autos
         mehr Schub verliehen.

         Doch die Ereignisse in Fukushima haben sei-
         ner Meinung nach nicht zu einem veränderten
         Energiekonsum beim Individuum geführt.
         Die Katastrophe hat aber in einigen Ländern
         eine politische Energiewende bewirkt. «Seien
         wir ehrlich: Viele Leute machen weiterhin das,
         was ihnen Spass macht und was sie sich leisten
         können, z.B. in die Karibik reisen oder Auto
         fahren und dann für ein gutes Gewissen ein
         paar Flaschen recyceln.» Hier setzt Diekmann
         seine Grundlagenforschung an, um heraus-
         zufinden, unter welchen Bedingungen Men-
         schen möglichst energieeffizient leben. (bra)

         Zu welchem Typ Energiekonsument* gehören Sie?

         Idealistischer Energiekonsument                                  Haushälterischer Energiekonsument                      Komfortorientierter Energiekonsument
         Aus Überzeugung zeigen Sie in allen Bereichen ein                Sie engagieren sich stark fürs Energiesparen, solan-   Dass Sie Energie sparen, ist eher unwahrscheinlich.
         ausgeprägtes energiefreundliches Verhalten. Dafür                ge Ihnen dies keine finanziellen Nachteile bringt.     Sie glauben nicht, dass der wachsende Energiekon-
         nehmen Sie auch gerne finanzielle Aufwände und                   Politische Massnahmen, die einen finanziellen          sum ein gesellschaftliches Problem darstellt. Daher
         Einschränkungen in Bezug auf Ihre Bequemlichkeit                 Mehraufwand bedeuten, lehnen Sie ab. Sie verspü-       fühlen Sie sich auch nicht dafür verantwortlich. Ihr
         auf sich. Sie sind sich der Konsequenzen Ihres Han-              ren zudem einen gewissen gesellschaftlichen Druck,     persönlicher Komfort ist Ihnen wichtiger als das
         delns bewusst und glauben daran, positive Änderun-               Energie zu sparen.                                     Energiesparen.
         gen bewirken zu können.
                                                                          Materialistischer Energiekonsument                     Problembewusster, genussorientierter
         Inkonsequenter Energiekonsument                                  Sie zeigen nur wenig energiefreundliches Verhalten.    Energiekonsument
         Sie sind sich der Energieproblematik bewusst und                 Vor allem im Bereich Mobilität und Lebensmittel ist    Sie sind nicht sehr gewillt, energiefreundliches Ver-
         bereit, entsprechende Opfer zu bringen. Diese Über-              es sehr tief ausgeprägt. Einzig im Haushaltbereich     halten zu zeigen, da Sie keine Komforteinbussen hin-
         zeugungen setzen Sie im Alltag jedoch nicht überall              ergreifen Sie Energieeffizienzmassnahmen, moti-        nehmen möchten. Sie sind sich der Konsequenzen
         konsequent in Energiesparmassnahmen um.                          viert von finanziellen Überlegungen.                   eines hohen Energiekonsums bewusst, fühlen sich
                                                                                                                                 jedoch nicht dazu verpflichtet, unnötigen Energie-
         * B. Sütterlin, T. A. Brunner, M. Siegrist (2011): «Who puts the most energy into energy conservation?                  verbrauch zu vermeiden. Zudem glauben Sie, nur
         A segmentation of energy consumers based on energy-related behavioral characteristics.»                                 beschränkt energiesparsam handeln zu können.

         9

165188_energeia_4_df.indd 9                                                                                                                                                        26.06.14 14:49
Energiebewusst leben

         Näher an der 2000-Watt-Gesellschaft

         Die Familie Wehrli-Meyer aus Zürich weiss, wie man im Alltag Energie sparen kann. Bereits heute konsumiert
         sie weniger Energie pro Kopf als der Schweizer Durchschnitt.

