Wer treiber - DAS MAGAZIN - Horizont

Die Seite wird erstellt Dominik Siegel
 
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Wer treiber - DAS MAGAZIN - Horizont
2020

               DAS MAGAZIN

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Wer treiber - DAS MAGAZIN - Horizont
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                                                                                                                H
                                                                                                                               ätten wir uns getroffen? Vermutlich.

                                                                                                                                                                                                          ABBILDUNG: JUNG VON MATT / BOSCH
                                                                                                                               In ein paar Tagen. In Berlin. Beim
                                                                                                                               traditionellen OWM Summit und der
                                                                                                                               grandiosen Advertisers’ Night. Doch
                                                                                                                               2020 fallen Party und der fachliche
                                                                                                                               Austausch aus. Wegen dem C-Wort.         Der lässige Dude
                                                                                                                                                                        lässt Bosch cool aussehen.
                                                                                                                Sie wissen schon. Das Ding, das alle nervt und viele    Seite 22

                                                                                                                Gewissheiten einfach abräumt. Aber nicht alle.
                                                                                                                HORIZONT lässt trotz des ausfallenden Branchen-
                                                                                                                treffs das Magazin werbung.treiber erscheinen.
                                                                                              Michael Reidel,
                                                                                              leitender
                                                                                                                Aus Tradition? Weniger. Vielmehr sind wir über-
                                                                                              Redakteur
                                                                                              werbung.treiber
                                                                                                                zeugt, dass es das Heft braucht. Trends aufzeigen.
                                                                                                                Mut machen. Über Entwicklungen informieren.
                                                                                                                Und ja, auch um zu unterhalten. Nicht New Nor-
                                                                                                                mal, sondern einfach nur normal. Oder um Rudolf
ILLUSTRATION: CATRIN ALTENBRANDT / PIXLEGARTEN; SEITE 1: JUNG VON MATT / BOSCH (AUSSCHNITT)

                                                                                                                Augsteinzuzitieren:„Sagen,wasist“.Dasgiltfürdie
                                                                                                                Haltungsfrage, die viele Unternehmen beschäftigt,
                                                                                                                genauso wie für die Veränderungen, die nicht nur
                                                                                                                die Agenda der CMOs beeinflussen, sondern auch
                                                                                                                die Automatisierung des Marketings vorantreiben.
                                                                                                                Die Disziplin wird technikgetriebener. Aber sie
                                                                                                                braucht weiter Kreativität, Emotionen und Leiden-
                                                                                                                schaft. Ich wünsche Ihnen, dass Sie davon vieles
                                                                                                                hier und in der HORIZONT-Welt entdecken. Und
                                                                                                                das mit dem Treffen klappt wieder. Spätestens
                                                                                                                2021. In Berlin. Bei der OWM.

                                                                                                                                                                       HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber   3
Wer treiber - DAS MAGAZIN - Horizont
FOTO: OTTO
                                       ILLUSTRATION: REDSHINE STUDIO / FOTOLIA

                                                                                                                                                                                              ABBILDUNG R+V VERSICHERUNG / YOUTUBE
             Wie die OWM Streitkultur                                                                      Jahresplanung war gestern – oder nicht?          Haltungskampagnen im Corona-Jahr –
             fördert SEITE 10                                                                              Was Werbungtreibende sagen SEITE 46              und danach? SEITE 40

Inhalt
                                                                                 NEWS & STUDIEN: Alternativlose         NACKTE ZAHLEN: Das turbulente       AUSBLICK: Jahresplanung ade?
                                                                                 Fakten für die Marketer von heute      Jahr hinterlässt im Werbemarkt      So wollen die Werbeauftraggeber
                                                                                 und morgen.                    6       markante Spuren.           28       2021 gestalten.             46

                                                                                 OWM-FORDERUNGEN: Was hin-              DIALOGMARKETING: Verbrau-           SHOPPABLE VIDEO: Werbeein-
                                                                                 ter der Streitschrift steckt und wie   cherschützer wollen der Werbe-      blendungeninVideo-Adsläutenneue
                                                                                 sie wirkt.                       10    post an den Kragen.        30       Ära im Influencer Marketing ein. 54

                                                                                 BEST GLOBAL BRANDS: Deut-              MARKETING-TECH:       Deutsche      INFLUENCER:     Aus Creators wer-
                                                                                 sche Marken sind in einer Branche      Marketer zögern bei dem inter-      den Content-Produzenten – nicht
                                                                                 stark. Zukunftsmarken fehlen. 14       nationalen Trend-Thema.    34       nur für Social Media.         56

                                                                                 CMO-AGENDA:    Corona hat die          HALTUNG: Gesellschaftsrelevante
                                                                                 Themen der Marketingentschei-          Botschaften haben im Corona-
                                                                                 der durcheinandergewirbelt. 16         Jahr Konjunktur.            40

                                                                                 LIKE A BOSCH: Die Dachmarken-          HÄRTETEST: 2020 bot für Marken
                                                                                                                                                            EDITORIAL                        3
                                                                                 kampagne ist zu einer Bewegung         viele Anlässe, um Haltung zu zei-
                                                                                 geworden.                  22          gen. Doch was kommt danach? 45      IMPRESSUM                      58

4   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
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                                                                                                auch 2020 Spaß

                                                                                                                                          FOTO: MAREEN FISCHINGER / WESTEND61 / IMAGO IMAGES
für die Marketer
von heute und morgen

                                                                                                                                                                                               Sichtbarkeit von
                                                                                                                                                                                               Video geht zurück
Deutsche sind

                                                                                                                                                                                                                                           FOTO: JOSEP SURIA / WESTEND61 / IMAGO IMAGES
nachtragend
                                                                                                WEIHNACHTEN rückt näher – und da-
                                          FOTO: ANTONIO GUILLEM / PANTHERMEDIA / IMAGO IMAGES

                                                                                                mit auch die spannendste Zeit des Jah-
                                                                                                res für Marken und Händler – dank
                                                                                                Black Friday und Cyber Monday star-
                                                                                                tet sie schon im November. Auch in
                                                                                                diesem von der Corona-Pandemie ge-
                                                                                                prägten Jahr wollen fast drei Viertel
                                                                                                (72 Prozent) der Konsumenten in
                                                                                                Europa an ihrem geplanten Budget für
                                                                                                Geschenke festhalten oder es sogar er-                                                         DIESICHTBARKEITSRATEN vonVideo-
                                                                                                höhen. Nur 9 Prozent planen, deutlich                                                          Ads sind im 3. Quartal 2020 um 2 Pro-
                                                                                                weniger zum Fest auszugeben. Für die                                                           zentpunkte auf 91 Prozent gesunken.
                                                                                                Studie „Holiday Shopping 2020“ hat                                                             Zugleich ist die Viewability von Display-
ZWEI von fünf deutschen Verbrau-                                                                IAS im Zeitraum vom 28. August bis                                                             Werbung in Deutschland auf 64 Prozent
chern haben schon einmal eine Marke                                                             9. September in einer Online-Survey                                                            weiter gestiegen – im vorangegangenen
boykottiert, weil diese ein Fehlverhal-                                                         526 Internetnutzer in ganz Europa zu                                                           Quartal legte der Wert bereits von 60 auf
ten an den Tag gelegt hat. Zu diesem                                                            ihrem Einkaufsverhalten zu Weih-                                                               63 Prozent zu. Ein Grund für die bessere
Ergebnis kommt eine repräsentative                                                              nachten befragt. Am liebsten kaufen                                                            Sichtbarkeit der Display-Ads ist laut
Studie von Yougov, für die Verbrau-                                                             die Europäer Geschenke in den                                                                  Meetrics die geringere Nachfrage nach
cher in zehn europäischen Ländern                                                               Bereichen Bücher, Musik und Video                                                              Werbeplätzen bei erhöhter Mediennut-
befragt wurden. Übergreifend liegen                                                             (jeweils 50 Prozent). Aber auch Beklei-                                                        zung infolge der Corona-Pandemie. Vor
die Deutschen genau im Durch-                                                                   dung (43 Prozent) und Produkte aus                                                             allem bei Display-Ads für den Desktop
schnitt. Ein dabei besonders häufig ge-                                                         Gesundheit und Beauty (41 Prozent)                                                             hat sich die Sichtbarkeit laut dem View-
nannter Grund sind mit 44 Prozent                                                               stehen in diesem Jahr hoch im Kurs. Im                                                         ability Benchmark Report mit 75 Pro-
Verfehlungen beim Umweltschutz.                                                                 Corona-Jahr erwarten drei Viertel der                                                          zent (Q2: 74 Prozent) verbessert, wäh-
Nur Österreicher (52 Prozent) und                                                               Befragten, dass sie ihre Weihnachts-                                                           rend der entsprechende Wert bei Mo-
Schweizer (49 Prozent) nennen diese                                                             einkäufe 2020 vorwiegend digital                                                               bile-Ads von 54 auf 52 Prozent leicht
Boykott-Begründung häufiger. Bei der                                                            tätigen werden – für fast vier Fünftel                                                         gesunken ist. Der häufigste Grund für
Bereitschaft, einer Marke dauerhaft                                                             (79 Prozent) ist Covid-19 ein Grund,                                                           fehlende Sichtbarkeit von Displaywer-
den Zuspruch zu verwehren, zeigen                                                               den stationären Handel zu meiden.                                                              bungsindweiterhinnichtoptimalePlat-
sich die Bundesbürger überdurch-                                                                                                                                                               zierungen. Meist liegen nicht sichtbare
schnittlich streng: Zwei Drittel sagen,                                                                                                                                                        Anzeigen unterhalb (30 Prozent) oder
sie haben Marken seit dem Boykott                                                                                                                                                              oberhalb (21 Prozent) des sichtbaren
nicht wieder verwendet (Durchschnitt                                                                                                                                                           Bildschirmbereichs, bleiben nicht lange
aller Befragten: 61 Prozent).                                                                                                                                                                  genug im sichtbaren Bereich (17 Pro-
                                                                                                                                                                                               zent), um gezählt zu werden, oder sind
                                                                                                                                                                                               zu klein (16 Prozent).

6   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
Wer treiber - DAS MAGAZIN - Horizont
Wer treiber - DAS MAGAZIN - Horizont
Nicht jede Marke
                                                                               zieht Talente an

Facebook verliert                                                                                                                                                    Plastik besorgt
weiter Nutzer                                                                                                                                                        Verbraucher
                                          ILLUSTRATION: NANOMANPRO / FOTOLIA

                                                                                                                                                                                                               FOTO: MCPHOTO / IMAGO IMAGES
                                                                               DIE RICHTIGEN Fachkräfte zu finden,

                                                                                                                         ILLUSTRATION: OLIVIER LE MOAL / COLOURBOX
                                                                               ist für jede werbungtreibende Firma
                                                                               überlebenswichtig – gerade weil heiß
                                                                               begehrte Talente sich die Jobs wirklich
                                                                               aussuchen können. Besonders große
                                                                               Konkurrenz macht anderen Arbeitge-
                                                                               bern aktuell Google, das sich erstmals
NUR NOCH 14 Prozent der Menschen,                                              an die Spitze des Arbeitgeberrankings                                                 DER PLASTIKREPORT 2020 von
die in Deutschland leben, nutzen                                               der Wirtschaftswissenschaftler von                                                    Brandwatch zeigt, dass Plastikredukti-
Facebook täglich. Laut der ARD/ZDF-                                            Universum gesetzt hat, gefolgt von                                                    on auch im Corona-Jahr eines der
Onlinestudie lag der Wert 2019 noch                                            Porsche und der Lufthansa Group. Bei                                                  meistdiskutierten Themen in den so-
bei 21 Prozent der Bevölkerung ab                                              den Absolventen mit IT-Abschluss                                                      zialen Netzwerken ist. Nicht nur die
14 Jahren. Zulegen konnte dagegen der                                          steht der Tech-Konzern schon länger                                                   GenZ-ler, sondern Konsumenten aller
Messenger-Dienst Whatsapp, auf den                                             an der Spitze der beliebtesten Arbeit-                                                Altersgruppen tauschen sich immer
68 Prozent jeden Tag zugreifen (2019:                                          geber, hier gefolgt von Microsoft und                                                 öfter über die eigenen Bemühungen,
63 Prozent). Auch die zweite Face-                                             Apple. Die Automobilbranche muss in                                                   Plastikmüll zu reduzieren aus – ein
book-Tochter Instagram überholt                                                diesem Jahr deutlich Federn lassen                                                    Trend, der seit 2018 kontinuierlich zu-
mittlerweile mit 15 Prozent (2019: 13                                          und sinkt insgesamt auf der Beliebt-                                                  nahm, im April dieses Jahres aufgrund
Prozent) ihre Mutter. Die Befragung                                            heitsskala beider Absolventengrup-                                                    der Coronakrise einbrach, nun aber
für die Studie erfolgt jährlich und ist                                        pen. Für beide ist ein attraktives                                                    wieder erneut auf dem Niveau von Ja-
repräsentativ für die deutsche Bevöl-                                          Grundgehalt wichtigste Eigenschaft                                                    nuar liegt. Von bestimmten Branchen
kerung. Zwischen März und April                                                eines Top-Arbeitgebers. Zu den                                                        erwarten die Verbraucher besonders
machten 1504 Personen ab 14 Jahren                                             Top-5-Attributen zählen bei beiden                                                    viel Haltung. So sind beispielsweise
per Telefon-Interview mit, wie es wei-                                         zudem flexible Arbeitsbedingungen,                                                    54 Prozent der global befragten Ver-
ter hieß. Das bedeutet, dass die Aus-                                          die Förderung der Work-Life-Balance                                                   braucherderMeinung,dassFast-Food-
sagen bereits in die Corona-Pande-                                             und eine attraktive Gehaltsentwick-                                                   Ketten mehr tun müssten, um ihren
mie-Zeit fielen. Zu den Analysen der                                           lung. Wer Informatiker ködern will,                                                   Kunststoffverbrauch einzudämmen,
Studie wurde zudem eine Langzeitstu-                                           sollte Innovation bieten. Wirtschafts-                                                gefolgt von Erfrischungsgetränkeher-
die der Sender zu Massenkommuni-                                               wissenschaftler lassen sich mit span-                                                 stellern (49 Prozent) und Produzenten
kation herangezogen. Insgesamt ist                                             nenden Produkten locken.                                                              von Haushalts- und Reinigungspro-
die Internetnutzung in Deutschland                                                                                                                                   dukten (39 Prozent). Deutsche Ver-
erneut gestiegen, auf nunmehr fast                                                                                                                                   braucher kritisieren vor allem Fast-
3,5 Stunden täglich. 94 Prozent der                                                                                                                                  Food-Marken (67 Prozent), Obst- und
deutschsprachigen Bevölkerung ab 14                                                                                                                                  Gemüsehändler (59 Prozent) und Mo-
Jahren nutzen das Medium zumindest                                                                                                                                   demarken (51 Prozent) – sie sind aber
gelegentlich, was 66,4 Millionen dieser                                                                                                                              auch bereit, für umweltfreundlichere
Bevölkerungsgruppe entspricht.                                                                                                                                       Verpackungen mehr zu zahlen.

8   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
Wer treiber - DAS MAGAZIN - Horizont
Wer treiber - DAS MAGAZIN - Horizont
Warum
                                                  macht
                                                  die
                                                  OWM
                                                  das?
                                                     Der Kundenverband sorgt mit
                                                     seinen Forderungskatalogen regel-
                                                     mäßig für Aufsehen und wird
                                                     auch kritisiert. Zu Unrecht. Die
                                                     Streitschriften der OWM befördern
ILLUSTRATION: REDSHINESTUDIO / FOTOLIA

                                                     etwas, was zunehmend verlernt
                                                     wird: offener, konstruktiver Streit
                                                     VON JÜRGEN SCHARRER

   10                                    HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
E
                                                 hört man als Vermarkter und Agentur besser
                                                 mal genauer hin. Zweitens flankiert die OWM
                                                 ihre Papiere mit öffentlichkeitsstarken Inter-
                                                 views und Auftritten bei Kongressen. Die
                                                 OWM hat das Glück, mit Uwe Storch einen
                                                 Vorsitzenden zu haben, der den großen Auf-
                                                 tritt und die Kunst des zündenden Zitats bis-
                                                 weilen trefflich beherrscht. Aber auch Storchs
                                                 Kollegen wie Andrea Tauber-Koch (Com-
                                                 merzbank), Kirsten Latour (MCM Kloster-
                                                 frau) und neuerdings ganz besonders Nor-
                                                 man Wagner (Deutsche Telekom) verstehen
                                                 es, Debatten zu treiben.
                                                      Und es gibt noch ein Drittes: Die OWM
                                                 hat ein Gespür dafür, was die Branche aktuell
                                                 umtreibt. Inhaltlich kann man sich über die
                                                 von der OWM vertretenen Positionen sehr
                                                 wohl streiten. Eines aber sind nie: irrelevant.