                                                                                                                           Selbstdisziplin fördern
                                                                                                                           Ihr Umfeld reagierte auf die Veränderungen
                                                                                                                           und die energiesparende Lebensweise wohl-
                                                                                                                           wollend, erzählt Katharina. Manchmal fi n-
                                                                                                                           den es ihre Gäste allerdings eher kühl in der
                                                                                                                           Wohnung. Ihr macht dies aber nichts aus. Im
                                                                                                                           Gegenteil, komisch fände sie es, im Winter
                                                                                                                           im T-Shirt dazusitzen. «Wir leben wunderbar
                                                                                                                           und haben nicht das Gefühl, dass wir dauernd
                                                                                                                           auf etwas verzichten müssen», sagt Katharina.
                                                                                                                           Ihre engsten Freunde teilen diese Einstellung.
                                                                                                                           Diese Werte möchten die Eltern auch ihren
                                                                                                                           Kindern vermitteln. «Es braucht eine gewisse
                                                                                                                           Selbstbeschränkung, z.B. bei der Mobilität –
                                                                                                                           und viel Selbstdisziplin», sagt Thomas. Man
                                                                                                                           könne nicht Wasser predigen und Wein trin-
                                                                                                                           ken. Die Familie bezieht deshalb Ökostrom
            Von links nach rechts: Elena (6), Jonathan (11), Thomas Meyer (47), Katharina Wehrli (48).                     und betätigt jeweils den Kippschalter an den
                                                                                                                           Stromleisten, damit ungenutzte Elektrogeräte
                                                                                                                           keinen Strom verbrauchen.
         Katharina Wehrli löscht das Licht, sobald                        8300 Watt pro Kopf. «Wir sind nicht 100 Pro-
         die Sonne wieder ins Wohnzimmer scheint.                         zent konsequent, aber vieles hat sich inzwi-     «Manchmal vergesse ich dies», sagt Jonathan,
         Energie zu sparen liegt ihr am Herzen: «Im                       schen eingespielt», sagt Katharina. Auch bei     der gerade aus der Schule nach Hause kommt.
         Rahmen meiner Möglichkeiten möchte ich                           der Ernährung achtet die Familie auf kurze       Im Vergleich zu den meisten Schulkollegen
         so leben, dass ich der Welt Sorge tragen und                     Transportwege. Katharinas Mann, Thomas           spart er dennoch viel Strom: Gamen tut er
         sie für unsere Kindern erhalten kann.» Die                       Meyer, besucht seit rund zehn Jahren an sei-     maximal zwei Stunden pro Woche, ein Smart-
         Geschäftsführerin einer Online-Plattform                         nem arbeitsfreien Tag den Markt in Oerlikon,     phone hat er nicht und auch Filme schaut er
         für nachhaltige Mode wohnt mit ihrer Fami-                       um Früchte, Gemüse und Fleisch aus der Regi-     nur selten. Zudem fährt er lieber gemütlich
         lie mitten in Zürich in einer Altbauwohnung.                     on für die ganze Woche einzukaufen. Erbsen,      mit dem Velo, Zug oder Tram anstatt mit
         Diese ist von ihrem Arbeitsort in wenigen Mi-                    Bohnen, Gurken, Tomaten und Himbeeren            dem Auto. Einwände hat er nur, wenn seine
         nuten erreichbar, sei es zu Fuss, mit dem Velo                   züchtet er in seinem Schrebergarten.             Freunde in Übersee Urlaub machen, während
         oder mit dem Tram. Auf ein eigenes Auto ver-                                                                      er nicht aus Europa rauskommt: «Das Flug-
         zichtet die Familie bewusst. Als Katharina in                    Umweltbewusst reisen                             zeug startet ja sowieso, ob nun eine Familie
         jungen Jahren noch einen Töff besass, fuhr sie                   «Thomas ist extrem gut organisiert», sagt        mehr oder weniger drinsitzt.» Doch er weiss
         damit selbst kurze Strecken. Wenn man kein                       Katharina. Es macht ihm Spass, ohne Auto         bereits, was seine Mutter in solchen Situatio-
         eigenes Fahrzeug hat, gewöhne man sich aber                      und Flugzeug spannende Ferienreisen für          nen zu entgegnen pflegt: «Wenn dies alle sa-
         rasch ans Gegenteil.                                             seine Familie zu organisieren. Die Familie ist   gen würden ….» Wie selbstverständlich löscht
                                                                          bereits durch halb Europa gereist. «Man sollte   der Zehnjährige daher das Licht, wenn er als
         Eingespieltes Team                                               keine Angst vor derartigen Herausforderun-       letzter den Raum verlässt. (bra)
         Die Familie Wehrli-Meyer befi ndet sich auf                       gen haben», sagt Thomas. «Es ist mehr mach-
         gutem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft. Mit                        bar, als man denkt.» Früher reiste Katharina
         4635 Watt pro Kopf liegt der Energiekonsum                       viel bedenkenloser, doch nun liegt ihr letzter
         weit unter dem Schnitt der Schweiz von rund                      Langstreckenflug über zwanzig Jahre zurück.

                                                                                                                                                                      10

165188_energeia_4_df.indd 10                                                                                                                                          26.06.14 14:49
News aus Boston

        Gut vorbereitet für «Swiss-US Energy
        Innovation Days»
         BFE-Direktor Walter Steinmann hat swissnex Boston besucht und im Rahmen seines Aufenthalts an über 25
         Besuchen, Treffen und Gesprächen teilgenommen.