                                                 WIE ERFOLGREICH SIND DIE POSITIONS-
                                                 PAPIERE? Die OWM wird gehört, ihre öffent-
                                                 lichen Einlassungen sind relevant, und das
                                                 ist ja schon mal was. Aber bewirken ihre
                                                 Forderungskataloge auch etwas, und zwar
Es gibt keine festen Regularien, aber in der     ganz praktisch? Um das zu beurteilen, kann
Regel zweimal im Jahr – gerne zur Dmexco         man sich ja mal den jüngsten anschauen,
und den Screenforce Days – erfreut die Orga-     das im März veröffentlichte Papier „Ein Markt
nisation der Werbungtreibenden im Marken-        – eine Währung“ (siehe Kasten). Im Kern
verband (OWM) die Branchenöffentlichkeit         geht es dabei um drei Themen: neue Markt-
mit einem Forderungskatalog. Darin listet der    modelle, eine transparente Währung für
Kundenverband akribisch auf, was man gerne       Videowerbung sowie eine bessere Zusam-
anders und im Zweifel besser hätte. Worum es     menarbeit der Marktpartner, namentlich der
neben einer Vielzahl von Detailfragen dabei      TV-Vermarkter und der US-Plattformen
immer auch geht, ist die Forderung nach          Google und Facebook.
Transparenz und das Plädoyer für Branchen-           Der Abgleich fällt mehr als ernüchternd
Standards. Deutschland war, ist und soll blei-   aus: Praktisch keine der erhobenen Forde-
ben: ein Land des Konsenses und der Joint        rungen wurde bisher erfüllt. Zum Teil ist frei-
Industry Committees (JICs).                      lich einfach die Zeit über das Papier hinweg-
                                                 gefahren. Die Hoffnung, Google und die
WIE SICHTBAR SIND DIE FORDERUNGS-                AGF Videoforschung könnten bald einen ge-
KATALOGE? Wenn es etwas gibt, wovon es zu        meinsamen Vorschlag für eine Konvergenz-
viel gibt, dann sicher Content. Viel von dem,    Währung präsentieren, hat sich zerschlagen –
was Verbände, Unternehmen, Agenturen             das Thema wird jetzt auf internationaler Ebe-
und Heerscharen von Beratern in die Welt         ne unter dem Dach des globalen Kundenver-
hinausblasen, ist Dust in the Wind – so viele    bandes WFA verhandelt. Was im März für
mit Inbrunst vorgetragene Appelle und            erhebliche Irritationen sorgte, war der über-
Selbstbeweihräucherungen, die dann doch          aus harsche Ton, den die OWM in dem Forde-
wieder keiner liest.                             rungskatalog gegenüber den TV-Vermarktern
     Auf die Forderungskataloge der OWM          anschlug – während Google und Facebook
trifft das nicht zu. Marketingtechnisch gese-    weitgehend ungeschoren davonkamen. Wie
hen sind sie ein großer Erfolg. Woran liegt’s?   auch immer: Bisher ist nicht zu erkennen, dass
Zunächst einmal natürlich am Absender:           die TV-Vermarkter in irgendeinem der von
Wenn die Werbungtreibenden, um deren Gel-        der OWM angesprochenen Punkte große
der sich imgrunde ja alles dreht, sprechen,      Zugeständnisse machen.

                                                           HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber   11
Spricht man mit Joachim Schütz, seit                                                                    ganz bittere Pille für die OWM. Ungezählt
ewigen Zeiten beziehungsweise seit 2005
Hauptgeschäftsführer der OWM, stellt sich
                                                  OWM-Papier                                                die Interviews, in denen Storch und seine
                                                                                                            Mitstreiter die Bedeutung dieses Projekts
die Lage freilich nicht so dramatisch dar.        „Ein Markt – eine Währung“                                herausstellten – inklusive dem Umstand, wie
Der Sinn und Zweck der Forderungskataloge         Die neun Forderungen vom März                             stolz man darauf sei, der weltweit erste Markt
bestehe vor allem darin, „unsere Positionen       in einer gekürzten Version:                               zu sein, dem es gelungen sei, Google ins
öffentlich und transparent in den Markt           1. Eine verlässliche und transparente                     Boot zu holen.
zu geben“, so Schütz. Daneben fänden natür-       Währung für Videowerbung                                      Das Thema ist nicht weg, es ist jetzt nur
lich vielfältige bilaterale Gespräche statt.      Rasche Etablierung eines von allen Marktpartnern          woanders. Der große Durchbruch soll wie er-
                                                  akzeptierten Standards für die Messung, Planung
Und es ist ja wahr: Gut Ding will manchmal        und Analyse von linearen und non-linearen Bewegt-         wähnt nun unter dem Dach der WFA gelin-
Weile haben. Tatsächlich sei man in sehr          bildangeboten. Vorausgesetzt wird, dass die genutz-       gen, unter der tätigen Mithilfe von Google
konstruktiven Gesprächen mit den TV-Ver-          ten Methoden und Resultate auch einer unabhängi-          und Facebook – was, nebenbei bemerkt, gera-
                                                  gen Validierung standhalten.
marktern, betont Schütz. Das Prinzip Zucker-                                                                de den deutschen TV-Vermarktern sauer auf-
brot und Peitsche hat man bei der OWM             2. Eine einheitliche kommerzielle Währung                 stößt. Einfach übernommen werden soll die
gut raus, keine Frage.                            Die Etablierung einer einheitlichen „Handelswäh-          WFA-Lösung, so sie denn kommt, freilich
                                                  rung“ für lineare und non-lineare Bewegtbildplatt-        nicht. Die OWM-Granden versichern glaub-
                                                  formen, über die es möglich ist, Inventare über beide
BILANZ: GUT ODER SCHLECHT? Die OWM                Ebenen flexibel zu optimieren.                            würdig, peinlichst genau darauf zu achten,
fordert, die anderen springen: So funktioniert                                                              dass deutsche Qualitäts-Standards nicht auf
das ganz offensichtlich nicht. Aber es wäre ja    3.   Eine leistungsgerechte Preisbildung                  dem Altar eines globalen Modells geschlachtet
                                                  Wenn Multi-Plattform-Anbieter bei Reichweitenver-
auch ziemlich seltsam, wenn es so wäre.           lusten im linearen Bereich an ihrer Preisstellung fest-   werden. So oder so: Das Thema bleibt der
    Man muss es anders sehen. In einer Zeit, in   halten, müssen sie im non-linearen Bereich für einen      Branche erhalten und die OWM wird dabei
der einerseits Diskussionen völlig aus dem Ru-    entsprechenden Leistungsausgleich sorgen.                 weiter eine zentrale Rolle spielen.
der laufen und die irrsten Hasstiraden und        4.   Transparenz in den Konditionsmodellen
Verschwörungstheorien wie Giftpilze aus dem       Eine signifikante Vereinfachung der aktuellen Kon-        SOLLTE DIE OWM POLITISCHER WERDEN? Ja,
Social-Media-Boden sprießen, andererseits         ditionsmodelle, die nachweislich hoch-intransparent       die Zeiten sind danach. Die OWM hat sich
                                                  sind und die Managementkosten nach oben treiben.
aber auch gerade im Marketing mehr Wohl-          Die aktuell gelebte Konditions-Praxis der linearen
                                                                                                            sehr lange sehr schwer damit getan, klar Stel-
fühl-Phrasen denn je gedroschen werden            Plattformen ist nicht kompatibel mit den Einkaufs-        lung zu beziehen, wenn es um die gesellschaft-
(merke: Corona ist keine Krise, sondern eine      modellen in der non-linearen Welt.                        liche Rolle von Facebook geht. Aber damit war
Chance!), kann man echte Debatten, wie die
OWM sie immer wieder anstößt, nur begrü-
                                                  5. Bestmögliche Vergleichbarkeit von Reichweiten          man ja nicht allein. Zwar sprechen Agentur-
                                                                                                            leute und Marketiers über nichts lieber als
                                                  Die durchschnittliche Werbeblockreichweite als
ßen. Dass man sich dabei manchmal im Ton          alleinige Größe für die Bewertung von Leistung und        „Haltung“ – wenn es aber ernst wird, duckt
vergreift und hier und da auch zu Einseitig-      Effizienz linearer Video-Werbung ist nicht mehr aus-      man sich lieber weg. Facebook lebt praktisch
                                                  reichend.
keiten neigt – mag sein. Insgesamt aber trägt                                                               komplett von Werbegeldern – dass sich daraus
die OWM gerade mit ihren Forderungskatalo-        6.  Abschaffung der Disproportionalität                   aber eine besondere Verantwortung für die
gen mit dazu bei, dass wichtige Themen in der     Die disproportionalen Preise sind ein Relikt aus der      Werbeindustrie ableitet, wenn es um Hate
                                                  analogen Welt und müssen abgeschafft werden.
Werbeindustrie mit der notwendigen Ernst-                                                                   Speech und Fake News geht, wurde lange ge-
haftigkeit diskutiert werden. Und das ist in      7. Verifizierung der Auslieferung                         leugnet. Tatsächlich vertritt noch heute eine
Zeiten wie diesen alles andere als eine Selbst-   Kontrolle im Videobereich ist unverzichtbar. Es ist       Mehrheit in der Branche diesen Standpunkt –
                                                  aber nicht Aufgabe der Werbungtreibenden, für die
verständlichkeit.                                 ordnungsgemäße Auslieferung der Kommunikation             um die von Social Media befeuerte Polarisie-
                                                  zusätzlich zu bezahlen. Die Kosten für die Validie-       rung der Gesellschaft sollen sich mal schön die
WIE GEHT ES WEITER? Der letzte Forderungs-        rung sind durch eine unabhängige Institution von          Politik und die Zivilgesellschaft kümmern.
                                                  den Plattformen und Publishern zu tragen.
katalog liegt sieben Monate zurück, da wäre es                                                                  Nun kommt ein weiteres Thema auf die
eigentlich langsam Zeit für einen neuen. Doch     8. Neue Vermarktungsmodelle                               Werbeindustrie zu – nämlich die Frage, ob
das kann dauern, konkret geplant ist erst ein-    Die Werbungtreibenden entscheiden, welche Inven-          Google, Facebook und Amazon nicht zu
mal nichts. Zur virtuellen Dmexco, die gerade     tarquellen optimal zu ihren Anforderungen passen.         mächtig werden. In den USA rückt dieses The-
                                                  Bei einem führenden Anbieter wie der RTL Gruppe
über die Bühne ging, hielt man sich zuletzt       ist eine zwanghafte Kopplung von Angeboten nicht          ma gerade ins Zentrum der politischen Debat-
auffallend zurück.                                akzeptabel. Die Entscheidungsautonomie sollte aus-        ten, auch die EU hat es auf dem Schirm. Und
    Ein Thema, zu dem man in den kom-             schließlich auf der Auftraggeberseite liegen.             die deutsche Werbeindustrie? Die beiden
menden Monaten aber sicher noch einiges           9. Partnerschaft                                          drängenden Fragen an sie lauten: Droht die
von der OWM hören wird, ist die Zukunft           Aufgrund der fundamentalen Veränderungen des              Branche in eine zu große Abhängigkeit gegen-
der allseits geforderten Bewegtbild-Währung.      Marktumfelds für Videowerbung ist eine intensive,         über den GAFAs zu geraten? Und, wenn ja:
                                                  partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Marktpart-
Dass nach fünf Jahren die Initiative von AGF      ner alternativlos, um den Markt zukunftsfähig zu ge-      Wie ist darauf zu reagieren? Wäre schön, wenn
Videoforschung und Google in diesem               stalten.                                                  man dazu bald Substanzielles von der OWM
Sommer endgültig gescheitert ist, war eine                                                                  hören würde.

12   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
Innovation
sichert Wert
Elf deutsche Marken im Interbrand-Ranking
der Top 100 Best Global Brands.
Dabei zeigt sich einerseits klar die
Vormachtstellung in der Autoindustrie,
aber andererseits auch klar
ein Defizit an Zukunftsmarken
VON MICHAEL BRANDTNER

14   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
Adidas (Rang 70, 3,8 Milliarden), Nivea (Rang
                                                                             87, 1,8 Milliarden) und Siemens (Rang 98,
                                                                             1,0 Milliarden).
                                                                                 In Summe waren dies sieben Marken mit
                                                                             einem Gesamtmarkenwert von 55,8 Milliar-
                                                                             den US-Dollar, wobei der Wert der deutschen
                                                                             Automarken 42,9 Milliarden, also 76,9 Pro-
                                                                             zent ausmachte. Seit damals waren zudem
                                                                             Mercedes-Benz, BMW, VW, SAP, Adidas und                            DHL (Platz 80, 5,4 Milliarden) und Boss
                                                                             Siemens immer in den Top 100 vertreten. In                         (Platz 96, 4,3 Milliarden).
                                                                             Relation zu den Top 5 betrug der Wert der                              Der Gesamtwert dieser elf Marken lag bei

I
                                                                             deutschen Marken damals 21,1 Prozent.                              157,2 Milliarden US-Dollar. Der Wert der
                                m Jahr 2020 ist Deutschland mit Merce-                                                                          deutschen Automarken machte in Summe
                                des-Benz (Rang 8, Markenwert: 49,3 Mil-      EIN RÜCKBLICK IN DAS JAHR 2010 Neun Jah-                           104,8 Milliarden aus. Das sind 66,7 Prozent
                                liarden US-Dollar), BMW (Rang 11,            re später waren die Top 5 Coca-Cola, IBM,                          des Gesamtwertes aller deutschen Marken im
                                39,8 Milliarden), SAP (Rang 18, 28,0 Mil-    Microsoft, Google und GE. Der Wert dieser                          Ranking. In Relation zum Gesamtwert der
                                liarden), Allianz (Rang 39, 12,9 Milliar-    fünf Marken betrug 2010 in Summe 282,5                             Top 5 betrug der Wert der deutschen Marken
                                den), Audi (Rang 44, 12,4 Milliarden),       Milliarden US-Dollar. Die deutschen Marken                         31,3 Prozent.
                          VW (Rang 47, 12,3 Milliarden), Adidas (Rang        in den Top 100 waren Mercedes-Benz (Rang
                          50, 12,0 Milliarden), Porsche (Rang 55,            12, 25,2 Milliarden US-Dollar), BMW (Rang                              DER AUSBLICK IN DIE ZUKUNFT Wenn man
                          11,3 Milliarden), Siemens (Rang 61, 10,5 Milli-    15, 22,3 Milliarden), SAP (Platz 26, 12,8 Milli-                       diese fast 20 Jahre Revue passieren lässt, gibt es
                          arden), DHL (Rang 81, 6,3 Milliarden) und          arden), Siemens (Rang 49, 7,3 Milliarden),                             aus Markensicht klar eine gute Nachricht für
                          Mini (Rang 95, 5,0 Milliarden) in den Top 100      Volkswagen (Rang 53, 6,9 Milliarden), Adidas                           die deutschen Marken. Man hat vor allem mit
                          der wertvollsten Marken laut Interbrand            (Rang 62, 5,5 Milliarden), Audi (Platz 63, 5,5                         zehn dieser elf Marken aktuell eine solide Basis
                          vertreten.                                         Milliarden), Allianz (Platz 67, 4,9 Milliarden),                       in den Top 100 für die Zukunft. Ob sich Mini
                               Dieses Ranking spiegelt somit auch klar die   Porsche (Platz 72, 4,4 Milliarden) und Nivea                           (aktuell auf Platz 95) halten kann, wenn noch
                          aktuelle Stärke der deutschen Automobilindu-       (Rang 87, 3,7 Milliarden).                                             mehr Technologiemarken aus den USA oder
                          strie wider. Sie stellt sechs von elf deutschen        Damit war die Summe der deutschen                                  demnächst vielleicht aus China nachrücken,
                          Marken und macht in Summe mit einem Wert           Marken von sieben im Jahr 2001 auf zehn ge-                            ist fraglich. Aber genau hier folgt auch die
                          von 130,1 Milliarden US-Dollar mehr als            wachsen, wobei zwischendurch auch Puma                                 schlechte Nachricht für die deutschen oder
                          65 Prozent des Gesamtwertes der deutschen          und Thyssen-Krupp in diesen Top 100 ver-                               auch für die europäischen Marken. Denn
                          Marken im Ranking aus. Interessant dabei           treten waren. Interessant dabei ist auch, dass                         wenn man einmal von Spotify (Platz 70) ab-
                          ist, dass allein Apple, Amazon, Microsoft          es Deutschland nie schaffte, mit mehr als elf                          sieht, kommen die starken Newcomer-Mar-
                          und Google jeweils mehr wert sind als diese        Marken gleichzeitig vertreten zu sein. Im Jahr                         ken aus den USA etwa mit Amazon (Rang 2),
                          sechs deutschen Automarken zusammen.               2010 lag der Gesamtwert der deutschen Mar-                             Google (Rang 4), Facebook (Rang 13), Ins-
                               Vom Gesamtwert aller 100 Marken               ken bei 148 Milliarden US-Dollar. Der Wert                             tagram (Platz 19), Youtube (Rang 30), Tesla
                          (2336,5 Milliarden US-Dollar) beträgt der Ge-      der vertretenen Automarken lag bei 64,3 Mil-                           (Platz 40), Netflix (Platz 41), Ebay (Platz 46),
                          samtwert der deutschen Marken mit zusam-           liarden beziehungsweise bei „nur“ mehr 43,4                            Salesforce (Platz 58), Paypal (Platz 60),
                          men 199,8 Milliarden gerade einmal 8,5 Pro-        Prozent des Gesamtwertes der deutschen                                 Linkedin (Platz 90), Uber (Platz 96) und
                          zent; wenn man „nur“ den Gesamtwert der            Marken. In Relation zu den Top 5 betrug der                            Zoom (Platz 100). So gesehen ist dieses Ran-
                          Top 5 (917,4 Milliarden) als Basis nimmt,          Wert der deutschen Marken 52,4 Prozent.                                king eine klare Bestätigung für die Stärke der
                          dann sind es 21,2 Prozent. Aber all dies ist nur                                                                          deutschen Marken, aber man kann es auch als
                          eine Momentaufnahme. Deshalb sollte man            EIN RÜCKBLICK IN DAS JAHR 2015 In diesem                               Warnung für die Zukunft sehen. Das gilt spe-
                          einen Blick in die Vergangenheit werfen, bevor     Jahr waren die Top 5 Apple, Google, Coca-                              ziell dann, wenn der Wert der deutschen Auto-
                          man einen Ausblick auf die Zukunft wagt.           Cola, Microsoft und IBM mit einem Gesamt-                              marken im Elektrozeitalter sinken sollte.
                                                                             wert von 501,8 Milliarden US-Dollar.
                          EIN RÜCKBLICK IN DAS JAHR 2001 Damals              Deutschland war vertreten mit BMW (Rang
                          waren die Top 5 Coca-Cola, Microsoft, IBM,         11, 37,2 Milliarden US-Dollar), Mercedes-                                             Markenstratege Michael Brandtner
                          GE und Nokia mit einem Gesamtwert von              Benz (Rang 12, 36,7 Milliarden), SAP (Platz                                           ist Österreichs führender Marken-
                                                                                                                                                                   positionierungsexperte und Asso-
                          264,3 Milliarden US-Dollar. Deutschland            26, 18,8 Milliarden), VW (Platz 35, 12,5 Milli-                                       ciate of Ries Global. Im Herbst 2019
ILLUSTRATION: COLOURBOX