         Anlässlich seines Besuch im April in Boston hat                   Dieser Rückbau beinhaltet verschiedene He-                       Watt-d’Or-Ausstellung und der «Swiss-US
         BFE-Direktor Walter Steinmann quasi als «Vor-                     rausforderungen hinsichtlich der Sicherheit,                     Energy Innovation Days» dar. Erste Kontakte
         premiere» Technologien des «Massachusetts                         der Finanzierung und der Entsorgung der                          mit den Akteuren des Energiebereichs in Mas-
         Institute of Technology» (MIT) begutachten                        radioaktiven Abfälle. Zahlreiche Länder,                         sachusetts wurden geknüpft. Ab dem 11. Juli
         dürfen. Dabei bot sich ihm auch die Gelegen-                      darunter auch die Schweiz, werden sich in den                    wird eine Auswahl von Schweizer Projekten,
         heit, sich mit Forschenden des Instituts auszu-                   kommenden zehn Jahren in einer ähnlichen                         die mit dem «Watt d’Or» des Bundesamts für
         tauschen. Die Universität Harvard lud ihn zu-                     Situation befinden. Diskussionen und ein                         Energie ausgezeichnet wurden, während zwei
         dem ein, vor den Studierenden und Mitgliedern                     Erfahrungsaustausch sind deshalb wesent-                         Monaten in der «Northeastern University»
         der «Kennedy School»-Fakultät ein Seminar                         lich. Die Rückbaupioniere sehen in ihrer                         ausgestellt. Die Ausstellung wird im Beisein
         über die schweizerische Energiepolitik durch-                     Tätigkeit gar ein neues Geschäftsfeld.                           von Bundesrätin Doris Leuthard eröffnet.
         zuführen. Während seines Besuchs sprach                                                                                            Insgesamt werden über 70 Vertreterinnen und
         Walter Steinmann auch mit Vertretern des                          Obwohl mehrere Kernkraftwerke stillgelegt                        Vertreter aus der Schweizer Energiebranche in
         Staats Massachusetts sowie der Städte Boston                      werden, sind bestimmte Studienabgänger                           den USA erwartet. Neben Besuchen in Har-
         und Cambridge, um Bereiche einer möglichen                        nicht von einem baldigen Ende der Kern-                          vard und im MIT sowie des «Innovation Eco-
         Zusammenarbeit zu definieren.                                      energie überzeugt. Die Startups UPower und                       system» von Massachusetts stehen Gespräche
                                                                           TransatomicPower versuchen gar, mit ihren                        mit den wichtigsten Entscheidungsträgern der
         Bei einem Abstecher in den Nachbarstaat                           direkt aus dem MIT stammenden Technolo-                          Bostoner Politik auf dem Programm. Am 11.
         Vermont besuchte der BFE-Direktor ein                             gien zur Optimierung der Flüssigsalzreak-                        Juli findet das «Swiss-US Energy Innovation»-
         Kern kraftwerk, das sich seit Kurzem in der                       toren sowie der Mikroreaktoren die Branche                       Seminar statt, an dem die energetischen He-
         Rückbauphase befindet. Infolge der massi-                          umzuwälzen.                                                      rausforderungen der beiden Länder in den
         ven Schiefergasförderung in den USA wird                                                                                           Bereichen Forschung, Technologietransfer,
         das seit 1972 betriebene Kernkraftwerk Ver-                       «Swiss-US Energy Innovation Days» in Boston                      öffentliche Politik und Markt verglichen wer-
         mont Yankee aus wirtschaftlichen Gründen                          Diese Besuche von Walter Steinmann stellen                       den. (Arnaud Pincet und Kevin Baltus, Energie-
         bis Ende 2014 ausser Betrieb genommen.                            eine wichtige Etappe bei der Vorbereitung der                    projekt-Verantwortliche, swissnex Boston)

              Von links nach rechts: Mark Sylvia, Kommissar für Energie; Alicia Barton, Direktorin des Mass Clean Energy Center; Richard Sullivan, Staatssekretär für Energie von Massachusetts;
              Walter Steinmann, BFE-Direktor; Felix Moesner, Konsul, CEO von swissnex Boston; Arnaud Pincet und Kevin Baltus, Energieprojekt-Verantwortliche, swissnex Boston.