                          war vertreten mit Mercedes-Benz (Rang 12,          arden), Audi (Platz 44, 10,3 Milliarden), Sie-                                        erschien sein neues Buch „Marken-
                                                                                                                                FOTO: RIES GLOBAL

                          21,7 Milliarden US-Dollar), BMW (Rang 22,          mens (Platz 53, 8,6 Milliarden), Allianz (Platz                                       positionierung im 21. Jahrhundert“.
                          13,9 Milliarden), Volkswagen (Rang 35, 7,3         54, 8,5 Milliarden), Porsche (Platz 65, 8,1 Mil-                                      Sein Blog:
                                                                                                                                                                   www.brandtneronbranding.com
                          Milliarden), SAP (Rang 43, 6,3 Milliarden),        liarden), Adidas (Platz 62, 6,8 Milliarden),

                                                                                                                                                              HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber     15
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                                   ILLUSTRATION: JI_SIGN / FOTOLIA; DOMINIQUE ROSSI / HORIZONT

HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
Die
Agenda
der
  Anfang des Jahres veröffentlichte
  Serviceplan das CMO-Barometer.
  Dann kam Corona.
  Was von den richtungsweisenden
  Ergebnissen bleibt

CMOs
  VON MICHAEL REIDEL

                       HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber   17
A
                    ls vor gut einem Jahr
                    die Erhebung für das
                    CMO-Barometer zu Ende
                    ging, konnte niemand bei
                    Serviceplan Consulting
                    Group und Facit Research
                    ahnen, dass das Coronavi-
                    rus die Welt durcheinan-
                    derbringen würde. Statt
                                                 „Emotionen und
neue Produkte zu bewerben, die Marke zu
pushen und konzentriert an der digitalen
Transformation zu arbeiten, standen im Früh-
                                                  Technologie sind kein
jahr bei vielen CMOs plötzlich Solidaritäts-
aktionen, flammende Appelle, daheimzublei-
ben und fürs Abstandhalten auf der Tages-
                                                  Widerspruch“
ordnung. Gut zehn Monate nach Beginn der           Cindy Groenke führt als Managing Director Miele X.
Coronakrise in Deutschland hat die Branche
gelernt, einigermaßen mit dem Virus zu leben.
                                                   Für sie sind Daten der Schlüssel zum Erfolg
    Wie hat sich das auf die Agenda der CMOs
ausgewirkt? Vielleicht weniger stark, als
man vermuten würde. Grundsätzlich bleiben
die Anpassung der Geschäftsmodelle und           Frau Groenke, Miele X gibt es seit Anfang      neration 7000 eingeführt. Das war die
die Aufgabe, mit dem Marketing für Wachs-        2020. Wollen Sie beweisen, dass sich           größte Lancierung in unserer Geschichte
tum zu sorgen – ob mit oder ohne Corona –,       Marken digital emotionalisieren lassen?        mit 350 Kücheneinbaugeräten. Wir haben
generell wichtig. „Angesichts des Kosten-        Ja, das werden wir. Bereits heute informie-    eine globale Digitalkampagne gefahren, die
drucks in den Unternehmen wird das Thema         ren sich 90 Prozent der Konsumenten on-        „beyond the ordinary“ inspirieren sollte,
Effizienz sicher in den nächsten drei bis        line, bevor sie ein Haushaltsgerät kaufen.     und konnten dadurch neue und jüngere
sechs Monaten stärker an Bedeutung gewin-        Mit Miele X, unserem innovativen Digital       Konsumenten für die Marke gewinnen.
nen“, sagt Alessandro Panella, Managing          Hub für Miele weltweit in Amsterdam,           2020 sollte es weitergehen. Doch dann kam
Partner der Serviceplan Consulting Group.        emotionalisieren wir Marken digital. Wir       Corona.
Wenn Umsätze und Gewinne wegbrechen,             wollen unsere Konsumenten verstehen
werden Budgets – wie in früheren Krisen –        und ihnen eine überlegene digitale Custo-      Sie haben alles gestoppt?
überprüft und angepasst.                         mer Experience bieten, die sich nahtlos in     Nein, wir haben uns entschieden, den Auf-
    Zuletzt hatte Nielsen für den Werbemarkt     die Offline-Welt einfügt.                      tritt näher am Konsumenten zu positionie-
in der Jahresbetrachtung ein Minus bei den                                                      ren. Wir haben die drei Spitzenköche der
Bruttozahlen von rund 7 Prozent gemeldet.        Braucht Miele Emotionen? Die Marke             Kampagne live auf Instagram mit alltäg-
Aber Panella glaubt trotzdem nicht, dass die     steht für Premium und Qualität.                lichen Zutaten, die jeder während des
Topthemen, die die Studie identifiziert hatte,   Das kommt darauf an, in welchem Markt          Lockdowns zu Hause hatte, inspirierende
an Bedeutung verlieren. Das zeigen die vielen    Sie sich befinden. In Europa werden wir so     Gerichte kochen lassen. Parallel haben wir
Gespräche, die er mit den Umfrageteilneh-        wahrgenommen, wie Sie be-                                   stets Daten analysiert, um die
mern in den vergangenen Wochen geführt           schreiben. Dagegen ist Miele                                richtigen Themen zu besetzen.
                                                                                                         FOTO: MIELE

hat. Die Digitalisierung oder das Ziel, das      in Asien und den USA eine Lu-
Kundenerlebnis zu verbessern, haben nichts       xusmarke wie Hermès. Hier                                             Mit     Marketing-Technolo-
von ihrer Dringlichkeit verloren. Angesagt       werden wir stark mit Inspirati-                                       gien?
bleibt auch die Erhöhung der emotionalen         on verbunden. Ein Ziel, wel-                                          Für mich sind Emotionen und
Bindung der Zielgruppen an eine Marke. In        ches wir seit der Neuausrich-                                         Technologie kein Wider-
der Umfrage landete die CMO-Aufgabe auf          tung der Marke Miele vor                                              spruch. Beides gehört unab-
Platz 2 der Topthemen, vor Evergreens wie        einem Jahr in allen Märkten                                           dinglich zusammen. Wir se-
Innovationen und Marketingeffizienz.             anstreben.                                                            hen es als unsere Aufgabe an,
    Warum dem so ist? Zum einen erhöht sich                                                                            mit neuesten Technologien
die Dichte an neuen und etablierten Wett-        Wie gehen Sie vor?               Cindy Groenke, Mana-                 dem Konsumenten die beste
bewerbern in allen Branchen. Zum anderen         Im Herbst haben wir die Ge-      ging Director, Miele                 User Experience zu bieten.
sagen andere Studien, dass die Deutschen zwei
Drittel aller Marken für verzichtbar halten.

18   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
Eine erhöhte emotionale Bindung wird da zur          andere Wege gibt als eine Kampagne, um                              noch besser verstehen lernen. Es ist entschei-
Lebensversicherung. Was man liebt und                Emotionen zu erzeugen – nämlich dann,                               dend, dass die Marken ein Gefühl dafür ha-
schätzt, davon trennt man sich in der Regel          wenn sich Marken wirklich für Menschen                              ben, in welchem Mindset sich Menschen be-
schwerer. Doch Emotionen nur auf starke Bil-         nützlich machen.“ Sie müssen beim Konsu-                            finden, was sie gerade beschäftigt und wie sie
der und große Versprechen zu reduzieren, ist         mentenverhalten noch näher am Puls der Zeit                         in diesem Kontext einen Mehrwert erzeugen
Panella zu wenig: „Ich bin überzeugt, dass es        sein, den Kunden in seinen Entscheidungen                           können“, sagt Panella. Denn nur so lassen sich

 Digitalisierung ist Hauptaufgabe                                                     Nachhaltigkeit nimmt Fahrt auf
 Welche der aufgeführten „typischen“ CMO-Aufgaben werden                              Wie werden sich die folgenden Marketingthemen entwickeln?
 2020 an Bedeutung gewinnen?                       Angaben in Prozent                                                                 „sehr wichtig“/„eher wichtig“      Angaben in Prozent
 Digitalisierung des Marketings                                              53         52,2
                                                                                      Optimierung der Customer Experience                                                               84
 Emotionale Bindung der Zielgruppen an die                                  51
 Marke erhöhen                                                                        Nachhaltigkeitskommunikation                                                                    83

 Kundenerlebnis verbessern                                             48             Künstliche Intelligenz                                                                          81

 Marketingeffizienz steigern                              36                          Datengeschütztes Marketing                                                                   79
                                                                                      Echtzeit-Messung von Kundenverhalten entlang                                               76
 Business-Transformation vorantreiben                     35                          der Customer Jourmey
 Markt- und Konsumententrends/                                                        „War for Talents“ – die besten Talente finden                                           73
                                                          35
 -bedürfnisse stärker fokussieren                                                     und binden
 Innovationen schaffen/vorantreiben                  30                               CRM/personalisiertes Marketing                                                        70

 Wachstum schaffen                              27                                    Agilität in der Marketingorganisation erhöhen                                        69
 Basis: n = 160 befragte CMOs, Deutschland                                            Basis: n = 160 befragte CMOs, Deutschland
 Quelle: Serviceplan / CMO-Studie                              werbung.treiber 2020   Quelle: Serviceplan / CMO-Studie                                                werbung.treiber 2020

                                                                                                                                                                                 ANZEIGE
Bedürfnisse erkennen und diese in Produkte,
Services und Dienstleistungen umwandeln.
Besondere Einkaufszeiten für Ältere, wie das
beispielsweise Lidl in Nordirland während des
Lockdowns im März teilweise praktiziert hat.
Die Callcenterteams aufstocken, um Men-
schen umfassend beraten zu können. Neue
Produkte aus Plastikmüll kreieren. Storydoing
nennt Panella solche Ansätze. Nicht reden,
                                                  „Eine Marke ist
sondern machen. Lösungen anbieten. Mehr-
wert mit konkreten Inhalten erzeugen, nicht
mit großspurigen Worten. Aber ein Mindset
                                                   ein erfülltes
kann sich verändern, vor allem in Krisenzei-
ten. So haben sich zu Beginn des Lockdowns
Handelsmarken bei ihren Mitarbeitern be-
                                                   Leistungsversprechen“
dankt, andere bei den Menschen im Gesund-            Anja Stolz ist CMO der R+V. Sie verbindet Emotionen
heitswesen. Das haben die Kunden goutiert.
Nun gilt es, neue Akzente zu setzen. Steigt wie
                                                     und Haltung mit Produkten und Services
jetzt die Zahl der Infektionen wieder an, geht
es vielleicht eher darum, die allzu Sorglosen
wieder einzufangen, an die Verantwortung zu
appellieren und die Ängstlichen mitzuneh-         Frau Stolz, solche Emotionen wie im             Versprechen. Keine Sorge, jemanden zu
men. „Die Marken, die es schaffen, den Mind-      neuen Markenauftritt haben wenige der           enttäuschen?
set in ihre Kommunikation zu integrieren,         R+V zugetraut. Warum braucht es das?            Es stimmt, unsere Haltung und Positionie-
passende Produkte und Innovationen zu             Da kommen zwei Themen zusammen. Wir             rung ist ein großes Versprechen, das wir
launchen, sind diejenigen, die das Vertrauen      haben auf der Habenseite ein tolles Fun-        auch halten müssen. Und zwar nicht nur in
der Menschen für sich gewinnen können“,           dament mit einer fast 100-jährigen Ge-          bunten Bildern einer Kampagne, sondern
sagt Panella. Wichtig sei aber, dass sich die     schichte und eine positive Wahrnehmung.         im täglichen Handeln. Das bedeutet nicht,
Firmen treu bleiben. „Die Menschen achten         Wir stehen für Solidität und das Genossen-      dass wir alle Schäden ohne Prüfung bezah-
darauf, ob ein Unternehmen Maßnahmen              schaftliche. Aber uns hat in der Vergangen-     len oder Unversicherbares versichern.
nur ergreift, weil sie gerade angesagt sind.“     heit eine sichtbare Position gefehlt. Wir ha-   Doch wir sind bereit, Extrameilen zu ge-
     Das gilt auch für das Thema „Position be-    ben oft rational argumentiert und weniger       hen. Das müssen wir Kunden und Mit-
ziehen“ in den großen gesellschaftlichen De-      emotional.                                      arbeitern immer erklären. Und der Claim
batten um Diskriminierung, Rassismus und                                                          ist auch eine Aufforderung, immer den an-
Diversity. So hält es mehr als jeder zweite       Aber ist für eine Versicherung Vernunft         deren im Blick zu haben. Niemand agiert
CMO für sehr oder eher wichtig, dass sich         nicht wichtiger?                                alleine auf der Welt.
Unternehmen zu politischen Entwicklungen          Klar ist das wichtig. Aber man glaubt im-
offen äußern. Doch wer als Marke hier Orien-      mer, der Mensch sei ein Homo oeconomi-           Sie holen die Verantwortung für Produk-
tierung geben will, muss das aus innerster        cus. Wir wissen, dass 80 bis 90 Prozent der      te und Services ins Marketing.
Überzeugung machen, nicht weil es gerade hip      Entscheidungen emotional ge-                                 Im Marketing hat man lange
ist, und vor allem auch bereit sein, Gegenwind    troffen werden. Zudem ist das                                geglaubt, es reicht, eine coole
                                                                                                           FOTO: R+V VERSICHERUNG

auszuhalten. Das gilt ebenso für die Nach-        Thema Sicherheit schon hoch-                                 Werbekampagne und Kom-
haltigkeitskommunikation – vor Corona eines       emotional. Da geht es ja um                                  munikation zu machen, und
der Trendthemen in der Umfrage. Aber nur          Familie, Gesundheit oder Le-                                 ansonsten muss ich nichts ver-
weil Greta Thunberg heute nicht mehr die          ben. Deshalb brauchen wir                                    ändern. Aber Marke und Mar-
Titelseiten der großen Magazine schmückt, ist     eine höhere Emotionalität,                                   keting sind eben nicht nur
das Thema nicht weg. Nach wie vor schmelzen       auch um an die neuen und                                     Kommunikation, sondern die
die Eisberge, wird der Regenwald gerodet,         jüngeren Zielgruppen her-                                    Gestaltung und Ausrichtung
werden Wegwerf-Artikel produziert. Deswe-         anzukommen.                                                  des gesamten Unternehmens.
gen wird im Marketing auch hier nach neuen                                           Anja Stolz, Bereichs-     Eine Marke ist ein erfülltes
Konzepten gesucht und weniger nach dem            Dafür geben Sie mit „Du bist       leiterin Marketing,       Leistungsversprechen. Dafür
aufmerksamkeitsstarken Schnellschuss. Weil        nicht allein“ ein gewaltiges       R+V Versicherung          arbeiten mein Team und ich.
es um Glaubwürdigkeit, Langfristigkeit und
um die emotionale Bindung geht.

20   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
A
             kkuschrauber, Kühlschrank, Ein-
             spritzpumpe – das sind wahr-
             scheinlich die drei häufigsten
             Assoziationen, die den Deut-
             schen beim Stichwort Bosch ein-
             fallen. Dabei steht das Traditions-
unternehmen aktuell vor der größten Trans-
formation seiner Geschichte: Vom schwäbi-
schen Hardwarelieferanten zum weltweit
führenden IoT-Konzern. CEO Volkmar Den-
ner spricht in Interviews schon seit Jahren
über diese Wandlung. Das allein reicht jedoch
nicht, um Verbraucher, Geschäftskunden und
vor allem die Mitarbeiter von der großen
Mission zu überzeugen und ihnen das sper-
rige Thema Internet of Things näherzubrin-
gen. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand
2018 die Idee für eine globale Dachmarken-
kampagne, die mittlerweile zu einer echten
Bewegung geworden ist.
    Im Pitch um das Mandat stieg seinerzeit
auch Jung von Matt/Next Alster ins Rennen.
Die Agenturgruppe hat in der Vergangenheit
schon öfter für Bosch gearbeitet – allerdings
nie für die Dachmarke, sondern immer für
bestimmte Geschäftsbereiche wie beispiels-
weise die Sparte Power Tools. Das Briefing war
Der lässigste Dude
der Werbewelt
Die Bosch-Dachmarkenkampagne
#LikeABosch ist zu einer
Bewegung geworden, die jetzt erst
richtig Fahrt aufnimmtVON BÄRBEL UNCKRICH

                                            HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber   23
also durchaus eine Herausforderung, galt es                                                                               Wochen hat BSH Hausgeräte, der größte B2C-