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Forschung und Innovation

         Energiepreise fördern grüne Innovationen
         Bereits zehn Prozent höhere Energiepreise führen über wenige Jahre zu einer höheren Zahl grüner Patente,
         sagt eine KOF-Studie. Höhere Energiepreise haben auch ihr Gutes: Sie wirken als Katalysator für grüne
         Innovationen. Das belegt eine Untersuchung der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. An der
         Spitze bei den grünen Patenten steht eine Branche, die landläufig nicht gerade ein grünes Image hat: die
         Maschinenindustrie.

         Innovation ist ein grosses Wort für einen          Doris Leuthard 2010 den ‹Masterplan Clean-        berücksichtigten, dass die untersuchten Bran-
         Prozess aus kleinen, schrittweisen Verbesse-       tech› anstiess.                                   chen jeweils einen branchenspezifischen Mix
         rungen. Solche Verbesserungen stellen einen                                                          aus Energieträgern verwenden; dies erlaubte
         Wissensvorsprung dar, den sich Firmen oft          Wieweit die Politik grüne Innovationen för-       es ihnen, einen branchenspezifischen Energie-
         mit Patenten absichern. Ein Teil der Patente       dern kann und soll, ist umstritten. Umstritten    preis zu berechnen. Dieser Preis wurde dann
         sind ‹grün›. Sie erstrecken sich auf Umwelt-       ist auch, welche Einflussgrössen überhaupt         mit der Zahl der in der jeweiligen Branche ver-
         technologien, die einen effizienteren Einsatz       für das Entstehen grüner Innovationen in der      zeichneten Patentanmeldungen in Beziehung
         von Energie ermöglichen oder die natürlichen       Industrie verantwortlich sind. Hier schafft       gesetzt. Dabei zeigte sich: Steigende Energie-
         Ressourcen schonen. Etwa das Patent eines          nun die KOF Konjunkturforschungsstelle der        preise fördern ‹grüne› Innovationen, und zwar
         Lok-Herstellers, das die Rückgewinnung der         ETH Zürich mit einer neuen Studie ein Stück       im Durchschnitt aller Branchen in sämtlichen
         Bremsenergie erlaubt. Oder der von einem
         Chemieunternehmen patentierte Prozess,             «Über die Beeinflussung der Energiepreise lässt sich ein beachtenswerter Anteil
         der beim Färben von Textilien den Wasser-
                                                            an Innovationen erzeugen.»
         verbrauch verringert. Die OECD-Defi nition
         für grüne Patente ist relativ breit und umfasst    Martin Wörter, Co-Autor der Studie.
         nicht nur umweltfreundliche Technologien
         und Technologien zur Emissionsvermeidung,          Klarheit. Die KOF-Forscher haben den Zusam-       Staaten. Allerdings schlagen höhere Energie-
         sondern auch Technologien, welche die Wirk-        menhang zwischen Energiepreisen und grü-          preise in den Branchen unterschiedlich stark
         samkeit des umweltschonenden Recyclings            nen Innovationen untersucht – und dabei eine      auf die Zahl der grünen Patente durch. «Wir
         erhöhen.                                           statistisch signifikante Korrelation zwischen      wissen aus anderen Studien, dass beispiels-
                                                            Preiserhöhungen und der Zahl grüner Patente       weise die Effekte in der Autoindustrie über-
         «Beachtenswerter» Innovationseffekt                gefunden. Nach Aussage der Wirtschaftsfor-        durchschnittlich gross zu sein scheinen», wie
         Blickt man auf die Jahre 1978 bis 2009 zurück,     scher führt «eine Erhöhung um 10 Prozent          Co-Autor Martin Wörter ausführt.
         so hat die Schweizer Industrie in diesen 31        der durchschnittlichen Energiepreise über
         Jahren jährlich durchschnittlich gegen 4000        fünf Jahre zu einer um 2,7 Prozent höheren        Die für die Schweiz so wichtige Maschinen-
         Patente von internationaler Relevanz (Erfin-        Anzahl grüner Patente», hält die KOF-Studie       industrie, die vermeintlich kein ausgeprägtes
         dungen) angemeldet. Gut jedes zwanzigste           fest. Co-Autor Martin Wörter ergänzt: «Das        grünes Image hat, reagiert auf Strompreiser-
         dieser Patente war ‹grün›. Die Schweiz, die        ist ein interessantes Resultat, das zeigt, dass   höhungen offenbar stärker mit Innovationen
         in internationalen Rankings oft unter den          sich über die Beeinflussung der Energiepreise      als andere Branchen. Die Untersuchung zeigt,
         innovativsten Ländern figuriert, war bei den        ein beachtenswerter Anteil an Innovationen        dass die Maschinenindustrie einen massgebli-
         grünen Patenten keineswegs immer top.              erzeugen lässt.»                                  chen Beitrag zu den grünen Erfindungen in
         Nimmt man den Anteil der grünen Patente                                                              der Schweiz leistet. Von allen grünen Paten-
         an den Gesamtpatenten, dann war die Inno-          Maschinenindustrie ist grün                       ten, die in der Schweizer Industrie während
         vationsfähigkeit in den Umwelttechnologien         Für die vom Forschungsprogramm Ener-              des Untersuchungszeitraums angemeldet
         erheblichen Schwankungen unterworfen. In           gie – Wirtschaft – Gesellschaft (EWG) des         wurden, stammen die Hälfte aus der Maschi-
         den 1980er Jahren war die Schweiz im grünen        Bundesamts für Energie (BFE) finanzierte          nenindustrie. Das liegt zum einen daran, dass
         Bereich relativ innovativ. Mitte der 1990er Jah-   Untersuchung haben die Autoren Patent-            die Maschinenindustrie einen höheren Anteil
         re verlor das Land gegenüber anderen Staaten       und Preisdaten von 18 OECD-Staaten aus gut        von grünen gegenüber nicht-grünen Patenten
         aber an Boden. Ein wichtiger Grund, weshalb        30 Jahren ausgewertet, dies unterteilt nach       hervorbringt als andere Branchen. Zum ande-
         die damalige Volkswirtschaftsministerin            zehn Industriebranchen. Die Wissenschaftler       ren kommen insgesamt sehr viele Patente aus