                                                                                                   FOTOS: JUNG VON MATT
doch, die Aufmerksamkeit auf den in                                                                                       Bereich des Konzerns, seine erste eigene
Deutschland und den USA noch wenig be-                                                                                    #LikeABosch-Kampagne angekündigt. „Die
kannten Begriff IoT zu lenken und Bosch in                                                                                BSH-Kampagne ist ein gemeinsames Pilot-
diesem Bereich zu positionieren. „Die IoT-                                                                                projekt von unserem Konzernmarketing und
Kampagne war nicht dazu angelegt, den Ver-                                                                                der BSH-Marketingabteilung. Im Gegensatz
kauf von konkreten Produkten zu. bewerben.                                                                                zur IoT-Kampagne ist der BSH-Auftritt auf
Es ging darum, die Transformation des Unter-                                                                              den Massenmarkt ausgerichtet und mit kon-
nehmens kommunikativ zu begleiten. Bosch                                                                                  kreten Absatzzielen verknüpft“, berichtet
soll als führender IoT-Konzern wahrgenom-                                                                                 Dolkhani. Dafür wurde der Auftritt ein wenig
men werden“, berichtet Boris Dolkhani, seit                                                                               abgewandelt: Anstelle von Shawn treten un-
2017 Vice President Corporate Marketing,         Immer mehr Konzernbereiche nutzen in ihrem                               terschiedliche Protagonisten auf und die Mu-
Brand Management & Strategy von Bosch.           Marketing das übergeordnete Motto #LikeABosch                            sik ist kommerzieller als in den früheren
                                                                                                                          Spots. Der Kreativität tut das keinen Abbruch.
DIE KREATIVEN von Jung von Matt setzten bei          Der Spot hat nicht nur das Online-Pu-
dem erklärungsbedürftigen Thema auf die          blikum überzeugt, sondern auch nach innen                                IM GEGENTEIL: Für Jung von Matt war es eine
ungewöhnliche Kombination aus Hip-Hop,           gewirkt. Viele der insgesamt 400000 Bosch-                               besondere Herausforderung, sich mit der Fra-
Humor und Emotionen. Als Vorbild und In-         Mitarbeiter weltweit fanden ihren Arbeitgeber                            ge zu beschäftigen, ob #LikeABosch auch für
spiration für die Kampagne diente die Song-      plötzlich wieder richtig cool und versorgten                             den Massenmarkt taugt. „Wir haben auf
parodie „Like A Boss“, mit der die Schau-        sich mit Merchandising-Artikeln rund um                                  Agenturseite schon früh verstanden, dass das
spieler Andy Samberg und Seth Rogen aus der      #LikeABosch. Hier reicht die Palette vom                                 Motto größer ist als ein Hip-Hop-Video mit
US-Comedyshow „Saturday Night Live“ be-          Schlüsselanhänger über die obligatorische                                einem lustigen Mann mit Schnauzer. Mit die-
reits 2009 einen Internet-Hype ausgelöst hat-    Kaffeetasse bis hin zum coolen Hoodie. Es                                ser Stilistik lassen sich ganz viele Produkte und
ten. Die Agentur verwandelte „Like A Boss“ in    entstand ein regelrechter Hype, den sich die                             Situationen toll erzählen – auch ohne Shawn.
#LikeABosch und präsentierte dazu ein lässi-     Macher der Kampagne zwar erhofft hatten,                                 Wir fanden es deshalb total spannend, uns zu
ges Hip-Hop-Video, in dem ein noch lässige-      von dem sie aber am Ende doch überrascht                                 überlegen, wie #LikeABosch noch funktionie-
rer Protagonist die Vorzüge des Internet of      waren, mit welcher Wucht der Auftritt einge-                             ren könnte. Schließlich geht es darum, dass
Things anpreist. „Wir hatten schon das Ge-       schlagen ist.                                                            wir die Plattform auch in Zukunft weiter nut-
fühl, dass wir mit unserer Idee einen starken,                                                                            zen wollen.“
disruptiven Ansatz liefern. Dass die Kampa-      AUF DAS ERSTE HIGHLIGHT-VIDEO folgten                                        Dolkhani ergänzt, dass die Anfang 2019
gne dann aber wirklich so nahe am                weitere Clips zu verschiedenen Themen aus                                anlässlich der CES in Las Vegas lancierte Kam-
Ursprungskonzept umgesetzt wurde, begeis-        der Bosch-Welt. In „Heat smart #LikeABosch“                              pagne erst jetzt richtig Fahrt aufnimmt. „Mit
tert uns noch heute. Das erforderte auf Kun-     geht es um den Heizungsregler EasyControl,                               der BSH-Kampagne erreichen wir noch mal
denseite wirklich viel Mut und Durchset-         der Clip „Drive #LikeABosch“ beschäftigt sich                            mehr Konsumenten, die bisher vielleicht noch
zungskraft“, erinnert sich Andreas Ernst, Ma-    mit den Mobilitätslösungen des Unterneh-                                 nichts von #LikeABosch gehört haben.“ Das
naging Partner bei Jung von Matt/Next Alster.    mens, in „Manufacture #LikeABosch“ dreht                                 darauf folgende Kommunikationsthema steht
    Das erste Highlight-Video mit dem            sich alles um die Fabrik der Zukunft. „Es ist                            auch schon fest: Anfang 2021soll es eine Nach-
schnauzbärtigen Protagonisten Shawn Ryan         uns mit #LikeABosch zum ersten Mal gelun-                                haltigkeitskampagne geben. „Sustainability
erzielte weltweit 299 Millionen Impressions      gen, eine zentrale Kampagnenplattform zu                                 #LikeABosch“ lautet dann das Motto, mit dem
und 44,7 Millionen Views und landete auf         etablieren, die von verschiedenen Geschäfts-                             Bosch aller Welt erzählen will, dass es als erster
Platz 5 der meistgesehenen Youtube-Ads.          bereichen genutzt wird. Das gab es so noch                               Industriekonzern vollständig klimaneutral ist.
Selbst in China erlangte es Kultstatus. Obwohl   nicht und hat allein schon deshalb eine Wahn-                            „In unserer Branche wird aktuell viel über
der Clip fast anderthalb Minuten lang ist,       sinnspower“, stellt Dolkhani fest. Dem Ver-                              Purpose gesprochen“, stellt Ernst fest. „Bei
schauten ihn sich 56,1 Prozent der Zuschauer     braucher sei es schließlich egal, dass Bosch                             Bosch sind dahingehend viele Dinge schon
bis zum Ende an. Zum Vergleich: die              eine Vertriebsorganisation mit verschiedenen                             gedacht beziehungsweise gemacht, aber es
Wettbewerbs-Benchmark hinsichtlich dieser        Bereichen und Marketingverantwortlichen                                  wird noch zu wenig darüber geredet. Das wer-
sogenannten Completion Rate liegt bei            hat. Er sieht nur die Marke Bosch. „Daher                                den wir nächstes Jahr mit der Nachhaltigkeits-
30 Prozent. Auch sind im Zuge der Kampagne       macht es Sinn, einheitlicher aufzutreten als in                          kampagne ändern – aber eben in der Bosch-
sämtliche Umfragewerte rund um die               der Vergangenheit. #LikeABosch führt dazu,                               eigenen Art: Wir reden erst darüber, wenn wir
IoT-Kompetenz und die nachhaltige IoT-           dass alle Verantwortlichen erkennen: Wir sind                            Fakten vorweisen können.“ Und allen Shawn-
Transformation von Bosch gestiegen. Die          deutlich effizienter, wenn wir gemeinsam in                              Fans sei verraten: Der sympathische Marken-
überragenden KPI-Werte haben dem Unter-          eine Kerbe schlagen.“                                                    held hat zwar keinen Auftritt in der aktuellen
nehmen und seiner Agentur dieses Jahr sogar          Die große Bewährungsprobe für die Kam-                               BSH-Kampagne, aber er wird wiederkom-
Gold beim Effie Germany beschert.                pagne steht unmittelbar bevor: Vor einigen                               men. Versprochen!

24   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
ILLUSTRATION: TOSTPHOTO / STOCK.ADOBE.COM
      Ein Trio für
      den Erfolg
     KPIs gibt es unendlich viele. Doch um den Erfolg
     eines Unternehmens in Social Media zu bewerten,
     reichen drei. Welche das sind, verrät unser Autor
     und Brandingexperte Torben Platzer