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der Schweizer Maschinenindustrie, so dass sie   Politik formulieren zu können, hätten näm-         können als Beleg dafür gewertet werden,
         zwangsläufig auch einen wesentlichen Beitrag     lich auch andere Massnahmen zur Innovati-          dass Energiepreise als effektives Politikinst-
         zur absoluten Zahl grüner Patente liefert.      onsförderung in die Untersuchung mit ein-          rument zur Förderung der Innovationstätig-
                                                         bezogen werden müssen. Gleichwohl hat die          keit im Umweltbereich dienen können.» Die
         Warum die Maschinenindustrie bei den grü-       Studie politische Implikationen, wie Wörter        Autoren der Studie verweisen auf Staaten wie
         nen Patenten obenaus schwingt, kann damit       einräumt: «Fest steht, dass die politisch ange-    Deutschland und Dänemark, die bei staatli-
         erklärt werden, dass sie international auf-     strebte Energiewende die Energiepreise nach        chen Eingriffen weniger zimperlich sind als
         gestellt und sehr innovativ ist. Die Branche    oben treiben wird. Unsere Studie zeigt, dass       die Schweiz. Diese Länder hätten, so die KOF-
         verfügt über eine erhebliche Wissensbasis im    diesen Kosten in einem hochentwickelten            Studie, «eine bessere Performance im grünen
         nicht-grünen Bereich. Von hier sind positive    Land wie der Schweiz auch ein Ertrag gegen-        Bereich». (vob)
         Spillovers auf den grünen Bereich zu beob-      übersteht, nämlich ein Zugewinn an Innova-
         achten. Die grünen Innovationen sind aber       tion.» Der Schweizer Industrie biete sich die
         auch nachfragegetrieben, nämlich durch          Chance, Schlüsseltechnologien zu besetzen
         umweltpolitische Regulierungen in anderen       und als technologische Vorreiterin bei den
         Ländern. Schweizer Exportfirmen befriedigen      ‹grünen› Technologien zu profitieren.
         diese Nachfrage dann mit grünen Produkten
                                                                                                            ? Wussten Sie, dass …
         und Prozessen.                                  Ob eine Erhöhung der Energiepreise zur In-
                                                                                                            … der ökologische Fussabdruck in Schweiz über fünf
                                                         novationsförderung genutzt werden soll, ist        Hektaren pro Kopf beträgt? Der Fussabdruck misst den
         Kosten stehen Innovationsgewinn gegenüber       letztlich ein politischer Entscheid. Die KOF-      Verbrauch natürlicher Ressourcen und drückt in glo-
         Die Autoren der KOF-Studie betonen, ihre Un-    Studie legt lediglich dar, dass die Energieprei-   balen Hektaren die Fläche aus, die für die Produktion
         tersuchung sei keine Handlungsanleitung für     se mit Hinblick auf dieses Ziel ein geeignetes     dieser Ressourcen notwendig wäre. In Afrika beträgt
         die Politik. Um eine solche Empfehlung an die   Mittel sein könnten: «Die erzielten Resultate      er rund 1,4 Hektaren pro Kopf.

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