S
            ocial-Media-Kanäle sind schon        tent ansehen und interagieren. Oftmals haben      #1 REICHWEITE Die Reichweite sagt etwas
            lange nicht nur eine bloße Mög-      große Kanäle viele inaktive Abonnenten, die       über die Anzahl der potenziellen Interessenten
            lichkeit für Werbungtreibende,       längst einen neuen Account benutzen, der          und Kunden aus, die erreicht werden könnten.
            Kunden zu erreichen, sondern es-     Plattform den Rücken gekehrt haben oder de-       Die reine Followerzahl muss in den richtigen
            senzieller Bestandteil. Die durch-   nen die aktuellen Postings weit hinten im Feed    Kontext gestellt werden, um aussagekräftig zu
            schnittliche Bildschirmzeit am       angezeigt werden. Das ist das Aus für die Rele-   sein: Die aktuellen Impressionen, die von
Smartphone betrug im Januar 2020 laut App-       vanz. Mal abgesehen von gekauften Follo-          allen Plattformen mittlerweile selbst ausgele-
Annie-Studie schon 3,7 Stunden, die meiste       wern, Personen, die es nicht gibt, noch den       sen werden können, spielen eine wichtige Rol-
Zeit sind die User dabei in den sozialen Netz-   anderssprachigen, die zu einem gewissen Pro-      le. Wie häufig ein Posting im Newsfeed oder
werken aktiv. Die aktuellen Covid-19-Ein-        zentsatz auf jedem Account vorhanden sind.        der Timeline ausgespielt wird, gibt Aufschluss
schränkungen verstärkten diesen Trend noch,          Auch die „Gefällt mir“-Angaben sind kein      darüber, wie relevant die jeweilige Plattform
da wir uns vermehrt nach sozialen Interaktio-    sicherer Indikator, weil ein Accountbetreiber     ist und für wie relevant die User das Thema
nen sehnen und diese Bedürfnisse vor allem       diese im Internet für einige Cent erwerben        sowie das Posting halten. Je mehr Impressio-
über Instagram & Co gestillt werden. Aber        kann. Falls sie echt sind, bekommt ein Unter-     nen man erhält, desto häufiger wurde der Post
nicht nur für die aktuelle Kommunikation der     nehmen aber trotzdem keine Aussage darüber,       ausgespielt. Aber man erhält keine Daten, wie
Gesellschaft werden soziale Medien immer         wieso jemand hier ein Like hinterlassen hat.      viele Personen den Beitrag wirklich wahrge-
wichtiger, auch der Markenaufbau geschieht       Gefiel demjenigen vor allem der Sonnenauf-        nommen und damit interagiert haben. Man
vermehrt darüber. Um den Erfolg messbar zu       gang auf dem Bild? Oder lag es am beworbe-        bekommt jedoch eine Vorstellung darüber,
machen, wird in der Regel ein Augenmerk auf      nen Produkt? Das sind nur grobe Indikatoren.      wie viele Menschen man erreichen kann. Da-
die sichtbaren Zahlen wie Follower- und Like-        Stattdessen sollte sich ein CMO immer die     mit dieser Funnel funktioniert, muss zwin-
Anzahl unter Postings geworfen. Doch so er-      folgenden Fragen stellen, weil jeder diese ra-    gend eine Website oder Landingpage am unte-
hält ein CMO kein aussagekräftiges Ergebnis      tional und nachweislich beantworten kann:         ren Ende des Funnels stehen, über die Men-
über den Erfolg einer Kampagne. Sie analy-       DErreichen Werbungtreibende mit der aktu-         schen mehr Informationen erhalten. Es emp-
sieren nicht die Beweggründe.                    ellen Kampagne neue Menschen?                     fiehlt sich, mit spezifischen Links zu arbeiten,
    Wichtig ist vor allem, wie und wie viele     DInteragiert der Werbungtreibende mit die-        um tracken und analysieren zu können, was
neue Menschen täglich auf die Kanäle gelan-      sen?                                              am besten konvertiert hat. Menschen von den
gen, wer seine Daten hinterlässt und welcher     DWie viele der Menschen werden am Ende            sozialen Medien auf die eigene Seite zu ziehen,
bleibende Eindruck hinterlassen wird:            wirklich zu Kunden?                               muss das Ziel einer jeden Kampagne sein.
    Die reine Follower-Anzahl auf einem Ka-          Um den Erfolg einer Social-Media-Kam-         Dort erst kann man dem potenziellen Kunden
nal sagt nichts darüber aus, wie viele dieser    pagne zu messen, sollte sich ein Entscheider      wie in einem geschlossenen Raum die wich-
Menschen wirklich aktiv sind, sich den Con-      auf drei große Themen konzentrieren:              tigsten Botschaften übermitteln.

26   HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
#2 ENGAGEMENT Das Engagement zeigt                  #3 LEADS Leads und daraus resultierende                              Werbungtreibende sollten sich mit der So-
in Relation zur Reichweite die Treffer an, die      Verkäufe sind der Zeitpunkt, an dem es un-                       cial-Media-Kampagne auf bestehende Kun-
Likes, wie häufig der Beitrag geteilt wurde und     romantisch wird. Denn es ist entscheidend,                       den fokussieren und auf die, die es werden
die Kommentare. Alles das bedeutet Interakti-       nie das Ziel einer Kampagne aus den Augen zu                     könnten. Oftmals sind verschiedene Herange-
on mit dem eigenen Content. Wenn sich User          verlieren. Haben sich Unternehmen lange Zeit                     hensweisen für verschiedene Menschentypen
angesprochen fühlen, werden sie aktiv. Shares       auf das Steigern der Reichweite und Engage-                      nötig, um mit dem Produkt Probleme zu lö-
sind dabei die Multiplikatoren. So erreicht         ment fokussiert, kann die Euphorie leicht                        sen. Storytelling ist das A und O, nicht die
man noch mehr Menschen und sorgt für eine           überhandnehmen. Für eine Brandawareness-                         Informationsflut. Die Webseite und Follow-
erhöhte Brandawareness. Es ist vorteilhaft,         Kampagne mag das reichen. Wenn hingegen                          up-Kampagnen bieten für detaillierte Infor-
immer einen CTA (Call-to-Action) in einen           Verkäufe das Ziel sind, zählt vor allem die                      mationen noch genügend Raum, in dem die
Beitrag zu integrieren. Am besten werden Si-        Conversion des Traffics in echte Leads. Hier                     emotionale Kaufentscheidung rational be-
tuationen geschaffen, in die sich User leicht       geht es um Daten, die es ermöglichen, bei                        gründet werden kann, die ein Kunde auf Soci-
hineinversetzen können und die eine berüh-          diesen Personen mit einer Retargeting-Kam-                       al Media getroffen hatte.
rende Geschichte erzählen. Je höher der Iden-       pagne oder sogar mit einem Sales-Call im
tifikationsfaktor ist, desto größer ist die Chan-   Follow-up nachzufassen. Aus Followern
ce auf Interaktion. Ähnlich funktioniert, Fra-      werden Interessenten und aus Interessenten                                   TORBEN PLATZER ist Co-Founder und
gen zu stellen oder zur Diskussion aufzurufen.      Kunden.                                                                      Geschäftsführer der Medienagentur
                                                                                                                                 TPA Media GmbH, die spezialisiert ist
Wichtig ist vor allem, dass der Werbungtrei-             Um diese Formel zu erfüllen, müssen                                     auf das Personal Branding von Unter-
bende aktiv wird, mitdiskutiert, seinen Stand-      Werbungtreibende kreativ sein und aufzei-                                    nehmerpersönlichkeiten und -mar-
punkt vertritt und auf Kommentare eingeht.          gen, warum Menschen ihre Daten preisge-                                      ken. In den sozialen Medien baute er
Ein guter Dialog zwischen Unternehmen und           ben sollten, etwa indem es beispielsweise                                    in drei Jahren die Selfmade Commu-

                                                                                                   FOTO: TPA MEDIA
                                                                                                                                 nity mit über 300000 Followern auf.
den Followern sorgt für Nähe und Vertrauen          Prozente für die Eintragung in den Newslet-                                  Anfang 2019 erhielt er den „Success
und wird auch beim nächsten Post Menschen           ter gibt oder besondere Early-Bird-Angebote                                  Influencer Award“.
wieder zur Interaktion bewegen.                     via E-Mail.

                                                                                                                                                            ANZEIGE
Ein dickes
                                            Veilchen
                                           Die Zahlen zum Werbemarkt zeigen,
                                      dass die Branche 2020 mit einem blauen Auge
                                               durch Corona davonkommt,
                                   aber dennoch mit langfristigen Folgen kämpfen muss
                                                            VON EVA-MARIA SCHMIDT

                                                                                                       RETU
                                                                                                           RN

                                                                                                              81
              8,6                                                                             Prozent der Verbraucher erwarten
                                                                                               von Marken Kulanz bei Rücksen-
      Prozent plus prognostiziert der                                                          dungen oder Stornierungen. Das
     Online-Vermarkterkreis (OVK) im                                                         geht aus einer Umfrage von Selligent
      Bundesverband Digitale Wirt-                                                             hervor. Auch die Preissensitivität
      schaft (BVDW) für 2020 – trotz                                                          ist seit dem Ausbruch der Corona-
     Corona. Damit würden in diesem                                                              Pandemie deutlich gestiegen,
       Jahr 3,92 Milliarden Euro für                                                          die Relevanz des Markennamens
      digitale Werbung ausgegeben.                                                                     dagegen gesunken.
                                                           31883
                                                     arbeitslose Werbefachkräfte gab es
                                                      im Juni. Laut dem Zentralverband
                                                        der deutschen Werbewirtschaft
                                                     (ZAW) ist damit die Zahl der Arbeits-
                                                    losen in dieser Berufsgruppe drama-
                                                     tisch um 39,6 Prozent angestiegen.

                                           3,13
                                            Milliarden Euro brutto
                                           haben Unternehmen in
                                                                                                                 70
                                                                                                       Prozent der KMUs in Deutsch-
                                          Deutschland im Septem-                                         land sehen sich laut einer
                                         ber für Werbung ausgege-                                     aktuellen Crossvertise-Umfrage
                                          ben. Das ist zwar deutlich                                  nach der ersten Hochphase der
                                         mehr als im August, als die                                   Krise wieder investitionsbereit,
                 Werbungtreibenden lediglich 2,34 Milliarden in-                                         was ihr Marketing betrifft.
               vestierten – aber dennoch etwas weniger als im Vor-
               jahresmonat, als knapp 3,3 Milliarden Euro brutto in
                 die Kassen der Vermarkter flossen. Das Jahr liegt
                       damit bislang bei minus 4,6 Prozent.

28    HORIZONT MAGAZIN werbung.treiber
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